Wir feiern! - Hamburger Abendblatt

March 2, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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SONNABEND / SONNTAG, 3. / 4. SEPTEMBER 2011

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2011 Stadtleben: 750 Jahre Duvenstedt › Stadtgespräch: Erster Bürgermeister Olaf Scholz › Titel-Thema: 100 Höhepunkte aus 100 Interviews Unterwegs: 10 märchenhafte Ausflüge › Gestern & Heute: Vor 100 Jahren eröffnet – der Alte Elbtunnel › Markenmacher: Paul Hundertmark

Wir feiern!

Vor Ihnen liegt das 100. magazin: eine Zahl von großer Magie, aber rechnerisch bedeutungslos. Der Philosoph und Mathematiker GUNTER DUECK erklärt ihre ganz spezielle Zauberformel

M

anches ist klein, anderes groß. Es gibt das Riesengroße und das unfassbar Große. Die Zahl 100 ist das fassbar Große. Sie steht mitten in unserem Leben. Sie trennt das Kleinere vom Größeren. Viele denken bei 100 an Mathematik, aber da kommt 100 kaum vor – immer nur x und y, Sie wissen es ja. Die Physiker rechnen eher mit echten Zahlen, aber lieber zur Basis der Zahl e, weil Physik oft wie e hoch x klingt. Die Informatiker rechnen anders, aber dann nur im Dualsystem, eben weil die Schalter der Transistoren einfach nur an oder aus sind, 1 oder 0. Nein, 100 ist vor allem in unserem Kopf. „Das habe ich dir schon hundertmal gesagt – wie oft soll ich es noch sagen!“ So höre ich noch heute im Geiste meine Mutter. Hundertmal bedeutet „maximal oft“. Es gibt Väter, die das noch toppen, etwa mit „1000 Mal berührt und es ist nichts passiert“, aber das ist dann entweder eine männliche Übertreibung oder ein Ausdruck für das schon unfassbar Große, für das insbesondere die Zahl Million steht. In den Werken Karl Mays kommen immer 100 Indianer, bieten 100 Biberfelle an, setzen 100 Dollar, und die Schlucht ist 100 Fuß tief. Auch Edgar Allen Poe mochte auf die 100 nicht verzichten: „In den vier Kähnen, die vielleicht fünfzig Fuß lang und fünf Fuß breit waren, befanden sich im ganzen etwa hundert Wilde. Sie hatten die gewöhnliche Größe der Europäer, doch waren sie im allgemeinen muskulöser und fleischiger, von gagatschwarzer Farbe und trugen langes schwarzes, wolliges Haar.“ (aus: Der Bericht des Arthur Gordon Pym). 100 Leute sind bedrohlich viele, aber ein Held kann damit noch fertig werden. Winnetou schafft das, Bud Spencer sowieso und auch der moderne Hauptabteilungsleiter, der dem römischen Centurio nachempfunden ist. Heutige Polizisten orientieren sich ebenfalls an solchen Vorbildern und kommen als Hundertschaft. Jenseits der 100 versagt langsam unser Differenzierungsvermögen. Über 100 ist alles schon groß – so groß, dass wir es nicht sofort erfassen können. Ein kleiner Test gefällig? Ich schaue Sie jetzt einmal streng an und stelle Ihnen eine Frage, die Sie bitte sehr schnell beantworten sollen. „Wie viel ist 19 mal 7?“ Na? Da runzeln Sie fast sicher die Stirn und werfen Ihren Taschenrechner im Gehirn an, der sagt: „Man muss 10 mal 7 rechnen, das ist schon einmal 70, die merke ich mir. Danach bleibt 9 mal 7, das sind 63, die kommen noch zu der 70 dazu. Es sind, äh, 133.“ So geht es den meisten von uns. Über 100 rechnen wir mit gelernten Verfahren, unter 100 dagegen haben wir alles im Kopf. Da ich Statistik studiert habe, kann ich jetzt von einem Beispiel auf alle schließen und behaupte einmal leichthin: Die Zahlen bis 100 sind immer mit uns und die da drüber sind uns fremd. Nicht wirklich alle sind fremd, nein, denn die Quadratzahlen wie 144 kommen ab und an vor, und vieles kostet 199 Cent, was aber eine zarte Umschreibung von 200 ist. Die Zahl 100 ist genau die Zahl zwischen den vertrauten Zahlen und den fremden. Sie ist die größte der einfach so bekannten Zahlen

Am 10. Oktober 2009 ging’s los: Die 100 magazin-Titelblätter in chronologischer Reihenfolge ergeben genau die Zahl 100

und die kleinste derer, die wir taschenrechnerartig formal behandeln. 100 ist die größte konkrete und die kleinste abstrakte Zahl. Hundert ist also viel, aber noch verarbeitbar viel! Ich werde bestimmt 100 Jahre alt, weil ich Mathematiker und Philosoph bin, nicht rauche und Kinder habe. Das ist klar! Will ich noch älter werden? Hmmmh. Irgendetwas sagt in mir, dass ich bis hundert gesund bleibe und es danach irgendwie unfassbarer wird, wie ich mich entwickele. Wenn einer zu den Top 100 im Tennis gehört, dann kann er etwas! Aber Nummer 133? Ist der noch gut? Wir feiern alles, was hundert wird, jubelnd als Jubiläum. Was hundert wurde, muss gut sein! Der Hamburger Flughafen ist hundert Jahre jung – von Zeppelinen bei der Einweihung bis zur Dundu-Puppe bei der Jubliäumsfeier. Der alte Elbtunnel ist hundert geworden, er ist betagt wie bald ich – aber man muss ja auch schon lange nicht mehr diesen Fußgängertunnel benutzen, um als Hafenarbeiter zu seinem Arbeitsplatz zu kommen. Hundert Jahre, das ist die Zeit der Besinnung und einer Neubesinnung. Das alte Vertraute wird feierlich abgehakt, das neue Jahrhundert – noch fremd wie das große Einmaleins – beginnt vertraut zu werden. Es wird nun wieder von vorne gezählt, die 100-Jahrfeier ist Tod und Geburt. Dornröschen sollte mit blutjungen 15 Jahren sterben, aber die zwölfte Fee wünschte, „es soll aber kein Tod sein, sie soll nur hundert Jahr in einen tiefen Schlaf fallen“. Da stoppt das Leben am Hofe für 100 Jahre! So wie sich heute Menschen immer genau für 100 Jahre einfrieren lassen, weil Sie sich bei 100 Jahren noch etwas vorstellen können. Mehr als 100 Jahre einfrieren? Da ist er wieder, der Übergang vom gerade noch Vertrauten zum nicht mehr recht Fassbaren. 100 Mark, das war viel! Das haben wir so sehr verinnerlicht, dass wir heute nur 50-Euro-Scheine in Automaten gut finden. Wir wollen keine 100-Euro-Scheine, weil das 200 Mark sind, also unvertraut viel. Das körperliche Gefühl des Hundertmarkscheins hat sich auf den 50-Euro-Schein vererbt – witzig, oder? Selbst bei den kalt-nüchternen Kapitalanlagen gibt es ein Hunderterphänomen. Kaufen Sie gerne Aktien, die mehr als 100 Euro kosten? Viele Menschen sehen eine Aktie konkret als Sachanlage – ihnen erscheinen 100 Euro als „teuer“. Das fühlen sie. Für mich selbst ist eine Zahl so gut wie eine andere, ich sehe den Kurs mehr abstrakt. In Deutschland und in den USA werden die Aktien sehr oft gesplittet, wenn ihr Kurs wesentlich über die magische Zahl 100 gestiegen ist. Es ist üblich, einfach zu jeder Aktie eine neue auszugeben. Wer also vorher eine Aktie hatte, die 133 Dollar wert war, hat hinterher zwei Aktien zu je 66,50 Dollar. Mit so einer Zahl wie 66 können wir wieder etwas anfangen. Das ist fast genau zwei Drittel von 100 und nach 50 Prozent Kurszuwachs sind es traumhafte 100! Da viele Menschen so fühlen, steigen Aktien im Wert von über 100 nicht mehr stark, weil die Nachfrage langsam ausbleibt. Aber nach dem Split ist wieder für alle alles in Ordnung – und es wird wieder gekauft, weil die Situation wieder vertraut ist. Sie merken besonders an diesem Beispiel, dass das Gefühl rund um die 100 ganz locker selbst harte mathematische Logik dominiert. 100 ist eben Gefühl! 100 ist nicht kalt wie Logik und Zahlen. 100 ist Wärme, Verdienst, Jubiläum, Ehre, Tradition, Feier, Gedenken, Sinn und Besinnung, Stärke, Zuversicht und Stolz. 100 ist das Runde und Fertige, das Würdige und Schöne.

S. 4 – 6: „Verliebt in Hamburg“. Einhundert Höhepunkte aus 100 Interviews mit 100 Persönlichkeiten

II › WOCHENENDE

Sonnabend / Sonntag, 3. / 4. September 2011

Otto Waalkes

FOTO: PICTURE-ALLIANCE

FOTO: PRIVAT

Ab ins Weserbergland KARTE: GRAFIKANSTALT

Zeitreise: Duvenstedt wird 750 und feiert u. a. mit einer historischen Ausstellung – hier der alte Fahrradladen (ca. 1920)

Porta Westfalica Bad Oeynhausen

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2

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Hildesheim eshh

Weser

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Herford

Hameln Bielefeld Detmold

Der 63-jährige Komiker und TennisFan lebt seinen Traum – und hat dabei ständig ein Klingeln im Ohr

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Mein perfekter Sonntag

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1

Bad Pyrmont

9 Holzminden minde min nde

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Paderborn

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8 Uhr Ich bekomme einen Oscar für die beste Nebenrolle rückwärts. Stolz halte ich die Statue hoch – da fängt der verdammte Oscar plötzlich an zu klingeln! Ich wache auf und schlage um mich. Doch der Wecker klingelt weiter. Mein erster Gedanke: Maloche, Maloche! Zweiter Gedanke: Ich doch nicht! Der Wecker stellt das Klingeln ein. Ich drehe mich noch mal um – und mir fällt siedendheiß ein: Ich habe eine Verabredung! Ich dusche eiskalt, schlürfe einen selbsterpressten Saft und bin bereit. 9 Uhr Ich stehe auf dem Tennisplatz des TC Blankenese. Mein Partner sieht noch müder aus als ich. Die beiden Herren auf der anderen Seite des Netzes wirken hellwach. Wir verlieren den ersten Satz 1:6. Im zweiten werden auch wir munter und gewinnen 6:4. Dritter Satz, Tiebreak: Ich verwandle unseren ersten Matchball mit einem Smash auf die Grundlinie. Sieg! Sieg! Der Pokal ist unser! Ich recke ihn gen Himmel – da fängt das verdammte Ding an zu klingeln … Nein, das tut er nicht, ich schließe messerscharf: Das war kein Traum.

12 Uhr Café Luhmanns, Frühstück. Ich order das volle Programm: Die Verlierer zahlen. 14 Uhr Ich habe alle Tennisspieler, die ich kenne, angerufen und mit meinem Triumph gelangweilt. Eh ich mich langweile, greife ich zur Gitarre und versuche, eine RossiniOuvertüre zu spielen. Das ist nicht so schwierig, wie es sich anhört – einfach ist es aber auch nicht. Und es dauert … 18 Uhr Zur Auflockerung laufe ich die Treppe zur Elbe hinunter, 123 Stufen. Ist nicht so einfach, wie es sich anhört, denn die muss ich auch wieder hoch laufen. Zur Stärkung trinke ich einen Kamillentee in der „Kajüte“. Ich halte die Tasse hoch – da fängt das verdammte Ding an zu klingeln – Quatsch! Das war mein Telefon: eine neue Verabredung. 20 Uhr Ich sitze mit Freunden beim Lieblingsitaliener, Ecke Kalckreuthweg. Italienisch ist eine erstaunliche Sprache: „L’Europeo“ – fünf Silben für einen kleinen Erdteil. Und das Essen ist genauso: fünf Vorspeisen stehen nach knapp zwei Minuten auf dem Tisch. Dann bin ich satt. 23 Uhr Fernsehen? Lieber nicht. Meine Träume mache ich mir selbst. Gute Nacht.

WEIHNACHTSGALA Olivia Molina singt Weihnachtslieder aus Lateinamerika

27. Dezember 2011 20 Uhr Hauptkirche St. Nikolai Karten € 28,95 Karten gibt es in allen Hamburger Abendblatt-Ticketshops (zzgl. Bearbeitungsgebühr) Hamburger AbendblattTicket-Hotline

040/30 30 98 98

(zzgl. Versandkosten) Mo.–Fr. 8–19 Uhr, Sa. 8–13 Uhr

Göttingen

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10 km

10 AUSFLÜGE

Leben wie im Märchen TEXT: KIRSTEN RICK

STADTLEBEN

Eine malerische Kulisse: Die romantische Mittelgebirgslandschaft wartet auf mit sanften Hügeln, Burgen, Schlössern – und märchenhaften Erlebnissen. Eine Reise zu den Wurzeln von Aschenputtel, Rapunzel und Dornröschen

750 gute Gründe

Nirgends sonst in Deutschland gibt es eine so große Ansammlung von imposanten Burgen und Schlössern der Renaissance. Entlang der Weser reihen sich historische Fachwerkstädtchen wie Perlen auf einer Kette, von Hann. Münden bis Hameln. Man glaubt es sofort, dass die Gebrüder Grimm in der Heimat von Lügenbaron Münchhausen auf der Suche nach märchenhaften Überlieferungen vielfach fündig wurden.

Ein Umzug und ein Langlauf, ein Tanzball und Ringreiten, ein Flohmarkt und ein musealer Rückblick bis ins Jahr 1261: Über eine Woche lang feiert Duvenstedt seinen 750. Geburtstag – selbst die Kühe sind als Glücksfeen mit von der Party

E

TEXT: VANESSA SEIFERT

s ist eine besondere Einladung. Denn das Geburtstagskind ist 750 Jahre alt, ein durch und durch „Grüner“ und gemeinhin als eher ruhig bekannt. Doch jetzt hat der charmante Stadtteil im Norden Hamburgs richtig was zu feiern: Mit einer Festwoche begehen die mehr als 6000 Duvenstedter noch bis zum 11. September das 750. Jubiläum ihrer Heimat. „Das ganze Dorf ist auf den Beinen und wir erwarten mehr als 8000 Gratulanten“, sagt Organisator Hans-Hinrich Jürjens, den „hier alle Hinni“ nennen und der das Fest mit 50 Helfern geplant hat. Nach der Eröffnung durch Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) gehen die Feierlichkeiten in dem Stadtteil, der 1261 erstmals erwähnt wurde, richtig los: Am heutigen Sonnabend stehen „Spiele (fast) ohne Grenzen“ auf dem Programm, gerade auch für kleine Gäste wird rund um die Festwiese A am Puckafferweg einiges geboten, und um 18 Uhr will das Junge Theater Duvenstedt die Besucher mit Sketchen im MaxKramp-Haus zum Lachen bringen. Am Sonntag um 11 Uhr öffnet dann die Historische Ausstellung – eine Zeitreise in das Duvenstedt des Jahres 1261, inklusive einer Vorführung der Spinnerinnen aus dem Museumsdorf Volksdorf (Eintritt ist frei). Und von 12 bis 18 Uhr lädt Duvenstedt zu einem

Flohmarkt ein: „An mehr als 60 Ständen lässt sich bestimmt das ein oder andere Schnäppchen machen“, ist sich Hans-Hinrich Jürjens gewiss. Höhepunkt wird am 10. September der knapp 600 Meter lange Festumzug durch Duvenstedt sein, Vereine, Schulen, Kindergärten sind dabei. „Vom Traktor bis zum Feuerwehrauto fährt alles mit“, erklärt „Hinni“. Doch schon vorher, ab 11 Uhr, läuft alles rund beim großen Volkslauf mit einem Kurs, auf dem sich die schönen und blumigen Seiten des Stadtteils entdecken lassen – wahlweise auf einer Strecke von 2500, 5000 oder 7500 Metern. Anschließend lädt der Reitstall Eichenhof zum Ringreiten ein – wer nicht Mitglied im Duvenstedter Reit- und Fahrverein ist, zahlt drei Euro. Abends geht es dann festlicher zu, beim großen Ball im Festzelt – mit Line-Dance-Tanzaufführung des Casino Oberalster. Auf ein Spektakel freuen sich die Duvenstedter schon ganz besonders. „Toll wird das Kuhfladen-Lotto am 11. September“, schwärmt Hans-Hinrich Jürjens. Wie beim Roulette setzen die Mitspieler hier auf ein bestimmtes Feld auf einer abgesteckten Weide – und hoffen auf ein Geschäft mit dem Geschäft der Kuh. „50 Prozent des Einsatzes zahlen wir aus, 50 Prozent gehen an gemeinnützige Einrichtungen und kommen Duvenstedter Vereinen zugute.“ Dann schon mal herzlichen Glückwunsch, Duvenstedt!

TIPPS & TERMINE 1 SCHLOSS HÄMELSCHENBURG Das Juwel der Weserrenaissance: Das als Wasserschloss errichtete Rittergut ist komplett erhalten, inklusive Kunstsammlungen, Wirtschaftsgebäude, Kirche, Wassermühle. Es befindet sich noch immer im Privatbesitz der Familie Klencke, die es 1588 bis 1613 erbauen ließ. » Stiftung Rittergut Hämelschenburg, Schlossstr. 1, 31860 Emmerthal, Führungen tägl. außer montags, Tel. 05155 / 95 16 90, www.schloss-haemelschenburg.de 2 SCHLOSS BEVERN Anfang des 17. Jahrhunderts wurde das Prachtstück der Weserrennaissance von Statius von Münchhausen, einem cleveren Geldverleiher, gebaut. Es diente den Herzögen von Braunschweig und Lüneburg als Jagdschloss, wurde im 19. Jahrhundert zur Knopffabrik, Erziehungsanstalt für Jugendliche, Trainingslager des SA, Flüchtlingsunterkunft und Möbellager – wie man in der „Erlebniswelt Renaissance“ mit Pocket-PC und Kopfhörer lernen kann. » Kulturzentrum Weserrenaissance Schloss Bevern, 37639 Bevern, Tel. 05531/99 40 10, Kunsthandwerkermarkt: 4.9., 10–17 Uhr, www.schloss-bevern.de

Service » 750 Jahre Duvenstedt, Festwoche bis zum 11. September; das Programm gibt es im Internet unter www.vereinigung-duvenstedt.de

DER GRÜNE PUNKT Schon vor rund 100 Jahren sollte der Schulgarten im Volkspark den Bürgern als Vorbild für die eigene Scholle dienen. Bis Oktober gibt es an jedem ersten Sonntag im Monat eine Führung zur Historie, z.B. am 4.9. von 14–15.15 Uhr, Schulgartenweg/August-Kirch-Straße, 3 Euro.

4 SCHLOSSENSEMBLE DER PORZELLANMANUFAKTUR FÜRSTENBERG Eine spannende Reise in die Welt der Porzellankultur: Deutschlands zweitälteste Manufaktur, 1747 von Herzog Carl I. von Braunschweig auf Jagdschloss Fürstenberg gegründet, bietet Werksverkauf und eine Besucherwerkstatt. » Museum im Schloss, Meinbrexener Str. 2, 37699 Fürstenberg, 05271/40 11 61, www.fuerstenberg-porzellan.com 5 TRENDELBURG Von dem Burgturm soll einst Rapunzel auf ihren Prinzen gewartet haben – heute kann man im Hotel ein Märchen-Dinner genießen. Jeden Sonntag (bis 16.10.) lässt Rapunzel ihr Haar herab und gibt danach Autogramme. » Hotel Burg Trendelburg, Steinweg 1, 34388 Trendelburg, Tel. 05675/9090, www.burg-hotel-trendelburg.com 6 DORNRÖSCHENSCHLOSS SABABURG Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab das Haus Hessen das Schloss als Wohnsitz auf, es fiel in „Dornröschenschlaf“, von Efeu umrankt – nur hier konnte sich das Märchen zugetragen haben. Heute gibt es nicht nur Führungen, man kann bei Familie Koseck auch speisen und übernachten. » im Reinhardswald, 34369 Hofgeismar, Tel. 05671/8080, www.sababurg.de

KULTUR ERLEBEN

Artisten auf dem Asphalt

7 MÜNCHHAUSEN-MUSEUM Im Münchhausen-Gutshof wurde Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen 1720 geboren, hier starb er 1791. Zahlreiche Erinnerungsstücke zeichnen das Leben des berühmten „Lügenbarons“ nach. » Münchhausen-Museum, Münchhausenplatz 1, 37619 Bodenwerder, Tel. 05533 / 405 41, Mo – So 10 – 17 Uhr (April – Oktober), www.bodenwerder.de 8 RATTENFÄNGER VON HAMELN Die Sage um die Rache des Pfeifers fasziniert noch heute: Die „Stadtführung mit dem Rattenfänger“ reist zurück ins Jahr 1284, bis zum 11.9. wird sonntags um 12 Uhr das Freilichtspiel aufgeführt und bis 21.9. läuft mittwochs um 16.30 Uhr auf der Hochzeitshaus-Terrasse das Musical „Rats“. » Tourist Information, Deisterallee 1, 31785 Hameln, Tel. 05151/95 78 23, www.hameln.de

Das „Stamp“-Festival, Schmelztiegel der Straßenkünste, bringt mit 2000 Clowns, Tänzern und Malern Altona zum Kochen

A

3 SCHLOSS BÜCKEBURG UND FÜRSTLICHE HOFREITSCHULE Die Residenz der Fürstenfamilie zu Schaumburg-Lippe stammt aus dem Jahr 1560. Besonders prachtvoll sind der Große Festsaal im Rokokostil und das Mausoleum im Schlosspark mit der größten Goldmosaikkuppel Europas. Im Marstall stehen 18 Hengste, die bei den Vorführungen der Höfischen Reitkunst ihr Können zeigen. » Fürstliche Schlossverwaltung, Schlossplatz 1, 31675 Bückeburg, Tel. 05722 / 5039 oder 90 91 82, www.schloss-bueckeburg.de

TEXT: ALEXANDER JOSEFOWICZ

uf Stelzen oder Händen, im glamourösen Samba-Kostüm oder versteckt hinter Masken: Straßenkunst ist ebenso bunt wie vielfältig, wie das „Stamp“-Festival beweist. „Stamp“ steht für „Street arts melting pot“, den Schmelztiegel der Straßenkünste, in dem die unterschiedlichsten Genres brodeln. Noch bis Sonntag stehen neun Bühnen auf der Großen Bergstraße zwischen Max-BrauerAllee und Virchowstraße, auf denen 60 Gruppen mit insgesamt 2000 Künstlern um die Gunst des Publikums buhlen: Musiker, Akrobaten, Jongleure und Clowns, Pantomimen, Break-Dancer und Rapper. Sie kommen aus Hamburg, aus dem Rest Deutschlands und aller Herren Länder. Zusammengebracht hat sie das Team der Altonale, das schon 2010 den erfolgreichen Versuch startete, aus der Spaßparade ein eigenständiges Festival zu kreieren. Drei Tage und fast 200000 Besucher später war klar, dass es auch 2011 wieder ein „Stamp“-Festival geben würde. Eine Kunstform, die von der Straße kommt und beim „Stamp“ dorthin wieder zurückkehrt, ist der Breakdance. Beim Elbcoast Underground Battle treten mehr als 400 Teilnehmer aus ganz Europa in verschiedenen Disziplinen des vom HipHop inspirierten Tanzes gegeneinander an. Tanz spielt auch eine Rolle beim Herzstück des Festivals, den beiden Paraden: Am Sonnabend er-

Bruchtanz: Die Große Bergstraße wird zur Spaßparade, wenn Breakdance, Theater, Samba u. m. geboten werden FOTO: NICO VINCENT

leuchtet die Night Parade die Einkaufsmeile, wenn ab 20.30 Uhr Sambagruppen, Spielmannszüge und Theater-Ensembles durch die Straße ziehen, laut und leuchtend. Der Sonntag beginnt um 12 Uhr mit dem Erben der Spaßparade, der Stamp-Parade. Fast alle Teilnehmer des Festivals vereinen sich zu einem bunten Riesenwurm, der sich vier Stunden lang als geballte Vielfalt durch Altona schlängelt. Man kann es aber auch ruhiger angehen lasssen: Die Street Artists locken nämlich nicht nur mit Musik, Verrenkungen oder Theater, sondern auch mit urbanem Stillleben in Überformat. Die Werke von Malern und Sprayern wie Rebelzer, Remi/Rough und Los Piratoz werden dabei zu Straßenkunst auf Wänden. Bei allem Engagement, aller Liebe zur Straßenkunst kann das Organisationsteam dennoch eines nicht leisten: den Künstlern eine Gage zu zahlen. Wer von ganz weit her nach Hamburg gekommen ist, kann auf einen Unkostenbeitrag zu den Reisekosten hoffen, mehr ist nicht drin. Der Hut, der Gitarrenkasten, die Schale für das Kleingeld, denen man bei allen Vorstellungen begegnet – sie sind keine Dekoration, sondern Quelle des Einkommens.

9 BURG POLLE Die romantische Ruine der Grafen von Verstein soll Heimat von Aschenputtel gewesen sein. Das kleine Museum im Haus des Gastes lässt anhand von Fundstücken aus archäologischen Grabungen das Burgleben auferstehen. » Gästeinformation Polle, Amtsstr. 4A, 37647 Polle, Tel. 05535/411, www.weserbergland-tourismus.de 10 DEUTSCHES MÄRCHEN- UND WESERSAGENMUSEUM „Stroh zu Gold – Spindel, Schiffchen, Märchenhelden“ heißt die Sonderausstellung über Textilien in Märchen (bis 2.10.). Die Dauerausstellung erläutert, wie Märchen geschrieben und gesammelt wurden und worum es in den Geschichten tatsächlich geht. » Am Kurpark 3, 32545 Bad Oeynhausen, Mi–So 10–12 und 14–17 Uhr, Tel. 05731 / 14 34 10, www.badoeynhausen.de INFORMATIONEN: Weserbergland Tourismus e. V, Deisterallee 1, 31785 Hameln, Tel. 05151 / 930 00, www.weserbergland-tourismus.de

Service » STAMP-Festival, Sa, 3.9., ab 14, So, 4.9., ab 12 Uhr, Große Bergstraße (S Altona), Eintritt frei; www.stamp-festival.de

Porzellanwerk trifft Fachwerk: Schloss Fürstenberg FOTOS: ISTOCKPHOTO, PORZELLANMANUFAKTUR FÜRSTENBERG GMBH

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Sonnabend / Sonntag, 3. / 4. September 2011

› STADTGESPRÄCH

Peter Ulrich Meyer trifft Olaf Scholz

Liebling Altona Hamburgs Erster Bürgermeister spricht über Schicksale, die ihn besonders berühren, seinen Humor und wie er aus Niederlagen gelernt hat

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FOTO: THOMAS LEIDIG

lso die „Strandperle“! Diesen Ort der ungetrübten Lebensfreude an der Elbe hat sich Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz für das Gespräch ausgesucht. Steckt in dem Sozialdemokraten, der den heiligen politischen Ernst zur Regierungsform erhoben hat, vielleicht doch insgeheim ein Flaneur? Gibt es eine neue Lockerheit nach dem Einzug ins Rathaus? „Das Amt lässt sich auf viele Weisen ausüben“, verrät Scholz immerhin. „Jedenfalls sind mir die Elbe und der Strand hier sehr vertraut. Das passt zusammen.“ So klingt es, wenn der nüchterne Sozialdemokrat über sich erzählt. Scholz bestellt Rhabarberschorle und – ein Fischbrötchen. Die ungewöhnliche Kombination lässt den Schluss zu, dass es auch ein Bürgermeister angesichts einer Vielzahl von Terminen nicht einfach hat mit der Nahrungsaufnahme. Er wird erkannt, freundlich gegrüßt, aber in Ruhe gelassen. Altona ist sein Revier: Hier lebt der Jurist seit vielen Jahren mit seiner Frau Britta Ernst, die bis vor Kurzem Bürgerschaftsabgeordnete war. Als dreimal direkt gewählter Altonaer Bundestagsabgeordneter sind Scholz Menschen und Orte bestens vertraut. Großartige Rhetorik und spontane Gefühlsregungen sind seine Sache nicht. Wenn er früher als Bundesarbeitsminister zu Pressekonferenzen ging, raunten ihm enge Vertraute zu: „Und vergiss nicht, auch mal zu lachen!“ Politik verkauft sich so leichter. Einst wegen seiner roboterhaften Sprechweise als „Scholzomat“ verspottet, ist Scholz heute der beliebteste Hamburger Politiker. Hat er sich verändert? „Jetzt noch einmal mit einem Lächeln“, bittet magazin-Fotograf Thomas Leidig beim Foto-Shooting vor dem Interview. Er kann es, wenn er will.

MAGAZIN: Herr Scholz, leiden Sie unter Ihrem Image? Sie gelten als sehr kontrolliert und zurückhaltend, mimisch und gestisch nicht sehr aufwendig. OLAF SCHOLZ: Nein. Ich habe mich schon lange entschlossen, mich nicht zu verstellen. Die Bürger haben ein klares Gespür dafür, wann man authentisch ist. Sie haben auch einen Anspruch darauf, dass man so bleibt. Ernste Aufgaben muss man auch mit Ernst angehen. MAGAZIN: „Tagesthemen“-Moderatorin Caren Miosga hat gesagt, Sie wirkten wie ein „englischer Butler zur Teatime“. Da hatten Sie gerade Ihren historischen Wahlerfolg der absoluten Mehrheit bei der Bürgerschaftswahl errungen. Können Sie darüber wenigstens lachen? SCHOLZ: Ja, unbedingt. Ich fand das sehr lustig. Frau Miosga hat damit zum Ausdruck gebracht, dass sie meinen Umgang mit diesem sehr guten Wahlergebnis ungewöhnlich fand. Ich habe an jenem Abend eines sehr bewusst deutlich gemacht: Man kann einen Wahlsieg nicht feiern, als hätte die eigene Fußballmannschaft gewonnen. MAGAZIN: Aber man darf sich nach einem solchen Wahlerfolg doch auch mal freuen, oder? SCHOLZ: Ich freue mich, auch heute noch.

SCHOLZ: Ich habe Humor, allerdings bestehe ich nicht darauf, es zu beweisen. MAGAZIN: Keine Sorge, ich frage nicht nach einem Witz. Trifft Loriot Ihren Humor? SCHOLZ: Das war einer, der den Humor vieler Leute getroffen hat. Seine Art, sich selbst und uns alle auf die Schippe zu nehmen, ist bemerkenswert zeitlos. MAGAZIN: Kann man Politik nur über den Kopf verkaufen – oder gehören Emotionen notwendigerweise dazu? SCHOLZ: Unbedingt. Es geht in der Politik auch darum, dass unsere Gesellschaft nach bestimmten Wertvorstellungen organisiert wird: Es geht um Gerechtigkeit, um Freiheit. Und das geht alle an und ist zutiefst menschlich. MAGAZIN: Wo ist der Bürgermeister Scholz emotional? SCHOLZ: Was mich mit am meisten berührt, ist die Frage, wie sich die Kinder entwickeln. Ich bin manchmal persönlich glücklich, wenn ich sehe, dass es einem jungen Menschen gelingt, trotz schwierigster Umstände mit der Schule klarzukommen, eine Berufsausbildung zu beginnen. Es ist für mich eine zutiefst emotionale Angelegenheit, dafür zu sorgen, dass jeder, der sich anstrengt, in dieser Gesellschaft zurechtkommt. Manche Schicksale können einen nicht unberührt lassen. Zum Beispiel Kinder, die von ihren Eltern vernachlässigt werden: Das geht mich unmittelbar an, und das merkt man dann auch. Was ich nicht mag, sind Emotionen auf Knopfdruck. MAGAZIN: Denken Sie bei den Jugendlichen auch an Ihren eigenen Weg? SCHOLZ: Ich hatte eine glückliche Kindheit und eine unbeschwerte Schulzeit, an die ich mich gern zurückerinnere. Mir ist die Schule leichtgefallen. Aber ich habe bis heute eine Situation nicht vergessen: Am Ende der Zeit in der Grundschule Großlohe durfte einer meiner Mitschüler, der auch gute Noten hatte, nicht aufs Gymnasium. Seine Trauer hat mich lange begleitet. Es war für mich ein besonderes Erlebnis, vor Kurzem den Kontakt zu ihm wieder aufnehmen zu können. Es war schön zu sehen, dass sein Lebensweg erfolgreich war und er Ingenieur geworden ist. MAGAZIN: Wie wollen Sie als Bürgermeister wirken? SCHOLZ: Da habe ich keine Vorgaben. Jeder, der sich so etwas vornimmt, wirkt gestelzt. MAGAZIN: Charakterisieren Sie bitte Ihren Regierungsstil. SCHOLZ: Ich arbeite viel. Keine Entscheidung ohne ausreichende Informationen. Ich versuche, eng mit den Senatorinnen und Senatoren und den Fachleuten der Verwaltung zusammenzuarbeiten. Ich bemühe mich um einen kooperativen Führungsstil. MAGAZIN: Andererseits sind Sie so mächtig wie lange kein Bürgermeister vor Ihnen. Sie sind auch Landesvorsitzender. Wo bleiben da die „Checks and Balances“? SCHOLZ: Die Zusammenarbeit mit Partei und Fraktion und im Senat ist kollegial und von gemeinsamen Beratungen geprägt. Es ist nicht so, dass einer die Ansage macht und alle folgen. Deswegen gibt es auch keine einsamen Fehlentscheidungen. MAGAZIN: Wollen Sie SPD-Landeschef bleiben? SCHOLZ: Ich werde jetzt SPD-Chef bleiben. Das ist für die überschaubare Zeit auch sinnvoll. So können wir dafür sorgen, dass wir das umsetzen, was wir den Bürgern versprochen haben: sich bodenständig um die Probleme der Stadt zu kümmern und sie zu lösen. MAGAZIN: Heißt das, ohne Sie als Parteichef verliert die SPD die Bodenhaftung? SCHOLZ: Wir sind uns einig, dass es sinnvoll ist, die beiden Ämter zusammenzuhalten. Das ist in anderen Ländern auch so.

MAGAZIN: Nur nicht öffentlich. SCHOLZ: Ein Wahlerfolg bedeutet einen großen Zuspruch von den Bürgern. Und es ist ein Auftrag. Deswegen habe ich meinen Freunden gesagt: An die Arbeit!

MAGAZIN: Nur in der Hamburger SPD war es nie so. SCHOLZ: Aber im Augenblick scheint es ja ganz erfolgreich zu funktionieren. Niemand hat das Gefühl, es sollte anders sein. Da es um Teamarbeit geht, gilt hier der Satz: Never change a winning team.

MAGAZIN: Aber Sie scheinen dennoch Humor zu haben. Sie haben Loriot nach seinem Tod gewürdigt, was ungewöhnlich für einen Bürgermeister ist.

MAGAZIN: Wie selbstbestimmt leben Sie noch? SCHOLZ: Klar ist, dass in kurzer Reihenfolge Entscheidungen getroffen, repräsentative Termine wahrge-

nommen werden müssen und so weiter – insofern ist viel Fremdbestimmung dabei. Aber es handelt sich um Fremdbestimmung in einer selbst gewählten Situation. Politiker, die über ihre Arbeitsbelastung klagen, mag ich gar nicht. Sie könnten es jeden Tag sein lassen.

MAGAZIN: Ihre politische Karriere weist scharfe Brüche auf – Sie waren auch schon mal „weg vom Fenster“. Muss man als Politiker schwere Niederlagen erleiden, um große Erfolge zu erringen? SCHOLZ: Man muss nicht, aber es schadet nicht und hilft auch eher. Wenn man sich als Politiker schon einmal mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob die politische Laufbahn beendet wird, schützt das vor Größenwahn und unsäglichen Selbstbildern. MAGAZIN: Machen solche Erfahrungen demütig? SCHOLZ: Die machen demütig, auf alle Fälle. Schwierige Situationen erlebt zu haben, trägt dazu bei, dass man unerschrockener und gelassener mit den Aufgaben, die man hat, umgehen kann. MAGAZIN: Wann wollten Sie Erster Bürgermeister werden? SCHOLZ: ( lange Pause) Die Entscheidung, dass ich kandidiere, habe ich getroffen, als sie anstand. Das war im November 2010. MAGAZIN: Das ist uns nicht entgangen. SCHOLZ: Mit der Frage, ob ich bereit wäre zu kandidieren und es dann auch mit ganzem Herzen zu wollen als eine langfristige Aufgabe, habe ich mich Anfang 2010 auseinandergesetzt. Damals war klar, dass die SPD die Chance hat, stärker zu werden als die CDU. Und für mich als möglichen Bürgermeister war die Zustimmung in einer Umfrage größer als für den damaligen Amtsinhaber Ole von Beust. Zu dieser Zeit habe ich mir die Karten gelegt und auch mit meiner Frau darüber gesprochen. Ich hätte eine Vollbremsung machen müssen, wenn ich damals nicht innerlich die Bereitschaft zur Kandidatur gehabt hätte. Ein solches Amt darf man nur anstreben, wenn man es wirklich von Herzen will. MAGAZIN: „Ich will nie Bürgermeister werden.“ Wissen Sie, wann Sie das dem Abendblatt gesagt haben? SCHOLZ: Das muss zehn Jahre her sein. Ich war damals zum ersten Mal SPD-Landesvorsitzender. MAGAZIN: Sehr gut. Es war am 17. April 2000. SCHOLZ: Das war damals meine ehrliche Überzeugung. Außerdem habe ich euch daran gehindert, die Schlagzeile „Scholz will Runde (damals Erster Bürgermeister, Anm. der Red.) stürzen“ zu produzieren. Die wäre die Alternative gewesen. Ich bin ja nicht doof. MAGAZIN: Wollen Sie Bundeskanzler werden? SCHOLZ: Ich habe mich als Hamburger Bürgermeister

Hamburg, meine Strandperle: Olaf Scholz, 53, lebt unweit von Oevelgönne in der Altonaer Altstadt

Es ist nicht so, dass einer die Ansage macht und alle folgen. Deswegen gibt es auch keine einsamen Fehlentscheidungen.

beworben und zugleich gesagt, dass ich mich bei der nächsten Bürgerschaftswahl wieder um ein Mandat bewerben will. Ich will es so gut machen, dass es noch einmal klappt.

MAGAZIN: Müssen wir wieder zehn Jahre warten, um zu erfahren, dass Sie nicht die Wahrheit gesagt haben? SCHOLZ: Ich habe vor zehn Jahren die Wahrheit gesagt. MAGAZIN: Offensichtlich nicht. SCHOLZ: Ich habe das gesagt, was mir damals in den Sinn kam. MAGAZIN: Noch einmal nachgefragt: Müssen wir zehn Jahre warten, um zu wissen, ob Sie in puncto Kanzlerschaft die Wahrheit gesagt haben? SCHOLZ: Wie gesagt: In vier Jahren kandidiere ich erneut als Bürgermeister.

Kurz-Biografie » Olaf Scholz wurde am 14. Juni 1958 in Osnabrück geboren und lebt seit dem dritten Lebensjahr in Hamburg. In die SPD trat er 1975 ein und wurde schnell Vize-Bundesvorsitzender der Jusos. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht war 2001 fünf Monate lang Innensenator und von 1998 bis 2011 mit Unterbrechungen Altonaer Bundestagsabgeordneter. Von 2002 bis 2004 war er SPD-Generalsekretär und von 2007 bis 2009 Bundesarbeitsminister. Seit dem 7. März ist Scholz Erster Bürgermeister, nachdem er am 20. Februar mit der SPD die absolute Mehrheit bei der Bürgerschaftswahl errungen hatte. Scholz ist mit der SPD-Politikerin Britta Ernst verheiratet.

IV › THEMA DER WOCHE

Sonnabend / Sonntag, 3. /4. September 2011

V

Einhundert … Stadtgespräche sind bisher im „magazin“ erschienen: in chronologischer Reihenfolge die Höhepunkte aus Interviews mit 100 PERSÖNLICHKEITEN, die alle Hamburg lieben …

FOTOS: THOMAS LEIDIG (88), MELANIE DREYSSE (3), SVEN HOFFMANN / RED BULL PHOTOFILES, VITALIY PAVLENKO, KEVIN LYNCH, PATRICK PIEL, PICTURE-ALLIANCE (4), PR (1)

Ulla Hahn, 65 Schriftstellerin & Lyrikerin

„Ich bin eine begeisterte Fußgängerin. Oft laufe ich an der Alster herunter bis nach St. Georg, wo ich im Mariendom eine Kerze anzünde. Dort kann ich zur Ruhe kommen, nachdenken über Gott und die Welt. Oder ich gehe zu Fuß in die Schanze zum Kaffeetrinken.“

26

Giovanni di Lorenzo, 52 „Zeit“-Chefredakteur

„Ich habe Zeit gebraucht, um mir die Vorzüge Hamburgs zu erschließen. Dafür ist der positive Eindruck jetzt umso nachhaltiger. Dem Zweireiher mit Goldknöpfen werde ich mich aber wohl ewig verweigern.“

40

Albert Darboven, 75 „Kaffeekönig“

54

Nathalie Gräfin von Bismarck, 40, Autorin

„Dass Kaffee entwässert, den Cholesterinspiegel erhöht und so weiter – alles dummes Zeug! Wir haben sehr lange geforscht. Es gibt kein Kaffeeproblem. Höchstens eines: Wenn Sie sehr viel Kaffee trinken, müssen Sie öfters aufs Klo.“

„Nur das Hamburger Wetter macht mir zu schaffen. Sonne ist Energie, ohne sie wird man nachweislich depressiv. Es ist schwer für mich, an einem Ort zu leben, an dem es im Winter um 16 Uhr schon dunkel wird.“

13

Mario Adorf, 80 Schauspieler

„Dass der Hamburger Orden links liegen lässt, finde ich toll. Ebenso, dass der Bürgermeister nicht die Treppe runtergeht, selbst wenn gekrönte Häupter zu Gast sind. Das tut gut.“

27

Volker Lechtenbrink, 67 Schauspieler & Autor

41

Roberto Blanco, 74 Entertainer

„Ich paffe seit 13 Jahren nur noch, das ist die Konzession an meine Gesundheit. Ganz aufhören mit dem Rauchen wollte ich eigentlich eh nie, ich mag die Attitüde ganz gerne: einen Zigarillo rauchen beim Glas Wein an der Alster.“

„Hamburg habe ich langsam lieben gelernt. Damals waren mir die Hamburger zu ‚spitzestein‘ und die Stadt war grau in grau, nach dem Krieg war alles kaputt. Aber wie sie sich entwickelt hat. Diese Alster! Dieses Hanseviertel! Hamburg ist ein Garten!“

55

Hardy Krüger, 83 Schauspieler & Autor

„Ich arbeitete nach Kriegsende als 17-Jähriger als Statist am Schauspielhaus. Der Buchhändler Felix Jud machte einen Probenbesuch. Er muss ein Gespür gehabt haben für meine Verlorenheit, jedenfalls nahm er mich unter seine Fittiche.“

Ildiko von Kürthy, 43 Bestseller-Autorin

„Ich habe mich lange gewundert, warum ich nicht muskulöser aussehe. Aber so, wie ich bei Pulsfrequenz 85 um die Alster jogge, könnte ich auch shoppen gehen. Das bringt nichts.“

REDAKTION: JULIA MARTEN, SEBASTIAN MARTINEZ

12

1

14

Barbara Auer, 52 Schauspielerin

„Bei einem Gespräch mit Berliner Kollegen habe ich festgestellt, dass alle ihre Kinder auf Privatschulen schicken, weil sie den Stadtteilschulen nicht vertrauen. Das ist Gott sei Dank in Hamburg noch anders.“

28

Christoph Lieben-Seutter, 47, General-Intendant

42

Iris von Arnim, 66 Mode-Designerin

56

Peter Maffay, 62 Sänger & Deutschrocker

„Die Elbphilharmonie ist ja nicht einfach ein teures Konzerthaus, sondern ein architektonisches Weltwunder, deswegen wird sie ja auch gewollt. Ein gutes Konzerthaus kann man auch viel billiger haben.“

„Die Trendmode von H&M und Zara, das sind Einstiegskleider zu günstigen Preisen für junge Mädchen, die noch viel ausprobieren wollen. In ein Teil von mir muss man sich verlieben, es sammeln, es genießen, und dann muss es ein Lieblingsstück werden.“

„Hamburg war für mich das Mekka des Rock ’n’ Roll. Aber die Star-Club-Zeit ist leider an mir vorbeigegangen. Da wäre ich gern dabei gewesen und hätte all die Blues- und Beatbands gesehen.“

15

Katja Kraus, 40 Ehemaliger HSV-Vorstand

„Fußball ist ein TestosteronGeschäft … Aber bei all den nach außen sichtbaren Merkmalen des Profifußballs wird allzu oft vergessen, dass es sich um Menschen handelt, mit guten und schlechten Tagen und mit stabilen oder eher labilen Persönlichkeiten.“

29

Karl-Heinz Kuck, 59 Kardiologe

43

Jean-Remy von Matt, 58 Werbeagentur-Chef

„Das Herz ist der Motor des Lebens, nicht bloß eine Pumpe, die alle anderen Organe ernährt … Ich glaube zutiefst, dass das Herz der Sitz der Seele ist und dass man deswegen besonders achtsam mit seinem Herzen umgehen sollte.“

„Nicht einmal meiner Familie würde es gefallen, wenn ich plötzlich zu Hause wäre. Ich arbeite schlicht und einfach gerne. Hobbys habe ich nicht. Das Zeitintensivste ist die Firma. Dann kommt die Familie. Und Platz drei gibt es schon nicht mehr.“

57

Cosma Shiva Hagen, 30 Schauspielerin & DJane

„Übergangsweise wohnte ich bei Wolf und Pamela Biermann. Sie haben mir geholfen, wir haben uns mehrere Internate angeguckt, und Marienau war mir am sympathischsten, auch weil es in der Nähe von Hamburg lag, so konnte ich meine Oma oder Freunde besuchen.“

2

Hadi Teherani, 57 Architekt, Designer, Städtebauer

„Das Chilehaus ist eigentlich das wertvollste architektonische Gebäude, das Hamburg besitzt. Es hat ewige Gültigkeit. Aber wir sind heute eine offene Gesellschaft. Wir müssen uns nicht hinter dunklen Fassaden aus Backstein und kleinformatigen Fenstern verstecken.“

16

Harald Falckenberg, 67 Kunstsammler

„Für mich ist Kunst nicht so sehr das Kunstwerk, sondern die Haltung des Künstlers, die durch das Werk verkörpert wird. Der Künstler bringt Fragen der Philosophie und der Gesellschaft – wenn man es so will: des Lebens – kritisch auf den Punkt.“

30

Lotto King Karl, 44 Sänger & Stadionsprecher

44

Stephan Hering-Hagenbeck, 43, Tierpark-Direktor

58

Gerhard Delling, 52 TV-Moderator

„Ich habe mal jemandem einen Gefallen getan und bei einem Video mitgemacht, auf St. Pauli. Da ist mir mitgeteilt worden: Kaum bist du hier, schon gibt es die erste Morddrohung.“

„Langeweile bei den Tieren ist unsere größte Herausforderung. Verteidigung und Nahrungserwerb fallen weg, da müssen wir uns etwas einfallen lassen – wie die Wackelstangen bei den Orang-Utans. Bei Menschen ist es nicht anders …“

„Früher war ich mal Fan vom TSV Büdelsdorf, meinem Heimatverein. Heute bin ich Fan von nichts. Ich könnte mich nicht einer Sache mit Haut und Haaren verschreiben. Augen zu und kein Blick für anderes, das ist nicht mein Ding. Gilt übrigens nicht nur in Sachen Fußball.“

3

Arved Fuchs, 58 Extrem-Abenteurer & Autor

„Wenn mich meine älteren Schwestern ärgerten, bin ich einfach ausgebüchst. Außerdem habe ich schon als Buttje mit Hingabe geschmökert – speziell Polarliteratur. Eines Tages machte ich mich dann selbst auf den Weg. Der Aufbruch ins Unbekannte, das ist der Reiz.“

17

Kirsten Boie, 61 Kinderbuchautorin

„Natürlich wär’s manchmal ganz schön, so eine kindliche Offenheit zu haben. Kinder sind unvoreingenommener. Das ist kein Verdienst, es hängt mit ihrer mangelnden Lebenserfahrung zusammen.“

31

„Corny“ Littmann, 58 Theater-Besitzer

„Mit Uwe Seeler verbindet mich ein Band der Sympathie. In der 10. Klasse habe ich für die Schülerzeitung des Alstertal-Gymnasiums ein Interview mit ihm gemacht – nach dem Training am Rothenbaum. Er war damals so, wie er heute ist. Ich nicht unbedingt ...“

45

Achim Reichel, 67 Sänger & Komponist

59

Nina Öger, 37 Reise-Unternehmerin

„Vor drei Jahren traf ich Paul McCartney. Er ist immer noch ein großer Charmeur. Er erkundigte sich, wie es den Leuten von früher geht, vor allem den Barfrauen aus dem Star-Club …“

„Ich konnte mir Istanbul nicht abund Hamburg nicht angewöhnen. Aber man muss sich entscheiden, wo seine Wurzeln sind. Meine Antwort: in Hamburg. Wenn hier der Wind an Alster und Elbe weht und auch wenn es mal regnet, fühle ich mich wohl.“

4

Ina Müller, 46 Sängerin & Entertainerin

„Hamburg – das ist für mich richtig Stadt. Freunde sagen oft: Mit 50 muss man bei einem guten Rotwein vor der Holzhütte sitzen, irgendwo in der Lüneburger Heide. Nein! Altwerden ist schon blöd, aber dann noch in die Einöde ziehen?“

18

Heidi Gross Modelagentur-Chefin

„Ich glaube nicht, dass das ModelVorbild das Ernährungsverhalten beeinflusst, sondern das ist eine ganz andere Art von Störung. Aber die Modewelt, zumindest bei der Haute Couture, erfordert nun mal eine schmale Hüfte.“

32

Robby Naish, 48 Windsurf-Legende

46

Eugen Block, 70 „Steak-König“ & Hotelier

60

Uschi Obermaier, 64 Schmuck-Designerin

„Was Windräder angeht, sind uns Amerikanern die Deutschen Jahre voraus. Immer wenn ich durch Norddeutschland nach Sylt fahre, bewundere ich das. Ich glaube, bei euch hat jeder Bauernhof sein eigenes Windrad.“

„Das ‚Grand Elysée‘ ist mein Lebenstraum: Schon als Lehrling hat mich die abwechslungsreiche Arbeit im Hotel fasziniert. Kellner, Nachtportier, Küchenhilfe – habe ich doch alles durch. Damals ist in mir der Wunsch gereift, irgendwann ein eigenes Hotel zu besitzen.“

„Ich habe es geliebt, in Hamburg zu leben … mein Lieblingsplatz war im ‚Café Adler‘. So was gibt es nicht mehr, halb Galerie, halb Treffpunkt der interessantesten Menschen der Stadt – von der Hure bis zum Bürgermeister.“

5

Frank Rost, 38 Fußball-Profi

„Natürlich habe ich persönlich von der Wende profitiert. Nicht nur materiell. Aber aus meiner wertkonservativen Sicht ist es nicht akzeptabel, dass das Motto ‚Geld regiert die Welt‘ Allgemeingültigkeit besitzt. Wer nur in Geld-Kategorien denkt, ist ein armer Wicht.“

19

Roger Cicero, 41 Sänger & Musiker

„Zwar kleide ich mich gern modisch, aber meine Anzüge lasse ich von einer Stylistin kaufen. Die geht los und besorgt tausend Klamotten. Die werden dann bei mir zu Hause anprobiert, und ich darf aussuchen. Das ist wie im Schlaraffenland.“

33

Dieter Lenzen, 63 Universitäts-Präsident

47

Pascal Hens, 31 Handball-Nationalspieler

„Empirisch erwiesen ist, dass leistungsschwächere Kinder vom gemeinsamen Lernen mit leistungsstärkeren Kindern profitieren. Umgekehrt ist nicht belegt, dass dies einen Lernrückschritt für bessere Schüler bedeutet.“

„Auf dem Kiez bin ich nicht so gern. Da kommen manchmal Angetrunkene auf dich zu, legen den Arm um deine Schultern und tun so, als hätte man in der Sandkiste mit ihnen gespielt. Das muss ich nicht haben.“

61

Michael Degen, 79 Schauspieler

„Die Hamburger Theaterlandschaft kann man derzeit leider vergessen. Aber das kann alles wieder werden! Man müsste nur anständige Intendanten holen – die nicht nur den künstlerischen Ehrgeiz haben, große Regisseure zu werden, sondern die gute Verwaltungsbeamte sind.“

6

Sasha, 39 Popstar

„Die Hamburger sind ein Eck cooler als andere. Man muss nur touristische Plätze meiden. Denn ich spüre, wann mich jemand ansprechen wird. Ich kann das bis auf fünf Sekunden genau vorhersagen.“

20

Christian Rach, 54 Spitzen-Koch

34

Katharina Trebitsch, 61 Film-Produzentin

48

Mike Krüger, 59 Comedian & Sänger

„Hamburg hat sich kulinarisch absolut gemausert. Als ich Mitte der 70er-Jahre hier ankam, war das anders. Zu allem Überfluss wurde in jeder Kneipe Croque Monsieur gemampft. Man dachte wohl, das sei französisch. Ich war bedient.“

„Geschwärmt habe ich für Alain Delon. Der kam anlässlich eines großen Filmballs einmal mit Romy Schneider zu uns nach Hause. Wir Kinder mussten immer ‚Guten Tag‘ sagen, davor hat uns gegraust, aber der Vorteil war, dass wir so alles mitbekommen haben.“

„Als Kultursenator würde ich als erstes die Galerie der Gegenwart in der Kunsthalle finanziell so ausstatten, dass sie wieder den Normalbetrieb aufnehmen kann.“

62

Jasmin Wagner, 31 Sängerin & Schauspielerin

„Mit 17 habe ich einen Künstler getroffen, der seit 40 Jahren dasselbe Lied singt. Echt cool – aber nicht für mich. Deshalb war 2001 für mich mit Blümchen erst mal Schluss. Und ich hatte zum ersten Mal Zeit, Urlaub zu machen.“

7

Andreas Jacobs, 47 Unternehmer

„Hanseatische Lebensart heißt Understatement. Aber auch Weltoffenheit, Tradition und der Wille, sich der Vergangenheit zu stellen, sich nicht zu verkleiden, auf dem Teppich zu bleiben. Das ist in Hamburg viel angenehmer als in vielen anderen Städten.“

21

Regina Halmich, 34 Ehm. Box-Weltmeisterin

„Als Wladimir noch total unbekannt war und bei Universum anfing, hat er bei mir im Vorprogramm geboxt. Die Klitschkos laden mich bis heute zu ihren Kämpfen ein. Das freut mich sehr, denn es gibt wenige gute Freundschaften in der Branche. Wir waren eine tolle Familie.“

35

Dieter Pfaff, 63 Schauspieler

49

John Neumeier, 69 Ballett-Chef

63

Kim-Eva Wempe, 48 Unternehmerin & Designerin

„Ich will immer so spielen, dass die Leute vergessen, einen Schauspieler zu sehen. Beim Drehen musst du sein, nicht spielen. Spielende Schauspieler, die ihre Mittel vorführen, die finde ich unangenehm.“

„An Hamburg mag ich das viele Grün, die Großstadt mit der Nähe zum Wasser, offen, mit dem HafenCharakter. Und Hamburgs Licht: Es ist deutsch, aber auch nichtdeutsch, deutsch-skandinavisch, deutsch-englisch. Es hat etwas, das nicht nur deutsch ist.“

„Hamburg ist eine Großstadt, die viel bietet und nicht so anstrengend ist wie Paris oder Tokio – eine Stadt, die mich mal sehr gereizt hat. Aber ein bisschen mehr Freude daran, sich für einen schönen Abend zu schmücken, das würde ich mir wünschen.“

8

Werner Thissen, 72 Erzbischof

„Gemeindemitglieder haben mir HSV-Kappe und Fanschal geschenkt. Lautstarkes Schimpfen gehört dazu, wenn es mal nicht so läuft für die Jungs. Ich kann dabei herrlich entspannen und mich bis zu einem gewissen Grad sogar vergessen.“

22

Jeffrey Tate, 68 Dirigent

36

Günter Netzer, 66 Unternehmer & Manager

50

Christiane Paul, 37 Schauspielerin & Ärztin

64

Hans-Ulrich Klose, 74 Altbürgermeister & MdB

„In Hamburg merkt man deutlich, dass die Menschen nie unter dominanten Herrschern leben mussten, keinen Königen oder Fürsten. Hamburg ist eine Bürgerstadt. Das Klima ist frei, der Humor ist trocken.“

„Ich liebe Hamburg. Es sind die Menschen. Die Wohnkultur ist einmalig. Und die Verlässlichkeit, diese Klarheit – im Sprechen wie im Denken. Kevin Keegan hat mal gesagt: Wenn in Hamburg die Sonne scheint, gibt es in der ganzen Welt keine schönere Stadt. Recht hat er.“

„Der rote Teppich ist immer wichtiger geworden. In der Anfangszeit meiner Karriere hatte ich große Probleme mit solchen Auftritten; ich habe den Seiteneingang genommen oder bin über den roten Teppich ‚gerannt‘. Inzwischen habe ich Spaß daran.“

„Dass ich 1976 meine jetzige Frau traf, ist jeden Tag ein bisschen wie im Märchen. Eine Reporterin des Abendblatts hat das als Erste mitgekriegt, bei einem Sommerfest in Bonn vor 35 Jahren. Sie hat geschwiegen. So wie es in Hamburg Usus ist.“

9

Ulrich Tukur, 54 Sänger & Schauspieler

„Ich stamme aus einer Familie, die ständig herumgezogen ist, und war selbst viel unterwegs. Aber zum ersten Mal wirklich zu Hause gefühlt hab ich mich in Hamburg. Die Stadt war gut zu mir!“

23

Nena, 51 Sängerin

37

Tatjana Patitz, 45 Top-Model

„Ich fühle mich immer der Generation zugehörig, die nicht behauptet zu wissen, wie das Leben funktioniert. Leben ist zum Erleben da, nicht zum Erklären.“

„Wer soll sich mit Models, die heute 16 Jahre alt sind, identifizieren? Das geht gar nicht. Das sind halbe Kinder. Hinter denen steckt keine Persönlichkeit. Supermodels bekommen bis heute Aufträge, weil sie gut verkaufen. Wir sind wiedererkennbar, unverwechselbar.“

51

Frank Otto, 54 Medienunternehmer & Mäzen

„Ohne das Geld hätte ich mit Sicherheit nicht die heutige Stellung in Stadt und Gesellschaft. Andererseits kenne ich jeden Hamburger Hinterhof und nicht nur die Fassaden. Auch habe ich engen Kontakt zu Menschen, die von Hartz IV leben, Musikern zum Beispiel.“

65

Horst Opaschowski, 70 Zukunftsforscher

„Eigentlich wollte ich Historiker werden. Zukunftsforschung ist die Fortsetzung der Geschichtsforschung mit anderen Mitteln. Wer nicht zurückschauen kann, kann auch nicht nach vorn blicken. Zukunft ist Herkunft.“

10

Reinhold Beckmann, 55 TV-Moderator & -Produzent

„Ich bin mitten im Leben unterwegs, auf dem Dom genauso wie bei Hagenbeck. Und Heimspiele beim FC St. Pauli sind allerhöchstes Vergnügen. Außerdem helfen an manchen Tagen schon eine Brille mit dicker Hornfassung und eine Mütze, um seine Ruhe zu haben.“

24

Kostja Ullmann, 27 Schauspieler

38

Pierre Brice, 82 Winnetou

52

Otto Waalkes, 63 Komiker & Ostfriese

66

Jan Fedder, 56 Schauspieler

„Jungstar? Das wird seit sechs Jahren geschrieben und stört mich nicht. Wahrscheinlich wird das so lange geschrieben, bis ich nicht mehr jung aussehe. Übrigens ist ‚Star‘ ein blödes Wort!“

„Die Rolle des Winnetou habe ich schon als Junge gespielt. Ich weiß noch, wie ich aus den Streben eines Regenschirms Pfeile bastelte.“

„Es gibt Leute, die mich mit dem schönen Satz begrüßen: ‚Mein Gott, Sie sind aber auch alt geworden!‘ Gegenfrage: Was hätte ich sonst machen sollen? Sterben ist doch auch keine reizvolle Alternative, oder?“

„Auf dem Kiez haben sie sich kaputtgelacht, dass ich den Bullen mime. Da wurde der Bock zum Gärtner gemacht. Es gibt nur zwei Sachen im Leben: Bulle oder Bruch. Du musst dich entscheiden, und ich habe Ersteres gewählt. Basta, die Würfel sind gefallen!“

11

Alex Christensen, 44 Musik-Produzent

„Solange ich denken kann, bin ich schon immer auf den Dom gegangen. Auch heute noch mindestens drei Mal pro Saison. Dom ist für mich Entspannung pur. Außerdem kann ich da immer checken, welche Lieder gerade am Autoscooter angesagt sind.“

25

Nina Hoger, 50 Schauspielerin

39

Maria Ketikidou, 45 Schauspielerin

53

Vitali Klitschko, 40 Boxweltmeister

„Ich bin oft bei meiner Mutter Hannelore in Hamburg. Ihre Hühnersuppe ist legendär und manchmal spielen wir eine Runde ‚Kniffeln‘ nach Hoger-Art – das heißt, sie schummelt beim Aufschreiben und lässt mich gewinnen.“

„Die Realität ist in Hamburg viel brutaler als das, was wir im ‚Großstadtrevier‘ zeigen. Ich würde mir manchmal mehr Härte wünschen – denn ich mag die Geschichten lieber, wo es um was geht. Die Oma heil über die Straße zu bringen, ist nicht gerade mein Lieblingsfall …“

„In meiner Kindheit war Boxen cool. Alle wollten es machen. Wir wurden dann von einem Trainer begutachtet. Alle meine Freunde wurden fürs Boxen eingeteilt, nur ich sollte zum Schwimmen. Das hat mich tief getroffen und war für mich der größte Ansporn.“

Auf der nächsten Seite die spannendsten Sätze aus den Stadtgesprächen Nr. 67 bis Nr. 100

IV › THEMA DER WOCHE

Sonnabend / Sonntag, 3. /4. September 2011

V

Einhundert … Stadtgespräche sind bisher im „magazin“ erschienen: in chronologischer Reihenfolge die Höhepunkte aus Interviews mit 100 PERSÖNLICHKEITEN, die alle Hamburg lieben …

FOTOS: THOMAS LEIDIG (88), MELANIE DREYSSE (3), SVEN HOFFMANN / RED BULL PHOTOFILES, VITALIY PAVLENKO, KEVIN LYNCH, PATRICK PIEL, PICTURE-ALLIANCE (4), PR (1)

Ulla Hahn, 65 Schriftstellerin & Lyrikerin

„Ich bin eine begeisterte Fußgängerin. Oft laufe ich an der Alster herunter bis nach St. Georg, wo ich im Mariendom eine Kerze anzünde. Dort kann ich zur Ruhe kommen, nachdenken über Gott und die Welt. Oder ich gehe zu Fuß in die Schanze zum Kaffeetrinken.“

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Giovanni di Lorenzo, 52 „Zeit“-Chefredakteur

„Ich habe Zeit gebraucht, um mir die Vorzüge Hamburgs zu erschließen. Dafür ist der positive Eindruck jetzt umso nachhaltiger. Dem Zweireiher mit Goldknöpfen werde ich mich aber wohl ewig verweigern.“

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Albert Darboven, 75 „Kaffeekönig“

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Nathalie Gräfin von Bismarck, 40, Autorin

„Dass Kaffee entwässert, den Cholesterinspiegel erhöht und so weiter – alles dummes Zeug! Wir haben sehr lange geforscht. Es gibt kein Kaffeeproblem. Höchstens eines: Wenn Sie sehr viel Kaffee trinken, müssen Sie öfters aufs Klo.“

„Nur das Hamburger Wetter macht mir zu schaffen. Sonne ist Energie, ohne sie wird man nachweislich depressiv. Es ist schwer für mich, an einem Ort zu leben, an dem es im Winter um 16 Uhr schon dunkel wird.“

13

Mario Adorf, 80 Schauspieler

„Dass der Hamburger Orden links liegen lässt, finde ich toll. Ebenso, dass der Bürgermeister nicht die Treppe runtergeht, selbst wenn gekrönte Häupter zu Gast sind. Das tut gut.“

27

Volker Lechtenbrink, 67 Schauspieler & Autor

41

Roberto Blanco, 74 Entertainer

„Ich paffe seit 13 Jahren nur noch, das ist die Konzession an meine Gesundheit. Ganz aufhören mit dem Rauchen wollte ich eigentlich eh nie, ich mag die Attitüde ganz gerne: einen Zigarillo rauchen beim Glas Wein an der Alster.“

„Hamburg habe ich langsam lieben gelernt. Damals waren mir die Hamburger zu ‚spitzestein‘ und die Stadt war grau in grau, nach dem Krieg war alles kaputt. Aber wie sie sich entwickelt hat. Diese Alster! Dieses Hanseviertel! Hamburg ist ein Garten!“

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Hardy Krüger, 83 Schauspieler & Autor

„Ich arbeitete nach Kriegsende als 17-Jähriger als Statist am Schauspielhaus. Der Buchhändler Felix Jud machte einen Probenbesuch. Er muss ein Gespür gehabt haben für meine Verlorenheit, jedenfalls nahm er mich unter seine Fittiche.“

Ildiko von Kürthy, 43 Bestseller-Autorin

„Ich habe mich lange gewundert, warum ich nicht muskulöser aussehe. Aber so, wie ich bei Pulsfrequenz 85 um die Alster jogge, könnte ich auch shoppen gehen. Das bringt nichts.“

REDAKTION: JULIA MARTEN, SEBASTIAN MARTINEZ

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Barbara Auer, 52 Schauspielerin

„Bei einem Gespräch mit Berliner Kollegen habe ich festgestellt, dass alle ihre Kinder auf Privatschulen schicken, weil sie den Stadtteilschulen nicht vertrauen. Das ist Gott sei Dank in Hamburg noch anders.“

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Christoph Lieben-Seutter, 47, General-Intendant

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Iris von Arnim, 66 Mode-Designerin

56

Peter Maffay, 62 Sänger & Deutschrocker

„Die Elbphilharmonie ist ja nicht einfach ein teures Konzerthaus, sondern ein architektonisches Weltwunder, deswegen wird sie ja auch gewollt. Ein gutes Konzerthaus kann man auch viel billiger haben.“

„Die Trendmode von H&M und Zara, das sind Einstiegskleider zu günstigen Preisen für junge Mädchen, die noch viel ausprobieren wollen. In ein Teil von mir muss man sich verlieben, es sammeln, es genießen, und dann muss es ein Lieblingsstück werden.“

„Hamburg war für mich das Mekka des Rock ’n’ Roll. Aber die Star-Club-Zeit ist leider an mir vorbeigegangen. Da wäre ich gern dabei gewesen und hätte all die Blues- und Beatbands gesehen.“

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Katja Kraus, 40 Ehemaliger HSV-Vorstand

„Fußball ist ein TestosteronGeschäft … Aber bei all den nach außen sichtbaren Merkmalen des Profifußballs wird allzu oft vergessen, dass es sich um Menschen handelt, mit guten und schlechten Tagen und mit stabilen oder eher labilen Persönlichkeiten.“

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Karl-Heinz Kuck, 59 Kardiologe

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Jean-Remy von Matt, 58 Werbeagentur-Chef

„Das Herz ist der Motor des Lebens, nicht bloß eine Pumpe, die alle anderen Organe ernährt … Ich glaube zutiefst, dass das Herz der Sitz der Seele ist und dass man deswegen besonders achtsam mit seinem Herzen umgehen sollte.“

„Nicht einmal meiner Familie würde es gefallen, wenn ich plötzlich zu Hause wäre. Ich arbeite schlicht und einfach gerne. Hobbys habe ich nicht. Das Zeitintensivste ist die Firma. Dann kommt die Familie. Und Platz drei gibt es schon nicht mehr.“

57

Cosma Shiva Hagen, 30 Schauspielerin & DJane

„Übergangsweise wohnte ich bei Wolf und Pamela Biermann. Sie haben mir geholfen, wir haben uns mehrere Internate angeguckt, und Marienau war mir am sympathischsten, auch weil es in der Nähe von Hamburg lag, so konnte ich meine Oma oder Freunde besuchen.“

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Hadi Teherani, 57 Architekt, Designer, Städtebauer

„Das Chilehaus ist eigentlich das wertvollste architektonische Gebäude, das Hamburg besitzt. Es hat ewige Gültigkeit. Aber wir sind heute eine offene Gesellschaft. Wir müssen uns nicht hinter dunklen Fassaden aus Backstein und kleinformatigen Fenstern verstecken.“

16

Harald Falckenberg, 67 Kunstsammler

„Für mich ist Kunst nicht so sehr das Kunstwerk, sondern die Haltung des Künstlers, die durch das Werk verkörpert wird. Der Künstler bringt Fragen der Philosophie und der Gesellschaft – wenn man es so will: des Lebens – kritisch auf den Punkt.“

30

Lotto King Karl, 44 Sänger & Stadionsprecher

44

Stephan Hering-Hagenbeck, 43, Tierpark-Direktor

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Gerhard Delling, 52 TV-Moderator

„Ich habe mal jemandem einen Gefallen getan und bei einem Video mitgemacht, auf St. Pauli. Da ist mir mitgeteilt worden: Kaum bist du hier, schon gibt es die erste Morddrohung.“

„Langeweile bei den Tieren ist unsere größte Herausforderung. Verteidigung und Nahrungserwerb fallen weg, da müssen wir uns etwas einfallen lassen – wie die Wackelstangen bei den Orang-Utans. Bei Menschen ist es nicht anders …“

„Früher war ich mal Fan vom TSV Büdelsdorf, meinem Heimatverein. Heute bin ich Fan von nichts. Ich könnte mich nicht einer Sache mit Haut und Haaren verschreiben. Augen zu und kein Blick für anderes, das ist nicht mein Ding. Gilt übrigens nicht nur in Sachen Fußball.“

3

Arved Fuchs, 58 Extrem-Abenteurer & Autor

„Wenn mich meine älteren Schwestern ärgerten, bin ich einfach ausgebüchst. Außerdem habe ich schon als Buttje mit Hingabe geschmökert – speziell Polarliteratur. Eines Tages machte ich mich dann selbst auf den Weg. Der Aufbruch ins Unbekannte, das ist der Reiz.“

17

Kirsten Boie, 61 Kinderbuchautorin

„Natürlich wär’s manchmal ganz schön, so eine kindliche Offenheit zu haben. Kinder sind unvoreingenommener. Das ist kein Verdienst, es hängt mit ihrer mangelnden Lebenserfahrung zusammen.“

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„Corny“ Littmann, 58 Theater-Besitzer

„Mit Uwe Seeler verbindet mich ein Band der Sympathie. In der 10. Klasse habe ich für die Schülerzeitung des Alstertal-Gymnasiums ein Interview mit ihm gemacht – nach dem Training am Rothenbaum. Er war damals so, wie er heute ist. Ich nicht unbedingt ...“

45

Achim Reichel, 67 Sänger & Komponist

59

Nina Öger, 37 Reise-Unternehmerin

„Vor drei Jahren traf ich Paul McCartney. Er ist immer noch ein großer Charmeur. Er erkundigte sich, wie es den Leuten von früher geht, vor allem den Barfrauen aus dem Star-Club …“

„Ich konnte mir Istanbul nicht abund Hamburg nicht angewöhnen. Aber man muss sich entscheiden, wo seine Wurzeln sind. Meine Antwort: in Hamburg. Wenn hier der Wind an Alster und Elbe weht und auch wenn es mal regnet, fühle ich mich wohl.“

4

Ina Müller, 46 Sängerin & Entertainerin

„Hamburg – das ist für mich richtig Stadt. Freunde sagen oft: Mit 50 muss man bei einem guten Rotwein vor der Holzhütte sitzen, irgendwo in der Lüneburger Heide. Nein! Altwerden ist schon blöd, aber dann noch in die Einöde ziehen?“

18

Heidi Gross Modelagentur-Chefin

„Ich glaube nicht, dass das ModelVorbild das Ernährungsverhalten beeinflusst, sondern das ist eine ganz andere Art von Störung. Aber die Modewelt, zumindest bei der Haute Couture, erfordert nun mal eine schmale Hüfte.“

32

Robby Naish, 48 Windsurf-Legende

46

Eugen Block, 70 „Steak-König“ & Hotelier

60

Uschi Obermaier, 64 Schmuck-Designerin

„Was Windräder angeht, sind uns Amerikanern die Deutschen Jahre voraus. Immer wenn ich durch Norddeutschland nach Sylt fahre, bewundere ich das. Ich glaube, bei euch hat jeder Bauernhof sein eigenes Windrad.“

„Das ‚Grand Elysée‘ ist mein Lebenstraum: Schon als Lehrling hat mich die abwechslungsreiche Arbeit im Hotel fasziniert. Kellner, Nachtportier, Küchenhilfe – habe ich doch alles durch. Damals ist in mir der Wunsch gereift, irgendwann ein eigenes Hotel zu besitzen.“

„Ich habe es geliebt, in Hamburg zu leben … mein Lieblingsplatz war im ‚Café Adler‘. So was gibt es nicht mehr, halb Galerie, halb Treffpunkt der interessantesten Menschen der Stadt – von der Hure bis zum Bürgermeister.“

5

Frank Rost, 38 Fußball-Profi

„Natürlich habe ich persönlich von der Wende profitiert. Nicht nur materiell. Aber aus meiner wertkonservativen Sicht ist es nicht akzeptabel, dass das Motto ‚Geld regiert die Welt‘ Allgemeingültigkeit besitzt. Wer nur in Geld-Kategorien denkt, ist ein armer Wicht.“

19

Roger Cicero, 41 Sänger & Musiker

„Zwar kleide ich mich gern modisch, aber meine Anzüge lasse ich von einer Stylistin kaufen. Die geht los und besorgt tausend Klamotten. Die werden dann bei mir zu Hause anprobiert, und ich darf aussuchen. Das ist wie im Schlaraffenland.“

33

Dieter Lenzen, 63 Universitäts-Präsident

47

Pascal Hens, 31 Handball-Nationalspieler

„Empirisch erwiesen ist, dass leistungsschwächere Kinder vom gemeinsamen Lernen mit leistungsstärkeren Kindern profitieren. Umgekehrt ist nicht belegt, dass dies einen Lernrückschritt für bessere Schüler bedeutet.“

„Auf dem Kiez bin ich nicht so gern. Da kommen manchmal Angetrunkene auf dich zu, legen den Arm um deine Schultern und tun so, als hätte man in der Sandkiste mit ihnen gespielt. Das muss ich nicht haben.“

61

Michael Degen, 79 Schauspieler

„Die Hamburger Theaterlandschaft kann man derzeit leider vergessen. Aber das kann alles wieder werden! Man müsste nur anständige Intendanten holen – die nicht nur den künstlerischen Ehrgeiz haben, große Regisseure zu werden, sondern die gute Verwaltungsbeamte sind.“

6

Sasha, 39 Popstar

„Die Hamburger sind ein Eck cooler als andere. Man muss nur touristische Plätze meiden. Denn ich spüre, wann mich jemand ansprechen wird. Ich kann das bis auf fünf Sekunden genau vorhersagen.“

20

Christian Rach, 54 Spitzen-Koch

34

Katharina Trebitsch, 61 Film-Produzentin

48

Mike Krüger, 59 Comedian & Sänger

„Hamburg hat sich kulinarisch absolut gemausert. Als ich Mitte der 70er-Jahre hier ankam, war das anders. Zu allem Überfluss wurde in jeder Kneipe Croque Monsieur gemampft. Man dachte wohl, das sei französisch. Ich war bedient.“

„Geschwärmt habe ich für Alain Delon. Der kam anlässlich eines großen Filmballs einmal mit Romy Schneider zu uns nach Hause. Wir Kinder mussten immer ‚Guten Tag‘ sagen, davor hat uns gegraust, aber der Vorteil war, dass wir so alles mitbekommen haben.“

„Als Kultursenator würde ich als erstes die Galerie der Gegenwart in der Kunsthalle finanziell so ausstatten, dass sie wieder den Normalbetrieb aufnehmen kann.“

62

Jasmin Wagner, 31 Sängerin & Schauspielerin

„Mit 17 habe ich einen Künstler getroffen, der seit 40 Jahren dasselbe Lied singt. Echt cool – aber nicht für mich. Deshalb war 2001 für mich mit Blümchen erst mal Schluss. Und ich hatte zum ersten Mal Zeit, Urlaub zu machen.“

7

Andreas Jacobs, 47 Unternehmer

„Hanseatische Lebensart heißt Understatement. Aber auch Weltoffenheit, Tradition und der Wille, sich der Vergangenheit zu stellen, sich nicht zu verkleiden, auf dem Teppich zu bleiben. Das ist in Hamburg viel angenehmer als in vielen anderen Städten.“

21

Regina Halmich, 34 Ehm. Box-Weltmeisterin

„Als Wladimir noch total unbekannt war und bei Universum anfing, hat er bei mir im Vorprogramm geboxt. Die Klitschkos laden mich bis heute zu ihren Kämpfen ein. Das freut mich sehr, denn es gibt wenige gute Freundschaften in der Branche. Wir waren eine tolle Familie.“

35

Dieter Pfaff, 63 Schauspieler

49

John Neumeier, 69 Ballett-Chef

63

Kim-Eva Wempe, 48 Unternehmerin & Designerin

„Ich will immer so spielen, dass die Leute vergessen, einen Schauspieler zu sehen. Beim Drehen musst du sein, nicht spielen. Spielende Schauspieler, die ihre Mittel vorführen, die finde ich unangenehm.“

„An Hamburg mag ich das viele Grün, die Großstadt mit der Nähe zum Wasser, offen, mit dem HafenCharakter. Und Hamburgs Licht: Es ist deutsch, aber auch nichtdeutsch, deutsch-skandinavisch, deutsch-englisch. Es hat etwas, das nicht nur deutsch ist.“

„Hamburg ist eine Großstadt, die viel bietet und nicht so anstrengend ist wie Paris oder Tokio – eine Stadt, die mich mal sehr gereizt hat. Aber ein bisschen mehr Freude daran, sich für einen schönen Abend zu schmücken, das würde ich mir wünschen.“

8

Werner Thissen, 72 Erzbischof

„Gemeindemitglieder haben mir HSV-Kappe und Fanschal geschenkt. Lautstarkes Schimpfen gehört dazu, wenn es mal nicht so läuft für die Jungs. Ich kann dabei herrlich entspannen und mich bis zu einem gewissen Grad sogar vergessen.“

22

Jeffrey Tate, 68 Dirigent

36

Günter Netzer, 66 Unternehmer & Manager

50

Christiane Paul, 37 Schauspielerin & Ärztin

64

Hans-Ulrich Klose, 74 Altbürgermeister & MdB

„In Hamburg merkt man deutlich, dass die Menschen nie unter dominanten Herrschern leben mussten, keinen Königen oder Fürsten. Hamburg ist eine Bürgerstadt. Das Klima ist frei, der Humor ist trocken.“

„Ich liebe Hamburg. Es sind die Menschen. Die Wohnkultur ist einmalig. Und die Verlässlichkeit, diese Klarheit – im Sprechen wie im Denken. Kevin Keegan hat mal gesagt: Wenn in Hamburg die Sonne scheint, gibt es in der ganzen Welt keine schönere Stadt. Recht hat er.“

„Der rote Teppich ist immer wichtiger geworden. In der Anfangszeit meiner Karriere hatte ich große Probleme mit solchen Auftritten; ich habe den Seiteneingang genommen oder bin über den roten Teppich ‚gerannt‘. Inzwischen habe ich Spaß daran.“

„Dass ich 1976 meine jetzige Frau traf, ist jeden Tag ein bisschen wie im Märchen. Eine Reporterin des Abendblatts hat das als Erste mitgekriegt, bei einem Sommerfest in Bonn vor 35 Jahren. Sie hat geschwiegen. So wie es in Hamburg Usus ist.“

9

Ulrich Tukur, 54 Sänger & Schauspieler

„Ich stamme aus einer Familie, die ständig herumgezogen ist, und war selbst viel unterwegs. Aber zum ersten Mal wirklich zu Hause gefühlt hab ich mich in Hamburg. Die Stadt war gut zu mir!“

23

Nena, 51 Sängerin

37

Tatjana Patitz, 45 Top-Model

„Ich fühle mich immer der Generation zugehörig, die nicht behauptet zu wissen, wie das Leben funktioniert. Leben ist zum Erleben da, nicht zum Erklären.“

„Wer soll sich mit Models, die heute 16 Jahre alt sind, identifizieren? Das geht gar nicht. Das sind halbe Kinder. Hinter denen steckt keine Persönlichkeit. Supermodels bekommen bis heute Aufträge, weil sie gut verkaufen. Wir sind wiedererkennbar, unverwechselbar.“

51

Frank Otto, 54 Medienunternehmer & Mäzen

„Ohne das Geld hätte ich mit Sicherheit nicht die heutige Stellung in Stadt und Gesellschaft. Andererseits kenne ich jeden Hamburger Hinterhof und nicht nur die Fassaden. Auch habe ich engen Kontakt zu Menschen, die von Hartz IV leben, Musikern zum Beispiel.“

65

Horst Opaschowski, 70 Zukunftsforscher

„Eigentlich wollte ich Historiker werden. Zukunftsforschung ist die Fortsetzung der Geschichtsforschung mit anderen Mitteln. Wer nicht zurückschauen kann, kann auch nicht nach vorn blicken. Zukunft ist Herkunft.“

10

Reinhold Beckmann, 55 TV-Moderator & -Produzent

„Ich bin mitten im Leben unterwegs, auf dem Dom genauso wie bei Hagenbeck. Und Heimspiele beim FC St. Pauli sind allerhöchstes Vergnügen. Außerdem helfen an manchen Tagen schon eine Brille mit dicker Hornfassung und eine Mütze, um seine Ruhe zu haben.“

24

Kostja Ullmann, 27 Schauspieler

38

Pierre Brice, 82 Winnetou

52

Otto Waalkes, 63 Komiker & Ostfriese

66

Jan Fedder, 56 Schauspieler

„Jungstar? Das wird seit sechs Jahren geschrieben und stört mich nicht. Wahrscheinlich wird das so lange geschrieben, bis ich nicht mehr jung aussehe. Übrigens ist ‚Star‘ ein blödes Wort!“

„Die Rolle des Winnetou habe ich schon als Junge gespielt. Ich weiß noch, wie ich aus den Streben eines Regenschirms Pfeile bastelte.“

„Es gibt Leute, die mich mit dem schönen Satz begrüßen: ‚Mein Gott, Sie sind aber auch alt geworden!‘ Gegenfrage: Was hätte ich sonst machen sollen? Sterben ist doch auch keine reizvolle Alternative, oder?“

„Auf dem Kiez haben sie sich kaputtgelacht, dass ich den Bullen mime. Da wurde der Bock zum Gärtner gemacht. Es gibt nur zwei Sachen im Leben: Bulle oder Bruch. Du musst dich entscheiden, und ich habe Ersteres gewählt. Basta, die Würfel sind gefallen!“

11

Alex Christensen, 44 Musik-Produzent

„Solange ich denken kann, bin ich schon immer auf den Dom gegangen. Auch heute noch mindestens drei Mal pro Saison. Dom ist für mich Entspannung pur. Außerdem kann ich da immer checken, welche Lieder gerade am Autoscooter angesagt sind.“

25

Nina Hoger, 50 Schauspielerin

39

Maria Ketikidou, 45 Schauspielerin

53

Vitali Klitschko, 40 Boxweltmeister

„Ich bin oft bei meiner Mutter Hannelore in Hamburg. Ihre Hühnersuppe ist legendär und manchmal spielen wir eine Runde ‚Kniffeln‘ nach Hoger-Art – das heißt, sie schummelt beim Aufschreiben und lässt mich gewinnen.“

„Die Realität ist in Hamburg viel brutaler als das, was wir im ‚Großstadtrevier‘ zeigen. Ich würde mir manchmal mehr Härte wünschen – denn ich mag die Geschichten lieber, wo es um was geht. Die Oma heil über die Straße zu bringen, ist nicht gerade mein Lieblingsfall …“

„In meiner Kindheit war Boxen cool. Alle wollten es machen. Wir wurden dann von einem Trainer begutachtet. Alle meine Freunde wurden fürs Boxen eingeteilt, nur ich sollte zum Schwimmen. Das hat mich tief getroffen und war für mich der größte Ansporn.“

Auf der nächsten Seite die spannendsten Sätze aus den Stadtgesprächen Nr. 67 bis Nr. 100

VI › THEMA DER WOCHE

67

Hans-Olaf Henkel, 71 Ex-BDI-Präsident

74

Hardy Krüger Jr., 43 Schauspieler

81

Christiane Hörbiger, 72 Schauspielerin

„Es gab damals drei Gruppierungen. Halbstarke, die im Dunstkreis der Reeperbahn regierten. Zweitens die Normalen. Und die Existenzialisten, zu denen ich mich unbedingt zählen wollte. Ich liebte Opposition, nicht nur gegenüber meiner Mutter.“

„Eigentlich möchte ich alles anders machen als mein Vater. Ich bin kein Einzelgänger wie er, sondern Familienmensch.“

„Am Ende solcher Drehtage wohnte ich in diesem wunderschönen Hamburger Hotel und habe nur gedacht, o Gott, geht es mir gut. Ich sitze hier bei meinem alkoholfreien Bier, schaue auf die Alster und die Lichter gehen langsam an.“

88

Barbara Kisseler, 61 Kultursenatorin

„Ich finde es schon eine Leistung, im windigen Hamburg einigermaßen vernünftig irgendwo auftreten zu können und nicht auszusehen, als sei man gerade aus dem Hubschrauber abgesprungen.“

95

Elisabeth Fürstin von Bismarck, 72

„Es ist eine große Ehre, diesen Namen tragen zu dürfen. Man muss ihn mit Respekt, mit Ehrfurcht tragen und ausfüllen. Das habe ich auch meinen Kindern immer gesagt. Ob das immer befolgt wurde, ist eine ganz andere Frage.“

Sonnabend / Sonntag, 3. / 4. September 2011

68

Stephanie Stumph, 27 Schauspielerin

„Ottensen mag ich – das ‚Café Knuth‘ ist quasi meine Küche. Da sitze ich gern und esse leckeren Milchreis … Früher kannte ich bloß die Strecke vom ‚Stubbe‘Drehort am Moorfleeter Deich zurück zum Madison-Hotel …“

75

Olli Dittrich, 54 Komiker, Autor & Musiker

„1976 lernte ich Otto Waalkes kennen, da wohnte ich in einer verrückten Musiker-WG am Falkensteiner Ufer. Otto war öfters da. Er nahm meine FramusWandergitarre, spielte Beatlesund Simon-&-Garfunkel-Songs und wir sangen zweistimmig.“

82

Jens Meier, 45 Chef Hamburg Port Authority

89

Tobias Grau, 54 Leuchtendesigner

„Das Schiff ist mit Abstand das umweltfreundlichste Transportmittel – gefolgt von der Bahn. Hier kann Hamburg als größter Eisenbahnhafen Europas auch in Zukunft punkten. Wichtige Voraussetzung dafür ist der Ausbau der Elbfahrrinne.“

„Ich hab eher Angst davor, wenn alles grell hell ist, das finde ich ganz schrecklich. Mit Licht umzugehen bedeutet, den Unterschied zwischen hell und dunkel zu schaffen. Dann ist Beleuchtung gut.“

96

Lars Burmeister, 27 Top-Model

„Ich will nicht immer im Mittelpunkt stehen. Ich profiliere mich nicht gern. Und ich mag es nicht, wenn Menschen nur über sich erzählen und in jedem Satz tolle Geschichten von sich bringen. Früher habe ich das Wort ‚ich‘ richtig gehasst …“

69

Max Raabe, 48 Sänger & Bandleader

„Ich bin gern am Hafen, ich mag die Leute, wie sie hier sind. Es gibt ein paar ulkige Kneipen, in die ich gerne gehe. Und das Publikum versteht mich. Ich fühle mich mit meinem Humor und meiner Musik in Hamburg einfach wahnsinnig gut aufgehoben.“

76

Mladen Petric, 30 HSV-Stürmer

„Es ist in dieser Stadt auch nicht besonders schwer, sich zu integrieren. Die Hamburger sind sehr freundlich und offen, aber gleichzeitig sind sie auch ziemlich zurückhaltend, was ich allerdings ganz gut finde.“

83

Judith Rakers, 35 TV-Moderatorin

90

H. P. Baxxter, 45 Scooter-Sänger

„Ich habe noch nie in meinem Leben eine Diät durchgehalten. Ich nehme mir das zwar durchaus mal vor, dann besorge ich 1000 gesunde Null-Fett-Produkte, aber am nächsten Tag verirrt sich mein Löffel wieder in den Nutella-Topf.“

„In Deutschland hat man sehr wenig Geschmack: Alles ist so nüchtern, funktional. Mit 16 habe ich eine Radtour nach London gemacht und dort alle Eindrücke aufgesogen: Hyde Park, Architektur, Kiesauffahrten, britische Autos – das fand ich so schön!“

97

Dora Heldt, 49 Bestseller-Autorin

„Beim Schreiben denke ich immer: Du bist so patent! Du hast ja für alles eine Lösung! Im echten Leben nicht. Ich glaube, ich erkläre mir beim Schreiben manchmal selber die Welt.“

70

Markus Lanz, 42 ZDF-Moderator

„In München wird man sofort geduzt. In Köln gibt es sogar Duzen mit Anfassen. Und in Hamburg wird man selbstverständlich gesiezt, meist aber geflissentlich ignoriert – eine besondere Art von Snobismus.“

77

Peter Schmidt, 73 Star-Designer

„Man hat oft versucht, mich in andere Städte zu locken. Da wird mir immer klar: Es sind die guten Beziehungen zu anderen und kreativen Menschen, ein großer Freundeskreis, der mich an Hamburg gebunden hat. Man kann hier gut und ruhig konzentriert arbeiten.“

84

Helmut Schulte, 53 FC St. Pauli-Manager

„Labskaus hat Tradition im Club. Außerdem kehren wir während der alljährlichen Kanutour meines Freundes Reinhold Beckmann auf der Alster stets im Privathaus von Ian Karan ein. Sein Koch bereitet das beste Labskaus der Stadt zu.“

91

Henry Maske, 47 Box-Idol & Unternehmer

„Als 18-Jähriger hat mich ein Trainer einmal derart niedergemacht, dass ich überlegte, das Boxen aufzugeben. Abbrechen oder durchbeißen? Dabei merkte ich, dass mein Motiv, es zu schaffen, stärker war.“

98

Tim Mälzer, 40 „Küchenbulle“

„Mein Motto ist etwas vulgär, aber treffend: die Fresse voll Fressen. Man muss ein Gericht nicht vollmundig erklären und viel um den heißen Brei labern, es muss einfach schmecken. Basta.“

71

Marie Bäumer, 42 Regisseurin & Schauspielerin

„Diese Quote ist ein Kapitel, bei dem ich mich sehr zusammenreißen muss, um nicht komplett durch die Decke zu gehen. Frauen sollten genauso wie Männer wahrgenommen werden, in Anspruch, Qualität, Denken und Haltung.“

78

Volker Steinkraus, 57 Dermatologe

85

Kim Frank, 29 Roman-Autor & Sänger

92

Achill Moser, 57 Weltenbummler & Autor

„Die Hamburger Frau ist sehr gesundheitsbewusst, sportlich und hat klare Vorstellungen. Unsichere Sachen ausprobieren ist nicht ihre Sache. Sie will natürlich und gut aussehen, aber ohne den ganzen Firlefanz drum herum. Das ist sympathisch.“

„Das einzig Schädliche, das Castingshows hervorbringen, ist, dass sie jungen Leuten Lust aufs Berühmtsein machen. Dabei sollte man Dinge tun, weil man etwas kann oder liebt – und nicht, um berühmt zu sein.“

„Man muss sich fallen- und auf andere Lebensweisen einlassen. Wer immer nur mäkelt, wer ständig vergleicht, was daheim besser und im Ausland vielleicht schlechter ist, hat keine Chance bei der Glückssuche.“

99

Dominique Horwitz, 54 Schauspieler

„Der Hamburger genießt Bosheit und Zynismus. Er kann Gemeinheit richtig goutieren. Ich mag das Publikum sehr! Der Hamburger genießt das Wahre, das Echte. Er hasst das Aufgesetzte. Das ist die beste Voraussetzung, um ein gutes Publikum zu sein.“

72

Steffen Henssler, 38 Star-Koch

79

David Kross, 21 Schauspieler

„Ich mag das kalifornische Lebensgefühl, dieses easy going. Du kannst alles machen, so lange du keinem auf den Sack gehst. Und: Da regiert nicht so eine Neidgesellschaft. Wenn jemand erfolgreich ist, dann sagen die anderen: Hey, cool – das will ich auch.“

„Ich komme aus Bargteheide. Dort gibt es zwar ein schönes Kino …, doch jedes Mal, wenn ich nach 30 Minuten Zugfahrt am Hamburger Hauptbahnhof ausstieg, hatte ich das Gefühl, in die große, weite Welt einzutauchen. Trotzdem habe ich mich nie wie ein Landei gefühlt.“

86

Michael Stich, 42 Turnierdirektor & Stifter

93

Alexander Otto, 44 Unternehmer

„Jeder, der aus dem Süden kommt, sagt mir, er habe nirgendwo so viele freundliche Menschen erlebt wie in Hamburg. Unsere eigene Wahrnehmung, der Hamburger als Eisblock, ist da manchmal wohl etwas schräg.“

„Ich war schon als Kleinkind HSVFan und habe begeistert Sticker gesammelt. Radio-Konferenz, Sportschau, das ganze Programm. Und dein erstes Spiel vergisst du nie: 23. August 1975, an der Seite meines Vaters im Volkspark, 0:0 gegen Mönchengladbach.“

100

Olaf Scholz, 53 Erster Bürgermeister

„Wenn man sich als Politiker schon einmal mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob die politische Laufbahn beendet wird, schützt das vor Größenwahn und unsäglichen Selbstbildern.“

73

Hubertus Meyer-Burckhardt, 55, Autor & Produzent

„Ich habe rund 200-mal die NDR-Talkshow moderiert und dabei vielleicht zehnmal rote Kniestrümpfe getragen. Wenn das so bemerkenswert ist, zeigt sich, wie farbentwöhnt unsere Gesellschaft ist.“

80

Steffen Hallaschka, 39 „Stern TV“-Moderator

„Ich bin viel zu selten unten an der Elbe. Das liegt auch daran, dass ich erst seit drei Jahren in Hamburg lebe. Aber ich fühle mich sehr wohl hier. Ich habe Wurzeln geschlagen. Hamburg ist mein Zuhause.“

87

Ole von Beust, 56 Altbürgermeister

„Die Hamburger Politik verfolge ich nur am Rande. Trassenführung der Straßenbahn, Verlagerung einer Behörde nach Wilhelmsburg, Sparprogramme: Die Themen wiederholen sich. Ich war 30 Jahre im Geschäft. Das reicht.“

94

Ruth Maria Kubitschek, 80 Schauspielerin & Autorin

„Schon mit vier Jahren habe ich in unserem Dorf meinen Eltern erklärt, dass ich Schauspielerin werden will. Wir hatten eine Kindergärtnerin, die mit uns Theater gespielt und mir immer die Hauptrollen gegeben hat, weil sie sagte, ich sei so begabt.“

IMPRESSUM Chefredaktion: Lars Haider (V.i.S.d.P.) Redaktion: Anika Riegert (verantwortlich) Art Direction: Julia Wagner Mitarbeiter dieser Ausgabe: Albrecht Barke, Simone Buchholz, Gunter Dueck, Oliver vom Hofe, Alexander Josefowicz, Thomas Leidig, Karin Lübbe, Julia Marten, Sebastian Martinez, Peter Maus, Peter U. Meyer, Norman Raap, Kirsten Rick, Kerstin Teuber, Axel Tiedemann, Vanessa Seifert, Josephine Warfelmann, Geneviève Wood Konzeption & Realisation: mar10 media GmbH Geschäftsführer: Nikolas Marten Anzeigen (verantwortlich): Dirk Seidel, Tel. 040/34 72 25 56 Verlag & Druck: Axel Springer AG, Axel-Springer-Platz 1, 20350 Hamburg

Ausgezeichnet mit fünf „European Newspaper Awards 2010“

VII

Sonnabend / Sonntag, 3. / 4. September 2011

› GESTERN & HEUTE

100 JAHRE ALTER ELBTUNNEL Rohrkrepierer: Weil Druckluft beim Bau eingesetzt wurde, starben Arbeiter an der Taucherkrankheit.

Fluss 21 Meter

unterm

Am 7. September 1911 eröffnete der Alte Elbtunnel, der jetzt zum „Wahrzeichen der Ingenieurskunst“ ernannt wird. AXEL TIEDEMANN ist in den Untergrund gegangen In die Röhre geguckt: Fünf Mio. Menschen unterwanderten in den 50ern jedes Jahr die Elbe (o.) Rohrpost: Ansichtskarte des Elbtunnels aus den 50ern (ganz links)

E

Rohrdeckel: Der Nordeingang in den 30ern, die Steinwerder Kuppel fiel dem Krieg zum Opfer (2. v. l.)

igentlich ist sie recht unscheinbar, diese Ecke im westlichen Röhrengewölbe des Alten Elbtunnels: ein kleines Loch nur in der Decke; Stahl, Nieten und grobkörniger Beton schimmern zwischen den matt glänzenden Fliesen hindurch. „Da ist wohl etwas kaputt“, mag mancher denken, wenn er dort vorbeimarschiert. Doch tatsächlich bietet dieses Loch Einblick in eine faszinierende Technikgeschichte: In die Geschichte des Alten Elbtunnels, dessen offizielle Eröffnung sich am 7. September zum 100. Mal jährt. Vor einigen Monaten hatten Bauarbeiter das Loch freigelegt, um sich für die derzeitige Röhrensanierung ein genaues Bild vom inneren Aufbau des Tunnels zu machen. Nach 100 Jahren ist die Konstruktion technisch weitgehend noch in Ordnung – auch wenn vieles grundüberholt werden muss. Möglichst perfekt hatten die Ingenieure seinerzeit Details angelegt: Fugen wurden akribisch mit Blei abgedichtet, Verbindungen nicht geschraubt, sondern genietet – immer mit Blick auf eine lange Lebensdauer eines einzigartigen Bauwerks. Was die Bundesingenieurkammer dann auch zum Anlass nimmt, den Tunnel am 7. September in die Liste der „Historischen Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst Deutschlands“ aufzunehmen. „Eine Auszeichnung, die nur wirklich herausragende Bauwerke bekommen“, wie KammerPräsident Jens Karstedt sagt. Der Alte Elbtunnel steht dann in einer Reihe mit dem Flughafen Berlin Tempelhof oder dem Stuttgarter Fernsehturm. Aber als technisches Meisterwerk galt das Ensemble aus zwei Schachtgebäuden und den beiden gut 426 Meter langen Röhren auch schon vor 100 Jahren – zur Einweihung war eigens der Kaiser nach Hamburg gekommen.

Röhrenverstärker: In den 426,5 Meter langen Gängen glänzen 800 000 Keramikkacheln (l.) FOTOS: MUSEUM DER ARBEIT

SERVICE ZUM 100.

» Den Geburtstag des Alten Elbtunnels begeht die Hamburg Port Authority (HPA) mit einer Zeitreise: Eine Ausstellung im Gebäude auf der Steinwerder Seite dokumentiert Baugeschichte und Architektur, Besichtigungen führen in Kuppel und Maschinenraum. Mi, 7.9., bis So, 11.9., 11 – 18 Uhr; Führungen: 11, 13 und 15 Uhr. So, 11.9.: Lesung im Tunnel mit Geschichten rund um den Tunnel.

S

FOTO: PATRICK LUX

Blohm+Voss – bis zu 25000 Arbeiter gingen am gegenüberliegenden Elbufer ihrem harten Job nach. Doch wegen des regen Schiffsverkehrs hatten es die Hadag-Fähren schwer, quer zur Hauptfahrtrichtung zwischen Nord- und Südufer zu pendeln. In den 1870ern gab es daher im Senat erste Überlegungen zu einer großen Hochbrücke zwischen St. Pauli und Steinwerder. Eine gigantische Konstruktion wäre notwendig geworden, die als viel zu teuer wieder verworfen wurde. Als Alternative kam eine Schwebebrücke in die Diskussion – sie wäre deutlich günstiger geworden, hätte aber zu wenig Menschen transportieren können. Zu dieser Zeit baute man in Großbritannien erste Unterwassertunnel. Ein Gedanke, der auch chon in den Jahrzehnten den Hamburgern immer mehr zuvor war in der Hansestadt gefiel. 1901 schließlich fiel die Entintensiv über eine neue scheidung für den zehn Millionen Elbquerung nachgedacht worGoldmark teuren Tunnel, den der den, heißt es in einer Publikation Hamburger Baurat Ludwig Wender Ingenieurkammer zum Alten „Im Alten Elbtunnel demuth selbst konzipierte. Elbtunnel. Denn dort, wo heute verbinden sich 1907 starteten die Bauarbeiten. vor den Landungsbrücken geleTechnik und Kunst“ Um sich durch den Elbgrund zu gentlich einige Barkassen, manchgraben, entwickelten die Ingemal ein kleiner Frachter oder Hans Kuretzky, 60, Keramik-Künstler nieure verschiedene Verfahren, Passagierschiffe vorbeirauschen, und Restaurator des Alten Elbtunnels die eigentlichen Röhren wurden herrschte vor 100 Jahren auf dabei ganz ähnlich wie bei heutidem Wasser ein reges Gewimmel: gen Tunneln unter Wasser und dem Flussgrund im Noch fuhren die meisten Seeschiffe bis weit zu Schildvortrieb gebaut. Und dabei wurde Druckluft den Anlegern in der heutigen HafenCity – die groeingesetzt, um das Eindringen von Wasser zu verhinßen Terminals von heute wie Altenwerder oder auf dern. Doch die Arbeit im Überdruck birgt Gefahren, Waltershof waren damals dicht mit Schilf bewachsedie man seinerzeit noch nicht genau erforscht hatte. ne Flussinseln. Selbst in der Strommitte hatten an Unter Druck steigt die Konzentration von Stickstoff großen Dalben Schiffe festgemacht. Barkassen, Schuim Körper, beim plötzlichen Verlassen der Druckzoten, Zubringerboote pendelten dazwischen. Und ne bilden sich Blasen, die das Gewebe im menschligegenüber den Landungsbrücken reihte sich eine chen Körper verletzen können. Bekannt wurde dieses Werft an die andere. Vulkanwerft, Stülckenwerft,

Phänomen unter dem Namen „Taucherkrankheit“. Einige der rund 4000 Männer, die bei 40 Grad, gut 20 Meter unter dem mittleren Hochwasserspiegel, mit Schaufeln und Hacken in den Röhren schufteten, bekamen starke Schmerzen, drei starben sogar – obwohl es bereits Druckkammern gab. „Es kann den Behörden nicht gleichgültig sein, unter welchen Umständen ein wichtiges Bauwerk zustande kommt“, kritisierte damals schon ungewöhnlich scharf das „Hamburger Echo“. Erst nach solchen Protesten verbesserte sich der Arbeitsschutz auf der Baustelle, die wohl eine der berühmtesten ihrer Zeit war.

A

ber es ist nicht nur die Technik, die bis heute fasziniert. Die Schachtgebäude mit ihren Kupfer-Kuppelhauben (die Kuppel auf der Steinwerder Seite wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört) und vor allem die Fliesen und Kachelreliefs im Inneren des Alten Elbtunnels geben der Konstruktion auch eine Anmutung von Kunst. Als einen „von den lichtund formenfrohen Mächten des modernen Zeitgeschmacks durchfluteten Zeitgedanken, der zwar völlig im Zwecke aufgeht, bei dessen Verwirklichung aber nichts unterlassen worden ist, was beiträgt, diesem Zwecke die Schönheit zu verbinden“, schwärmten die „Hamburger Nachrichten“ bereits im Juli 1911. Tatsächlich war für die Gestaltung von Schachtgebäuden und Röhren der Bildhauer Hermann Perl engagiert worden. Der Künstler schuf vor allem Darstellungen von Tieren, die in und an der Elbe lebten. Wels, Stör, sogar Robbe und Hummer. „Perl hatte da weitgehend freie Hand, wunderbar muss das gewesen sein“, schwärmt der Möllner Keramikspezialist Hans Kuretzky. In seinem Schuppen lagern heute gut 100 Kisten mit den Tier-Darstellungen Perls aus der Oströhre, die wegen der Sanierung noch gesperrt

ist. In Kuretzkys Keramikwerkstatt werden die Reliefs ausgebessert oder komplett rekonstruiert – denn im Laufe der Zeit war in den Tunneln manchmal arg brachial Neues hineingebaut worden. So kamen 1959 riesige Rolltreppen dazu, die 1993 aber so verschlissen waren, dass sie wieder ausgebaut wurden. Mit der seit gut 15 Jahren andauernden Grundsanierung des Alten Elbtunnels soll das alte Erscheinungsbild möglichst originalgetreu wiederhergestellt werden. Dennoch wird der Tunnel nicht zum Museum, versichert man bei der Hamburg Port Authority, die die Anlage betreibt. Denn noch immer wird dieses historische Bauwerk aus der Kaiserzeit genutzt. Radfahrer, Fußgänger und auch Pkw rollen durch die derzeit offene und gut sechs Meter hohe Oströhre, die einst so angelegt wurde, dass eine Kutsche mit aufgesetzter Peitsche hindurchfahren konnte. Vor allem zu Fuß aber nutzten die Arbeiter in den Anfangsjahren diese neue Verbindung unter der Elbe. 19 Millionen Tunnel-Gänger wurden etwa 1923 gezählt. Doch mit dem Rückgang der Arbeitsplätze auf der südlichen Elbseite schrumpften auch solche Zahlen: In den 1950er-Jahren waren es noch fünf Millionen Fußgänger, Mitte der 1980er sank die Zahl auf nur noch 500000 Menschen pro Jahr, die den Alten Elbtunnel nutzten. Doch je mehr Hamburg und sein Hafen an touristischer Bedeutung gewinnt, desto mehr TunnelBesucher werden wieder gezählt. Rund 800000 sind es heute wieder, die jedes Jahr den kühlen Gang unter der Elbe wählen. Und das längst nicht nur, um möglichst zügig von einem Ufer zum anderen zu gelangen. Heute, so heißt es bei der Port Authority, ist es oft der Tunnel allein, den die Menschen aufsuchen wollen. Der Weg ist das Ziel – hier stimmt der Sinnspruch dann tatsächlich einmal.

» „Tunnel. Hamburg und seine Unterwelt“ heißt die Ausstellung im Museum der Arbeit, Wiesendamm 3, 9.9.2011 bis 25.3.2012, Mo 13 – 21, Di – Sa 10 – 17, So u. Feiertage 10 – 18 Uhr, www.museum-der-Arbeit.de

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VIII › STIL & LEBEN

Sonnabend / Sonntag, 3. / 4. September 2011

MARKENMACHER

Renner: Für Stiefel und Lederjacken von Schott (u.) reisen Kunden von weither zu Paul Hundertmark

FOTOS: ISTOCKPHOTO, PRIVAT

Freiheit und Abenteuer Beim Stiefel-Spezialisten Paul Hundertmark am Spielbudenplatz kauft man nicht bloß Schuhe, sondern ein Lebensgefühl

H

PETER STEINORT, 70, pensionierter Luftwaffenoffizier, lebt seit 2007 mit Ehefrau Robyn, 50, im australischen Bundestaat Queensland Ich bin seit fünf Jahren mit einer Australierin verheiratet, die nach gut 20 Jahren in Deutschland in ihre Heimat zurück wollte. Nach acht Monaten und erheblichem bürokratischem Aufwand erhielt ich die Aufenthaltsgenehmigung. Dann ging alles sehr schnell: Hausverkauf in Hamburg, Möbel in den Umzugscontainer laden und am 21.10.2007 landeten wir mitten im australischen Frühling in Deception Bay, einem Vorort von Brisbane, Hauptstadt des Bundesstaates Queensland.

TEXT: GENEVIÈVE WOOD • FOTOS: THOMAS LEIDIG

eute ist Paul Hundertmark Kult und gehört zu den festen Sightseeing-Attraktionen einer Kiez-Tour. In den 80ern jedoch, als Cowboystiefel groß in Mode waren, war Hundertmark eine Pilgerstätte: Jugendliche aus der niedersächsischen Provinz reisten herbei, um sich am Spielbudenplatz 9 mit den begehrten Boots auszustatten. Und auch wenn sie ein wenig aus der Mode gekommen sind – hier stehen sie wie eh und je und finden ihre Käufer. Rund hundert verschiedene Modelle haben die Geschäftsführer Klaus Duwendag und Renate Kasselmann im Sortiment – und dazu Cowboyhüte, Gürtelschnallen, Jeans, Lederjacken, Indianerschmuck. Doch mit einem reinen Westernsortiment, sagt Klaus Duwendag, könnte er heute nicht mehr überleben. Deshalb gibt es auch jede Menge Souvenirs, St. Pauli-Fanartikel, Lederjacken – an die 4000 verschiedene Einzelartikel auf 200 Quadratmetern. Klaus Duwendag trägt ein Harley-Davidson-Shirt und schwarze Turnschuhe. „Das wäre albern, wenn ich hier in Cowboystiefeln rumlaufen würde“, sagt er und lacht. Werbung muss er auch nicht mehr betreiben. „Paul Hundertmark“, erklärt er, „hat einen Bekanntheitsgrad wie Heidi Kabel. 80 Prozent der Hamburger kennen uns.“ Bis vor 15 Jahren aber lief er noch in Boots durchs Leben, doch diese Zeiten waren bereits vorbei, als er das Geschäft 2004 von Kurt Uebel übernahm. Neben der Filiale am Spielbudenplatz betreibt Duwendag ein weiteres Outlet-Geschäft am Hans-Albers-Platz, einen Laden an der Großen Bergstraße in Altona und in Lüneburg. Am Hans-Albers-Platz fing alles an, hier hat Paul Hundertmark Ende der 1950er-Jahre sein Textilgeschäft eröffnet. Während seiner amerikanischen Kriegsgefangenschaft hatte er den American Way of Life kennen- und schätzen gelernt. Mit einem Handkarren ausgerüstet, machte er sich 1949 als Händler auf dem Fischmarkt selbstständig, verkaufte dort Stoffe, Socken, Schals und andere Kurzwaren – und beobachtete, wie anders sich amerikanische Seeleute kleideten. Durch Tauschgeschäfte konnte er sein Waren-

Steherin: Am Spielbudenplatz bietet Geschäftsführerin Renate Kasselmann, 53, gut 4000 Einzelartikel an: Mode, Bikerkluft, Indianerschmuck

sortiment um Cowboyhüte und Lederwesten erweitern. In seinem Geschäft am Hans-Albers-Platz dann war er einer der ersten Deutschen, die Westernartikel, Jeans, Stiefel und Accessoires direkt aus den USA anboten. 1961 schließlich eröffnete Paul Hundertmark seinen Jeans-Store am Spielbudenplatz 9. Angeblich zählten die Beatles und Rock’n’Roll-König Jerry Lee Lewis zu den Kunden. Schauspieler wie Freddy Quinn sollen sich mit dem Westernlook eingedeckt haben. In ihre Fußstapfen treten heute Schauspieler wie Axel Prahl („Tatort“), Ben Becker, Olli Dittrich oder Musiker wie Helge Schneider und Bill Kaulitz von „Tokio Hotel“. Die Band „The Boss Hoss“ hat bei Paul Hundertmark ein Musikvideo gedreht und sich einkleiden lassen. Sein Vorgänger, erzählt Klaus Duwendag, habe den Laden sogar einmal komplett schließen lassen, als Janet Jackson ungestört shoppen wollte. Solche Sonderbehandlung für Stars gibt es bei Duwendag aber nicht. Der 56-Jährige nennt sein Geschäft selbst Museum, was wohl nicht zuletzt auch an den Reisegruppen liegt und daran,

dass sich im bis unter die Decken vollgestapelten Laden in den vergangenen Jahrzehnten kaum etwas verändert hat. Dabei ist aus dem ehemaligen Stand am Fischmarkt längst ein Mittelstandsunternehmen mit 30 Mitarbeitern geworden. Gesamtumsatz: drei Millionen Euro. Und der Kiez wandelt sich. Sollten die Esso-Tankstelle und die dazugehörigen Wohn- und Geschäftshäuser tatsächlich abgerissen werden, muss auch Paul Hundertmark weichen. „Wir gehen davon aus, dass wir noch drei Jahre hier sind“, sagt Duwendag. Er stimmt aber nicht ein in das Lied vom Untergang des Kiez. „Es ist, wie es ist“, konstatiert er nur. Er ist Kaufmann und weiß, dass Veränderungen manchmal sein müssen. „Wenn wir aus dem Laden raus müssen, ziehen wir in den Outlet-Store auf dem Hans-Albers-Platz.“ Dort gehe es auf jeden Fall weiter, dann eben auf der Hälfte der jetzigen Fläche. Tochter Vanessa, 32, wird dann sicherlich dabei sein. Sie arbeitet seit knapp drei Jahren in der Filialleitung. Und auch wenn die Moden sich ändern – Hundertmarks Lebensgefühl von Freiheit und Abenteuer ist zeitlos.

Wir hatten uns die Mitte der 3500 Kilometer langen Ostküste als neue Heimat ausgewählt. Eine sehr abwechslungsreiche Landschaft mit moderatem subtropischem Klima: Durchschnittstemperaturen im Sommer 28 und im Winter 18 Grad, kein Frost, Schnee, Nebel oder Hamburger Schmuddelwetter! Queensland ist fünfmal so groß wie Deutschland, hat aber nur 4,2 Millionen Einwohner – davon wohnen zwei Millionen in der Metropolregion Brisbane.

Kontakt » Paul Hundertmark, phm Textilvertriebs GmbH, Spielbudenplatz 9, Tel. 31 20 54, Mo – Fr 9.30 – 22, Sa 10 – 24, So 10 – 22 Uhr, www.hundertmark.de

MEIN STYLE-TRIO SIMONES STADTGEFLÜSTER

Persönlich getestet Wer an der Hafenkante ermittelt, darf keine Angst vorm Wasser haben. Wie gehen Sie mit dem nassen Element um? Vor einigen Jahren hat mich ein echter Hamburger zum Kajakfahren auf der Alster eingeladen. Ich habe sofort Blut geleckt und mich in kurzer Zeit über die verschiedensten Kajakmodelle bis zum Langstreckenrenner hochgepaddelt.

D

Talisman: Kugelkette mit Feder, Münze, Perle aus 925er Sterlingsilber – Onlineshop: www.loukoka.de, 129 Euro Sneaker: „Hummel Slimmer Stadil Recycle“, bei Hummelstore Hamburg, Schanzenstr. 46, um 80 Euro

FOTOS: THOMAS LEIDIG, PR

Als Fernsehkommissar müssen Sie auch gut zu Fuß sein. Worin laufen Sie am liebsten? Seit meiner wilden Jugend im Ruhrgebiet, bin ich Turnschuhträger und trotz einer kurzen Cowboyboots-Zeit hat es mich immer wieder zum Sneaker zurück geführt.

Jubeltage

Kajak: P&H Delphin 155, gesehen bei Gadermann, Hummelsbütteler Steindamm 70, 22851 Norderstedt, um 1550 Euro

Die Wochenvorschau MONTAG RUNDGANG: „Jüdisches Leben im Grindelviertel – gestern und heute“ ist eine Stadtführung zum „Europäischen Tag der jüdischen Kultur“. Treffpunkt: Kammerspiele, Hartungstraße, 16.30 Uhr. DISKUSSION: Über „Jüdisches Leben in Deutschland“ debattieren u. a. Prof. Dr. Nachama und Toby Axelrod. Logensaal der Hamburger Kammerspiele, 19.30 Uhr.

DIENSTAG KONZERT: Bühnenstar Thomas Borchert („Das Phantom der Oper“, „Die Buddy Holly Story“) ist mit „If I Sing – meine großen Musicalerfolge“ zu Gast im Altonaer Theater, 20 Uhr. KINO: Der „Club FilmBlüte“ zeigt die Trickfilme „Peter und der Wolf“ und „Der Grüffelo“. Bürgerhaus in Barmbek, 19.30 Uhr.

as Leben hat ja außer Geburt und Tod nichts wirklich Neues zu bieten. Es ist im Grunde eine stete Wiederkehr von Guten Morgen, Guten Mittag, Guten Abend, Gute Nacht, nur in Variationen. Und je älter man wird, desto weniger aufregend kommt das Ganze daher. Ich persönlich habe das Gefühl: Seit meinem 37. Geburtstag ist nichts Durchgeknalltes mehr passiert. Finde ich aber jetzt nicht schlimm. Ich genieße den ruhigen Fluss des Alltags und den Rahmen, in dem er sich ab einem gewissen Alter bewegt: Jubiläen. Die sind so sicher wie Jahreszeiten, die kommen immer wieder, und das ist ein sehr angenehmes Gefühl. Mir gibt das Halt und Sicherheit. Emotionale Stützen in diesem Jahr: 40. Geburtstage von Freundinnen, an denen wir uns jedesmal scheckig lachten, dass und wie wir’s bis hierhin geschafft haben. Meine zehnte Saison am Millerntor. Mein fünftes Jahr mit dem Mann an meiner Seite. Das zehnte Paar goldener Schuhe in meinem Leben. Das 15. Paar roter Schuhe. Der dritte Geburtstag meines Sohnes. Sein zehntes batteriebetriebenes Blaulichtfahrzeug. Die siebte Johnny-Cash-Platte. Und in unserem Viertel wurde der 500. Friseursalon eröffnet. Außerdem war unser alter Benz zum 20. Mal in der

Ziel unserer ersten Erkundungsreise waren Buckelwale, die sich von August bis Anfang November in einer nahrungsreichen Bucht vor dem großen Treck in die Antarktis treffen. Die Muttertiere geben ihrem Nachwuchs hier die Gelegenheit, sich die notwendige Transchicht anzufressen. Von einem Katamaran aus waren sie aus nächster Nähe zu bewundern: ausblasen, abtauchen und aus der Tiefe hochschießen, dann rückwärts mit riesiger Spritzwelle wieder ins Wasser klatschen. Mit meinen Hobbys, Drechseln und künstlerischer Holzbearbeitung, bereite ich eine Ausstellung im Mai 2012 vor. Robyn ist inzwischen ausgebildet in therapeutischer Massage, Kinesiologie und Reiki und erweitert allmählich ihren Kundenstamm. Ich habe die Australier als sehr freundlich, ungezwungen und gesellig kennengelernt, ihr „Englisch“ allerdings ist gewöhnungsbedürftig. Im November 2009 erhielt ich die permanente Aufenthaltsberechtigung. 2010 war ich sieben Wochen in Deutschland auf Besuchstour und bin danach sehr gern wieder in meine neue Heimat zurückgekehrt.

Werkstatt, uns wurden drei Fahrräder in einem Monat geklaut, in der Straße wird das fünfte Haus in fünf Jahren kernsaniert, und auf meinem kleinen Balkon ist das zehnte Rosenstöckchen eingegangen. Wenn ich’s mir recht überlege, hab ich’s wohl falsch eingeschätzt. Mein Leben ist so aufregend wie früher, wenn nicht sogar noch viel aufregender, mit all den sich türmenden Festivitäten. Heute schon wieder, als ich unsere Straße entlang spazierte, gab es groß zu Feiern. In mir klingelten alle Glöckchen, da waren Wunderkerzen und Konfetti. Ein Doppeljubiläum! Ich war gerade zum fünften Mal in dieser Woche bei Budni gewesen – und auf meiner Nase landete der einmillionste Regentropfen des Sommers 2011. War das eine Sause. Morgen wird’s noch doller: Ich werde in diesem Quartal zum 25. Mal nicht zum Sport gehen.

ILLUSTRATION: JOSEPHINE WARFELMANN

„Notruf Hafenkante“-Kommissar Markus Knüfken, 46, paddelt ausgiebig, läuft bequem und trägt die Familie am Herzen

Ihre Frau arbeitet in einer Model-Agentur – da muss ein Geschenk für Sie besonders stilvoll sein, oder? Zu meinem letzten Geburtstag kam ich in den Genuss eines ganz individuellen Schmuckdesigns. Eine gute Freundin meiner Frau hat gerade ihre erste Kollektion entworfen und ihre Idee, einen Anhänger mit den Namen seiner Liebsten zu gravieren, finde ich sehr besonders. Seit drei Wochen fühle ich mich so noch mehr mit meinen drei Mädchen verbunden und trage meine Familie immer am Herzen.

Brisbane

Kolumne » Hier schreiben im wöchentlichen Wechsel Maike Schiller – zur Zeit in Babypause und vertreten von der Hamburger Autorin Simone Buchholz – und Joachim Mischke.

MADE IN HAMBURG

Man kann nicht früh genug beginnen: Vom Miniaturwunderland bis zum Friedhof Ohlsdorf, vom Quallenessen bis zum Süllberg listet der Führer „100 Dinge in Hamburg, die Sie als echter Hamburger erlebt haben müssen“ einmalige Ausflüge auf.

100 Dinge in Hamburg, 14,95 Euro, www. abendblatt.de/ shop

5. – 11. SEPTEMBER

MITTWOCH KLASSIK: Beim Eröffnungskonzert des 2. Russischen Kammermusikfests Hamburg (bis zum 18. September) spielt das Philharmonische Streichoktett Berlin. Laeiszhalle, Kleiner Saal, 20 Uhr. KONZERT: „Die Showpianisten David & Götz“ spielen an zwei Konzertflügeln auf – von Klassik bis Pop, virtuos und witzig. Laeiszhalle, Großer Saal, 20 Uhr.

DONNERSTAG

FREITAG

SONNABEND

SONNTAG

OPER: „Rigoletto“ in der 90Minuten-Version – die Kurzfassung der Verdi-Oper hat Premiere im Opernloft, der selbst ernannten „City-Oper für Einsteiger“, 20 Uhr.

KIEZ: Zur „Kreativnacht St. Pauli“ öffnen Künstler und Kreativbetriebe rund um die Wohlwill- und DetlevBremer-Straße ihre Türen, es gibt Aktionen und Konzerte. 18 – 24 Uhr.

THEATER: 330 Events auf 40 Bühnen bietet die Hamburger Theaternacht, vier Routen führen durch den Trubel. Programm: www-hamburger-theaternacht.de

SPORT: Der „22. Internationale Alsterlauf“ führt im 10-KilometerRundkurs um die Außenalster, Ziel ist der Ballindamm. Start: Mönckebergstraße, 10 Uhr.

FEST: Das Herbstfest auf dem Gerhardt-Hauptmann-Platz ist ein buntes Vergnügen mit kleinen Schlemmerständen mitten in der Innenstadt. Bis 17.9., 11 – 20 Uhr.

FEST: Bei den „Billstedter Lichtermeeren“ gibt es ein Show- und Sportprogramm, bei Dämmerung erhellen „Leuchtende Fontänen“ den See im Öjendorfer Park. Bis 10.9., Fr 16 – 22, Sa 14 – 22 Uhr.

AUSSTELLUNG: Die schönsten Rassemiezen Europas reisen zur „Internationalen Katzenschau“ nach Pinneberg. Rübekamphalle, bis 11.9., 10 – 17 Uhr.

ESSEN: Bei der Auftaktgala zum „25. Schleswig-Holstein Gourmet Festival“ wird im Waldschlösschen Schleswig geschlemmt. Bis 18. März 2012, www.gourmetfestival.de

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