Pferderevue 2_15 Reiten mit Handicap - PFH-SEH

April 24, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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Para Equestrian Sport

Reiten mit

Handicap

A

nders als in den Para-DressurHochburgen Großbritannien, Skandinavien oder Deutschland ist die junge Sportart für ReiterInnen mit Handicap in Österreich erst seit wenigen Jahren auf dem Vormarsch. Grund dafür, dass sie überhaupt überdurchschnittliche Bekanntheit erlangte, waren die großen Erfolge des ehemaligen Vielseitigkeitsreiters Pepo Puch, der nach einem Unfall lernen musste, mit einer Querschnittlähmung zu leben. Puch holte 2014 bei den Weltreiterspielen, bei denen er gemeinsam mit Dr. Jutta Rus-Machan, Bernd Brugger und Michael Martin Knauder am Start war, nach Gold 2012 bei den Paralympics in London erneut Medaillen und hat damit den Para-Dressursport einen bedeutenden Sprung nach vorne gebracht. Wie schwer es allerdings nach wie vor ist, in Österreich als Mensch mit Handicap aufs Pferd zu kommen, konnte mit Hilfe von fünf Para-ReitsportlerInnen analysiert werden. Rede und Antwort standen Olympiasieger Pepo Puch (48), Thomas Haller (49), Julia Sciancalepore (18), Bernd Brugger (34) sowie Michael Martin Knauder (36). Von der Therapie zum Sport „Nicht gegen den Fehler, sondern für das Fehlende“ (Paul Moor) heißt es in einem Zitat auf der Homepage von Sabine Fechter, die in Bayern Reittherapie anbietet: „Es ist uns sehr wichtig, die Menschen nicht nach ihren Defiziten einzuordnen und nicht nach einem fest umrissenen Zielkatalog zu therapieren. Vielmehr legen wir Wert darauf, die gesunden Bereiche (physisch und psychisch) wahrzunehmen, sie anzuerkennen und die Menschen ganzheitlich zu fördern. Denjenigen, die zu uns kommen, möchten wir einen Orientierungsrahmen bieten: Klare Regeln, gleichbleibende Bezugspersonen und bekannte, den Menschen zugewandte Pferde sollen Sicherheit und Verlässlichkeit vermitteln. Eine ruhige Atmosphäre ist uns wichtig.“

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Der Nutzen der Reittherapie ist ein vielfacher, so kann der Kontakt zum Pferd viel Positives bewirken wie die Kräftigung der Muskulatur, die Stimulierung des Gleichgewichts, die Unterstützung der Oberkörperaufrichtung und der Rumpfkontrolle, die Förderung der Koordination, der Feinund Grobmotorik, der Sprachentwicklung und die Steigerung der Konzentrations-, Handlungs- und Wahrnehmungsfähigkeit, aber natürlich auch die Stärkung des Selbstwertgefühls bei kleinen und großen Reitern. Auch die junge österreichische ParaDressurreiterin Julia Sciancalepore, die seit ihrer Geburt an einer Cerebralparese mit Ataxie leidet, kam über die Reittherapie aufs Pferd. „Mein Interesse am Reitsport ist schon sehr früh geweckt worden, da ich bereits im Alter von drei Jahren durch die Hippotherapie auf den Pferderücken gekommen war. Als ich mit sechs Jahren mit dem Voltigieren begonnen habe, habe ich mir die Wartezeit mit Zusehen vertrieben und wie die meisten kleinen Mädchen davon geträumt, mit einem eigenen Pferd über weite Felder zu galoppieren. Als ich dann acht wurde, versuchte meine damalige Therapeutin, mir auf den braven Norikern das Reiten beizubringen. Zwar ging es im Schritt nicht schlecht, allerdings tat ich mir im Trab mit und ohne Sattel schwer, und die Termine wurden immer seltener. Mit elf landete ich in einem kleinen Dressurstall, wo man es sich zutraute, mir das Reiten beizubringen. Ich kam immer besser mit dem Sattel zurecht und lernte zu traben und zu galoppieren, sodass ich die Dressurprüfung für den Reiterpass ablegen konnte. 2011 wurde meine damalige Trainerin auf einen Bewerb für beeinträchtigte ReiterInnen aufmerksam – und so nahm meine Karriere im Para-Dressursport ihren Lauf.“ Therapeutisches Reiten in Österreich

Die therapeutische Arbeit mit dem Pferd hat in Österreich eine lange Tradition, Pio-

Foto: Tomas Holcbecher

Reiten und Voltigieren als Therapie wird in Österreich seit rund ­ 40 Jahren erfolgreich eingesetzt – der kompetitive Para-Pferdesport zeitigt zwar durchaus beachtliche Erfolge, ist aber noch ausbaufähig.

Österreichs erfolgreichster Para-Reiter Pepo Puch trägt viel dazu bei, diesen Sport bekannter zu machen.

nierinnen waren u. a. Emmy Tauffkirchen und Gundula Hauser (www.pferde-helfenmenschen.at). Seit dem Jahr 1977 werden die vier Sparten des therapeutischen Reitens – die Hippotherapie, das Heilpädagogische Voltigieren/Reiten, das Behindertenreiten und die Ergotherapie mit Pferd – durch das Österreichische Kuratorium für Therapeutisches Reiten (OKTR, www.oktr.at) betreut und entwickelt. Österreichweit gibt es heute gute Angebote der Reittherapie, eine wichtige Anlaufstelle in Niederösterreich ist zum Beispiel das Reit- und Therapiezentrum Kottingbrunn, das 1991 gegründet wurde. Daneben sei der Verein Happiness in Strasshof genannt, der sich dem Heilpädagogischen Voltigieren/Reiten und der Therapeutenausbildung verschrieben hat. Der Verein Pegasus in der Nähe von Horn ist Anlaufstelle für Ergotherapie zu Pferd. In

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Oberösterreich blickt das Integrative Reitzentrum St. Isidor in Leonding, gegründet 1995, auf eine lange Tradition zurück (die Ansprechpartnerinnen der einzelnen Sektionen des Therapeutischen Reitens finden Sie auf Seite 60). „In allen Bundesländern gibt es Landesreferenten der Pferdesportverbände, die Auskünfte über Ausbildungsmöglichkeiten in den vier Sparten des Therapeutischen Reitens geben sowie Kontakte zu TherapeutInnen mit Spezialausbildung in diesen Sparten vermitteln“, erklärt Gabriele Orac, Referentin für Therapeutisches Reiten des Niederösterreichischen Pferdesportverbandes und Sektionsleiterin für Behindertenreiten im OKTR sowie erfolgreiche Betreiberin des Reit- und Therapiezentrums Kottingbrunn, wo auch Thomas Haller zehn Jahre lang trainierte. Im Jahr 2000 war er in Sydney der erste Österreicher, der bei Paralympics an den Start ging.

Leider ist die Finanzierung einer Reittherapie – oder gar von sportlichen Ambitionen – immer wieder schwierig: „Die finanzielle Unterstützung von ReiterInnen mit Handicap ist immer ein sensibles Thema. Hippotherapie und Ergotherapie mit Pferd werden von der Gebietskrankenkasse regional in unterschiedlicher Höhe gestützt. Das Heilpädagogische Voltigieren/Reiten wird zumeist vom Land bezuschusst. Leider ist dies aber nicht mehr in allen Bundesländern der Fall. Behindertenreiten wird als Sport bzw. Freizeitvergnügen eingestuft, dafür gibt es keine offiziellen Förderungsstellen“, beschreibt Gabriele Orac den Istzustand. Sportlicher Ehrgeiz erwacht An wen kann man sich wenden, wenn man es nicht bei Reittherapie und Freizeitreiten belassen möchte, sondern auch sportlichen Ehrgeiz entwickelt? Julia Sciancalepore hat einige

Ratschläge für junge Nachwuchsreiter parat: „Ich würde raten, einen dressurerfahrenen Trainer zu suchen, am besten mit etwas Erfahrung mit Beeinträchtigten – was zugegebenermaßen sehr schwer zu finden ist. Erfahrene, kompetente Dressurtrainer wissen, wie das Reiten an sich funktioniert und wie ihre Pferde ticken, der Rest ist im Prinzip kreatives und experimentelles Ausarbeiten von Reiterhilfen und -können. Ein anderer Weg ist der Kontakt mit bereits in den Sport integrierten Para-Dressurreitern. Die meisten freuen sich, wenn ein neuer Mitstreiter in Aussicht ist und kennen viele Ansprechpartner, die einem weiterhelfen können.“ Immer eine große Hilfe ist auch das OKTR – dank der Geschäftsführenden Präsidentin Dr. Eva-Maria BachingerScholda eine stets bemühte Anlaufstelle für Menschen mit Behinderung, die sich dem Reitsport verschreiben möchten. Bachinger nimmt ihre Aufgabe mit großer pferderevue  2 | 2015

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Foto: Angelika Schmelzer

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Der Nutzen der Reittherapie ist ein vielfacher: Die Muskulatur wird gekräftigt, das Gleichgewicht geschult, die Koordination gefördert – und der Seele tut der Kontakt zum Pferd auch gut.

Passion wahr. Sie ist neben ihren Verbandsaufgaben internationale Fünf-Sterne-Richterin der Para-Dressur (unter anderem auch bei den Weltreiterspielen 2014) – und von jedem einzelnen Event, das sie richten darf, begeistert: „Ich freue mich stets sehr mit den Para-Reitern, ihre Begeisterung für ihren Sport ist etwas ganz Besonderes. Das ist einmalig!“ Dressurreiten für ReiterInnen mit Behinderungen ist bereits seit Atlanta 1996 eine paralympische Disziplin. Bis zu den Paralympics in Sydney im Jahr 2000 wurde ausschließlich auf zugelosten Fremdpferden des Gastgeberlandes gestartet, seit Athen 2004 bestreiten die ReiterInnen die Bewerbe auf ihren eigenen Pferden. 2006 wurde der Para Equestrian Sport von der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI) offiziell als achte Disziplin aufgenommen und ist damit gleichberechtigt mit allen anderen Pferdesportdisziplinen. 2010 wurde in Lexington/Kentucky (USA) zum ersten Mal eine gemeinsame Weltmeisterschaft aller acht Disziplinen ausgerichtet. Damit ist der Pferdesport für sämtliche Sportarten Vordenker und Vorreiter für die Integration des Behindertensports. Vorreiter Thomas Haller Als Para-Dressur-Nation wurde Österreich zum ersten Mal durch Thomas Haller bei den Paralympics in Sydney wahrgenommen. In seinen reitsportlichen Ambitionen wurde er von Gabriele Orac und Dr. Eva-Maria Bachinger gefördert. Seit seiner Geburt muss Haller mit einer spastischen Diplegie leben, gehen kann er nur mit Krücken. Von frühester Kindheit an strebte Haller mit großer Willensstärke und Ehrgeiz ein unabhängiges Leben an, heute ist er ein erfolgreicher Taxi- und Mietwagen-Unternehmer – wobei er sich gegen den Widerstand zahlreicher Behörden durchsetzen musste. Sein Unternehmen erlaubt es ihm heute, finanziell auf eigenen Beinen zu stehen. „Da bin ich besser dran als viele andere Reiter. Nur dank meines Unternehmens kann ich mir die Freiheit erlauben, meinen Sport zu betreiben.“ Nach seiner olympischen Premiere in Sydney, wo er Platz 4 erreichte, war Haller bis 2013 bei

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sämtlichen Championaten für Österreich am Start – oftmals als einziger Vertreter Österreichs. An den Weltreiterspielen 2014 nahm Haller jedoch nicht teil: „Österreich ist mittlerweile in der glücklichen Lage, einige Para-Dressurreiter auf internationalem Niveau zu haben, die vorne mitmischen können. Wir haben nun endlich eine Mannschaft – die in der Normandie Platz 6 erreicht hat. Über diese Entwicklung bin ich froh und auch ein wenig stolz, bei der Grundsteinlegung in Sydney dabei gewesen zu sein.“ Bei zukünftigen Championaten fasst Haller wieder einen Start ins Auge: „Rio 2016 ist natürlich im Hinterkopf. Doch ich weiß, dass es ein harter Weg ist – und dass er nur sinnvoll ist, wenn wir wirklich ganz vorne mit dabei sein können. Für alles andere wäre die Reise zu weit.“ Para-reiter nach einem Unfall Mittlerweile hat Österreich einige ReiterInnen, die in der ParaDressur konkurrenzfähig sind. Manche von ihnen kamen durch einen Unfall zu ihrer heutigen Reitsportdisziplin. Der herausragende Name unter ihnen ist sicherlich Paralympicsieger Pepo Puch, der seit einem Unfall durch ein technisches Gebrechen seiner Sturzweste inkomplett querschnittgelähmt ist. „Ich bin sehr, sehr glücklich, dass ich in Österreich so viel dazu beitragen konnte, dass das Para-Reiten populärer wurde. Wir wissen alle, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben. Aber ich bemerke doch, dass immer mehr junge Leute den Mut haben, in unseren Sport einzusteigen.“ Besonders wichtig ist Puch, „dass Berührungsängste abgebaut werden. Leider trauen sich nach wie vor viel zu wenige Reiter den Schritt in den Para-Sport zu. In Großbritannien gibt es da beispielsweise eine viel geringere Hemmschwelle. Besonders Reiter des Grade IV mit einer sehr leichten Behinderung sind in Österreich lieber bei normalen Turnieren am Start, anstatt sich im Para-Sport einstufen zu lassen.“ Er gibt zu, dass auch ihm der Schritt in Richtung Para nicht leicht fiel: „Für mich war es nach meinem Unfall natürlich nicht einfach. Aber ich hatte meinen Stall und die Pferde – und es kam nicht in Frage, nicht mehr weiterzumachen.“ Bernd Brugger berichtet: „Ich arbeite seit Jahren als Berufsreiter, vor meinem Unfall bin ich im Dressursport bis zur Klasse S gestartet – und darum war für mich eigentlich klar, dass ich gerne auch mit meinem Handicap im Sport tätig bleiben möchte. Ich zog mir bei einem schweren Reitunfall 2012 eine Berstungsfraktur des sechsten Halswirbels zu und bin seither von da abwärts inkomplett querschnittgelähmt. In meinem Alltag bin ich weitestgehend selbstständig und kann eigentlich alles machen, auch wenn ich für manches vielleicht länger brauche und mir vieles schwerer fällt als einem gesunden Menschen.“ Ähnlich erging es Paralympicsieger Pepo Puch, der vielen noch in Erinnerung sein dürfte, wie er einst über die Geländehindernisse einer Vielseitigkeitsstrecke sauste. Er war nach einem Streit mit dem österreichischen Verband bei den Olympischen Spielen 2004 und mehreren Europameisterschaften für Kroatien angetreten, bevor er sich bei

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Foto: Angelika Schmelzer

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Oberösterreichische

HengstscHau

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sonntag, 1. März, 13 uhr Pferdezentrum stadl-Paura Veranstaltungshalle   Hengste aller von uns betreuten Rassen – an der Hand und unter dem sattel

Foto: Gabriele Orac

Der Einstieg in den Para-Reitsport erfolgt in der Regel über die Reittherapie, seine Finanzierung ist nicht einfach.

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einem Sturz 2008 in Schenefeld schwer verletzte und seitdem inkomplett querschnittgelähmt ist. Die Geschichte von Michael Martin Knauder ist etwas anders. Er litt seit seiner Geburt an einer Behinderung, die sich jedoch aufgrund eines Unfalls verschlimmerte. Erst zu diesem Zeitpunkt kam er mit Pferden in Kontakt: „Ich habe von Geburt an eine halbseitige Lähmung sowie seit einem Autounfall 1997 eine inkomplette Querschnittlähmung. Seitdem sitze ich im Rollstuhl. Ich kam im Zuge der Rehabilitation mit der Hippotherapie in Kontakt. Nach sehr langer Suche lernte ich den Westernreiter Phillip Lelja kennen, der mich reiten ließ und mich trainierte. Leider gibt es im Westernreiten noch keine Para-Bewerbe, weshalb ich im Frühjahr 2011 zum Dressursport wechselte und seither diesem Sport in der Reitschule Sara und Georg Wahl in Wernberg (Kärnten) nachgehe.“

Wer im Para-Sport erfolgreich auf Turnieren unterwegs sein möchte, muss sich hierzulande der Dressur oder dem Fahren verschreiben. Es wäre wünschenswert, dass sich hier weltweit mehr Möglichkeiten auch für andere Disziplinen wie Western, Springen oder Voltigieren ergeben. Gabriele Orac betont, dass es im Westernreiten noch eine wenig wahrgenommene Möglichkeit gibt: „Wir bieten bereits die Ausbildung zum Lehrwart für Behindertenreiten Western an, was aber von den Westernreitern bis dato leider nicht angenommen wurde. Wir hoffen, dass sich einige Ausbildungswillige melden. 2015 wird von Sabine Schmidhammer ein solcher Lehrgang angeboten. Es lohnt sich, auch in dieser Sparte einen Beginn zu wagen.“ Gemütliches Österreich Während andere Länder den Para-Dressursport stark vorantreiben, tritt Österreich nach

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Menschen mit Beeinträchtigung brauchen meist besondere Hilfsmittel wie Aufstiegsrampen oder einen Kran, die häufig nur in spezialisierten Reitställen wie dem Reit- und Therapiezentrum Kottingbrunn gegeben sind.

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Fotos: Tomas Hlocbecher

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Österreichische Para(de)ReiterInnen: Thomas Haller, Vorreiter bei den Paralympics im Jahr 2000 in Sydney (oben), Bernd Brugger (oben rechts) und Dr. Jutta Rus-Machan (unten rechts), Team­mitglieder bei den WEG 2014

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wie vor auf der Stelle. In Großbritannien, der führenden Para-Nation, werden die Reiter durch die landesweite Lotterie unterstützt. Aus diesem Grund können für die Reiter dort auch erstklassige, teils bis zum Grand Prix ausgebildete Dressurpferde erworben werden. In Deutschland bekommen vor allem die Para-Reiter aus Rheinland-Pfalz (dort leben und reiten die drei besten Sportlerinnen Hannelore Brenner, Dr. Angelika Trabert und Britta Näpel) Unterstützung durch „Lotto Rheinland-Pfalz“ und haben dadurch ein nicht zu unterschätzendes finanzielles Polster. In Österreich sieht die Situation weniger rosig aus – und das, obwohl das Land bereits 1991 mit Elisabeth Maxwald eine Weltmeisterin im Blindenreiten stellen konnte. Thomas Haller betont, dass es schon von vornherein schwierig ist, ein für den ParaDressursport geeignetes Pferd zu finden. „Vor allem sein Interieur muss passen. Und wenn man solch ein Pferd endlich findet, wäre es natürlich schön, wenn man es finanziert bekäme.“ „Ein großer Schritt für Österreich ist ja schon mal, dass es diese Disziplin überhaupt gibt“, beschreibt Julia Sciancalepore ihre Eindrücke. „Im Vergleich zu anderen Ländern, in denen diese Disziplin wirklich ernsthaft betrieben wird, ist Österreich gemütlich – jetzt gibt es noch etwa vier richtig gute Reiter, aber was danach kommt, scheint nicht thematisiert zu werden. In Österreich steckt der Para-Dressursport in den Kinderschuhen, seit der ersten Meisterschaft 2011 sind bis jetzt drei weitere Turniere

und jährlich eine Meisterschaft ausgetragen worden, wobei das größte Starterfeld aus sechs Reitern bestand. Von Meisterschaften wie in Deutschland, wo oftmals 20 bis 30 Starter unterwegs sind, können wir nur träumen.“ Bernd Brugger setzt die Situation des Para-Sports in Österreich allerdings in Relation mit der insgesamt geringeren Anzahl der Reiter hierzulande: „Österreich ist ein recht kleines Land, und der Reitsport hat hier ohnehin nicht den allergrößten Stellenwert, deshalb ist es auch relativ schwierig, Reiter mit Handicap zu finden bzw. behinderte Menschen für das Reiten zu gewinnen.“ Aber Brugger blickt positiv in die Zukunft der österreichischen Para-Reiter: „Ich habe den Eindruck, dass immer mehr behinderte und nicht behinderte Menschen ein echtes Interesse an unserem Sport entwickeln. Wir haben ja auch mit unserer Referentin Dr. Eva-Maria Bachinger eine international sehr engagierte und angesehene Richterin, die uns optimal unterstützt und berät. Auch im internationalen Vergleich habe ich den Eindruck, dass wir gerade eine positive Entwicklung durchmachen. Bei den Weltreiterspielen in der Normandie konnten wir mit der Mannschaft einen 6. Platz erringen, was, wie ich denke, gut zeigt, dass der österreichische Para-Sport durchaus international konkurrenzfähig ist und sich in den nächsten Jahren noch weiter entwickeln kann!“ Einen großen Sprung nach vorne gab es dank Pepo Puch: „Da wuchs das mediale Interesse deutlich – ein internationalen Erfolg ist letztendlich im-

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mer die beste Werbung für eine Sportart“, so Brugger. „Das brachte auch einige neue Kontakte für uns alle. Unterstützung ist da, und ich habe das Gefühl, dass das Interesse an Förderung gerade größer wird, was wieder mit Pepo Puch zu tun hat, der die nötigen Kontakte hat, um immer wieder Förderwillige ins Gespräch zu bringen.“ „So schlecht steht Österreich bei den Paras gar nicht da“, betont Pepo Puch. „Schauen Sie sich nur mal unsere geringe Bevölkerungszahl an – da ist es klar, dass wir auch weniger Reiter haben. Ein Land wie Großbritannien ist uns zwar deutlich voraus, doch in Deutschland ist die Situation, gemessen an der Bevölkerungszahl, gar nicht so viel anders. Offene Baustellen gibt es leider weltweit noch genug.“ Eine der Baustellen ist zum Beispiel die mangelnde Kommunikation mit Fördereinrichtungen und Rehazentren. „So viele Menschen mit Handicap wissen gar nicht, dass es den Sport überhaupt gibt. Wichtig wäre vor allem mehr Öffentlichkeitsarbeit für Menschen mit Handicap und mehr mediale Berichterstattung. Außerdem sollten mehr Turniere mit öffentlicher Wirkung ausgetragen werden, denn seit ich dem

Kontaktadressen Österreichisches Kuratorium für Therapeutisches Reiten: www.oktr.at Sektionsleitung Hippotherapie: Elke Molnar-Mignon, St. Veiter Anger 30, 8046 Graz, Tel.: 0676 3360385, [email protected] Stellvertreterin: Thesy Feichtinger-Zrost, Elsenheimstraße 20, 5020 Salzburg, Tel.: 0676 4037073, [email protected]  Sektionsleitung Heilpädagogisches Voltigieren/Reiten: Andrea Bossler, Koktagasse 38, 2231 Strasshof, Tel.: 0664 1336013, [email protected] Stellvertreterin: Susanne Müller, [email protected] Sektionsleitung Behindertenreiten: Gabriele Orac, Reit- und Therapiezentrum, Maria-Theresien-Straße 8, 2542 Kottingbrunn, Tel.: 02252 70641, [email protected], www.reiten-und-therapie.at Stellvertreter: Bernhard Rauch, [email protected] Behindertenreiten Western: Sabine Schmidhammer, Tel.: 0664 2757002, [email protected] Sektionsleitung Ergotherapie mit Pferd: Katja Aichholzer, [email protected] Stellvertreterin: Theres Rantner-Payer, [email protected]

Sport nachgehe, gab es in Österreich insgesamt erst rund zehn Turniere“, betont Michael Knauder. „Leider gibt es auch nur sehr wenige Reitställe und Trainer, die uns trainieren und auf Turniere vorbereiten. In Österreich wird der Sport zur Gänze als Hobby betrieben und ist daher vom Reiter selbst zu finanzieren – nicht so wie in anderen Ländern, wo Ausrüstung und Pferde gestellt werden. Auch ich muss mir alles

selbst finanzieren, allerdings stellt mir Familie Fries mein Pferd Contessa leihweise zur Verfügung, wofür ich sehr dankbar bin.“ Auch wenn die Probleme mit der Wahrnehmung in der Öffentlichkeit in Österreich ungleich gravierender sind, gibt es diese beispielsweise ebenso im augenscheinlichen „Para-dies“ Deutschland. Über die Medaillen bei den Weltreiterspie-

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Fotos: Petra Kerschbaum (2), Tomas Holcbecher

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Julia Sciancalepore, hoffnungsvolle Nachwuchsreiterin im Para-Dressursport (oben), Michael Martin Knauder, Teammitglied bei den WEG 2014 (unten); Para-Staatsmeisterschaften 2014: Pepo Puch, Bernd Brugger, Julia Scianca­ lepore (v. li. n. re. stehend) und Michael Martin Knauder

len (einmal Gold, zweimal Silber, einmal Bronze) wurde im Fernsehen nicht eine Sekunde lang berichtet. Selbst im WM-Rückblick wurde die Goldmedaille von Hannelore Brenner totgeschwiegen. Begründung dafür gab es auf Nachfrage keine. Und bei den Europameisterschaften in Aachen 2015 dürfen die Para-Reiter – anders als in Herning 2013 – nicht dabei sein. Integration sieht anders aus – Abhilfe schafft nur ein mutiges Voranreiten Richtung Öffentlichkeit. Integration durch gemeinsame Turniere Der Grundstein zur Integration kann mit etwas Mut ohne übergroßen Mehraufwand gelegt werden. „Voraussetzung für die Planung eines integrativen Turniers ist eine möglichst barrierefreie Reitanlage. Das Turnier beziehungsweise die Ausschreibung sollte bewusst bei den Reitern mit Handicap beziehungsweise ihren Trainern bekannt gemacht werden, um auch potenzielle Reiter mit Handicap gewinnen zu können. Selbstverständlich muss klar sein, welches Handicap die jeweiligen Reiter haben – auch damit im Ernstfall schnelle Hilfe möglich ist. Bei integrativen Turnieren ist eine Grade-Klassifizierung noch nicht notwendig, was deutlich mehr Reitern eine Startmöglichkeit verschaffen kann“, so die bayerische Para-Reiterin und Studentin Anja Metzdorf, die sich intensiv mit der Problematik Integration von

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Reitern mit Handicap im Regelsport auseinandersetzt. „Viele Para-Reiter haben kein eigenes Pferd, weshalb geeignete Leihpferde sehr willkommen sind. Optimal ist es, wenn spätestens am Vortrag des Turniers die in Frage kommenden Pferde von den Reitern mit Handicap probegeritten werden können, um sich in Ruhe abzustimmen.“ Metzdorf beschreibt die Atmosphäre bei integrativen Turnieren als etwas ganz Besonderes: „Das ist meiner Meinung nach der Anfang wirklicher Inklusion, die von beiden Seiten mitgestaltet wird. Es wird auch immer gemeinsam platziert, denn man ist ja auch die Prüfung gemeinsam geritten. Eine Trennung in der Platzierung in Reiter mit und ohne Handicap ist von allen absolut unerwünscht.“ Grundsätzlich können Reiter mit Handicap in Österreich in allen Wettkämpfen starten, wenn sie die dafür geltenden Voraussetzungen erfüllen. Falls kompensatorische Hilfsmittel benötigt werden, muss beim OEPS zusätzlich zur Lizenz/Startkarte eine Para-Equestrian-Karte beantragt werden, für die man sich in einen der vier Grade laut FEI Classification Manual (siehe Seite 63) einstufen lassen muss und auf der die benötigten Hilfsmittel vermerkt sind. Dasselbe gilt für Sonderprüfungen und Lizenzprüfungen. Auch Thomas Haller bestreitet Wettbewerbe im Regelsport. „Dort wird auch der eine oder andere Reiter einmal von Sponsoren gesehen …“

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Julia Sciancalepore plädiert ebenfalls für mehr Wahrnehmbarkeit: „Wichtig wäre auch, die Turniere besser über Österreich zu verteilen, weil die Anfahrtsstrecken für ein Schnupperturnier doch sehr weit sein können, was wieder eine Hemmschwelle für Interessierte ist. Man merkt aber auf den Turnieren auch, dass Leute aus dem Dressurlager sich die Zeit nehmen, um bei den Para-Bewerben zuzuschauen, was auch eine gewisse Neugierde widerspiegelt. Ein Sport muss ,anfassbar‘ sein. Im Stall meiner Trainer, der Reitschule Wahl in Wernberg, wird der Para-Dressursport beim Tag der offenen Tür gleich zweimal vorgestellt: einmal von WM-Teilnehmer Michael Martin Knauder und einmal von mir. Die Besucher sehen so, dass beeinträchtigte Menschen genauso ein gutes Team mit einem Pferd bilden können wie Menschen ohne Beeinträchtigung.“ Das Schlusswort soll Michael Martin Knauder gehören: „Junge Menschen mit Handicap sollten, wenn sie es möchten, den Sport unbedingt ausüben, sich nicht unterkriegen und von Rückschlägen nicht entmutigen lassen, die gibt es nämlich in allen Sportarten – für Menschen mit und ohne Handicap. Pferde nehmen Menschen an, so wie sie sind, ohne Vorurteile. Ich habe, seit ich reite, nur positive Erfahrungen gemacht. Wenn man Pferde respektiert und gut behandelt, so geben sie Respekt und Liebe Alexandra Koch vervielfacht zurück!“

Klassifikation im Para Equestrian Sport Die Reiter werden in fünf Grade, je nach Grad der Behinderung, eingeteilt: von Grad Ia und Grad Ib = schwerstbehindert bis Grade IV = leicht behindert. Das Leistungsniveau entspricht den Klassen E bis M/S, in Grade IV wird in der Kür auf Prix-St.-Georges-Niveau geritten. In den Graden Ia und Ib starten die am schwersten behinderten ReiterInnen. Die AthletInnen sind hauptsächlich Rollstuhlbenutzer, entweder mit geringer Rumpfbalance oder mit begrenzten Arm- und Beinfunktionen. AthletInnen mit fehlender Rumpfbalance, aber guten Armfunktionen sind auch in dieser Klasse startberechtigt. Geritten werden Prüfungen mit Schritt- und wahlweise Trabsequenzen. Im Grade II starten meist RollstuhlbenutzerInnen mit starken Einschränkungen der Beinfunktionen und/oder der Rumpfbalance, aber mit guten bis leicht behinderten Armfunktionen. Athlet­ Innen ohne Bewegungsfunktionen eines Armes und eines Beines sind auch in dieser Klasse startberechtigt. Die Prüfungen bestehen aus Schritt- und Trabsequenzen und wahlweise in der Kür mit bestimmten Galopplektionen. Grade III ist die am stärksten vertretene Wettkampfklasse. Die AthletInnen können in der Regel ohne Unterstützung gehen. Sie haben Behinderungen entweder an einem Arm und einem Bein, mäßige Behinderungen in beiden Armen und beiden Beinen oder schwere Behinderungen der Arme. AthletInnen, die als B1 (blind) klassifiziert sind, können auch in dieser Klasse starten, ebenso solche, die einseitig hoch beinamputiert sind. Die Prüfungen bestehen aus Schritt-, Trab- und Galoppsequenzen. Die Anforderungen sind vergleichbar den Klassen A bis L im Regelsport. Grad-IV-ReiterInnen müssen Aufgaben vergleichbar mit der Dressur der Klassen L bis M im Regelsport auf „Normalturnieren“ absolvieren. Die AthletInnen haben Behinderungen nur in einer oder zwei Gliedmaßen oder Einschränkungen der Sehfähigkeit. Die Prüfungen bestehen aus Schritt-, Trab- und Galoppsequenzen, wobei die Kür annähernd alle vorstellbaren Dressurlektionen enthalQuelle: www.oeps.at ten kann wie z. B. Serienwechsel etc.

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