Weihnachtsbrief - Friedrich-Husemann

March 18, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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Weihnachtsbrief Verehrte, liebe Freunde der Friedrich-Husemann-Klinik, mit dem vorliegenden Weihnachtsbrief möchten wir Ihnen wiederum von unserer Arbeit in diesem Jahr berichten. Vor 80 Jahren, am 13. April des Jahres 1930 haben Friedrich Husemann und seine ersten Mitarbeiter das Sanatorium Wiesneck als private Nervenklinik eröffnet. Das Jubiläum war Anlass für ein wissenschaftliches Symposium, das am 15. Mai 2010 in den Räumen der Klinik stattfand.Wir konnten namhafte Referenten gewinnen zu dem Thema:Wie entsteht seelische Gesundheit im Spannungsfeld von Körper, Seele und Geist? Damit war die Frage gestellt nach dem anthropologischen Hintergrund und der Methodik aller psychiatrischen Arbeit. Dr. Roman Huber berichtet als Teilnehmer ausführlich von den einzelnen Beiträgen. Die mehr gesellige Seite des Jubiläums fand am 9. Mai 2010 im Rahmen der Sonntagsveranstaltung statt. Ehemalige Mitarbeiter erzählten im Kreis von Patienten, Mitarbeitern, Gästen und Freunden von ihren Erinnerungen und entwarfen ein recht farbiges und lebendiges Bild von den so anderen Verhältnissen in früheren Zeiten der Klinik. Eine Fotoausstellung ergänzte die Berichte in anschaulicher Weise. Lothar Döll, in der Hausmeisterei tätig gewesen, gibt einen persönlichen Einblick in die alltäglichen Ereignisse des Sanatoriums während des Krieges und in der Zeit danach. Anthroposophische Psychiatrie umfasst ein vielfältiges therapeutisches Spektrum. So möchten wir diesmal einen Beitrag über die Herstellung, Indikation und Anwendung der anthroposophischen Arzneimittel geben, die als Ergänzung der Psychopharmaka zur Anwendung kommen und tiefer liegende Unregelmäßigkeiten der leiblichen Konstitution ausgleichen helfen. Einer Anregung Friedrich Husemanns folgend haben Rudolf Geiger und später Annemarie Geiger für die Patienten seit vielen Jahren Märchen erzählt und so eine Hilfe für den inneren Umgang mit seelischer Krankheit und dem eigenen Schicksal geschaffen. Annemarie Geiger schreibt von dem Verborgenen des menschlichen Schicksals, das in den Märchen erlebbar wird und Zuversicht für das eigene Leben schafft. Und weiter möchten wir von der Qualitätsarbeit, von der wirtschaftlichen Situation und manch anderen Ereignissen berichten. Wir wünschen Ihnen im Namen aller Mitarbeiter eine schöne Weihnachtszeit und viel Zuversicht und Kraft für alle Vorhaben im kommenden Jahr! Dr. Elisabeth Kaufmann

Silvia Renkewitz

Dr. Wolfgang Rißmann

Impressum Weihnachtsbrief 2010 Friedrich-Husemann-Klinik Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Friedrich-Husemann-Weg 8 D-79256 Buchenbach Tel. +49 (0) 7661 392-0 Fax +49 (0) 7661 392-400 e-mail: info@friedrich-husemann-klinik-de www.friedrich-husemann-klinik.de Bankverbindung / Spendenkonto: Sparkasse Hochschwarzwald Konto-Nr. 4376810 BLZ 680 510 04

Spenden sind steuerlich absetzbar © 2010 by Friedrich-Husemann-Klinik, Buchenbach Alle Rechte vorbehalten. Redaktion: Maria-Luise Murswiek, Dr. Wolfgang Rißmann Herstellung: fgb· freiburger graphische betriebe www.fgb.de

Freunde und Förderer der Friedrich-Husemann-Klinik

Inhalt

Grußwort des Vorstandes

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Seelische Gesundheit im Spannungsfeld von Körper, Seele und Geist Symposium am 15. Mai 2010

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80 Jahre Friedrich-Husemann-Klinik – Rückblick und Erinnerungen

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Anthroposophische Heilmittel

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Das Verborgene tritt in Erscheinung – Märchenarbeit in der Friedrich-Husemann-Klinik

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Bericht aus der Qualitätsarbeit

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Jahresbericht 2010

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Seelische Gesundheit im Spannungsfeld von Körper, Seele und Geist Symposium am 15. Mai 2010

Die Friedrich-Husemann-Klinik wird 80 Jahre alt. Grund genug zu feiern und im Rahmen eines Symposiums aktuelle wissenschaftliche Konzepte über die Bedeutung von Körper, Seele und Geist für unsere seelische Gesundheit zu reflektieren. Dass alle drei das Wesen des Menschen konstituieren und für unsere gesunde seelische Entwicklung, zeitlich und organisch-funktional differenziert, in harmonischer Weise zusammenwirken; mit dieser aus der Anthroposophie geschöpften Überzeugung waren die Gründer der Klinik vor 80 Jahren angetreten. Sie hatten mit enormen Schwierigkeiten zu kämpfen, da seelische, geschweige denn geistige Ursachen für psychische Krankheiten in dieser zunehmend materialistisch geprägten ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts von der offiziellen Medizin kaum anerkannt waren. So war es damals geradezu revolutionär, dass zur Therapie psychischer Erkrankungen differenzierte körperliche, seelische und auf die Stärkung des individuell Geistigen im Menschen angelegte Therapien eingesetzt wurden, d.h. neben anthroposophischen Medikamenten physikalische Therapien, Werktherapie, künstlerische Therapien, die Heileurythmie, meditative Übungen und biographische Gespräche. Wie steht es in der modernen Philosophie, Psychiatrie und Psychotherapie sowie der Anthroposophischen Medizin vor dem Hintergrund der Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften mit dem Ich-Begriff? Welche Konzepte und Terminologie haben sie für Geistiges, Seelisches und deren Interaktion mit dem Körper im Hinblick auf Gesundheit und Krankheit? Das waren wesentliche Fragen, die im Symposium erörtert wurden. Es ist den Veranstaltern gelungen, hierzu ausgewiesene Experten zu gewinnen und einen würdig festlichen Rahmen zu schaffen. Prof. Dr. Thomas Fuchs, Psychiater an der Universitätsklinik Heidelberg, setzte sich zunächst kritisch mit dem heute vorhandenen „neurobiologischen Naturalismus“ auseinander, in dem der Körper eine bloße Trägermaschine für das Gehirn darstellt und Geistiges kurzerhand mit neuronalen Prozessen gleichgesetzt wird. Dem stellt er eine neue Anthropologie gegenüber, die in Prozessen, Beziehungen und Kreisläufen denkt und Physisches und Psychisches als gleichermaßen verkörpert im lebendigen Organismus auffasst. Der Geist sei nirgendwo räumlich greifbar, sondern verteilt über Gehirn, Körper und Umwelt, da das Gehirn nur solange Denkorgan sein kann wie es mit einem lebendigen Leib verbunden ist, der seinerseits untrennbar in eine Umwelt eingebunden ist. So wie die Atmung sich nicht auf die

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Lungen beschränkt, sondern nur in systemischer Einheit mit der Umwelt und dem gesamten HerzKreislauf und Stoffwechsel existiert, lässt sich auch der Geist nicht auf das Gehirn beschränken. Schreibe ich einen Brief mit meiner Hand, bilden Papier, Stift (Umwelt), Hand,Auge und Gehirn eine Einheit. Nach diesem „Konzept der Verkörperung“ sind Geist und Subjektivität somit keine vom Gehirn produzierte Innenwelt, sondern bestehen vielmehr aus beständiger Beziehung zur Welt und den Mitmenschen, die durch den Leib vermittelt wird. Die Schizophrenie wäre aus phänomenologischer Sicht als Entkörperung des Selbst anzusehen, da sich die Patienten nicht mehr in den Bedeutungen und Intentionen der Handlungen anderer zurecht finden und die Einheit mit Umwelt und unbewusstem Beziehungswissen verloren geht. Gegenstand der Psychiatrie sollte demnach nicht nur das Gehirn, sondern der in Beziehungen lebende Mensch sein. Dr. Werner Geigges, Ärztlicher Direktor der Klinik Glotterbad in Glottertal, stellte in seinem Vortrag in Bezug auf Thure von Uexküll das Konzept von Krankheit als Passungsverlust vor. In der modernen Psychosomatik besteht ein Menschenbild, in dem Organismus und Umwelt eine Einheit darstellen. Bei der Organismus-Umwelt-Interaktion stellt Kommunikation einen wesentlichen Lebensprozess dar. Passung bedeutet vor diesem Hintergrund die Konstruktion hilfreicher Umwelten als Grundlage einer gelingenden Organismus-Umwelt-Interaktion. Krankheit bedeutet in diesem Modell einen Passungsverlust. Klassisches Beispiel ist das Psychotrauma, das dazu führt, dass die bisherige eigene innere Landkarte keine Orientierung mehr bietet, keine hilfreichen Verständnis- und Handlungsmöglichkeiten mehr gefunden werden können und stattdessen Ohnmacht, Hilflosigkeit und Selbst-Abspaltungen auftreten. Auch der Verlust sozialer Integration durch z.B. Mobbing oder Verlust des Arbeitsplatzes ist in diesem Krankheitsmodell ein häufig vorkommender Passungsverlust. Wichtig für eine gelingende Passung sind stabile emotionale Beziehungen zu einem Erwachsenen in der Kindheit, Verfügbarkeit sozialer Unterstützung, Vorbilder für konstruktive Problemlösungen sowie frühe Konfrontation mit Leistungsanforderungen und Verantwortungsübernahme. Heilung wird durch Passungsarbeit angestrebt. In einer gelingenden Arzt-Patient-Beziehung entstehe durch permanente Abstimmungsprozesse partiell eine gemeinsame Wirklichkeit. Wenn eine Stimmigkeit erreicht ist (es passt), rufe dies ein Gefühl der Vitalisierung bzw. ein wachsendes Wohlgefühl hervor, weil sich die Stimmigkeit des Systems verbessert hat. So wie im biologischen Modell nach Schädigung der Sehrinde des Gehirnes Zellen in der Nachbarschaft die Aufgaben der abgestorbenen Zellen übernehmen können, können im gelingenden therapeutischen Gespräch salutogenetische Ressourcen aktiviert werden. Steuerungsinstrumente für den Passungsprozess sind neben der Klärung des Kontextes (warum kommt der Patient: eigene therapeutische Anlie-

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gen? Rentenbegehren? Druck der Krankenkasse?), die Regulation der emotionalen Intensität (damit Verarbeitung von traumatischen Erlebnissen überhaupt erst möglich wird) und der Rhythmus, da inzwischen der Zusammenhang zwischen z.B. chaotischen oder kohärenten Mustern der Herzfrequenz-Variabilität und der Leistung des Gehirnes nachgewiesen sind. Prof. Dr. Peter Heusser, Inhaber des Lehrstuhles für Medizintheorie, Integrative und Anthroposophische Medizin der Universität Witten/Herdecke ging in seinem Vortrag auf die philosophisch-erkenntnistheoretischen Grundlagen im Werk Rudolf Steiners, des Begründers der Anthroposophie, sowie Parallelen und Unterschiede zu einigen heutigen Anschauungen ein. Ähnlich wie Prof. Fuchs wies er darauf hin, dass das Gehirn zwar zur Entstehung von Bewusstsein und Denken notwendig ist, nicht aber deren Ursache darstellt. Dieser kleine Unterschied hat wesentliche denknotwendige Konsequenzen z.B. im Hinblick darauf, ob und inwiefern es die menschliche Freiheit geben kann. Da das Denken nicht physiologischen, sondern logischen Gesetzen folgt und da wir uns der freien, aktiven Hervorbringung des Denkens bewusst sein können, kann es die Freiheit geben. Durch die geistige Fähigkeit zur Freiheit sind wir in der Lage, unsere Biographie nicht nur zu erleiden, sondern zu gestalten. Der Geist sei somit ein reales, kausal wirkendes Agens. Bereits in der organischen Natur könne das Ganze, z.B. einer Pflanze, nicht durch Zusammenfügen von Teilen erfasst werden, sondern sei die Form selbst ein agierendes Prinzip, analog der Typusidee Goethes und modernen Konzepten aktiver, wirkender Information. In Bezug auf das Tier kommen zu den Bildungsprozessen des lebendigen Leibes seelische Vorgänge (Empfindung, Lust, Freude, Schmerz, Intentionalität,Willkürbewegung usw.) hinzu, die den lebendigen Leib durchdringen. Beim Menschen kommt zur Seele noch sein geistiges Ich hinzu, das der Seele ihr charakteristisches Individuelles und Einzigartiges verleiht. Aus diesen Gesichtspunkten ergibt sich, dass Gesundheit und Krankheit nicht nur Folge eines richtigen oder unrichtigen Wechselwirkens von Molekülen sind, sondern den Ausdruck eines harmonischen oder gestörten Ineinanderwirkens von Kräften physischer, lebendiger, seelischer und geistiger Art in einem Organsystem oder im Ganzen des menschlichen Organismus darstellen. Deshalb kann auch die Therapie gerade psychiatrischer Krankheiten sowohl auf der pharmakologischen Ebene, der regulativ-vitalen Ebene, der seelisch-affektiven Ebene und der geistig-sinnhaften Ebene ansetzen. Im Vortrag von Dr. Wolfgang Rißmann, leitender Arzt der Friedrich-Husemann-Klinik, ging es dann darum, was die Differenzierung in Körper, lebendigen Leib, Seele und Geist praktisch für die Erkenntnisbemühungen und Therapieansätze eines anthroposophischen Arztes bedeutet. Die erste dieser vier ärztlichen Erkenntnisperspektiven ist die der biologischen Psychiatrie, die versucht psychiatrische Erkrankungen mit molekularen Veränderungen im Gehirn in Zusammenhang zu bringen. Sie ist auch für

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den anthroposophisch arbeitenden Arzt unverzichtbar. Die zweite Perspektive umfasst die Regulation der Lebensvorgänge innerhalb des Leibes sowie im Zusammenhang mit seiner Umwelt. In der dritten wird versucht, das unmittelbare subjektive Erleben des Patienten zu erfassen, von den Sinneswahrnehmungen über die Art des Denkens und Vorstellens, die Art der Gefühle, Affekte und Leidenschaften bis hin zur Willensbildung und Handlungsfähigkeit. Der Zugang zu dieser Ebene ist das reflektierte Miterleben, das innerliche Zuhören und Verstehen. In der vierten Perspektive geht es um die Erfassung des individuellen Menschen in seiner Ganzheit, eine Wesensbegegnung zwischen zwei Menschen. Jede dieser Perspektiven bedarf einer je eigenen Schulung bestimmter Fähigkeiten. Aus allen vier Erkenntnisperspektiven ergeben sich therapeutische Maßnahmen (Tabelle).

Erkenntnisperspektive

Therapeutische Maßnahmen

Biologische Psychiatrie

Psychopharmaka

Erkenntnis des lebendigen Organismus

Anregung der Vitalität durch z.B. Milieuwechsel, Bäder mit pflanzlichen oder mineralischen Zusätzen, Ernährung, Beachtung gesunder Rhythmen, Musik- oder Sprachtherapie, körperliche Aktivität, Heileurythmie. Konstitutionelle Behandlung mit anthroposophischen Arzneimitteln, Überwärmungsbädern. Unterstützende Organbehandlung mit äußeren Anwendungen und anthroposophischen Arzneimitteln.

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Erfassen des seelischen Erlebens

Psychologische Einzel- und Gruppengespräche, Angehörigenarbeit, Seelenübungen zur Schulung der Wahrnehmung, Achtsamkeit und des Willens; Werktherapie, Kunsttherapien: Plastizieren, Malen, Zeichnen, Musiktherapie, Sprachgestaltung, Schauspiel

Begegnung mit der Persönlichkeit

Bearbeitung von Sinnfragen, spirituellen Fragen; Biographiearbeit unter Einbezug des Schicksalgedanken

Prof. Dr. Dr. Dietrich van Calker, Psychiater der Universitätsklinik Freiburg stellte eine Neuentwicklung der Psychotherapie, das CBASP (Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy) Konzept, vor. Ausgehend von den Fragen, warum eigentlich Depressionen chronisch werden und welche Denk- Gefühls- und Willensstrukturen bei Depressiven vorliegen, wurde das CBASP entwickelt. Hierbei werden in disziplinierter Weise Gefühle sowohl des Patienten wie auch des Therapeuten deutlich stärker in die therapeutische Beziehung eingebracht als bei der klassischen Psychotherapie. So wird z.B. beim Patienten die Fähigkeit geschult, sich in andere Menschen hinein zu versetzen und es wird im therapeutischen Prozess versucht, authentische Gefühle zu erlernen. Daneben spielt auch Fertigkeitstraining eine Rolle. Es werden somit analytische und verhaltenstherapeutische Elemente kombiniert und neue therapeutische Schwerpunkte gesetzt. In ersten Studien hat sich gezeigt, dass das Konzept sowohl in der Akuttherapie wie auch zur Vorbeugung von Rezidiven der Depression wirksam ist und zwar deutlich besser als die bisherige Psychotherapie, bei der der Therapeut sich bei der Interpretation von Übertragungen und Gefühlen viel stärker zurück hält. Im abschließenden Vortrag von Prof. Dr. Martin Ruchsow von der Klinik Christophsbad in Göppingen wurden verschiedene philosophische Positionen zur personalen Identität skizziert. Aufgrund welcher Kriterien erkennen wir uns auf einem alten Photo wieder? Erinnerung (Gedächtnis) spielt hierfür eine wesentliche Rolle. Von Descartes wurde das Ich als eine immaterielle, zeitübergreifende Substanz gedacht. Eine dritte Position zielt auf die Notwendigkeit körperlicher Kontinuität für die Erkennung personaler Identität.Wie ist es aber damit, wenn am Menschen Teile entfernt, zerstört oder ausgewechselt werden? Das würde bedeuten, dass Patienten im Rahmen eines Schlaganfalles ihre personale Identität verlieren würden. Dies ist nicht nachvollziehbar und auch die anderen beiden Positionen, Bestimmung der personalen Identität über das Gedächtnis bzw. als immaterielle Substanz seien nicht haltbar. Prof. Ruchsow plädiert vielmehr in Anlehnung an den Philosophen Wittgenstein für einen sozialphilosophischen Ansatz. Spracherwerb, Bedeutungsverstehen, Erlernen von Regeln und unsere moralische Orientierung geschehen in einer sozialen Gemeinschaft. Das Ich-Bewusstsein sei nicht primär vorhanden, sondern entwickele sich aus einem Wir-Bewusstsein. Die jeweilige soziale Praxis bestimme die Kriterien der Identität einer Person. Die Frage nach menschlicher Personalität sei damit nicht naturwissenschaftlich erklärbar, sondern wird durch die jeweilige soziale Gemeinschaft bestimmt. Aus den Vorträgen konnte der Eindruck gewonnen werden, dass zwischen Anschauungen der Anthroposophie und moderner Anthropologie und Philosophie durchaus Annäherungen vorhanden sind, wenngleich der Sprachgebrauch sich deutlich unterscheidet. Die Vorträge atmeten Gedanken, die weit machen und die Tür in neue Räume des Beobachtens und Denkens öffnen. Es ist zu hoffen, dass solche

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belebenden Gedanken sich im Psychiatriealltag in Deutschland, wo sie beileibe noch nicht angekommen sind, mehr und mehr durchsetzen und letztlich den Patienten dienen werden und dazu führen, dass unsere Medizin und speziell die Psychiatrie menschlicher und menschengemäßer werden. Etwas jugendlich Frisches war in den Vorträgen spürbar, eine geistige Aufbruchsstimmung. Möge sich in der FriedrichHusemann-Klinik ein solcher weltoffener Geist, wie er dieses Symposium durchzog, halten und sich als formende Kraft durch ihren Organismus ziehen. Dann kann man getrost sein, dass auch die Schwierigkeiten der nächsten Jahre und Jahrzehnte von ihr gemeistert werden können. Dr. Roman Huber

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80 Jahre Friedrich-Husemann-Klinik – Rückblick und Erinnerungen

Weihnachten 1943 Hans Beidek und Rudolf Geiger hatten zufällig gleichzeitig Fronturlaub, Arno Döll versorgte das Haus. Was taten die drei Wiesneckmänner? Sie führten am 2. Weihnachtsfeiertag, ohne eine Probe, das Oberuferer Hirtenspiel auf! Ein unvergessliches Erlebnis für uns Wiesneckkinder, mitten im Krieg. So haben mich die Weihnachtsspiele wie ein roter Faden durch das Leben begleitet. Wir wohnten zunächst noch am Adlerplatz in Buchenbach, bis aus Platzmangel die Familie Geiger den Meierhof verließ und in der Kolonie in einem Häuschen unterkam. Die nunmehr freie Wohnung hat uns Dr. Husemann vermietet. 1938 wurde mein Bruder Hans-Georg geboren. Mein einziger Kommentar damals dazu war: Jetzt sind wir drei Feuerwehrmänner. Mein Vater Arno Döll war seit 1930 erster Maschinist bei der Feuerwehr in Buchenbach, er übte mit mir schon jeden Samstagabend in unserer Zinkbadewanne mit einem roten Gartenschlauch Feuerwehr. Hans Beidek, ebenfalls Feuerwehrmann, hat bis zum Kriegsbeginn sowohl die Gärtnerei als auch das Kraftwerk betrieben, dann wurde er zur Luftwaffe eingezogen. Den Meierhof hatte mittlerweile Karl Zipfel gepachtet. Seine jüngste Tochter Pia war meine Klassenkameradin, sie hat ja viel später dann die Küche der Friedrich-Husemann-Klinik geleitet. Am 27. November 1944 bekamen wir Wiesneckkinder das baldige Ende des Krieges zum ersten Mal am eigenen Leib zu spüren. Es war der schwere Fliegerangriff auf die Stadt Freiburg. Mein Vater kam am Abend kurz vom Dienst nach Hause, ich höre ihn noch sagen: Mutter mach die Kinder fertig, ihr müsst in den Luftschutzkeller. Der „Luftschutzkeller“ war die sog. Bettenkammer im Kellergeschoss des jetzigen Johanneshauses, damals Haupthaus genannt. Als wir über den Hof zum Haupthaus hinaufliefen, erhellte uns eine Leuchtbombe den Weg in den Keller.Wir hatten alle eine Gänsehaut, einige Kinder weinten sogar. Nur eine knappe halbe Stunde verbrachten wir in der Bettenkammer.Auf dem Rückweg sahen wir den roten Nachthimmel über Freiburg. – Ich weiß nur noch, dass Vater heimkam und sich von uns verabschiedete, dann fuhr er mit seiner Feuerwehr nach Freiburg in den Einsatz. Strom aus Freiburg gab es keinen mehr. Die kleine Turbine im Kraftwerk versorgte uns mit ein wenig Strom, gerade genug, um einige 25 Watt Birnen zu speisen. Schon anderntags musste Dr. Husemann die meisten seiner Patienten entlassen oder in der Villa und im Forsthaus unterbringen. Die Medizinische Universitätsklinik wurde in das Sanatorium Wiesneck ausgelagert, nicht unverhofft, den Plan gab es schon lange, aber niemand hatte damit gerechnet. Katholische Schwestern mit großen weißen Flügelhauben haben Einzug gehalten. Eine der ersten Amtshandlungen meines Vaters war, in jedem Patientenzimmer ein Kruzifix anzubringen.

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Am 8. Februar 1945 fiel eine 10 Zentnerbombe, wohl ein Not- oder Fehlabwurf eines hochfliegenden Kampfverbandes, ausgerechnet in das Wehr bei der Brücke, wo die Kanäle für die Kraftwerke des Wanglerhofes und Meierhofes abzweigten. Also hatte das Sanatorium mit seinen Nebengebäuden keinen eigenen Strom mehr. Stundenweise lieferte das Elektrizitätswerk Freiburg noch Energie, aber es gab immer häufiger Stromsperren. Mit Kerzen und Hindenburglichtern kam man recht und schlecht über die Runden, die Patientenflure hatten schon eine Notbeleuchtung aus Batterien. Im selben Winter brachte ein Bruder von Friedrich Husemann ohne unser aller Wissen aus Berlin ein Gespann mit zwei russischen Panjepferden auf den Hof, samt einer gummibereiften schönen Kutsche. Dieses Fuhrwerk sollte die nicht mehr möglichen Autofahrten z.B. zum Bahnhof oder nach Freiburg auf den Großmarkt ersetzen. Und es hat funktioniert. Die Pferdle haben sogar Hamsterfahrten bis in den Kaiserstuhl absolviert. Kastor und Pollux haben sie geheißen, sie bekamen einen Stall im Meierhof, meistens waren sie allerdings auf einer Koppel im Freien, für uns Kinder eine Sensation, wir durften sogar reiten. Als letzten Dienst haben die beiden im Sommer 1948 meinen Vater zum Friedhof nach Buchenbach gefahren, dort wurde er mit allen Ehren von der Feuerwehr beerdigt. Später, als es wieder Autos und Benzin gab, wurden sie an einen Freiburger Schrotthändler verkauft. Auch über das Kriegsende waren die Wiesneckkinder immer wohl behütet und betreut.Wir hatten mindestens einmal in der Woche Eurythmie bei Tante Minnie (Wilhelmine Husemann, Ehefrau von Dr. Husemann), alle hatten Unterricht bei Frl. Gouldschal, Frieda Schneider Haferkorn und bei Frau von Ruckteschell in allen Fächern einer Grundschule, allerdings auch schon Englisch und Französisch. Wir hatten Unterricht in der Schnitzwerkstatt (spätere Töpferei), in der Villa, im Laubishof und im Markenhof in Burg am Wald. Auch hatten wir alle, wir waren fast 20 Kinder, Musikunterricht bei Dr. Friedrich Doldinger, bei Frau Dittes und bei Frau Geiger. Malen lernten wir bei Frl. Stoye und Plastizieren bei Frl. Schröder. Als die ärgsten Kriegswirren vorbei waren und ein „normales“ Leben wieder beginnen konnte, sollten die meisten von uns in die neu gegründete Waldorfschule nach Freiburg gehen. Finanziell haben viele liebe Menschen uns den Besuch dieser Schule ermöglicht, allen voran natürlich wiedermal Dr. Fritz Husemann. Am schwierigsten war das Transportproblem. Es fuhr nur ein Zug von Himmelreich nach Freiburg in aller Frühe und einer abends, das sog. Arbeiterzügle, um 18 Uhr wieder zurück. Zum Mittag bekamen wir von den Quäkern und von der Schweizerspende etwas zu essen. Ich für meinen Teil wanderte mit meinem Kochgeschirr nach Hause. Oberhalb Ebnet machte ich Mittagspause. In Wiesneck angekommen arbeitete ich noch ein paar Stunden im Wiesneckgarten oder ich reparierte Schuhe von Patienten und Personal, nur weil ich in unserem Keller eine Schuhmacherausrüstung meines Großvaters gefunden hatte.

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Nach der Schulzeit sollte ich was Vernünftiges lernen. Meinem lieben Freund Andreas Suchantke habe ich es zu verdanken, dass ich mich total der Tierkunde verschrieb. Er war ein fanatischer Schmetterlingssammler, doch das Töten dieser schönen Geschöpfe war mir bald leid. Ich konnte ihn bald davon abbringen, und wir begannen mit der Beobachtung unserer Vogelwelt. Wir zeichneten und beschrieben die Vögel, führten Tagebücher, ich schreibe sie heute noch. – So landete ich, wieder unterstützt von lieben Menschen, im Zoologischen Institut Freiburg. Dort erlernte ich in einer vierjährigen Lehrzeit den Beruf eines Präparators. Gleichzeitig trat ich in die Freiwillige Feuerwehr Buchenbach ein. Im Institut blieb ich bis zum Sommer 1956, und weil ich immer noch keine feste Anstellung bekam, hatte ich mich entschlossen, übergangsweise im Sanatorium Wiesneck zu arbeiten. Ich war dort höchst willkommen, ja man hätte mich am liebsten als Nachfolger meines Vaters gesehen. Mit DM 80,00 im Monat musste ich zufrieden sein, in der Lehrzeit hatte ich nämlich gar nichts. Handwerksdienste, Chauffeur, der Bau des Ateliers, die Renovation der Kapelle und der Bühnenbau gehörten zu meinen ersten Tätigkeiten. Aber auch Pflegedienst kam dazu. So musste ich in der geschlossenen Abteilung im Männerstock die Nächte bei Alfred Döblin oder bei einem sehr gefährdeten Feuerwehrkameraden Hans Noth aus Oberrotweil die ganztägige Pflege übernehmen.

Ehemalige Mitarbeiter erzählen, Bild: FHK

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Als Beispiel ein ganz normaler Arbeitstag: Beginn 04.30 Uhr, Schuhe putzen aller Patienten, den Küchenherd anheizen und das Kaffeewasser aufsetzen, die Heizungen in allen Häusern mit Koks versorgen oder neu anheizen, dann kurzes Frühstück im Männeresszimmer, Post in Buchenbach holen, den Eurythmiesaal zur Lesestunde herrichten, Frau Dr. Mez im Rollstuhl die Treppe hinunter wuchten, das Mittagessen von der Küche hinauftragen, dann endlich eine Mittagspause. Um 16.00 Uhr mussten wieder alle Heizungen kontrolliert bzw. neu beschickt werden und die Post wurde wieder mit dem Fahrradanhänger nach Buchenbach gebracht. Das meistens nicht sehr schwere Abendessen sollte möglichst pünktlich um 18.00 Uhr in der Teeküche des Haupthauses vorhanden sein. Abends war dann immer wieder der Saal für irgendwelche Veranstaltungen vorzubereiten, es gab immer irgendein „Event“ wie man heute sagen würde. Um 22.00 Uhr kam dann der letzte Rundgang zu allen Häusern zum Abschließen. – Das war ein ganz normaler Sonntagsdienst!! – Werktags gab es natürlich auch Arbeit in Hülle und Fülle, so wurde jeden Mittwoch und Samstag um 05.00 Uhr zum Großmarkt nach Freiburg gefahren, den weiteren Tagesdienst bestritten August Riedlinger, Wilhelm Schuler, später Otto Dauler und gelegentlich Harald Hüttich und Johannes Geiger. Ab 1958 haben uns die ersten Wiesneckkinder für immer verlassen müssen, Uli Priever und mein Bruder Hans-Georg. Viele Wiesneckkinder sind in dieser Zeit in alle Welt verflogen. Sie gingen nach Chile, nach Canada, in die USA, in die Schweiz oder nach Schweden. Die einzigen beiden, die der jetzigen Friedrich-Husemann-Klinik erhalten blieben, sind Pia Zipfel und Lothar Döll. – Als ich schon eine sehr gute Anstellung in meinem Zoologischen Institut bekommen hatte, kam ich noch jeden zweiten Tag zu Dr. Husemann, um ihn während seiner schweren Krankheit zu baden und mit Sauerstoff zu versorgen, bis zu seinem letzten Tag. Es war der 8. Juli 1959. – Und damit möchte ich meinen Beitrag schließen.

Wer schreibt hier? Lothar Döll, geb. am 26. Januar 1935 in Buchenbach, Hauptstrasse 24. Sohn von Arno Döll, seit 1929 Hausmeister bei Dr. Husemann, zuerst am Riedberg in Freiburg-Günterstal, dann in Wiesneck. Die Grundschule besuchte ich in Buchenbach bei Hauptlehrer Otto Röttele, von 1946 bis 1950 die Waldorfschule in FreiburgHerdern. Dann Ausbildung zum Präparator im Zoologischen Institut der Universität Freiburg. Ab 1956 bis 1959 diente ich als Mädchen für alles im Sanatorium Wiesneck bei Dr. Fritz Husemann. Lothar Döll

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Anthroposophische Arzneimittel

Was sind anthroposophische Arzneimittel? Wie werden sie bei psychiatrischen Erkrankungen eingesetzt? Diese Frage wird oft gestellt, wenn Menschen die Behandlung in der Friedrich-Husemann-Klinik suchen. Im Folgenden sollen einige Gesichtspunkte zu Herstellung, Indikation und Wirkungsweise erläutert werden.

Psychopharmaka Zunächst ein Wort zu den Psychopharmaka. Wir kennen seit 60 Jahren Arzneimittel, die auf chemischsynthetischem Wege hergestellt werden als sog. Psychopharmaka und die bei seelischen Erkrankungen Wirkungen hervorrufen können, welche meist zu einer raschen Reduktion von Angst, depressiver Verstimmung oder psychotischem Erleben führen. Die Behandlung seelischer Erkrankungen hat seit Einführung der Psychopharmaka eine völlig neue Wendung genommen. Wo früher heftige Akutzustände kaum beherrschbar waren oder schweres seelisches Leiden lange anhielt, ist es jetzt möglich, gezielt in den Krankheitsprozess einzugreifen und den Betroffenen Erleichterung zu verschaffen, so dass sie dann nach Abklingen der schweren akuten Symptomatik selber aktiv an ihrer Heilung mitarbeiten können. Gewiss führen Psychopharmaka nicht immer zu einer vollständigen Heilung, zeigen in seltenen Fällen nur wenig Wirkung und können auch unerwünschte Nebenwirkungen hervorrufen. Das mindert jedoch nicht den grundsätzlichen Fortschritt in der Behandlung mit diesen Arzneimitteln.

Anthroposophische Arzneimittel Anthroposophische Arzneimittel werden unmittelbar aus Natursubstanzen wie z.B. aus Mineralien, Metallen, Pflanzen, Tiersubstanzen hergestellt. Sie vermögen nicht unbedingt eine rasche Symptomreduktion herbeizuführen, sondern sind mehr darauf ausgerichtet, die Selbstheilungskräfte des Organismus anzuregen. Sie regulieren Einseitigkeiten der leiblichen Konstitution oder regulieren bestimmte Organprozesse. Ihre Wirkung stellt sich meist erst langsam ein, kann aber dann zu einer nachhaltigen Stabilisierung des seelischen Zustandes führen. Sie ergänzen damit die rasch wirkenden Psychopharmaka. Zunächst sollen vier typische Beispiele beschrieben werden, wie anthroposophische Arzneimittel eingesetzt werden.

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Depression und Wärmeregulation Viele Menschen, die an depressiven Störungen leiden, zeigen eine langjährig gestörte Wärmeregulation. Sie leiden an chronischer Untertemperatur, ohne dies zu wissen, haben Kältezonen an Händen und Füßen und entwickeln über Jahrzehnte keine Fieberreaktion bei Infekten. Fieber ist keine Krankheit, sondern eine gesunde Immunreaktion des Organismus. Nicht selten wirken Antidepressiva hier nur unvollständig oder gar nicht. Man kann nun versuchen, durch anthroposophische Arzneimittel die Wärmeregulation anzuregen z.B. durch potenzierte Zubereitungen von Schwefel oder des Metalls Kupfer oder durch eine Verarbeitung der Honigbiene. Diese Anregung wird unterstützt durch warme Fußbäder, durch Öldispersionsbäder nach Junge oder in hartnäckigen Fällen durch Überwärmungsbäder nach Schlenz. Nach vier bis sechs Wochen beginnt die basale Körpertemperatur langsam anzusteigen, die Betroffenen empfinden eine für sie neue, wohlige Durchwärmung des Körpers. Die Folge ist dann eine langsame Besserung der depressiven Stimmung und vor allem des Antriebs.Antidepressiva werden damit nicht unbedingt Schwefel (Sulfur), Bild: FHK überflüssig, beginnen aber nun deutlicher zu wirken.

Depression und Überempfindsamkeit Eine andere Gruppe von Menschen mit Ängsten und depressiven Verstimmungen ist in ihrem seelischen Erleben überempfindsam und kann sich nur schwer von emotionalen Erlebnissen und Konflikten ihrer Umgebung abgrenzen. Die Betroffenen leiden still und ziehen sich von der Außenwelt zurück oder reagieren unverhältnismäßig stark auf geringe konflikthafte Situationen. Sie zeigen nicht selten eine funktionelle Schwäche des Verdauungssystems mit verschiedenen Unverträglichkeiten von Nahrungsmitteln und beschleunigter unvollständiger Verdauung. Auch ist eine konventionelle Behandlung mit Antidepressiva oft wenig wirksam. Die seelische Struktur und Widerstandskraft kann hier angeregt werden z. B. mit potenzierten Zubereitungen von Bleikiesel (Bleisilikat) oder des Metalls Antimon. Nach zwei bis vier Wochen tritt eine Beruhigung ein, die Betroffenen werden selbstsicherer, erleben sich mehr abgegrenzt und können ihr Leben besser strukturieren.

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Bei diesen ersten zwei Beispielen liegt jeweils eine besondere typische Konstitution des ganzen Organismus und des dazugehörigen seelischen Erlebens vor. Wenn nun durch Belastungen oder andere Ursachen eine depressive Verstimmung eintritt, reagieren die Betroffenen oft nur unvollständig auf Psychopharmaka oder auch Psychotherapie. Durch eine anthroposophische Therapie wird dann versucht, die konstitutionelle Einseitigkeit in ein neues Gleichgewicht zu bringen und damit bessere Voraussetzungen für den Heilungsprozess zu schaffen. Damit werden die Selbstheilungskräfte des ganzen leiblich-seelischen Zusammenhangs angeregt.

Bleiglanz (Galenit), Bild: Weleda

Bei den nächsten zwei Beispielen soll gezeigt werden, wie ein Ungleichgewicht von einzelnen Organprozessen bei seelischen Erkrankungen vorliegen kann. In der anthroposophischen Psychiatrie besteht die Anschauung, dass nicht nur das Gehirn die Grundlage für seelisches Erleben darstellt, sondern der ganze Leib mit seinen Organprozessen Resonanzorgan für seelisches Erleben ist. Bei dem folgenden Beispiel liegt eine funktionelle Störung der Leberprozesse, bei dem zweiten eine Störung der Nierenprozesse vor.

Störung der Leberprozesse Nicht selten finden sich in der Vorgeschichte von Menschen mit depressiven Störungen entzündliche Lebererkrankungen (Hepatitis) oder toxische Schädigungen (Alkohol, Medikamente) der Leber. Die Betroffenen leiden meist an einer Antriebsstörung, an frühmorgendlichem Aufwachen gegen 3 Uhr und an einem Stimmungstief am Vormittag. Dazu kommt oft eine Unverträglichkeit von fetten oder gebratenen Speisen, eine Störung der Durstqualität und der Trinkgewohnheiten. In dieser Situation sind Arzneimittel angezeigt, die die Funktion

Wegwarte (Cichorium intybus), Bild: Wala

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der Leberprozesse anregen und regulieren wie z.B. die Wegwarte (Cichorium intybus), die Mariendistel (Carduus marianus) oder das Präparat Hepatodoron (Blätter der Weinrebe und Walderdbeere). Unterstützt wird dies durch feucht-heiße Auflagen auf die Leberregion im Bereich des rechten Oberbauchs. Mindestens drei Monate gegeben führen diese Arzneimittel zu einer langsamen Stabilisierung der Leberfunktion und damit auch zur Aufhellung der Stimmung und zur Verbesserung des Antriebs. Falls gleichzeitig eine Erhöhung der Leberenzyme bestanden hat, normalisieren sich diese weitgehend.

Störung der Nierenprozesse Eine andere Gruppe von Menschen mit depressiven Verstimmungen zeigt eine Konstellation von Symptomen mit seelischer Anspannung, innerer Unruhe, Nervosität, begleitet von Kurzatmigkeit und viel Bedürfnis nach frischer Luft. In der Vorgeschichte finden sich manchmal entzündliche Erkrankungen der Niere und Blase oder auch Neurodermitis und Asthma bronchiale. Die Betroffenen sind überempfindsam, leicht reizbar und ungeduldig. Hier sind angezeigt als Heilmittel potenzierte Zubereitungen des Metalls Kupfer, der Zitronenmelisse (Melissa officinalis) oder des Ackerschachtelhalms (Equisetum arvense). Ergänzend kommen feucht-heiße Auflagen auf den unteren Rücken im Bereich der Nieren zur Anwendung mit Zusatz von Ingwer oder Schachtelhalm. Die äußeren Auflagen bringen spontan Erleichterung und Beruhigung, die Arzneimittel führen langsam nach zwei bis drei Monaten zu einer Entspannung.

Ackerschachtelhalm (Equisetum arvense), Bild: Weleda

Indikation anthroposophischer Arzneimittel Bei der Indikation anthroposophischer Arzneimittel kommt es also nicht nur auf die psychiatrische Symptomatik und Diagnose an, sondern auf den gesamten Zusammenhang der leiblichen Funktionen und seelischen Beschwerden, an denen der Patient leidet. Die Wirkungsweise ist zunächst weniger eine Reduktion der vordergründigen Symptome, sondern die Anregung tiefer liegender leiblicher und seelischer Prozesse, die in ein neues Gleichgewicht gebracht werden sollen. Dabei wird immer der Zusammenhang der leiblichen Prozesse und Organfunktionen sowie der seelischen Befindlichkeiten und Symptome ins Auge gefasst.

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Herstellung Anthroposophische Arzneimittel werden nach speziellen pharmazeutischen Verfahren hergestellt. Die Ausgangsstoffe werden unmittelbar aus der Natur entnommen. Zum Beispiel wird das Metall Antimon aus dem natürlich vorkommenden Grauspießglanz (Antimonit) gewonnen und als reines Metall verarbeitet. Es wird zunächst fein zerrieben und dann mit Milchzucker (Lactose) unter intensiven Bewegungen schrittweise nach dem Potenzierverfahren so weit verdünnt, dass die spezielle dynamische Wirkung zum Tragen kommt. Ein besonderes Verfahren ist die Herstellung eines Metallspiegels. In einer Vakuumretorte aus Quarzglas wird Grauspießglanz (Antimonit), Bild: FHK metallisches Antimon hoch erhitzt, so dass es sich an der kälteren Wand der Röhre als feiner, glänzender Spiegel kondensiert. Das Kondensat ist der „Antimonspiegel“ und kann nach Abkühlung der Vakuumretorte entnommen und weiter verarbeitet werden. Als Arzneiform wird meist eine Verreibung mit Milchzucker oder eine wässrige Lösung zur Injektion hergestellt. Zur äußeren Verabreichung kann das Antimonmetall auch in einer Salbengrundlage verarbeitet werden, die als Salbenauflage auf bestimmte Körperregionen gegeben wird. Arzneimittel aus Pflanzen werden meist in einer alkoholischen Lösung extrahiert und in weiteren Schritten je nach Bedarf in flüssiger Phase potenziert. Bestimmte Pflanzen wie z.B. die Mariendistel können auch in konzentrierter stofflicher Form als Trockenarzneimittel verarbeitet werden. Ein spezielles Verfahren ist die rhythmische Verarbeitung von Pflanzen nach dem Rh-Verfahren der Firma Weleda oder nach dem Wärme-Licht-Verfahren der Firma Wala. Hierbei werden Pflanzenteile nach grober mechanischer Zerkleinerung in flüssiger Phase einem Milchsäure-Gärungsprozess unterzogen und dabei über mehrere Tage in rhythmischer Folge Licht- und Wärmewirkungen ausgesetzt. Die entstandenen Lösungen sind ohne Konservierungsmittel haltbar und können zu Arzneimitteln weiter verarbeitet werden. Auch aus tierischen Ausgangssubstanzen werden anthroposophische Arzneimittel gewonnen, z.B. aus der Honigbiene oder der Säure der Roten

Mariendistel (Carduus marianus), Bild: Wala

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Waldameise. Sie werden auch in alkoholischer Lösung extrahiert und dann zu potenzierten Lösungen weiterverarbeitet. Anthroposophische Arzneimittel unterliegen einer strengen Qualitätskontrolle. Die pflanzlichen Ausgangsstoffe werden umfassend geprüft, um umweltbedingte Belastungen durch Unkrautvernichtungsmittel, Schädlingsbekämpfungsmittel und Schwermetalle sowie schädlichen Befall von Pilzen oder Bakterien sicher auszuschließen. Weiterhin wird untersucht, ob charakteristische Inhaltsstoffe den allgemein anerkannten Vorschriften entsprechen und ob sie bei der Weiterverarbeitung und Lagerung die erforderliche Stabilität aufweisen. Der gesamte Herstellungsprozess unterliegt fortlaufenden Kontrollen hinsichtlich Hygiene, gleich bleibender Bedingungen der Herstellung und entsprechender Endkontrolle des fertigen Arzneimittels.

Verordnung Anthroposophische Arzneimittel sollten bei psychiatrischen Erkrankungen immer von einem Arzt verordnet werden, der die Grundlagen der anthroposophischen Medizin kennt. Denn die Indikation stellt sich nicht nur auf Grund bestimmter Zielsymptome wie depressive Verstimmung, psychotisches Erleben,Angst usw., sondern sie ergibt sich erst aus einem umfassenden Zusammenhang verschiedener leiblicher und seelischer Symptome und aus den konstitutionellen Eigenschaften. Der Einsatz bestimmter Arzneimittel sollte zeitlich begrenzt sein, ein Wechsel auf andere Mittel ist nach bestimmten Intervallen angezeigt. Dr. Wolfgang Rißmann

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Das Verborgene tritt in Erscheinung – Märchenarbeit in der Friedrich-Husemann-Klinik

Im Volksmärchen werden lange Zeiten von Verborgenheit beschrieben: „Er hütete die Schafe lange Zeit. Endlich träumte er, er fände eine blutrote Blume ...“ „Da saß nun die Königstochter und trauerte, und die Zeit fiel ihr lang und länger. Einmal fiel ihr ein ...“ „Ob er nun lang wanderte oder kurz, endlich kam er zu dem Zarenpalast.“ „Die Königstochter muss drei Paare eiserne Schuhe verschleißen.“ „So lebten die Zeltner und die Räuber schon Tausende von Jahren in dem dunklen Lande. Eines Tages ...“ „Aschenputtel lebt in der Asche, unerkannt, aber auf dem Fest tritt es in Erscheinung in goldenem Kleid und wird erkannt.“ Helden werden ins Abseits geschoben für lange Zeit, aber irgendwann kommt ihre Kraft, ihr Können ans Licht: sie treten in Erscheinung. Der Dummling lebte lange Zeit verachtet, verlacht, verspottet. Aber seine Zeit kommt, er lässt sich nicht beirren. Das Verborgene reift unsichtbar, unscheinbar heran, aber mit unwiderstehlicher Kraft. Die Märchen sprechen wahr. In jedem Menschen reift das Verborgene heran, auch wenn es zunächst unsichtbar ist. Die Wirklichkeit des Werdens ist nie als billiger Trost gemeint, sondern als geistige Wahrheit. Und Wahrheit ist immer heilend. Zu dieser Wahrheit gehört aber auch die Einsicht, dass die böse Stiefmutter und die listigen Brüder auch in mir leben.Wir sind immer sowohl Erlöser als auch Erlöste, es geht um unsere Leiden, Prüfungen, Taten. Halb bewusst erkennen wir unsere eigenen Kämpfe und Siege. Deshalb spricht das Märchen viele Menschen an in einer tieferen Schicht als Romane oder sonstige Geschichten. Das Drama des Märchens ist unser Drama.

Die Goldkinder, Bild: Rudolf Geiger

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Und vielleicht ist ein Mensch, der mit Krankheit ringt, sich eher dessen bewusst, dass er der Erlösung bedürftig ist. Und dieser Mensch wird auch eher verstehen, dass dieser Prozess Zeit braucht. Im Miterleben mit den Märchenhelden und –heldinnen lernen wir unser Schicksal bejahen, lernen wir auch Geduld haben, dass alles seine Zeit haben muss zum Reifen. Dass alles im Werden ist, ist die unausgesprochene Botschaft der echten Märchen. Diese Stimmung von Vertrauen geht auf uns als Hörer und Erzähler über und bringt eine tiefe Beruhigung. Aber da die Menschen unterschiedlich sind, sprechen auch die Märchen unterschiedlich an. Manche fühlen sich erkannt in „König Drosselbart“, andere in „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren.“ So lernt man sich auch in der Gruppe besser kennen durch das anschließende Gespräch, wo manche sich auf unerwartete Weise äußern. Zu dieser Tätigkeit des Märchenhörens und anschließenden Gespräches treffen sich die Patienten einmal in der Woche. „Das alles trug sich zu hinter neun Meeren und sieben Ländern, da wo der Maulbeerbaum blüht. In dem Maulbeerbaum singt eine Nachtigall, und wer meinen Märchen gelauscht hat, hört die Nachtigall auch hier!“ Annemarie Geiger

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Bericht aus der Qualitätsarbeit

Die Friedrich-Husemann-Klinik hatte vor 12 Jahren begonnen, ein Qualitätsmanagement systematisch einzurichten und wurde im Jahre 2005 erstmalig zertifiziert nach dem KTQ – Verfahren (Kooperation für Transparenz und Qualität im Krankenhaus), das speziell für Krankenhäuser in Deutschland entwickelt ist. Grundlage des Verfahrens ist der Selbstbewertungsbericht, in dem sämtliche Prozesse der Klinik bis in alle Einzelheiten beschrieben sind. Der Selbstbewertungsbericht wird fortlaufend von den Qualitätsbeauftragten der Klinik überarbeitet und den Entwicklungen angepasst. Durch die genaue Beschreibung aller Arbeitsprozesse wird deutlich, wo Verbesserungen angezeigt sind und wo bereits Veränderungen vorgenommen wurden. Nachdem die KTQ GmbH die Vorgaben des Selbstbewertungsberichtes im Jahre 2009 geändert hatte, waren wir in diesem Jahr damit beschäftigt, den Bericht vollständig neu zu fassen, was für alle Beteiligten mit sehr viel Arbeit verbunden war. In diesem Jahre haben wir turnusgemäß wieder Befragungen durchgeführt. Am Anfang des Jahres hatten wir alle entlassenen Patienten nach ihrer Zufriedenheit mit dem Klinikaufenthalt befragt. Die Beteiligung war mit 55% erfreulich hoch. Die Antworten zeigten insgesamt eine hohe Zufriedenheit, gaben aber auch Hinweise auf Verbesserungen. Im Frühsommer fand die Befragung der Mitarbeiter statt, die ebenfalls eine sehr hohe Beteiligung von 68,2% zeigte. In der Gesamtbewertung liegen die Ergebnisse bei allen Themen, die für die Mitarbeiter wichtig sind, deutlich über dem Durchschnitt anderer psychiatrischer und psychosomatischer Kliniken in Deutschland. Natürlich gab es auch hier wertvolle Hinweise auf Verbesserungsbedarf. Die Befragung der einweisenden Ärzte fand im Herbst statt, die Ergebnisse lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor.Alle drei Befragungen wurden durch das Picker Institut in Hamburg durchgeführt. Auf diese Weise ergeben sich vielfältige Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Kliniken im Sinne von Benchmarking. Wir sind allen Patienten, einweisenden Ärzten und Mitarbeitern sehr dankbar für ihre aktive Beteiligung und differenzierte Rückmeldung, was für den Verbesserungsprozess unserer Arbeit eine große Hilfe bedeutet. Walter Jordan

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Jahresbericht 2010

Wer das Ziel kennt, kann entscheiden, wer entscheidet, findet Ruhe, wer Ruhe findet, ist sicher, wer sicher ist, kann überlegen, wer überlegt, kann verbessern. – Konfuzius –

Einleitung Nach dem Willen des Gesetzgebers wird ab 01.01.2013 ein pauschaliertes, leistungsorientiertes Tagesentgeltsystem für psychiatrische, psychotherapeutische und psychosomatische Krankenhäuser eingeführt (Krankenhausgesetz (KHG) § 17d). Hierzu wurde der für die somatischen Krankenhäuser geltende Operations- und Prozedurenschlüssel (OPS) um neue Kodes u.a. für die Psychiatrien erweitert. Seit 01.01.2010 sind unsere Ärzte deshalb angehalten, den Schweregrad der Erkrankung ihrer Patienten bei Aufnahme und Änderungen im Krankheitsverlauf mit bestimmten OPS-Ziffern zu versehen. Außerdem müssen alle Ärzte, Pflegenden und Therapeuten die Art und Anzahl ihrer „Therapieeinheiten“ je Patient erfassen. Die Kodes werden dann per Datenfernleitung an die Krankenkassen übertragen.Auf dieser Datenbasis soll in den nächsten drei Jahren das künftige stationäre Behandlungsentgelt im Sinne eines lernenden Systems entwickelt werden. Für die Verwaltung der Klinik hieß dies seit November 2009, die organisatorischen und technischen Voraussetzungen zur OPS-Kodierung zu schaffen. Die EDV-Arbeitsplätze auf den Stationen mussten zahlenmäßig ausgeweitet und das Krankenhausinformationssystem entsprechend erweitert werden. Parallel wurden Mitarbeiter zu OPS-Beauftragten geschult, die wiederum ihre Kolleginnen und Kollegen eingewiesen haben. Seit Januar bzw. Juni 2010 kodieren alle am Patienten tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Leistungen.

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Die ersten Hürden dieser vom Gesetzgeber zusätzlich aufgebürdeten Arbeit haben wir damit erfolgreich übersprungen.Allen Beteiligten darf ich für die tatkräftige Unterstützung bei Entwicklung und Umsetzung ganz herzlich danken! Bei allem Erfolg bleiben für die psychiatrischen Krankenhäuser in Deutschland – so auch für uns – die spannenden Fragen bis dato noch unbeantwortet: Welche Auswirkungen hat dieses neue Entgeltsystem auf unsere Arbeit? Können wir unser Medizinisch-Therapeutisches Konzept in der jetzigen Form auch nach 2013 fortführen? Welche Chancen bietet das neue Entgeltsystem für die anthroposophische Psychiatrie? Welches finanzielle Budget wird uns zur Verfügung stehen? Wird der Bürokratismus noch weiter zunehmen? Welche Formen und Abläufe interdisziplinärer Zusammenarbeit können wir entwickeln? Eins ist jetzt und heute aber schon sicher: Es wird uns nicht langweilig!

Unsere Qualitäts- und Patientenarbeit Die letzten Monate waren wieder einmal bestimmt durch die Vorbereitungen auf die Rezertifizierung unseres Qualitätsmanagements nach KTQ® (Kooperation für Transparenz und Qualität im Krankenhaus), die wir im Oktober 2011 anstreben. Den sehr umfangreichen Selbstbewertungsbericht mit sechs verschiedenen Kategorien und 63 Kriterien zu allen für einen Krankenhausbetrieb relevanten Bereichen gilt es als Grundlage für die Visitation durch die externen Fachleute zu erstellen. Einweiser-, Patienten- und Mitarbeiterbefragungen sind durchzuführen, auszuwerten und entsprechende Verbesserungsmaßnahmen und Projekte zu iniitieren. Insgesamt bestätigen uns die Anzahl der abgegebenen Fragebögen und die Ergebnisse: Unsere Arbeit und die Qualität des gemeinsamen Wirkens wird – neben allen Anregungen und Kritiken – von allen Seiten lobend anerkannt.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Im vergangenen Jahr zählten wir insgesamt 248 Mitarbeitende in der Friedrich-Husemann-Klinik. In den wohlverdienten Ruhestand haben wir zwei Mitarbeiterinnen aus dem Medizinisch-Technischen Dienst verabschiedet: Frau Roswitha Zucker am 31.01.2010 und Frau Stefanie Oberhuber am 31.03.2010. Beide sind über ihre Arbeit hinaus mit der Friedrich-Husemann-Klinik und der Anthroposophie tief verbunden. Schon in jungen Jahren gehörten sie zur großen Mitarbeiterkinderschar, die

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Dr. Friedrich Husemann und seine Frau Minnie Husemann gerne um sich scharten und verwöhnten. Ihre Tätigkeiten als Masseurin/ Medizinische Bademeisterin und Krankengymnastin sind beiden Berufung, und so übten sie ihre Arbeit mit Freude und großem Verständnis der anthroposophischen Menschenkunde aus. Mit dem Wunsch nach vorzeitigem Ruhestand hat uns Frau Karla Meyer zum 30.06.2010 verlassen. Sie war fast zehn Jahre Garantin dafür, dass das Finanz- und Rechnungswesen, die Lohnbuchhaltung, das Controlling und das Qualitätsmanagement in der Verwaltung nicht nur reibungslos funktionierten, sondern auch stetig verbessert wurden. Frau Margarethe Khadem bereicherte 15 Jahre als Krankenschwester und Stationsleiterin der Station „Frauenabteilung“ nicht nur das Pflegeteam. Sie stand jederzeit auch für schwierige Extraaufgaben zur Verfügung und vermochte darüber hinaus ihr Engagement mit erfrischendem britisch-kanadischen Humor zu würzen. Für die langjährige Arbeit und das Mitwirken dieser vier Mitarbeiterinnen möchten wir uns ganz herzlich bedanken verbunden mit den besten Wünschen für den neuen Lebensabschnitt. Auch in diesem Jahr sei an dieser Stelle unseren Praktikantinnen und Praktikanten, FSJlern und Zivis sowie den vielen ehrenamtlich Tätigen ein ganz herzliches Dankeschön für ihre Arbeit ausgesprochen.

Sozialleben Zum Mitarbeiterfest 2009 hatten wir das Galli-Theater aus Freiburg mit ihrer frechen Komödie „Männerschlussverkauf“ zu Gast im Raphaelsaal. Über das Gesehene konnte man gemeinsam lachen, schmunzeln sowie bei anschließendem Punsch und Hefezoff ganz trefflich diskutieren. Am 19.05.2010 fanden die Wahlen zum Betriebsrat statt. Dieses Gremium versteht sich nicht nur als Organ im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, sondern sieht sich auch als Förderer und Berater für das soziale Leben und die Beziehungen der Mitarbeiter im Arbeitszusammenhang. Der amtierende Vorsitzende, Herr Michael Bubenzer (Therapie), wurde erneut mit großer Zustimmung in seinem Amt bestätigt. Außerdem wurden gewählt: Frau Heizmann (Speiseversorgung), Frau Herud (Sozialdienst), Herr Gremlich (Therapie), Herr Wutzke (Pflege), Herr Gerring (Pflege) und Frau Stickforth-Selz (Pflege).

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Öffentlichkeitsarbeit Auch 2009 veranstalteten die Kunst- und Werktherapeuten wieder den „Tag der offenen Werkstätten“. Neben der medizinischen Versorgung gehören zu unserem Konzept umfangreiche künstlerische, werkund arbeitstherapeutische Angebote, wie Malen, Weben, Plastizieren, Schnitzen und Korbflechten. Interessierte konnten am 21.11.2009 die Eigenschaften verschiedener Materialien und Techniken entdecken sowie deren therapeutische Qualität in eigener Anschauung erleben. Wie auch im letzten Jahr beteiligten sich befreundete Unternehmen, die im Umkreis der Klinik ansässig sind. Hierzu zählen der Gartenbaubetrieb Chevallerie & Braun, die Offenen Ateliers für Malen / Zeichnen und Plastisches Gestalten mit Ton sowie die Naturheilpraxis von Livia Müller-Lombardo. Auch sie hatten ihren Anteil am gelungenen Programm. Anlässlich des 80-jährigen Bestehens feierten wir in mehrfacher Hinsicht. Am 15. Mai 2010 veranstalteten wir das wissenschaftliche Symposium „Wie entsteht seelische Gesundheit im Spannungsfeld von Körper, Seele, Geist?“. Die vor allem für ein medizinisches Fachpublikum vorgesehene Veranstaltung fand sehr viel Zuspruch. Es ist vorgesehen, dass hierzu Anfang 2011 ein Reader erscheint. Am 09. Mai berichteten ehemalige Mitarbeiter aus allen Berufsgruppen im Rahmen einer Sonntagsveranstaltung im Raphaelsaal über ihre Arbeit. Es machte Freude den Zeitgenossen zu lauschen, die zum Teil noch von Dr. Friedrich Husemann und anderen Entwicklungsphasen der Klinik berichten konnten. Eine umfassende Fotoausstellung half darüber hinaus, sich die Geschichte der Klinik zu vergegenwärtigen und damit unserer heutigen Wurzeln bewusst zu werden. Am 21.09.2010 durften wir Herrn Regierungspräsidenten Julian Würtenberger, Herrn Bürgermeister Wendelin Drescher und den gesamten Gemeinderat Dr. Friedrich Husemann war den modernen Errungenschaften seiner Zeit nicht nur im Hinblick auf seine von Buchenbach in der Klinik begrüßen. Wir hatten fahrbaren Untersätze zugetan, sondern er betrat mit dem Gelegenheit, den Damen und Herren bei einem Aufbau unserer Klinik als Unternehmer und Psychiater Rundgang durch das Haus unser Medizinisch-TheraNeuland, indem er seine medizinischen Kenntnisse um das anthroposophische Menschenbild erweiterte. peutisches Konzept vorzustellen.

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Zusammenarbeit und Kooperationen An dieser Stelle darf auch dieses Jahr das herzliche Dankeschön für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unseren Pächtern Herrn Martin Ganz vom Häuslemaierhof (www.haeuslemaierhof.de) sowie Herrn Braun und Frau von der Chevallerie von der Firma „Echinos“ (www.echinos.de) nicht fehlen. Bedanken möchte ich mich auch bei allen Helfern des „Amphibienschutz im Dreisamtal“, eine Ortsgruppe des Naturschutzbundes Deutschland (NABU), die das Gelände rund um den Weiher und das Gewässer fachkundig zum Wohle der Menschen und Tiere ausgebaut haben und pflegen. Ziel der Geschäftsleitung ist es auch immer wieder, über den Tellerrand „Krankenhaus“ hinaus zu schauen. Seit 2008 nehmen wir teil an der Initiative 45plus Südbaden in Kooperation mit „Das demographische Netzwerk (ddn) (www.initiative45plussuedbaden.de) Diese Initiative setzt sich aus verschiedenen Firmen und Institutionen unterschiedlichster Branchen zusammen und hat sich zum Ziel gesetzt, gemeinsam Lösungen für die vor allem aus der demographischen Entwicklung resultierenden Probleme der Arbeitswelt zu suchen. So werden Themen behandelt wie betriebliches Gesundheitsmanagement, lebenslanges Lernen, Umgang mit Nachwuchsproblemen, Einarbeitungskonzepte usw.

Leistungs- und Finanzdaten: In Zahlen ausgedrückt lauten die Ergebnisse unserer Arbeit und die umgesetzten Ziele: Leistungsdaten

2008

2009

Planbetten

103

103

Durchschnittliche stationäre Aufenthaltszeit

38,83

38,06

Anzahl der behandelten Patienten

951

971

An der Tendenz steigender Patientenzahlen bei gleichzeitig sinkender durchschnittlicher Verweildauer je Patient hat sich auch in 2009 nichts verändert.

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Affektive Störungen und Schizophrenie als Hauptdiagnosen gehören weiterhin zu unseren Behandlungsschwerpunkten. Die Patienten kommen zu 78% aus Baden-Württemberg. Bilanzstruktur

2008 inTEUR

2009 in TEUR

Anlagevermögen

11.789

11.444

Umlaufvermögen

3.841

4.476

Summe Aktiva

15 .630

15 .920

Eigenkapital

11.453

11.476

Fremdkapital

4.177

4.444

Summe Passiva

15 .630

15.920

Finanzdaten

2008 in TEUR

2009 in TEUR

Erlöse aus Krankenhausleistungen

6.490

6.929

Investitionen In den Jahren 2009 und 2010 haben wir sowohl in unsere Betriebs- und Geschäftsausstattung insbesondere Soft- und Hardware, in die Instandhaltungsmaßnahmen unseres Bettenhauses Johanneshaus und Gelbes Haus als auch für die umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit anlässlich unseres 80-jährigen Jubiläums investiert. Um unsere Ansprüche im Rahmen der Kunst- und Kulturarbeit, der Forschung und des Umweltschutzes wenigstens teilweise umsetzen zu können, darf ich die Leser – wie jedes Jahr – wiederum um Schenkgelder bitten.

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Spenden

2008 in EUR

Allgemeine Spenden

9.232

2009 in EUR 14.078

Zweckgebundene Spenden: Forschung

50.000

0

Fachweiterbildung Pflege

0

0

Allen Spendern, ob Einzelpersonen oder Institutionen, möchte ich ganz herzlich für ihre Unterstützung danken. Der Hauptanteil der Spenden wurde auch in 2009 für unser medizinisches Forschungsprojekt zum Thema Depression verwendet. Zu guter Letzt möchte ich auch in diesem Jahr allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein herzliches Dankschön aussprechen, deren Engagement und Wirken sich nicht nur in diesen Zahlen widerspiegeln. Silvia Renkewitz

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