Vorwort - UVK Verlagsgesellschaft mbH

March 8, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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Vorwort In der Medien- und Kommunikationswissenschaft besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass das Fernsehen eigentlich ein Übergangsmedium ist, weil es sich permanent verändert. Neue technologische Entwicklungen gehen nicht spurlos an diesem Medium vorüber. Satellitentechnik und Digitalisierung haben viel dazu beigetragen, dass sich sowohl die Produktion von Inhalten als auch die Nutzung des Fernsehens verändert hat. Fernsehsendungen müssen sich in die individuellen Medienmenüs der Mediennutzer integrieren. Sie müssen daher auch im Kontext der gesamten Mediennutzung der Zuschauer gesehen werden. Aus der Sicht der Produzenten bzw. Fernsehanstalten bedeutet dies, dass versucht werden muss, mit verschiedenen Angeboten, die sich auf ein Produkt/eine Sendung/ein Format oder auf die gesamte Programmphilosophie eines Senders beziehen, verschiedene Nutzungsweisen der Zuschauer anzusprechen. Die Entwicklung digitaler und mobiler Medien hat neue Möglichkeiten entstehen lassen, die Angebote auf verschiedene mediale Plattformen zu verteilen, um so das Publikum über verschiedene Nutzungsformen einzubinden. Dabei ist zu beobachten, dass die Grenzen zwischen verschiedenen Medien- und Kommunikationsanwendungen immer mehr verschwinden. Diese Grenzen verschwinden sowohl in technischer, ökonomischer, inhaltlicher und ästhetischer Hinsicht als auch mit Blick auf die Nutzung von Medienangeboten. Menschen handeln in sogenannten konvergierenden Medienumgebungen. Konvergenz stellt eine Ausweitung der Reichweite einzelner Fernsehangebote durch die Verbindung mehrerer Angebots- und Vertriebswege dar. Auf der Seite der Mediennutzer kommt diesen Tendenzen das Bedürfnis entgegen, beliebte Inhalte auf verschiedenen Medienplattformen zu suchen. Das gilt offenbar besonders für Angebote, die der Unterhaltung dienen. Die Verbindung zwischen den Angeboten und der Mediennutzung wird durch eine Ästhetik transmedialen Erzählens hergestellt. In den einzelnen Medien wird der Inhalt ästhetisch unterschiedlich aufbereitet. Querverweise erhöhen dabei die Loyalität der Nutzer zu einem Fernsehformat. Im Kontext der Medienkonvergenz werden Filme und Fernsehformate als medienübergreifende Marken etabliert. Die Geschichte im Kopf der Zuschauer entsteht ZIEGENHAGEN, Zuschauer-Engagement. ISBN 978-3-86764-199-9 © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2009

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Vorwort

dann nicht mehr allein über eine Fernsehsendung, sondern die verschiedenen Angebote, die sich um eine Sendung gruppieren, tragen ihren Teil dazu bei: Fernsehen, Internet, Mobile Endgeräte, Fanseiten, MerchandisingArtikel, Comics, Computerspiele, Bücher, Film- und Fernsehkritiken, Trailer, Presseberichterstattung usw. formen die aktuelle Rezeption vor. Die crossmediale Vernetzung ist ein wesentliches Kennzeichen der Inhalte aller Medien in den Zeiten von Digitalisierung und Konvergenz. Unter diesen Bedingungen wird seit einiger Zeit diskutiert, was denn Fernsehen nun eigentlich noch sei. Im September 2009 stellte der amerikanische Medienwissenschaftler Henry Jenkins in einem Blog die Frage nach der Zukunft des Fernsehens in einer Welt der sozialen Netzwerke. Dabei problematisierte er unter anderem, dass sich erfolgreiche Fernsehserien mittlerweile nur noch crossmedial unter Einbeziehung des Internets und anderer Medien vermarkten lassen. Jenkins gab zu, selbst nicht zu wissen, was Fernsehen denn aktuell zu Ende des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts sei. Auf alle Fälle kann eine Ausweitung des Fernsehens durch das Internet konstatiert werden, auch und gerade weil junge Zielgruppen sich Fernsehinhalte in erster Linie online ansehen. Vor diesem Hintergrund werden einige vermeintliche Gewissheiten über das Fernsehen in Frage gestellt. Die Fernsehsender müssen sich immer mehr zu sogenannten »Content Providern« entwickeln, die Inhalte über verschiedene mediale Plattformen verbreiten. Damit sinkt auch die Bedeutung klassischer Messinstrumente des Erfolgs wie Marktanteile und Einschaltquoten. In den USA versucht man inzwischen, das Engagement von Zuschauern mit Fernsehsendungen anhand sogenannter »Touchpoints« zu bestimmen. Das ist besonders bei Serien wie »Lost« bedeutsam, die komplexe Erzählstrukturen aufweisen. Sandra Ziegenhagen stellt in ihrer Studie das Konzept des »Engagements« vor und zeigt anhand einer Befragung von »Lost«-Fans in Internetforen, wie diese sich engagieren und mit der komplexen Erzählung umgehen. Damit werden erstmals neuere Konzepte der amerikanischen Fernsehforschung in Deutschland zugänglich gemacht.

Lothar Mikos

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Berlin/Potsdam, Oktober 2009

ZIEGENHAGEN, Zuschauer-Engagement. ISBN 978-3-86764-199-9 © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2009

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Einleitung

Ausgangspunkt dieser Arbeit ist eine Beschreibung des Umbruchs im amerikanischen Fernsehmarkt und des veränderten Fernsehkonsums. Eine Folge der Transformation des Fernsehens ist, dass neben der Quote eine neue Währung für die Fernsehindustrie gesucht wird, um weiterhin lukrativ Werbezeiten verkaufen zu können. Das neue, aus den USA stammende Konzept des Zuschauer-Engagements gilt als Hoffnungsträger in der Branche. In Zusammenhang mit besonders hohem Zuschauer-Engagement wird oft die Serie »Lost« genannt. Zugleich ist sie momentan auch eine der populärsten und erfolgreichsten Serien weltweit. »… there is no doubt that this brand of television storytelling encourages audiences to become more actively engaged and offers a broader range of rewards and pleasures than most conventional programming« (Mittell 2006, S. 32). Hunderte Webseiten, Mailinglisten, Newsletter, Foren, Chatrooms und Enzyklopädien befassen sich im Internet mit »Lost« und versuchen, jeden Aspekt der Serie abzudecken. Viele dieser Plattformen sind von Fans und Fangemeinden initiiert. Darunter werden insbesonders viele Inhalte von ihnen produziert und bereitgestellt. Im Rahmen der vorliegenden empirischen Studie ist untersucht worden, welche Faktoren dazu beitragen, dass die Mystery-Serie »Lost« ein so starkes Zuschauer-Engagement auslösen kann. Zunächst wird ausführlich dargelegt, wie sich das Engagement bei »Lost«Fans in Internetforen abzeichnet. Dabei erfährt der Text, also die Serie »Lost« an sich, besondere Beachtung. Nach einem kurzen Überblick über die wichtigsten Fakten und formalen Informationen rund um die Serie wird eine Textanalyse durchgeführt, bei der die dramaturgischen Besonderheiten der Serie herausgestellt werden. Weiterhin wird beschrieben, was die Produzenten und der Fernsehsender ABC dazu beigetragen haben, dass sich Fangemeinden bilden, und was nötig ist, um die Zuschauer zu fesseln. Neben diesen Marketingstrategien wird auch erläutert, wie die selbstinitiierten Aktivitäten der »Lost«-Fans als Zeichen von Engagement aussehen. Nutzergenerierter Inhalt innerhalb von Internet-Fanforen ist dabei nur ein Teil davon.

ZIEGENHAGEN, Zuschauer-Engagement. ISBN 978-3-86764-199-9 © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2009

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Einleitung

Bei der Vorstellung verschiedener Theoriemodelle zum Engagement werden diese einerseits von wissenschaftlicher, andererseits von wirtschaftlicher Seite aus betrachtet. Hierbei wird sich zeigen, dass man acht Touchpoints benennen kann, die die Fähigkeit haben, Engagement beim Zuschauer zu fördern. Daneben werden weitere Motive und Wünsche der Zuschauer beschrieben, die Auslöser für Fan-Engagement sein können. Im darauffolgenden Kapitel wird die für diese Untersuchung relevante Methode der fragengebundenen computergestützten Gruppenkommunikation in Internet-Fanforen vorgestellt sowie deren Vor- und Nachteile abgewogen. Das Forschungsdesign dieser Studie gibt Details zu der Erhebung in den ausgewählten deutsch- und englischsprachigen Fanforen. Außerdem werden erste Erkenntnisse aus dem Erhebungsverlauf beschrieben, die die gewählte Methode zugleich reflektieren. Es schließt sich eine Darstellung der Ergebnisse aus der Forenanalyse an, um die Fan-Aktivitäten und Rezeption der Fans genauer zu betrachten und Rückschlüsse auf das Engagement zu ziehen. Die Ergebnisse der Gruppenkommunikation in Fanforen werden dann in Verbindung mit den Ergebnissen der dramaturgischen Textanalyse und den Erkenntnissen der theoretischen Engagement-Modelle gebracht, um zu zeigen, welche Faktoren das Fan-Engagement bei »Lost« auslösen. Diese Arbeit bezieht sich auf die ersten drei Staffeln von »Lost«, weil das den Episoden entspricht, die bis zur Durchführung der Studie in Deutschland ausgestrahlt worden sind.

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ZIEGENHAGEN, Zuschauer-Engagement. ISBN 978-3-86764-199-9 © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2009

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