Transfer Pricing Perspective Deutschland – Jahrbuch 2014

March 25, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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Transfer Pricing Perspective Deutschland Jahrbuch 2014

Verrechnungspreiswissen praxisnah, aktuell und kompakt

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Transfer Pricing Perspective Deutschland Jahrbuch 2014

Verrechnungspreiswissen praxisnah, aktuell und kompakt

Von Dr. Abraham Ackerman, Nael Amin, Dr. Ulf Andresen, Marie-Melanie Bentzien-Wilkens, Dr. Thomas Bittner, Dr. Claudia Dahle, Henning Damköhler, Dr. Roman Dawid, Martin Dombrowski, Ron Dorward, Kati Ebert, Kati Fiehler, Julian Franck, Dr. Ronald Gebhardt, Eva Greil, Gerrit Halbach, Susann van der Ham, Jörg Hanken, Madlen Haupt, Kerstin Holst, Dr. Jörg Hülshorst, Dr. Andreas Kammer, Daniela KielHammer, Tanja Koch, Nadja Kopfer, Oliver Kost, Christoph Lamm, Martin Lang, Claudia Lauten, Marion Leherpeur, Eefje Lemmens, Holger Lorenzen, Dr. Jutta Menninger, Dorothea Mertmann, Clarisse Müller, Mingzhe Ouyang, Arundhati Pandeya, Dr. Benjamin Protte, Martin Renz, Ulrich Reuter, Alexander Rösch, Dr. Isabel Ruhmer-Krell, Guido Schepers, Anne Schneider, Ramona Siefert, Dr. Christoph Sommer, Ina Sprenger, Daniela Stäger, Yu Tao, Stephanie Wahlig, Thomas Weber, Dr. Sven Wehke, Florian Weidlich, Immanuel Weidlich, Dr. Ludger Wellens, Gert Wöllmann

Transfer Pricing Perspective Deutschland Jahrbuch 2014 Herausgegeben von PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Von Dr. Abraham Ackerman, Nael Amin, Dr. Ulf Andresen, Marie-Melanie BentzienWilkens, Dr. Thomas Bittner, Dr. Claudia Dahle, Henning Damköhler, Dr. Roman Dawid, Martin Dombrowski, Ron Dorward, Kati Ebert, Kati Fiehler, Julian Franck, Dr. Ronald Gebhardt, Eva Greil, Gerrit Halbach, Susann van der Ham, Jörg Hanken, Madlen Haupt, Kerstin Holst, Dr. Jörg Hülshorst, Dr. Andreas Kammer, Daniela Kiel-Hammer, Tanja Koch, Nadja Kopfer, Oliver Kost, Christoph Lamm, Martin Lang, Claudia Lauten, Marion Leherpeur, Eefje Lemmens, Holger Lorenzen, Dr. Jutta Menninger, Dorothea Mertmann, Clarisse Müller, Mingzhe Ouyang, Arundhati Pandeya, Dr. Benjamin Protte, Martin Renz, Ulrich Reuter, Alexander Rösch, Dr. Isabel Ruhmer-Krell, Guido Schepers, Anne Schneider, Ramona Siefert, Dr. Christoph Sommer, Ina Sprenger, Daniela Stäger, Yu Tao, Stephanie Wahlig, Thomas Weber, Dr. Sven Wehke, Florian Weidlich, Immanuel Weidlich, Dr. Ludger Wellens, Gert Wöllmann April 2015, 156 Seiten, 2 Tabellen, Softcover © PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigungen, Mikroverfilmung, die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien sind ohne Zustimmung des Herausgebers nicht gestattet. Die Ergebnisse der Studie und Expertenbeiträge sind als Hinweis für unsere Mandanten bestimmt. Für die Lösung einschlägiger Probleme greifen Sie bitte auf die angegebenen Quellen und die Unterstützung der in dieser Publikation genannten Ansprechpartner zurück. Meinungsbeiträge geben die Auffassung der Autoren wieder. „PwC“ bezeichnet in diesem Dokument die PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die eine Mitgliedsgesellschaft der PricewaterhouseCoopers International Limited (PwCIL) ist. Jede der Mitgliedsgesellschaften der PwCIL ist eine rechtlich selbstständige Gesellschaft.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Vorwort

Vorwort Seit 2009 erscheint unser Jahrbuch Transfer Pricing Perspective Deutschland. Angesichts der wachsenden Resonanz haben wir auch in diesem Jahr wieder zahlreiche interessante Artikel rund um das Thema Verrechnungspreise aus unserem gleichnamigen Newsletters für Sie zusammengestellt. Das Jahr 2014 war in der Verrechnungspreispraxis vornehmlich durch die OECD-Initiative zu „Base Erosion and Profit Shifting“ (BEPS) geprägt. Mit insgesamt 15 Maßnahmen hat sich die OECD dem Ziel verschrieben, einen fairen internationalen Steuerwettbewerb herzustellen. Bereits im Juli 2013 haben die G20-Finanzminister und -Notenbankgouverneure den Aktionsplan mit einem umfassenden Maßnahmenkatalog gegen steuerschädlichen Wettbewerb verabschiedet. Im Jahr 2014 erschienen zahlreiche Diskussionsentwürfe, verbunden mit der Aufforderung zu Kommentierungen. Mit „Besteuerung der digitalen Wirtschaft“, „Verhinderung der doppelten Nichtbesteuerung bei hybriden Gestaltungen“, „Abkommensmissbrauch“ und „steuerschädlichem Wettbewerb“ seien hier nur vier Kernpunkte der Initiative genannt, die maßgeblichen Einfluss auf grenzüberschreitend tätige Steuerpflichtige haben können. Dies zeugt nicht zuletzt von der wachsenden Bedeutung von Verrechnungspreisen im internationalen Kontext. So sind in dieser Ausgabe des Jahrbuchs zahlreiche Artikel zu BEPS in den Kapiteln „Schwerpunktthemen“ sowie „Internationale Entwicklungen in der OECD und EU“ zu finden. Selbstverständlich bildet das Jahrbuch auch verrechnungspreisrelevante aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht sowie im internationalen Kontext ab. Branchen- und fallbezogene Artikel sind in den Kapiteln „Problemstellungen und Lösungen in ausgewählten Branchen“ und „Aus unserer Praxis“ zu finden. Hierbei berichten wir unter anderem zu den Themen „Implementierung von Verrechnungspreisen“, „Zielkonflikte zwischen betriebswirtschaftlichem und steuerlichem Berichtswesen“ sowie „Deutsche Anforderungen an Datenbankstudien“. Thematisiert werden zudem die Branchen Energie (Veränderung der Wertschöpfungskette), Konsumgüter (Steuerquoten) sowie Transport und Logistik (Herausforderungen). Wir hoffen, dass wir Ihnen mit diesem praxisrelevanten Kompendium viele interessante Informationen und Denkanstöße geben können, und wünschen eine anregende Lektüre. Ihr Redaktionsteam

Transfer Pricing Perspective Deutschland 3

Inhalt

Inhalt Vorwort ....................................................................................................................3 A Schwerpunktthemen 2014 ................................................................................. 7 1 Überarbeiteter Diskussionsentwurf der OECD zu Verrechnungspreisaspekten bei immateriellen Wirtschaftsgütern ................. 7 2 Status quo der BEPS-Entwicklungen .............................................................. 11 3 Die Anhörung der OECD zu Verrechnungspreisthemen im November 2013 ................................................................................................ 16 4 Verrechnungspreisdokumentation und Country-by-CountryReporting .......................................................................................................... 19 5 Update aus der Internationalen Steuerkonferenz der OECD zu BEPS ........ 20 6 Navigation durch die BEPS-Landschaft.......................................................... 21 6.1 Maßnahme 1: Aufzeigen der Herausforderungen der digitalen Wirtschaft ............................................................................... 21 6.2 Maßnahme 2: Empfehlungen der OECD zu hybriden Gestaltungen im Rahmen der BEPS-Initiative ..................................................................25 6.3 Maßnahme 5: effektivere Bekämpfung von schädlichem Steuerwettbewerb ......................................................................................... 27 6.4 Maßnahme 6: Verhinderung von Abkommensmissbrauch ....................... 29 6.5 Maßnahme 8: Richtlinien zu Verrechnungspreisaspekten immaterieller Wirtschaftsgüter .................................................................. 30 6.6 Maßnahme 13: Die OECD veröffentlicht neue Richtlinien zur Dokumentation von Verrechnungspreisen ................................................ 36 6.7 Maßnahme 15: Entwicklung eines multilateralen Übereinkommens zur Anpassung bilateraler Steuerabkommen ............................................. 38 7 Die veröffentlichten BEPS-Maßnahmen der OECD aus Sicht der deutschen Finanzverwaltung – ein Gespräch mit Ministerialrat Manfred Naumann.......................................................................................... 40 B Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht ............................................... 60 1 Der Koalitionsvertrag – steuerliche Implikationen der Großen Koalition ........................................................................................................... 61 2 Bericht der Facharbeitsgruppe von Bund und Ländern zur Evaluierung der strafbefreienden Selbstanzeige ........................................... 64 3 Anwendung des APA-Prozesses auf Betriebsstätten – potenzielle Risikominimierung vor dem Hintergrund des AOA ..................................... 66 4 Grünes Licht des Bundesrats für die Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung .............................................. 69 5 Einfluss von Handlungsalternativen auf die Aufteilung von Synergien bei Funktionsverlagerungen ............................................................................70

4 Transfer Pricing Perspective Deutschland

Inhalt

6 Neues zur Bewertung – Anmerkungen zum Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 5. Dezember 2013 ..................................................................... 73 7 Weiterbelastung von Grunderwerbsteuer bei Restrukturierungen ............... 76 8 Korrektur von Teilwertabschreibungen auf grenzüberschreitende Darlehen durch § 1 Abs. 1 AStG rechtlich haltbar? .........................................78 9 Veröffentlichung des Glossars „Verrechnungspreise“ durch das BMF ........ 82 10 Schenkungsteuer bei verdeckten Gewinnausschüttungen für den BFH kein Thema ...................................................................................................... 84 11 Verrechnungspreisrelevanter Status quo zur Problematik des Treaty Override ............................................................................................... 85 C Internationale Entwicklungen in der OECD und EU .....................................87 1 OECD ............................................................................................................... 88 1.1 Vergütung von konzerninternen Einkaufsfunktionen im Lichte der aktuellen Einschätzung der OECD ............................................................. 88 1.2 OECD-Bericht: Verrechnungspreisvergleichsdaten und Entwicklungsländer ............................................................................. 90 2 EU .................................................................................................................... 93 2.1 Verrechnungspreisfestsetzung mit kompensierenden Anpassungen – aktuelle Stellungnahme des EU Joint Transfer Pricing Forum ............. 93 2.2 EU-Kommission leitet mehrere Beihilfeverfahren wegen Verrechnungspreisvereinbarungen ein ....................................................... 97 D Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2014 .............................. 100 1 Europa ........................................................................................................... 100 1.1 Belgien: Verrechnungspreise weiter im Fokus ......................................... 100 1.2 Dänemark: aktuelle Verrechnungspreisentwicklungen............................ 101 1.3 Frankreich: Gesetzentwurf zur Behandlung von Funktionsund Risikoverlagerungen ........................................................................... 102 1.4 Frankreich: „Vereinfachte Verrechnungspreisauskunft“ – jährliche Verrechnungspreisauskunftspflichten ...................................................... 103 1.5 Luxemburg: zunehmender Fokus auf Verrechnungspreise ..................... 104 1.6 Niederlande: neuer Erlass zum Fremdvergleichsgrundsatz ..................... 105 1.7 Niederlande: Finanzministerium veröffentlicht neue Erlasse zu Finanzdienstleistern ................................................................................... 106 1.8 Polen: Verrechnungspreise weiterhin im Fokus der Finanzverwaltung.................................................................................108 1.9 Tschechien: neue Meldepflicht für Transaktionen mit verbundenen Unternehmen ....................................................................... 109 2 Amerika .......................................................................................................... 110 2.1 Kanada: neue Entwicklungen zu Vorabverständigungsverfahren ........... 110

Transfer Pricing Perspective Deutschland 5

Inhalt

3 Asien ................................................................................................................ 111 3.1 Australien: Finanzverwaltung entwirft Richtlinien zu neuen Verrechnungspreisregelungen .................................................................... 111 3.2 China: Entsendung oder Service? – neue Richtlinien bezüglich Dienstleistungsbetriebsstätten .................................................................. 112 3.3 China: vierter APA-Jahresbericht veröffentlicht ...................................... 115 3.4 China: Ansichten der SAT zu konzerninternen Dienstleistungen und Management Fees ................................................................................117 3.5 China: Verrechnungspreisimplikationen infolge der Liberalisierung des Renminbi .............................................................................................. 119 3.6 China: transaktionsbedingte Zahlungen ins Ausland im Fokus der Finanzverwaltung................................................................................. 120 3.7 Indien: Bankbetriebsstätten – Kreditwürdigkeitsprüfung durch indische Betriebsstätte erfordert Zuordnung von Einkünften ................. 121 3.8 Indien: signifikante Änderungen aktueller Verrechnungspreisregelungen ................................................................... 123 3.9 Singapur: überarbeiteter Entwurf der Verrechnungspreisrichtlinie........ 124 E Problemstellungen und Lösungen in ausgewählten Branchen .................... 126 1 Die Einkünfteabgrenzung im Einlagengeschäft deutscher Bankbetriebsstätten im Lichte des AOA ....................................................... 127 2 Veränderung der Wertschöpfungskette im Energiesektor........................... 130 3 PwC-Studie: Steuerquoten in der Konsumgüterindustrie ........................... 133 4 Verrechnungspreisherausforderungen in der Transportund Logistikbranche ...................................................................................... 135 F Aus unserer Praxis ......................................................................................... 137 1 Effektive Implementierung von Verrechnungspreisen als Schnittstellenthema von Steuern und Controlling ....................................... 137 2 Zielkonflikte zwischen betriebswirtschaftlichem und steuerlichem Berichtswesen: Steuern versus Steuerung .................................................... 141 3 Die Interne Revision als Instrument der Prüfung und Optimierung der Verrechnungspreisermittlung ................................................................. 142 4 Grundsätzliche Überlegungen zur Implementierung der Kostenaufschlagsmethode beim Cash Pooling ............................................. 146 5 Datenbankstudien in der Betriebsprüfung – Beispiele für spezielle deutsche Anforderungen ............................................................................... 148 Das Verrechnungspreisteam von PwC Deutschland.......................................... 151 Das Verrechnungspreisteam von PwC weltweit................................................. 153 Ihre Ansprechpartner.......................................................................................... 154

6 Transfer Pricing Perspective Deutschland

Schwerpunktthemen 2014

A Schwerpunktthemen 2014 Die OECD hat bei der Umsetzung ihrer BEPS Initiative ein bemerkenswertes Tempo vorgelegt. Das Jahr 2014 war so insbesondere durch die Vorlage zahlreicher Diskussionsentwürfe zu den verschiedenen Punkten des BEPS-Aktionsplans geprägt, weiter fanden mehrfach Treffen und öffentliche Konsultationen hierzu statt. Wir haben dies zum Anlass genommen, in allen vier Ausgaben von Transfer Pricing Perspective Deutschland des Jahres 2014 zum Fortschritt der BEPSInitiative Stellung zu nehmen. Besonders hinweisen möchten wir hierzu auf das Interview mit Manfred Naumann, das neben Details zu den aktuellen OECDEntwicklungen auch Ausblicke darauf gewährt, was Steuerpflichtige in Deutschland zu diesem Thema erwarten dürfen. Ergänzend sei noch angemerkt, dass aufgrund der Fülle von Veröffentlichungen unsere Artikel zwangsläufig nur einzelne Entwicklungen und Aspekte beleuchten können.1

1 Überarbeiteter Diskussionsentwurf der OECD zu Verrechnungspreisaspekten bei immateriellen Wirtschaftsgütern Von Dr. Jutta Menninger und Daniela Stäger Bereits im Vorfeld der BEPS-Diskussion hatte die OECD mit der Veröffentlichung ihres Diskussionsentwurfs im Juni 20122 betont, welch hohe Bedeutung immateriellen Wirtschaftsgütern im Zusammenhang mit Verrechnungspreisen bei internationalen Konzernen und Finanzverwaltungen zukommt. Rund ein Jahr

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Redaktioneller Hinweis: Seit dem Erscheinen der in diesem Kapitel enthaltenen Artikel zum Thema BEPS wurden von der OECD Ende 2014 und Anfang 2015 weitere Diskussionsentwürfe zu verschiedenen BEPS-Maßnahmen veröffentlicht. Die Veröffentlichungen sowie weitere Informationen zu den aktuellen Entwicklungen zu BEPS finden Sie auf der OECD-Website unter www.oecd.org/ctp/beps.htm. OECD: „Discussion Draft – Revision of the Special Considerations for Intangibles in Chapter VI of the OECD Transfer Pricing Guidelines and Related Provisions – 6 June to 14 September 2012“, www.oecd.org/tax/transfer-pricing/50526258.pdf; siehe dazu auch Transfer Pricing Perspective Deutschland, Ausgabe 15, August 2012.

Transfer Pricing Perspective Deutschland 7

Schwerpunktthemen 2014

später erschien am 30. Juli 2013 der überarbeitete Diskussionsentwurf der OECD.3 Entwicklung und Status des OECD-Projekts zu Verrechnungspreisaspekten von immateriellen Wirtschaftsgütern Der überarbeitete Diskussionsentwurf der OECD ist nach wie vor nicht als Konsensdokument, sondern erneut als Arbeitspapier aufzufassen. Interessierte Vertreter der Industrie und Beratung hatten, wie bereits beim ersten Diskussionsentwurf, die Gelegenheit erhalten, ihre Kommentare zum überarbeiteten Diskussionsentwurf schriftlich bis Oktober 2013 abzugeben oder diese bei der vom 12. bis 13. November 2013 in Paris stattfindenden öffentlichen Konsultation einzubringen. Bei dem Treffen in Paris ging es insbesondere darum, einen Konsens zwischen den unterschiedlichen Standpunkten der Vertreter der Industrie und Beratung, der Finanzverwaltungen sowie der OECD zu erzielen. Während sich die Finanzverwaltungen verstärkt dem Druck der Öffentlichkeit hinsichtlich der Bekämpfung internationaler Steuergestaltungen und damit einhergehender Gewinnverlagerungen multinationaler Konzerne ausgesetzt sehen, wurde seitens der Wirtschaftsvertreter dafür plädiert, die Dokumentations- und Offenlegungspflichten für Steuerpflichtige nicht zu verschärfen. Die eingegangenen Kommentare sollen nun bei der Finalisierung des überarbeiteten Kapitels VI der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien4 Berücksichtigung finden. Bis zum Abschluss des Projekts im Herbst 2014 sind keine weiteren Konsultationen der Öffentlichkeit mehr vorgesehen. Kernaussagen sowie wesentliche Änderungen gegenüber dem ersten Diskussionsentwurf5 Der überarbeitete Diskussionsentwurf ist stark an den Aufbau des ersten Diskussionsentwurfs angelehnt und ebenfalls in zwei Bereiche gegliedert: Zum einen umfasst er einen allgemeinen Teil, der die Neugestaltung des Kapitels VI der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien zu immateriellen Wirtschaftsgütern darstellt, zum anderen enthält er einen Anhang mit 26 Beispielen. 3

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OECD: „Public Consultation – Revised Discussion Draft on Transfer Pricing Aspects of Intangibles – 30 July 2013“, www.oecd.org/ctp/transfer-pricing/revised-discussiondraft-intangibles.pdf. OECD: „Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations“, 22.07.2010. Weiter gehende, englischsprachige Informationen finden Sie in folgendem Alert unseres Pricing Knowledge Network: www.pwc.be/en/transfer-pricing/assets/PKNAlert-intangibles-july2013.pdf.

8 Transfer Pricing Perspective Deutschland

Schwerpunktthemen 2014

Die wesentlichen Änderungen gegenüber dem ersten Diskussionsentwurf im Überblick: ● Erläuterungen zur Behandlung von marktspezifischen Vorteilen, Standortvorteilen, Know-how der Belegschaft (assembled workforce) sowie Konzernsynergien ● Änderungen der Definition immaterieller Wirtschaftsgüter für Verrechnungspreiszwecke ● Überarbeitung des Abschnitts zu intangible related returns ● Aufnahme eines Abschnitts zur Nutzung von Firmennamen aus Verrechnungspreissicht ● Umgestaltung hinsichtlich der Anwendbarkeit der Verrechnungspreismethoden sowie der Vergleichbarkeitsanalyse ● teilweise Überarbeitung bestehender Beispiele sowie Ergänzung neuer Beispiele Die Definition immaterieller Wirtschaftsgüter wurde von der OECD etwas überarbeitet, ist jedoch auch in dem zweiten Diskussionsentwurf sehr breit gefasst. Bezüglich intangible related returns bleibt die OECD trotz einiger – insbesondere sprachlicher – Änderungen bei ihrer Kernaussage, dass eine Allokation der Aufwendungen und Erträge, die aus immateriellen Wirtschaftsgütern resultieren, anhand der ausgeübten Funktionen, Risiken sowie eingesetzten Wirtschafsgüter erfolgen soll. Zivilrechtliche Eigentumsverhältnisse sind damit für die Einkünftezuordnung6 nicht mehr allein ausschlaggebend. Die erweiterte Stellungnahme der OECD zu marktspezifischen Vorteilen, Standortvorteilen, assembled workforce sowie Konzernsynergien wurde bereits in dem vorherigen Diskussionsentwurf angekündigt und ist zu begrüßen. Es wird nun klargestellt, dass diese Faktoren unter Kapitel I der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien bei der Vergleichbarkeitsanalyse durchaus bei der Verrechnungspreisbestimmung zu berücksichtigen sind, es sich dabei aber nicht um immaterielle Wirtschaftsgüter handelt. Hinsichtlich anwendbarer Verrechnungspreismethoden sowie alternativer Bewertungstechniken verfolgt die OECD, wie bereits in ihrem ersten Diskussionsentwurf, einen allgemeiner gefassten Ansatz. Dies kann als gewollter Kompromiss der Vertreter aus Industrie und Beratung, der Finanzverwaltungen sowie der OECD gewertet werden. In ihrem ersten Diskussionsentwurf hatte die OECD notwendige Folgeänderungen der Kapitel I bis III, des Kapitels VII sowie des Kapitels VIII der bestehenden OECD-Verrechnungspreisrichtlinien angekündigt, welche 6

Dies umfasst Aufwendungen sowie Erträge.

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Schwerpunktthemen 2014

allerdings nicht in den überarbeiteten Diskussionsentwurf aufgenommen wurden. Ebenfalls nicht in dem zweiten Diskussionsentwurf behandelt werden sogenannte schwierig zu bewertende immaterielle Wirtschaftsgüter („hard to value“ intangibles). Zu diesen sollen stattdessen spezielle Regelungen in Zusammenhang mit dem BEPS-Projekt der OECD getrennt ausgearbeitet werden. Fazit und Ausblick Wenn auch der erste Diskussionsentwurf bereits im Vorfeld der BEPSDiskussion veröffentlicht wurde, kann die Entwicklung im Bereich der immateriellen Wirtschaftsgüter nicht losgelöst von dieser betrachtet werden. Insbesondere das zeitgleich zum geänderten Diskussionsentwurf veröffentlichte OECD White Paper7 sowie die Veröffentlichungen zum Country-by-CountryReporting8 werden vor dem Hintergrund erweiterter Dokumentationsanforderungen und verschärfter Offenlegungspflichten für die Praxis zukünftig insbesondere auch für immaterielle Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen sein. Parallel zum Diskussionsentwurf beschäftigt sich die OECD zudem in Maßnahme 8 des BEPS-Aktionsplans9 mit dem Thema „Immaterielle Wirtschaftsgüter“. Maßnahme 8 verfolgt dabei – ähnlich wie der Diskussionsentwurf – den Ansatz, dass die Einkünfteallokation in Zusammenhang mit immateriellen Wirtschaftsgütern anhand der tatsächlich geleisteten Wertschöpfung erfolgen muss. Die Finalisierung des überarbeiteten Kapitels VI der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien ist bis Herbst 2014 geplant und wird noch vor der vollständigen Umsetzung des BEPS-Aktionsplans10 angestrebt. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die im Rahmen der zweiten Konsultationsrunde eingegangenen Kommentare Berücksichtigung in der finalen Version der OECD finden werden. Große Überraschungen werden dabei aber nicht erwartet.

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OECD: „Public Consultation – White Paper on Transfer Pricing Documentation – 30 July 2013“, www.oecd.org/ctp/transfer-pricing/white-paper-transfer-pricingdocumentation.pdf. OECD: „Public Consultation – Discussion Draft on Transfer Pricing Documentation and CbC Reporting – 30 January 2014“, www.oecd.org/ctp/transfer-pricing/discussiondraft-transfer-pricing-documentation.pdf. OECD: „Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting“, www.oecd.org/ctp/BEPSActionPlan.pdf. Circa ein Drittel des Aktionsplans soll bereits bis Herbst 2014 abgeschlossen werden, die vollständige Umsetzung ist für Dezember 2015 angestrebt.

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Schwerpunktthemen 2014

2 Status quo der BEPS-Entwicklungen Von Kati Fiehler und Marie-Melanie Bentzien-Wilkens Mit dem BEPS-Aktionsplan vom 19. Juli 201311 hat die OECD ihren Willen dokumentiert, die Koordination internationaler Steuerpolitik voranzutreiben und die heute legalen Möglichkeiten der Steuerplanung zu überprüfen. Im vergangenen Jahr wurde intensiv an den 15 Maßnahmen der OECD zur Bekämpfung von Steuergestaltungsmöglichkeiten und Steuerschlupflöchern gearbeitet. Welche Maßnahmen die OECD bislang auf den Weg bringen konnte und was die Steuerpraxis zukünftig noch zu erwarten hat, wird im Folgenden dargestellt.12 Folgende Übersicht fasst den von der OECD vorgestellten Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung von BEPS zusammen.13 15 Maßnahmen zur Bekämpfung von BEPS

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Allgemeine Maßnahmen



Anpassung der Steuergesetzgebung an die digital economy (1)



Verhinderung internationaler Nichtbesteuerung bei hybriden Gestaltungen (2)



Stärkung der Bedeutung der AStG-Gesetzgebung (3)



Begrenzung von Gewinnverkürzung und -abzug durch Zinsabzug und andere Finanzierungsinstrumente (4)



mehr Substanz und Transparenz (5)



Methoden zur Informationsgewinnung und -auswertung (11)



Offenlegung von Steuerplanung (12)

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Transparenz und Offenlegung

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Auf DBAs gerichtete ● Vermeidung von Umgehungstatbeständen (6) Maßnahmen ● effiziente Verständigung (14) ●

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Entwicklung multi-lateraler Instrumente (15)

Vgl. www.oecd.org/tax/beps.htm. Der Artikel wurde letztmalig am 02.09.2014 aktualisiert. Siehe Wellens/Kammer: „OECD: Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting – Neuordnung der internationalen Unternehmensbesteuerung?“, Transfer Pricing Perspective Deutschland, Ausgabe 20, November 2013.

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Schwerpunktthemen 2014

15 Maßnahmen zur Bekämpfung von BEPS (Fortsetzung)

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Betriebsstätten und Verrechnungspreise



keine künstlichen Betriebsstättenstrukturen (7)



Überarbeitung der Grundregeln für Verrechnungspreisdokumentation (13)



angemessene Verrechnungspreise und Gewinnaufteilung im Einklang mit Wertschöpfung, insbesondere: – immaterielle Wirtschaftsgüter (iWGs) (8) – Risiken und Kapital (9) – risikoreiche Transaktionen (10)

Nachstehend haben wir den aktuellen Stand pro Maßnahme sowie die nächsten Schritte zusammengefasst. Stand und nächste Schritte der 15 Maßnahmen

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OECD-Maßnahmen

Aktueller Stand

Ausblick

1. Anpassung der Steuergesetzgebung an die digital economy

Es wurden bereits Berichte veröffentlicht.14 Diese befassen sich mit den Herausforderungen der Besteuerung grenzüberschreitend tätiger Unternehmen der digital economy.

Die Finalisierung der OECD-Berichte soll im September 2014 erfolgen.15

Die von der OECD veröffentlichten Diskussionsentwürfe16 beziehen sich auf Empfehlungen bezüglich des nationalen Rechts und auf abkommensrechtliche Aspekte, vor allem in Bezug auf doppelt ansässige und auf als transparent behandelte Rechtsträger.

Derzeit befindet sich die OECD in einem internen Abstimmungsprozess. Der überarbeitete Bericht wurde am 16. September veröffentlicht.15

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2. Hybrid Mismatch Arrangements

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15 16

Vgl. www.oecd.org/ctp/tax-challenges-digital-economy-discussion-draft-march2014.pdf, veröffentlicht von OECD Task Force on Digital Economy, sowie http://ec.europa.eu/taxation_customs/resources/documents/taxation/gen_info/ good_governance_matters/digital/report_digital_economy.pdf der EU Expert Group on Taxation of the Digital Economy. Vgl.www.oecd.org/tax/beps-about.htm#deliverables. Vgl. www.oecd.org/ctp/aggressive/hybrid-mismatch-arrangements-discussion-draftdomestic-laws-recommendations-march-2014.pdf sowie www.oecd.org/ctp/treaties/hybrid-mismatch-arrangements-discussion-draft-treatyissues-march-2014.pdf.

12 Transfer Pricing Perspective Deutschland

Schwerpunktthemen 2014

Stand und nächste Schritte der 15 Maßnahmen (Fortsetzung)

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OECD-Maßnahmen

Aktueller Stand

Ausblick

3. Stärkung der Bedeutung der AStG-Gesetzgebung

Das Ziel ist es, Empfehlungen bezüglich der Stärkung und Harmonisierung von AStG-Regelungen auszusprechen. Momentan liegen keine Ergebnisse vor.

Endgültige Ergebnisse werden im September/Dezember 2015 erwartet.15

4. Finanzinstrumente Es soll ein Rahmen für Regelungen, die die Vermeidung von BEPS aufgrund von Zinsabzügen oder sonstige finanzielle Aufwendungen zum Ziel haben, entwickelt werden.

Endgültige Ergebnisse werden im September/Dezember 2015 erwartet.15

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Seitens Deutschlands wird jedoch noch die endgültige OECDReaktion abgewartet.

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5. Erhöhung der Substanz und Transparenz

Im BEPS-Bericht wird dazu aufgerufen, Vorschläge zur Entwicklung von Lösungen zur wirksameren Bekämpfung schädlicher Systeme zu erarbeiten und dabei Faktoren wie Transparenz und Substanz zu berücksichtigen.

Der Bericht zu Steuerregelungen der OECD-Mitgliedsstaaten soll im September 2014 veröffentlicht werden. Bis September 2015 soll ein weiterer Bericht bezüglich der Steuerregelungen der Nicht-OECDMitgliedsstaaten entwickelt werden.15

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6. Verhinderung von Abkommensmissbrauch

Der veröffentlichte Diskussionsentwurf17 macht Vorschläge, wie gegen unterschiedliche Formen der (potenziell) missbräuchlichen Nutzung von Doppelbesteuerungsabkommen (DBAs) vorgegangen werden soll.

Erster OECD-Bericht soll im September 2014 veröffentlicht werden. Endgültige Ergebnisse werden im September 2015 erwartet.15

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17

Vgl.www.oecd.org/ctp/treaties/treaty-abuse-discussion-draft-march-2014.pdf, weitere Kommentare zu dem veröffentlichten Bericht sind auch zu finden unter: www.pwc.com/us/en/tax-services/publications/insights/oecd-releases-discussion-draftuse-treaty-benefits.jhtml.

Transfer Pricing Perspective Deutschland 13

Schwerpunktthemen 2014

Stand und nächste Schritte der 15 Maßnahmen (Fortsetzung)

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OECD-Maßnahmen

Aktueller Stand

Ausblick

7. Verhinderung der künstlichen Umgehung des Status als Betriebsstätte

Die geplanten Änderungen sind im Wesentlichen die Änderung der Betriebsstättendefinitionen (u. a. bezüglich des Einsatzes von Kommissionären) sowie die Berücksichtigung von hiermit verwandten Problemen bei der Gewinnzurechnung.

Endgültige Ergebnisse werden im September 2015 erwartet.15

Das Ziel ist es, Maßnahmen für die Vermeidung der Verschiebung von iWGs innerhalb des Konzerns zu schaffen. Damit zusammenhängend wird der Ansatz verfolgt, dass die Einkünfteallokation im Zusammenhang mit iWGs anhand der tatsächlich geleisteten Wertschöpfung erfolgen muss.

Der finale Bericht des überarbeiteten Kapitels VI der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien wurde am 16. September 2014 veröffentlicht.15

Ziel dieser Maßnahme ist die Vermeidung von BEPS durch die Übertragung von Risiken bzw. Überschusskapital an die Gruppenmitglieder. Dazu wird auf einen Zusammenhang zwischen Substanz und Gewinnverteilung abgestellt.

Erster Diskussionsentwurf wird im November 2014 erwartet. Endgültige Ergebnisse werden im September 2015 erwartet.15

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8. Verrechnungspreise: iWGs

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9. Verrechnungspreise: Risiken und Kapital

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10. Verrechnungspreise: sonstige Risikotransaktionen

Es sollen Regelungen geschaffen Endgültige werden, um BEPS aufgrund von grenz- Ergebnisse werden überschreitenden Transaktionen, die im September 2015 fremde Dritte nie oder selten eingehen erwartet.15 würden, zu vermeiden. Außerdem stehen als typisch klassifizierte BEPS-Maßnahmen zentrale Managementumlagen im Fokus.

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11. Methoden zur Informationsgewinnung und -auswertung in Bezug auf BEPS

Es sollen Maßnahmen zur Verbesserung des Informationsflusses über Steuerrisiken an Steuerverwaltungen und Steuergesetzgeber sowie kooperative Compliance-Programme zwischen Steuerpflichtigen und Steuerverwaltungen geschaffen werden, damit Finanzverwaltungen über aussagekräftige und zeitnahe Informationen über Steuerplanungsstrategien verfügen und somit Risikobereiche leichter identifizieren können.

Stellungnahmen sind bis zum 12. September 2014 an den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und bis zum 19. September 2014 an die OECD einzusenden. Endgültige Ergebnisse werden im September 2015 erwartet.15

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14 Transfer Pricing Perspective Deutschland

Schwerpunktthemen 2014

Stand und nächste Schritte der 15 Maßnahmen (Fortsetzung)

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OECD-Maßnahmen

Aktueller Stand

Ausblick

12. Offenlegung aggressiver Steuerplanungsstrategien

Ziel ist es, Steuerpflichtige zu verpflichten, aggressive Steuerplanungsstrategien offenzulegen. Dabei wird der Schwerpunkt auf den länderübergreifenden Informationsaustausch zwischen den Finanzverwaltungen und die internationalen Steuerregularien gelegt.

Endgültige Ergebnisse werden im September 2015 erwartet.15

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13. Überprüfung der Ziele dieser Maßnahme sind die ÜberVerrechnungspreis- arbeitung der vorhandenen Verrechnungsdokumentation preisdokumentationsvorschriften und insbesondere die Offenlegung weiterer Informationen durch die Steuerpflichtigen. Transparenz soll durch das Country-byCountry-Reporting18 geschaffen werden, in welchem weiterführende Informationen über die gesamte Konzerngruppe dargelegt werden sollen.

Endgültige Ergebnisse werden im September 2014 erwartet.15 Inwieweit diese in die deutschen Vorschriften eingearbeitet werden, bleibt offen.

14. Dispute Resolution Es sollen Maßnahmen geschaffen werden, um Unstimmigkeiten bei Nichtvorhandensein der Möglichkeit von Verständigungsverfahren zu regeln.

Endgültige Ergebnisse werden im September 2015 erwartet.15

15. Schaffung eines multilateralen Instruments zur Implementierung der BEPS-Maßnahmen

Endgültige Ergebnisse werden im September/ Dezember 2015 erwartet.15

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Ziel der BEPS-Initiative ist es, die weiteren 14 BEPS-Maßnahmen in der lokalen Gesetzgebung umzusetzen. Dafür soll durch Maßnahme 15 eruiert werden, ob ein solches Instrument geschaffen werden kann.

Fazit Die Implementierung aller BEPS-Maßnahmen wird den deutschen Steuerpflichtigen nicht unberührt lassen. Deshalb empfehlen wir frühzeitig die Implementierung eines sogenannten Frühwarnsystems für BEPS-Maßnahmen. Hiermit kann rechtzeitig identifiziert werden, inwieweit Ihr Unternehmen auf die geplanten BEPS-Maßnahmen vorbereitet ist und welche Schritte Sie gegebenenfalls noch unternehmen müssen. Gern unterstützt Sie PwC bei dieser Risikoeinschätzung.

18

Siehe Kapitel A.4

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Schwerpunktthemen 2014

3 Die Anhörung der OECD zu Verrechnungspreisthemen im November 2013 Von Kati Fiehler und Dr. Thomas Bittner Die OECD hat am 12. und 13. November 2013 eine Anhörung von Vertretern von OECD, Unternehmen, Wissenschaft und weiteren Nichtregierungsorganisationen zu aktuellen Verrechnungspreisthemen durchgeführt. Der Beitrag fasst die wesentlichen Diskussionspunkte kurz zusammen. Ausführliche Informationen zur OECD-Anhörung finden sich in den PwC „Tax Insights“ vom 15. November 2013.19 Teilnehmer der Anhörung waren neben nationalen Mitgliedern der OECD Working Party 6 (Taxation of Multinational Enterprises) auch Unternehmensvertreter, Wissenschaftler und Repräsentanten von Nichtregierungsorganisationen. Ziel der Anhörung war es, einen Konsens vor allem zwischen Steuerpflichtigen und den nationalen Finanzverwaltungen hinsichtlich der aktuell überarbeiteten Verrechnungspreisrichtlinien zu erreichen. Bei der Anhörung standen insbesondere die folgenden vier Themen im Mittelpunkt: ● Implementierung des Country-by-Country-Reportings (CbCR) ● Weißbuch der OECD zur Verrechnungspreisdokumentation ● überarbeiteter Diskussionsentwurf zum Kapitel VI der OECDVerrechnungspreisrichtlinien ● Verrechnungspreisaspekte des BEPS-Aktionsplans Implementierung des CbCR Im Rahmen des CbCR sollen multinationale Konzerne eine Übersicht über ihr Geschäft (z. B. Gewinn, Anzahl der Mitarbeiter) in den Ländern geben, in denen sie tätig sind. Ziel des CbCR ist es, Finanzverwaltungen erste Indikatoren für mögliche unzulässige Gewinnverlagerungen von multinationalen Konzernen an die Hand zu geben. Die OECD hat am 13. Oktober 2013 ein erstes Memorandum zum CbCR veröffentlicht, das sich mit der praktischen Erstellung eines CbCR auseinandersetzt. Im Verlauf der Anhörung wurde insbesondere thematisiert, wie der Erstellungsaufwand für die Unternehmen minimiert werden kann. In Betracht 19

Siehe www.pwc.com/gx/en/tax/newsletters/pricing-knowledge-network/oecd-publicconsultation-transfer-pricing-matters.jhtml.

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Schwerpunktthemen 2014

gezogen wurde unter anderem, dass (1) nur bereits im Unternehmen verfügbare Informationen dokumentiert werden müssen, (2) auf eine Überleitung der länderspezifischen Daten im CbCR zu den nationalen Steuererklärungen verzichtet werden kann und (3) das CbCR zentral von der Konzernmutter für die Finanzverwaltung ihres Sitzlands erstellt und dann gegebenenfalls den nationalen Finanzverwaltungen übermittelt wird. Keine Einigkeit konnte darüber erzielt werden, ob das CbCR neben der Finanzverwaltung weiteren Interessenten zugänglich gemacht werden soll und ob das CbCR parallel zur bereits jetzt zu erstellenden Verrechnungspreisdokumentation oder erst auf Anfrage der jeweiligen nationalen Steuerbehörde vorzulegen ist. Weißbuch der OECD zur Verrechnungspreisdokumentation Die OECD hat am 30. Juli 2013 ein Weißbuch zur Erstellung von Verrechnungspreisdokumentationen veröffentlicht. Grundsätzliches Ziel des Weißbuchs ist die Überarbeitung des Kapitels V der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien zur Dokumentation von Verrechnungspreisen, um einerseits den Dokumentationsaufwand der Steuerpflichtigen zu vermindern und andererseits den Informationsanforderungen der Finanzbehörden gerecht zu werden. Im Weißbuch wird ein auf dem Master-File-Konzept aufbauender Dokumentationsansatz vorgeschlagen und eine detaillierte Liste von Informationen vorgestellt, die enthalten sein sollten. Hierzu zählt auch – in Anlehnung an den CbCRAnsatz – eine Übersicht über die globalen Aktivitäten des Steuerpflichtigen. Hintergrund ist der BEPS-Aktionsplan der OECD, welcher in Maßnahme 13 das Ziel festschreibt, Vorschriften zu entwickeln, die die Verrechnungspreisdokumentationen hinsichtlich ihrer Transparenz und ihrer Verwertbarkeit durch die Finanzbehörden verbessern. In der Anhörung wurden insbesondere die umfangreichen Anforderungen des globalen Master-File-Ansatzes aufgegriffen. Grundsätzliche Einigkeit bestand darin, den Dokumentationsaufwand für unwesentliche Transaktionen zu minimieren. Allerdings konnte die Frage, nach welchen Kriterien Transaktionen als unwesentlich (z. B. Verrechnungspreisrisiko oder Transaktionsvolumen) klassifiziert werden sollen, nicht abschließend geklärt werden. Kontrovers wurde auch das Thema Standardisierung diskutiert. Unternehmensvertreter präferierten im Allgemeinen ein standardisiertes Master File. Allerdings wurden auch Bedenken geäußert, dass ein standardisiertes Master File einen Verlust an Flexibilität und hohe Informationsanforderungen der nationalen Finanzbehörden an das Country File nach sich ziehen könnte. Am 30. Januar 2014 hat die OECD den aktuellen Stand des Entwurfs für das Kapitel V der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien veröffentlicht.

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Überarbeiteter Diskussionsentwurf zu Kapitel VI der OECDRichtlinien Bereits 2010 hatte die OECD eine grundlegende Überarbeitung des Kapitels VI der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien zum Thema „Immaterielle Wirtschaftsgüter“ beschlossen. Im Juli 2013 hat die OECD einen zweiten Entwurf des Kapitels VI vorgelegt, der in der Anhörung ausführlich diskutiert wurde.20 Wenngleich der zweite Entwurf gegenüber dem ersten stark überarbeitet worden war, hat sich in der Anhörung noch Diskussionsbedarf bei einer Reihe von zentralen Punkten gezeigt. Zu ihnen gehörte neben der grundlegenden Definition von immateriellen Wirtschaftsgütern die höchst strittige Frage, wann der Ertrag eines immateriellen Wirtschaftsguts nicht dem formell rechtlichen Eigentümer zusteht, sondern der Gesellschaft, die Funktionen bei der Schaffung des immateriellen Wirtschaftsguts ausübt. Weitgehende Einigkeit bestand dagegen darin, dass Bewertungsverfahren grundsätzlich Anhaltspunkte für die Bestimmung eines fremdüblichen Verrechnungspreises geben können, aber ihre Darstellung in der überarbeiteten Fassung des Kapitels VI gekürzt werden sollte. Darüber hinaus wurde die Notwendigkeit einer transparenten Dokumentation der Bewertungsannahmen in der Praxis betont. Verrechnungspreisaspekte des BEPS-Aktionsplans In der OECD-Anhörung wurde die häufige Überschneidung des BEPS-Aktionsplans mit kritischen Verrechnungspreisthemen betont. Zu ihnen zählen die Bewertung von immateriellen Wirtschaftsgütern, die Umqualifizierung von Transaktionen, die Überlegungen des BEPS-Aktionsplans zu Finanztransaktionen und zunehmende Dokumentationsanforderungen. Vor diesem Hintergrund wurde diskutiert, inwieweit der BEPS-Aktionsplan eine substanzielle Änderung der bestehenden Verrechnungspreisregeln nach sich zieht. Angesichts des ambitionierten Zeitplans des BEPS-Projekts (Präsentation der Ergebnisse bis September 2014 bzw. 2015) kann vermutet werden, dass die Verrechnungspreisrichtlinien nicht mehr grundlegend überarbeitet, sondern nur noch geringfügig angepasst werden. Fazit Die OECD-Anhörung vom 12. und 13. November hat deutliche Fortschritte bei der aktuellen Überarbeitung der internationalen Verrechnungspreisrichtlinien erkennen lassen. Sie hat aber auch gezeigt, dass in praktischen Details und zum Teil auch fundamentalen Fragen (z. B. Zuordnung des Ertrags immaterieller Wirtschaftsgüter) noch substanzielle Differenzen zwischen den Teilnehmern der Anhörung bestehen. Insofern steht die OECD weiterhin vor der Herausforderung, Verrechnungspreisrichtlinien zu entwickeln, die einen Konsens 20

Vgl. hierzu auch Artikel 1 im Kapitel A Schwerpunkte 2014.

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zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung (mit ihren eigenen nationalen Interessen) darstellen. Angesichts des ambitionierten Zeitplans der OECD auch im Rahmen ihres BEPS-Aktionsplans sind weitere Anhörungen kurzfristig zu erwarten.

4 Verrechnungspreisdokumentation und Country-byCountry-Reporting Von Dr. Thomas Bittner, Eva Greil und Nadja Kopfer Die OECD hat am 30. Januar 2014 ein Diskussionspapier („Discussion Draft on Transfer Pricing Documentation and CbC Reporting“) zur Erstellung von Verrechnungspreisdokumentationen veröffentlicht, das nach seiner Finalisierung die aktuelle Fassung des Kapitels V der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien ersetzen soll. Der Beitrag fasst die wesentlichen Punkte des Diskussionsentwurfs zusammen. Der Entwurf definiert vor dem Hintergrund der aktuellen BEPS-Diskussion drei Ziele einer Verrechnungspreisdokumentation. Erstens sollen Finanzverwaltungen mit den Informationen versorgt werden, die für eine erste Einschätzung des Verrechnungspreisrisikos bzw. Anpassungspotenzials notwendig sind. Zweitens soll durch eine umgehende und aktuelle Verrechnungspreisdokumentation sichergestellt sein, dass der Steuerpflichtige sich umfassend mit den Vorgaben bereits bei Festsetzung der Verrechnungspreise auseinandersetzt. Drittens soll den lokalen Finanzverwaltungen ermöglicht werden, eine detaillierte Überprüfung der Verrechnungspreise durchzuführen. Die Ziele sollen durch den Master-File-Ansatz, das heißt ein gruppeneinheitliches Master File, das durch ein länder- und gesellschaftsspezifisches Country File ergänzt wird, erreicht werden. Gemäß dem aktuellen Entwurf soll das Master File auch ein Country-by-Country-Reporting enthalten. Hier sollen multinationale Konzerne in einer tabellarischen Übersicht pro Jahr und pro Gesellschaft (bzw. Betriebsstätte) Informationen unter anderem über die Anzahl der Mitarbeiter, die Gewinne, gezahlten Steuern und Lizenzen geben. Darüber hinaus soll die Dokumentation jährlich zusammen mit der entsprechenden Steuererklärung erstellt werden. Benchmarkingstudien sollen nach drei Jahren vollständig erneuert werden, eine Aktualisierung der Finanzzahlen der Vergleichsunternehmen hat gemäß dem aktuellen Entwurf jährlich zu erfolgen.

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Fazit Aus dem Entwurf geht eine klare Priorität der Informationsanforderungen der nationalen Finanzverwaltungen hervor. Der Entwurf enthält eine Vielzahl von Vorschriften, die für die Steuerpflichtigen einen deutlichen Mehraufwand bei der Erstellung einer Verrechnungspreisdokumentation nach sich ziehen. Da bereits für Mai 2014 die Überarbeitung des Kapitels V der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien geplant und mit einer baldigen Übernahme in die nationalen Verrechnungspreisregelungen zu rechnen ist, sind die Steuerpflichtigen schon jetzt gut beraten, die Konsistenz ihrer Verrechnungspreissysteme bzw. Dokumentationsansätze mit den geplanten Änderungen des Kapitels V der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien kritisch zu hinterfragen.

5 Update aus der Internationalen Steuerkonferenz der OECD zu BEPS Von Kati Ebert und Ramona Siefert Am 2. und 3. Juni 2014 fand in Washington, D.C., die diesjährige Internationale Steuerkonferenz der OECD statt. Zu diesem Anlass trafen sich Vertreter der OECD, der US-Steuerbehörde, Vertreter anderer Steuerbehörden und Vertreter aus Wirtschaft und Beratung, um unter anderem über die aktuellen BEPSEntwicklungen zu diskutieren. Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass das BEPS-Projekt planmäßig voranschreitet. Das Committee on Fiscal Affairs der OECD wird den G20-Staaten im September 2014 Entwürfe zu den sieben aktuell diskutierten Themen zur Diskussion und finalen Freigabe vorlegen. Darunter befinden sich aus Verrechnungspreissicht zwei besonders relevante Papiere: eins zur Behandlung immaterieller Wirtschaftsgüter (Maßnahme 8) und das zweite zum Country-byCountry-Reporting (CbCR, Maßnahme 13). Die Inhalte des überarbeiteten OECD-Entwurfs vom 30. Juli 2013 zu immateriellen Wirtschaftsgütern haben sich im Vergleich zum vorangegangenen Entwurf vom 6. Juni 2012 nicht wesentlich verändert. Weiterhin bleibt ungeklärt, welches Gewicht dem rechtlichen Eigentümer im Vergleich zum wirtschaftlichen Eigentümer beigemessen werden soll (Abschnitt B der Entwürfe). Die OECD bleibt bei der Argumentation, dass Standortvorteile sowie Vorteile aus der bloßen Zugehörigkeit zu einem Konzern nicht zwingend in einen Vergütungsanspruch münden.

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Hinsichtlich des CbCR werden zwei Alternativen diskutiert, wie das Master File und das CbCR-Template den lokalen Finanzverwaltungen der Konzerngesellschaften zur Verfügung gestellt werden sollen: einerseits die Weitergabe beider Dokumente durch das Unternehmen an die Finanzverwaltung im Land der Muttergesellschaft sowie deren Weitergabe durch diese Finanzverwaltung an die übrigen lokalen Finanzverwaltungen der Konzerngesellschaften und andererseits die lokale Weitergabe beider Dokumente durch die lokalen Konzerngesellschaften direkt an deren Finanzverwaltungen. Die Entscheidungen in Bezug auf diese Fragestellungen wurden aufgrund ihrer Wechselwirkungen mit anderen BEPS-Maßnahmen auf Januar 2015 vertagt. Für Unternehmen empfiehlt es sich daher, die Entwicklungen auf Ebene der OECD im Auge zu behalten und mögliche Auswirkungen der BEPS-Maßnahmen auf das eigene Unternehmen zu analysieren. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund ratsam, dass es – abgesehen von der Überführung in nationales Recht – vermutlich keine Übergangsperiode für die Anwendung der finalen Leitlinien geben wird.

6 Navigation durch die BEPS-Landschaft 6.1 Maßnahme 1: Aufzeigen der Herausforderungen der digitalen Wirtschaft Von Jörg Hanken, Holger Lorenzen und Nadja Kopfer Der jetzt vorgelegte Bericht zur Maßnahme 1 des BEPS-Aktionsplans21 befasst sich mit den Herausforderungen, die das Internet und die dadurch möglich gewordenen neuen Geschäftsmodelle an das Steuerrecht stellen, und stellt konkrete Maßnahmen vor. Problemstellung Aus historischer Sicht bleibt festzuhalten, dass die derzeitigen Regelungen der Doppel-besteuerungsabkommen auf traditionelle Geschäftsmodelle zugeschnitten sind und das Besteuerungsrecht in erster Linie mit einer physischen Präsenz im jeweiligen Staat verbinden. Die neuen Geschäftsmodelle der digital economy ermöglichen jedoch auf Basis des Internets erhebliche wirtschaftliche Aktivitäten im jeweiligen Staat, ohne dass dort eine physische 21

OECD (2014): „Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy“, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, OECD Publishing, http://dx.doi.org/10.1787/9789264218789-en. Im folgenden Artikel „Bericht“ genannt.

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Präsenz erforderlich wird. Der Bericht spricht in diesem Zusammenhang von fully dematerialised activities, das heißt von Aktivitäten ohne physische Anknüpfungspunkte. Im Rahmen der BEPS-Initiative sollen daher ergänzende Regelungen für die neue digital economy konzipiert werden, die eine Besteuerung im jeweiligen Staat aufgrund einer significant digital presence ermöglichen, selbst wenn kein physischer Anknüpfungspunkt besteht. Typische Geschäftsmodelle der „digital economy“ Zur Illustration der oben beschriebenen Probleme führt der Bericht beispielhaft vier typische Geschäftsmodelle an:22 Online Retailer In diesem Geschäftsmodell erfolgen Bestellungen direkt auf der – aus Kundensicht – im Ausland befindlichen Website. Die Lieferungen erfolgen direkt aus dem Ausland an den Kunden. Im Kundenstaat selbst ist keine physische Präsenz des Online Retailer erforderlich. Internet Advertising Hierunter fallen Suchmaschinenbetreiber, die aufgrund der Nutzerbasis und der gesammelten Daten Werbebanner zielgenau platzieren können. Der Nutzer greift direkt auf die im Ausland gehostete Website zu. Eine physische Präsenz im Staat des Nutzers ist nicht erforderlich. Cloud Computing Hierunter fallen unter anderem die Anbieter von Onlinespielen. Auch hier greifen die Nutzer direkt auf die – aus Nutzersicht – im Ausland belegene Website des Anbieters zu. Aufgrund mangelnder physischer Präsenz im Ansässigkeitsstaat des Nutzers besteht in diesem Staat kein Anknüpfungspunkt zur Besteuerung der mit dem Nutzer erzielten Umsätze. Internet App Stores In App Stores kaufen Nutzer von Smartphones Apps ein. Die Käufe erfolgen direkt über das Smartphone, eine physische Präsenz im Kundenstaat ist, wie in den anderen oben genannten Geschäftsmodellen, nicht erforderlich. Wird in den obigen Geschäftsmodellen der digital economy doch eine physische Präsenz im Land des Kunden bzw. Nutzers unterhalten, so werden die dort erbrachten Aktivitäten in der Regel nicht als Verkaufsaktivitäten, sondern als unterstützende Dienstleistungen qualifiziert und mit einer Routinevergütung abgegolten. 22

Vgl. Annex B des Berichts: „Typical Tax Planning Structures in Integrated Business Models”.

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Ergänzend bleibt anzumerken, dass nach den im Bericht genannten Erfahrungen der Finanzverwaltungen in diesen Modellen das wesentliche immaterielle Wirtschaftsgut oftmals zentral in Niedrigsteuerländern gehalten wird. Die Weiterentwicklung von Software und Geschäftsmodell ist nicht selten als Auftragsforschung gestaltet, sodass auch hierfür das Eigentum im Niedrigsteuerland liegt. Gemeinsam ist allen oben genannten Modellen, dass dem Land des Verkaufserfolgs, das heißt dem Land des Kunden bzw. Nutzers, nach den derzeitigen Regelungen keine physischen Verkaufsaktivitäten zugeordnet werden können, obwohl der Kunde bzw. Nutzer sich physisch in seinem Heimatland aufhält, wenn er den Kauf im Internet tätigt bzw. dem Unternehmen seine Daten zur Verfügung stellt. Damit hat das Land des Kunden bzw. Nutzers nach den derzeitigen steuerlichen Regelungen kein Besteuerungsrecht. Mögliche Optionen zur Einbindung der „digital economy“ im Rahmen der BEPS-Initiative Der Bericht nennt folgende noch zu evaluierende Optionen:23 Änderung der Ausnahmeregelungen in der Betriebsstättendefinition In Art. 5 Abs. 4 des OECD-Musterabkommens sind Vorbereitungs- und Hilfsaktivitäten angeführt, deren Ausübung nicht zur Begründung einer Betriebsstätte führt. Im Hinblick auf die neuen Geschäftsmodelle der digital economy können diese Aktivitäten jedoch Kernaktivitäten mit wesentlichem Wertschöpfungsbeitrag darstellen. Daher könnten die genannten Ausnahmeregelungen modifiziert oder gegebenenfalls ganz gestrichen werden. Betriebsstättenbegründung aufgrund einer significant digital presence Eine significant digital presence kann in einem Land zum Beispiel durch wesentliche Verkaufsabschlüsse oder Datensammlung begründet werden. Eine entsprechende Erweiterung der Betriebsstättendefinition könnte diese significant digital presence definieren und einbeziehen. Im Diskussionsentwurf vom März 2014 wurden hier noch konkret die Anknüpfung an eine Website auf einem Server (virtual fixed place of business PE), an den Abschluss von Verträgen mit Kunden im jeweiligen Land durch technische Mittel und nicht durch eine Person (virtual agency PE) sowie an die Erbringung von On-Site-Services oder anderen Schnittstellen zu den Kunden

23

Vgl. Tz. 8.2.1, S. 143 ff. des Berichts.

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(on-site business presence PE) aufgeführt.24 Eine ähnliche Konkretisierung fehlt im jetzt vorgelegten Bericht. Einführung einer Quellensteuer für digitale Transaktionen Eine Quellensteuer auf digitale Transaktionen würde an Zahlungen anknüpfen, die für digitale Lieferungen und Leistungen an Kunden bzw. Nutzer im jeweiligen Staat geleistet werden. Die Quellensteuer könnte direkt bei Zahlung von den Banken einbehalten und abgeführt werden.25 Angedacht ist auch die Einführung einer Bit-Steuer (bandwith oder „bit“ tax), die an das Datenübertragungsvolumen anknüpft.26 Erhebung einer Verbrauchsteuer bei geringwertigen Importen Im Bereich der Verbrauch- und Umsatzsteuern könnten die Freigrenzen für Warenlieferungen gesenkt werden.27 Ausblick Die BEPS-Initiative hat die Zielsetzung, nicht besteuerte weiße („staatenlose“) Einkünfte aufzugreifen und damit zu verhindern, dass das zu versteuernde Einkommen multinationaler Unternehmen künstlich von den wertschöpfenden Aktivitäten separiert wird.28 In diesem Sinne wird sich die Arbeitsgruppe zur digital economy eng mit den anderen Arbeitsgruppen abstimmen und parallel mit diesen an Lösungen arbeiten. Sofern die speziellen Probleme der digital economy bereits durch Ergebnisse der anderen Arbeitsgruppen der BEPS-Initiative gelöst werden können, werden die für die digital economy zusätzlich erforderlichen Maßnahmen begrenzt werden können.29 Der jetzt vorgelegte Bericht stellt insofern lediglich mögliche Optionen zur Einbindung der digital economy vor, ohne sich bereits festzulegen. Es bleibt abzuwarten, welche Optionen im weiteren Verlauf der Initiative verwirklicht werden.

24

25

26 27 28

29

Vgl. Tz. 3.3, OECD/G20: Public Discussion Draft „BEPS Action 1: Address the Tax Challenges of the Digital Economy“, März/April 2014. Vgl. Tz. 8.2.1.4, S. 146 des Berichts: „Creation of a withholding tax on digital transactions“. Vgl. Tz. 8.2.1.5, S. 146 des Berichts: „Introduction of a bandwidth or ‚Bit‘ tax“. Vgl. Tz. 8.2.2, S. 147 des Berichts: „Consumption tax options“. Vgl. Tz. 8.4, S. 151 des Berichts: „[...] to tackle stateless income and address practices that artificially segregate taxable income from the activities that generate it.“ Vgl. Conclusion, Next Steps, S. 159 des Berichts.

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6.2 Maßnahme 2: Empfehlungen der OECD zu hybriden Gestaltungen im Rahmen der BEPS-Initiative Von Dr. Jörg Hülshorst und Tanja Koch Hybride Gestaltungen werden bei grenzüberschreitenden Transaktionen regelmäßig als Mittel der Konzernsteuerplanung eingesetzt. Treiber dieser Entwicklungen sind international nicht abgestimmte Steuersysteme. Im Bericht zur Maßnahme 230 hat die OECD im Rahmen der BEPS-Initiative eine Reihe von Empfehlungen formuliert, die das Ziel haben, schädlichen Gestaltungsmöglichkeiten entgegenzuwirken. Steuerliche Problematik von hybriden Gestaltungen im Sinne von BEPS Hybride Gestaltungen werden definiert als solche grenzüberschreitenden Sachverhalte, die eine unterschiedliche steuerliche Behandlung desselben Sachverhalts in zwei oder mehr beteiligten Ländern so ausnutzen, dass die steuerliche Bemessungsgrundlage aus Sicht der beteiligten Gesellschaften insgesamt reduziert wird. Die steuerlichen Auswirkungen („hybride Diskrepanzen“) sehen dabei grundsätzlich folgendermaßen aus: ● Ein bestimmter Aufwand (oft Zinsen) kann in einem Land steuerlich abgezogen werden, ohne dass eine korrespondierende Versteuerung des Ertrags im anderen Land stattfindet (deduction/no inclusion bzw. D/NI) oder ● ein bestimmter Aufwand ist in zwei Ländern steuerlich abzugsfähig (double deduction bzw. DD), ohne dass dem eine doppelte Besteuerung von Erträgen gegenübersteht. Der Anwendungsbereich des Aktionsplans ist begrenzt auf Gestaltungen innerhalb eines Konzerns, das heißt zwischen verbundenen Unternehmen, und auf Gestaltungen, die auf eine bestimmte Weise strukturiert und bepreist wurden, um steuerliche Vorteile durch hybride Diskrepanzen zu erzielen. Nicht umfasst sind dagegen steuerliche Unterschiede in den betroffenen Ländern einzig in Bezug auf den Zeitpunkt der Besteuerung oder Unterschiede durch die Bewertung der Transaktion (z. B. durch den Ansatz unterschiedlicher Wechselkurse).

30

OECD (2014): „Neutralising the Effects of Hybrid Mismatch Arrangements“, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, OECD Publishing, http://dx.doi.org/10.1787/9789264218819-en. Im folgenden Artikel „Bericht“ genannt.

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Beispiele für hybride Gestaltungen und hybride Diskrepanzen Im Aktionsplan werden einige Beispiele für hybride Gestaltungen genannt, darunter: 1. hybride Finanzinstrumente: diese können D/NI-Ergebnisse zur Folge haben, wenn das Instrument in einem Land als Eigenkapital, im anderen Land als Fremdkapital betrachtet wird; 2. besicherte Kauf- und Rückkaufgeschäfte (collateralised loan repos), welche ebenfalls D/NI-Ergebnisse ermöglichen; 3. (reverse) hybride Gesellschaften: dies sind Gesellschaften, welche aus Sicht eines Landes steuerlich transparent sind (d. h., die Transaktionen sind unbeachtlich), während sie aus Sicht eines anderen Landes steuerlich intransparent sind, wodurch sich meist D/NI-Ergebnisse ergeben; 4. doppelte steuerliche Ansässigkeit oder Konsolidierung einer Gesellschaft in zwei Ländern, wodurch meist DD-Ergebnisse erzielt werden. Empfehlungen für Gesetzesvorschriften der einzelnen Länder Grundsätzlich lautet die Empfehlung der OECD zur Vermeidung von D/NIErgebnissen, den steuerlichen Abzug von Aufwand in dem Land zu versagen, in dem die zahlende Gesellschaft ansässig ist, falls die Transaktion im Empfängerland nicht besteuert wird. Nur wenn – entgegen der Empfehlung der OECD – das Land, in dem die zahlende Gesellschaft ansässig ist, den steuerlichen Abzug doch nicht versagt, sollte als Abwehrmaßnahme das Empfängerland die Einkünfte besteuern dürfen, um insoweit wieder sicherzustellen, dass es zu keinem D/NI-Ergebnis kommt. Im Fall von DD-Ergebnissen soll bei hybriden Gesellschaften der Abzug bei der Muttergesellschaft versagt bleiben. Bei doppelt ansässigen Gesellschaften soll grundsätzlich jedes Land den Abzug versagen, es sei denn, dass der doppelte Abzug von Aufwand durch die doppelte Besteuerung von Erträgen kompensiert wird. Sonstige Empfehlungen Andere Empfehlungen betreffen die Aufnahme von Regelungen zu steuerlich transparenten Gesellschaften (in Deutschland vor allem Personengesellschaften) in das OECD-Musterabkommen mit dem Ziel der Vermeidung doppelter Nichtbesteuerung. Fazit Hybride Gestaltungen sind oft relativ komplex und erfordern eine gezielte Planung, Implementierung und/oder Dokumentation, um aus Konzernsicht steuerliche Vorteile realisieren zu können. Die Empfehlungen der OECD zur Maßnahme 2 des BEPS-Aktionsplans greifen hybride Strukturen nicht im Kern an, etwa indem sie international einheitliche steuerliche Beurteilungen von

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bestimmten Instrumenten oder Gesellschaften empfehlen. Stattdessen greifen die Empfehlungen der OECD an der schädlichen Auswirkung der Reduzierung der Steuerbasis an, indem sie die steuerliche Behandlung in einem Land faktisch von der Behandlung in einem anderen Land abhängig machen. Dies würde die ohnehin oft hohe Komplexität solcher Strukturen in Zukunft aus steuerlicher Sicht weiter erhöhen, aber auch – eine konsistente Umsetzung der Länder vorausgesetzt – die steuerlichen Vorteile, wie von der OECD beabsichtigt, neutralisieren. Auch wenn der Zeitrahmen, in dem die Empfehlungen der OECD von den Ländern praktisch umgesetzt werden könnten, nur schwer abzuschätzen ist, wäre es nicht überraschend, wenn solche Strukturen bereits in naher Zukunft an steuerlicher Attraktivität einbüßen würden. Dies liegt zum einen am zu erwartenden zusätzlichen Planungs-, Dokumentations- und Verwaltungsaufwand, zum anderen an der Stigmatisierung dieser Strukturen durch die OECD. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass Deutschland bereits unilateral gesetzgeberische Maßnahmen ergriffen hat. Hervorzuheben ist hierbei das auf Hybridfinanzierungen abzielende Korrespondenzprinzip im Sinne des § 8b Abs. 1 Satz 2 ff. KStG. Danach werden Gewinnausschüttungen grundsätzlich nur dann zu effektiv 95 Prozent freigestellt, wenn es nicht zu einer Einkommensminderung auf Ebene der leistenden Gesellschaft gekommen ist.

6.3 Maßnahme 5: effektivere Bekämpfung von schädlichem Steuerwettbewerb Von Martin Renz und Daniela Kiel-Hammer Während sich der Großteil der anderen Maßnahmen des BEPSAktionsplans mit dem Verhalten des Steuerpflichtigen beschäftigt, widmet sich die Maßnahme 5 denjenigen Staaten, die Steueranreize setzen, um als Standort für Unternehmen attraktiv zu sein. In dem am 16. September 2014 veröffentlichten Zwischenbericht legt die OECD die ersten Ergebnisse ihrer fortdauernden Prüfung steuerlicher Anreizsysteme von OECD-Mitgliedsstaaten dar.31 Für die aus Verrechnungspreissicht interessanteren Regime steht die abschließende Beurteilung noch aus. 31

Vgl. OECD (2014): „Countering Harmful Tax Practices More Effectively, Taking into Account Transparency and Substance“, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, OECD Publishing, http://dx.doi.org/10.1787/9789264218970-en. Im folgenden Artikel „Zwischenbericht“ genannt.

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Dazu zählen neben steuerlichen Sonderregelungen für die Verwertung von immateriellen Rechten (IP-Regimen)32 wie zum Beispiel in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich33 auch die kantonale Besteuerung von Holding-, Verwaltungs- und gemischten Gesellschaften in der Schweiz oder die schweizerische Kommissionärsstruktur. Der Zwischenbericht hebt die aus Sicht der OECD wichtigsten Elemente zur Eindämmung des schädlichen Steuerwettbewerbs hervor. Dazu gehören einerseits eine Zunahme an Transparenz durch einen schnelleren und verpflichtenden (und damit auch stärker automatisierten) Informationsaustausch zwischen den Staaten und andererseits die Prüfung, ob Steueranreizsysteme aus Sicht der OECD als schädlich zu qualifizieren sind. Letzteres soll daran gemessen werden, ob im jeweiligen Staat eine ausreichend substanzielle Aktivität (substantial activity) vorliegt. Im Fall der IP-Regime ist der sogenannte nexus approach im Gespräch. Danach würde der Nachweis der wirtschaftlichen Aktivität auf mathematischem Wege anhand der Betriebsausgaben für tatsächliche Forschungs- und Entwicklungstätigkeit geführt werden. Im weiteren Verlauf der BEPS-Initiative sollen ferner Steuerpraktiken von Nicht-OECD-Mitgliedsstaaten überprüft, die Kriterien für schädlichen Steuerwettbewerb gemeinsam fortentwickelt und der Rahmen für einen verpflichtenden spontanen Informationsaustausch34 zu verbindlichen Auskünften (rulings) geschaffen werden. Fazit Die Bemühungen, den Ursachen des schädlichen Steuerwettbewerbs auf den Grund zu gehen und Gegenmaßnahmen herauszuarbeiten, sind nicht neu. Neu ist jedoch das international koordinierte Vorgehen unter Einbeziehung der G20-Staaten. Mit dem veröffentlichten Zwischenbericht liefert die OECD grundsätzlich noch keine konkreten Ergebnisse, welche steuerlichen Anreizsysteme als schädlich 32

33

34

IP-Regime sind Vorzugsbesteuerungsregelungen von Lizenzeinkünften. Die Ausgestaltung ist je nach Land unterschiedlich. Unterschiede bestehen insbesondere hinsichtlich des Umfangs der qualifizierten Lizenzeinkünfte sowie der Einbeziehung von Betriebsausgaben und von historischen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen. Hinsichtlich der in Prüfung befindlichen IP-Regime ist anzumerken, dass bei diesen noch die Frage zu klären ist, inwieweit die zu gewährenden Vorteile an eine wirtschaftliche Tätigkeit geknüpft sein müssen. Vgl. hierzu Tabelle 5.2 „Intangibles regimes“ des Zwischenberichts. Im Annex A zum Zwischenbericht befindet sich ein Ablaufdiagramm zum spontanen Informationsaustausch.

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angesehen werden. Daher sollten Unternehmen die weitere Diskussion genau verfolgen, um sich möglichst zeitnah mit den Konsequenzen auseinandersetzen zu können, sofern eine der betreffenden Strukturen als schädliches Steueranreizsystem erachtet wird. Die Weiterentwicklung des Informationsaustauschs zwischen den Finanzverwaltungen dürfte aus Sicht der OECD-Mitgliedsstaaten zwar zu einem höheren bürokratischen Aufwand führen, aber die Möglichkeiten, als missbräuchlich zu qualifizierende Steuerstrukturen zu bekämpfen, entsprechend erhöhen. Aus Sicht der Unternehmen ist vor diesem Hintergrund mit zunehmenden Diskussionen mit der Finanzverwaltung zu rechnen.

6.4 Maßnahme 6: Verhinderung von Abkommensmissbrauch Von Kerstin Holst Der Bericht35 enthält einzelne Elemente, mit denen der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Doppelbesteuerungsabkommen (DBAs), vornehmlich durch „treaty shopping“, entgegengewirkt werden soll: die Erweiterung des Titels und der Präambel von DBAs dahin gehend, dass durch die DBAs nicht die Möglichkeit doppelter Nichtbesteuerung von Einkünften geschaffen werden soll, Empfehlungen für bestimmte Regelungen im OECD-Musterabkommen (OECD-MA) sowie steuerpolitische Überlegungen vor Aufnahme von DBA-Verhandlungen. Grundzüge zur Vermeidung von Abkommensmissbrauch Als Kernelemente empfiehlt der Bericht die Aufnahme einer Limitation-onBenefits-Klausel (LoB-Klausel; Gewährung von Abkommensvergünstigungen nur beim Vorliegen weiterer Voraussetzungen) und die Aufnahme einer allgemeinen Antimissbrauchsklausel (principle purpose test – PPT; Versagung von Abkommensvergünstigungen, wenn vornehmlicher Zweck einer Gestaltung das Erlangen dieser Vergünstigungen ist). Die Kombination von LoB-Klausel und PPT wird nicht in allen Ländern umsetzbar sein, weshalb den Ländern eine gewisse Flexibilität bei der Ausgestaltung der Regelungen ermöglicht werden soll. Als Mindeststandard soll neben der Ergänzung in der Präambel wahlweise 35

OECD (2014): „Preventing the Granting of Treaty Benefits in Inappropriate Circumstances“, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, OECD Publishing, http://dx.doi.org/10.1787/9789264219120-en.

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eine Kombination aus LoB-Klausel und PPT oder nur die (für bestimmte Gestaltungen ergänzte) LoB-Klausel oder nur der PPT umgesetzt werden. Andere Empfehlungen, wie zum Beispiel Modifikationen an den einzelnen Verteilungsnormen des OECD-MA (Quellensteuerreduktion bei Schachteldividenden, tiebreaker rule), wirken ergänzend zur Vermeidung von Abkommensmissbrauch. Weitere Arbeiten sind notwendig Die vorgeschlagenen Formulierungen sind derzeit nur als Entwurf zu verstehen. Anpassungsbedarf wird sowohl bezüglich der LoB-Klausel als auch bezüglich der Abkommensberechtigung von bestimmten Investmentvehikeln (collective investment vehicles – CIVs – und non-CIV funds) gesehen. Weitere Anpassungen werden aufgrund der Arbeiten zu anderen Maßnahmen des Aktionsplans notwendig sein. Bis September 2015 sollen endgültige Ergebnisse vorliegen.

6.5 Maßnahme 8: Richtlinien zu Verrechnungspreisaspekten immaterieller Wirtschaftsgüter Von Dr. Roman Dawid, Madlen Haupt und Dr. Isabel Ruhmer-Krell Mit dem am 16. September 2014 veröffentlichten Papier zu Verrechnungspreisaspekten immaterieller Wirtschaftsgüter36 hat die OECD das Arbeitsergebnis für die Maßnahme 8 des BEPSAktionsplans vorgelegt. Gegenüber dem vorherigen Entwurf37 gibt es einige Änderungen. Das Papier bestätigt, dass für die Zuordnung von Erträgen aus immateriellen Wirtschaftsgütern nicht das rechtliche Eigentum allein, sondern vor allem die Wertschöpfungsbeiträge der relevanten Funktionen entscheidend sind. Aufgrund von Wechselwirkungen mit einigen erst im Jahr 2015 erwarteten BEPS-Arbeitsergebnissen sind Teile des überarbeiteten Kapitels VI der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien ebenso wie einzelne Ergänzungen in Kapitel II als vorläufig zu betrachten. 36

37

OECD (2014): „Guidance on Transfer Pricing Aspects of Intangibles“, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, OECD Publishing, http://dx.doi.org/10.1787/9789264219212-en. Das Papier sieht Anpassungen zu den Kapiteln I, II und VI der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen vom 22.07.2010 (OECD-Richtlinien) vor. OECD (30 July 2013): „Public Consultation“, Revised Discussion Draft on Transfer Pricing Aspects of Intangibles, www.oecd.org/ctp/transfer-pricing/revised-discussiondraft-intangibles.pdf.

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Überarbeitete Richtlinien bestätigen Definition und Abgrenzung des Begriffs „immaterielles Wirtschaftsgut“ Definition von immateriellen Wirtschaftsgütern Bezüglich des Begriffs „immaterielles Wirtschaftsgut“ hält die OECD an dem bereits im Jahr 2013 vorgeschlagenen Ansatz fest. So sind formalrechtliche oder buchhalterische Definitionen aus Verrechnungspreissicht nicht von entscheidender Bedeutung. Ein immaterielles Wirtschaftsgut liegt vor, wenn etwas Werthaltiges existiert, das kein materielles oder rein finanzielles Wirtschaftsgut ist und für kommerzielle Zwecke als Eigentum betrachtet und „kontrolliert“ werden kann. Darüber hinaus sollten fremde Dritte unter vergleichbaren Umständen bereit sein, für die Übertragung oder Nutzung eines solchen Gegenstands eine Vergütung zu zahlen. Standortvorteile, Synergien oder Mitarbeiter fallen nicht unter diese Definition, sind aber bei der Verrechnungspreisanalyse zu berücksichtigen Die OECD stellt klar, dass Faktoren wie Standortvorteile (z. B. aufgrund geringerer Lohnfertigungskosten), qualifizierte Mitarbeiter oder Synergieeffekte keine eigenständigen immateriellen Wirtschaftsgüter darstellen, da diese regelmäßig nicht der Kontrolle des Steuerpflichtigen unterliegen. Stattdessen sind diese als Vergleichsfaktoren zu betrachten und die entstehenden Vorteile wie zwischen fremden Dritten bei der Verrechnungspreisgestaltung zu berücksichtigen. Bei Standortvorteilen sollte eine fremdübliche Zuordnung möglichst durch die Verwendung lokaler Vergleichsdaten sichergestellt werden. Beim Übergang einer Gruppe von qualifizierten Mitarbeitern wird beispielsweise lediglich anerkannt, dass diese bei der Vergleichbarkeitsanalyse möglicherweise zu berücksichtigen sind. So kann bei der Ermittlung des Kaufpreises für ein immaterielles Wirtschaftsgut unter Umständen der Übergang von Mitarbeitern zu berücksichtigen sein (z. B. um Kostenersparnisse bei der Personalbeschaffung zu reflektieren). Bei Vorteilen aus Synergieeffekten wie beispielsweise einem verbesserten Kreditrating oder integrierten Computer- oder Kommunikationssystemen ist eine Vergütung an andere Konzerngesellschaften lediglich dann anzunehmen, wenn diese Vorteile nicht nur Ergebnis der Konzernzugehörigkeit sind, sondern aufgrund einer zielgerichteten abgestimmten Aktion (deliberate concerted action) entstehen. Ein Beispiel für eine solche bewusste konzertierte Aktion ist die Zentralisierung des Rohstoffeinkaufs in einer Konzerngesellschaft, wodurch Mengen- und Preiseinsparungen realisiert werden. Die OECD hat auch exemplarisch dargestellt, wie die Leistungen einer solchen zentralen Einkaufs-

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abteilung und die Aufteilung der erzielten Vorteile zu beurteilen sind. Weiterhin stellt die OECD klar, dass im Zusammenhang mit Finanzierungsgeschäften mit fremden Dritten gezahlte Avalprovisionen im Konzern nur bei Vorlage expliziter Garantien durch andere Konzerngesellschaften als fremdüblich zu bewerten sind. Demnach rechtfertigt eine rein beiläufige Begünstigung durch verbesserte Kreditkonditionen beispielsweise aufgrund der besseren Kreditwürdigkeit der Konzernmutter nicht die Zahlung einer Vergütung, da eben keine zielgerichtete abgestimmte Aktion vorliegt. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die überarbeiteten Richtlinien eine Definition immaterieller Wirtschaftsgüter enthalten, deren Anwendung in der Praxis nicht immer eindeutig sein wird. Des Weiteren wird die Prüfung der Verrechnungspreisimplikationen eines identifizierten immateriellen Wirtschaftsguts in der Praxis schwierig und von subjektiven Einschätzungen geprägt sein. Überarbeitete Richtlinien zur Anwendung abweichender Verrechnungspreismethoden38 noch ausstehend, Anwendung von Daumenregeln weitestgehend abgelehnt Das überarbeitete Papier weist darauf hin, dass die in Kapitel II enthaltenen Richtlinien zur Anwendung alternativer Ansätze zur Bestimmung angemessener Verrechnungspreise in Abweichung von den fünf von der OECD anerkannten Methoden (Preisvergleichsmethode, Wiederverkaufspreismethode, Kostenaufschlagsmethode, transaktionsbezogene Nettomargenmethode und transaktionsbezogene Gewinnaufteilungsmethode) erst im Laufe des Jahres 2015 aktualisiert werden. Die Neufassung wird voraussichtlich notwendige Anmerkungen zu den Ergebnissen aufnehmen, die aus den weiteren Arbeiten zur BEPS-Initiative hinsichtlich der Entwicklung von besonderen Verrechnungspreismethoden, der Verwendung von Bewertungstechniken sowie der Entwicklung „spezieller Maßnahmen“ für schwer bewertbare immaterielle Wirtschaftsgüter resultieren. Schon jetzt zeigt sich die OECD skeptisch hinsichtlich der Anwendung sogenannter Daumenregeln, da diese keinen adäquaten Ersatz für eine vollständige Funktions- und Vergleichbarkeitsanalyse darstellen. Entsprechend ist davon auszugehen, dass zumindest unter Beachtung der OECD-Richtlinien bei Transaktionen mit immateriellen Wirtschaftsgütern zukünftig ein alleiniger

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In § 2.9 der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien werden Methoden zur Bestimmung angemessener Verrechnungspreise, die nicht im Rahmen der fünf Standardmethoden in den Richtlinien beschrieben werden, als other methods bezeichnet.

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Verweis auf die sogenannte Knoppe-Formel39 nicht als Angemessenheitsnachweis genügen wird. Zuordnung von Erträgen aus immateriellen Wirtschaftsgütern künftig vorrangig aufgrund der für die Wertschöpfung relevanten Funktionen Rechtliches Eigentum allein begründet nicht die Zuordnung von Erträgen Bezüglich der steuerlichen Zuordnung von Erträgen immaterieller Wirtschaftsgüter stellt die OECD fest, dass für die praktischen Anwender einige besondere Herausforderungen bestehen. Diese umfassen unter anderem die Ermittlung von Vergleichswerten, die Identifizierung von damit zusammenhängenden Erträgen sowie die zeitliche Differenz zwischen der Schaffung eines immateriellen Wirtschaftsguts und der Realisation damit zusammenhängender Erträge. Die überarbeiteten Richtlinien heben in diesem Zusammenhang Strukturen hervor, bei denen das rechtliche Eigentum, die Übernahme von Risiken und Investitionen sowie die Ausübung wichtiger werttreibender Funktionen auf verschiedene Gesellschaften verteilt sind und die reine Orientierung am rechtlichen Eigentum zur unsachgemäßen Verlagerung von Steuersubstrat führen kann. Obwohl das rechtliche Eigentum und die vertraglichen Vereinbarungen weiterhin als Ausgangspunkt für die Verrechnungspreisanalyse betrachtet werden, ist die Ausübung der relevanten Funktionen im Zusammenhang mit immateriellen Wirtschaftsgütern für die Allokation von Erträgen maßgeblich. Die OECD macht deutlich, dass rechtliches Eigentum allein nicht notwendigerweise einen Anspruch auf die Zuordnung von Erträgen aus der Nutzung von Markenrechten oder Patenten rechtfertigt. Stattdessen können die dem rechtlichen Eigentümer zuzuordnenden Erträge nach der angemessenen Vergütung anderer Konzerngesellschaften für deren funktionalen Beitrag zur Entwicklung bzw. Nutzung eines immateriellen Wirtschaftsguts positiv, null oder sogar negativ sein. Darüber hinaus ist der Residualgewinn nicht notwendigerweise ausschließlich dem rechtlichen Eigentümer zuzuordnen. Auch die reine Finanzierung der Entwicklung und Nutzung immaterieller Wirtschaftsgüter ohne aktive funktionale Beteiligung wird zukünftig nicht hinreichend für die Zuordnung des 39

Die sog. Knoppe-Formel besagt, dass ein Lizenzgeber für sämtliche zur Herstellung eines Produkts überlassenen immateriellen Wirtschaftsgüter einen Anteil von maximal 25 bis 33,3 Prozent des kalkulierten Gewinns aus diesem Produkt erhalten soll. Folglich verbleiben dem Lizenznehmer rund 66,7 bis 75 Prozent der Gewinne aus den Produkten, die er auf Basis der überlassenen immateriellen Wirtschaftsgüter herstellt und/oder vertreibt. Vgl. Engler in Vögele: „Verrechnungspreise“, Kapitel N: Immaterielle Wirtschaftsgüter, Rn. 526, 3. Auflage 2011.

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aus dem betreffenden immateriellen Wirtschaftsgut resultierenden Residualgewinns sein. Stattdessen rechtfertigt die reine Finanzierungsfunktion in der Regel lediglich eine fremdübliche risikoadäquate Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Die Definition der potenziell relevanten Funktionen für die Wertschöpfung immaterieller Wirtschaftsgüter ist im Vergleich zum Entwurf der OECD aus dem Jahr 2013 leicht erweitert worden. Nunmehr sind auch Funktionen, die im Zusammenhang mit der kommerziellen Nutzung (exploitation) eines immateriellen Wirtschaftsguts stehen, als wesentlich für die Verrechnungspreisanalyse anzusehen. Besonders wichtige Funktionen mit wesentlicher Bedeutung für die Verrechnungspreisanalyse sind zum Beispiel das Design von Forschungs- und Marketingprogrammen, die Kontrolle von Budgets sowie strategische Entscheidungen im Zusammenhang mit der Entwicklung und dem Schutz eines immateriellen Wirtschaftsguts. Sofern Funktionen an andere Konzerngesellschaften ausgelagert werden (z. B. im Rahmen eines Dienstleistungsvertrags), ist aus Verrechnungspreissicht zu prüfen, inwieweit Kontrollfunktionen und -kapazitäten bei der auslagernden Gesellschaft verbleiben und vergütet werden müssen. Bestimmte IP-Strukturen/-Situationen werden im neuen Kapitel VI direkt angesprochen Die OECD hat die bereits im vorherigen Entwurf diskutierten Beispieltransaktionen nochmals erweitert. Die überarbeitete Sammlung umfasst nun unter anderem: ● Patentverwaltungsdienstleistungen (patent administration service contracts) ● Finanzierung von Forschung und Entwicklung und Übernahme des damit verbundenen Finanzierungsrisikos ohne aktive Beteiligung an der Forschungstätigkeit ● Vertriebsgesellschaften mit wesentlichen Beiträgen zum Aufbau von marketingbezogenen immateriellen Wirtschaftsgütern (marketing intangibles) ● Allokation der Erträge aus immateriellen Wirtschaftsgütern, die im Rahmen von Auftragsforschungsverhältnissen entwickelt wurden ● Übertragung von immateriellen Wirtschaftsgütern im Zuge von konzerninternen Umstrukturierungen Für die vorgenannten Beispiele empfiehlt sich eine proaktive Prüfung durch den Steuerpflichtigen, inwieweit bestehende Verrechnungspreisansätze den neuen OECD-Verrechnungspreisrichtlinien Rechnung tragen.

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Neuerungen zur Behandlung von in der Zukunft abweichenden Erträgen Eine wesentliche Neuerung deutet sich durch die Aufnahme eines separaten Kapitels zur Behandlung von Erträgen an, die wesentlich von Plandaten abweichen. Obwohl die OECD einräumt, dass eine Abweichung zwischen budgetierten (Ex-ante-) und tatsächlichen (Ex-post-)Erträgen aufgrund des Auftretens unerwarteter Entwicklungen nicht ungewöhnlich ist, stellt sie die Frage, wie Gewinne oder Verluste aufgrund derartiger Entwicklungen zwischen den beteiligten Parteien, beispielsweise im Rahmen von Preisanpassungen, zu verteilen sind. Die OECD verweist dabei unter anderem auf eine Analyse der vertraglich allozierten Risiken und der Funktionen im Zusammenhang mit Strategien zur Risikominderung. Die diesbezüglich enthaltenen Formulierungen sind jedoch vorläufig und können durch die 2015 erwarteten Ergebnisse der BEPS-Initiative noch wesentlichen Änderungen unterworfen sein. Fazit und Ausblick Mit dem am 16. September 2014 veröffentlichten Papier hat die OECD ihren Ansatz einer Zuordnung von Erträgen aus immateriellen Wirtschaftsgütern entsprechend der Wertschöpfung der relevanten Funktionen grundsätzlich bestätigt. Auch wenn einige Kernelemente der neuen Richtlinien noch vorläufig sind bzw. die Arbeiten zu den schwer bewertbaren immateriellen Wirtschaftsgütern noch andauern, ist davon auszugehen, dass die Notwendigkeit einer vollständigen Wertschöpfungsbeitragsanalyse zur Bestimmung und Zuordnung von Erträgen aus immateriellen Wirtschaftsgütern zukünftig weiter zunimmt. Diesbezüglich ist zu erwarten, dass die Gewinnaufteilungsmethode an Gewicht gewinnen wird, wenngleich die Anwendung der Preisvergleichsmethode weiterhin möglich sein sollte, allerdings unter verschärften Anforderungen an die Vergleichbarkeit der Transaktionen.

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6.6 Maßnahme 13: Die OECD veröffentlicht neue Richtlinien zur Dokumentation von Verrechnungspreisen Von Kati Fiehler und Dr. Thomas Bittner Die OECD hat am 16. September 2014 eine Konsensversion des neuen Kapitels V der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien zur Dokumentation von Verrechnungspreisen veröffentlicht.40 Gegenüber den bisherigen Entwürfen sind die Dokumentationsanforderungen zwar geringfügig entschärft worden. Verglichen mit dem aktuell gültigen Kapitel V sieht die Konsensversion jedoch eine deutliche Ausweitung der Dokumentationsanforderungen vor. Steuerpflichtige sollten sich bereits jetzt für die erwartete zeitnahe Umsetzung in nationales Recht wappnen. Die OECD hat am 16. September 2014 im Rahmen ihres BEPS-Aktionsplans unter dem Titel Guidance on Transfer Price Documentation and Country-byCountry Reporting eine neue Fassung des Kapitels V der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien veröffentlicht. Die aktuelle Fassung stellt den jetzigen Konsens der OECD-Mitgliedsstaaten dar. Sie ist aber nicht formell finalisiert, weil gegebenenfalls die Ergebnisse noch laufender Diskussionen zu BEPS-Maßnahmen zu einem späteren Zeitpunkt in ihr berücksichtigt werden sollen. Insgesamt dürfte die aktuelle Fassung des Kapitels V jedoch eine sehr gute Vorstellung von den Dokumentationsanforderungen der zukünftigen OECDVerrechnungspreisrichtlinien geben. Gegenüber dem Entwurf vom 30. Januar 2014 weist die aktuelle Fassung des Kapitels V keine substanziellen Änderungen auf. Konzeptionell soll eine Dokumentation weiterhin aus den drei Säulen Master File, Local File und CbCR bestehen. Allerdings wurden die Dokumentationsanforderungen hinsichtlich der drei Elemente tendenziell gekürzt. Dies gilt insbesondere für das CbCR, in dem jetzt nicht mehr für jede Konzerngesellschaft detailliert der Zinsaufwand, Lizenzzahlungen oder Dienstleistungsentgelte zu dokumentieren sind. Weiterhin sollen jedoch Umsätze (getrennt in Umsatz mit verbundenen und Umsatz mit unverbundenen Transaktionspartnern), Gewinne, Steuern, gezeichnetes Kapital, kumulierter Gewinn, Anzahl der Mitarbeiter und materielle Vermögenswerte im CbCR dokumentiert werden.

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Vgl. OECD (2014): „Guidance on Transfer Pricing Documentation and Country-byCountry Reporting“, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, OECD Publishing; http://dx.doi.org/10.1787/9789264219236-en.

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Im Master File und Local File finden sich die üblicherweise zu erwartenden grundsätzlichen Informationsanforderungen wieder. Darüber hinaus wird zum einen zum Ausdruck gebracht, dass die Qualität der Informationen von wesentlich höherer Bedeutung ist als in der Vergangenheit. Zum anderen werden konkret Elemente abgefragt, die bislang nicht automatische Bestandteile einer Verrechnungspreisdokumentation waren (z. B. eine Liste und Beschreibung aller im Konzern vorhandenen Advance Pricing Agreements und sonstiger Übereinkünfte mit Finanzverwaltungen). In Bezug auf weitere wichtige Einzelfragen lassen sich zwar kaum wesentliche Änderungen gegenüber dem Entwurf vom 30. Januar 2014 feststellen. Allerdings sind vor allem die folgenden Aspekte im Vergleich zum bisherigen Kapitel V der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien und der internationalen Verrechnungspreispraxis bemerkenswert: ● Benchmarkingstudien sollen im Dreijahresturnus vollständig neu erstellt und Finanzdaten der Vergleichsunternehmen jährlich aktualisiert werden. ● Der Fremdvergleichsgrundsatz soll bereits im Zeitpunkt der Verrechnungspreisbildung anhand der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Informationen berücksichtigt und die Fremdüblichkeit mit Abgabe der Steuererklärung bestätigt werden. Bislang wird von internationalen Konzernen häufig der Ansatz gewählt, die Angemessenheit der Verrechnungspreisbildung mittels Benchmarkingstudien im Rahmen einer Verprobung frühestens zum Jahresende nachzuweisen. Diese Vorgehensweise wird durch das Vorstehende von der OECD nicht propagiert. Stattdessen legt die OECD großen Wert auf eine Ex-ante-Betrachtung. Die Konsensversion des Kapitels V unterstreicht weiterhin die klare Präferenz der OECD für eine zeitnahe Dokumentation, das heißt spätestens bis zur Abgabe der Steuererklärung. Für das CbCR soll jedoch eine Abgabefrist von einem Jahr nach Ende des zu dokumentierenden Geschäftsjahres gewährt werden. Darüber hinaus finden sich in der aktuellen Fassung weiterhin keine konkreten Aussagen zu Materialitätsgrenzen für zu dokumentierende Transaktionen. So wird lediglich ausgeführt, dass sich Materialitätsgrenzen sowohl an dem Verhältnis zum Umsatz oder zu den Kosten als auch an absoluten Größen orientieren können. Eine quantitative Aussage zu Materialitätsgrenzen fehlt vollständig. Erfreulich ist, dass der Konsensentwurf relativ klar Stellung dazu nimmt, in welcher Sprache eine Dokumentation von den nationalen Finanzverwaltungen akzeptiert werden soll: Grundsätzlich sollte eine Dokumentation in einer üblicherweise verwendeten Sprache akzeptiert werden, was im Fall der meisten

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Konzerne Englisch sein dürfte. Darüber hinaus soll dem Steuerpflichtigen bei spezifischen Übersetzungsanfragen genügend Zeit gelassen und dem Übersetzungsaufwand Rechnung getragen werden. Eine solche klare Aussage hat im bisherigen Entwurf gefehlt. Fazit und Handlungsempfehlung Wenngleich die jetzige Konsensfassung des Kapitels V der OECDVerrechnungspreisrichtlinien einige Erleichterungen gegenüber den bisher vorliegenden Entwürfen enthält, erhöht sie deutlich die Dokumentationsanforderungen gegenüber dem aktuell gültigen Kapitel V. Dies gilt vor allem für das verpflichtende CbCR. Insofern müssen sich Steuerpflichtige in Zukunft auf einen erhöhten Dokumentationsaufwand einstellen. Insgesamt sind mehr Informationen schneller bereitzustellen. Aufgrund des zunehmenden Informationsaustauschs zwischen den Ländern ist auch auf eine erhöhte Konsistenz der Dokumentation in den jeweils betroffenen Ländern zu achten. Die wesentliche Herausforderung für den Steuerpflichtigen besteht daher darin, interne Prozesse zu implementieren, dieeine zeit- und kosteneffiziente sowie konsistente Sammlung der Daten gewährleisten. Diese Notwendigkeit gilt auch deshalb, weil weitere Maßnahmen im Rahmen des BEPS-Aktionsplans – wie zum Beispiel der ebenfalls am 16. September 2014 veröffentlichte Entwurf zur fremdüblichen Verrechnung von immateriellen Wirtschaftsgütern – erwarten lassen, dass der Nachweis der Fremdüblichkeit von Verrechnungspreisen erheblich komplexer wird. Auch diese Entwicklung dürfte die begrenzten Kapazitäten von Verrechnungspreisverantwortlichen in erheblichem Maße in Anspruch nehmen und sie zu einem optimalen Ressourceneinsatz zwingen.

6.7 Maßnahme 15: Entwicklung eines multilateralen Übereinkommens zur Anpassung bilateraler Steuerabkommen Von Kerstin Holst Derzeit bestehen weltweit mehr als 3.000 bilaterale Doppelbesteuerungsabkommen (DBAs). In dem Bericht wird untersucht, ob ein multilaterales Übereinkommen zur synchronisierten Umsetzung der auf Steuerabkommen gerichteten BEPS-Maßnahmen in die bilateralen DBAs wünschenswert und umsetzbar ist. Der

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Bericht41 steht im Zusammenhang mit allen anderen Punkten des BEPS-Aktionsplans. Er enthält keine konkreten Formulierungsvorschläge, sondern eine Analyse von technischen und politischen Aspekten; im Anhang des Berichts ist eine Toolbox zu finden. Ziele und Herausforderungen Die aus den endgültigen Berichten zu den anderen Punkten des Aktionsplans resultierenden Änderungen des OECD-Musterabkommens sollen schnell, effizient und als einheitliche Regelungen in die bestehenden bilateralen DBAs Eingang finden. Letztere bleiben neben einem solchen multilateralen Übereinkommen anwendbar. Der Bericht verkennt nicht, dass die DBAs im Detail stark differieren, die Steuersouveränität der Länder respektiert werden muss und dieser im Steuerrecht innovative Weg noch mit vielen Unwägbarkeiten verbunden ist. Länder sollen flexibel in der Zustimmung zu einzelnen Regelungen (core set, Opt-in-/Opt-out-Regelungen, Auswahl an Alternativen) oder gegenüber verschiedenen Vertragspartnern agieren können. In Deutschland wird das Übereinkommen vom Bundesministerium der Finanzen grundsätzlich unterstützt und soll trotz komplexer Rechtsfragen weiterverfolgt werden. Es wird aber abzuwarten sein, in welchem Umfang Deutschland dem Übereinkommen zustimmen wird und wie das Übereinkommen in nationales Recht transformiert werden kann. Internationale Konferenz Fazit des Berichts ist, dass ein multilaterales Übereinkommen grundsätzlich wünschenswert und umsetzbar ist. Dieses Übereinkommen soll auf einer internationalen Konferenz verhandelt und entwickelt werden, die für alle OECDMitgliedsstaaten, G20-Staaten und andere interessierte Länder offen ist. Das Mandat für diese Konferenz soll Anfang 2015 erteilt werden.

41

OECD (2014): „Developing a Multilateral Instrument to Modify Bilateral Tax Treaties“, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, OECD Publishing, http://dx.doi.org/10.1787/9789264219250-en.

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7 Die veröffentlichten BEPS-Maßnahmen der OECD aus Sicht der deutschen Finanzverwaltung – ein Gespräch mit Ministerialrat Manfred Naumann Das Gespräch mit Herrn Naumann führte Martin Renz am 10. November 2014. Die OECD hat mit der Veröffentlichung der Berichte zu sieben der insgesamt 15 Maßnahmen ihrer Initiative zu „Base Erosion and Profit Shifting“ (BEPS-Initiative) am 16. September 2014 eine bedeutende Zwischenetappe erreicht. Anlass genug, um die Einschätzung der deutschen Finanzverwaltung zu den bis dato veröffentlichten Zwischenergebnissen einzuholen. Hierzu haben wir ein Interview mit Ministerialrat Manfred Naumann42 geführt. Nachfolgend finden Sie das ausführliche Interview. Herr Naumann, wie zufrieden sind Sie insgesamt mit den bisher veröffentlichten Ergebnissen der OECD? Ziel der BEPS-Initiative der OECD ist es bekanntlich, durch die Erarbeitung einheitlicher internationaler Steuerstandards die Rahmenbedingungen für einen fairen internationalen Steuerwettbewerb zu schaffen. Wir wollen die Steuervermeidungsstrategien international agierender Konzerne einschränken, damit wieder gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen gelten, auch für diejenigen, die nicht die Möglichkeit der internationalen Gewinnverlagerung haben. Für die ersten sieben der 15 Maßnahmen liegen nun erste Ergebnisse vor. Sie sind aus unserer Sicht ein Erfolg. Lassen Sie mich ein Beispiel nennen: Die veröffentlichten Papiere zu immateriellen Vermögenswerten beinhalten einen wichtigen Fortschritt, insbesondere bei deren Definition und bei der Frage, wie diese zu bewerten sind. Man muss dabei natürlich sehen, dass viele Ergebnisse vorläufig sind und im Lichte von weiteren Diskussionen abgeändert werden können. Zu nennen sind hier insbesondere die noch offenen Maßnahmen zu Recharakterisierung oder Risikoübertragung. Hinsichtlich der Dokumentationspflichten finde ich es sehr positiv, dass der Ausgangspunkt die Ergebnisse des EU Joint Transfer Pricing Forum waren. Gleichwohl gibt es auch noch Sachverhalte, die verbesserungswürdig sind. Die Ergänzung um das Country-by-Country-Reporting (CbCR) halte ich zum Beispiel für 42

Herr Naumann ist Referatsleiter in der Steuerabteilung des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) und dort zuständig für Themen des internationalen Steuerrechts, insbesondere der internationalen Verrechnungspreise, internationale Gewinnaufteilung bei Betriebsstätten, Hinzurechnungsbesteuerung und einige wichtige Doppelbesteuerungsabkommen. Darüber hinaus ist er Mitglied des EU Joint Transfer Pricing Forums der Europäischen Kommission.

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problematisch. Voraussetzung dafür, dass es akzeptabel wäre, ist aus meiner Sicht, dass man zwingende Streitbeilegungs-mechanismen, also am besten Schiedsverfahren, einführt. Es gibt Fortschritte, auch sehr schnelle, aber es gibt eben auch noch Bedenken, die zunächst bestehen. Das Besondere an der BEPS-Initiative ist, dass es ausdrücklich nicht nur ein Projekt der OECD, sondern auch der G20-Staaten ist. Gibt es aus Ihrer Sicht vor diesem Hintergrund die Erwartungshaltung, dass bestimmte Dinge besser oder schneller umgesetzt werden? Es gibt die Hoffnung, dass die G20-Staaten, die nicht OECD-Staaten sind, sich eben zumindest an die UN-Standards halten, das heißt an das UN-Musterabkommen, in welchem ja auch Verrechnungspreisgrundsätze festgelegt sind, und dass generelle Streitbeilegungsmechanismen geschaffen werden, was aber vermutlich einige Zeit brauchen wird. Kommen wir zur Umsetzung der BEPS-Maßnahmen in Deutschland. Welche Planungen gibt es seitens des Bundesfinanzministeriums bzw. vonseiten des Gesetzgebers? Zu den Maßnahmen, die in den Bereich der Verrechnungspreise fallen, ist zu sagen, dass wir Dokumentationspflichten schon haben und dass wir uns sicherlich, wenn die Ergebnisse zur Implementierung vorliegen, Gedanken darüber machen werden, wie wir entsprechende Anpassungen des deutschen Rechts, also des § 90 Abs. 3 AO, durchführen. Sofern eine Dokumentation zur Risikoabwägung erforderlich ist, muss die im Land der Muttergesellschaft frühzeitig vorliegen, damit man diese Informationen per Informationsaustausch nach Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) weitergeben kann. Hierbei sollte das Interesse der Unternehmen, durch Dokumentationserfordernisse nicht überbelastet zu werden, berücksichtigt werden. Sie sprechen hier auch den Zeitaspekt an. Das eine oder das andere Unternehmen könnte dabei überfordert sein, wenn quasi mit der Abgabe der Steuererklärung bereits eine Verrechnungspreisdokumentation vorliegen muss. Wie sehen Sie das? Hierfür werden eventuell Übergangszeiten benötigt, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass die notwendigen Angaben von den Unternehmen sofort ohne Weiteres per Knopfdruck gegeben werden können. Maßnahme 1: „digital economy“ Die Digitalisierung der Welt ist mittlerweile auch im Steuerrecht angekommen. Onlinehandel, Internetwerbung, Cloud Computing oder Internet App Stores sind hier die Schlagwörter, die nach Ansicht der OECD zu steuermissbräuchlichen Geschäftsmodellen einladen. Die OECD nennt in ihrem Papier zur digital economy

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einige Optionen wie zum Beispiel die Änderung der Ausnahmeregelungen in der Betriebsstättendefinition oder die Betriebsstättenbegründung aufgrund einer significant digital presence. Was halten Sie grundsätzlich davon, wenn das Vorhandensein einer Betriebsstätte lediglich an einer digitalen Präsenz festgemacht wird? Was bedeutet dies für die Ergebnisallokation anhand der Personalfunktion? Die Anknüpfung an der digitalen Präsenz hilft nicht, solange an dem von der OECD entworfenen Ertragsallokationsmechanismus anhand der Personalfunktionen festgehalten wird. Bei der Betriebsstättendiskussion wird meines Erachtens häufig die Frage vernachlässigt, was der einzelnen Betriebsstätte zugerechnet werden kann. Selbst wenn es aufgrund der digitalen Präsenz eine Betriebsstätte gibt, aber die Ertragsfunktion bzw. Personalfunktion gar nicht oder nur schwer feststellbar ist und somit der Betriebsstätte keine Ergebnisse zugeordnet werden können, ist zweifelhaft, ob hierdurch etwas gewonnen wird. Es verkompliziert das Thema Betriebsstätten und bringt vielleicht ertragsteuerlich keinen Mehrgewinn. Und eine Alternative, also einen anderen Allokationsmechanismus als die Personalfunktion, kann ich mir im Moment nicht vorstellen. Würden Sie es befürworten, wenn das EU-Verrechnungspreisforum in solche Fragestellungen stärker eingebunden wird? Das muss nicht unbedingt das EU-Verrechnungspreisforum sein, sondern vor allem die Working Party 6 der OECD, die den Betriebsstätten-Bericht entwickelt hat, wonach die Personalfunktionen der Ausgangspunkt für die Gewinnzuordnung sind. Maßnahme 5: effektivere Bekämpfung von schädlichem Steuerwettbewerb Während sich der Großteil der anderen Maßnahmen der BEPSInitiative mit dem Verhalten des Steuerpflichtigen beschäftigen, widmet sich die Maßnahme 5 dem Verhalten der Staaten, die Steueranreize setzen, um als Standort für Unternehmen attraktiv zu bleiben. Die OECD setzt hier unter anderem auf einen zunehmenden und stärker automatisierten Informationsaustausch zwischen den Staaten. Welche Erwartungen haben Sie in Bezug auf potenziell schädlichen Steuerwettbewerb im Speziellen? Was sind hierbei die aus Ihrer Sicht wichtigsten Themen?

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Das betrifft insbesondere Fragen von IP-Regimen43, also zum Beispiel einer Innovation oder Patentbox. Es ist schon ziemlich problematisch, dass auf der einen Seite große Anstrengungen bei der OECD unternommen werden, um die Gewinnzuordnung im Bereich immaterielle Wirtschaftsgüter transparent und vernünftig durchzuführen, und dann auf der anderen Seite insbesondere zehn europäische Staaten mit Steueranreizsystemen wie Patentboxen mit geringer Besteuerung aktiv sind. Erwarten Sie, dass die OECD mehr Druck gegen solche Steueranreizsysteme in Zusammenhang mit immateriellen Wirtschaftsgütern ausüben wird? Es gibt heute schon Druck, dass man IP-Regime, Patent- und Innovationsboxen stärker an eine konkrete Aktivität bindet, um zu verhindern, dass solche Besteuerungsregime auch mittels funktionsarmer Vehikel genutzt werden können. Das ist schon mal ein Fortschritt. Ist aus Ihrer Sicht die Knüpfung der Gewährung von Vorteilen aus Steueranreizsystemen an wirtschaftliche Aktivitäten bzw. Substanzerfordernisse grundsätzlich der richtige Weg? Wir haben darüber im Bundesfinanzministerium diskutiert und die Auffassung war, dass der richtige Weg eigentlich der wäre, die Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen zu subventionieren und nicht die Erträge, die aus der Nutzung von immateriellen Vermögenswerten stammen. Das ist aber bedauerlicherweise international wohl nicht durchsetzbar. Es wäre aber meiner Meinung nach sachgerechter. Schließlich sind nicht erfolgreiche Forschungsund Entwicklungsprojekte in gleicher Weise förderungswürdig wie erfolgreiche. Als eine mögliche Sanktionsmaßnahme wurde in Deutschland diskutiert, dass Lizenzaufwendungen, die beispielsweise im Zusammenhang mit Patentboxen stehen, die steuerliche Anerkennung versagt wird. Ist dies momentan noch in der Diskussion? Hierzu sind mir keine konkreten Planungen bekannt. Ich glaube nicht, dass solche Sanktionsmaßnahmen aktuell auf der Tagesordnung stehen.

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IP-Regime sind Vorzugsbesteuerungsregelungen von Lizenzeinkünften. Die Ausgestaltung ist je nach Land unterschiedlich. Unterschiede bestehen insbesondere hinsichtlich des Umfangs der qualifizierten Lizenzeinkünfte sowie der Einbeziehung von Betriebsausgaben und von historischen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen.

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Maßnahme 8: „intangibles report“ Eine aus Verrechnungspreissicht am stärksten im Fokus stehende Maßnahme beschäftigt sich mit Verrechnungspreisaspekten immaterieller Wirtschaftsgüter (iWG). Der Bericht beschäftigt sich mit der Definition von iWG und stellt klar, dass Standortvorteile, Synergien oder Mitarbeiter keine iWG darstellen, aber als Vergleichbarkeitsfaktor in die Verrechnungspreisanalyse einzubeziehen sind. Wie sehen Sie grundsätzlich die von der OECD formulierte Definition von iWG und besteht aus Ihrer Sicht Handlungsbedarf aufseiten der deutschen Finanzverwaltung? Die OECD hat die Definition von Intangibles weiterentwickelt und liefert vor allen Dingen Negativbeispiele, was nicht als Intangibles anzusehen ist. Dies ist so weit auch aus deutscher Sicht akzeptabel. Wir halten keine konkreten Umsetzungsmaßnahmen für erforderlich. Wir würden das, was die OECD geschrieben hat, sozusagen informell implementieren, was letztlich auch dem deutschen Abkommensverständnis entspricht. Sie haben eben die Negativbeispiele erwähnt. In der jetzt verabschiedeten Definition von Intangibles werden zum Beispiel Standortvorteile und Synergieeffekte nicht als ein eigenständiges iWG erwähnt, sondern sollen lediglich einen Vergleichbarkeitsfaktor darstellen. Man könnte aus der Diskussion das Verständnis gewinnen, dass manche Staaten, die in den Diskussionen zu BEPS beteiligt waren, die Definition von Intangibles etwas anders sehen, insbesondere BRIC-Staaten44 wie China oder Indien. Erwarten Sie insbesondere mit diesen Staaten hieraus ein zunehmendes Konfliktpotenzial? Wenn die G20-Staaten dieses gesamte Paket der OECD zu BEPS akzeptieren, werden letztlich auch solche Dinge mit akzeptiert, die von manchen Staaten anders gesehen werden. Wie zum Beispiel Standortvorteile Gegenstand einer Geschäftsbeziehung sein können, entzieht sich meiner Vorstellungskraft. Dies gilt auch für die anderen Negativbeispiele, die die OECD aufführt. Das sind zwar sicherlich Vergleichbarkeitsfaktoren, wenn ich entsprechende selbstständige Unternehmen am gleichen Markt vorfinde, aber dass so etwas Gegenstand einer Geschäftsbeziehung sein könnte, ist nur schwer vorstellbar.

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Der Begriff BRIC-Staaten ist eine Bezeichnung von vier Schwellenländern. BRIC steht für die Anfangsbuchstaben von Brasilien, Russland, Indien und China.

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Sie würden zumindest die Hoffnung hegen, dass in Ländern wie China keine lokalen Gesetze implementiert werden, in denen explizit zum Beispiel Standortvorteile als iWG definiert werden? Das wird sich Ende 2015 zeigen, ob die G20-Staaten das Gesamtpaket mitunterzeichnen und mittragen. Dann wären tatsächlich Regelungen, die zum Beispiel Standortvorteile zu einem iWG erheben würden, als eine Art unfreundlicher Akt zu sehen. Man kann als Staat eigentlich nicht im Rahmen der G20 den BEPS-Berichten zustimmen, aber dann im innerstaatlichen Recht etwas ganz anderes machen. Der Bericht zu Intangibles enthält bereits jetzt eine explizite Aussage dahin gehend, dass Daumenregeln nicht als Nachweis einer bestimmten Preisfindung oder für Zwecke der Gewinnaufteilung genutzt werden können. Welche Auswirkungen wird diese Änderung Ihrer Meinung nach in der Praxis auf die Anwendung der Knoppe-Formel haben, die nach unseren Erfahrungen in der Praxis immer wieder für Verprobungszwecke angewendet wird? Für Verprobungszwecke kann die Knoppe-Formel sicherlich angewendet werden, was auch seitens der OECD nicht ausgeschlossen wird. Aber generell haben wir inzwischen in § 1 Abs. 3 AStG gesetzlich geregelt, wie der hypothetische Fremdvergleich durchzuführen ist. Ich glaube, dass diese im Gesetz enthaltene Systematik dem heutigen Stand der Betriebswirtschaft deutlich mehr entspricht als die Knoppe-Formel oder ähnliche Daumenregeln. Dementsprechend hoffe ich, dass mit der Zeit diese Daumenregeln als konkrete Änderungsparameter verloren gehen und die im Gesetz vorgeschriebenen Mechanismen und Vorgehensweisen angewendet werden. Ist vor dem Hintergrund der geplanten Anpassung zur Anwendung sogenannter other methods, insbesondere im Hinblick auf Bewertungsverfahren für iWG davon auszugehen, dass eine Anpassung der Verwaltungsgrundsätze-Verfahren erfolgen wird? Die Finanzverwaltung verweist gegenwärtig bei Bewertungsverfahren für iWG auf IDW S 1 oder IDW S 5. Ist damit zu rechnen, dass von der deutschen Finanzverwaltung konkrete Anwendungsgrundsätze für Bewertungsverfahren, die über solche Verweise hinausgehen, vorgegeben werden? Grundsätzlich sind der IDW S 1 und der IDW S 5 keine international akzeptierten Standards, sondern „nur“ deutsche Standards, weshalb der Verweis seitens der Finanzverwaltung als Angebot zur Nutzung dieser Standards zu sehen ist. Welche Bewertungsverfahren im Bereich der Verrechnungspreise verwendet werden können, da besteht im Moment sicherlich eine große Flexibilität, da kann man auch mit anderen Methoden arbeiten. Aber bezogen auf die Bundesrepublik Deutschland würde sich

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natürlich die Methode des IDW S 1 für Betriebe und Teilbetriebe, also größere Unternehmenseinheiten, und S 5 für iWG anbieten. Ich glaube aber nicht, dass sich hieraus eine neue Verrechnungspreismethodik entwickelt. Unsere nächste Frage behandelt die Zuordnung von Erträgen aus iWG, die in erster Linie auf Basis der für die Wertschöpfung relevanten Funktionen erfolgen soll. Danach erscheint eine detaillierte Auswertung einer funktionalen Wertschöpfungsbeitragsanalyse zwingend notwendig. Teilen Sie unsere Einschätzung, dass Wertschöpfungsbeitragsanalysen zukünftig eine noch viel stärkere Rolle spielen werden? Ja, das sehe ich auch so. An der Stelle sehe ich natürlich auch den einen oder anderen Konflikt, der sich aus der Wertschöpfungsbeitragsanalyse einerseits und dem Bild der tatsächlich geschlossenen Verträge andererseits ergeben kann. Es kommt immer wieder vor, dass die Wertschöpfung und der geschlossene zivilrechtliche Vertrag nicht übereinstimmen. Hierzu dürften die BEPS-Papiere zu den Themengebieten „Risiko und Kapital“ bzw. zu „Recharakterisierung von Verträgen“, welche sich unter anderem mit der Frage beschäftigen, ob Risiken vertraglich der einen oder der anderen Partei zugewiesen werden können, noch näher darauf eingehen. Insbesondere die Frage, ob eine vertraglich gewählte Risikoaufteilung auch unter fremden Dritten vorgenommen worden wäre, ist an dieser Stelle die spannende Frage. Sehen Sie das genauso? Ja, das ist sicherlich eine schwierige Fragestellung, da man natürlich bei der Wert-schöpfungsbeitragsanalyse und den Funktionen, damit sind vermutlich die people’s functions gemeint, in die Nähe der Grundsätze kommt, die für die Betriebsstätten gelten sollen. Die Frage ist, inwiefern man diese Grundsätze einfach auf selbstständige Unternehmen anwenden können sollte. Das sehe ich nicht ganz unproblematisch, da man sehr schnell in eine Diskussion über die Nichtanerkennung oder Recharakterisierung von Verträgen kommt. Und dafür sind die Rechtsgrundlagen im Moment aus meiner Sicht noch einigermaßen dünn. Die Zuordnung von Risiken auf Basis von Personalfunktionen ist auch vor dem Hintergrund schwierig, dass es zum einen Versicherungsunternehmen gibt, die Risiken gegen entsprechende Prämien übernehmen, ohne diese im Unternehmen zu managen. Darüber hinaus gibt es Risiken, die keine der beiden Parteien wirklich managen kann und bei denen die Auffassung vertreten werden kann, diese noch relativ unabhängig von der Personal-

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funktion zu verteilen. Allerdings wird es hierbei schwierig sein, eine Grenze zu ziehen. Das ist keine einfache Diskussion, vor allen Dingen auch deswegen, weil Risiken im Konzern relativ frei rechtlich strukturiert werden können. Die Tatbestandsmerkmale exakt herauszuarbeiten und auch Grenzen auszutesten bzw. zu entscheiden, wann zum Beispiel der Tatbestand für eine Recharakterisierung eines Vertrags gegeben ist, stelle ich mir schwierig vor. Die Tatbestandsmerkmale hier exakt herauszuarbeiten, dürfte keine ganz banale Aufgabe darstellen. Ich sehe in diesem Zusammenhang daher noch viel Arbeit vor der OECD und ich bin gespannt, wie das nach dem derzeit vorliegenden Zeitplan bis September 2015 bereits gelöst sein soll. Aus der Praxis kennen wir, dass die deutsche Finanzverwaltung die Durchführung von Wertschöpfungsbeitragsanalysen explizit wünscht. Im Ausland wird damit nach unserer Einschätzung bisher noch relativ wenig gearbeitet. Erwarten Sie vor diesem Hintergrund ein verstärktes Konfliktpotenzial mit anderen Steuerverwaltungen, wenn die Wertschöpfungsbeitragsanalyse vermehrt als Basis für eine Gewinnaufteilung verwendet wird? Nach meinen Erfahrungen werden Wertschöpfungsbeitragsanalysen von ausländischen Finanzverwaltungen zumindest nicht von vornherein abgelehnt. Jedoch muss tatsächlich einiges an Überzeugungsarbeit geleistet werden. Es sollte klar sein, dass eine solche Analyse keine exakte Wissenschaft ist. Grundsätzlich halte ich Wertschöpfungsbeitragsanalysen für sinnvoll und habe den Eindruck, dass auch gerade nach den Diskussionen zum Kapitel 9 zu business restructuring der OECD-Richtlinien andere Finanzverwaltungen durchaus dazu bereit sind, sich zumindest auf dieses Thema einzulassen. Glauben Sie, dass es noch mehr Leitlinien geben wird, wie eine solche Analyse konkret durchzuführen ist? Das stelle ich mir ziemlich schwer vor, soweit es in den unterschiedlichen Staaten überhaupt jeweils eigene Standards gibt, wie zum Beispiel in Deutschland für die Bewertung den IDW Standard oder die entsprechenden Standards in den USA. Es gibt unterschiedliche Sichtweisen auf die gleichen Probleme. Dass die OECD sich für die konkrete Konstruktion eines Staats entscheidet, ist aus meiner Sicht nicht zu erwarten. Es ist allenfalls vorstellbar, dass vorhandene Standards als Beispiele genannt werden.

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Wir stoßen in der Praxis bei Wertschöpfungsbeitragsanalysen immer wieder auf Bereiche, die nicht durch harte Fakten unterlegbar und im Wesentlichen durch subjektive Einschätzungen der Unternehmen geprägt sind. Erwarten Sie hier ein erhöhtes Konfliktpotenzial? Das glaube ich gar nicht unbedingt. Soweit das Unternehmen gewisse Entscheidungen trifft, die in sich konsistent sind und die in Übereinstimmung mit dem stehen, was tatsächlich ökonomisch passiert, glaube ich, dass jede vernünftige Finanzverwaltung sieht, dass in manchen Bereichen bei Verrechnungspreisen einfach nichts Besseres zu haben ist. Und spätestens im Verständigungsverfahren macht sich die Erfahrung breit, dass ein Kompromiss gefunden werden muss, dass man sich im mittleren Bereich bewegen sollte und dass man keine extremen Positionen beziehen darf. Im Zeitablauf wird es so sein, dass die Unternehmen lernen, wie sie das zu tun haben, und ebenso werden dies auch die Finanzverwaltungen lernen. Schon deshalb, weil diese zunehmende Zahl von Verständigungsverfahren für alle Finanzverwaltungen eine ganz erhebliche Belastung darstellt. Ihre Einschätzung ist also, dass eine plausible, betriebswirtschaftlich nachvollziehbare Wertschöpfungsbeitragsanalyse die Ausgangssituation für die steuerliche Anerkennung einer darauf basierenden Gewinnverteilung deutlich erhöht? Ja, umso stabiler ist auch die Ausgangssituation, um von vornherein zu vermeiden, dass es überhaupt zu einer Doppelbesteuerung kommt. Wird eine Zuordnung von Erträgen basierend auf Wertschöpfungsbeitragsanalysen die vermehrte Anwendung der Gewinnaufteilungsmethode nach sich ziehen, für welche regelmäßig keine Vergleichswerte bestimmt werden können? Ich bin nicht der Meinung, dass eine solche Analyse regelmäßig oder auch nur häufig die Anwendung einer Gewinnaufteilungsmethode nach sich zieht. Diese kommt meist nur dann zur Anwendung, wenn entsprechende iWG auf beiden Seiten der Geschäftstransaktion vorhanden sind. Ansonsten bleibt es bei der Vorgehensweise, dass eine tested party ermittelt wird und versucht wird, aus Sicht dieser tested party einen Fremdvergleichspreis zu ermitteln und damit zu einer Preisfestsetzung zu kommen. Und ich wehre mich dagegen, dass sozusagen der Profit Split generell die Methode der Zukunft sein soll. Wenn man sich die praktischen Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, ansieht, dann würde ich davon ganz dringend abraten, sowohl für die Steuerpflichtigen als auch für die Finanzverwaltungen.

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Mit anderen Worten, bei einer typischen Auftragsfertigungsfunktion oder typischen reinen Vertriebsfunktion sind nach wie vor die Standardmethoden die vorrangig zu wählenden Methoden und lediglich in Situationen, in denen beide Transaktionspartner über iWG verfügen, wäre ein Profit Split vorzuziehen? Ja, soweit beide Transaktionspartner über iWG mit entsprechender Wertigkeit verfügen, kann ich mir den Profit Split vorstellen. Hinsichtlich der iWG beispielsweise, wenn gleichwertiges Markenrecht und Produktions-Know-how im Konzern auseinanderfallen oder wenn verschiedene iWG von verschiedenen Seiten beigetragen werden. Aber ansonsten, für Routineunternehmen, aber auch Mittelunternehmen nach deutscher Lesart, halte ich einen Profit Split für nicht richtig. Dieser sollte sich auf Ausnahmefälle beschränken, in denen wesentliche iWG auf beide Vertragsparteien verteilt sind. Gilt dies auch für eine Vertriebseinheit, die für ihren lokalen Markt verantwortlich ist und hierfür über einen eigenen Kundenstamm oder Ähnliches verfügt? Ein solcher Fall kann gut durch die Resale-minus-Methode abgebildet werden, die meinetwegen auch die TNMM-Systematik mitverwendet. Darüber hinaus bin ich sowieso der Meinung, dass generell ein Price Setting durchgeführt werden sollte. Damit wären aus meiner Sicht die Probleme mit den Datenbanken und mit der Vergleichbarkeit deutlich reduziert. Beim Price Setting verfügen Sie zum Zeitpunkt der Preisfestsetzung nur über die Daten von vergangenen Jahren, müssen berücksichtigen, was bis zum Zeitpunkt der Preisfestsetzung noch geschehen ist, und müssen dann noch Ihre Zukunftserwartungen einfließen lassen. Dieser Mechanismus würde dazu führen, dass die Bedeutung von Datenbanken sich deutlich reduziert. Aber auch beim Price Setting müssen Sie zunächst einen gewissen Rahmen setzen. Dieser Rahmen wäre im Regelfall bereits durch die Vergangenheit gesetzt worden, da es ja nicht um neue Gesellschaften geht. Die Gesellschaft wird in der Regel schon seit Längerem existieren. Das heißt, es gibt abgelaufene Betriebsprüfungen mit Erfahrungswerten, die für die Argumentation genutzt werden können. Und damit kommen wir auch wieder zu dem Punkt, dass man die Kirche im Dorf lassen muss, das heißt, es sollte mit mittleren Werten, wahrscheinlicheren Werten gearbeitet und im Eigeninteresse der Unternehmen nicht versucht werden, Grenzwerte zu verwenden. Der mittlere Bereich ist der Bereich, der auch von den Finanzverwaltungen der meisten anderen Staaten akzeptiert wird.

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Wenn wir von Werten im mittleren Bereich sprechen, sind wir wieder bei Benchmarkstudien, durch die der Rahmen gesetzt werden muss. Daran glaube ich für die Zukunft nicht mehr. Ich sehe viele kleinere Unternehmen, die sich Benchmarkstudien gar nicht so ohne Weiteres leisten können, und ebenso kleine Steuerberaterbüros, die den Zugang zu solchen Datenbanken nicht ohne Weiteres stemmen können. Daher fände ich es sehr positiv, wenn man ein Verfahren finden würde, das weitgehend ohne Benchmarkstudien auskommt. Man wird Benchmarkstudien wahrscheinlich auch in Zukunft noch brauchen, um überhaupt gewisse Anhaltspunkte für das Verhalten voneinander unabhängiger Dritter zu bekommen. Aber anschließend, mit ökonomischem Sachverstand, unter Berücksichtigung der Entwicklung auf dem Markt, bezogen auf die konkreten Produkte, bezogen auch auf die Zukunftsaussichten und mit entsprechenden Anpassungsmechanismen, meine ich, müsste man relativ gut auch weitgehend ohne Datenbanken auskommen. Die Verwaltungsgrundsätze-Verfahren enthalten derzeit nur sehr allgemeine Ausführungen, wie eine Wertschöpfungsbeitragsanalyse durchzuführen ist. Gibt es Überlegungen vonseiten des BMF, Vorschläge zu erarbeiten, welche Voraussetzungen eine Wertschöpfungsbeitragsanalyse erfüllen muss, um von der Finanzverwaltung akzeptiert zu werden? Bislang habe ich hierzu noch von keinem Bedarf gehört, aber im Prinzip wäre es natürlich denkbar, sich darüber mit der Betriebswirtschaft und mit betriebswirtschaftlich interessierten Fachleuten auseinanderzusetzen, um zu sehen, was an weiteren Handreichungen gegeben werden könnte. Aber wie gesagt, es geht im Grunde genommen darum, mit der Wertschöpfungsanalyse die Preisbestimmung aus Sicht der tested party in den Griff zu bekommen, nicht darum, mit der Zielsetzung in die Analyse hineinzugehen, am Ende beim Profit Split zu landen. Also die Durchführung einer Wertschöpfungsanalyse eher im Sinne einer Verprobung als im Sinne einer Preisfestsetzung? Ich sehe durchaus eine Wertschöpfungsanalyse auch als Mittel einer nachvollziehbaren Preisfestsetzung. Eine solche Analyse muss gar nicht unbedingt zweiseitig sein, sondern kann einfach nur die Wertschöpfung in dem einen Unternehmen beschreiben und vielleicht noch aussagen, was das andere Unternehmen im selben Bereich macht. Unsere Erfahrungen sind, dass bei der Durchführung von Wertschöpfungs-beitragsanalysen die Sichtweise der Unternehmen relativ stark von der Sichtweise der Finanzverwaltung abweicht, wie eine solche durchzuführen ist. Dies kann schon bei der Definition

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des Wertschöpfungsbeitrags beginnen. Wie können Steuerpflichtige mit dieser Unsicherheit umgehen? Ich rate dringend dazu, Wertschöpfungsbeitragsanalysen zum einen nicht erst in der Betriebsprüfung zu machen, sondern wenn möglich vorher. Darüber hinaus kann im Vorfeld mit der Betriebsprüfung eine informelle Abstimmung dahin gehend erfolgen, zu welchem Zweck die Wertschöpfungsbeitragsanalyse gemacht wird und nach welchen Kriterien sie aufgestellt und dokumentiert werden soll. Damit wäre schon mal eine ganze Menge von dem möglichen Streitpotential abgedeckt. Und selbstverständlich müssen Sie in der Betriebsprüfung etwas vorlegen, das aus Sicht der Betriebsprüfung insgesamt betriebswirtschaftlich zu vertretbaren Ergebnissen führt. Andernfalls kommen Sie natürlich in kontroverse Diskussionen. Die Mutmaßung der Finanzverwaltung ist oftmals, dass solche Wertschöpfungsbeitragsanalysen hingerechnet worden sind, wenn das Ergebnis der Analyse sich nicht mit der Erwartung der Betriebsprüfung deckt. Darum sage ich ja, man sollte das im Rahmen des Price Setting machen. Unter Berücksichtigung der Werte, die man zu diesem Zeitpunkt aus der Vergangenheit kennt, sowie unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Entwicklung, bezogen auf die konkrete Geschäftstätigkeit der tested party und mit einer realistischen Zukunftsprognose. Zudem können vertraglich Anpassungsmechanismen vereinbart werden. Ich meine, dass ein solches flexibles System der Weg ist, eine Vielzahl von ansonsten schwierigen Betriebsprüfungsproblemen zu vermeiden. Sozusagen ein einfacher einseitiger Informationsaustausch mit den zuständigen Prüfern, ohne in ein Vorabverständigungsverfahren einzutreten? In den Verwaltungsgrundsätzen-Verfahren haben wir eine entsprechende Regelung zu der Frage, was ist in Zukunft wie zu dokumentieren, das heißt bei der Frage, was überhaupt zu dokumentieren ist und was Grundlage der Dokumentation ist. Wir haben eine Formulierung in den Verwaltungsgrundsätzen-Verfahren, dass sich die Betriebsprüfung einer Diskussion darüber nicht verweigern soll. Das gilt auch dann, wenn sich die Diskussion nicht auf den Prüfungszeitraum, sondern auf die Zukunft bezieht. Auf dieser Grundlage kann versucht werden, ein in sich schlüssiges und vernünftiges Verrechnungspreissystem mit der Betriebsprüfung für die Zukunft abzusprechen, auf dem die Dokumentation dann beruht, sicherlich nicht bis in das kleinste Detail, aber doch in Grundsätzen. Wobei dies hat nun nichts mehr mit dem Thema BEPS zu tun.

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Nicht unmittelbar, aber es kann natürlich sein, dass bestimmte aus BEPS resultierende Themen die Steuerpflichtigen vermehrt in die Richtung treiben, Probleme proaktiv anzugehen. Ich persönlich denke, es ist für die Steuerpflichtigen hilfreich, wenn sie sich im Vorfeld mit der Finanzverwaltung abstimmen, um zumindest die „Heimatfinanzverwaltung“ auf der eigenen Seite zu haben. Das wird jedoch nur in Form einer informellen Absprache möglich sein, mittels der gewisse „Leitplanken“ eingezogen werden, sodass man im Ansässigkeitsstaat keine Probleme bekommt. Allerdings bedeutet dies nicht, dass wir dazu eine Art unilaterales APA abschließen werden. Maßnahme 13: Dokumentation/Country-by-Country-Reporting Das jüngst veröffentlichte Papier zur Dokumentation von Verrechnungspreisen sieht eine deutliche Ausweitung der Dokumentationserfordernisse von Steuerpflichtigen vor. So wird die Notwendigkeit der Qualität der Informationen in Masterfile und Local File deutlich stärker betont. Darüber hinaus soll die Dokumentation um eine dritte Säule, dem sog. Country-by-CountryReporting (CbCR), erweitert werden. Inwieweit beabsichtigt die deutsche Finanzverwaltung, die Anforderungen eines CbCR in Deutschland umzusetzen? Haben die Ankündigungen von Ländern wie zum Beispiel UK, dass sie das CbCR zeitnah einführen wollen, Einfluss auf die Umsetzung in Deutschland? Wenn Anfang nächsten Jahres der Implementierungsteil zu CbCR vorliegt, werden wir uns diesen genauer ansehen. Da es dabei um die Dokumentation von Verrechnungspreisen geht, habe ich auch die Absicht, in einen Meinungsaustausch mit den deutschen Unternehmen einzutreten, bis wann aus ihrer Sicht das CbCR realistisch umgesetzt werden kann. Zudem bin ich der Meinung, dass in diesem Zusammenhang eine ganze Menge rechtlicher Fragestellungen zu klären sind. Zum Beispiel, wem muss das gesamte Dokumentationspaket übergeben werden und welcher Mechanismus kommt bei dessen Austausch konkret zur Anwendung. Hierbei gibt es eine Vielzahl von offenen Fragen, da beispielsweise in den DBA gewisse normative Grenzen für die Weitergabe von Informationen enthalten sind. Des Weiteren haben wir das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu beachten, das heißt, wir haben verfassungsrechtliche Probleme, wenn wir ungefiltert Daten von Unternehmen an andere Finanzverwaltungen weitergeben. Dazu müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, derzeit stellt sich dies für mich einigermaßen schwierig dar.

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Sofern die Finanzverwaltung eines anderen Staats die Daten in Deutschland anfordert, gibt es eine Anhörungspflicht für den Steuerpflichtigen. Wie sehen Sie diesen Aspekt in dem Zusammenhang? Ja, im Zweifel, wenn der Steuerpflichtige nicht damit einverstanden ist, geht das dann im vorbeugenden Rechtsschutz auch vor Gericht. Und das Gericht wird sich nicht dafür interessieren, was die OECD bei BEPS vorgegeben hat, sondern es wird anhand von innerstaatlichen Rechtsgrundlagen entscheiden. Und da wird zum Beispiel auch die Frage nach der Verhältnismäßigkeit aufkommen. Die Datenübermittlung könnte beispielsweise in einem DBA geregelt und über ein Auskunftsersuchen angefordert werden. Richtig. Hierbei wäre nach derzeitigem Stand zu prüfen, ob der andere Staat die Informationen überhaupt benötigt bzw. aus welchem Grund er sie anfordert, zum Beispiel ob sie für seine Verrechnungspreise tatsächlich von Bedeutung sind. Diese Fragen sind aus deutscher Sicht nicht so einfach zu klären, auch wenn die OECD relativ einfach darüber hinwegzugehen scheint. Bedeutet dies, dass es in Deutschland zu keiner faktischen Pflicht zur Umsetzung des CbCR kommt, nur weil dieses in einigen Ländern tatsächlich umgesetzt wird und Deutschland damit in Zugzwang kommt, ebenfalls bestimmte Umsetzungen vorantreiben zu müssen? Wir können über unsere rechtlichen Grenzen nicht deswegen hinweg, weil andere Staaten das wollen oder vormachen. Des Weiteren können die staatlichen Vorstellungen von Vorschriften, Regelungen usw. in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich sein. Ich denke, man tut sich keinen Gefallen, wenn man Regelungen schafft, die sich dann am Ende nicht tragen. Wenn Länder, wie Brasilien, Indien, China, Italien, UK oder Frankreich CbCRRegelungen einführen, bedeutet dies als solches noch nicht, dass dies auch in Deutschland rechtmäßig ist. Die Frage wäre aber, wenn andere Länder anfangen, diese Informationen einzuholen, ob sich die deutsche Finanzverwaltung nicht schlechter stellen möchte und daher ebenfalls die rechtlichen Rahmenbedingungen schafft, um an diese Informationen zu kommen. Zunächst ist das noch kein rechtlich haltbares Argument. Und Sie bemerken meine Skepsis, inwiefern das auch rechtlich so einfach durchsetzbar ist. Ich kann das noch nicht abschließend beurteilen, aber wir werden sicherlich auch noch intensiv mit dem Verfassungsreferat und mit den DBA-Referaten sprechen, inwiefern Rechtsgrundlagen für so etwas vorhanden sind oder

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geschaffen werden müssen. Darüber hinaus ist die Verhältnismäßigkeit ein Verfassungsprinzip, über das man nicht einfach hinweggehen kann. Die hohe Transparenz eines CbCR birgt aus unserer Sicht die Gefahr, dass manche Länder die Informationen, die Kenntnis über die Aufteilung von Gewinnen und Steuern einseitig zu ihren Gunsten ausnutzen. Sehen Sie diese Gefahr ebenfalls und falls ja, kann vor diesem Hintergrund den Steuerpflichtigen ein CbCR zugemutet werden, ohne dass alle Länder, denen ein derartiger Informationszugriff gewährt wird, einer binding arbitration, also einem Verständigungsverfahren mit Einigungszwang, zustimmen? Eine relativ schwierige Frage deswegen, weil ich keinen anderen Staat daran hindern kann, innerstaatlich entsprechende Verpflichtungen einzuführen. Auf der anderen Seite ist es sicherlich so, dass wir Verständigungsverfahren mit Staaten haben, mit denen wir ein DBA abgeschlossen haben und mit denen Verständigungsverfahren auch funktionieren. Wenn aber Staaten Konsequenzen ziehen, mit denen wir ein DBA haben, aber kein Verständigungsverfahren durchführen können, oder wenn wir Staaten haben, mit denen gar kein DBA besteht, dann ist natürlich das Risiko einer dauerhaften Doppelbesteuerung relativ groß. Und wenn keine Instrumente vorhanden sind, um diese zu lösen, dann halte ich das schon für ein ernstes Problem. Aber zumindest ist es überlegenswert, ob man bei den Ländern, mit denen es ein DBA gibt, proaktiv Verhandlungen aufnimmt, um die DBA-Regelungen zum CbCR aufzunehmen und den Informationsaustausch zu regeln. Aus meiner Sicht ist unklar, ob spezielle Regelungen zu CbCR erforderlich oder machbar sind. Denn soweit Informationen betroffen sind, die für die Besteuerung notwendig sind, gibt es bereits heute den Auskunftshilfeartikel. Für Informationsanforderungen, die darüber hinausgehen, ist unklar, ob ein DBA tatsächlich eine ausreichende Grundlage dafür sein oder auch werden kann, Informationen weiterzugeben, von denen ich selber überzeugt bin, dass der andere Staat diese für seine Verrechnungspreisbestimmungen gar nicht benötigt. Die deutsche Position ist auf jeden Fall, dass ein Streitbeilegungsmechanismus benötig wird, um die mit dem CbCR verbundene Transparenz auszubalancieren. Darüber hinaus kann man noch anfügen, dass ich glaube, dass zahlreiche Staaten derzeit von ihrem (Verrechnungspreis-)Know-how und ihren Ressourcen gar nicht in der Lage sind, ohne Weiteres Verständigungsverfahren oder auch Schiedsverfahren in dem Umfang zu führen, wie das vielleicht notwendig werden würde. Insbesondere die Ressourcen wären in diesem Zusammenhang auch ein Thema für Deutschland, weil zusätzliche Kapazitäten beim Bundeszentralamt für Steuern sowie bei den Bundesländern (wo auch die Daten liegen) erst geschaffen werden müssten. Ich möchte nicht

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verheimlichen, dass ich bei den Dokumentationspflichten, insbesondere beim CbCR, große Probleme sehe. Beim bisherigen Ansatz auf Ebene der Europäischen Union, mit Masterfile und Local File, hatten wir die arbitration im Hintergrund. Das war die Klammer, die die ganze Diskussion eigentlich erst ermöglicht hat. Aber weltweit haben wir das nicht. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, so etwas über das multilaterale Instrument zu schaffen, aber das wäre zunächst auch nur für das Papier, da die Kapazitäten und das Know-how in den beteiligten Ländern nicht automatisch mit dem Abschluss eines Vertrags hergestellt werden. Ich bin durchaus für Dokumentation und für Transparenz, aber das ist kein Selbstzweck. Wir stellen fest, dass in der Praxis teilweise die Gefahr gesehen wird, dass die umfangreichen Daten eines CbCR dazu genutzt werden könnten, eine Besteuerungsbasis mehr oder weniger stark an bestimmten Verteilungsschlüsseln festzumachen (Kosten, Anzahl Mitarbeiter, etc.) Ist das CbCR aus Ihrer Sicht ein erster Schritt zum global formulary apportionment? Das habe ich zunächst auch so gesehen. Inzwischen hat aber die OECD in das Papier hineingeschrieben, dass diese Informationen nur für das Risikomanagement verwendet werden dürfen, also nicht für eine eigentliche Korrektur im Rahmen von Betriebsprüfungen. Das ist eben auch so ein Punkt, wo sich die Staaten, die G20, die das verabschieden wollen, verpflichten müssten, die Daten des CbCR nicht für Korrekturen zu nutzen. Inwiefern das dann auch praktisch überprüfbar ist und praktisch nicht so verwendet wird, ist dann nochmal eine ganz andere Frage. In der Praxis wird natürlich die Gefahr gesehen, dass die Staaten es dann doch tun, wenn die Informationen einmal vorliegen. Sehen Sie diese Gefahr ebenso? Ja, diese Gefahr sehe ich auch. Je weniger es gelingt, verbindliche Streitbeilegungsmechanismen auf der Grundlage des Fremdvergleichsgrundsatzes zu installieren, wie gesagt, am besten wäre arbitration, umso schwieriger wird es. Und umso mehr sind die Unternehmen der Gefahr ausgesetzt, mit einer dauerhaften Doppelbesteuerung leben zu müssen. Das ist auch nicht im Interesse der Staaten, die Sitzstaaten für multinationale Unternehmen sind. Hierzu gehört auch die Bundesrepublik Deutschland. Dabei ist auch zu bedenken, dass die Doppelbesteuerung die Konkurrenzfähigkeit eines Unternehmens beeinträchtigen kann, an der auch der Sitzstaat ein massives Interesse hat. Gibt es außenpolitische Bedenken, dass durch das CbCR Deutschlands Steueraufkommen zu transparent wird und ärmere Staaten hierdurch ihre politische/wirtschaftliche Einstellung zu hoch

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entwickelten Industriestaaten wie Deutschland möglicherweise überdenken? Das ist eigentlich keine Frage der Außenpolitik, vielmehr geht es genau um die Frage, wie Transparenz auf eine faire Art und Weise ausbalanciert werden kann. Dies wird ein Thema im Rahmen der Implementierung sein. Aber ich befürchte, dass die deutschen Bedenken, die durchaus existieren, international von den anderen Staaten, auch von Industriestaaten, nicht in dem Umfang oder in der Deutlichkeit geteilt werden. Es könnte daher schwierig für die Bundesrepublik werden, da etwas zu erreichen. Der veröffentlichte OECD-Bericht unterstreicht die klare Präferenz der OECD für eine zeitnahe Dokumentation und einer Abgabe mit Einreichung der Steuererklärung. Welche Überlegungen gibt es diesbezüglich vonseiten des BMF? Wir haben bei den Dokumentationspflichten ausdrücklich von einer generellen zeitnahen Dokumentation Abstand genommen. Ich sehe auch noch nicht die wirkliche Notwendigkeit, das zu ändern, zumindest aus fachlicher Sicht. Aber wenn die Unterlagen künftig für Zwecke des Risikomanagements genutzt werden sollen und wir auch die Informationen von anderen Staaten bekommen, zum Beispiel bezogen auf deutsche Tochtergesellschaften ausländischer Konzerne, dann wird es notwendig, dass jede Muttergesellschaft in ihrem Sitzstaat die entsprechenden Unterlagen frühzeitig abgibt, um den Auskunftsaustausch zu ermöglichen. Manche Länder machen die Befreiung von Sanktionen auch davon abhängig, dass zeitnah zum Beispiel in der Steuererklärung bestätigt werden muss, dass eine Verrechnungspreisdokumentation vorhanden ist. Gibt es dahin gehend beim BMF Überlegungen? Über Sanktionen denken wir derzeit nicht nach, da uns das Ganze doch einigermaßen heikel erscheint. Wir warten ab, was bei der Implementierung herauskommt. Thema Materialitätsgrenzen: Die OECD erwähnt in ihrem Bericht auch, dass die Einführung von Materialitätsgrenzen grundsätzlich in Erwägung gezogen werden sollten. Gibt es Überlegungen, zusätzlich zu den Erleichterungen des § 6 GAufzV (Kleinunternehmerregelung) Materialitätsgrenzen einzuführen? Bei der OECD gibt es dazu Diskussionen. Nach meiner Meinung könnten beim CbCR und bei der kurzfristigen Abgabe Größengrenzen eingeführt werden. Die Dokumentationspflichten könnten ansonsten unberührt belassen werden. Grundsätzlich sind das aus meiner Sicht zwei verschiedene Dinge, da das eine dafür benötigt wird, um eine Risikoeinschätzung durchzuführen, während das andere benötigt wird, um eine Betriebsprüfung durchzuführen. In diesem

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Kontext wird sicherlich noch mal darüber nachgedacht, ob die Grenzen unterschiedlich gesetzt werden sollten bzw. ob die Grenzen der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung (GAufzV) angepasst werden sollten. Dazu gibt es noch keine feste Position. Maßnahme 15: Entwicklung eines multilateralen Übereinkommens zur Anpassung bilateraler Steuerabkommen In diesem Bericht wird untersucht, ob ein multilaterales Übereinkommen zur synchronisierten Umsetzung der auf Steuerabkommen gerichteten BEPS-Maßnahmen in die bilateralen DBAs wünschenswert und umsetzbar ist. Für wie realistisch halten Sie es, dass ein derartiges multilaterales Übereinkommen verabschiedet wird? Das wäre eventuell eine Möglichkeit, um eben einen internationalen Streitschlichtungs-mechanismus zu implementieren. Darüber hinaus könnte eventuell auch die Legitimation, die Dokumentation bzw. das CbCR zu verlangen, davon abhängig gemacht werden, dass der betreffende Staat bei diesem multilateralen Übereinkommen mitwirkt. Es ist aber unklar, ob dies ein realistisches Szenario ist. Bislang gibt es nur die Überlegung, dass man die DBA mit Hilfe des multilateralen Instruments schneller anpassen möchte. Ein Streitschlichtungsmechanismus würde in dem Fall auch Staaten betreffen, mit denen gar kein DBA besteht. Da müsste man dann – ähnlich wie für Exchange of Information – Abkommen speziell zu Verrechnungspreisen abschließen, in Hinblick auf die DBA Artikel 7 und Artikel 9 und auf den Artikel zu Schiedsund Verständigungs-verfahren. Denkbar wäre das, aber es erscheint fraglich, ob es dazu kommt. Wir fänden das sicherlich gut. Wir glauben, die deutschen Konzerne auch. Weil gerade mit Staaten wie Brasilien, doch große Unsicherheit herrscht und es entsprechende Probleme gibt, wenn keine entsprechenden DBAs vorliegen. Genau das kann große Probleme verursachen. Wie gesagt, die ganze Sache muss man insgesamt in der Entwicklung auf der Zeitschiene sehen. Das heißt, wir werden sicher etwas bekommen, aber es wird dauern, und es wird weitere Adjustierungen erfordern, bis eine in sich stimmige Lösung gefunden ist, die sowohl das Informationsbedürfnis der Finanzverwaltung erfüllt als auch überbordend hohe Bürokratiekosten vermeidet. Ganz einfach stelle ich mir das nicht vor. Aus rechtlicher Sicht gibt es den Experten zufolge keine Bedenken, dass dazu so etwas wie ein multilaterales Instrument theoretisch zumindest möglich ist. Inwiefern das aber tatsächlich von der OECD betrieben wird, kann ich nicht sagen.

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Maßnahme 14 (noch ausstehend): Verbesserung der Verwaltungsarbeit in Verständigungs- und Schiedsverfahren Aufgrund dessen, dass Sie Mitglied im EU-Verrechnungspreisforum sind: Was wäre Ihr Vorschlag, wie die arbitration procedures (EU Arbitration Convention) bzw. Verständigungsverfahren nach Art. 25 OECD-Musterabkommen schneller bzw. effizienter gemacht werden können? Mein Vorschlag, der allerdings kaum kurzfristig realisierbar sein dürfte, wäre, dass nach Möglichkeit dafür gesorgt wird, dass die sogenannten kleineren bzw. Routine- und risikoarmen Fälle auf andere Art und Weise als über Verständigungs- und Schiedsverfahren gelöst werden. Hierzu hat das EU Joint Transfer Pricing Forum schon gewisse Vorarbeiten geleistet und vielleicht könnte auf diesem Weg noch weitergegangen werden. Zu Nichtbeanstandungsgrenzen, also sogenannten Safe Harbours, hat die OECD ebenfalls bereits Überlegungen angestellt. Möglicherweise kann an dieser Stelle mit widerlegbaren Vermutungen gearbeitet werden, sodass die Staaten, wenn sie etwas aufgreifen, was innerhalb der Nichtbeanstandungsgrenzen liegt, eine erhöhte Nachweislast für das Vorliegen eines Verstoßes gegen den Fremdvergleichsgrundsatz haben. Jedenfalls besteht das Bedürfnis, jene Stellen, die sich mit den Fällen in den Verständigungs- und Schiedsverfahren auseinandersetzen, dadurch zu entlasten, dass es relativ überschaubare Fälle einfach gar nicht bis in die Verfahren schaffen. In der Folge würden sich die Verständigungs- und Schiedsverfahren auf die wirklich schwierigen Fälle, mit Intangibles und dergleichen, beschränken. Wenn Sie sagen, dass kleinere Themen mittels Safe-HarbourRegelungen gar nicht erst bis in die großen Verfahren hochkommen sollen, dann weil es in dem jeweiligen Land schon gar nicht zu einer entsprechenden Anpassung kommen darf? Beispielsweise könnte eine Festlegung bedeuten, dass eine Marge von 5 bis 10 Prozent (Bandbreite) für eine Vertriebsgesellschaft angemessen ist und im Regelfall 7,5 Prozent verwendet werden sollten. Der Steuerpflichtige könnte argumentieren, warum er zum Beispiel bei 5 Prozent oder bei 10 Prozent oder dazwischen landet bzw. er müsste darlegen, dass er die Höhe der Marge nicht einfach anhand des jeweiligen Steuergefälles festlegt, sondern dass es dafür funktionale Gründe gibt. Dies könnte akzeptiert werden, es sei denn, der betreffende Staat hat wirklich gewichtige Indizien dafür, dass das Ergebnis dem Fremdvergleichsgrundsatz widerspricht. Ein solches Vorgehen würde eine Menge Fälle abräumen, entsprechendes Personal könnte für die schwierigeren Fälle eingesetzt werden. Eine weitere Entlastungsmöglichkeit wären nach meiner Meinung joint audits. Das gilt natürlich nicht für alle Fälle, sondern nur für Fälle, die von den

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beteiligten Staaten für attraktiv und angemessen gehalten werden. Aber es wäre sicher eine Möglichkeit, in einer laufenden Betriebsprüfung in einem Staat, in dem eine Änderung vorgesehen ist, den anderen Staat einfach hinzuzuziehen und so zu vermeiden, dass ein formelles Verständigungsverfahren durchgeführt werden muss. Voraussetzung hierfür ist, dass die beiden Betriebsprüfer sich über den Sachverhalt und die Rechtsfolgen einigen. Die competent authorities hätten das Ergebnis nur im Hinblick auf Plausibilität und politischer Passfähigkeit zu überprüfen. Das könnte die Verfahren deutlich vereinfachen und verbessern. Herr Naumann, vielen Dank für das Interview.

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Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht

B Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht Der Koalitionsvertrag der Großen Koalition vom 16. Dezember 2013 hat sich die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und die Eindämmung von Steuervermeidung zum Ziel gesetzt und die deutsche Unterstützung der BEPSInitiative bekräftigt. Die Durchführung von zahlreichen nationalen Maßnahmen zur Bekämpfung grenzüberschreitender Gewinnverlagerungen international agierender Unternehmen ist beabsichtigt. Das hat verrechnungspreisrelevante Themen zu einem Schwerpunkt der politischen Agenda des Jahres 2014 gemacht. Die am 1. Januar 2015 in Kraft getretene Gesetzesänderung zur Verschärfung der strafbefreienden Selbstanzeige hat im Zuge der aktuellen prominenten Selbstanzeigen großes öffentliches Interesse erregt und ein gesetztes Ziel des Koalitionsvertrags erfüllt. Außerdem wurde die viel diskutierte Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung am 10. Oktober 2014 verabschiedet. Diese behandelt die nationale Umsetzung des Authorised OECD Approach in § 1 AStG, beinhaltet jedoch zahlreiche Unsicherheiten, die teilweise inkonsistent zu den Vorgaben der OECD sind und das Risiko der Doppelbesteuerung mit sich führen, wie in zwei Beiträgen kritisch reflektiert wird. In weiteren Beiträgen werden die Urteile (1) des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 5. Dezember 2013 zur Bewertung von Unternehmensteilen im Rahmen von steuerlichen Funktionsverlagerungen, (2) des Finanzgerichts Brandenburg vom 30. Januar 2013 zur Korrektur von Teilwertabschreibungen auf grenzüberscheitende Darlehen aufgrund von fehlenden Sicherheiten sowie (3) des Bundesfinanzhofs vom 31. Januar 2013 zur doppelten Besteuerung von verdeckten Gewinnausschüttungen mit Ertragsteuern und Schenkungsteuer behandelt. Darüber hinaus beschäftigen sich Beiträge mit den Fragen, wann eine Weiterbelastung der Grunderwerbsteuer bei Restrukturierungen im Konzern zulässig ist, wie Synergien im Rahmen von Funktionsverlagerungen aufgeteilt werden können sowie mit dem aktuellen Stand zur Problematik des Treaty Override in der Verrechnungspreispraxis.

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Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht

1 Der Koalitionsvertrag – steuerliche Implikationen der Großen Koalition Von Dr. Claudia Dahle, Dr. Christoph Sommer und Kati Fiehler Durch Unterschrift haben sich CDU, CSU und SPD am 16. Dezember 2013 auf einen Koalitionsvertrag mit dem Titel „Deutschlands Zukunft gestalten“ geeinigt. Einige der angekündigten Strategien der neuen Bundesregierung sind die Bekämpfung von Steuerhinterziehung sowie die Eindämmung von Steuervermeidung. Als zentrale steuerpolitische Aufgabe wird hierbei der Kampf gegen grenzüberschreitende Gewinnverlagerungen international agierender Unternehmen, im Speziellen die Unterstützung der OECD-Initiative zu BEPS durch Implementierung von legislativen Steuermaßnahmen, genannt. Während der Koalitionsvertrag lediglich potenzielle Veränderungen und Maßnahmen im Bereich Steuern aufzeigt, ist die grundsätzliche Ausrichtung der zukünftigen Steuerpolitik deutlich erkennbar. Der folgende Artikel gibt einen groben Überblick über die steuerrelevanten Inhalte des Koalitionsvertrags. Gegenstand des Koalitionsvertrags „Steuerhinterziehung bekämpfen – Steuervermeidung eindämmen“ Im dritten Abschnitt des Koalitionsvertrags zum Thema „Solide Finanzen“ widmet sich die Große Koalition explizit der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und der Eindämmung von Steuervermeidung. Der Fokus der neuen Bundesregierung liegt hierbei zum einen auf der Vermeidung doppelter Nichtbesteuerung von Einkünften und zum anderen auf der Vermeidung eines doppelten Betriebsausgabenabzugs. Integraler Eckpfeiler der Steuerpolitik ist neben dem Kampf gegen grenzüberschreitende Gewinnverlagerungen von multinationalen Unternehmen die Vermeidung von schädlichem Steuerwettbewerb zwischen den Ländern. Darüber hinaus bekräftigt die Große Koalition die Unterstützung der BEPSInitiative der OECD, deren Abschluss derzeit für 2015 vorgesehen ist. Sollte eine fristgerechte Umsetzung der Ziele der Initiative nicht realisierbar sein, sollen rein nationale Maßnahmen zur Zielerreichung implementiert werden. Sofern notwendig, wird die Große Koalition dementsprechend gesetzgeberisch den Initiativen auf OECD-Ebene vorangehen.

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Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht

Angeführte Beispiele für nationale Maßnahmen der deutschen Bundesregierung beinhalten: ● Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs für Zahlungen an Briefkastenfirmen, die keine hinreichende aktive Geschäftstätigkeit nachweisen können ● Ausweitung des Anwendungsbereichs der EU-Zinsrichtlinie auf alle Kapitaleinkünfte und alle natürlichen und juristischen Personen45 ● Einführung eines öffentlichen Registers für alle wirtschaftlich Beteiligten an Trust-Konstruktionen nach dem Vorbild des Geldwäschegesetzes ● Sicherstellung einer korrespondierenden steuerlichen Abziehbarkeit von Lizenzaufwendungen mit einer angemessenen Besteuerung der Lizenzerträge im Empfängerland ● gezieltes Einsetzen eines Schnellreaktionsmechanismus46 sowie Ernennung des Bundeszentralamts für Steuern zum zentralen Ansprechpartner der Steuerfahndungsstellen und Finanzverwaltungen der Bundesländer zur Erkennung und Unterbindung von Umsatzsteuerbetrug ● konsequenter Kampf gegen die Steuervermeidung durch die Nutzung von Offshorefinanzplätzen ● Weiterentwicklung der Regelungen zur strafbefreienden Selbstanzeige, zum Beispiel das Wirksamwerden der Selbstanzeigen von vollständigen Angaben zu steuerrechtlich unverjährten Zeiträumen (zehn Jahre) abhängig machen47 ● aufsichtsrechtliche Sanktionen bis hin zum Lizenzentzug bei systematischen Verstößen von Banken gegen das Steuerrecht Zusätzlich zu den vorgenannten Maßnahmen soll die neue deutsche Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen (DBAs) dazu verwendet werden, die Steuerhinterziehung und Steuervermeidung einzudämmen. Neben den nationalen Regelungen strebt die Große Koalition daher

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Redaktioneller Hinweis: Am 24.03.2014 hat der Rat der Europäischen Union eine Ausweitung der EU-Zinsrichtlinie beschlossen. Außerdem hat die EU am 14.10.2014 eine Erweiterung der EU-Amtshilferichtlinie beschlossen. Beides muss bis 2017 in nationales Recht umgesetzt werden. Redaktioneller Hinweis: Mit der Richtlinie 2013/42/EU wurde ein sog. Schnellreaktionsmechanismus in Art. 199b MwStSystRL geschaffen, um den Umsatzsteuerbetrug zu bekämpfen. Redaktioneller Hinweis: Die Regelungen zur strafbefreienden Selbstanzeige wurden durch das „Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung“ vom 22.12.2014 verschärft (siehe Kapitel B 1.2 „Bericht der Facharbeitsgruppe von Bund und Ländern zur Evaluierung der strafbefreienden Selbstanzeige“).

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an, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung durch Abschluss neuer bilateraler DBAs zu vermeiden.48 Transparenz und Informationsaustausch mit ausländischen Steuerbehörden Zur Herstellung einer größeren Transparenz in internationalen Steuersachen gegenüber Finanzverwaltungen wird die Große Koalition entsprechend den europäischen Regelungen (Country-by-Country-Reporting) länderspezifische Berichterstattungen zwischen den Steuerverwaltungen der Länder einführen. Diese sollen insbesondere Daten über Gewinne/Verluste sowie gezahlte Steuern im Bankensektor sowie den Rohstoffhandel erfassen. Ebenfalls wird eine Revision des OECD-Musterabkommens zum Informationsaustausch mit dem Ziel eines automatischen steuerlichen Informationsaustauschs als Standard angestrebt.49 In der Zwischenzeit sollen in Anlehnung an die bereits kontrahierten Vereinbarungen mit sechs EU-Staaten weitere biund multilaterale Vereinbarungen über einen automatischen Informationsaustausch abgeschlossen werden. Darüber hinaus haben sich die Parteien für eine Unterstützung der Harmonisierung der Besteuerung von Körperschaften in der EU ausgesprochen. Eines der Hauptziele der Harmonisierungsbestrebungen ist die Einführung einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage. Fazit Obwohl der Koalitionsvertrag lediglich Indizien für potenzielle Änderungen der deutschen Steuerpolitik liefert, wird die Richtung der neuen Regierung in Bezug auf die Steuerpolitik deutlich: der Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung mit einem besonderen Fokus auf Gewinnverlagerungen von international agierenden Unternehmen. Steuerpflichtige sollten demzufolge die Auswirkungen der deutschen Steuernovellierungen auf ihre unternehmerischen Strukturen und Entscheidungen berücksichtigen.

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Redaktioneller Hinweis: Am 28.03.2014 wurde ein neues DBA zwischen Deutschland und China unterzeichnet, welches voraussichtlich 2016 in Kraft tritt. Redaktioneller Hinweis: Am 15.07.2014 wurde das OECD-Musterabkommen hinsichtlich des Standards zum automatischen Informationsaustausch (Art. 26) aktualisiert. Am 29.10.2014 haben 51 Staaten die Änderungen in Form einer multilateralen Übereinkunft in Berlin unterzeichnet.

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2 Bericht der Facharbeitsgruppe von Bund und Ländern zur Evaluierung der strafbefreienden Selbstanzeige Von Dr. Claudia Dahle und Dr. Christoph Sommer Die von den Staatssekretären mit der Evaluierung der strafbefreienden Selbstanzeige im Sinne der §§ 371 und 398a AO beauftragte Arbeitsgruppe hat am 18. Februar 2014 ihren ersten Bericht50, vorgelegt.51 In diesem hat sich die Arbeitsgruppe für die Beibehaltung der strafbefreienden Selbstanzeige ausgesprochen, zugleich aber mögliche Modifikationen zur Verschärfung des Rechtsinstituts ausgearbeitet. Damit wird auch einer Maßgabe des zwischen CDU, CSU und SPD am 16. Dezember 2013 geschlossenen Koalitionsvertrags entsprochen, da dieser unter anderem die Prüfung der Regelungen zur strafbefreienden Selbstanzeige vorsieht.52 Den Ergebnissen der Arbeitsgruppe sind die Finanzminister von Bund und Ländern auf der Finanzministerkonferenz im Wesentlichen gefolgt.53 Bericht der Facharbeitsgruppe Auftrag der Arbeitsgruppe war es, möglichst sämtliche Optionen für eine Weiterentwicklung der Vorschriften zur strafbefreienden Selbstanzeige und das Absehen von einer Strafverfolgung ergebnisoffen zu untersuchen. Nach Evaluation der Voraussetzungen für eine wirksame Abgabe der Selbstanzeige aus verfassungsrechtlicher, fiskalischer und verwaltungsökonomischer Sicht hat sich die Facharbeitsgruppe für die grundsätzliche Beibehaltung des Rechtsinstituts ausgesprochen. In der Zusammenfassung des Berichts heißt es, dass punktuelle Modifikationen einschließlich Verschärfungen aus fachlichen Gründen für möglich gehalten werden. Inhaltlich nennt der Bericht folgende 50

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Vgl. Facharbeitsgruppe von Bund und Ländern: „Evaluierung der §§ 371, 398a Abgabenordung – Wesentliche Ergebnisse und Bericht der Facharbeitsgruppe“, 18.02.2014. Redaktioneller Hinweis: Das „Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung“ vom 22.12.2014 ist am 01.01.2015 in Kraft getreten. Es beinhaltet eine Verlängerung der Verjährungsfrist auf zehn Jahre sowie einen gestaffelten Zuschlag von 10 Prozent bei mehr als 25.000 Euro, 15 Prozent bei mehr als 100.000 Euro und 20 Prozent bei mehr als einer Million Euro. Die Beschränkung des Hinterziehungsvolumens wurde somit von 50.0000 Euro auf 25.000 Euro gesenkt. Vgl. Artikel 1 im Kapitel B Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht. Vgl. BMF: „Strafbefreiende Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung verschärft“, 27.03.2014.

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mögliche Ansatzpunkte für eine Verschärfung des Rechtsinstituts der Selbstanzeige: ● Anpassung der Bedingung für eine Straffreiheit an strafrechtliche Verjährungsregeln (zehn Jahre) anstatt wie bisher an steuerrechtliche Verjährungsregeln (fünf Jahre) ● Ausschluss der Wirksamkeit der Selbstanzeige bei schwerer Steuerhinterziehung (neben der derzeitigen Beschränkung auf das Hinterziehungsvolumen von 50.000 Euro) sowie Absehen von Strafe auch in Fällen der Steuerhinterziehung mit einem Hinterziehungsvolumen von weniger als 50.000 Euro nur bei gleichzeitiger Zahlung des Zuschlags von 5 Prozent im Sinne des § 398a AO ● Einbeziehung von Hinterziehungszinsen von 6 Prozent in die sofortige Nachzahlung ● Anhebung des Zuschlags nach § 398a AO auf 7,5 Prozent oder als Staffelung von 2 bis 10 Prozent ausgestaltet Ansätzen wie der Abschaffung der Zuschlagszahlung nach § 398a AO zur Erlangung der Straffreiheit, der Modifizierung der steuerrechtlichen Verjährungsregeln durch Implementierung einer Anlaufhemmung bei Steuerhinterziehung, dem steuerartenübergreifenden Berichtigungserfordernis, der einmaligen Möglichkeit der Selbstanzeige im „Steuerleben“ (sog. Lebensbeichte), der Verschärfung der Regelungen bei Auslandssachverhalten sowie der Umwandlung des § 398a AO in eine Ermessensvorschrift für die Finanzverwaltung hat die Arbeitsgruppe aus rechtlichen Gründen eine Absage erteilt. Abschließend weist die Facharbeitsgruppe auf die Schwierigkeiten und weiteren Klärungsbedarf hinsichtlich des Anwendungsbereichs der strafbefreienden Selbstanzeige bei Anmeldesteuern hin. Finanzministerkonferenz am 27. März 2014 Den Ergebnissen und Empfehlungen der Arbeitsgruppe wurde von den Finanzministern von Bund und Ländern auf der Finanzministerkonferenz im Wesentlichen gefolgt.54 So sprachen sie sich für eine grundsätzliche Beibehaltung der strafbefreienden Selbstanzeige aus; allerdings sollen die Voraussetzungen verschärft werden. Unter anderem soll die Straffreiheit an die strafrechtlichen Verjährungsregeln von zehn Jahren angepasst, der Zuschlag nach § 398a AO auf 10 Prozent angehoben und die sofortige Bezahlung der Hinterziehungszinsen von 6 Prozent als Bedingung für die Straffreiheit aufgenommen werden. Ferner haben die Finanzminister beschlossen zu prüfen, ob das Absehen von Strafe auch in Fällen der Steuerhinterziehung mit einem Hinter54

Vgl. Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg: „Finanzminister einigen sich auf erste Eckpunkte zur Verschärfung der Selbstanzeige“, 27.03.2014.

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ziehungsvolumen von weniger als 50.000 Euro nur bei gleichzeitiger Zahlung des Zuschlags von 5 Prozent im Sinne des § 398a AO erfolgen soll sowie ob die Einführung einer Obergrenze des Hinterziehungsvolumens für eine wirksame Selbstanzeige in Betracht kommt. Fazit und Ausblick Aufgrund der Ergebnisse der Finanzministerkonferenz am 27. März 2014 sowie des im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD klar formulierten Ziels „Steuerhinterziehung bekämpfen – Steuervermeidung eindämmen“ kann mit einer grundsätzlichen Beibehaltung, aber gesetzgeberischen Verschärfung der strafbefreienden Selbstanzeige gerechnet werden. Die Koalitionsfraktionen von CDU, CSU und SPD haben sich in der Bundestagssitzung am 2. April 2014 den Ergebnissen der Finanzministerkonferenz angeschlossen. Weitere Arbeitsaufträge an die Facharbeitsgruppe im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens – insbesondere im Bereich der Anmeldesteuern sowie hinsichtlich der Abgrenzung der Einordnung einer Korrektur der Steuererklärung in den Anwendungsbereich des § 153 AO oder in den Anwendungsbereich des § 371 AO – sind aber nicht ausgeschlossen.

3 Anwendung des APA-Prozesses auf Betriebsstätten – potenzielle Risikominimierung vor dem Hintergrund des AOA Von Kati Fiehler und Martin Dombrowski Bei der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes ist es aus Sicht der Steuerpflichtigen stets erstrebenswert, Unsicherheiten und nicht absehbare Besteuerungskonflikte zu vermeiden. Den Weg des APA-Prozesses zu beschreiten ist daher vielen Unternehmen nicht fremd. Die Möglichkeit, bilateral gültige Verrechnungspreise und Methoden für bis zu fünf Jahre mit den Finanzverwaltungen zu vereinbaren, ist ein Instrument, um entsprechende Unsicherheiten zu minimieren. Mit der Umsetzung des Authorised OECD Approach (AOA) in nationales Recht könnten Advance Pricing Agreements (APAs) nun auch für internationale Betriebsstätten an Bedeutung gewinnen. Grundlagen Unter der Berücksichtigung bestimmter Voraussetzungen können zwischen Steuerpflichtigem und Finanzverwaltungen bereits vor Realisierung eines Sachverhalts Einigungen über Verrechnungspreismethoden dem Grunde und der Höhe nach erzielt werden. Dieses für einen bestimmten Zeitraum und einen 66 Transfer Pricing Perspective Deutschland

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konkreten Sachverhalt getroffene Arrangement ist verbindlicher Natur und schafft Rechtssicherheit für den Steuerpflichtigen. Ein solches APA kann sowohl unilateral, bilateral als auch multilateral ausgehandelt werden. Unilaterale APAs, die zwischen Unternehmen und Finanzbehörde vereinbart werden, sind nur für seltene Ausnahmefälle vorgesehen (z. B. wenn das Land des Transaktionspartners über kein APA-Programm verfügt). Üblich sind bilaterale APAs zwischen zwei Staaten oder multilaterale APAs, bei denen die Behörden mehrerer Staaten involviert sind. APAs für Betriebsstätten Da die Gewinnaufteilung für inländische Betriebsstätten ausländischer Unternehmen bzw. für ausländische Betriebsstätten inländischer Unternehmen mit Einführung des AOA aus deutscher Sicht uneingeschränkt dem Fremdvergleichsgrundsatz unterworfen wird, stellt sich die Frage, ob ein APA auch in dieser Hinsicht eine valide Option für Steuerpflichtige darstellt, um Planungsund Rechtssicherheit zu erlangen. Die neue gesetzliche Regelung in § 1 Abs. 5 AStG sowie der Entwurf55 der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV-E) vom 5. August 201356 enthalten zahlreiche Unsicherheiten im Hinblick auf Zuordnungs- und Abgrenzungsfragen. Wenngleich der BsGaV-E bereits viele Details hinsichtlich der Umsetzung dieser Maßgaben nennt, bleiben insbesondere Zweifel, ob die Finanzverwaltung die von den Unternehmen durchgeführten Zuordnungen und Fiktionen identisch beurteilt. Sollte dem nicht so sein, drohen aufgrund der nachgelagerten und oftmals langwierigen Prüfung neben den nachzuzahlenden Steuern hohe zusätzliche Zinsen. Entscheidend ist zunächst, ob APAs die in § 1 Abs. 5 AStG festgeschriebenen Selbstständigkeitsfiktionen von Betriebsstätten umfassen oder ob lediglich die darauf anzuwendenden Verrechnungspreise Gegenstand des Vorabverständigungsverfahrens und der Vorabzusage sein können. Zwar spricht die Finanzverwaltung bezüglich des Zwecks der APAs lediglich von zu harmonisierenden Verrechnungspreismethoden,57 im Weiteren wird allerdings bezüglich des Inhalts und des Umfangs des APA-Antrags von einer 55

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Redaktioneller Hinweis: Am 18.10.2014 erfolgte die Zustimmung des Bundesrats (siehe Kapitel B.4 „Grünes Licht des Bundesrats für die Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung“). Vgl. Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Betriebsstätten nach § 1 Absatz 5 des Außensteuergesetzes (Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung – BsGaV), Entwurf vom 05.08.2013. Vgl. BMF-Schreiben vom 05.10.2006, IV B 4-S 1341-38/06, Tz. 1.1.

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Konkretisierung der Rahmenbedingungen durch den Steuerpflichtigen gesprochen.58 Die von dem Steuerpflichtigen vorzulegenden Unterlagen und Aufzeichnungen umfassen beispielsweise die „Darstellung der organisatorischen und operativen Konzernstruktur“, die „Erläuterung der Funktionen und Risiken“, die „wesentlichen Wirtschaftsgüter“, die „Darstellung der Beteiligungsverhältnisse“ sowie die „Beschreibung der Tätigkeitsbereiche“.59 Aus dieser Auflistung ist durchaus der Eindruck zu gewinnen, dass ein APA auch die Ebene der Fiktion der Betriebsstätte und des Dotationskapitals sowie die Zuordnung von Wirtschaftsgütern, Personenfunktionen und Risiken umfassen könnte. Zumindest die für eine Verständigung auf einen bi- oder multilateral konsistenten Ansatz hinsichtlich der Fiktion einer Betriebsstätte nötigen Unterlagen sind bereits Teil des deutschen APA-Prozesses. In der Folge ist zu klären, wie die Gültigkeitsbedingungen bezüglich eines solchen betriebsstättenbezogenen APA zu handhaben sind. Um die Wirkung eines APA aufrechtzuerhalten, müssen Gültigkeitsbedingungen erfüllt bleiben, die beispielsweise „gleichbleibende Beteiligungsverhältnisse“, eine „gleichbleibende Funktions-, Risiko- und Kapitalstruktur“ sowie ein „gleichbleibendes Geschäftsmodell“ umfassen.60 Während die diesen Kriterien zugrunde liegenden Sachverhalte bei verbundenen Unternehmen eher gesellschafts- und schuldrechtlich fixiert sind und somit nicht kurzfristig und gegebenenfalls ungewollt abgeändert werden können, unterfallen sie bei der Anwendung auf Betriebsstätten einer konstanten Fiktion. Eine Fiktion ist im Hinblick auf Belastbarkeit und Konstanz jedoch nicht mit vertraglichen Regelungen zu vergleichen. Während beispielsweise eine Reorganisation oder Neuausrichtung eines Mutterunternehmens im Hinblick auf die Gültigkeitskriterien eines APA mit seinem Tochterunternehmen nicht grundsätzlich schädlich ist, wäre im Fall einer Betriebsstätte die gesamte bisherige Fiktion anzupassen. Diese Anpassung könnte gegen die Gültigkeitsbedingungen verstoßen und die Schutzwirkung des APA gefährden oder erlöschen lassen. Erhöhte Sensibilität und das Wissen um die potenzielle Gefährdung der Gültigkeit von APAs seitens des Steuerpflichtigen sind daher dringend angebracht.

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Vgl. BMF-Schreiben vom 05.10.2006, IV B 4-S 1341-38/06, Tz. 3.1, dies wiederum teilweise einschränkend Tz. 3.3. Vgl. BMF-Schreiben vom 05.10.2006, IV B 4-S 1341-38/06, Tz. 3.5. Vgl. BMF-Schreiben vom 05.10.2006, IV B 4-S 1341-38/06, Tz. 3.7.

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Fazit Es wäre im Sinne des Steuerpflichtigen wünschenswert, dass per Anpassung des nationalen APA-Antragsprozesses die Betriebsstättenbesonderheiten ausdrücklich inkludiert werden. So könnte nicht nur Gewissheit hinsichtlich der Verrechnungspreise erzielt werden, sondern auch bezüglich der zugrunde liegenden Selbstständigkeitsfiktion. Im Zuge einer solchen Anpassung würde es sich ebenfalls anbieten, die Gültigkeitsbedingungen im Hinblick auf Betriebsstätten anzupassen oder gesondert zu regeln. Je aggressiver der AOA zukünftig seitens der Finanzverwaltung in Betriebsprüfungen umgesetzt wird, desto größerer Beliebtheit dürften sich betriebsstättenbezogene APAs in Zukunft erfreuen.

4 Grünes Licht des Bundesrats für die Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung Von Martin Dombrowski und Stephanie Wahlig Am 10. Oktober 2014 stimmte der Bundesrat dem aktuellsten Entwurf der „Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Betriebsstätten nach § 1 Absatz 5 des Außensteuergesetzes“ zu. Die bereits im Entwurfsstadium viel diskutierte Konkretisierung der Umsetzung des Authorised OECD Approach (AOA) in § 1 AStG ist nun für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2014 beginnen, anzuwenden. Gewinnabgrenzung bei internationalen Betriebsstättensachverhalten Die Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV) ist in sieben Abschnitte gegliedert. Der zentrale, erste Abschnitt befasst sich zunächst mit allgemeinen Vorschriften, Begriffsbestimmungen und der im Rahmen der Gewinnermittlung einer Betriebsstätte zu erstellenden Hilfs- und Nebenrechnung. Anschließend wird die Selbstständigkeitsfiktion der Betriebsstätte anhand von Zuordnungsregelungen für Funktionen, Wirtschaftsgüter sowie Chancen und Risiken erläutert. Ebenfalls werden die Zuordnung von Dotationskapital sowie die sogenannten anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen behandelt. Die Abschnitte 2 bis 6 befassen sich mit den folgenden Sonderformen von Betriebsstätten: Bank-, Versicherungs-, Bau- und Montage-, Förder- sowie Vertreterbetriebsstätte. In Abschnitt 7 finden sich lediglich die obligatorischen Schlussvorschriften.

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Keine Anpassung der kritisierten Passagen Leider fanden einige Aspekte, die seit der Veröffentlichung des ersten Entwurfs am 5. August 2013 kritisiert wurden, dennoch Eingang in die finale Version der BsGaV. Schwerwiegendste Punkte diesbezüglich sind die unterschiedliche Behandlung von in- und ausländischen Betriebsstätten hinsichtlich des ihnen zuzuweisenden Dotationskapitals (§§ 12, 13 BsGaV) sowie die unterschiedlichen Zuordnungsmethoden für immaterielle Wirtschaftsgüter (§ 6 BsGaV) und Beteiligungen, Finanzanlagen und ähnliche Vermögenswerte (§ 7 BsGaV). Beispielsweise sieht die BsGaV bei der Bestimmung des Dotationskapitals von ausländischen Betriebsstätten standardmäßig die Mindestkapitalausstattungsmethode vor – diese wird von der OECD jedoch nur in Ausnahmefällen toleriert. Durch diese methodischen Friktionen, welche auch inkonsistent zu den Vorgaben der OECD hinsichtlich des AOA sind, entsteht für Steuerpflichtige das Risiko der Doppelbesteuerung. Ob der sich in Entwicklung befindliche Betriebsstättenerlass des Bundesministeriums der Finanzen, der im Laufe des nächsten Jahres veröffentlicht werden soll, es vermag, diese Risiken zu senken, ist noch nicht abzusehen.

5 Einfluss von Handlungsalternativen auf die Aufteilung von Synergien bei Funktionsverlagerungen Von Dr. Abraham Ackerman und Gerrit Halbach Handlungsalternativen spielen bei der Aufteilung von Synergien in der Verrechnungspreispraxis insbesondere bei der Bewertung von Funktionsverlagerungen eine wichtige Rolle. Die Rechtsgrundlagenanalyse macht deutlich, dass Hinweise zu der Frage, wie Handlungsalternativen zu berücksichtigen sind, fehlen. Daher werden in diesem Beitrag mögliche methodische Ansätze vorgestellt, die im Einklang mit gesetzlichen Vorgaben und ökonomischer Theorie stehen.61 Rechtsgrundlagenanalyse Inländische Rechtsgrundlagen Die durch Synergieeffekte generierten positiven Barwerterwartungen sind bei den jeweiligen Ertragswerten im Rahmen der Bewertung von Funktions-

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Der Artikel ist eine Kurzfassung des umfassenden Artikels „Einfluss von Handlungsalternativen auf die Aufteilung von Synergien bei Funktionsverlagerungen“, veröffentlicht in: Der Betrieb, Nr. 46, 15.11.2013, S. 2582.

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verlagerungen zu berücksichtigen.62 Die dadurch entstehenden Überrenditen führen zur Entstehung eines Einigungsbereichs zwischen dem VerkäuferMindestpreis des abgebenden Unternehmens und dem Käufer-Höchstpreis des übernehmenden Unternehmens. Auf Ebene des ermittelten Einigungsbereichs stellt sich die Frage der Aufteilung von Synergien unter Berücksichtigung von Handlungsalternativen.63 Die Aufteilung der Synergieeffekte hängt entscheidend von den konkreten Handlungsalternativen und der Verhandlungsstärke der Unternehmen ab.64 Die Analyse der Funktionsverlagerungsverordnung (FVerlV) vom 12. August 2008 und der Verwaltungsgrundsätze-Funktionsverlagerung vom 13. Oktober 2010 zeigt hinsichtlich der Behandlung von tatsächlich bestehenden Handlungsalternativen bei der Bewertung von Funktionsverlagerungen, dass Handlungsalternativen unstrittig die Gewinnerwartung und damit auch die Preisbestimmung beeinflussen,65 allerdings fehlen Hinweise zu der Frage, wie diese zu berücksichtigen sind. Auch aus den Verwaltungsgrundsätzen-Verfahren 2005 lassen sich hierzu keine Erkenntnisse gewinnen. Sichtweise der OECD Die problematisierte Aufteilung von Synergien hängt laut OECD neben dem jeweiligen Funktions- und Risikoprofil und der Verhandlungsmacht der beteiligten Unternehmen auch von den realistischerweise zur Verfügung stehenden Alternativen ab.66 Leider bleibt laut den OECD-Ausführungen – analog zu den inländischen Rechtsgrundlagen – ebenfalls die Frage unklar, wie bestehende Handlungsalternativen zu berücksichtigen sind. Unterschiedliche Herangehensweisen zur Berücksichtigung von Handlungsalternativen für die Aufteilung von Synergien am Beispiel der Funktionsverlagerung Aufgrund der unklaren gesetzlichen Vorgaben zur Berücksichtigung von Handlungsalternativen für die Aufteilung von Synergien finden Handlungsalternativen oftmals keinen Eingang in die Bewertung.

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Vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 FVerlV vom 12.08.2008 sowie BMF-Schreiben vom 13.10.2010 (Verwaltungsgrundsätze-Funktionsverlagerung), Rn. 93. Vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 Satz 2 FVerlV vom 12.08.2008. Vgl. BMF-Schreiben vom 13.10.2010, Rn. 93. Vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 FVerlV vom 12.08.2008 sowie BMF-Schreiben vom 13.10.2010, Rn. 85, 93. OECD-Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Rn. 9.149.

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Bewertungsmethode auf Basis des § 1 Abs. 3 AStG Für die Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs bei der Bewertung von Funktionsverlagerungen kann auf die direkte oder die indirekte Bewertungsmethode zurückgegriffen werden. Im Folgenden wird ein möglicher Ansatz anhand der indirekten Methode diskutiert. Die indirekte Bewertung resultiert in einem Einigungsbereich durch die Ermittlung des Mindestpreises des verlagernden und des Höchstpreises des übernehmenden Unternehmens jeweils aus einer Vorher-nachher-Betrachtung. Die implizierte Berücksichtigung von Handlungsalternativen auf Ebene des ermittelten Einigungsbereichs kann den auf Basis des Vorher-nachher-Vergleichs ermittelten Mindest- bzw. Höchstpreis jedoch verändern.67 Beim abgebenden Unternehmen wird zunächst von der Fortführung des Geschäftsbetriebs ohne Änderungen ausgegangen. Jedoch stehen dem Unternehmen auch andere Handlungsalternativen wie die Veräußerung, die Umstrukturierung oder andere Optionen zur Verfügung. In analoger Weise ist auf Ebene des übernehmenden Unternehmens der Höchstpreis um den Wert der bestehenden Handlungsalternative zu mindern. Verhandlungstheorie Beispielhaft für die ökonomischen Modelle im Bereich der Verhandlungstheorie soll hier das sogenannte Nash-Verhandlungsmodell betrachtet werden. Dieses ermittelt das Verhandlungsergebnis zwischen fremden Dritten, ohne den dabei kompliziert zu modellierenden Verhandlungsprozess simulieren zu müssen. Die Verhandlungslösung besteht darin, dass jeder „Spieler“ seine Handlungsalternativen (disagreement pay-offs) erhält sowie zusätzlich die Hälfte des verbleibenden Mehrertrags (surplus) nach Abzug der Summe der beiden disagreement pay-offs. Fazit Ausgehend von den inländischen Rechtsgrundlagen sowie den internationalen OECD-Ausführungen ist keine spezielle Methode zur Berücksichtigung von Handlungsalternativen für die Aufteilung von Synergien vorgeschrieben. Der durch den Einfluss von Handlungsalternativen modifizierte Einigungsbereich führt mathematisch zu dem identischen Ergebnis wie die Anwendung der NashVerhandlungstheorie. Diese Erkenntnis zeigt, dass die Nash-Verhandlungstheorie in Bezug auf die Bewertung von Funktionsverlagerungen unseres Erachtens rechtskonform ist.

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Aufgrund der Berücksichtigung der Handlungsalternativen entsteht ein modifizierter Einigungsbereich. Alternativ können die Handlungsalternativen die Festlegung des Verrechnungspreises innerhalb des Einigungsbereichs beeinflussen.

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Abschließend lässt sich festhalten, dass der Einsatz von ökonomischen Theorien als Hilfe zur Plausibilisierung von Verrechnungspreisen durchaus sinnvoll ist. Innerhalb des – zwischen dem theoretischen Umfeld des Fremdvergleichs und dessen praktischer Anwendung bestehenden – Spannungsfelds können ökonomische Theorien von hoher Praxisrelevanz sein.

6 Neues zur Bewertung – Anmerkungen zum Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 5. Dezember 2013 Von Holger Lorenzen und Nael Amin Im Rahmen von steuerlichen Funktionsverlagerungen gemäß § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG erfordert die Bestimmung des Transferpakets oftmals die Bewertung von Unternehmen bzw. Unternehmensteilen. Die deutsche Finanzverwaltung ermittelt dabei die Gewinnpotenziale als Barwerte der aus der Funktion jeweils zu erwartenden Reingewinne nach Steuern (Zukunftserfolgswert, Tz. 5 IDW S 1),68 soweit ein Fremdvergleichspreis nicht verfügbar ist. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat in seiner Entscheidung vom 5. Dezember 2013 zu einem Squeeze-out-Verfahren69 zur Anwendung von Bewertungsverfahren Stellung genommen. Auch wenn dieses Urteil nicht zu steuerlichen Verrechnungspreisen gefällt wurde, können hieraus doch interessante Schlussfolgerungen für die steuerliche Bewertungspraxis gezogen werden. Eindeutiger Unternehmenswert oder Bewertungsbandbreite? Das Landgericht (LG) Frankfurt am Main als Vorinstanz70 hatte die Squeezeout-Abfindung von 63,80 Euro je Stückaktie als angemessen beurteilt. Dabei waren seitens der Parteien diverse Bewertungsgutachten auf Basis der Ertragswertmethode vorgelegt worden. Das LG Frankfurt am Main hatte bei seiner Prüfung allerdings nicht nur auf diese Gutachten, sondern in erster Linie auf eine marktorientierte Methode auf Basis des Börsenkurses abgestellt und dies wie folgt begründet.

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Vgl. BMF-Schreiben vom 13.10.2010 (Verwaltungsgrundsätze-Funktionsverlagerung), Tz. 2.1.4. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 05.12.2013, 21. Zivilsenat, Az. 21 W 36/12. LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 27.01.2012, Az. 3-5 O 102/05.

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Die Bewertung auf Basis des Börsenkurses „sei dem Gericht auch dann eröffnet, wenn – wie vorliegend – im Übertragungsgutachten die allgemein anerkannte Ertragswertmethode zugrunde gelegt worden sei. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die diversen im Verfahren vorgelegten Ertragswertgutachten betreffend den Wert der A AG zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen in einer Größenordnung zwischen 51,80 Euro und 96,10 Euro gelangt seien, könne diesem Wertermittlungsverfahren keine hohe Überzeugungskraft beigemessen werden. Denn die Ergebnisse resultierten jeweils auf ihrerseits jedenfalls nachvollziehbaren, unterschiedlichen Annahmen zu Einzelwerten der zu erwartenden Erträge und des anzuwendenden Kapitalisierungszinses.“71 Auch die deutsche Verrechnungspreisgesetzgebung stellt in erster Linie auf den Fremdvergleichspreis bzw. Marktpreis ab,72 der sich aus einem internen oder externen Fremdvergleich ergibt.73 Ein solcher Fremdvergleichspreis kann etwa vorliegen, wenn im Vorfeld der Funktionsverlagerung eine vorhergehende Unternehmensakquisition desselben Bereichs von einem fremden Dritten erfolgte. Ist ein Fremdvergleichspreis jedoch nicht vorhanden und wird deshalb auf das Ertragswertverfahren zurückgegriffen, so sind die oben genannten Bandbreiten einer solchen Bewertung zu beachten. Oftmals können beim Ertragswertverfahren bereits kleinere Änderungen in den Bewertungsparametern zu größeren Ergebnisänderungen führen.74 Insofern ist insbesondere in Betriebsprüfungen zu berücksichtigen, dass es keinen eindeutigen Wert auf Basis der Ertragswertmethode gibt, sondern dass es darauf ankommt zu bestimmen, ob der vom Steuerpflichtigen ermittelte Wert in einer Bandbreite von Bewertungen liegt, die jeweils auf durchaus realistischen Parameterbündeln beruhen. 71 72 73

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OLG Frankfurt am Main, a. a. O., Tz. 8. § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG. Vgl. BMF-Schreiben vom 12.04.2005 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren), Tz. 3.4.12.2. Vgl. hierzu auch OECD: „Revised Discussion Draft on Transfer Pricing Aspects of Intangibles – 30 July 2013“, Tz. 176. Redaktioneller Hinweis: Vgl. hierzu auch OECD: „Guidance on Transfer Pricing Aspects of Intangibles“, 16.09.2014, Tz. 6.155. Am 16.09.2014 hat die OECD ihren vorerst finalen Bericht zu Verrechnungspreisaspekten immaterieller Wirtschaftsgüter veröffentlicht, vgl. OECD (2014): „Guidance on Transfer Pricing Aspects of Intangibles“, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, OECD Publishing, http://dx.doi.org/10.1787/9789264219212-en). Dieser Bericht stellt eine Überarbeitung des im vorliegenden Beitrag zitierten Diskussionspapiers vom 30.07.2013 dar. Gleichzeitig ist der Bericht vom 16.09.2014 als Arbeitsergebnis zu Maßnahme 8 des BEPS-Aktionsplans zu verstehen.

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Bewertung aus Käufersicht Das OLG Frankfurt am Main hat grundsätzlich die Auffassung der Vorinstanz LG Frankfurt am Main bestätigt, dass der Börsenpreis als Bewertungsmaßstab angesetzt werden kann. Allerdings war dieser Börsenpreis im vorliegenden Fall aufgrund von öffentlichen Angeboten verzerrt. Daher hat sich das OLG Frankfurt am Main detailliert und lehrreich mit den vorgelegten Bewertungsgutachten und den darin angesetzten Bewertungsparametern auseinandergesetzt. Interessant ist, dass das OLG bei der Bewertung von den Ertragsaussichten auf Basis der bestehenden Unternehmenspolitik der Gesellschaft ausgeht. Davon zu trennen sei eine Bewertung anhand eines Zahlungsstroms, den ein potenzieller Käufer der Gesellschaft erwartet. Das OLG führt zur Bewertung aus Käufersicht aus: „Diese Bewertung spielt regelmäßig für das verobjektivierte Ertragswertverfahren und seine Anwendung im gerichtlichen Spruchverfahren keine Rolle. Es ist nicht Aufgabe des Spruchverfahrens, alternative unternehmerische Konzepte zu entwerfen und jeweils hieraus gesonderte Unternehmenswerte zu berechnen, wobei der angemessenen Abfindung der höchste Wert zugrunde zu legen sei. Richtig ist vielmehr allein, dass die angemessene Abfindung des Minderheitsaktionärs – von extremen Ausnahmen abgesehen – von der bestehenden Unternehmenspolitik auszugehen hat.“75 Die Finanzverwaltung vertritt dagegen bei Bewertungen grundsätzlich die Auffassung, dass aus Verrechnungspreissicht eine höhere Gewinnerwartung des Käufers einzubeziehen sei.76 Allerdings ist zu beachten, dass Gewinnpotenziale allein dem Erwerber zuzurechnen sind, soweit diese auf immateriellen Wirtschaftsgütern des Erwerbers beruhen und auch anderweitig zu realisieren wären, zum Beispiel durch Kauf einer anderen Gesellschaft oder Neugründung. Fazit Es lässt sich festhalten, dass Bewertungen auf Basis der Ertragswertmethode sehr unterschiedlich ausfallen können. Sowohl für Unternehmen als auch Unternehmensbereiche ist ein eindeutiger Wert kaum zu bestimmen. Insofern geht es darum, dass der Steuerpflichtige sich mit seiner Bewertung in einer realistischen Bandbreite von Parameterbündeln bewegt. Oftmals empfiehlt sich eine Verplausibilisierung oder Absicherung mit anderen Methoden. Die Variabilität von Parametern kann bei der Ertragswertmethode durch Szenarioanalysen mit Best-Case- und Worst-Case-Szenarien Berücksichtigung finden. 75 76

OLG Frankfurt am Main, a. a. O., Tz. 35. § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG, vgl. hierzu auch OECD: „Revised Discussion Draft on Transfer Pricing Aspects of Intangibles – 30 July 2013“, Tz. 175. Redaktioneller Hinweis: Vgl. hierzu auch OECD: „Guidance on Transfer Pricing Aspects of Intangibles“, 16.09.2014, Tz. 6.154.

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Auch bei der von der Verrechnungspreisgesetzgebung vorgesehenen Bewertung aus Käufersicht ist zu berücksichtigen, dass es keine schematische Lösung gibt. Sind Marktpreise vorhanden, etwa unbeeinflusste Börsenkurse oder Kaufwerte aus vorhergehenden Transaktionen mit fremden Dritten, sind diese bevorzugt zu berücksichtigen.

7 Weiterbelastung von Grunderwerbsteuer bei Restrukturierungen Von Oliver Kost und Martin Lang Restrukturierungen im Konzern können auch nach Einführung des § 6a GrEStG der deutschen Grunderwerbsteuer unterliegen. Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Frage, wann eine eventuelle Weiterbelastung der Grunderwerbsteuer aus Fremdvergleichsgesichtspunkten zulässig ist und wann diese steuerliche Einkommenskorrekturen auslöst. Ausgangslage Internationale Konzerne sind aufgrund von Markterfordernissen angehalten, ihr Geschäftsmodell wie auch ihre Gesellschafterstrukturen den jeweiligen Bedürfnissen anzupassen. Insoweit stehen Restrukturierungsmaßnahmen oft auf der Agenda der Konzernzentralen. Auch nach Einführung des § 6a GrEStG, der die Besteuerung bei Restrukturierungen im Konzern verhindern soll, gibt es weiterhin Fälle, in denen aufgrund einer zentral koordinierten Restrukturierung Grunderwerbsteuer in Deutschland ausgelöst und von einer deutschen operativen Gesellschaft geschuldet wird (z. B. bei der sog. Anteilsvereinigung von Personengesellschaften). Der Steuerbetrag kann, je nach Höhe des Grundbestands und der Häufigkeit von schädlichen Restrukturierungen, beträchtlich sein. Möglichkeit der Verrechnung Bei Restrukturierungen kann deutsche Grunderwerbsteuer regelmäßig dann ausgelöst werden, wenn Beteiligungsketten mit Gesellschaften „umgehängt“ werden, die Eigentümer eines inländischen Grundstücks sind. Auch bei Umwandlungsvorgängen und sonstigen operativen Restrukturierungen kann ein grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang vorliegen. Allgemeine Voraussetzung für die Verrechnung von Steuern und Abgaben ist, dass diese nicht aufgrund des originären Betriebs des Verrechnenden, sondern aufgrund des betrieblichen Interesses des Verrechnungsempfängers verursacht werden. Weiterhin wird regelmäßig vorausgesetzt, dass auch fremde Dritte eine Verrechnung verein-

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bart hätten und dass diese Verrechnung ihren Rechtsgrund nicht in der gesellschaftsrechtlichen Beziehung hat, sondern schuldrechtlich begründet ist. Aus steuerlicher Sicht ist eine Verrechnung daher nur dann denkbar, wenn zwar eine Gesellschaft durch ihre Handlungen die Steuer auslöst, jedoch eine andere Gesellschaft diese zu tragen hat. In den meisten Fällen hat das Finanzamt jedoch den Steuerbescheid an jene (in- bzw. ausländische) Gesellschaft zu richten, die die Übertragung der Anteile oder des Grundstücks (und damit die Entstehung der Grunderwerbsteuer) verursacht hat. Eine für die Praxis relevante Ausnahme gilt jedoch in Besteuerungsfällen des Übergangs von mindestens 95 Prozent der Anteile am Gesellschaftsvermögen einer Personengesellschaft mit inländischem Grundstück (§ 1 Abs. 2a GrEStG). In diesen Fällen hat die betroffene Personengesellschaft die Grunderwerbsteuer zu entrichten, obwohl diese durch den Wechsel der Gesellschafter ausgelöst wird. Nach Ansicht der Autoren dürfte jedoch auch in den meisten dieser Fälle eine Verrechnung von Grunderwerbsteuer ausscheiden. Als Zwischenfazit kann daher festgestellt werden, dass Grunderwerbsteuern im Zusammenhang mit Restrukturierungen im Konzern oftmals nicht verrechenbar sein sollten. Steuerliche Folgen einer unzulässig vorgenommenen Verrechnung Ungeachtet der aus steuerlicher Sicht grundsätzlich nicht gegebenen Verrechnungsmöglichkeiten ist es denkbar, dass in der Konzerngruppe im Rahmen von Restrukturierungen aus strategischen oder operativen Überlegungen dennoch eine Verrechnung von deutscher Grunderwerbsteuer vorgenommen wird. Ein Beispiel hierfür wäre, dass eine ausländische Holdinggesellschaft, die den Beteiligungsstrang inklusive der deutschen Grundstücksgesellschaft verkauft oder erworben hat, Grunderwerbsteuer an den deutschen Fiskus zu entrichten hat. Trotz der Unzulässigkeit der Verrechnung aus deutscher steuerlicher Sicht würde die Holdinggesellschaft dennoch die vom deutschen Fiskus festgesetzte Grunderwerbsteuer an die deutsche Grundstücksgesellschaft belasten. Wie bereits oben dargestellt, würde diese Vorgehensweise nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen. Daher löst die Verrechnung nach Ansicht der Autoren entsprechende ertragsteuerliche Folgen in Deutschland aus. Die beispielhaft dargestellte Verrechnung von Grunderwerbsteuer der ausländischen Holding an eine deutsche Gesellschaft würde dann die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung zur Folge haben. Je nach der Beteiligungsstruktur des Konzerns kann dies neben der zusätzlichen Belastung der deutschen Gesellschaft mit deutscher Körperschaft- und Gewerbesteuer eine zusätzliche Kapitalertragsteuerbelastung der verdeckten Gewinnausschüttung zur Folge haben. Angesichts der dargestellten steuerlichen Folgen

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sollte daher genau abgewogen werden, ob eine Weiterbelastung aus anderen, zum Beispiel strategischen Gründen aus Konzernsicht dennoch sinnvoll ist. Fazit Restrukturierungen im Konzern können vielfältige steuerliche Auswirkungen haben und können nach geltender Rechtslage auch weiterhin eine Grunderwerbsteuerbelastung herbeiführen. Soweit die anfallende Grunderwerbsteuer weiterbelastet wird, besteht nach Ansicht der Autoren ein latentes Risiko von Einkommenskorrekturen der deutschen Gesellschaft im Wege der verdeckten Gewinnausschüttung. Diese Faktoren sollten idealerweise bereits vor der Restrukturierung, jedoch spätestens bei deren Durchführung bedacht werden.

8 Korrektur von Teilwertabschreibungen auf grenzüberschreitende Darlehen durch § 1 Abs. 1 AStG rechtlich haltbar? Von Dr. Ulf Andresen und Anne Schneider Laut BMF-Schreiben vom 29. März 201177 kann der Konzernrückhalt bei einer konzerninternen Darlehensvergabe die Bereitstellung einer Sicherheit durch die Darlehensnehmerin ersetzen. Ist es vor diesem Hintergrund rechtlich haltbar, wenn die deutsche Finanzverwaltung in einer Betriebsprüfung die von der deutschen Darlehensgeberin vorgenommene Teilwertabschreibung auf das grenzüberschreitende Darlehen nach § 1 Abs. 1 AStG mit der Begründung korrigiert, dass fremde Dritte für ein vergleichbares Darlehen eine Sicherheit vereinbart hätten? Das Finanzgericht (FG) Brandenburg hat dazu jüngst ein fragwürdiges Urteil78 gefällt, das hier kritisch untersucht wird.79 In dem zu untersuchenden Sachverhalt hatte eine inländische GmbH einer US-amerikanischen Tochterkapitalgesellschaft mehrere unbesicherte Darlehen gewährt, die mit 5 Prozent zu verzinsen gewesen sind. Die GmbH hat diese 77

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Vgl. BMF-Schreiben vom 29.03.2011, IV B 5 – S 1341/09/10004, in: BStBl. I 2011, 277. Vgl. FG Brandenburg vom 30.01.2013, 12 K 12056/12 (Rev. BFH I R 23/13), in: DStRE 2013, 1494. Redaktioneller Hinweis: Mit Urteil vom 17. Dezember 2014 hat der BFH (I R 23/13) die Entscheidung des FG reviediert und die Schrankenwirkung des Art. 9 DBA-Musterabkommen bestätigt.

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Darlehen jeweils im Jahr der Hingabe vollständig abgeschrieben. In einer späteren Betriebsprüfung sind die Einkünfte der GmbH unter Anwendung des § 1 Abs. 1 AStG um den Betrag dieser Teilwertabschreibungen erhöht worden, wogegen Einspruch eingelegt und schließlich Klage erhoben worden ist. Eine Beurteilung dieser Fragestellung erfordert insbesondere einen Blick auf Tatbestandsvoraussetzungen, Rechtsfolgen und insbesondere den Zweck des § 1 Abs. 1 AStG im Kontext von Finanzierungsleistungen inländischer Konzerne gegenüber ausländischen Tochtergesellschaften. Darüber hinaus gibt eine zusätzliche Analyse des OECD-Musterabkommens (OECD-MA) und der OECDVerrechnungspreisrichtlinien Aufschluss, welche Lösung der Fragestellung durch ein internationales Verständigungsverfahren im Fall entstandener Doppelbesteuerung zu erwarten wäre. Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 1 AStG § 1 Abs. 1 AStG ist einschlägig, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Die Einkünfte des inländischen Steuerpflichtigen aus einer (a) grenzüberschreitenden (b) Geschäftsbeziehung mit einer (c) ihm nahestehenden Person sind dadurch gemindert, dass er seiner Einkünfteermittlung Bedingungen zugrunde legt, die (d) von Bedingungen abweichen, wie sie fremde Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten. Sofern das konzerninterne Darlehen nicht im Gesellschaftsvertrag der Darlehensnehmerin geregelt wurde und somit von einer schuldrechtlichen Beziehung zwischen Darlehensgeberin und Darlehensnehmerin auszugehen ist, sind die Tatbestandsvoraussetzungen (a) bis (c) im zu beurteilenden Sachverhalt erfüllt. Unterschiedliche Auffassungen können sich somit nur aus einer abweichenden Beurteilung bezüglich (d) ergeben. Das FG Brandenburg hat in seinem Urteil vom 30. Januar 201380 die Auffassung der Finanzverwaltung bestätigt, dass die Minderung der Einkünfte der inländischen Darlehensgeberin in der fremdunüblichen Ausgestaltung der konzerninternen Transaktion begründet ist, da fremde Dritte das Darlehen nicht ohne Sicherheiten gewährt hätten. Aus diesem Umstand ergab sich für die Finanzverwaltung die Nichtanerkennung der Teilwertabschreibung als Korrektur. Dieser Sichtweise steht die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entgegen, die dem Fehlen einer Sicherheit keine für den Fremdvergleich erhebliche Bedeutung beigemessen hat und in den zu entscheidenden Fällen wiederholt die Festsetzung einer verdeckten Gewinn-

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Vgl. FG Brandenburg vom 30.01.2013, 12 K 12056/12 (Rev. BFH I R 23/13), in: DStRE 2013, 1494.

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ausschüttung abgelehnt hat.81 Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, weshalb bezüglich der vorliegenden Fragestellung etwas anderes gelten sollte. Darüber hinaus hätte im Ergebnis auch ein fremder dritter Darlehensgeber auf das gleiche Darlehen eine Teilwertabschreibung vornehmen müssen, unabhängig davon, ob das Darlehen mit oder ohne Sicherheiten vergeben wurde. Somit können die konzernintern vereinbarten Bedingungen nicht ursächlich für die Minderung der Einkünfte der Darlehensgeberin sein. Und selbst wenn man der Auffassung wäre, dass der Konzernrückhalt keine dem Fremdvergleichsmaßstab genügende Sicherheit darstellen kann und fremde Dritte aber eine Sicherheit für das Darlehen vereinbart hätten, wäre vielmehr der vereinbarte Zinssatz zu überprüfen, da bei fehlender Besicherung des Darlehens anzunehmen wäre, dass das daraus entstehende höhere Risiko sich allenfalls in einem höheren Zinssatz hätte niederschlagen dürfen, wie dies auch als Möglichkeit im BMF-Schreiben vom 29. März 2011 dargestellt wird. Dementsprechend wäre nach § 1 Abs. 1 AStG gegebenenfalls der Zinssatz, nicht jedoch die Teilwertabschreibung zu korrigieren. Folglich fehlt beim vorliegenden Sachverhalt der notwendige kausale Zusammenhang zwischen der Einkünfteminderung und den vereinbarten Bedingungen, die Einkünftekorrektur durch Nichtanerkennung der Teilwertabschreibung ist somit ohne Rechtsgrundlage. Rechtsfolgen des § 1 Abs. 1 AStG Wie bereits ausgeführt wurde, verlangt die Rechtsfolge des § 1 Abs. 1 AStG einen Ansatz der Einkünfte des Steuerpflichtigen so, wie diese zwischen unabhängigen Dritten und unter vergleichbaren Umständen vereinbarten Bedingungen angefallen wären. Da auch ein fremder Dritter unabhängig von dem Aspekt der Besicherung des Darlehens eine Teilwertabschreibung hätte vornehmen müssen, kann die Rechtsfolge des § 1 Abs. 1 AStG – vorausgesetzt, dessen Tatbestandsvoraussetzungen würden als vollständig erfüllt angesehen werden – nicht die Nichtanerkennung einer rechtmäßig vorgenommenen Teilwertabschreibung sein. Auch als Rechtsfolge käme allenfalls eine Korrektur des vereinbarten Zinssatzes infrage, sodass dieser in seiner Höhe sämtliche relevanten Bedingungen der Darlehensgewährung reflektiert. Es bleibt somit festzuhalten, dass die Nichtanerkennung der Teilwertabschreibung durch die Finanzverwaltung auch nicht die Rechtsfolge ist, die § 1 Abs. 1 AStG vorsieht. Zweck des § 1 Abs. 1 AStG Zweck des § 1 AStG ist es, Gewinnverlagerungen ins Ausland zu verhindern. Der Abschluss einer Darlehensvereinbarung mit einer nahestehenden Person im 81

Vgl. BFH vom 21.12.1994, I R 65/94, in: IStR 1995, 330 m. Anm. Wassermeyer; BFH vom 29.10.1997, I R 24/97, in: BStBl. II 1998, 573.

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Ausland führt jedoch nicht zu einer Gewinnverlagerung ins Ausland, es sei denn, ein unangemessen niedriger Zinssatz ist zwischen den Beteiligten vereinbart worden. Die Teilwertabschreibung im Inland selbst führt nicht unmittelbar zu einer Verlagerung von Gewinnen ins Ausland, weil der Abschreibung im Inland keine korrespondierende Einkommenserhöhung im Ausland gegenübersteht. Entsprechend widerspricht die Nichtanerkennung der Teilwertabschreibung unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 1 AStG dessen Zweck und ist daher auch unter diesem Gesichtspunkt abzulehnen. Im Gegensatz dazu löst die Einkünftekorrektur im Inland eine Doppelbesteuerung aus, die beispielsweise in einem internationalen Verständigungsverfahren unter Anwendung des Art. 9 OECD-MA zu lösen wäre. Begrenzung des innerstaatlichen Besteuerungsanspruchs durch Art. 9 OECD-MA Innerstaatliche Korrekturvorschriften können in ihrer Wirkung durch einschlägige Normen aus Doppelbesteuerungsabkommen (DBAs) eingeschränkt sein, beim vorliegenden Sachverhalt ist eine solche Einschränkung jedoch nicht erkennbar: Zu dem im Wortlaut vergleichbaren Art. 6 DBA Niederlande hat der BFH in seinem Urteil vom 11. Oktober 201282 festgestellt, dass die Vorschrift eine Einkünftekorrektur nur dann erlaubt, wenn und soweit die „wirtschaftlichen und finanziellen“ Bedingungen abweichen, die unabhängige Unternehmen vereinbaren würden. Das führt wieder zu der Frage, ob unabhängige Dritte eine Sicherheit für ein vergleichbares Darlehen vereinbart hätten und ob eine fehlende Sicherheit somit eine Einkünftekorrektur erlaubt. Die OECD äußert zu dieser Frage in ihrem Revised Draft on Transfer Pricing Aspects of Intangibles vom 30. Juli 2013 in den Absätzen Nr. 26 und 27,83 dass eine Erhöhung der Kreditwürdigkeit einer Konzerngesellschaft, die sich rein aus dem Synergieeffekt der Zugehörigkeit zu einem Konzern ergibt, aus ihrer Sicht keinen zu vergütenden Vorteil darstellt. Dies legt nahe, dass eine fehlende Sicherheit nach Meinung der OECD keine Einkünftekorrektur erlaubt. Eine Einkommenskorrektur durch Art. 9 OECD-MA wegen einer fehlenden Darlehenssicherheit wäre somit ebenfalls ohne Rechtsgrundlage. Aber auch hier gilt wie zuvor: Selbst wenn man davon ausgeht, dass eine Korrektur nach Art. 9 OECD-MA zulässig wäre, sind als Rechtsfolge grundsätzlich wieder die Gewinne der zu beurteilenden Transaktion zu korrigieren.

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Vgl. BFH vom 11.10.2012, I R 75/11. Redaktioneller Hinweis: Nun Tz. 1.107 und Tz. 1.108 der „Guidance on Transfer Pricing Aspects of Intangibles“ vom 16.09.2014.

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Fazit Die vorangegangenen Überlegungen haben gezeigt, dass die in dem BMFSchreiben vom 29. März 2011 beabsichtigte Verquickung von § 1 Abs. 1 AStG mit Teilwertabschreibungen auf Darlehensforderungen gegenüber nahestehenden Personen im Ausland in vielerlei Hinsicht problematisch ist: Die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen für die Anwendung des § 1 Abs. 1 AStG ist genauso infrage zu stellen wie die Rückgängigmachung der Teilwertabschreibung als Rechtsfolge. Darüber hinaus steht die Vorgehensweise dem Zweck des § 1 Abs. 1 AStG entgegen und es ist auch nicht erkennbar, dass die Vorgehensweise der Finanzverwaltung in einem internationalen Verständigungsverfahren haltbar wäre. Neben den formalen Aspekten ist zu kritisieren, dass die wirtschaftlich belastete Darlehensgeberin dies nicht geltend machen soll, obwohl ihr Zinseinkommen bei positiver Entwicklung der Geschäftstätigkeit der Darlehensnehmerin im Inland uneingeschränkt besteuert worden wäre. Es ist daher zu wünschen, dass der BFH die anhängige Revision zum Urteil des FG Brandenburg als begründet ansieht und die beabsichtigte Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 1 Abs. 1 AStG auf die Rückgängigmachung einer Teilwertabschreibung nicht zulässt.

9 Veröffentlichung des Glossars „Verrechnungspreise“ durch das BMF Von Jörg Hanken und Clarisse Müller Am 19. Mai 2014 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) das Glossar „Verrechnungspreise“, eine verwaltungsinterne Arbeitshilfe ohne Rechtsbindung, im Bundessteuerblatt (BStBl.) Teil I veröffentlicht.84 Das Glossar beinhaltet neben Erläuterungen zu Begriffen aus dem Bereich Verrechnungspreise und Dokumentation, soweit vorhanden, ebenfalls deren Fundstellen in Gesetzen, Erlassen, Verordnungen und OECD-Verrechnungspreisrichtlinien und soll nach Bedarf aktualisiert werden. Ziel des BMF ist es, mit dem Glossar zu einer Vereinheitlichung verrechnungspreisrelevanter Terminologien beizutragen. Angesichts der mittlerweile über zahlreiche Erlasse und Verordnungen verstreuten einschlägigen Regelungen zu Verrechnungspreisen und 84

Vgl. www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/ Internationales_Steuerrecht/Allgemeine_Informationen/2014-05-19-GlossarVerrechnungspreise.html.

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Dokumentation ist die Veröffentlichung dieses Glossars grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings ist zu beachten, dass es sich bei dem 22-seitigen Glossar um keine eigenständige Regelungsquelle handelt. So wird im Glossar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zur Auslegung der darin ausgewiesenen Begriffe letztlich allein der objektivierte Wille von Gesetz- bzw. Verordnungsgeber maßgebend ist, so wie er in der jeweiligen Rechtsquelle zum Ausdruck kommt und sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt.85 Es ist davon auszugehen, dass diese Auslegungsstandards in gleicher Weise auch auf andere Quellen als deutsche Gesetze und Verordnungen wie zum Beispiel Erlasse oder OECD-Verrechnungspreisrichtlinien angewandt werden sollen. Bei den im Glossar enthaltenen Begriffen handelt es sich zum einen um rechtliche Begrifflichkeiten wie beispielsweise die Funktion oder Funktionsverlagerung, zum anderen um Termini, die lediglich in Erlassen genannt werden. So beinhaltet das Glossar beispielsweise unter Verweis auf die Verwaltungsgrundsätze-Funktionsverlagerung die Erläuterung des Begriffs des Lohn- bzw. des Auftragsfertigers. Schließlich werden ebenfalls betriebswirtschaftliche Begriffe wie Capital Asset Pricing Model, Cashflow oder Portfolioansatz aufgeführt. Da das BMF für die Erläuterung der Begriffe im Grunde Zitate der entsprechenden Quellen verwendet, sollte es hierdurch zu keiner neuen Auslegung oder Interpretation der Begrifflichkeiten kommen. Zu begrüßen ist die Klarstellung im Glossar, dass eine unverwertbare Dokumentation vorliegt, „wenn die Qualität der vorgelegten Aufzeichnungen – unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls – so schlecht ist, dass dies der Nichtvorlage von Unterlagen gleichkommt“.86 Und die Frage der Verwertbarkeit ist je Geschäftsvorfall zu prüfen. Das heißt, die Nichtvorlage von Unterlagen für einen einzelnen Geschäftsvorfall bedeutet nicht die Unverwertbarkeit der gesamten Dokumentation. Fazit Insgesamt kann das Glossar als eine umfassende Zusammenstellung wesentlicher verrechnungspreisrelevanter Begriffe eine sinnvolle Arbeitshilfe darstellen. Grundsätzlich sollten Anwender allerdings die angebotenen Definitionen in kritischen Fällen anhand des Wortlauts der Rechtsgrundlagen überprüfen.

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Vgl. auch BFH-Urteil vom 18.04.2012, X R 57/09, in: BStBl. 2012 II, S. 770 m. w. N. Vgl. Glossar „Verrechnungspreise“ zum Begriff „Unverwertbarkeit von Unterlagen“.

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10 Schenkungsteuer bei verdeckten Gewinnausschüttungen für den BFH kein Thema Von Martin Renz und Martin Lang Mit dem viel beachteten Urteil vom 31. Januar 2013 hat der Bundesfinanzhof (BFH) der doppelten Besteuerung von verdeckten Gewinnausschüttungen (vGAs) mit Ertragsteuern und Schenkungsteuer eine klare Absage erteilt. Auch weiterhin wird eine vGA ausschließlich der Ertragsbesteuerung unterworfen. Nicht nur aufgrund des hierzu ergangenen Nichtanwendungserlasses der Finanzverwaltung bleibt das Problem aktuell. Ein Überblick über die Rechtslage Sowohl offene wie auch verdeckte Gewinnausschüttungen stellen bereits tatbestandlich keine freigiebigen Zuwendungen im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar, sie sind lediglich für Zwecke der Einkommen-, Körperschaftbzw. Gewerbesteuer zu berücksichtigen. So urteilte der BFH mit Urteil vom 31. Januar 2013 zu der Frage, ob der Verkauf einer wertverminderten Forderung mit Besserungsabrede von einer Kapitalgesellschaft an deren Gesellschafter der Schenkungsteuer unterliegt. Der BFH begründet seine Entscheidung damit, dass eine vGA steuerlich wie eine offene Gewinnausschüttung behandelt wird. Dies bedeutet, dass der Empfänger sie als Betriebs- oder Dividendeneinnahme zu besteuern hat und gleichzeitig der für offene Gewinnausschüttungen zur Verfügung stehende Gewinn der vorteilsgewährenden Gesellschaft gemindert wird. Nach Ansicht der Richter des BFH beruhen diese Ausschüttungen, wie auch andere Kapitalrückzahlungen, auf dem Gesellschaftsverhältnis und werden daher konkret aufgrund des Beteiligungsverhältnisses des Empfängers an der Gesellschaft geleistet. Hingegen setzt eine schenkungsteuerpflichtige freigiebige Zuwendung den Willen zur unentgeltlichen Zuwendung einer Leistung voraus. Dieser soll jedoch gerade im Hinblick auf die Gesellschaftereigenschaft des Empfängers einer vGA nicht anzunehmen sein. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass die Finanzverwaltung das Urteil aufgrund eines inzwischen ergangenen Nichtanwendungserlasses über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anwenden wird. Fazit und Ausblick Der BFH hat mit seinem Urteil die Schenkungsteuerpflicht von vGAs klar abgelehnt. Auch wenn die Finanzverwaltung mit einem Nichtanwendungserlass reagiert hat, sollte das Urteil bei möglichen Rechtsstreitigkeiten mit dem Fiskus in vergleichbaren Fällen als Argumentationsgrundlage angeführt werden.

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Allerdings deckt das Urteil des BFH nicht alle denkbaren Sachverhaltsvarianten ab, in welchen eine doppelte Erfassung eines Sachverhalts mit Ertrag- und Schenkungsteuern denkbar wäre (z. B. unentgeltliche zeitweilige Überlassung einer Kapitalsumme zwischen natürlichen Personen). Insbesondere vor dem Hintergrund der noch relativ neuen Regelungen zu Leistungen in das Vermögen von Kapitalgesellschaften (§ 7 Abs. 8 ErbStG) sollte das Thema weiterhin nicht aus den Augen verloren werden.

11 Verrechnungspreisrelevanter Status quo zur Problematik des Treaty Override Von Dr. Ronald Gebhardt Das Phänomen „Treaty Override“ (Besteuerung entgegen den Doppelbesteuerungsabkommen – DBAs) ist in Deutschland verstärkt in der Diskussion. Die Beratungs- und Unternehmenspraxis wartet gespannt auf den Ausgang der beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängigen Verfahren zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Treaty Overriding. Nachfolgend wird ein Kurzüberblick über die Auswirkungen der Problematik auf die Verrechnungspreispraxis gegeben. Problemlage In der Literatur wird zwischen Treaty Overrides „im engeren Sinne“ und „im weiteren Sinne“ unterschieden. Treaty Overrides „im engeren Sinne“ umfassen solche Vorschriften, die in ihrem Wortlaut explizit die partielle Unanwendbarkeit von DBAs anordnen (oft verwendet wird die Formulierung „ungeachtet des Abkommens“). Treaty Overrides „im weiteren Sinne“ umfassen solche Vorschriften, die zwar nicht explizit eine Abweichung von einem DBA anordnen, aber materiell im Verdacht stehen, gegen die Vorgaben des betreffenden DBA zu verstoßen. Verrechnungspreispraxis und Treaty Override Für die Verrechnungspreispraxis relevant ist insbesondere die Diskussion über das Verhältnis von § 1 AStG zu Art. 7 und 9 des OECD-Musterabkommens (OECD-MA). Auch die Frage, inwieweit überschießende Dokumentationsanforderungen einen DBA-Verstoß nach sich ziehen können, ist für die Verrechnungspreispraxis interessant. Der Kernbereich des § 1 AStG, der Grundsatz des dealing at arm’s length, ist zwar auch den DBAs immanent, einzelne Bestandteile des § 1 AStG – namentlich die Fiktion der umfassenden Kenntnis aller entscheidungs-

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erheblichen Kriterien (§ 1 Abs. 1 Satz 3 AStG), die Korrektur auf den Median (§ 1 Abs. 3 Satz 4 AStG), die Transferpaketbewertung (§ 1 Abs. 3 Satz 9 ff. AStG) und die Preisanpassungsklausel (§ 1 Abs. 3 Satz 10 f. AStG) – stehen aber im Verdacht, unvereinbar mit den Vorgaben des Art. 9 OECD-MA zu sein und damit DBA-Recht zu verletzen. Zudem findet sich der in § 1 Abs. 5 AStG umgesetzte Authorised OECD Approach (AOA) bisher nur in wenigen deutschen DBAs wieder. Um einen Widerspruch zwischen § 1 Abs. 5 AStG und den deutschen DBAs ohne AOA zu vermeiden, wurde in § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG eine „Kollisionsklausel“ gesetzlich verankert. Diese normiert, dass das DBA Vorrang vor § 1 Abs. 5 AStG erhalten soll, „soweit“ der Steuerpflichtige den Nachweis führt, dass § 1 Abs. 5 AStG dem DBA widerspricht, der andere Staat sein Besteuerungsrecht entsprechend dem DBA ausübt und eine Anwendung des AOA zu einer Doppelbesteuerung führen würde. Ob es sich bei dieser Regelung um einen Treaty Override handelt, ist im Schrifttum umstritten. Auch die Reichweite der Vorschrift ist noch nicht abschließend geklärt. Im Kontext der Frage, inwieweit Dokumentationsanforderungen einen DBAVerstoß begründen können, bleibt festzuhalten, dass diese dem Grunde nach Sache des innerstaatlichen Rechts sind. Allerdings ist nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) aus Art. 9 OECD-MA abzulesen, dass nur eine fremdvergleichskonforme Korrektur „der Höhe nach“ abkommenskonform ist. Eine Korrektur nur aufgrund von Formalkriterien sollte daher nicht von Art. 9 OECD-MA gedeckt sein. Überschießende Formalkriterien können damit keine Verletzung des DBA bewirken. Es bleibt abzuwarten, welchen Einfluss die ausstehenden Entscheidungen des BVerfG (zu § 50d Abs. 8 EStG: Az. beim BVerfG: 2 BvL 1/12; zu § 50d Abs. 10 EStG: Az. beim BVerfG: 2 BvL 15/14; die jüngste Vorlage des BFH zu § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG: Az. beim BVerfG: 2 BvL 21/14) auf die angesprochenen Problemkreise haben werden, da beim BVerfG Treaty Overrides „im engeren Sinne“ im Fokus stehen und die verrechnungspreisrelevanten Vorschriften eher dem Bereich der Treaty Overrides „im weiteren Sinne“ zuzuordnen sind. Fazit und Ausblick Der Verrechnungspreispraxis bleibt zu empfehlen, beim Thema „§ 1 AStG versus Art. 7 und 9 OECD-MA“ mit der herrschenden Meinung zu argumentieren, der zufolge mangels der expliziten Anordnung, DBAs sollen mittels § 1 AStG überschrieben werden, den DBAs der Vorrang zu gewähren ist (Grundsatz: „im Zweifel zugunsten des DBA“).

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Internationale Entwicklungen in der OECD und EU

C Internationale Entwicklungen in der OECD und EU Das Jahr 2014 war auf OECD-Ebene vor allem durch die Veröffentlichung verschiedener Berichte und Diskussionspapiere zum Thema „Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung“ („Base Erosion and Profit Shifting“, kurz BEPS) geprägt. Unsere Beiträge zu diesem Themenkomplex finden sich deshalb gebündelt in den Schwerpunktthemen (Kapitel A) unseres Jahrbuchs. Bereits ein Jahr vor Veröffentlichung des BEPS-Aktionsplans im Juli 2013 hatte die OECD ein Diskussionspapier zu Verrechnungspreisaspekten bei immateriellen Wirtschaftsgütern veröffentlicht und parallel zum BEPS-Aktionsplan am 30. Juli 2013 eine überarbeitete Fassung dieses Diskussionspapiers veröffentlicht. Die in dieser Fassung genannten Beispiele zur Vergütung konzerninterner Einkaufsfunktionen könnten für die bisherige Verrechnungspreispraxis richtungsweisend sein. Einer der folgenden Beiträge diskutiert deshalb die bekannten Vergütungsformen für konzerninterne Einkaufsfunktionen vor dem Hintergrund der neueren OECD-Kommentierungen. Am 11. März 2014 hat die OECD Vorschläge für die Bestimmung von Vergleichsdaten zur Überprüfung der Fremdüblichkeit von Verrechnungspreisen in Entwicklungsländern zur Kommentierung veröffentlicht. Ziel des Berichts ist es, Lösungsansätze für bekannte Probleme wie zum Beispiel intransparente Transaktionsdaten, die eingeschränkte Datenbasis von Datenbanken oder die eingeschränkte Vergleichbarkeit von Unternehmen zu präsentieren. Der zweite Beitrag in diesem Kapitel gibt einen Überblick über die Hintergründe zu dieser Veröffentlichung und fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen. Auf EU-Ebene lag der Fokus des EU Joint Transfer Pricing Forum im vergangenen Jahr auf der Verabschiedung eines Berichts zur nachträglichen Korrektur der Einkünfte von verbundenen Unternehmen (true up). Vor dem Hintergrund, dass die Finanzverwaltungen der EU-Mitgliedsstaaten zu nachträglichen Korrekturen von Einkünften unterschiedliche Sichtweisen vertreten, enthält der in einem der folgenden Artikel thematisierte Bericht des EU Joint Transfer Pricing Forum Richtlinien zum grundsätzlichen Umgang mit nachträglichen Anpassungen. Darüber hinaus beschäftigt sich ein weiterer Artikel mit den von der EU-Kommission eingeleiteten Prüfverfahren zu staatlichen Beihilfen im Zusammenhang mit tatsächlichen Verständigungen (Ruling) mit den Finanzverwaltungen in Irland (Apple), den Niederlanden (Starbucks) sowie Luxemburg (Fiat Finance and Trade und Amazon).

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Internationale Entwicklungen in der OECD und EU

1 OECD 1.1 Vergütung von konzerninternen Einkaufsfunktionen im Lichte der aktuellen Einschätzung der OECD Von Ron Dorward, Martin Renz und Dr. Isabel Ruhmer-Krell In der Praxis hat sich eine Vielzahl von Vergütungsformen für Einkaufsfunktionen etabliert. Vor dem Hintergrund eines aktuellen OECD-Diskussionspapiers87 erscheint zukünftig jedoch vorrangig die Verrechnung von Einkaufsdienstleistungen auf Basis der Kostenaufschlagsmethode angemessen.88 Vergütungsstrukturen für konzerninterne Einkaufsdienstleistungen Die Identifikation und konkrete Ausgestaltung einer sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach fremdüblichen Vergütung für konzerninterne Einkaufsfunktionen sollte individuell auf Basis einer detaillierten Analyse der Tätigkeiten und Funktionen sowie der getragenen Risiken der Einkaufsorganisation erfolgen. Insbesondere die Frage, wem die durch die Zentralisierung der Einkaufsfunktion entstandenen Vorteile in Form von volumenbedingten Preisvorteilen, administrativen Kosteneinsparungen, Erhöhung der Einkaufsqualität durch Spezialisierung (sog. lead buying) etc. zuzuordnen sind, kann nicht allgemeingültig beantwortet werden.89 In der Praxis haben sich in der Vergangenheit verschiedenste Vergütungsformen für konzerninterne Einkaufsfunktionen etabliert. Während in der Konsumgüterindustrie vor allem Provisions- bzw. Einkaufskommissionsmodelle zu finden sind, beobachtet man in anderen Branchen häufig Dienstleistungsverrechnungen, Durchleitungsmodelle oder die unentgeltliche Bereitstellung zentraler Einkaufsleistungen innerhalb von Prinzipalmodellen. Bei 87

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Vgl. OECD: „Revised Discussion Draft on Transfer Pricing Aspects of Intangibles“, 30.07.2013. Redaktioneller Hinweis: Am 16.09.2014 hat die OECD ihren vorerst finalen Bericht zu Verrechnungspreisaspekten immaterieller Wirtschaftsgüter veröffentlicht, vgl. OECD (2014): „Guidance on Transfer Pricing Aspects of Intangibles“, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, OECD Publishing, http://dx.doi.org/10.1787/9789264219212-en. Dieser Bericht stellt eine Überarbeitung des im vorliegenden Beitrag zitierten Diskussionspapiers vom 30.07.2013 dar. Gleichzeitig ist der Bericht vom 16.09.2014 als Arbeitsergebnis zu Maßnahme 8 des BEPSAktionsplans zu verstehen. Vgl. OECD-Verrechnungspreisrichtlinien vom 22.07.2010, Tz. 9.154.

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Internationale Entwicklungen in der OECD und EU

einer Dienstleistungsverrechnung werden die Kosten der Einkaufsabteilung zuzüglich eines angemessenen Gewinnaufschlags an die von der Einkaufsfunktion profitierenden Konzerngesellschaften weiterbelastet. Im Fall eines Durchleitungsmodells stellt der Lieferant seine Lieferung zunächst der zentralen Einkaufsabteilung in Rechnung, welche anschließend die jeweiligen Mengen an die belieferten Werke weiterverrechnet und dabei ihre Zentraleinkaufsfunktion über eine angemessene „Handelsspanne“ auf den Lieferantenpreis finanziert. Im Gegensatz dazu erfolgt bei einem Provisionsmodell die Vergütung des zentralen Einkaufsdienstleisters seitens der operativen Konzerngesellschaften auf Basis einer Provisionsgebühr, die als Prozentsatz der jeweiligen Einkaufsvolumina kalkuliert wird. Die Höhe des angemessenen Provisionssatzes kann dabei sowohl mittels der transaktionsbezogenen Gewinnaufteilungsmethode (auf Basis einer Wertschöpfungsbeitragsanalyse) als auch unter Anwendung der Kostenaufschlagsmethode festgelegt werden. Werden zentrale Einkaufsdienstleistungen im Rahmen eines Prinzipalmodells vom konzerninternen Entrepreneur (der Prinzipalgesellschaft) erbracht, werden diese (ebenso wie weitere konzerninterne Dienstleistungen) nicht separat vergütet, sondern die entstandenen Kosten durch den Residualgewinn des Entrepreneurs gedeckt. Im Gegenzug erhalten die übrigen Konzerngesellschaften, vorwiegend Routineunternehmen mit Fertigungs- oder Vertriebsfunktionen, lediglich einen angemessenen Routinegewinn. Aktuelle Einschätzung der OECD zur Vergütung von Einkaufsfunktionen In den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien werden grundsätzlich die Preisvergleichs-, die Kostenaufschlags- und die transaktionsbezogene Gewinnaufteilungsmethode als mögliche Verrechnungspreismethoden genannt.90 In einem aktuellen Diskussionspapier wird jedoch die Meinung vertreten, dass konzerninterne Einkaufsfunktionen grundsätzlich als Dienstleistungen zu qualifizieren sind, die auf Basis der Kostenaufschlagsmethode vergütet werden sollten.91 Die Höhe der kostenaufschlagsbasierten Vergütung sollte sich dabei – sofern möglich – an der Vergütung eines fremden dritten Einkaufsdienstleisters 90 91

Vgl. OECD-Verrechnungspreisrichtlinien vom 22.07.2010, Tz. 9.154–9.160. Vgl. OECD: „Revised Discussion Draft on Transfer Pricing Aspects of Intangibles“, 30.07.2013, Tz. 23. Redaktioneller Hinweis: Die am 16.09.2014 veröffentlichte überarbeitete Fassung des Diskussionspapiers vom 30.07.2013 enthält in Tz. 1.109 eine leicht abgewandelte Fassung des Beispiels zur Einkaufsgesellschaft. In der überarbeiteten Fassung wird ergänzt, dass eine Vergütung der konzerninternen Einkaufsfunktion auf Basis der Kostenaufschlagsmethode dann zu einem fremdüblichen Preis führt, wenn die Funktions- und Vergleichbarkeitsanalyse darauf hinweist, dass bei vergleichbaren Einkaufskoordinationsdienstleistungen zwischen fremden Dritten ebenfalls eine kostenbasierte Servicegebühr angewendet wird.

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Internationale Entwicklungen in der OECD und EU

orientieren, der die Einkaufsaktivitäten (z. B. Verhandlung mit Lieferanten, Einholung von Angeboten, Koordination der Bestellungen und Lieferungen, Zahlungsabwicklung) für vergleichbare Einkaufsvolumina koordiniert hat. Demgegenüber scheinen insbesondere Vergütungen auf Basis einer durch einen Profit Split ermittelten Handelsmarge oder einer Einkaufskommission in den Hintergrund zu treten. In Fällen, in denen der Einkaufsbereich branchenbedingt oder aufgrund eines hohen Spezialisierungsgrads einen erheblichen Werttreiber innerhalb des Konzerns darstellt, dürfte allerdings eine über eine reine Routinevergütung hinausgehende Entschädigung zentraler Einkaufsfunktionen sachgerechter sein. Fazit In der Praxis finden sich vielfältige Vergütungsformen für konzerninterne Einkaufsfunktionen. Auf Basis eines aktuellen OECD-Diskussionspapiers scheint der Verrechnung von Einkaufsdienstleistungen mittels Anwendung der Kostenaufschlagsmethode eine gewisse Präferenz eingeräumt zu werden. Allerdings enthält die überarbeitete Fassung größere Einschränkungen dahin gehend, dass die Bestimmung der besten Verrechnungspreismethode nach wie vor die besonderen Gegebenheiten des Einzelfalls berücksichtigen sollte und somit andere Methoden nicht grundsätzlich ausgeschlossen sind.

1.2 OECD-Bericht: Verrechnungspreisvergleichsdaten und Entwicklungsländer Von Marie-Melanie Bentzien Am 11. März 2014 hat die OECD Vorschläge für die Bestimmung von Vergleichsdaten in Entwicklungsländern zur Kommentierung veröffentlicht („Transfer Pricing Comparability Data and Developing Countries“92). Anlass war die mangelnde Vergleichbarkeit von in Entwicklungsländern vorhandenen Finanzdaten und somit die schwierige Feststellung der Fremdüblichkeit von Verrechnungspreisen. Beim G8-Treffen wurde die OECD um Hilfe gebeten, um die Qualität und die Verfügbarkeit der Vergleichsdaten in Entwicklungsländern zu verbessern.

92

Vgl. www.oecd.org/ctp/transfer-pricing/transfer-pricing-comparability-data-developingcountries.pdf.

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Hintergrund Die von der OECD entwickelten Vorschläge sollen zu einer Verbesserung der Bestimmung der Verrechnungspreise vor dem Hintergrund folgender Problemstellungen führen: ● Intransparente Transaktionsdaten: OECD und Nicht-OECD-Länder (Entwicklungsländer) stehen vor der Herausforderung, vergleichbare Daten auf Transaktionsbasis zu finden. ● Eingeschränkte Datenbasis von Datenbanken: Betriebsprüfer nutzen Datenbanken, um die Finanzdaten von Vergleichsunternehmen zu identifizieren. Jedoch bieten solche Datenbanken häufig nur eingeschränkte oder gar keine Informationen über Unternehmen, die in Entwicklungsländern tätig sind, da solche Finanzdaten nicht veröffentlicht werden. ● Eingeschränkte Vergleichbarkeit von Unternehmen: Die Wirtschaft in Entwicklungsländern wird durch eine vergleichsweise hohe Anzahl von sogenannten first movers, das heißt neuen Marktteilnehmern, charakterisiert. Solche Unternehmen sind jedoch aufgrund ihrer Struktur nur in einem eingeschränkten Maße mit anderen Unternehmen ihrer Branche vergleichbar. Inhalt des Berichts Das von der OECD vorgeschlagene Papier stellt vier Hauptmethoden inklusive möglicher Ergebnisse und Zuständigkeiten zur Diskussion, um die Fremdüblichkeit der Verrechnungspreise in den Entwicklungsländern zu bestimmen. Diese werden im Folgenden näher erörtert. 1. Erweiterung des Zugriffs auf Datenquellen für Vergleichsunternehmen: – Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen OECD und Datenbankanbietern mit dem Ziel, weitere unabhängige Unternehmen (insbesondere aus Entwicklungsländern) samt ihren wichtigsten Finanzkennzahlen in die Datenbanken aufzunehmen; außerdem soll die Anzahl der erfassten Länder vergrößert und Entwicklungsländern ein kostengünstigerer Datenbankzugriff ermöglicht werden; – verstärkte Zusammenarbeit der OECD mit lokalen und internationalen Organisationen wie beispielsweise dem African Tax Administration Forum (ATAF) oder der Weltbank, um die Verfügbarkeit und den Zugriff auf lokale oder regionale Finanzdaten für Verrechnungspreiszwecke zu vereinfachen. Die Finanzverwaltungen in den Entwicklungsländern nutzen verstärkt Finanzdaten vergleichbarer Transaktionen von anderen Unternehmen, die sie im Rahmen früherer Betriebsprüfungen gesammelt haben. Es handelt sich hierbei jedoch um interne Daten, die nicht veröffentlicht sind und somit den Steuerpflichtigen bei der Bestimmung von Verrechnungspreisen nicht vorliegen. Entweder soll der Zugriff auf

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Internationale Entwicklungen in der OECD und EU

solche internen Finanzdaten künftig auch den Steuerpflichtigen gewährt werden oder diese dürfen nicht herangezogen werden. 2. Effiziente Verwendung von Daten für Vergleichsunternehmen: – Erstellung von Richtlinien bzw. direkte Unterstützung durch die OECD in Bezug auf die optimale Nutzung von Informationen aus den Datenbanken; es sollen Richtlinien erstellt werden, die beispielhafte Vorgehensweisen darüber beinhalten, welche Anpassungen der Finanzdaten bei welcher Art von Vergleichsanalysen vorzunehmen sind; – Erfahrungsaustausch zwischen den Entwicklungsländern und der OECD insbesondere bei der Auswahl von Vergleichsunternehmen, Darstellung der Transaktionen aus der Perspektive des ausländischen Transaktionspartners sowie Durchführung von Benchmarkingstudien. 3. Entwicklung von Alternativen, um Vergleichspreise zu identifizieren, ohne sich dabei auf direkte Vergleichsdaten zu berufen: – Erstellung von Richtlinien und Tools als unterstützende Maßnahmen, damit die Analysen wie die Wertschöpfungskettenanalyse oder andere ökonomische Analysen und die Anwendung von Methoden wie der lowvalue adding intra-group services method (sog. sixth method93) vereinheitlicht und dokumentierbar werden; – die OECD verweist auch auf die veröffentlichte Neufassung des Abschnitts E zu den Safe-Harbour-Regelungen.94 Die zwischenstaatlich vereinbarten Safe-Harbour-Regelungen können dazu führen, dass vielfach gar keine Vergleichsdaten bei bestimmten Transaktionen mehr gesucht werden müssen, da die Finanzverwaltung Industriedurchschnitte und Praxiserfahrungswerte bei der Bestimmung der Safe-Harbour-Regelungen berücksichtigt.

93

94

Diese Methode verpflichtet zur Anwendung von öffentlich verfügbaren Daten für bestimme Massenwaren in einigen Ländern in Lateinamerika sowie Afrika. Für weitere Informationen zur sog. sechsten Methode vgl. PwC PKN Alert vom 29.01.2013 zu „Sixth method raises transfer pricing concerns in developing countries“, abzurufen unter www.pwc.com/en_GX/gx/tax/newsletters/pricing-knowledgenetwork/assets/pwc-global-sixth-method-developing-countries.pdf. Siehe hierzu Renz/Ruhmer: „OECD verabschiedet Neufassung der Safe-HarbourRegelungen“, Transfer Pricing Perspective Deutschland, Ausgabe 19, August 2013. Die Neufassung des Abschnitts E kann auf der Webseite der OECD unter folgendem Link abgerufen werden: www.oecd.org/ctp/transfer-pricing/Revised-Section-E-SafeHarbours-TP-Guidelines.pdf.

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4. Verwendung von Advance Pricing Agreements (APAs) und Verständigungsverfahren: – Durchsicht der in den Entwicklungsländern herrschenden Regularien bezüglich der Anwendung von APAs und deren Vor- und Nachteile; – Unterstützung bei der Vereinbarung von Verständigungsverfahren. Fazit und Ausblick Mit dem veröffentlichten Papier Transfer Pricing Comparability Data and Developing Countries hat die OECD der Bitte der G8-Staaten entsprochen und Vorschläge für die Bestimmung von fremdüblichen Verrechnungspreisen in Entwicklungsländern gemacht. Diese Richtlinie gibt Hinweise, welche Maßnahmen ergriffen werden sollen, um eine verbesserte Erhebung und Darstellung von Daten in Entwicklungsländern zu erreichen. Wie dies umzusetzen und zu priorisieren ist, bleibt jedoch dem jeweiligen Land überlassen. Kommentare zum Bericht waren bis zum 11. April 2014 einzureichen.95

2 EU 2.1 Verrechnungspreisfestsetzung mit kompensierenden Anpassungen – aktuelle Stellungnahme des EU Joint Transfer Pricing Forum Von Holger Lorenzen und Dr. Thomas Bittner Verrechnungspreissysteme auf der Basis von nachträglichen Jahresendanpassungen („true up“) erfreuen sich in der Praxis großer Beliebtheit. Allerdings werden diese Systeme von einzelnen nationalen Finanzverwaltungen noch nicht in gleichem Maße akzeptiert. Das EU Joint Transfer Pricing Forum (EU JTPF) hat im Januar 2014 hierzu einen Bericht veröffentlicht, welcher einen Minimalkonsens der Mitgliedsstaaten darstellt. Der folgende Beitrag gibt eine kurze Einführung in die Thematik und fasst 95

Redaktioneller Hinweis: Nachdem der Bericht im Rahmen des „Global Forum on Transfer Pricing“ vom 26. bis 28.03.2014 vorgestellt und diskutiert worden war, gingen bis zum 11.04.2014 Kommentare und Stellungnahmen von 23 internationalen Organisationen, Beratungsgesellschaften und Unternehmen ein. Die eingegangenen Beiträge wurden am 28.10.2014 auf der Homepage der OECD veröffentlicht und können unter folgendem Link abgerufen werden: http://www.oecd.org/ctp/transferpricing/public-comments-received-tp-comparability-data-and-developingcountries.htm.

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praxisrelevante Ergebnisse des Arbeitspapiers des EU JTPF zusammen. Einführung Unter einer kompensierenden Anpassung (compensating adjustment) verstehen OECD und EU JTPF eine Anpassung des vom Steuerpflichtigen zunächst tatsächlich berechneten Verrechnungspreises an einen vom Steuerpflichtigen später als fremdüblich angesehenen Verrechnungspreis, wobei diese Anpassung vor Abgabe der Steuererklärung erfolgt. Berichtigungen, die nach Abgabe der Steuererklärung erfolgen, sind nicht Gegenstand des EU JTPF-Berichts. In der Praxis erfolgen nachträgliche Preisanpassungen häufig im Rahmen von Verrechnungspreissystemen, die die Gewinnmargen von Routineunternehmen auf Basis einer fremdüblichen Bandbreite steuern. Insofern dient allein das Ergebnis einer Transaktion als Maßstab für die Fremdüblichkeit. Die Preissetzung zum Transaktionszeitpunkt ist in diesem sogenannten Outcome Testing Approach bzw. Ex-post-Ansatz von eher untergeordneter Bedeutung.96 Dieser Ansatz stößt auf Widerstand insbesondere bei der deutschen Finanzverwaltung,97 welche eine Verrechnungspreisermittlung anhand von Plandaten präferiert und insofern dem Price Setting Approach bzw. Ex-ante-Ansatz folgt. Bei diesem Ansatz wird der Verrechnungspreis allein anhand der Daten bestimmt, die zum Transaktionszeitpunkt zur Verfügung stehen. Obwohl nach den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien generell sowohl der Ex-post- als auch der Ex-ante-Ansatz zulässig sind,98 besteht ein Doppelbesteuerungsrisiko, wenn nationale Finanzverwaltungen unterschiedliche Ansätze anwenden. Dabei gibt es nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung die wenigsten Probleme, wenn beide betroffenen Staaten der Ex-ante-Methode folgen.

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98

Vgl. Lorenzen: „Verrechnungspreisbestimmung ,ex-ante‘ und ,ex-post‘ – Aktuelle Stellungnahme der OECD“, Transfer Pricing Perspective Deutschland, Ausgabe 16, November 2012. Vgl. Rasch: „Möglichkeiten und Grenzen für ,year end adjustments‘ in Verrechnungspreissystemen“, in: ISR 12/2013, S. 431–439. Vgl. OECD-Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Tz. 3.69 ff.

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Sind die beiden Staaten dagegen Anhänger der Ex-post-Methode, kann es trotz dieser Deckungsgleichheit im methodischen Ansatz durchaus zu Doppelbesteuerungen kommen, da zwischen den Staaten unterschiedliche Ansichten bestehen können hinsichtlich ● des Zeitpunkts, zu dem die Anpassung vorgenommen werden soll (Jahresende, Schließen der Bücher, Abgabe der Steuererklärung), ● der Daten, die für die Berechnung der Anpassung zugrunde zu legen sind, ● der Frage, ob eine Anpassung nur zulasten oder auch zugunsten des Steuerpflichtigen erfolgen kann, ● der Frage, auf welchen Preispunkt die Anpassung zu beziehen ist (z. B. Median, nächstes Quartil etc.). Zur praktischen Lösung der unterschiedlichen Ansätze hatte die OECD einen Entwurf zur Überarbeitung der Tz. 3.69 ff. der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien veröffentlicht und um Kommentare gebeten.99 In der anschließenden Diskussion ließen sich jedoch die fundamentalen Meinungsverschiedenheiten der nationalen Finanzverwaltungen nicht überbrücken, sodass dem Vernehmen nach die diesbezüglichen Bemühungen der OECD inzwischen eingestellt wurden. Dem EU JTPF ist es jetzt gelungen, eine gemeinsame Stellungnahme und damit einen Minimalkonsens der EU-Mitgliedsstaaten zu erarbeiten.100 Praxisrelevante Ergebnisse des Arbeitspapiers Der EU JTPF-Bericht formuliert die folgenden fünf kumulativen Bedingungen, unter denen kompensierende Anpassungen grundsätzlich von den Mitgliedsstaaten zu akzeptieren sind: 1. Der zunächst tatsächlich berechnete Preis darf nicht nur eine allgemeine Vorauszahlung sein. Das ernsthafte Bemühen des Steuerpflichtigen, zum Transaktionszeitpunkt dem Fremdvergleichsprinzip zu entsprechen, ist grundsätzlich zu dokumentieren. Die ursprüngliche Preisfestsetzung entspricht somit weitgehend dem Ex-post-Prinzip, auch wenn spätere Anpassungen möglich sind. 2. Die Anpassungen müssen deckungsgleich in beiden Mitgliedsstaaten erfolgen. 99

100

Vgl. Wilmanns/Lorenzen/Heravi: „Follow-up: Verrechnungspreisbestimmung anhand von ,ex ante approach‘ und ,ex post approach‘ – Kommentare zum aktuellen ,OECD Draft on Timing Issues‘“, Transfer Pricing Perspective Deutschland, Ausgabe 18, Mai 2013. Das Arbeitspapier ist auf der Homepage des EU JTPF abrufbar unter http://ec.europa.eu/taxation_customs/taxation/company_tax/transfer_pricing/forum/ index_en.htm.

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3. Der gewählte Ansatz ist konsistent im Zeitablauf beizubehalten, das heißt, ein beliebiger Wechsel zwischen Ex-ante- und Ex-post-Ansatz ist nicht statthaft. 4. Die Anpassungen müssen vor Abgabe der Steuererklärung erfolgen. 5. Im Fall einer Anpassung muss der Steuerpflichtige die Gründe darlegen können, warum seine ursprünglichen Budgets bzw. Planrechnungen nicht den tatsächlich erreichten Ergebnissen entsprechen. Diese Begründung ist allerdings nur erforderlich, sofern die Gesetze eines der beteiligten Mitgliedsstaaten dies verlangen. Hier ist davon auszugehen, dass deutsche Steuerpflichtige diesen Nachweis grundsätzlich zu erbringen haben. Sofern der ursprüngliche Preis außerhalb der fremdüblichen Bandbreite liegt, sollte laut EU JTPF-Bericht die kompensierende Anpassung auf den am besten geeigneten Punkt innerhalb der Bandbreite erfolgen. Dabei sollen Anpassungen in beide Richtungen akzeptiert werden. Fazit Die EU JTPF-Stellungnahme stellt eine Vereinbarung zwischen den EU-Mitgliedsstaaten dar, auf die sich der Steuerpflichtige bei der Planung seines Verrechnungspreissystems berufen kann, auch wenn keine Rechtssicherheit gegeben ist. Angesichts der Beendigung der entsprechenden OECD-Bemühungen ist der EU JTPF-Bericht grundsätzlich zu begrüßen und bedeutet tendenziell eine Verbesserung im praktischen Dialog mit der deutschen Betriebsprüfung bei der Implementierung von entsprechenden Verrechnungspreissystemen. Die positive Nachricht ist, dass Jahresendanpassungen – unter bestimmten Voraussetzungen – grundsätzlich anerkannt werden. Es empfiehlt sich, bestehende Verrechnungspreissysteme mit Jahresendanpassungen kritisch im Hinblick auf die EU JTPF-Stellungnahme zu überprüfen. Wichtige Punkte sind insbesondere: ● Die unterjährigen Zahlungen müssen eine solide Grundlage auf Basis des Fremdvergleichs haben, und dies ist entsprechend zu dokumentieren. ● Jahresendanpassungen sind im Einzelfall zu begründen. Als praktischer Ratschlag bleibt festzuhalten, dass eine Jahresendanpassung möglichst niedrig ausfallen sollte. Hierzu bietet sich oftmals an, das Ergebnis mit unterjährigen zukunftsbezogenen Anpassungen zu steuern. ● Einige Verrechnungspreissysteme sehen vor, dass eine Jahresendanpassung nur erfolgt, wenn eine bestimmte fremdvergleichsübliche – oftmals mit Benchmarks unterlegte – Bandbreite über- bzw. unterschritten wird. Die Jahresendanpassung bringt das Ergebnis dann an den Rand oder an einen Punkt innerhalb der Bandbreite (z. B. Median). Hier ist vom Steuer-

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Internationale Entwicklungen in der OECD und EU

pflichtigen zu überprüfen und zu begründen, dass die Anpassung dann auf den tatsächlich „am besten geeigneten Punkt“ erfolgt. Die deutsche Finanzverwaltung bevorzugt in diesen Fällen oftmals den Median.101

2.2 EU-Kommission leitet mehrere Beihilfeverfahren wegen Verrechnungspreisvereinbarungen ein Von Daniela Kiel-Hammer und Florian Weidlich In der jüngeren Vergangenheit hat die EU-Kommission mehrfach Prüfverfahren aufgrund des Verdachts ungerechtfertigter staatlicher Beihilfen im Zusammenhang mit Verrechnungspreisvereinbarungen eingeleitet. Bereits im Juni 2014 gab die EUKommission bekannt, dass sie in drei Fällen die Steuervorentscheidungspraxis der Finanzverwaltungen in Irland (Apple), den Niederlanden (Starbucks) und in Luxemburg (Fiat Finance and Trade) prüft.102 Am 7. Oktober 2014 informierte die Kommission über eine weitere Untersuchung hinsichtlich einer im Jahr 2003 von Luxemburg erlassenen Verrechnungspreisvereinbarung für das Unternehmen Amazon.103 Hintergrund der EU-Beihilfeverfahren Zu den Aufgaben der EU-Kommission gehört die Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen in allen EU-Mitgliedsstaaten, auch in Bezug auf Steuerpraktiken und die Akzeptanz fremdvergleichskonformer Verrechnungspreise. Um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten, prüft die Kommission, ob bestimmte Steuerpraktiken der Mitgliedsstaaten eine aggressive Steuerplanung von internationalen Unternehmen unterstützen und diese mit den EU-Vorschriften für staatliche Beihilfen vereinbar sind. Unter „aggressiver Steuerplanung“ versteht die EU-Kommission das gezielte Ausnutzen von Besonderheiten in den Steuersystemen einzelner Länder durch internationale Konzerne zur Verminderung der Steuerlast bzw. eine Vorzugsbehandlung von Gesellschaften internationaler Konzerne durch lokale Finanzverwaltungen. Konkret liegt eine verbotene Beihilfe vor, wenn seitens der Finanzverwaltung eines EU-Mitgliedsstaats Steuervorentscheide erlassen

101 102

103

Vgl. § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG. Vgl. Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 11.06.2014, http://europa.eu/rapid/press-release_IP-14-663_de.htm. Vgl. Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 07.10.2014, http://europa.eu/rapid/press-release_IP-14-1105_de.htm.

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Internationale Entwicklungen in der OECD und EU

werden, die ein bestimmtes Unternehmen selektiv bevorzugen, beispielsweise indem nicht fremdvergleichskonforme Verrechnungspreise akzeptiert werden. Beihilfeverfahren gegen Irland, die Niederlande und Luxemburg Bei den Prüfverfahren gegen Irland, die Niederlande und Luxemburg stehen Auskünfte der Finanzverwaltungen (sog. Rulings; in Deutschland „verbindliche Auskünfte“) zu Verrechnungspreisfragen im Mittelpunkt der Ermittlungen. Es besteht der grundsätzliche Verdacht, dass bei der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage bei den zuvor genannten Unternehmen nicht fremdvergleichskonforme Verrechnungspreise seitens der Finanzverwaltungen akzeptiert wurden; infolgedessen konnten die Unternehmen ihre Steuerlast senken. Die EU-Kommission prüft nun, ob diese selektive Bevorzugung der genannten Unternehmen eine missbräuchliche bzw. ungerechtfertigte staatliche Beihilfe darstellt. Die allgemeinen Steuervorschriften der involvierten EU-Mitgliedsstaaten sind dabei nicht Gegenstand des Beihilfeverfahrens. Erneutes Beihilfeverfahren gegen Luxemburg Das zweite gegen Luxemburg eingeleitete Beihilfeverfahren betrifft die Amazon EU S.a.r.l. mit ihrem Sitz in Luxemburg, die eine steuerlich absetzbare Lizenzabgabe an eine ebenfalls in Luxemburg ansässige geschlossene Kommanditgesellschaft zahlt, die allerdings nicht der lokalen Körperschaftsteuer unterliegt. Im Ergebnis führt dies dazu, dass der größte Teil der europäischen Gewinne Amazons in Luxemburg gebucht, dort aber nicht besteuert wird. Diese Steuerpraxis wurde im Jahr 2003 seitens der luxemburgischen Finanzverwaltung in einer nach dem lokalen Recht möglichen „Steuervorentscheidung“ bestätigt. Nach Ansicht der EU-Kommission scheint die Lizenzabgabe in ihrer Höhe nicht fremdüblich zu sein und verschafft Amazon infolgedessen einen wirtschaftlichen Vorteil in Form einer niedrigeren Besteuerung als bei der Berücksichtigung marktüblicher Bedingungen. In diesem Fall wäre grundsätzlich eine verbotene staatliche Beihilfe gegeben. Ablauf der Beihilfeverfahren und Ausblick Im Zuge der Beihilfeverfahren werden seitens der EU-Kommission Informationen und Stellungnahmen von den involvierten EU-Mitgliedsstaaten angefordert; zudem wird interessierten Dritten Gelegenheit gegeben, ebenfalls Stellung zu beziehen. Sofern die EU-Kommission zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass in den vorliegenden Fällen eine ungerechtfertigte staatliche Beihilfe vorliegt, könnte diese die drei Mitgliedsstaaten grundsätzlich dazu verpflichten, die als Beihilfe eingestuften Steuervorteile zuzüglich Zinsen von den begünstigten Unternehmen zurückzufordern. Sofern eine solche Rückforderung von den Mitgliedsstaaten nicht umgesetzt würde, könnte die EU-Kommission ein Vertragsverletzungs-

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Internationale Entwicklungen in der OECD und EU

verfahren beim Europäischen Gerichtshof einleiten und die Verhängung eines Zwangsgelds beantragen. In diesem Zusammenhang ist jedoch anzumerken, dass die Mitgliedsstaaten mangels entsprechender Harmonisierungsmaßnahmen auch weiterhin grundsätzlich die Hoheit über das Recht der direkten Steuern haben. Nach Auffassung der EU-Kommission dürfen sie dabei ihre allgemeinen Regeln im Einzelfall aber nicht so auslegen, dass einzelne Unternehmen bzw. Konzerne gegenüber anderen Steuerpflichtigen selektiv begünstigt werden. Die Frage, wann bei steuerlichen Maßnahmen Selektivität vorliegt, erscheint komplex und eine Abgrenzung im Einzelnen nicht unproblematisch. Nach Klärung aller datenschutzrelevanten Fragen wurden die nicht vertraulichen Fassungen der Beschlüsse zu den Verfahrensnummern SA.38373104, SA.38374105 und SA.38375106 im Beihilfenregister der EU veröffentlicht. Die Veröffentlichung der nicht vertraulichen Fassung des Beschlusses zur Verfahrensnummer SA.38944 steht gegenwärtig noch aus.107

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SA.38373: Text der Entscheidung im Fall Apple in Irland: http://ec.europa.eu/competition/state_aid/cases/253200/253200_1582634_87_2.pdf. SA.38374: Text der Entscheidung im Fall Starbucks in den Niederlanden: http://ec.europa.eu/competition/state_aid/cases/253201/253201_1596706_60_2.pdf. SA.38375: Text der Entscheidung im Fall Fiat Finance and Trade in Luxemburg: http://ec.europa.eu/competition/state_aid/cases/253203/253203_1590108_107_2.pdf. Redaktioneller Hinweis: Am 16.01.2015 hat die EU-Kommission die nicht vertrauliche Fassung ihrer Entscheidung vom 07.10.2014 über ein Prüfverfahren zur Besteuerung des Internetkonzerns Amazon in Luxemburg im Beihilferegister veröffentlicht (Verfahrensnummer SA.38944). Der nicht vertrauliche Text der Entscheidung vom 07.10.2014 kann unter folgendem Link abgerufen werden: http://ec.europa.eu/competition/state_aid/cases/254685/254685_1614265_70_2.pdf.

Transfer Pricing Perspective Deutschland 99

Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2014

D Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2014 Die nachfolgenden Beiträge fassen die wichtigsten internationalen Verrechnungspreisentwicklungen zusammen, soweit sie nicht an anderer Stelle in diesem Buch diskutiert werden. Im Fokus stehen dabei vor allem Neuerungen bei den Dokumentationsvorschriften und APA-Regimen sowie sonstige Entwicklungen im Bereich Verrechnungspreise diverser Länder in Europa, Amerika und Asien. Daneben werden Betriebsprüfungserfahrungen, veröffentlichte verrechnungspreisrelevante Schreiben lokaler Finanzverwaltungen sowie aktuelle Rechtsprechungen in verschiedenen Ländern dargestellt.

1 Europa 1.1 Belgien: Verrechnungspreise weiter im Fokus Von Gert Wöllmann und Julian Franck Seit Anfang 2013108 stehen in Belgien Verrechnungspreissachverhalte im Fokus von Betriebsprüfungen. Mit der Ausweitung des Betriebsprüferteams, neuen Auswahlkriterien und einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen den Behörden wird auch 2014 mit einer weiteren Zunahme der Prüfungen gerechnet. Die belgische Finanzverwaltung beabsichtigt im Lichte der zunehmenden Globalisierung und der damit verbundenen grenzüberschreitenden Transaktionen und Restrukturierungen die Anzahl und den Umfang der Prüfungen von Verrechnungspreissachverhalten zu erhöhen. Hierzu hat die Finanzverwaltung die Zahl der Verrechnungspreisprüfer auf derzeit 30 erhöht. Die Prüfer sollen zudem ihre Informationen mit denen der Spezialisten für die Aufdeckung von Steuerhinterziehung austauschen. Die Auswahl der intensiver zu prüfenden Unternehmen erfolgt auf Basis einer Risikoanalyse der Finanzverwaltung, wobei nach diesen Kriterien der Schwer-

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Vgl. hierzu auch Wöllmann/Franck: „Belgien: stärkere Fokussierung der Finanzverwaltung auf die Prüfung von Verrechnungspreisen“, Transfer Pricing Perspective Deutschland, Ausgabe 18, Mai 2013.

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Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2014

punkt auf Unternehmen mit sehr geringen Margen, stark schwankenden Ergebnissen oder sehr hohen Verlustvorträgen liegt. Solche Unternehmen sollten mit der eingehenden Überprüfung ihrer Verrechnungspreismethoden rechnen. Ferner sollten sich diese frühzeitig und proaktiv mit den eigenen angewandten Verrechnungspreismethoden auseinandersetzen und diese auf mögliche Anfechtbarkeit, Schwachstellen und Nachhaltigkeit überprüfen und dies entsprechend dokumentieren.

1.2 Dänemark: aktuelle Verrechnungspreisentwicklungen Von Gert Wöllmann und Julian Franck Am 31. März 2014 hat die dänische Finanzverwaltung ihren Verrechnungspreisreport für 2013 veröffentlicht. Dieser bietet einen Überblick über die Prüfungsschwerpunkte der Finanzverwaltung des vergangenen Jahres. Grundsätzlich sind in Dänemark die Verrechnungspreise in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der Finanzverwaltung gerückt. Dieser Trend dürfte anhalten. 2013 lag der Fokus der dänischen Finanzverwaltung auf Unternehmen, die Verluste generiert haben, und solchen, die in Transaktionen mit immateriellen Wirtschaftsgütern (auch: Intellectual Property – IP) involviert waren (z. B. Transfer von Rechten oder Lizenzzahlungen für Marken und Patente). Insgesamt führten die Prüfungen bei 77 Unternehmen zu einer Erhöhung des steuerlichen Einkommens in Höhe von insgesamt 17,4 Milliarden dänischen Kronen (circa 2,3 Mrd. Euro). Allerdings war 2013 auch ein signifikanter Anstieg der Anzahl von (Vorab-)Verständigungsverfahren zu verzeichnen. Dänische Unternehmen mit Verlusten sollten deshalb die Gründe für die Verlustsituation sowie Maßnahmen zur Reduzierung der Verluste dokumentieren, da die dänische Finanzverwaltung die Hintergründe von Verlusten im Detail analysiert. Ferner sollten IP-bezogene Transaktionen laufend auf ihre Fremdüblichkeit überprüft und ihre Angemessenheit hinreichend dokumentiert werden. Hierzu sollten idealerweise auch vorliegende IP-Bewertungen einbezogen und der dänischen Finanzverwaltung zur Verfügung gestellt werden.

Transfer Pricing Perspective Deutschland 101

Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2014

1.3 Frankreich: Gesetzentwurf zur Behandlung von Funktions- und Risikoverlagerungen Von Gert Wöllmann und Julian Franck Im September 2013 hat die französische Regierung einen Gesetzentwurf zu grenzüberschreitenden Umstrukturierungen verabschiedet. Bei einer Verlagerung von Funktionen und/oder Risiken und einer nachfolgenden Reduzierung der Ergebnisse der französischen Gesellschaft hat diese auf Anfrage nachzuweisen, dass sie eine angemessene Ausgleichszahlung erhalten hat. Folglich wird das Thema Funktionsverlagerung wie bereits in Deutschland nun auch in Frankreich gesetzlich geregelt und zunehmend im Fokus stehen. Französische Unternehmen fallen unter diese Regelung, soweit diese (1) Funktionen/Risiken auf ein verbundenes Unternehmen übertragen und (2) sich in den zwei nachfolgenden Wirtschaftsjahren das Ergebnis109 um mehr als 20 Prozent gegenüber dem Durchschnitt der letzten drei Jahre vermindert. Hierbei wird unabhängig vom verlagernden Unternehmensbereich auf das Gesamtergebnis der Gesellschaft abgestellt (keine Segmentierung). Sollten diese Kriterien erfüllt sein, wäre in diesem Fall der französische Steuerpflichtige dazu verpflichtet, nachzuweisen, für die Verlagerung von Funktionen und Risiken eine angemessene Ausgleichszahlung erhalten zu haben. Zur Überprüfung der Angemessenheit der Ausgleichszahlung müssten auf Anfrage der französischen Finanzverwaltung sämtliche notwendige Finanzdaten zur Kalkulation der Finanzergebnisse von allen an der Transaktion beteiligten Unternehmen vor und nach der Umstrukturierung zur Verfügung gestellt werden, also auch von dem ausländischen übernehmenden Unternehmen. Insbesondere beim zweiseitigen Ansatz fällt eine Ähnlichkeit zur deutschen Regelung zur Funktionsverlagerung auf. Zwar wurde dieser Entwurf im Rahmen der Umsetzung des französischen Finanzgesetzes 2014 nicht übernommen, jedoch ist weiterhin mit einer Gesetzesänderung zu rechnen.110 Steuerpflichtige sollten dennoch mit einer stärkeren Prüfung von Umstrukturierungen rechnen. Ferner kann der Gesetzentwurf als eine Orientierungshilfe für Steuerpflichtige bezüglich des Umgangs 109

110

Gemessen am excédent brut d’exploitation (EBE), einer Kennziffer ähnlich dem EBITDA. Redaktioneller Hinweis: Die Regelungen zum Umgang mit Funktionsverlagerungen wurden aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken nicht umgesetzt.

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Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2014

mit Umstrukturierungen dienen, da er die Sichtweise der Finanzverwaltung aufzeigt. Wir empfehlen Steuerpflichtigen, bei zukünftigen Umstrukturierungen bereits frühzeitig mit der Erstellung einer Dokumentation zu Verteidigungszwecken in einer späteren Betriebsprüfung zu beginnen. Diese sollte insbesondere die Gründe für die bevorstehende Umstrukturierung, die Finanzdaten (vor und nach der Umstrukturierung) sowie Argumente zur Notwendigkeit und Angemessenheit der Ausgleichszahlung enthalten.

1.4 Frankreich: „Vereinfachte Verrechnungspreisauskunft“ – jährliche Verrechnungspreisauskunftspflichten Von Marion Leherpeur und Gerrit Halbach Mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Steuerflucht und Finanzkriminalität vom 6. Dezember 2013 hat der französische Gesetzgeber eine zusätzliche Auskunftspflicht in Form einer „vereinfachten Verrechnungspreisauskunft“ eingeführt. Regelung Entsprechend der gesetzlichen Regelung sind bereits der bisherigen Dokumentationspflicht unterliegende französische Unternehmen sowie Betriebsstätten zusätzlich verpflichtet, innerhalb der auf die Abgabe der Steuererklärung folgenden sechs Monate eine vereinfachte Verrechnungspreisauskunft jährlich abzugeben. Dies gilt für Steuerpflichtige, die ihre Steuererklärungen nach Inkrafttreten des Gesetzes einreichen, wobei für das erste Jahr der Anwendung (d. h. für Steuerjahre mit Abschluss bis zum 31. Dezember 2013) die Abgabe bis zum 20. November 2014 erfolgen kann. Spezifische Sanktionen bei Nichterfüllung oder verspäteter Einreichung sieht das Gesetz derzeit jedoch nicht vor. Inhalt Die französischen Steuerbehörden haben für die vereinfachte Verrechnungspreisauskunft ein separates Formular (N° 2257) entwickelt. Anhand dieses Formulars sind insbesondere folgende Informationen offenzulegen: ● allgemeine Informationen über die Gruppe einschließlich (1) Beschreibung der Geschäftstätigkeit der Gruppe, (2) Herkunft und Art der von dem französischen Unternehmen wesentlichen eingesetzten immateriellen Wirtschaftsgüter, (3) allgemeiner Beschreibung der angewandten Verrechnungspreisrichtlinien

Transfer Pricing Perspective Deutschland 103

Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2014

● spezifische Informationen über das französische Unternehmen einschließlich

(1) Beschreibung der lokalen Aktivitäten, (2) Liste der konzerninternen Transaktionen, wenn das aggregierte Volumen pro Transaktionsgruppe 100.000 Euro überschreitet, (3) Angabe der angewandten Verrechnungspreismethode und (4) potenzieller Änderungen innerhalb des Geschäftsjahrs Diese Informationen sind größtenteils aus einer bestehenden Verrechnungspreisdokumentation ableitbar. Jedoch ist zu beachten, dass die Vorlage einer „vollständigen“ Verrechnungspreisdokumentation auf Anfrage am ersten Tag einer Betriebsprüfung von der vereinfachten Verrechnungspreisauskunft unberührt bleibt. Fazit In der Praxis sollte die zusätzliche Meldepflicht für den Fall, dass es schon eine „normale“ Verrechnungspreisdokumentation gibt, abgesehen von dem zeitlichen Vorziehen keinen erheblichen Mehraufwand für den Steuerpflichtigen generieren, da die inhaltlichen Anforderungen (mit unterschiedlichem Detaillierungsgrad) identisch sind und das Formular bearbeitungsfreundlich in Tabellenform strukturiert ist. Der Steuerpflichtige hat jedoch frühzeitig eine vollständige Darstellung seiner verrechnungspreisrelevanten Sachverhalte (einschließlich deren Änderungen) sicherzustellen. Die Nichterfüllung dieser Pflicht könnte die Durchführung einer Betriebsprüfung auslösen, in deren Rahmen die Vorlage einer „vollständigen“ Verrechnungspreisdokumentation verlangt werden könnte. Frankreich folgt damit dem internationalen Trend, bereits mit Abgabe der Steuererklärungen Auskünfte zu Verrechnungspreisen einzuholen, und somit auch den Empfehlungen der OECD in ihrem jüngst veröffentlichten Papier zum Thema Dokumentation.111

1.5 Luxemburg: zunehmender Fokus auf Verrechnungspreise Von Gert Wöllmann und Julian Franck In den letzten drei Jahren hat das Thema Verrechnungspreise an Bedeutung gewonnen. Aufgrund des bedeutenden Finanzsektors konzentriert sich die luxemburgische Finanzverwaltung derzeit insbesondere auf Finanztransaktionen. Die neue Regierung 111

Vgl. OECD (2014): „Guidance on Transfer Pricing Documentation and Country-byCountry Reporting“, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, OECD Publishing; http://dx.doi.org/10.1787/9789264219236-en.

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Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2014

beabsichtigt zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit die Einführung internationaler Standards zur Besteuerung und Transparenz sowie zusätzlicher Verrechnungspreisregelungen in den kommenden Jahren. In Luxemburg wurden 2011 erste Verrechnungspreisregelungen eingeführt. Seither steigt die Relevanz dieses Themas stetig. So verlangt die luxemburgische Finanzverwaltung mittlerweile zunehmend die Vorlage von Verrechnungspreisdokumentationen und überprüft detailliert Finanztransaktionen auf die Angemessenheit der gezahlten/erhaltenen Zinszahlungen. Kürzlich erging auch ein Finanzgerichtsurteil zur angezweifelten Angemessenheit von Zinszahlungen an ein französisches verbundenes Unternehmen. Daher sollten multinationale Konzerne insbesondere mit luxemburgischen Finanzierungsgesellschaften sicherstellen, dass ihre Verrechnungspreise dem Fremdvergleichsgrundsatz folgen, geeignet dokumentiert werden und die Angemessenheit durch eine ökonomische Analyse belegt werden kann.

1.6 Niederlande: neuer Erlass zum Fremdvergleichsgrundsatz Von Susann van der Ham, Guido Schepers und Dr. Andreas Kammer In den Niederlanden trat am 14. November 2013 ein neuer Erlass zum Fremdvergleichsgrundsatz in Kraft. Der Fremdvergleichsgrundsatz ist seit 2002 in Art. 8b des niederländischen Körperschaftsteuergesetzes verankert. Die niederländische Gesetzgebung orientiert sich an der Entwicklung der OECD-Praxis und berücksichtigt Besonderheiten des niederländischen Wirtschaftsstandorts. Der gegenwärtige Erlass ersetzt die Erlasse vom 30. März 2001 (IFZ 2001/295) und 21. August 2004 (IFZ 2004/ 680M) und konkretisiert die niederländische Auslegung und Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach dem OECD-Modell. Die wichtigsten Änderungen gegenüber den ersetzten Erlassen betreffen die folgenden Punkte: ● spezielle Regelungen für unternehmensinterne Kreditvergaben, Bürgschaften, konzerninterne Versicherungsleistungen und immaterielle Wirtschaftsgüter; ● weitere Klarstellungen des Erlasses zur Behandlung von Gesellschafteraktivitäten und „gemischten Aktivitäten“: Kosten der Unternehmensführung können in diesem Zusammenhang unter Umständen als „gemischte

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Aktivitäten“ behandelt werden; gemischte Aktivitäten sind Tätigkeiten einer Abteilung oder einer anderweitigen Gruppe von Personen innerhalb des Unternehmens, die teilweise als unternehmensinterne Dienstleistungen und teilweise als Gesellschafteraktivitäten zu qualifizieren sind; ● eine ausführliche Beschreibung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes; ● Anpassungen aufgrund von Gesetzesänderungen, relevanten Präzedenzfällen und den jüngsten Entwicklungen auf OECD-Ebene, insbesondere der aktualisierten Verrechnungspreisrichtlinien aus dem Jahr 2010; ● knappe Erläuterung zur Anwendung der verschiedenen Verrechnungspreismethoden, wie sie in den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien dargestellt sind.

1.7 Niederlande: Finanzministerium veröffentlicht neue Erlasse zu Finanzdienstleistern Von Eefje Lemmens Im Dezember 2013 und Juni 2014 wurden vom niederländischen Finanzministerium verschiedene neue Erlasse veröffentlicht, die auf die vermeintlich unsachgemäße Verwendung der niederländischen Steuerabkommen und Steuergesetze durch Finanzdienstleistungsunternehmen („financial service companies“ – FSCs) abzielen. Die niederländische Regierung versucht dadurch zu zeigen, dass sie Maßnahmen zur Bekämpfung unerwünschter internationaler Steuergestaltung multinationaler Unternehmen vorantreibt. Mit der Veröffentlichung der neuen Erlasse unterstreicht die niederländische Regierung ihre bestehende Linie gegenüber FSCs und demonstriert zugleich ihr Bestreben, die angemessene Anwendung der Gesetzgebung zu überwachen. Auch wenn sich die Substanzanforderungen für FSCs nicht wesentlich geändert haben, handelt es sich hierbei um ein klares Signal der niederländischen Steuerbehörde, dass sie die korrekte Einhaltung dieser Anforderungen verstärkt prüfen wird. Die Erlasse klassifizieren ein FSC als eine in den Niederlanden ansässige körperschaftsteuerpflichtige Gesellschaft auf Basis ihrer Geschäftstätigkeit, ungeachtet ihrer Eigentümerstruktur oder ihrer Rechtsform. Die Geschäftstätigkeit muss hauptsächlich aus dem Erhalt bzw. der Zahlung von Zinsen, Lizenzgebühren, Pacht und/oder Leasingkosten durch bzw. an verbundene ausländische Gesellschaften bestehen. Die in den Erlassen darüber hinaus enthaltenen Substanzanforderungen beziehen sich auf Themen wie den nieder-

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ländischen Wohnsitz von Vorstandsmitgliedern oder in den Niederlanden stattfindende Vorstandssitzungen. Zudem ist zu prüfen, ob FSCs bezüglich Finanzierungs-, Lizenzierungs-, Leasing- und Mietaktivitäten, die im niederländischen Steuerrecht näher bestimmt werden, substanzielle Risiken eingehen und ob FSCs unter Berücksichtigung ihrer Funktionen und Risiken eine ausreichende Eigenkapitalquote aufweisen. FSCs sind im Rahmen ihrer Körperschaftsteuererklärung dazu verpflichtet, durch eine Bestätigung („tick the box“) kenntlich zu machen, dass sie die Substanzanforderungen erfüllen. Erfüllt eine FSC die Anforderungen nicht oder nicht mehr, wird sie dazu aufgefordert, zusätzliche Informationen bereitzustellen. Zuwiderhandlungen oder Fristverstöße bei der Informationsbereitstellung in der Körperschaftsteuererklärung können Strafzahlungen von bis zu 19.500 Euro nach sich ziehen. Bei Steuererklärungen ab dem Jahr 2014 werden die Niederlande bei FSCs, die die Substanzanforderungen nicht erfüllen und eine Befreiung von Doppelbesteuerung im Rahmen einer Übereinkunft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Ausland beantragt haben, automatisch der betreffenden ausländischen Steuerbehörde Informationen zur Verfügung stellen. Darüber hinaus wird in diesem Fall kein Advance Pricing Agreement/Advance Tax Ruling (APA/ATR) gewährt. Wurde ein APA nach dem 13. Juni 2014 erteilt, wird die niederländische Steuerbehörde bei FSCs, die die Mindestsubstanzanforderungen nur geringfügig überschreiten und deren Unternehmensgruppe nicht plant, ihre operationalen Geschäftstätigkeiten in den Niederlanden in naher Zukunft auszubauen, Informationen mit ausländischen Staaten automatisch austauschen. Im Vergleich zu den bislang gültigen Erlassen aus dem Jahr 2004 wurden durch die neuen Erlasse keine grundlegenden Änderungen der Substanzanforderungen für FSCs beschlossen. Daher kann man davon ausgehen, dass es zu keiner wesentlichen Beeinträchtigung der Attraktivität des Standorts Niederlande für Investoren kommen wird. Vielmehr sichern die neuen Erlasse die bestehenden Vorzüge der Niederlande als Standort für FSCs. In Anbetracht des erneuten Fokus der Erlasse auf Substanzanforderungen empfehlen wir dennoch zu prüfen, ob eine FSC die Anforderungen erfüllt, und, falls notwendig, entsprechende Maßnahmen einzuleiten.

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1.8 Polen: Verrechnungspreise weiterhin im Fokus der Finanzverwaltung Von Gert Wöllmann und Julian Franck In Polen stehen Verrechnungspreise weiterhin im Fokus der Finanzverwaltung. Es werden zunehmend Prüfungen der Verrechnungspreise und Gerichtsverfahren beobachtet. Zudem wurden neue Verrechnungspreisregelungen sowohl zu laufenden Transaktionen als auch zu konzerninternen Umstrukturierungen eingeführt. Letztere berücksichtigen die neusten OECDEntwicklungen zu BEPS. Generell sollten polnische Steuerpflichtige mit grenzüberschreitenden konzerninternen Transaktionen damit rechnen, dass ihre Verrechnungspreise mit großer Wahrscheinlichkeit in einer künftigen Betriebsprüfung thematisiert und intensiv geprüft werden. Wurden in den ersten Jahren nach Einführung der Verrechnungspreisregelungen formale Kriterien, wie zum Beispiel die Vollständigkeit der Dokumentation, überprüft, erfolgt nunmehr zunehmend eine qualitative und quantitative Überprüfung der Transaktionen und der Verrechnungspreise. Die polnische Finanzverwaltung hinterfragt kritisch Datenbankstudien und führt auch zunehmend eigene Datenbankanalysen durch. Aufgrund der steigenden Komplexität von Verrechnungspreissachverhalten und der gestiegenen Anforderungen innerhalb einer Betriebsprüfung führt dies häufig zu intensiven Verhandlungen zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen. Nicht selten wird keine Einigung im Rahmen der Prüfung erzielt, sodass die Prüfungen in ein Gerichtsverfahren münden. Häufige Themen sind zum Beispiel die Verwertbarkeit der Dokumentation und Datenbankstudien, die Fremdüblichkeit von Finanztransaktionen, die Überprüfung von konzerninternen Verträgen sowie der Substanz von Transaktionspartnern. Grundsätzlich sollten polnische Steuerpflichtige über eine plausible Strategie zur Verteidigung ihrer Verrechnungspreise verfügen. In einem ersten Schritt zählt hierzu, eine (geeignete) Dokumentation der Verrechnungspreise vorzuhalten, die insbesondere die Methoden und die Angemessenheit dokumentiert. Ferner sollte die Fremdüblichkeit auf Basis von (internen oder externen) Vergleichsdaten (Preise mit fremden Dritten oder Datenbankstudien) belegt werden können. Auftretende Meinungsverschiedenheiten zu den Verrechnungspreisen sollten idealerweise im Rahmen der Prüfung ausgeräumt werden, um das Risiko eines langwierigen und kostenintensiven Gerichtsverfahrens zu vermeiden. Bei Transaktionen von erheblichem Volumen bietet die Einleitung

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eines Vorabverständigungsverfahrens (Advance Pricing Agreement) die Möglichkeit, zusätzliche Sicherheit zu erzielen.

1.9 Tschechien: neue Meldepflicht für Transaktionen mit verbundenen Unternehmen Von Gert Wöllmann und Julian Franck In Tschechien wurde von der Finanzverwaltung eine neue Meldepflicht für Transaktionen mit verbundenen Unternehmen mit Wirkung ab dem 1. Januar 2014 eingeführt. Mit der Steuererklärung ist zukünftig ein separates Formular mit der Aufstellung der konzerninternen Transaktionen einzureichen. Diese Informationen sollen der Finanzverwaltung als Grundlage für eine risikobasierte Auswahl von zu prüfenden Unternehmen dienen. Betroffen von der Meldepflicht sind alle tschechischen Steuerpflichtigen, die grenzüberschreitende Transaktionen mit verbundenen Unternehmen aufweisen (unabhängig vom Umfang der Transaktionen) und deren Wirtschaftsgüter einen Gesamtwert von 40 Millionen tschechischen Kronen (circa 1,5 Mio. Euro) übersteigen, deren Nettoumsatz 80 Millionen tschechische Kronen (circa 3 Mio. Euro) übersteigt und die durchschnittlich mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigen. Nationale Transaktionen sind hiervon ebenfalls betroffen, sofern die tschechischen Steuerpflichtigen Verluste aufweisen oder Fördermittel erhalten haben. Zukünftig müssen für jeden Transaktionspartner (unabhängig vom Umfang der Transaktionen) ein separates Meldeformular mit allgemeinen Informationen über den Transaktionspartner sowie eine Übersicht über die Transaktionsvolumina pro Transaktion eingereicht werden. Dieses dient der tschechischen Finanzverwaltung als erster Anhaltspunkt zur Risikoeinschätzung und anschließenden Auswahl der zu prüfenden Unternehmen. Allgemein liegt der Fokus hierbei auf Unternehmen mit Umstrukturierungen und Transaktionspartnern in Niedrigsteuerländern, Unternehmen mit Verlusten sowie Management-, Lizenz- und Finanztransaktionen. Durch die Einführung der Meldepflicht ist generell mit einer Zunahme von Betriebsprüfungen, insbesondere bei Steuerpflichtigen mit vorgenannten Transaktionen, zu rechnen. Da das einzureichende Formular mit der Transaktionsübersicht keine Verrechnungspreisdokumentation ersetzt, sollte weiterhin eine Dokumentation vorgehalten werden. Zwar besteht keine gesetzliche Verpflichtung zur Erstellung einer Verrechnungspreisdokumentation in

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Tschechien, aber ungeachtet dessen fordert die tschechische Finanzverwaltung diese typischerweise im Rahmen einer Betriebsprüfung an.

2 Amerika 2.1 Kanada: neue Entwicklungen zu Vorabverständigungsverfahren Von Gert Wöllmann und Julian Franck Die Canada Revenue Agency (CRA) hat Ende März 2014 ihren jährlichen Report über das in Kanada eingeführte Programm zu Vorabverständigungsverfahren (Advance Pricing Agreements – APAs) für das Wirtschaftsjahr 2013/2014 veröffentlicht. Im Wirtschaftsjahr 2013/2014 hat sich das APA-Programm in Kanada weiter positiv entwickelt. Zum einen hat sich die durchschnittliche Verhandlungsdauer signifikant – um mehr als 50 Prozent – verringert, zum anderen wurden wesentlich mehr APA-Anträge akzeptiert als in den Vorjahren. Darüber hinaus wurden zusätzliche Länder in den Kreis der potenziellen Länder für ein APAVerfahren aufgenommen (z. B. China und Portugal). Im Wirtschaftsjahr 2013/2014 lagen die Schwerpunkte der APAs in den Sektoren Automobil, Transport, Computer, Elektronik, Chemie und Nahrungsmittel.112 Die wesentlichen Transaktionstypen waren der Transfer von materiellen (54 Prozent) und immateriellen Wirtschaftsgütern (23 Prozent), gefolgt von Dienstleistungen (21 Prozent). Die am häufigsten betrachtete Verrechnungspreismethode war die transaktionsbezogene Nettomargenmethode (50 Prozent), gefolgt von der Profit-Split-Methode (18 Prozent). Ferner wurden 60 Prozent der bilateralen APAs mit den USA verhandelt sowie mit zahlreichen anderen Ländern (inklusive Deutschland). Insgesamt wurden im Wirtschaftsjahr 2013/2014 25 APAs abgeschlossen, weitere 110 Fälle sind offen. Kanadische Steuerpflichtige, die für die Zukunft zusätzliche Sicherheit bezüglich ihrer Verrechnungspreise schaffen wollen, sollten über den Weg eines APA nachdenken. Hierbei sollten sie sich, wie in anderen Ländern, darauf einstellen, bereits vor dem eigentlichen APA-Prozess umfangreiche 112

Redaktioneller Hinweis: Die genannten Anteile beziehen sich auf die Gesamtheit der abgeschlossenen und offenen APAs.

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Informationen offenzulegen und mit den Finanzbehörden zusammenzuarbeiten. Hierdurch kann das APA schneller und im Sinne des Steuerpflichtigen abgeschlossen werden.

3 Asien 3.1 Australien: Finanzverwaltung entwirft Richtlinien zu neuen Verrechnungspreisregelungen Von Gert Wöllmann und Julian Franck Die australische Finanzverwaltung (ATO) hat mehrere Richtlinienentwürfe zu den 2013 eingeführten Verrechnungspreisregelungen veröffentlicht. Die Richtlinien befassen sich unter anderem mit der Dokumentation von Verrechnungspreisen, Strafzuschlägen sowie der Anerkennung von Transaktionen bzw. der Umqualifizierung auf hypothetische fremdübliche Transaktionen. Der Erlass der Richtlinien wird in der zweiten Jahreshälfte 2014 erwartet.113 Die neuen Verrechnungspreisregelungen unterscheiden zwischen dem Grundfall, in dem die durchgeführte Transaktion anhand verfügbarer Fremdvergleiche auf ihre Angemessenheit hin analysiert wird, und drei möglichen Ausnahmefällen, in denen die Transaktion in eine fremdübliche Transaktion umqualifiziert wird. Der zugehörige Richtlinienentwurf befasst sich insbesondere mit Faktoren, die im Rahmen der Neuregelung für eine Umqualifizierung relevant sind, und bietet zu Veranschaulichungszwecken Beispielfälle. Verrechnungspreisdokumentationen sind künftig bis zum Zeitpunkt des Einreichens der Steuererklärung zu erstellen, um eine geeignete Basis für die Beurteilung der eigenen Verrechnungspreise zu haben (sog. reasonably arguable position – RAP). Hierzu enthält der Richtlinienentwurf insbesondere Angaben zum Umfang der erforderlichen Erstellung, der Risikoeinschätzung und der möglichen Umqualifizierungen von Transaktionen sowie zum Umfang von Informationen zur gesamten Wertschöpfungskette des Konzerns (bigger picture).

113

Redaktioneller Hinweis: Im Laufe des Jahres 2014 wurden von der ATO die Richtlinien TR 2014/8, PSLA 2014/2 und PSLA 2014/3 erlassen.

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Grundsätzlich beträgt der Strafzuschlag in Australien 25 Prozent der Einkommensanpassung. Mit dem Vorliegen einer RAP reduziert sich dieser auf 10 Prozent. Hierzu enthält der Richtlinienentwurf Informationen und weitere Hinweise zur RAP und deren Akzeptanz. Folglich ist nunmehr die zeitnahe Erstellung einer Verrechnungspreisdokumentation entscheidend für die Verhinderung bzw. Reduzierung etwaiger Strafzuschläge. Hierzu ist insbesondere eine frühzeitige Planung der Dokumentation vor Einreichung der ersten Steuererklärung im Rahmen der Einführung der Neuregelung empfehlenswert.

3.2 China: Entsendung oder Service? – neue Richtlinien bezüglich Dienstleistungsbetriebsstätten Von Susann van der Ham und Mingzhe Ouyang Das Betriebsprüfungsklima für ausländische Unternehmen in China hat sich in den letzten Jahren deutlich verschärft. Im Fokus der chinesischen Finanzverwaltung (State Administration of Taxation – SAT) stehen zum einen die Abgrenzung zwischen Entsendungsfällen und Dienstleistungsverrechnungen und zum anderen die Annahme von Dienstleistungsbetriebsstätten sowie deren angemessene Vergütung. Diese Entwicklung ist insbesondere für deutsche Unternehmen mit Tochtergesellschaften in China relevant, da auch das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Deutschland und China in Art. 5 Abs. 3 eine entsprechende Vorschrift zu Dienstleistungsbetriebsstätten enthält. Abgrenzung von Entsendungen und Dienstleistungen Aus deutscher Sicht werden mehrere Arten von Entsendungen unterschieden. In der Praxis spielt die Expertenentsendung die größte Rolle, bei der das entsendende Unternehmen dem aufnehmenden Unternehmen einen sehr erfahrenen Mitarbeiter für die Dauer der Entsendung zur Verfügung stellt. In China werden gerade Leitungsfunktionen (z. B. Leitung der Produktion, Leitung des Vertriebs oder die Geschäftsführung) oft mit entsendeten Experten aus Deutschland besetzt. Da eine Expertenentsendung im ganz überwiegenden Interesse des aufnehmenden Unternehmens erfolgen dürfte, werden die Kosten der Entsendung üblicherweise dem aufnehmenden Unternehmen in Rechnung gestellt.

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Aus chinesischer Sicht stellt sich jedoch die Frage, ob solche Expertenentsendungen dem Wesen nach eher als Dienstleistungen des deutschen Stammhauses gegenüber der chinesischen Tochter zu beurteilen sind, die von den entsendeten Mitarbeitern in China erbracht werden. Annahme von Dienstleistungsbetriebsstätten Das DBA zwischen Deutschland und China ist eines von wenigen deutschen DBAs, die eine Regelung zu Dienstleistungsbetriebsstätten enthalten. Danach begründet ein deutsches Unternehmen in China eine Betriebsstätte durch die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Leistungen auf dem Gebiet der Beratung, durch Angestellte oder anderes Personal, wenn diese Tätigkeit in China länger als sechs Monate in einem beliebigen Zwölfmonatszeitraum ausgeübt wird. Sofern eine Dienstleistungsbetriebsstätte begründet wird, wäre dieser ein angemessener Anteil des Gewinns des deutschen Stammhauses zuzuordnen und in China der Besteuerung zu unterwerfen. Vor diesem Hintergrund waren in der Vergangenheit insbesondere Entsendungsfälle Gegenstand der Prüfung durch die chinesische Finanzverwaltung, die hier verdeckte Dienstleistungsbeziehungen vermutete. Da Entsendungen in der Praxis häufig länger als sechs Monate andauern, würde aus einer potenziellen Umqualifizierung der Leistungsbeziehung von einer Entsendung in eine Dienstleistungstransaktion oft auch die Annahme einer Dienstleistungsbetriebsstätte nach DBA resultieren. Daneben löst die Annahme einer Dienstleistungstransaktion 5 Prozent Business Tax auf das angenommene Bruttoentgelt aus. Neue Richtlinie zur Abgrenzung von Entsendungsfällen Die SAT hat nun einen lang erwarteten Erlass (Tax Circular 2013 No. 19 – Circular 19) veröffentlicht, der sowohl technische als auch praktische Hinweise für die Abgrenzung zwischen Entsendungs- und Dienstleistungsfällen und zur Prüfung des Vorliegens einer Dienstleistungsbetriebsstätte enthält. Vereinfacht beschreibt der Erlass die folgenden zwei grundsätzlichen Abgrenzungskriterien und fünf ergänzende Faktoren, die für die Beurteilung der Frage herangezogen werden sollen, ob eine Dienstleistung bzw. eine Dienstleistungsbetriebsstätte des ausländischen Stammhauses vorliegt: Grundsätzliche Abgrenzungskriterien ● Das Stammhaus trägt die volle Verantwortung für die vom entsendeten Mitarbeiter geleistete Tätigkeit. ● Das Stammhaus beurteilt die Leistungen des entsendeten Mitarbeiters im Rahmen des normalen Performance-Management-Prozesses.

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Fünf ergänzende Faktoren ● Die aufnehmende chinesische Gesellschaft zahlt Management Fees oder Dienstleistungsentgelte an das Stammhaus für den entsendeten Mitarbeiter. ● Die aufnehmende chinesische Gesellschaft erstattet die Entsendungskosten für den entsendeten Mitarbeiter in unüblicher Höhe. ● Die Zahlungen der aufnehmenden chinesischen Gesellschaft werden vom Stammhaus nur teilweise an den entsendeten Mitarbeiter ausgezahlt bzw. für seine Vergütung verwendet. ● Die vom Stammhaus getragenen Vergütungsbestandteile unterliegen nicht oder nur teilweise der chinesischen Einkommensteuer. ● Das Stammhaus bestimmt die Anzahl, die Qualifikation, die Vergütung und den Standort der entsendeten Mitarbeiter. Sofern das Stammhaus auf Basis der grundsätzlichen Abgrenzungskriterien als wirtschaftlicher Arbeitgeber des entsendeten Mitarbeiters angesehen wird, könnte nach Ansicht der SAT das Vorliegen eines der fünf unterstützenden Faktoren zur Annahme einer Betriebsstätte in China führen. Bemerkenswert ist hierbei, dass die ersten drei der fünf unterstützenden Faktoren darauf abzielen, ob das Stammhaus aus der Entsendung einen finanziellen Vorteil erzielt. Dies impliziert, dass selbst die Verrechnung anteiliger Verwaltungskosten im Zusammenhang mit der Entsendung zur Annahme einer Dienstleistungsbetriebsstätte in China führen könnte. Darüber hinaus ist unklar, wie die SAT den Fall beurteilen wird, dass die aufnehmende Gesellschaft zwar auf Basis der grundsätzlichen Abgrenzungskriterien als wirtschaftlicher Arbeitgeber angesehen werden müsste, aber gleichzeitig einer oder mehrere der fünf unterstützenden Faktoren eine gegenteilige Beurteilung stützen würden. Es bleibt also offen, wie die jeweils zuständigen lokalen Finanzbehörden diesen oder andere Zweifelsfälle beurteilen würden. Fazit Aufgrund des neuen Circular 19 ist es für alle Unternehmen mit Entsendungen an verbundene Unternehmen in China empfehlenswert, sämtliche Entsendungsfälle vor dem Hintergrund der neuen Regelungen zu überprüfen. Zur Vermeidung von Dienstleistungsbetriebsstätten sollten außerdem die Verrechnungsmechanismen für Entsendungskosten überprüft werden, da sich die Verrechnung von Verwaltungskostenanteilen negativ auf das Betriebsstättenrisiko auswirken könnte. Darüber hinaus spielt eine solide Dokumentation der Entsendungsfälle eine wichtige Rolle beim Nachweis, dass tatsächlich eine Entsendung und eben keine Dienstleistung zwischen Stammhaus und chinesischer Tochtergesellschaft vorliegt. Im Mittelpunkt dieser Entsendungsdokumentation sollte

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die wirtschaftliche Arbeitgebereigenschaft der aufnehmenden chinesischen Gesellschaft bezüglich des entsendeten Mitarbeiters stehen.

3.3 China: vierter APA-Jahresbericht veröffentlicht Von Jörg Hanken, Mingzhe Ouyang und Ulrich Reuter Im Juni 2013 veröffentlichte die zentrale chinesische Finanzverwaltung (State Administration of Taxation – SAT) die vierte Ausgabe des „China Advance Pricing Arrangement Annual Report“ (APA-Jahresbericht) – für das Jahr 2012. Im Detail ergeben sich jedoch wieder einige neue Aspekte und Erkenntnisse, die Ihnen der folgende Beitrag kurz vorstellt. Aktuelle APA-Trends Im Jahr 2012 wurden insgesamt zwölf neue Advance Pricing Agreements (APAs) unterzeichnet. Darunter befanden sich neun zwischenstaatliche (bilaterale) Abkommen,114 während die verbleibenden drei unilateralen Abkommen Vereinbarungen zwischen Steuerpflichtigen und der SAT betreffen. Damit übertrifft im Jahr 2012 die Zahl der – komplexeren und im internationalen Zusammenhang wirksameren – bilateralen APAs nach 2009 zum zweiten Mal die der unilateralen APAs. Dies deutet darauf hin, dass Unternehmen trotz des damit verbundenen größeren Aufwands in der Praxis verstärkt auf bilaterale APAs setzen, anstatt auf rein chinesische Vereinbarungen zu vertrauen. Die Entwicklung zeigt jedoch auch: Die chinesischen Steuerbehörden unterstützen die Anwendung von bilateralen APAs – in aus ihrer Sicht sinnvollen Fällen – tatsächlich. Nach den im Jahresbericht veröffentlichten Statistiken hat sich auch die Dauer der Bearbeitung eines APA vom Antrag bis zur Unterzeichnung verkürzt. Wurden im Jahr 2011 nur etwa 50 Prozent der unilateralen und bilateralen APAs innerhalb von weniger als einem Jahr abgeschlossen, so erhöhte sich dieser Anteil im Jahr 2012 auf 67 Prozent. Der Anstieg dokumentiert zum einen die zunehmende Erfahrung der SAT in APA-Fragen, zum anderen die immer strikter werdende Vorauswahl geeigneter Fälle. So stieg die Zahl der gestellten und noch nicht angenommenen APA-Anträge vom Stichtag 31. Dezember 2011 bis zum Stichtag 31. Dezember 2012 von 58 auf 79, davon 73 Anträge auf bilaterale APAs. Und die chinesischen Behörden rechnen ausdrücklich mit einer weiter steigenden Zahl von Anträgen. Darüber hinaus muss immer wieder 114

Unter diesen ist ein neues bilaterales APA zwischen China und einem europäischen Land.

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darauf hingewiesen werden: Die offiziellen Angaben zur Dauer von APAs berücksichtigen nicht die umfangreichen Vorbereitungsarbeiten und Vorverhandlungen, die dem offiziellen APA-Prozess regelmäßig vorgelagert sind. Kriterien, nach denen die Finanzverwaltung eingehende Anträge bearbeitet Bei der Bearbeitung von Anträgen richtet sich die SAT laut eigener Aussage nach den folgenden vier Kriterien: ● Die Bearbeitung erfolgt erstens und grundsätzlich nach der zeitlichen Reihenfolge der Antragstellung. ● Entscheidend ist zweitens die Qualität der Antragsdokumente. Dazu gehört: Sind die Dokumente und Informationen vollständig? Sind die Ausführungen und Berechnungen zu den Verrechnungspreisen korrekt und angemessen? ● Einfluss auf die Bearbeitung hat drittens die Zugehörigkeit des Antragstellers zu einer Branche oder Region, die bevorzugte Behandlung verdient (ohne weitere Vertiefung bezüglich der Kriterien für solche Branchen oder Regionen). ● Bei bilateralen APAs ist viertens von Bedeutung, inwieweit der andere Vertragsstaat dazu bereit ist, APA-Verhandlungen durchzuführen. Die Bedeutung einer bevorzugten Behandlung ist besonders mit Blick auf die weiterhin sehr begrenzten personellen Ressourcen der Behörde von Bedeutung. 2012 wurde die Zahl der im Rahmen des APA-Programms tätigen SAT-Mitarbeiter von sechs auf acht erhöht. Diese Mitarbeiter sind derzeit in drei regionalen Teams organisiert, die jeweils folgende Länder betreuen: Japan und Südkorea; restliches Asien und Pazifik; Europa (einschließlich des Vereinigten Königreichs, Deutschlands, der Niederlande, Belgiens, Luxemburgs, Italiens, Dänemarks, Schwedens und der Schweiz). Nach eigenem Bekunden ist das zweite der vier Kriterien (die Qualität der Antragsdokumente sowie der verrechnungspreistechnischen Argumentation) der wichtigste Entscheidungsfaktor für die SAT. Beispielsweise rechtfertigt die Verwendung innovativer Verrechnungspreismethoden (z. B. vermehrte Anwendung der Wiederverkaufspreismethode und der Gewinnaufteilungsmethode) und hochwertiger quantitativer Analysen mit Blick auf immaterielle Vermögenswerte, lokale Kosteneinsparungen (cost savings) oder marktspezifische Gewinnaufschläge (market premiums) eine bevorzugte Behandlung durch die SAT. Vor diesem Hintergrund kann die Bedeutung einer eingehenden Vorbereitung der APA-Anträge nicht genug betont werden. Alle Anträge sollten idealerweise mit professioneller Unterstützung erfolgen. Das betrifft vor allem die Auswahl erfolgversprechender APA-Projekte, aber auch die Vorbereitung passender Antragsdokumente und die technisch saubere Argumentation.

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3.4 China: Ansichten der SAT zu konzerninternen Dienstleistungen und Management Fees Von Jörg Hanken und Mingzhe Ouyang115 Als Reaktion auf die Anfrage der Vereinten Nationen hat die State Administration of Taxation (SAT) der Volksrepublik China ihre Ansichten mitgeteilt und am 16. Januar 2014 zwei Empfehlungen bezüglich konzerninterner Dienstleistungen und Management Fees veröffentlicht. Der folgende Artikel bietet eine Übersicht über spezielle Themen und praktische Herausforderungen, die bei der Verrechnung von Dienstleistungen und Management Fees demnach beachtet werden müssen. Zu berücksichtigende Sachverhalte Die SAT stimmt der OECD-Grundstruktur der Verrechnung von konzerninternen Dienstleistungen zu. Darüber hinaus hob sie vier Sachverhalte hervor, die bei der Analyse, ob Muttergesellschaften Dienstleistungsgebühren an verbundene Gesellschaften verrechnen können, berücksichtigt werden müssen: ● Ein Benefit-Test sollte durchgeführt werden, sowohl aus Sicht des Dienstleistungsanbieters als auch aus Sicht des Dienstleistungsempfängers (falls z. B. der Anbieter mehr von der Dienstleistung profitiert als der Empfänger, sollen keine Gebühren verrechnet werden). ● Es sollten Analysen durchgeführt werden, die bewerten, ob die Dienstleistungen für das Tochterunternehmen unbedingt notwendig sind (z. B. sollen hochwertige Dienstleistungen wie rechtliche und sonstige Beratung für eine Tochtergesellschaft mit reiner Produktionsfunktion in China nicht notwendig sein). ● Es sollten Überlegungen angestellt werden, ob die verschiedenen Dienstleistungen schon durch andere konzerninterne Transaktionen entlohnt wurden (stellt z. B. die Muttergesellschaft einer Tochtergesellschaft immaterielle Vermögenswerte zur Verfügung und teilt den damit zusammenhängenden Residualgewinn, sollte sie nicht zusätzlich eine Management Fee verrechnen). ● Bestimmte Arten von Managementdienstleistungen sind möglicherweise doppelt erbracht worden oder sie stellen shareholder activities dar und sollten daher nicht verrechnet werden (z. B. Entscheidungen des Managements der Mutter, wenn die Tochter ein eigenes Management hat).

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Mingzhe Ouyang ist Mitglied der BRIC-Gruppe Deutschland bei PwC.

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Praktische Herausforderungen und Empfehlungen Die SAT hat auf zwei praktische Herausforderungen im Rahmen ihrer Untersuchung konzerninterner Transaktionen hingewiesen: 1. Die Überprüfbarkeit der tatsächlichen Erbringung der Dienstleistungen und der Angemessenheit der entsprechenden Verrechnungslogik stellt in Entwicklungsländern eine besonders große Herausforderung dar. Darüber hinaus kann der lokale Steuerpflichtige meistens keinen Überblick über die Gesamtstruktur der konzerninternen Leistungen geben, wenn sich der Dienstleistungsanbieter im Ausland befindet. Die SAT empfiehlt den Vereinten Nationen, in ihrem Practical Manual on Transfer Pricing for Developing Countries (UN TP Manual) auf die relevanten Anforderungen zur Verrechnungspreisdokumentation des OECD-Aktionsplans gegen die Erosion von Steuerbemessungsgrundlagen und Gewinnverlagerung („Base Erosion and Profit Shifting“ – BEPS) zu verweisen und von der Muttergesellschaft die Bekanntgabe der Verrechnungspreislogik – inklusive der Verrechnungsmethode und resultierenden Dienstleistungsgebühr, die an jede Tochtergesellschaft verrechnet wird – im Master File zu verlangen. 2. In der Praxis ergeben sich oft Schwierigkeiten bei der eindeutigen Trennung zwischen Lizenzgebühren und technischen Dienstleistungsgebühren. Im Fall der Umklassifizierung einer Dienstleistungsgebühr in eine Lizenzgebühr wäre eine Anpassung der Quellensteuer die Folge. Die SAT empfiehlt daher, auch zusätzliche Abgrenzungsregelungen für technische Dienstleistungsgebühren und Lizenzgebühren in das UN TP Manual aufzunehmen. Schlussfolgerung 1. Die SAT unterstreicht in ihren Kommentierungen zu den Dienstleistungsgebühren, insbesondere zu den sogenannten Management Fees, die Frage der Wertschöpfung. Daher ist es für den Steuerpflichtigen – aus chinesischer Sicht – ratsam, den Wertschöpfungsbeitrag der von den ausländischen Unternehmen erbrachten Dienstleistungen unter Berücksichtigung der Funktions- und Risikoprofile der chinesischen Einheit aufzuzeigen. 2. Für den Fall, dass die globalen Dienstleistungen zunächst an eine regionale Zentrale verrechnet und dann von dort weiterverrechnet werden, sollte der Zusammenhang zwischen den globalen Dienstleistungen und der Nutzenstiftung auf der lokalen Empfängerseite in interner Dokumentation nachgewiesen werden. Zu guter Letzt sollten multinationale Unternehmen die Abgrenzung zwischen Dienstleistungen und anderen Vergütungsmethoden, zum Beispiel Lizenzzahlungen, überprüfen, um in Zukunft Streitigkeiten bei der Klassifizierung von Dienstleistungsgebühren und möglichen Quellensteuern zu vermeiden.

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3.5 China: Verrechnungspreisimplikationen infolge der Liberalisierung des Renminbi Von Yu Tao116 und Immanuel Weidlich Seit Anfang 2014 wurden von der chinesischen Zentralbank (People’s Bank of China – PBoC) eine Reihe bedeutsamer Schritte eingeleitet, um die Währung der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft, den Renminbi (CNY – häufig auch Yuan genannt), zu liberalisieren. Die Schritte umfassen die Vereinfachung von grenzüberschreitenden CNY-Handelsvorgängen im Rahmen von Finanzgeschäften. Dies beinhaltet die detaillierte Beratung über die Schanghai-Pilotfreihandelszone für Finanzinstrumente bzw. Finanztransaktionen, insbesondere vereinfachte chinesischglobale Cash-Pooling-Genehmigungsprozesse. Des Weiteren wird darauf abgezielt, neben den bestehenden Märkten in Hongkong, Taiwan und Singapur weitere globale CNY-Offshorezentren in London, Luxemburg, Paris, Frankfurt am Main und Sydney zu erschließen. Die CNY-Liberalisierung hat zur Folge, dass finanzielle Wertschöpfungsketten multinationaler Unternehmen und betroffener Finanzinstitute erheblich beeinflusst und umgestaltet werden. Multinationale Unternehmen, die von einem großen CNY-Liquiditätsüberschuss in der Vergangenheit in China nicht profitieren konnten, haben nun die Möglichkeit, diesen unter Verwendung globaler Cash-Pooling-Techniken zu nutzen. Die globale Ausweitung der in China ansässigen E-Commerce-Betreiber wird dadurch enorm beschleunigt, da multinationale und chinesische Unternehmen CNY-Offshorefonds in Fremdfinanzierungsmärkten aufnehmen können. Zusammenfassend betrachtet werden chinesische Finanzinstitute im Allgemeinen von der Entwicklung profitieren und vermehrt global agieren können. Darüber hinaus ergibt sich aus dieser Entwicklung eine Reihe von neuen Verrechnungspreisanforderungen. Beispielhaft hierfür ist die Bestimmung der Fremdvergleichsüblichkeit von Cash-Pooling-Zinssätzen angesichts der regulatorischen Trennung von On- und Offshoremärkten zu nennen, die zu verschiedenen Zinssätzen führte. Weitere Beispiele, welche die vermehrt globalisierten chinesischen Banken betreffen, sind die Behandlung von Interbanken-Finanzierungs- und -Liquiditätskosten, Offshorebuchungen, Risikotransfers, Global Trading und die Allokation von Kapital zu Betriebsstätten. Die 116

Yu Tao ist Mitglied der BRIC-Gruppe Deutschland bei PwC.

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E-Commerce-Verrechnungspreisthematik, die derzeit von der OECD im Rahmen des BEPS-Projekts zur Diskussion steht, wird für E-CommerceAkteure in China ein zentrales Thema in naher Zukunft darstellen.

3.6 China: transaktionsbedingte Zahlungen ins Ausland im Fokus der Finanzverwaltung Von Gert Wöllmann und Julian Franck Am 29. Juli 2014 hat die chinesische Finanzverwaltung ein internes Rundschreiben zur Prüfung von transaktionsbedingten Zahlungen ins Ausland herausgegeben. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Prüfung der Fremdüblichkeit von grenzüberschreitenden Zahlungen für Lizenzen und erhaltene Dienstleistungen, insbesondere bei Zahlungen an Unternehmen in Niedrigsteuerländern. Generelles Ziel der Finanzverwaltung ist es, durch umfangreichere Analysen die eigene Position zu stärken und eine Verlagerung von Gewinnen ins Ausland zu verhindern. Erste lokale Finanzbehörden haben bereits mit der Umsetzung des Rundschreibens im Rahmen der Prüfungsplanung und Informationsbeschaffung begonnen. Zwar handelt es sich bei den meisten Anforderungen um international bereits bekannte Regelungen, wie zum Beispiel bei Managementdienstleistungen die Forderung nach einer Nutzenanalyse (Benefit-Test), die Unzulässigkeit von doppelten Verrechnungen über andere Transaktionen oder die Verrechnung von Leistungen im Interesse des Gesellschafters (Stewardship), aber durch dieses Rundschreiben wird sich der Prüfungsschwerpunkt zukünftig verstärkt auf diese Themen richten, insbesondere wenn die Zahlungen an Unternehmen in Niedrigsteuerländer erfolgen. Darüber hinaus wird erwartet, dass die Finanzverwaltung auch die typischerweise in diesem Zusammenhang auftretenden weiteren Fragen, wie zum Beispiel die Qualifikation von Betriebsstätten über in China erbrachte Leistungen, vermehrt hinterfragen und analysieren wird. Allen Themenbereichen gemein ist, dass eine Einschätzung teilweise sehr subjektiv ist und damit umfangreiche Meinungsverschiedenheiten und Diskussionen mit der Finanzverwaltung vorprogrammiert sind. Betroffene Steuerpflichtige sollten daher ihre Vergütungen für Managementdienstleistungen und Lizenzen einer umfangreichen Belastbarkeitsanalyse unterziehen und die Methodik, soweit erforderlich, zeitnah den neuen Erfordernissen anpassen. Darüber hinaus sollte für diese Transaktionen eine Verrechnungspreisdokumentation mit einer Begründung der Angemessenheit

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der angewandten Verrechnungspreise vorgehalten werden (z. B. mittels Benchmarkingstudien, Nutzenanalysen [Benefit-Tests] oder Wertschöpfungsbeitragsanalysen). Um potenzielle Missverständnisse im Rahmen einer Prüfung frühzeitig (oder optimalerweise bereits vorab) zu erkennen und zu vermeiden, empfiehlt sich eine proaktive Kommunikation mit der Finanzbehörde. Sollte trotz allem keine Einigkeit mit der Finanzverwaltung erzielt werden können, steht auch hier der Weg eines Verständigungsverfahrens zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung offen.

3.7 Indien: Bankbetriebsstätten – Kreditwürdigkeitsprüfung durch indische Betriebsstätte erfordert Zuordnung von Einkünften Von Arundhati Pandeya117 und Tanja Koch Im Fall der französischen Bank Le Crédit Lyonnais (LCL) hat das Mumbai Bench des Income Tax Appellate Tribunal („Tribunal“) entschieden, dass die von der indischen Betriebsstätte (BS) der LCL durchgeführte Kreditwürdigkeitsprüfung indischer Kunden eine wesentliche Funktion sei und somit zentral für die Entscheidung der Darlehensvergabe durch eine andere ausländische BS der Bank. Der indischen BS müssten daher 20 Prozent der Gebühren zugeordnet werden, die die ausländischen BS für die Darlehensvergabe erhalten hatten. Der folgende Artikel gibt einen Überblick über die wesentlichen Inhalte des Urteils und beurteilt die Relevanz des Urteils aus deutscher Sicht.118 Sachverhalt Während des Geschäftsjahrs 2001/2002 unterstützte die indische BS die Zentrale der LCL sowie weitere ausländische BS bei der Gewährung von Darlehen in ausländischer Währung an zwei in Indien ansässige Kunden („Darlehensempfänger“). Die Rolle der indischen BS beschränkte sich auf die Kreditwürdigkeitsprüfung der Darlehensempfänger sowie grundlegende Analysen zur Marktentwicklung und dem regulatorischen Umfeld in Indien. Alle weiteren Aktivitäten, wie die Verhandlungen mit den Darlehens117 118

Arundhati Pandeya ist Mitglied der BRIC-Gruppe Deutschland bei PwC. „PwC News Alert: Borrower’s credit analysis core to loan decision. Tribunal upholds profit attribution to PEs of banks @ 20% of fee component“, Pricing Knowledge Network PwC, 21.10.2013; ITA No. 1935/Mum/2007: „In the Income Tax Appellate Tribunal Mumbai Benches ‚K‘“, Mumbai.

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empfängern, die abschließende Entscheidung bezüglich der Darlehensgewährung, die Ausstellung aller Unterlagen (inklusive der Verträge) etc., wurden von anderen BS außerhalb Indiens durchgeführt. Der indischen BS wurden weder Gebühren noch Zinszahlungen aus der Darlehensvergabe zugeordnet. Argumentation der LCL Die LCL argumentierte, dass die indische BS lediglich in unterstützender Funktion tätig gewesen sei und ihr daher mit Verweis auf Art. 7 des indischfranzösischen Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) sowie § 4 des IndischFranzösischen Protokolls („§ 4“) kein Gewinn zugeordnet werden müsse. Sie sei zudem zu keinem Zeitpunkt als Agent für die Darlehensgewährung aufgetreten und auch nicht an der Finanzierung beteiligt gewesen, weshalb es nicht angemessen sei, ihr Teile der Zinszahlungen oder entsprechender Gebühren zuzuordnen. Da es sich darüber hinaus um bereits bestehende Kunden der indischen BS handelte, lagen die Informationen zur Kreditwürdigkeit bereits vor, weshalb mit der Kreditwürdigkeitsprüfung in den konkreten Fällen kein zusätzlicher Aufwand verbunden war. Die Argumentation der Steuerbehörde/Commissioner of Income Tax (Appeals) Während der Betriebsprüfung wurde diese Argumentation vom Transfer Pricing Officer (TPO, Auslandsfachprüfer) nicht akzeptiert und ein Fremdvergleichspreis für die Dienstleistungen der indischen BS in Höhe von 25 Prozent der gesamten Zinseinnahmen und Gebühren der verbundenen (ausländischen) BS festgesetzt. Der TPO begründete dies damit, dass von der indischen BS die ausschlaggebende finanzielle Analyse der Darlehensempfänger bereitgestellt und dadurch die Darlehensgewährung erst ermöglicht worden sei. Die LCL könne sich deshalb nicht auf eine reine Unterstützungsfunktion im Sinne von § 4 berufen. In der folgenden Berufungsverhandlung entschied der Commissioner of Income Tax (Appeals) (CIT[A]), dass der TPO die Höhe der Anpassung ohne entsprechende Nachweise festgesetzt habe, und reduzierte diese daher von 25 Prozent auf 20 Prozent. Die abschließende Entscheidung wurde dem Mumbai Tribunal übertragen. Die Entscheidung des Tribunals Das Tribunal entschied, dass sich die Rolle der indischen BS nicht auf die vorbereitende Unterstützung des Abschlusses eines Darlehensvertrags beschränkte und dass ihre Dienstleistung die zentrale Basis der Entscheidungsfindung, ob ein Darlehen gewährt werden soll oder nicht, darstellte. Solche Dienst-

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leistungen fielen daher nicht unter § 4 und entsprechende Einnahmen müssten der indischen BS zugeordnet werden. Da die indische BS jedoch nicht an der Finanzierung des Darlehens beteiligt gewesen sei, könnten ihr keine Zinseinnahmen zugeordnet werden. Unter Berücksichtigung der Fremdüblichkeit müsse sie jedoch an den von den ausländischen BS erhobenen Gebühren beteiligt werden. Da weder der Steuerzahler noch die Behörden angemessene Vergleichsdaten vorgelegt hätten, entschied das Tribunal, dass die von der CIT(A) geschätzten 20 Prozent angemessen seien. Fazit Dieses Urteil des Tribunals ist das erste, das sich mit der unterstützenden Rolle von indischen BS im Zusammenhang mit der Kreditvergabe an indische Klienten durch verbundene ausländische BS beschäftigt. Die im indischfranzösischen DBA enthaltene Klausel, die die Zuordnung von Einkünften bei reinen Unterstützungsleistungen unterbindet, ist einzigartig und in keinem DBA enthalten, das Indien mit anderen Ländern wie etwa mit Deutschland abgeschlossen hat. Banken, die ihren Sitz zum Beispiel in Deutschland haben, können sich daher von vornherein auf keinen vergleichbaren Standpunkt stellen. Steuerzahler sollten folglich auf Einzelfallbasis die Rolle einer indischen BS genau prüfen, um diejenigen wichtigen Funktionen zu identifizieren, die für Einkommenszuordnungen infrage kommen könnten. Steuerzahler sollten außerdem umfassende Benchmarkingstudien auf Basis interner/externer Daten durchführen, um die Einkommenszuordnung auf ihre indischen BS zu belegen und so arbiträre Zuordnungen seitens der indischen Steuerbehörden möglichst zu vermeiden.

3.8 Indien: signifikante Änderungen aktueller Verrechnungspreisregelungen Von Gert Wöllmann und Julian Franck In Indien wurde im Mai 2014 das Haushaltsgesetz für 2014 ins Parlament eingebracht.119 Dieses beinhaltet signifikante Änderungen der indischen Verrechnungspreisregelungen. Insbesondere ist die Einführung einer rückwirkenden Anwendung der Ergebnisse eines Vorabverständigungsverfahrens (Advance 119

Redaktioneller Hinweis: Die finale Fassung wurde am 11.07.2014 vom indischen Finanzminister vorgestellt.

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Pricing Agreement – APA) vorgesehen. Zum anderen werden indische Regelungen zum Teil an die international gängigen Standards angepasst. 2012 wurden in Indien erstmals Regelungen zu APAs eingeführt. Seitdem ist die Anzahl an APA-Anträgen (sowohl unilateral als auch bilateral) signifikant angestiegen. Um diesen zunehmenden Anfragen gerecht werden zu können, soll das APA-Team der Finanzverwaltung verstärkt werden. Darüber hinaus sollen zukünftig die Ergebnisse der nach dem 1. April 2013 vereinbarten APAs auch auf Sachverhalte, die bis zu vier Jahre vor dem Anwendungszeitraum des APA liegen, angewandt werden können (rollback). Zudem ist beabsichtigt, die rückwirkende Anwendung auch für bereits abgeschlossene APAs zuzulassen. Entsprechende Regelungen über Kriterien hierzu sollen in naher Zukunft erlassen werden. Im Rahmen der Verwendung von Datenbankstudien soll anstatt der bisher erforderlichen einjährigen Betrachtungsweise auch eine Mehrjahresbetrachtung möglich sein. Auch die Einschränkung der Vergleichsdaten auf das arithmetische Mittel soll zugunsten der Berücksichtigung einer Bandbreite aufgegeben werden. Hierdurch sollen Geschäfts- und Wirtschaftsentwicklungen bzw. Schwankungen bei der Prüfung der Fremdüblichkeit besser berücksichtigt werden. Allerdings ist zu erwarten, dass die indische Finanzverwaltung im Fall nicht ausreichender Vergleichsunternehmen weiterhin auf das arithmetische Mittel abstellen wird.

3.9 Singapur: überarbeiteter Entwurf der Verrechnungspreisrichtlinie Von Gert Wöllmann und Julian Franck Am 1. September 2014 hat die Finanzverwaltung von Singapur ihre Richtlinien zur Verrechnungspreisdokumentation im Entwurf veröffentlicht.120 Zwar war das ausdrückliche Ziel der überarbeiteten Richtlinie die Bereitstellung eines umfangreicheren Leitfadens zur Erstellung von Verrechnungspreisdokumentationen, doch zeigen die Regelungen auch den Willen, den aktuellen Entwicklungen auf OECD-Ebene Rechnung zu tragen.

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Redaktioneller Hinweis: Die finale Fassung wurde am 06.01.2015 veröffentlicht.

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Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2014

Die wesentlichste Änderung der Richtlinie betrifft das Erfordernis einer zeitnahen Erstellung der Verrechnungspreisdokumentation. Als zeitnah gilt die Erstellung vor oder zum Zeitpunkt der Ausführung der zu dokumentierenden Transaktion einschließlich der Zeit zur Erstellung der Steuererklärung. Daneben werden der erforderliche Umfang der Dokumentation (inklusive der Darstellung von Sachverhalten, die unter besonderer Beobachtung stehen, wie z. B. Transaktionen mit Unternehmen in Niedrigsteuerländern) als auch mögliche Konsequenzen bei Vorlage einer unzureichenden Dokumentation detailliert dargelegt (Anpassung der Verrechnungspreise, keine Einleitung von [Vorab-]Verständigungsverfahren und Strafzuschläge). Neben der Anwendung der Vereinfachungsregelung für Routinedienstleistungen (pauschaler Aufschlag von 5 Prozent) sind von der Dokumentationspflicht lokale Unternehmen ausgenommen, die jährlich nicht mehr als 100 Millionen Singapur-Dollar Umsatz generieren oder weniger als 200 Mitarbeiter haben. Zwar ist derzeit noch nicht sicher, ob die Neuerungen wie bisher in Form einer Richtlinie oder doch über eine gesetzliche Regelung umgesetzt werden, allerdings spiegelt der Richtlinienentwurf die Tendenz der Finanzverwaltung wider, internationale Bestrebungen im Rahmen der OECD – insbesondere zu „Base Erosion und Profit Shifting“ – zu unterstützen und auch hinsichtlich der Dokumentation von Verrechnungspreisen im Einklang mit den OECDRegelungen zu stehen. Dies zeigt sich insbesondere durch die Regelungen zu Transaktionen mit großen Volumina, mit Unternehmen in Niedrigsteuerländern und im Zusammenhang mit immateriellen Wirtschaftsgütern. Steuerpflichtigen mit wesentlichen grenzüberschreitenden Transaktionen ist zu empfehlen, die neue Richtlinie bereits bei der Erstellung ihrer Verrechnungspreisdokumentation zu berücksichtigen und – soweit erforderlich – Anpassungen des Verrechnungspreissystems zu überprüfen oder vorzunehmen.

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Problemstellungen und Lösungen in ausgewählten Branchen

E Problemstellungen und Lösungen in ausgewählten Branchen Die folgenden Beiträge stellen spezifische Problemstellungen und Lösungsansätze einzelner Branchen aus Verrechnungspreissicht dar. Gestaltungsmöglichkeiten und Herausforderungen ergeben sich aufgrund Veränderungen im Marktumfeld auf der einen und Änderungen im regulatorischen Umfeld auf der anderen Seite. Im Folgenden werden zunächst die Auswirkungen und die Anwendbarkeit des Authorised OECD Approach (AOA) auf die Einkünfteabgrenzung im Einlagengeschäft von deutschen Bankenbetriebsstätten erörtert. Hierbei wird dargestellt, wie der AOA in der Umsetzung in nationales Recht in § 1 AStG auf Bankbetriebsstätten anzuwenden ist. Seit einigen Jahren befindet sich der Energiesektor im Umbruch. Ein weiterer Artikel befasst sich folglich mit den Veränderungen der Wertschöpfungskette im Energiesektor infolge der Liberalisierung der Energiemärkte und der in Deutschland verfolgten Energiewende. Dabei wird auch auf die aktuellen Diskussionen zu BEPS im Hinblick auf die Veränderung der Wertschöpfungskette näher eingegangen. Nicht zuletzt steht auch die Konsumgüterindustrie mit ihren Marken im Wandel der Zeit. Die effektiven Steuerquoten sind nicht länger nur aus steuerplanerischer Sicht von Interesse. Das PwC-Expertennetzwerk für die Konsumgüterindustrie hat in einer umfangreichen Studie Steuerquoten von Unternehmen der Konsumgüterindustrie und den Einfluss verschiedener Faktoren auf die Steuerquote empirisch untersucht. Eine Zusammenfassung der Studie ist in dieser Rubrik abgebildet. In kaum einer anderen Branche lassen sich die Entwicklungen der Globalisierung und Digitalisierung so beobachten wie im Bereich Transport und Logistik. Um im weltweiten Wettbewerb den Kundenbedürfnissen nachzukommen, müssen Logistiker möglichst schnell und flexibel agieren. Diese schnellen Veränderungen können zur Veränderung der branchenspezifischen Wertschöpfungsbeitragsanalysen führen und Auswirkung auf die anzuwendenden Verrechnungspreissysteme haben, die in einem nachfolgenden Beitrag näher erläutert werden.

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Problemstellungen und Lösungen in ausgewählten Branchen

1 Die Einkünfteabgrenzung im Einlagengeschäft deutscher Bankbetriebsstätten im Lichte des AOA Von Dr. Ulf Andresen und Clarisse Müller Um die Einlagen von Bankkunden zu schützen und das Vertrauen in den Bankensektor sicherzustellen, wurde im Jahr 1994 in der EU mit der Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Einlagensicherungssysteme die Einlagensicherung für Banken gesetzlich vorgeschrieben. Zusätzlich bieten einzelne Banken oder Bankengruppen in vielen Ländern weitere Sicherungen an, welche über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen und diesen Instituten im Wettbewerb um Ein-lagen Vorteile verschaffen sollen. Sowohl gesetzliche als auch freiwillige Einlagensicherungen sind mit nicht unerheblichen Kosten für die Institute verbunden. Dabei stellt sich gerade vor dem Hintergrund der Umsetzung des Authorised OECD Approach (AOA) durch den § 1 AStG121 die Frage, wie diese Kosten in einer grenzüberschreitend tätigen Bank Stammhaus und Betriebsstätten zuzuordnen sind. Mit dem Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz wurde durch die Änderungen im § 1 AStG die deutsche Rechtsgrundlage für die Umsetzung des AOA zur Einkünfteabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte geschaffen. Der von der OECD veröffentlichte Betriebsstättenbericht vom 22. Juli 2010 (OECD PE Report 2010) sieht die uneingeschränkte Selbstständigkeitsfiktion für Betriebsstätten sowie die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf die „anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen“ (sog. dealings) zwischen Stammhaus und Betriebsstätten oder zwischen Betriebsstätten vor. Er hat bereits im Jahr 2010 Eingang in das OECD-Musterabkommen (OECD-MA) sowie den OECD-Musterkommentar (OECD-MK) gefunden. Aufgrund ihrer Organisationsstruktur, die typischerweise von Niederlassungen geprägt ist, sind Banken von den Änderungen bei der Gewinnzuordnung in besonderer Weise betroffen. Der OECD PE Report 2010 hat dieser Tatsache Rechnung getragen und regelt in Part II speziell die Anwendung des AOA auf Bankbetriebsstätten.

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Redaktioneller Hinweis: Auf der Grundlage der in § 1 Abs. 6 AStG n. F. enthaltenen Ermächtigung ist die „Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Betriebsstätten nach § 1 Absatz 5 des Außensteuergesetzes (Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung – BsGaV)“ am 17.10.2014 veröffentlicht worden. Siehe BGBl. I 2014, 1603, Nr. 47.

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Problemstellungen und Lösungen in ausgewählten Branchen

Da die Neuregelung des § 1 AStG erstmalig für Wirtschaftsjahre nach dem 31. Dezember 2012 Anwendung findet, stellt sich für in Deutschland tätige Kreditinstitute seit dem Kalenderjahr 2013 die Frage, wie deren steuerlicher Aufwand im Allgemeinen und deren Aufwand für die Einlagensicherung im Besonderen künftig zwischen Stammhaus und Betriebsstätte aufzuteilen sind. Anwendung des AOA auf Bankbetriebsstätten im „OECD PE Report 2010“ Gemäß Part II des OECD PE Report 2010 ist der Ausgangspunkt für die Zuordnung des Einkommens die Verteilung der sogenannten Personalfunktionen in einem Kreditinstitut. So definiert die OECD zunächst Personalfunktionen, welche typischerweise in der Ausübung des klassischen Bankgeschäfts entweder bei der Schaffung von Finanzaktiva oder bei deren anschließender Verwaltung vorzufinden sind. Unter diesen Personalfunktionen sind die sogenannten Key-Entrepreneurial-Risk-Taking- Funktionen (KERT-Funktionen) zu identifizieren. Sie stellen diejenigen Funktionen dar, die für die relevanten Entscheidungen im Zusammenhang mit der Übernahme und dem Management von Kreditrisiken verantwortlich sind.122 Der Verteilung der KERT-Funktionen folgt die Verteilung der Vermögenswerte, die die Bank zur Ausübung der Funktionen benötigt bzw. die mit diesen Funktionen zusammenhängen. Der Zuordnung der Vermögenswerte wiederum folgen die mit den ausgeübten Funktionen und den zugeordneten Vermögenswerten verbundenen Risiken. Aus dem sich so ergebenden Risikoprofil einer Betriebsstätte ergibt sich die Höhe ihres Eigenkapitals als Risikopuffer und schließlich auch die Höhe ihres Fremdkapitals, um die Finanzierung der Betriebsstätte zu komplettieren. Entsprechend folgen Aufwand und Ertrag den zugehörigen Aktiva und Passiva. In Bezug auf das Einlagengeschäft stellen die Einlagen handelsrechtlich Verbindlichkeiten des Kreditinstituts gegenüber seinen Kunden dar. Insofern handelt es sich nicht um unmittelbar einer Personalfunktion zuordenbare Vermögensgegenstände der Bank. Die Zuordnung der Einlagen folgt vielmehr der Zuordnung der durch sie finanzierten Finanzaktiva des Instituts. Die KERTFunktionen (z. B. die Entscheidung hinsichtlich der Festlegung der Volumina und Konditionen des Einlagengeschäfts) sind regelmäßig dort angesiedelt, wo sich die entscheidungsbefugten Mitarbeiter befinden. So ist es nicht ungewöhnlich, dass diese beim Stammhaus angesiedelt sind, während die Betriebsstätten lediglich mit der Verwaltung des vom Stammhaus betriebenen Einlagen-geschäfts (z. B. dem Werben von Einlagenkunden) betraut sind. Gemäß OECD PE Report 2010 wären die Vermögenswerte (d. h. ausgereichte Darlehen) somit der Betriebsstätte zuzuordnen, in welcher die relevanten 122

Vgl. OECD: „2010 Report on the attribution of profits to permanent establishments“, 22.07.2010, Part II, Nr. 8

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KERT-Funktionen ausgeübt werden. Den Darlehen würden die Einlagen als deren hauptsächliche Finanzierung und somit auch die mit dieser Finanzierung verbundenen Kosten folgen. Sollten die KERT-Funktionen im Stammhaus angesiedelt sein, so hätte dies im vorliegenden Fall zur Folge, dass die Beiträge zur Einlagensicherung auch weltweit eingeworbener Einlagen als steuerlicher Aufwand des Stammhauses anzusehen wären. Auswirkungen der Neuregelung des § 1 AStG aus deutscher Sicht Die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes setzt voraus, dass eine Geschäftsbeziehung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG mit einer nahestehenden Person vorliegt. Im Rahmen der Änderungen des § 1 AStG wurde im § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG der Begriff der Geschäftsbeziehung um sogenannte anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen zwischen den in unterschiedlichen Staaten belegenen Betriebsstätten eines Steuerpflichtigen erweitert. Aufgrund der Selbstständigkeitsfiktion des § 1 Abs. 5 Satz 3 AStG sind einer inländischen Betriebsstätte zunächst die Funktionen des Unternehmens, die von ihrem Personal ausgeübt werden (Personalfunktionen), sowie die Vermögenswerte, die sie zur Ausübung der ihr zugeordneten Funktionen benötigt, zuzuordnen. Weiterhin ist eine Zuordnung der Chancen und Risiken vorzunehmen, welche die Betriebsstätte aufgrund der ausgeübten Funktionen und zugeordneten Vermögenswerte übernimmt. Schließlich ist der Betriebsstätte ein angemessenes Eigenkapital zuzuweisen. In einem weiteren Schritt sind auf Basis dieser Zuordnung und der identifizierten anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen die Verrechnungspreise für diese Geschäftsbeziehungen nach dem Fremdvergleichsgrundsatz zu bestimmen. Somit erfolgt die Zuordnung nach deutschem innerstaatlichem Steuerrecht analog zur oben beschriebenen Zuordnung der OECD und sollte mithin auch im Hinblick auf die Einkünfteabgrenzung des Einlagengeschäfts grundsätzlich zu gleichartigen Ergebnissen führen. Zu beachten ist jedoch, dass Deutschland im Gegensatz zur OECD einer statischen Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBAs) folgt, nach der die OECD-Kommentierung nur in der im Zeitpunkt der Unterzeichnung des DBA veröffentlichten Fassung maßgebend ist. Danach ist aus deutscher Sicht zu prüfen, ob das zugrunde liegende DBA bereits den neuen Wortlaut des Art. 7 OECD-MA 2010 und somit den AOA enthält. Für DBAs, die vor dem 17. Juli 2008 bzw. nach dem 17. Juli 2008, aber vor dem 22. Juli 2010 in Kraft getreten sind, würden gemäß der statischen Auslegung die Altkommentierung des OECD-MA 2003 bzw. der OECD-MK zu Art. 7 von 2008 und damit nicht die volle Selbstständigkeitsfiktion zur Anwendung kommen. Aus deutscher

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Sicht könnte dies für die Vergangenheit insbesondere im Hinblick auf die Anwendung des Veranlassungsprinzips zu Unterschieden bei der Zuordnung steuerlichen Aufwands führen. Fazit Aus deutscher Sicht kann die umfassende Selbstständigkeitsfiktion des AOA in Einzelfällen künftig zu Zuordnungen führen, welche von denjenigen abweichen, die sich nach dem OECD-MA 2003 bzw. dem OECD-MK 2008 ergeben haben. Es besteht die Gefahr, dass die deutsche Finanzverwaltung aus fiskalischen Gründen versucht sein könnte, eine dynamische Auslegung der DBAs zulasten der Steuerpflichtigen anzuwenden. In diesen Fällen empfiehlt sich der nationale Rechtsweg.

2 Veränderung der Wertschöpfungskette im Energiesektor Von Dr. Ludger Wellens, Christoph Lamm und Alexander Rösch Seit einigen Jahren erfährt der Energiesektor tief greifende strukturelle Veränderungen – maßgeblich ausgelöst durch die auf europäischer Ebene vorangetriebene Liberalisierung der Energiemärkte, neue regulatorische Rahmenbedingungen sowie die in Deutschland eingeleitete Energiewende. Der vorliegende Artikel gibt einen kurzen Überblick über die aktuellen Entwicklungen in der Energiebranche und die möglichen Konsequenzen aus Verrechnungspreissicht. Insbesondere wird im Lichte der OECD-Initiative zu BEPS diskutiert, welche Auswirkungen die Veränderung des Geschäftsmodells auf die Vergütung der an der Wertschöpfungskette beteiligten Parteien eines Energieversorgungsunternehmens haben kann. Strukturelle Änderungen im Energiesektor Die Energiebranche befindet sich seit einiger Zeit in einem fundamentalen Veränderungsprozess. Auf europäischer Ebene schreitet die Liberalisierung der Energiemärkte voran und trägt damit zu einer Intensivierung des Wettbewerbs bei. Die von der Bundesregierung beschlossene Energiewende – weg von fossilen und nuklearen Energieträgern hin zu klimafreundlichen erneuerbaren Energien – stellt die Energieversorgungsunternehmen in Deutschland vor zusätzliche Herausforderungen. Einerseits eröffnet dieser Wandel neue Chancen für die Marktteilnehmer. Andererseits sehen sich insbesondere die traditionellen Energieversorger vor die Herausforderung gestellt, ihre strategische und operative Ausrichtung zu

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überdenken, um im hart umkämpften Markt zu bestehen. Bestand der Markt in der Vergangenheit noch aus einer begrenzten Anzahl von Marktteilnehmern mit einer mehr oder minder klaren Rollenverteilung, führen Faktoren wie die zunehmend dezentrale Energiegewinnung bei erneuerbaren Energien, die Internationalisierung des Energiehandels oder die Öffnung der Stromnetze für den Wettbewerb zu einer grundlegenden Veränderung der etablierten Geschäftsmodelle. Veränderung der etablierten Geschäftsmodelle bei Energieversorgungsunternehmen Geht man davon aus, dass sich die Wertschöpfungskette im Energiesektor aus den vier Bestandteilen Rohstoffförderung/-beschaffung, Energieerzeugung, Energietransport/-speicherung sowie Vertrieb an private/industrielle Endkunden zusammensetzt, liegt nach traditioneller Sichtweise der maßgebliche Beitrag zum Unternehmenserfolg eines Energieversorgers in der Energieproduktion. Die strategische Planung, der Bau und die Finanzierung von Kraftwerken für die Energieproduktion wurden folglich als entscheidende Faktoren für den wirtschaftlichen Erfolg eines Energieversorgers erachtet. Andere Funktionen im Wertschöpfungsprozess stellten dagegen aus der klassischen Perspektive lediglich routinemäßige Support-Funktionen für den Energieerzeuger dar. Dies galt ebenfalls für die im Konzern angesiedelte Handelsaktivität (Trading), die den Energieproduzenten im Beschaffungsund Absatzprozess unterstützte. Aus Verrechnungspreissicht war der Energieproduzent demzufolge als Strategieführer zu bewerten, dem nach Abzug der routinemäßigen Vergütung für sämtliche in der Wertschöpfungskette beteiligten Parteien der Residualgewinn zustand. Blickt man jedoch auf die aktuellen Entwicklungen im Energiesektor, gewinnt die Trading-Funktion für Energiekonzerne an Bedeutung. Die Liberalisierung der Energiemärkte führt zu verstärktem Wettbewerb, aber auch neuen Absatzchancen im In- und Ausland. Energie und energienahe Produkte werden verstärkt an internationalen Energiebörsen gehandelt. Die Produktion und Nutzung erneuerbarer Energien können in kürzester Zeit zu starken Über- und Unterkapazitäten in den Stromnetzen führen. Faktoren wie diese erfordern ein gut funktionierendes Risikomanagement zur Steuerung des Unternehmensportfolios. Die Handelsaktivitäten bei Energiekonzernen umfassen daher mittlerweile die gesamte Bandbreite an Leistungen, angefangen bei der Beschaffung von Rohstoffen über den Handel mit Energie und energienahen Produkten, Sicherungsgeschäfte aller Art und die Erbringung energienaher Finanzdienstleistungen bis hin zur Steuerung der Kraftwerksauslastung und der Ressourcenallokation innerhalb des Konzerns. Die Trading-Funktion trifft somit für den Unternehmenserfolg strategisch wichtige Entscheidungen und übernimmt im Wertschöpfungsprozess eine immer bedeutendere Rolle.

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Problemstellungen und Lösungen in ausgewählten Branchen

Zusammenhang mit der aktuellen BEPS-Diskussion Die mit dem Wandel des Energiesektors einhergehenden Veränderungen der Wertschöpfungskette müssen aus Verrechnungspreisperspektive nicht zuletzt im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion der OECD in ihrem Bericht Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting gesehen werden. Insbesondere die Maßnahmen 8 bis 10 des BEPS-Aktionsplans, die sicherstellen sollen, dass Gewinne innerhalb eines Konzerns in Übereinstimmung mit den jeweiligen Wertschöpfungsbeiträgen anfallen, sind hier von Bedeutung.123 Geht man nun davon aus, dass die Handelsaktivität im Energiekonzern aufgrund ihrer zunehmenden Bedeutung über eine reine Routinefunktion hinausgeht, wäre dieser Funktion ein aus Verrechnungspreissicht angemessener Teil des Residualgewinns zuzuordnen, der im Rahmen einer umfangreichen Wertschöpfungsbeitragsanalyse zu ermitteln wäre. Folglich müsste die traditionelle Verrechnungspreislogik einer routinemäßigen Vergütung für die TradingFunktion überdacht werden. Fazit und Ausblick Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Entwicklung in der Energiebranche ist es für die Marktteilnehmer in besonderem Maße empfehlenswert, ihre konzerninternen Verrechnungspreissysteme zu überprüfen und diese gegebenenfalls an die sich verändernden Geschäftsmodelle anzupassen. Hierdurch können einerseits zukünftige steuerliche Risiken minimiert, andererseits Gestaltungsmöglichkeiten proaktiv genutzt werden. Die Entwicklung marktkonformer Vergütungsmechanismen ist in diesem Zusammenhang genauso von Bedeutung wie die Erstellung einer umfassenden Verrechnungspreisdokumentation. Nicht zuletzt stellen bilaterale oder multilaterale Vorabverständigungsverfahren (Advance Pricing Agreements) auch für Energieversorger ein geeignetes Mittel zur Begrenzung zukünftiger Steuerrisiken dar, insbesondere im Zuge einer Änderung der zugrunde liegenden Verrechnungspreissystematik.

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Redaktioneller Hinweis: Ende 2014 wurden die ersten Diskussionsentwürfe für die Maßnahmen 8 bis 10 des BEPS-Aktionsplans veröffentlicht. Eine Zusammenfassung findet sich in Ausgabe 25 von Transfer Pricing Perspective Deutschland.

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Problemstellungen und Lösungen in ausgewählten Branchen

3 PwC-Studie: Steuerquoten in der Konsumgüterindustrie Von Susann van der Ham und Tanja Koch Effektive Steuerquoten sind nicht länger nur aus steuerplanerischer Sicht von Interesse. Aktuell hat die Öffentlichkeit ein reges Interesse daran, in welcher Höhe Konzerne Steuern bezahlen. Dies gilt gerade für Unternehmen aus der Konsumgüterindustrie mit oft bekannten und wertvollen Marken. Deshalb gilt es für viele Unternehmen, den Spagat zwischen öffentlicher Meinung einerseits und Druck auf Kosten und Steuerquote andererseits zu meistern. Das PwC-Expertennetzwerk für die Konsumgüterindustrie hat in einer umfangreichen Studie Steuerquoten von Unternehmen der Konsumgüterindustrie und den Einfluss verschiedener Faktoren auf die Steuerquote empirisch untersucht. Steuerquoten im Vergleich Für die 55 untersuchten Konzerne aus der Konsumgüterindustrie lag im Jahr 2012/2013 die effektive Steuerquote124 zwischen 17,2 und 29,6 Prozent (interquartile Bandbreite). Im Jahr 2011/2012 lag diese Bandbreite um circa 2 Prozent höher, im Jahr 2010/2011 in etwa auf dem gleichen Niveau wie 2012/2013. Im Vergleich zu anderen Branchen liegt diese Quote im unteren Mittelfeld: Nur die Ingenieur- und Baubranche zeigte niedrigere Steuerquoten (um 21 Prozent); dagegen hatten Konzerne aus dem Maschinen- und Anlagenbau und den Automobil-, Chemie- und Logistikbranchen eher höhere Steuerquoten. Innerhalb der Konsumgüterindustrie waren die Steuerquoten für Tabakkonzerne am höchsten (über 30 Prozent), gefolgt von Herstellern von Textilund Luxusgütern (circa 27 Prozent), Nahrungsmitteln (circa 25 Prozent), Haushaltsgütern (circa 22 Prozent) und Getränken (circa 20 Prozent). Die effektiven Steuerquoten für Unternehmen mit Sitz in den USA, Frankreich und Großbritannien lagen recht nah beieinander (zwischen 24 und 27,7 Prozent), obwohl die allgemeinen Körperschaftsteuersätze sich stark unterscheiden (zwischen 24,4 und 39,1 Prozent).

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Basierend auf Zahlen der veröffentlichten Gewinn-und-Verlust-Rechnung und definiert als Rückstellungen für Steuern/Gewinn vor Steuern.

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Steuerquote: Einflussfaktoren Die Studie ermittelte und bewertete auch die Gründe für unterschiedliche Steuerquoten. Aus Verrechnungspreissicht sind folgende Beobachtungen von Interesse: ● Je mehr internationales Geschäft ein Konzern aufweist (gemessen am Umsatz, der im Ausland erzielt wird), desto geringer ist die Steuerquote. Die internationale Geschäftstätigkeit reduzierte die Steuerquote um 2,8 Prozent. Damit zeigt sich, dass die Möglichkeiten, die Steuerquote zu reduzieren, für rein lokal tätige Unternehmen geringer sind als für internationale Konzerne. ● Für alle untersuchten Unternehmen war tatsächlich der Einfluss ausländischer Geschäftstätigkeit der drittwichtigste Einflussfaktor für die Steuerquote. Für US-Unternehmen war es gar der wichtigste Einflussfaktor. In den USA war auch der Einfluss der Sonderregelungen zu im Ausland reinvestierten Gewinnen (unrepatriated foreign earnings) der Hauptgrund dafür, dass die effektive Steuerquote im Vergleich zum allgemeinen Steuersatz deutlich niedriger lag. ● Steuerfreie Einkünfte von Tochtergesellschaften waren ein weiterer wesentlicher Grund dafür, warum die effektive Steuerlast von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich war. ● Steuerliche Anreize, Vergünstigungen oder Gutschriften reduzierten die Steuerquote im Durchschnitt um 4,9 Prozent. Dies ist auch gerade vor dem Hintergrund der aktuellen, im Kontext von BEPS geführten Diskussion über fairen Steuerwettbewerb beachtlich. Fazit Das Wissen über Steuerquoten in der Industrie kann eine wichtige Orientierung geben, ob in einem Unternehmen noch Optimierungspotenziale bestehen und wenn ja, welche bzw. bis zu welchem Maß Optimierungspotenziale mit Blick auf das öffentliche Interesse tatsächlich genutzt werden sollten. Es ist empirisch belegbar, dass eine internationale Geschäftstätigkeit durch die Möglichkeit der Wahl der Organisation des internationalen Geschäfts und der Verrechnungspreisstrategie einen großen Einfluss auf die Konzernsteuerquote hat. Daneben sollte allerdings auch beachtet werden, dass momentan im Rahmen der OECDInitiative zu BEPS die steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten für internationale Konzerne kritisch analysiert werden. Hier ist in Zukunft mit intensiverer Prüfungsaktivität der Steuerbehörden, mit umfassenden Offenlegungsvorschriften für Konzerne und schließlich auch mit Änderungen bestehender Vorschriften zu rechnen. Die Verrechnungspreisstrategie muss sich künftig auch an diesen neuen Anforderungen orientieren.

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4 Verrechnungspreisherausforderungen in der Transportund Logistikbranche Von Claudia Lauten, Holger Lorenzen und Dr. Sven Wehke Im Konzernverbund international agierende Unternehmen im Bereich Transport und Logistik sehen sich angesichts der spezifischen Anforderungen der Branche auch besonderen Verrechnungspreisthemen gegenüber. Die Transport- und Logistikbranche vor dem Hintergrund der Globalisierung Die Kernaufgabe jedes Unternehmens der Transport- und Logistikbranche kann sehr vereinfacht damit beschrieben werden, die richtige Menge eines Gegenstands (z. B. Güter, Personen, Informationen) zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Bestimmungsort in der zugesagten Eigenschaft und kostenoptimal zur Verfügung zu stellen. Gemäß einer solchen Definition würden sich Transportund Logistikunternehmen als reine Dienstleistungserbringer darstellen, denen im Wertschöpfungsprozess „lediglich“ die Aufgabe zukommt, einen reibungslosen Transport vom Ursprungs- zum Bestimmungsort zu organisieren. Eine solche Charakterisierung verkennt die tatsächliche Wertschöpfung in einer globalisierten, arbeitsteiligen Wirtschaft. In kaum einer anderen Branche lassen sich die Entwicklungen der Globalisierung und Digitalisierung so spiegeln wie im Bereich Transport und Logistik: Um im weltweiten Wettbewerb den Kundenbedürfnissen nachzukommen, müssen Logistiker möglichst schnell und flexibel agieren. Innovationen im Bereich der digitalen Kommunikation sowie optimierte IT-Umgebungen sind die Basis für dynamische und effiziente Arbeitsprozesse innerhalb der Transport- und Logistikbranche. Im Zuge der Globalisierung ist bei Unternehmen im Bereich Transport und Logistik ein internationales Profil fast unvermeidbar. Aus Verrechnungspreissicht ergeben sich angesichts der Anzahl und Volumina der konzerninternen, grenzüberschreitenden Transaktionen grundsätzlich zahlreiche Fragestellungen im Zusammenhang mit einer fremdüblichen konzerninternen Bepreisung. Die besonderen Charakteristika der Branche stellen Steuerpflichtige darüber hinaus vor die Herausforderung, den steuerlichen Fremdvergleich an die spezifischen Anforderungen der Branche anzupassen. Besonderheiten einer branchenspezifischen Wertschöpfungsbeitragsanalyse Der im Rahmen einer Verrechnungspreisanalyse stets im Vordergrund stehenden Analyse von ausgeübten Funktionen, übernommenen Risiken sowie eingesetzten Wirtschaftsgütern kommt dabei besondere Bedeutung zu.

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Problemstellungen und Lösungen in ausgewählten Branchen

Insbesondere innerhalb der Transport- und Logistikbranche sollte eine detaillierte Analyse die im Konzernverbund genutzten und gegebenenfalls zentral zur Verfügung gestellten immateriellen Wirtschaftsgüter sowie weitere Wertschöpfungsbeträge identifizieren und adäquat vergüten. Für die Branche typisch ist dabei die Frage, inwiefern eine zentrale Dachmarkenverrechnung angemessen ist. Für andere immaterielle Wirtschaftsgüter, wie zum Beispiel spezielle IT-Lösungen, lassen sich sowohl Pooling-Lösungen als auch zentrale Verrechnungen in Form einer Lizenz oder Franchise Fee darstellen. Im Rahmen einer Franchise Fee werden dabei gegebenenfalls auch weitere zentral bereitgestellte Wertschöpfungselemente, wie zum Beispiel konzernweit einheitliche Standards und Know-how, Trainings- und andere Unterstützungsleistungen, eingepreist. Als besondere Wertschöpfungsbeiträge in der Transport- und Logistikbranche müssen die Existenz, Entwicklung und Pflege eines weltweiten Netzwerks über verbundene Gesellschaften gelten, das die eigentliche Grundlage für erfolgreiche Geschäftsbeziehungen zu externen Kunden darstellt und als wesentliche Synergie innerhalb weltweit agierender Unternehmen zu sehen ist. Derartige gruppenweite Synergieeffekte hat die OECD auch im Rahmen der BEPSInitiative (speziell Maßnahme 8) im September 2014 adressiert, indem eine Ergänzung des Kapitels I der OECD-Richtlinien vorgeschlagen wurde.125 Dabei wird zwar grundsätzlich herausgestellt, dass wichtige Gruppensynergien, die auf bewusste Gruppenentscheidungen zurückgehen, im Verhältnis zu den jeweiligen Beiträgen zum Entstehen der Synergien unter den Gruppenmitgliedern aufzuteilen sind, jedoch bleibt gerade in der Transport- und Logistikbranche die entscheidende Frage, ob ein solches Netzwerk als Gruppe geführt werden kann oder ob eine zentrale Steuerung notwendig ist. Viele Unternehmen in dieser Branche haben sich für einen zentralistischen Ansatz entschieden. Weitere verrechnungspreisrelevante Besonderheiten der Branche, wie zum Beispiel die Zuordnung und Vergütung von Konzerngesellschaften mit globalen Key Accounts, sind zu berücksichtigen, um den speziellen Anforderungen des steuerlichen Fremdvergleichs nachzukommen. Dies erfordert praktische Erfahrungen mit den spezifischen Besonderheiten der vernetzten Transport- und Logistikbranche, um maßgeschneiderte und praxiserprobte Lösungen implementieren zu können. Diese Verrechnungspreislösungen sollen sowohl effizient und einfach in der Anwendung sein als auch das weltweite Risiko minimieren, das aus den verrechnungspreisspezifischen Anforderungen der jeweiligen Finanzverwaltungen resultiert. 125

Redaktioneller Hinweis: Am 19.12.2014 hat die OECD ein Diskussionspapier zu den BEPS-Maßnahmen 8, 9 und 10 veröffentlicht, www.oecd.org/ctp/-pricing/discussiondraft-actions-8-9-10-chapter-1-tp-guidelines-risk-recharacterisation-specialmeasures.htm.

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Aus unserer Praxis

F Aus unserer Praxis Innerkonzernliche Verrechnungspreise erfüllen mehrere wesentliche Funktionen für das Unternehmen. Im Nachfolgenden werden anhand von Praxisbeispielen die effektive Implementierung von Verrechnungspreisen als Schnittstellenthema von Steuern und Controlling sowie Zielkonflikte zwischen betriebswirtschaftlichem und steuerlichem Berichtswesen dargestellt. Im Anschluss wird die Interne Revision als Instrument der Prüfung und Optimierung der Verrechnungspreisermittlung vorgestellt. Diese Themen werden durch grundsätzliche Praxisüberlegungen zur Implementierung der Kostenaufschlagsmethode beim Cash Pooling sowie durch einen Überblick über die deutschen Besonderheiten bei der Erstellung von Datenbankanalysen ergänzt.

1 Effektive Implementierung von Verrechnungspreisen als Schnittstellenthema von Steuern und Controlling Von Ina Sprenger und Henning Damköhler International aktive Konzerne agieren in einem Umfeld zunehmender Globalisierung und mit komplexen Geschäftsmodellen. Komplexe Geschäftsmodelle führen zu einer Vielzahl an konzerninternen Liefer- und Leistungsbeziehungen und Transaktionen. Sowohl die derzeit geführte BEPS-Diskussion126 als auch die zunehmende Aggressivität der Finanzverwaltungen sowie die insbesondere in Deutschland bestehenden umfassenden Dokumentationspflichten erfordern aus Prozess- und Controllingsicht eine effektive Implementierung, Optimierung und Dokumentation der Verrechnungspreissysteme. Erfahrungsgemäß stellt sich die Frage der effektiven Implementierung von Verrechnungspreissystemen regelmäßig anlässlich von Betriebsprüfungen und Umstrukturierungen, aber auch beispielsweise infolge von Prüfungshandlungen der Internen Revision.127 Dabei erfordert die effektive Implementierung eines 126

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Vgl. Wellens/Kammer: „OECD: Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting – Neuordnung der internationalen Unternehmensbesteuerung?“, Transfer Pricing Perspective Deutschland, Ausgabe 20, November 2013; wesentlicher Diskussionspunkt ist dabei u. a. die Forderung nach mehr Transparenz bezüglich der Geschäftstätigkeit multinationaler Unternehmen. Vgl. Kapitel F.3 „Die Interne Revision als Instrument der Prüfung und Optimierung der Verrechnungspreisermittlung“.

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Verrechnungspreissystems jeweils die Berücksichtigung steuerlicher, rechtlicher, operativer sowie system- und prozesstechnischer Anforderungen.128 Um alle Anforderungen effektiv umsetzen zu können, müssen die betroffenen Abteilungen und Funktionen bei einer Implementierung oder Optimierung des Verrechnungspreissystems eingebunden sein. Aus Controllingsicht ist das Verrechnungspreissystem idealerweise derart implementiert, dass ● alle Beteiligten integriert und abgestimmt agieren, ● Rollen und Verantwortlichkeiten klar definiert sind, ● systemtechnisch sowohl eine steuerliche als auch eine betriebswirtschaftliche Unternehmenssicht verfügbar ist, ● Budgets erfüllt und fremdvergleichskonforme, funktionsgerechte Margen erzielt werden, ● konzerninterne (grenzüberschreitende) Geschäftsvorfälle einfach identifiziert und kategorisiert werden können, ● ein zentrales System für die Finanz- und Managementberichterstattung existiert, ● ein zeitnaher Zugriff auf Ist- und Prognosedaten besteht und ● vollständige, akkurate und gültige Daten vorliegen. Aspekte der Verrechnungspreisimplementierung In der Vergangenheit haben international agierende Konzerne oftmals eine Verrechnungspreisrichtlinie nur mit dem Ziel der Erfüllung der wesentlichen Dokumentationspflichten aufgesetzt. Diese wurde dabei erfahrungsgemäß aus Sicht der Steuerabteilung entworfen. Wenn im Rahmen von Betriebsprüfungen oder Umstrukturierungen bestehende Verrechnungspreisrichtlinien hinsichtlich ihrer effektiven Implementierung validiert/geprüft werden, offenbart sich nicht selten ein unterschiedliches Verständnis der verwendeten Begrifflichkeiten in Abhängigkeit der involvierten Abteilungen (z. B. Steuern, Controlling, Supply Chain Management, IT). Verrechnungspreisrichtlinie versus Verrechnungspreishandbuch Aus deutscher Verrechnungspreissicht ist der Steuerpflichtige zwar nicht dazu verpflichtet, eine Verrechnungspreisrichtlinie zu verfassen. Wenn jedoch eine entsprechende Verrechnungspreisrichtlinie existiert, wird diese mittlerweile regelmäßig im Rahmen von Betriebsprüfungen seitens der deutschen Finanzverwaltung angefordert und auf ihre Einhaltung hin überprüft. Zwecks einer effektiven Implementierung des definierten Verrechnungspreissystems ist

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Vgl. Kapitel F.2 „Zielkonflikte zwischen betriebswirtschaftlichem und steuerlichem Berichtswesen: Steuern versus Steuerung“.

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neben einer Verrechnungspreisrichtlinie regelmäßig ein Verrechnungspreishandbuch mit konkreten Handlungsanweisungen sehr empfehlenswert. Eine Verrechnungspreisrichtlinie ist dabei von einem Verrechnungspreishandbuch hinsichtlich des Adressatenkreises, des Ziels und Inhalts zu unterscheiden. Dabei zielt ein Verrechnungspreishandbuch gegenüber einer Verrechnungspreisrichtlinie auf die effektive Implementierung des definierten Verrechnungspreissystems ab. Die Verrechnungspreisrichtlinie ist an die Finanzverwaltung und somit an einen externen Adressatenkreis gerichtet, wohingegen ein Verrechnungspreishandbuch sich ausschließlich an unternehmensinterne Adressaten wie insbesondere das Controlling, die operativen Abteilungen und die Finanzabteilung richtet. Es beinhaltet im Gegensatz zur reinen Verrechnungspreissicht in Form der Konzeptionierung und Dokumentation des Verrechnungspreissystems sowie dessen Verteidigung im Rahmen einer Betriebsprüfung die Planung, die unterjährige Aktualisierung, das Monitoring sowie die Validierung der Verrechnungspreise auf Basis eines Plan-Ist-Abgleichs aus operativer und Controllingsicht. Unterschiedliche Sichten auf das Unternehmen Die verrechnungspreisspezifische Sicht unterscheidet sich regelmäßig von der betriebswirtschaftlichen Sicht auf das Unternehmen. Aus verrechnungspreisspezifischer Sicht wird zwischen Routineunternehmen, Strategieträgern und Hybridunternehmen unterschieden. Die betriebswirtschaftliche Sicht hingegen richtet sich häufig nach der Sicht, die das Management für Steuerungszwecke nutzt, wie zum Beispiel eine Produktgruppensicht. In der Regel stehen aggregierte Unternehmensdaten nur für die Managementsicht „auf Knopfdruck“ zur Verfügung. In Abhängigkeit vom verwendeten ERP-System sind dabei unterschiedliche Sichten auf die einzelnen konzerninternen Transaktionen möglich. Weitere Beispiele für notwendige und klare Definitionen der verwendeten Begrifflichkeiten sind die steuerlichen Verrechnungspreise versus interne Verrechnungspreise sowie die Differenzierung nach Steuersubjekt und Steuerungsobjekt. Aus steuerlicher Sicht sind die Verrechnungspreise zwischen den jeweiligen beteiligten rechtlichen Einheiten unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes steueroptimal zu vereinbaren. Demgegenüber stehen aus betriebswirtschaftlicher Sicht die Optimierung des Konzernergebnisses und der Ressourcenallokation, eine verursachungsgemäße Verrechnung der Leistungsund Kostenströme sowie die Förderung der Zusammenarbeit in der Wertschöpfungskette im Vordergrund.

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Diese Beispiele sollen zeigen, wie wichtig es ist, dass die verwendeten Begrifflichkeiten in der Verrechnungspreisrichtlinie oder dem Verrechnungspreishandbuch eindeutig definiert und unmissverständlich verwendet werden. OECD-Ansatz: Price Setting versus Outcome Testing Aus Verrechnungspreissicht erfordern sowohl der von der OECD diskutierte Price-Setting-Ansatz als auch der in der Praxis oftmals angewandte OutcomeTesting-Ansatz für die Ermittlung von Verrechnungspreisen systemseitig einen unterschiedlichen Detaillierungsgrad an Auswertungen. Der sogenannte Price-Setting-Ansatz stellt dabei für die Verrechnungspreisermittlung auf die verfügbaren Informationen zum Zeitpunkt der Begründung der Transaktion ab und unterstellt einen regelmäßigen Plan-Ist-Abgleich. Das heißt, die Ermittlung der Verrechnungspreise basiert auf der operativen Unternehmensplanung inklusive Produktkostenkalkulation der produzierenden und verkaufenden Einheiten. Demgegenüber geht der Outcome-Testing-Ansatz von den verfügbaren Informationen aus, die zum Zeitpunkt der Erstellung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses vorliegen. Entsprechend werden rückwirkende Anpassungen auf Basis von zum Beispiel Benchmarkingstudien vorgenommen. Oftmals ist in der Praxis eine heterogene Prozess- und IT-Landschaft vorzufinden, die manuelle Anpassungen zwischen Reporting (Plan, Budget und Ist), Verrechnungspreiskalkulation und dem ERP-System beinhaltet. Ein prozess- und kosteneffizientes Verrechnungspreissystem erfordert jedoch unabhängig vom gewählten Ansatz eine integrierte Prozess- und IT-Landschaft. Beispiel Die D-GmbH vertreibt ihre in Deutschland produzierten Produkte weltweit über lokale Vertriebsgesellschaften. Diese agieren als Eigenhändler gegenüber den lokalen Kunden (Verkauf im eigenen Namen und auf eigene Rechnung). Lager-, Gewährleistungs- und Währungsrisiken werden vom deutschen Produzenten übernommen. Aus Verrechnungspreissicht ist sicherzustellen, dass die lokalen Vertriebsgesellschaften eine geringe, aber stabile Nettomarge entsprechend ihrem begrenzten Routinefunktions- und Risikoprofil erzielen. Die Verrechnungspreise zwischen der D-GmbH und den lokalen Vertriebsgesellschaften werden aus den externen Preislisten abgeleitet (Anwendung der Wiederverkaufspreismethode) und quartalsweise auf Basis der transaktionsbezogenen Nettomargenmethode verifiziert. Das heißt, für Controllingzwecke sind die effektiven Nettomargen pro Produkt/Produktgruppe auf Ebene der lokalen Vertriebsgesellschaften und die Produktionskosten auf Ebene des Produzenten zu

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planen, unterjährig zu überprüfen (Monitoring) und zu dokumentieren. In Abhängigkeit von der Anzahl der Produkte/Produktgruppen und Produktionssowie Vertriebsstufen kann das Verrechnungspreissystem entsprechend komplex sein. Fazit Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Implementierung von Verrechnungspreissystemen erfahrungsgemäß nicht auf die steuerliche Konzeptionierung begrenzt ist, sondern für die effektive Umsetzung auch aus Prozess- und Controllingsicht bestehende Interdependenzen zu beachten sind. Dabei sind insbesondere die Anforderungen aus steuerlicher Verrechnungspreissicht zwischen den Bereichen Steuern, Finanzen und Controlling sowie IT abzustimmen. Dies zielt darauf ab, sowohl die erforderliche Transparenz des Zahlenwerks im Rahmen von Planung und Reporting sicherzustellen als auch die technischen Rahmenbedingungen zu identifizieren, um unterjährige Diskussionen und Abstimmungsbedarf zu reduzieren sowie effiziente Prozesse zu schaffen.

2 Zielkonflikte zwischen betriebswirtschaftlichem und steuerlichem Berichtswesen: Steuern versus Steuerung Von Susann van der Ham und Thomas Weber Betriebswirtschaftliche und steuerliche Anforderungen an das Berichtswesen werden stetig komplexer. Die Aufgabe des Berichtswesens ist dabei die Bereitstellung sämtlicher führungs- und entscheidungsrelevanter Informationen zur Unterstützung des Managements bei der Vorbereitung und der Kontrolle von Entscheidungen. Zugleich dienen die vom Berichtswesen bereitgestellten Informationen auch der Schaffung von Transparenz im Rahmen des externen Rechnungswesens sowie der Ermittlung steuerlich relevanter Unternehmenskennzahlen. Die Perspektive des jeweiligen Berichtsempfängers bestimmt dabei in erheblichem Maße die Form der Aufbereitung bzw. die Organisationseinheit, für die die Berichtsdaten ermittelt werden. Entscheidungen der Unternehmensleitung zielen oftmals auf Sparten oder Geschäftsbereiche ab oder orientieren sich an den Erfolgen definierter Managementeinheiten oder Unternehmensbereiche. Dabei spielen oftmals Überlegungen zur Maximierung des Konzernerfolgs, zur optimalen Ressourcenallokation und zur Förderung der Zusammenarbeit über die gesamte Wertschöpfungskette eine Rolle. Demgegenüber ist das externe Berichtswesen eher ausgerichtet auf Legal-Einheiten,

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eine steuerlich sachgerechte Einkünfteabgrenzung, die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, Fremdüblichkeit und gegebenenfalls auf die Optimierung der Steuern im Konzern. Anreizsetzungen des Managements für bestimmte Organisationseinheiten bergen dabei oftmals Risiken und Herausforderungen im Hinblick auf eine steuerlich korrekte bzw. fremdübliche Gewinnverteilung zwischen allen Unternehmensgesellschaften. Für welche Unternehmen ist das Thema relevant? Von dem Thema sind Unternehmensgruppen jeder Größe und Branche betroffen. Eine besondere Herausforderung ergibt sich für internationale Unternehmensgruppen, die in signifikantem Umfang grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen zwischen den Gruppenunternehmen unterhalten und/ oder zentrale Managementfunktionen implementiert haben. Beispielsweise vertragen sich in vielen Fällen die steuerlich als fremdüblich einzustufenden Geschäftsbeziehungen von Gruppengesellschaften, die Routinetätigkeiten ausüben, nicht mit dem Ziel einer motivierenden Anreizsetzung für das Management einer solchen Gesellschaft. In welcher Form unterstützen wir? Mit unserem steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Know-how unterstützen wir bei der Planung und Implementierung von Verrechnungspreissystemen, die sowohl aus betriebswirtschaftlicher als auch aus steuerlicher Sicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechen und die erforderlichen Steuerungsmechanismen bereithalten. Sofern erforderlich, können dabei auch umsatzsteuerliche und zollrechtliche Problemstellungen bei der Lösung berücksichtigt werden.

3 Die Interne Revision als Instrument der Prüfung und Optimierung der Verrechnungspreisermittlung Von Dorothea Mertmann, Marie-Melanie Bentzien-Wilkens und Dr. Christoph Sommer Durch das zunehmende Volumen des innerkonzernlichen Lieferund Leistungsverkehrs hat der vom Unternehmen ermittelte Verrechnungspreis eine steigende Bedeutung erlangt. Es wird allgemein erwartet, dass diese Bedeutung des innerkonzernlichen Verrechnungspreises, teilweise auch als Transferpreis bezeichnet, weiter steigt und vermehrt in den Fokus von Finanzbehörden, aber auch der Öffentlichkeit („Zahlung fairer Steuern“) gerät.

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Die innerkonzernlichen Verrechnungspreise erfüllen mehrere wesentliche Funktionen für das Unternehmen. Einerseits dienen sie unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes als Basis für eine steuerlich angemessene Gewinnallokation.129 Andererseits bilden sie die Grundlage für das Managementreporting für Zwecke der Unternehmenssteuerung und einer optimalen betriebswirtschaftlichen Gestaltung der Wertschöpfungskette.130 Nur durch die korrekte und nachvollziehbare Implementierung der Prozesse zur Ermittlung der Verrechnungspreise kann zu einem anhaltenden Unternehmenserfolg beigetragen werden.131 Die Erreichung dieses Ziels verlangt nach einer regelmäßigen, professionellen und unabhängigen Prüfung der Verrechnungspreise und des Verrechnungspreisbildungsprozesses. Für eine professionelle und von den gegebenenfalls widerstreitenden Zielen der Organisationseinheiten des Unternehmens/Konzerns unabhängige Prüfung ist die Interne Revision bestens geeignet. Wie die nachfolgende Definition der modernen Internen Revision zeigt, werden dabei nicht nur objektive und unabhängige Prüfungshandlungen durchgeführt. Vielmehr können durch Handlungsempfehlungen/Beratung Verbesserungspotenziale aufgezeigt und ein Mehrwert für das Unternehmen erreicht werden.132 Definition und Einordnung der Internen Revision Die Interne Revision ist vom amerikanischen Institute of Internal Auditors (IIA) und dem Deutschen Institut für Interne Revision e. V. (DIIR) wie folgt definiert: „Die Interne Revision erbringt unabhängige und objektive Prüfungs- und Beratungsdienstleistungen, welche darauf ausgerichtet sind, Mehrwerte zu schaffen und die Geschäftsprozesse zu verbessern. Sie unterstützt die Organisation bei der Erreichung ihrer Ziele, indem sie mit einemsystematischen und zielgerichteten Ansatz die Effektivität des Risiko-

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Vgl. Renz/Weidlich: „Risikomanagement bei Verrechnungspreisen – welche Eingriffsmöglichkeiten die Konzernsteuerabteilung benötigt“, Transfer Pricing Perspective Deutschland, Ausgabe 18, Mai 2013. Vgl. van der Ham/Heyne/Hutten: „Interdependenzen zwischen Tax-Reporting und Managementreporting am Beispiel der Vertriebssteuerung“, Transfer Pricing Perspective Deutschland, Ausgabe 14, Mai 2012. Vgl. auch Fiehler/Sommer: „Die Wertschöpfungsbeitragsanalyse als Instrument der Verrechnungspreisbildung“, Transfer Pricing Perspective Deutschland, Ausgabe 8, November 2010. Vgl. auch Deutsches Institut für Interne Revision e. V., www.diir.de/ueber-das-diir/, letzter Zugriff am 24.05.2014.

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managements, der Kontrollen und der Führungs- und Überwachungsprozesse bewertet und diese verbessern hilft.“133 Die Interne Revision ist zumeist als unabhängige Organisationseinheit direkt der obersten Geschäftsleitungsebene zugeordnet. Sie unterstützt die Geschäftsleitung und nachgeordnete Ebenen, indem sie objektiv und unabhängig Unternehmensprozesse prüft, Risiken identifiziert und Verbesserungspotenziale aufzeigt. In Deutschland tätige Unternehmen unterliegen verschiedenen gesetzlichen Anforderungen hinsichtlich der Internen Revision. Beispielsweise sind Aktiengesellschaften gemäß § 91 Abs. 2 AktG zur Einrichtung eines Überwachungssystems verpflichtet. Für Banken, Versicherungen und Investmentgesellschaften gelten darüber hinaus weiterführende Vorschriften.134 Ferner veröffentlichen Institutionen wie das IIA und das DIIR Standards beispielsweise zum Risikomanagement, zum Qualitätsmanagement oder zur Geldwäsche, die eine öffentliche, regulatorische Wirkung entfalten. Interne Revision bei Verrechnungspreissachverhalten Die Interne Revision beantwortet im Zusammenhang mit Verrechnungspreisen beispielsweise folgende Prüfungsfragen: ● Wurden die Verrechnungspreise entsprechend den steuerlichen Vorschriften und den betriebswirtschaftlichen Vorgaben gebildet? ● Sind die notwendigen Unternehmensprozesse zur Verrechnungspreisermittlung schriftlich fixiert? ● Wurden notwendige Kontrollen bei der Verrechnungspreisermittlung beachtet? ● Sind die Parameter zur Verrechnungspreisermittlung aktuell und werden sie nachvollziehbar regelmäßig auf Aktualität geprüft? ● Sind die gesetzlichen Anforderungen an die Verrechnungspreisdokumentation erfüllt? Bei den Prüfungen der Internen Revision kommen regelmäßig die vier wesentlichen Revisionsarten zur Anwendung: ● Compliance Audit ● Financial Audit ● Operational Audit ● Management Audit 133

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https://na.theiia.org/standards-guidance/mandatory-guidance/Pages/Definition-ofInternal-Auditing.aspx, letzter Zugriff am 26.05.2014. Vgl. hierzu § 25a Abs. 1 Nr. 1 KWG, § 64a Abs. 1 VAG sowie www.bafin.de/DE/ Aufsicht/BankenFinanzdienstleister/Risikomanagement/Risikomanagement_node.html, letzter Zugriff am 26.05.2014.

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In Ausübung ihrer Tätigkeit wird die Interne Revision beispielsweise die Richtigkeit der gebildeten Verrechnungspreise auf Basis der abgeschlossenen Verträge, vorliegenden Kalkulationen sowie weiterer Informationen prüfen. Hierzu gehören auch die Abbildung der Verrechnungspreise im Buchhaltungssystem sowie die Untersuchung von Schnittstellen und Verantwortlichkeiten zwischen der Steuer-, Controlling- und Buchhaltungsabteilung. Ist die unternehmenseigene Interne Revision aus personellen oder fachlichen Gründen nicht in der Lage, solche komplexen Prüfungen allein durchzuführen, sollten externe Experten unterstützend hinzugezogen werden. Nach Abschluss der Prüfung nimmt die Interne Revision eine fachliche Bewertung der vorgefundenen Regelungen vor und gibt regelmäßig Handlungsempfehlungen für eine bessere Gestaltung der untersuchten Prozesse. Die Bewertung der Handlungsempfehlungen der Internen Revision und ein Beschluss zu deren Umsetzung sind und bleiben Aufgaben der Geschäftsleitung. Fazit Die Interne Revision stellt ein Instrument der Unternehmensführung dar, das eine „nachhaltige Sicherung des Unternehmenserfolges […] durch stete und gründliche Überwachung“135 gewährleisten kann. Insbesondere im Verrechnungspreiskontext prüft die Interne Revision als unabhängige Kontrollinstitution die Einführung und stetige Aktualisierung von Verrechnungspreisrichtlinien des Unternehmens, die Einhaltung gesetzlicher Regelungen, zum Beispiel Dokumentationsvorschriften, und die Abbildung der Verrechnungspreisbildung im IT-System des Unternehmens. Basierend auf den Prüfungsergebnissen entwickelt die Interne Revision Handlungsempfehlungen zur Verbesserung des Verrechnungspreisbildungs- und Dokumentationsprozesses. Die damit einhergehende Prozessverbesserung und die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften generieren regelmäßig einen Mehrwert für das Unternehmen aus betriebswirtschaftlicher und steuerlicher Sicht.

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Deutsches Institut für Interne Revision e. V., www.diir.de/ueber-das-diir/, letzter Zugriff am 24.05.2014.

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4 Grundsätzliche Überlegungen zur Implementierung der Kostenaufschlagsmethode beim Cash Pooling Von Dr. Abraham Ackerman, Gerrit Halbach und Dr. Benjamin Protte Aktuell wird die Angemessenheitsanalyse von konzerninternen Cash-Pooling-Transaktionen in der internationalen Verrechnungspreispraxis kontrovers diskutiert, wobei insbesondere die Frage der angemessenen Verrechnungspreismethode im Fokus steht.136 Unterschiedliche Cash-Pooling-Konstellationen und ihre Implikationen Vorab ist festzuhalten, dass in der Praxis verschiedenste Konstruktionen von Liquiditätsbündelungen unter dem Begriff „Cash Pooling“ zusammengefasst werden. Das einheitliche Ziel liegt unstrittig darin, durch ein Zusammenwirken Synergien im Konzernverbund zu generieren und zu nutzen. Die so entstehenden Synergievorteile sind aus Verrechnungspreissicht fremdüblich zwischen allen grenzüberschreitend Beteiligten zu allozieren. Die herausfordernde Aufgabe „Aufteilung bzw. Vergütung von Gruppensynergien“ wird auch im Rahmen des zu Maßnahme 8 der hochaktuellen BEPS-Initiative veröffentlichten Berichts adressiert.137 Unabhängig von der übereinstimmenden Zielsetzung lassen sich gruppenweite Cash-Pooling-Systeme in unterschiedlichen Ausgestaltungen beobachten. Dies betrifft insbesondere (1) abweichende Arten des Cash Pooling (physisch versus virtuell), (2) differenzierte vertragliche Ausgestaltungen (sowohl im Außenverhältnis zwischen Cash-Pool-Führer und der Bank als auch im Innenverhältnis zwischen Cash-Pool-Führer und teilnehmenden Cash-PoolGesellschaften), (3) verschiedene Funktionen und Risiken der Vertragsparteien und (4) die tatsächlich vorhandene ökonomische Substanz des Cash-PoolFührers. Angesichts dieser vielfältigen Ausgestaltungsmöglichkeiten sollte deutlich werden, dass eine pauschal angewandte Kostenaufschlagsmethode nicht zwangsläufig zu verlässlichen Ergebnissen im Sinne des steuerlichen Fremdvergleichs führt. 136

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Vgl. Hülshorst/Kuzmina/Wehke: „Fremdübliche Methodenwahl beim Cash-Pooling“, in: Der Betrieb, 22.08.2014, Heft 34, S. 1887; Schreiber/Bubeck: „Fremdvergleich beim internationalen Cash Pool“, in: Der Betrieb. 02.05.2014, Heft 18, S. 980; Schreiber/Bubeck: „Internationales Cash Pooling – aktuelle Entwicklungen“, in: NWB Verrechnungspreise direkt digital, 15.07.2014. Vgl. OECD (2014): „Guidance on Transfer Pricing Aspects of Intangibles“, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, OECD Publishing, http://dx.doi.org/10.1787/9789264219212-en.

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Wahl der Verrechnungspreismethode für die Vergütung des CashPool-Führers Für die Wahl der angemessenen Methode werden aktuell insbesondere die zwei konträren Methoden „Preisvergleichsmethode“ (auf Basis von Marktzinsen) und „Kostenaufschlagsmethode“ (Dienstleistungsentgelt) intensiv diskutiert. Die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode impliziert die Klassifizierung des Cash-Pool-Führers als Routineunternehmen, dessen Tätigkeit als Dienstleistung anzusehen ist, für die ein kostenbasiertes Dienstleistungsentgelt angemessen erscheint. Im Einzelnen würde dies bedeuten, dass der Cash-PoolFührer im Rahmen der Verwaltung des Cash Pool stets nur Dienstleistungen mit sehr eingeschränkten Funktionen erbringt, keine bedeutenden Risiken trägt und keine bzw. zumindest keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter einsetzt. Bei den in der Praxis vorkommenden Cash-Pooling-Strukturen übernimmt der Cash-Pool-Führer häufig jedoch komplexe Funktionen, Risiken und Wertbeiträge, sodass eine standardisierte Anwendung der Kostenaufschlagsmethode nicht angemessen erscheint. Besonders kritisch erscheint die Übernahme von finanziellen Risiken (u. a. Liquiditäts-, Forderungsausfall- und Währungsrisiken). Diesbezüglich sind die vertraglichen Vereinbarungen hinsichtlich bestehender Garantien und Haftungstat-bestände im Einzelfall zu analysieren. Erfahrungsgemäß werden die wesentlichen finanziellen Risiken in der Praxis häufig vom Cash-Pool-Führer getragen. Darüber hinaus sind diverse Implementierungsschwierigkeiten an die Kostenaufschlagsmethode geknüpft. Zu diesen zählen in der Praxis die häufig problematische Quantifizierung der Kostenbasis mangels segmentierter Rechnungslegung sowie die weiterhin ungelöste Gewinnverteilung zwischen den Cash-Pooling-Teilnehmern. Neben der Kostenaufschlagsmethode kommen weiterhin insbesondere der Preisvergleich und die Gewinnaufteilungsmethode in Betracht. Bei der Preisvergleichsmethode sind vergleichbare Bankzinsen für die im Cash Pool vereinbarten Soll- und Habenzinsen zu identifizieren, da diese konkrete Handlungsalternativen für die Cash-Pool-Teilnehmer darstellen. Zwar wird häufig die Vergleichbarkeit von Marktzinsen mit konzerninterner Finanzierung infrage gestellt, jedoch müssen bankübliche Soll- und Habenzinssätze im Regelfall bei der Fremdvergleichsanalyse mit einbezogen werden, da sich diese Preise für die Teilnehmer aus real verfügbaren Alternativtransaktionen ergeben. Dies gilt insbesondere in potenzieller Kombination mit der Gewinnaufteilungsmethode zwecks Sicherstellung einer fremdüblichen Bepreisung bei der Verteilung von eingangs erwähnten Synergieeffekten.

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Entsprechend der Vielfalt der individuellen Cash-Pool-Ausgestaltungen fällt die pauschale Anwendung einer spezifischen Verrechnungspreismethode naturgemäß schwer. Dies gilt insbesondere für die von Vertretern der Finanzverwaltung postulierte Anwendung der Kostenaufschlagsmethode, die als Standardmethode beim Cash Pooling nicht verlässlich implementiert werden kann. Fazit Letztlich zeigt sich eindeutig, dass die pauschale Anwendung einer einzigen Verrechnungspreismethode den vielfältigen individuellen Umständen von konzerninternen Cash-Pool-Transaktionen nicht gerecht werden kann. Vielmehr erfordert die Beantwortung der Frage einer angemessenen Vergütung des Cash-Pool-Führers und der inhärenten Gewinnverteilung eine detaillierte Analyse aller Umstände des Einzelfalls. Eine differenzierte Betrachtung der deutschen Finanzverwaltung wäre daher wünschenswert, um die methodische Verunsicherung nicht noch größer werden zu lassen.

5 Datenbankstudien in der Betriebsprüfung – Beispiele für spezielle deutsche Anforderungen Von Dr. Isabel Ruhmer-Krell und Florian Weidlich Die deutsche Finanzverwaltung hat in den Verwaltungsgrundsätzen-Verfahren vom 12. April 2005 spezifische Anforderungen an die Durchführung und Dokumentation von Datenbankstudien definiert. Darüber hinaus zeigt sich häufig in Betriebsprüfungen, dass eine gewisse Skepsis gegenüber Datenbankstudien zum Nachweis der Fremdüblichkeit von Verrechnungspreisen besteht. Es müssen bzw. sollten verschiedene deutsche Besonderheiten beachtet werden, um die Akzeptanz der aus Datenbankanalysen gewonnenen fremdüblichen Bandbreiten im Rahmen einer Betriebsprüfung zu gewährleisten. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen eine ausländische Konzernobergesellschaft panregionale Datenbankstudien für mehrere Tochtergesellschaften erstellt und dabei unter Umständen deutschen Anforderungen nicht oder nicht ausreichend gerecht wird. Im Folgenden werden wir einen kurzen Überblick über ausgewählte wesentliche Unterschiede in den regionalen Anforderungen an panregionale Datenbankstudien geben. In der Praxis führen ausländische Konzernobergesellschaften für konzerninterne Transaktionen häufig zentrale Datenbankstudien durch. Diese werden

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anschließend den jeweils involvierten Konzerngesellschaften für Zwecke der Dokumentation und Verteidigung ihrer Verrechnungspreise zur Verfügung gestellt. Ein solches Vorgehen gewährleistet auf der einen Seite eine gesellschaftsübergreifend konsistente Angemessenheitsdokumentation und vermeidet Doppelarbeiten auf Ebene der einzelnen Konzerngesellschaften. Auf der anderen Seite kann dies jedoch dazu führen, dass spezifische Anforderungen an Datenbankstudien seitens der deutschen Finanzverwaltung nicht ausreichend gewürdigt werden. In Betriebsprüfungen entstehen hierdurch Diskussionen über die Akzeptanz der ermittelten Ergebnisse. Anforderungen der deutschen Finanzverwaltung an Datenbankstudien Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung ist die einer Datenbankstudie in der Regel zugrunde liegende transaktionsbezogene Nettomargenmethode (transactional net margin method) nur auf Unternehmen mit Routinefunktionen anwendbar.138 Insbesondere im Vergleich zur Vorgehensweise in Nordamerika, wo auch bei Nicht-Routineunternehmen der Einsatz von panregionalen Datenbankstudien akzeptiert wird, ergeben sich bereits erhebliche Abweichungen. Ebenso wird es häufig einen Unterschied zwischen den einzelnen Regionen in der Anwendung von Unabhängigkeitskriterien geben. Während in Deutschland meist nur Unternehmen mit einer geringeren Beteiligungsquote als 25 Prozent akzeptiert werden, besteht in vielen anderen Ländern eine Akzeptanz von 50 Prozent oder sogar mehr. Des Weiteren lehnt die deutsche Finanzverwaltung im Gegensatz zur gängigen Praxis in zahlreichen anderen Ländern reine Datenbankscreenings mit der Begründung ab, dass die in Datenbanken enthaltenen Unternehmensinformationen oftmals für die Prüfung der Vergleichbarkeit der Sachverhalte nicht ausreichen.139 Deshalb wird seitens der Finanzverwaltung eine ergänzende (internetbasierte) Recherche außerhalb der Unternehmensdatenbanken als unerlässlich angesehen. Darüber hinaus verlangt die inländische Betriebsprüfung vermehrt die Herausgabe der elektronischen Suchstrategie der betreffenden Datenbankstudien, um das Zustandekommen der Ergebnisse nachvollziehen und gegebenenfalls 138

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Vgl. Tz. 3.4.10.3 Nr. b) der Verwaltungsgrundsätze-Verfahren, BMF-Schreiben vom 12.04.2005. Zur Definition eines Unternehmens mit Routinefunktionen vgl. Tz. 3.4.10.2 Nr. a). Vgl. Tz. 3.4.12.4 der Verwaltungsgrundsätze-Verfahren, BMF-Schreiben vom 12.04.2005.

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selbstständig Alternativrechnungen vornehmen zu können.140 Da dies aus internationaler Sicht ebenfalls als unüblich anzusehen ist, kann es vorkommen, dass die originäre Suchstrategie der international verwendeten Datenbankstudie mitunter nicht gespeichert und daher der deutschen Betriebsprüfung auch nicht zur Verfügung gestellt werden kann. Fazit Zusammenfassend ist festzuhalten, dass bei der Erstellung von Datenbankstudien, die für die lokale Dokumentation und gegebenenfalls Verteidigung von Verrechnungspreisen in mehreren Ländern dienen sollen, jeweils die spezifischen lokalen Anforderungen zu beachten sind. Insbesondere in Fällen, in denen eine ausländische Konzernobergesellschaft zentral Datenbankstudien erstellen lässt, mit denen unter anderem der Nachweis der Fremdüblichkeit für ein verbundenes deutsches Unternehmen erbracht werden soll, sind frühzeitig die an dieser Stelle nur beispielhaft vorgestellten deutschen Spezifika zu berücksichtigen. Sofern Zweifel daran bestehen, ob die von ausländischen Gesellschaften erstellten Datenbankstudien den Anforderungen der hiesigen Finanzverwaltung entsprechen, sollten diese Datenbankstudien bereits vor Beginn der Außenprüfung auf ihre Verwendbarkeit geprüft und gegebenenfalls angepasst werden.

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Vgl. Tz. 3.4.12.4 der Verwaltungsgrundsätze-Verfahren, BMF-Schreiben vom 12.04.2005.

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Das Verrechnungspreisteam von PwC Deutschland

Das Verrechnungspreisteam von PwC Deutschland Am Ende dieser Ausgabe des Jahrbuchs der Transfer Pricing Perspective Deutschland möchten wir über die Entwicklung unseres VerrechnungspreisTeams berichten. Im Laufe des Jahres gab es einige Veränderungen: Wir sind stark gewachsen und haben uns weiter spezialisiert. Wo Sie uns finden Unsere bundesweite Beratungspraxis besteht aus 160 ausschließlich auf Verrechnungspreise spezialisierten Kollegen und Kolleginnen, die an den Standorten Hamburg, Berlin, Essen, Düsseldorf, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart und München tätig sind. Informationen zu den Ansprechpartnern in Ihrer Nähe finden Sie auf der nächsten Seite. An den meisten Standorten hat es in den letzten Monaten einen kräftigen Zuwachs gegeben. Interdisziplinärer Beratungsansatz Die Teams in den einzelnen Städten setzen sich aus Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen mit unterschiedlichsten Hintergründen, Erfahrungen und Nationalitäten zusammen. Bei den akademischen Fachrichtungen gibt es Betriebswirte, Volkswirte und Rechtsanwälte, aber auch Spezialisten für Statistik, Rechnungslegung und Controlling, was in der Zusammenarbeit verschiedene Denkansätze verbindet. Viele Teammitglieder waren einen Großteil ihrer bisherigen Berufsjahre in der Steuerberatung tätig, andere haben zum Beispiel Erfahrungen in der Industrie gesammelt. Diese Vielfalt sehen wir als einen wichtigen Baustein für eine hochwertige Beratung. Fokus auf Spezialthemen und Branchen Um im gewachsenen Team eine noch stärkere Spezialisierung zu erreichen, haben wir bundesweite Arbeitsgruppen gebildet, die in verschiedenen fachlichen Themen unsere Expertise zusammenfassen und weiter ausbauen. So gibt es beispielsweise Gruppen zu den Themen Bewertung, Benchmarking, Verrechnungspreis-Implementierung und Dispute Resolution sowie Branchengruppen unter anderem zu den Sektoren Banken und Versicherungen, Automotive, Energy, Retail & Consumer oder Pharma & Healthcare. Unsere Veranstaltungen Wie Sie in den letzten Ausgaben des Transfer Pricing Perspective Deutschland Newsletters verfolgen konnten, gab es im Laufe dieses Jahres an den einzelnen Standorten eine Vielzahl von Seminarveranstaltungen, die wir für unsere Mandanten und weitere interessierte Unternehmensvertreter organisiert

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Das Verrechnungspreisteam von PwC Deutschland

haben. Im nächsten Jahr werden wir daran anknüpfen und Ihnen deutschlandweit Veranstaltungen zu verschiedenen Themen anbieten. Fachpublikationen und Auszeichnungen Mitglieder des deutschen Verrechnungspreis-Teams von PwC veröffentlichen regelmäßig Fachartikel und sind Autoren von Monografien und anderen Publikationen über Verrechnungspreise, in denen die aktuellen Entwicklungen im deutschen und internationalen Steuerrecht erläutert werden und dazu Stellung genommen wird. Auch vor dem Hintergrund dieser Arbeit haben das Team und einzelne Mitglieder verschiedene Auszeichnungen erhalten, worüber wir uns sehr freuen.

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Das Verrechnungspreisteam von PwC weltweit

Das Verrechnungspreisteam von PwC weltweit Wir bei PwC widmen uns seit 20 Jahren dem globalen Thema Verrechnungspreise mit dem Fokus auf Qualität, die Sie von einem der weltgrößten Dienstleistungsunternehmen zu Recht erwarten können. Unsere internationale Verrechnungspreispraxis besteht aus mehr als 200 Partnern und 1.800 engagierten Verrechnungspreisfachkräften in mehr als 70 Ländern. Unsere Spezialisten arbeiten bei jedem Projekt grenzüberschreitend eng zusammen und schöpfen aus einem weltweiten Fundus an Ressourcen, um für jedes Verrechnungspreisprojekt das geeignete Team für Ihre Anforderungen zu finden. Dies ermöglicht uns, ein weites Spektrum an konzerninternen Transaktionen in Nord-, Mittel- und Südamerika, Europa, Afrika und Asien abzudecken und dabei eine für jeden unserer Mandanten maßgeschneiderte Beratungsleistung anzubieten – angefangen bei der Planung, Umsetzung und Dokumentation von Verrechnungspreissystemen bis hin zu der Verteidigung von Verrechnungspreisen in Betriebsprüfungen und der Beratung in Bezug auf den Abschluss von Advance Pricing Agreements. Über uns Unsere Mandanten stehen tagtäglich vor vielfältigen Aufgaben, möchten neue Ideen umsetzen und suchen Rat. Sie erwarten, dass wir sie ganzheitlich betreuen und praxisorientierte Lösungen mit größtmöglichem Nutzen entwickeln. Deshalb setzen wir für jeden Mandanten, ob Global Player, Familienunternehmen oder kommunaler Träger, unser gesamtes Potenzial ein: Erfahrung, Branchenkenntnis, Fachwissen, Qualitätsanspruch, Innovationskraft und die Ressourcen unseres Expertennetzwerks in 157 Ländern. Besonders wichtig ist uns die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unseren Mandanten, denn je besser wir sie kennen und verstehen, umso gezielter können wir sie unterstützen. PwC. 9.400 engagierte Menschen an 29 Standorten. 1,55 Mrd. Euro Gesamtleistung. Führende Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft in Deutschland.

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Ihre Ansprechpartner Berlin PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Lise-Meitner-Straße 1 10589 Berlin

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154 Transfer Pricing Perspective Deutschland

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Transfer Pricing Perspective Deutschland 155

Ein praxisorientiertes Kompendium für Verrechnungspreisexperten Im 2014er-Jahrbuch Transfer Pricing Perspective Deutschland haben wir bereits zum sechsten Mal die Beiträge aus unserem gleichnamigen Newsletter zusammengestellt. Das Jahrbuch enthält zahlreiche Artikel und umfassende Informationen rund um das Thema Verrechnungspreise, die aufgrund andauernder internationaler Entwicklungen von aktueller Brisanz sind. Experten aus dem Verrechnungspreisnetzwerk von PwC Deutschland diskutieren die Entwicklungen der OECD-Initiative zu „Base Erosion and Profit Shifting“ (BEPS), informieren über nationale und internationale Entwicklungen im Bereich der Verrechnungspreise und geben Einblicke in die Praxis sowie die Besonderheiten bestimmter Branchen. Das vorliegende Jahrbuch zeichnet sich durch die Verknüpfung von Theorie und Praxis aus und stellt eine informative Lektüre sowie ein hervorragendes Nachschlagewerk dar.

www.pwc.de

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