Peter Pan - Rumpelwicht

March 28, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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Peter Pan und seine Kinder: Varianten und Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes

vorgelegt von

Jens Bödicker

im Juni 2001

Verwendete Abkürzungen

PP

Peter Pan, or The Boy Who Wouldn’t Grow Up

PPKG

Peter Pan In Kensington Gardens

PW

Peter and Wendy

TLWB

The Little White Bird

Inhalt

Inhalt

Inhalt ....................................................................................................................... 1 1. Einführung .......................................................................................................... 3 1.1. Untersuchungsgegenstand ................................................................................ 3 1.1.1. Varianten 1.1.2. Adaptionen 1.1.3. Plastizität des Stoffes 1.2. Stand der Forschung .......................................................................................... 5 1.3. Zielsetzung ......................................................................................................... 6 2. Theoretische Grundlagen .................................................................................... 8 2.1. Intertextualität ................................................................................................... 8 2.1.1. Autor und Rezipient 2.1.2. Versetzungsformen der Intertextualität 2.2. Adaption ........................................................................................................... 10 2.2.1. Gattungswechsel 2.2.2. Medienversetzung 2.3. Mediencharakteristika ...................................................................................... 12 2.3.1. Theater 2.3.2. Buch 2.3.3. Film 3. Varianten des Peter-Pan-Stoffes ........................................................................ 15 3.1. Vorbemerkungen ............................................................................................. 15 3.1.1. Biographisches 3.1.2. Die Rolle des Autors 3.1.3. The Boy Castaways of Black Lake Island 3.2. The Little White Bird (1902) ............................................................................ 19 3.2.1. Die Anfänge 3.2.2. Synopsis 3.2.3. Analyse 3.2.4. Herkunft Peter Pans 3.2.5. Peter Pan in Kensington Gardens 3.3. Peter Pan, or the Boy Who Wouldn’t Grow Up (1904) ................................... 35 3.3.1. Pantomime 3.3.2. Entstehung 3.3.3. Synopsis 3.3.4. Die Produktion 3.3.5. Versionen des Schauspiels -1-

Inhalt 3.3.6. Das Ende 3.3.7. Premiere 3.3.8. Amerika 3.3.9. Andere Fassungen 3.3.10. Warum ist Peter eine Frau? 3.4. Peter and Wendy (1911) .................................................................................. 47 3.4.1. Inhalt 3.4.2. Der Erzähler 3.4.3. Parodisierung, Karikatur, Ironisierung 3.4.4. Relikte 4. Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes ..................................................................... 54 4.1. Peter Pan, Stummfilm (1924) .......................................................................... 54 4.1.1. Barries Szenario 4.1.2. Das Ende 4.1.3. Die Paramount-Adaption 4.2. Walt Disney’s Peter Pan (1951) ........................................................................ 66 4.2.1. Trivialisierung 4.2.2. Wendy 4.2.3. Disney vs. Barrie 4.2.4. Die Charaktere 4.2.5. Ein Traum 4.3. Hook (1992) .................................................................................................... 76 4.3.1. Synopsis 4.3.2. Ein neuer, alter Pan 4.3.3. Amerika 4.3.4. England 4.3.5. Neverland 4.3.6. Finale 4.3.7. Transformationen 4.4. Peter Pan, das Musical (2000) .......................................................................... 85 4.4.1. Mary Martin ist Peter Pan 4.4.2. Happy-End 4.4.3. Cathy Rigbys Pan 4.4.4. Tanz und Gesang 5. Schlussbetrachtung ........................................................................................... 90 6. Summary ........................................................................................................... 92 7. Grundlegende und zitierte Werke .................................................................... 94 7.1. Primärliteratur .................................................................................................. 94 7.1.1. Barries Schriften 7.1.2. Filme 7.2. Sekundärliteratur ............................................................................................. 94 7.2.1. Bücher und Artikel 7.2.2. Internetquellen 8. Abbildungsverzeichnis ...................................................................................... 98 -2-

Einführung: Untersuchungsgegenstand

1. Einführung

Pan, who and what art thou? Peter and Wendy1

J. M. Barrie’s Peter Pan was retold before he had written it, and then rewritten after he had told it. J. Rose2

1.1. Untersuchungsgegenstand Die vorliegende Arbeit handelt von Peter Pan, seiner Geburt und steten Wiedergeburt, seinem Leben, schließlich von seinen Kindern, Nachfahren und Abkömmlingen. Sie beschreibt in Ausschnitten die inzwischen hundertjährige variantenreiche Geschichte Peter Pans, des Jungen, der nicht erwachsen werden wollte, und den Werdegang seiner Nachkommen.

1.1.1. Varianten Zuallererst gilt es, das weit verbreitete Missverständnis aufzuklären, Sir James Matthew Barrie habe ein Buch mit dem Titel Peter Pan geschrieben. Glaubt man seinem Vorwort zur ersten veröffentlichten Ausgabe des Schauspiels, so war er sich zum Zeitpunkt der Publikation selbst der Autorschaft nicht mehr ganz sicher: Some disquieting confessions must be made in printing at last the play of Peter Pan; among them this, that I have no recollection of having written it. […] I can haul back to mind the writing of almost every other assay of mine, however forgotten by the pretty public; but this play of Peter, no.3 Es soll hier aber gar nicht bezweifelt werden, dass Barrie zumindest teilweise der rechtmäßige geistige Vater Peters ist. Er schrieb einen Roman für Erwachsene namens The Little White Bird (TLWB), der 1902 erschien und eine Figur enthielt, die Peter Pan hieß. Dieser Charakter war so einzigartig, dass sich der Autor bemüßigt sah, ihn in einem 1. 2. 3.

James M. Barrie, Peter Pan (London: Penguin, 1995) 158. Jacqueline Rose, The Case of Peter Pan or The Impossibility of Children’s Fiction (London: Macmillan, 1994) 67. James M. Barrie, Peter Pan, or The Boy Who Wouldn’t Grow Up (London: Hodder and Stoughton, 1928) V+VIII. A. Birkin zufolge gibt es vier verschiedene Versionen dieser vorgeschalteten Widmung: einen ersten handgeschriebenen Entwurf, eine korrigierte getippte Fassung, den überarbeiteten Probedruck und die veröffentlichte Endversion. Siehe Andrew Brikin, J. M. Barrie and the Lost Boys (London: Constable, 1979) 86.

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Einführung: Untersuchungsgegenstand Schauspiel, Peter Pan, Or The Boy Who Wouldn’t Grow Up (PP), weiter zu entwickeln, das Weihnachten 1904 Premiere hatte. Zwei Jahre später erschien eine illustrierte Zusammenstellung einiger Kapitel aus TLWB als Peter Pan in Kensington Gardens (PPKG). Die Prosafassung des Bühnenstückes, Peter and Wendy (PW)4, folgte 1911. Der Text des Schauspiels, welches seit seiner Uraufführung radikalen Änderungen unterworfen worden war, wurde erst 1928 im Rahmen der Reihe The Plays of J. M. Barrie veröffentlicht. Dieser Variantenreichtum des Stoffes macht ihn für einen übergreifenden Vergleich interessant. Barries Peter Pan “is in fact one of the most fragmented and troubled works in the history of children’s fiction [...] which has not yet come to an end.”5 Die oben genannten Publikationen konstituieren den primären Textkorpus der PeterPan-Materie. Es sind die Texte, die im Folgenden als Varianten des Stoffes bezeichnet werden sollen.

1.1.2. Adaptionen Wer sind aber die eingangs erwähnten Kinder und Nachkommen? “White rats are descendants also. Almost everything is a descendant.”6 erklärt Wendy den Lost Boys im vierten Akt. Im Rahmen dieser Arbeit hat es sich allerdings als unumgänglich erwiesen, Wendys Definition einzugrenzen und die Untersuchung auf einige wenige Nachkommen in der Form filmischer Adaptionen zu beschränken. Die Auswahl der Adaptionen erfolgte nach mehreren Kriterien. Zum einen sollten sie einen möglichst repräsentativen Querschnitt durch das Jahrhundert bieten, verschiedene Genres abdecken, und nicht zuletzt war auch die Verfügbarkeit des Materials ausschlaggebend. Vier Digital Versatile Disks (DVDs) konnten schließlich berücksichtigt werden: die erste Peter-Pan-Verfilmung überhaupt - ein Stummfilm von 1924, für den Barrie ein Skript schrieb und dessen Aufführung er selbst miterlebte, zweitens die Zeichentrickverfilmung Walt Disneys von 1951, ferner die Weiterverarbeitung des Stoffes in Hook, einem Spielfilm von 1992, und schließlich das Broadway-Musical Peter Pan, greifbar als Abfilmung einer Aufführung des Jahres 2000.

4.

5. 6.

Umbenannt 1921 in Peter Pan and Wendy (mit Illustrationen von Mabel Lucie Attwell) und einfach Peter Pan seit 1951 mit neuen Bildern von Norah S. Unwin. Es gibt bis heute keine kritische Ausgabe von PW. Die hier zitierte Ausgabe ist die der Penguin Popular Classics-Reihe; sie enthält den Originaltext von 1911. Verglichen wurde der Text überdies mit einer in der Universitätsbibliothek Marburg vorhandenen Ausgabe (James M. Barrie, Peter Pan (London: Armada, 1988)), mit der Ausgabe der Reihe Reclam Fremdsprachentexte (James M. Barrie, Peter Pan (Stuttgart: Philipp Reclam jun., 1993)) und dem Elektronischen Text des GutenbergProjektes Project Gutenberg. “Peter Pan.” Project Gutenberg. 1 April 2001. ). Rose, The Case of Peter Pan or the Impossibility of Children’s Literature 10. Barrie, PP 106.

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Einführung: Stand der Forschung

1.1.3. Plastizität des Stoffes Peter Pan gehört wohl unbestreitbar zu den bekanntesten Gestalten der anglophonen Literatur und der westlichen Kultur insgesamt. Zweifellos gibt es noch bekanntere Romeo und Julia, Mickey Mouse, Sherlock Holmes, vielleicht Harry Potter -, doch keinem dieser Charaktere ist es gelungen, in der Form zum Mythos zu werden, wie Peter Pan. The difference between Peter Pan and his rivals is that, however hard it is to believe that they are mere characters of fiction, Peter alone has crossed the border-land of folklore. Even Alice is only three-dimensional: Peter Pan has broken into the fourth dimension of imagination.7 Schon zu Lebzeiten des Autors nahmen Peter-Pan-Produktionen mitunter drastische Änderungen am Skript des Autors vor. Dabei waren die Zeit und der Geschmack einer Epoche weniger ein Faktor als das Talent der Schauspieler und besonders die Besetzung der Rolle Peters8. Szenen und ganze Akte wurden hinzugefügt oder gestrichen, je nach Beschaffenheit der Bühne 9 , den Möglichkeiten der Schauspieler und vielen anderen Umständen. Als 1928 zum ersten Mal der Text des Stücks veröffentlicht wurde, unterschied dieser sich grundlegend von den zur gleichen Zeit in England und Amerika in Aufführung befindlichen. [...] the continual changing of the ending of the story (begun by Barrie) has continued with each generation, and this gives the play the status of a folk-tale - it is everyone’s property, and the central character is archetypal.10 Trotzdem wird sich bei jeder Neuproduktion sicher ein Kritiker finden, der das “Original” der jeweiligen Inszenierung (oder dem Musical oder dem Film) vorzieht. Aber welches Original? Es scheint, als betrachte jeder, ob Autor oder Regisseur, Schauspieler oder Bühnentechniker, Peter Pan nicht als einen in Stein gemeißelten, über alles erhabenen Text, sondern als einen formbaren Stoff, der an die Gegebenheiten angepasst werden kann. Es gibt keinen definitiven Pan.

1.2. Stand der Forschung Betrachtet man die Sekundärliteratur zu Peter Pan, wird man erkennen, dass das bisherige Forschungsinteresse hauptsächlich auf zwei Gebiete fokussiert ist. Das eine 7. 8.

Roger Lancelyn Green, Fifty Years of Peter Pan (London: Davies, 1954) 1. Ein Beispiel wäre etwa die Besetzung Peters durch die Turnerin C. Rigby, die zu viel ausgedehnteren Akrobatik- und Flugdarbietungen fähig war, als herkömmliche Schauspielerinnen. 9. Wenige Theaterdirektoren wollten beispielsweise weitere Falltüren in ihre Bühne schneiden lassen, um einen nachwachsenden Baum im Heim der Lost Boys zu platzieren oder sieben separate Eingänge zu diesem zu schaffen. 10. Peter Hunt, An Introduction to Children’s Literature (Oxford: Oxford University Press, 1994) 90.

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Einführung: Zielsetzung besteht aus einer unüberschaubaren Fülle psychoanalytischer Forschungsansätze nach Freud und seinen Exegeten und ist in Werken wie The Neverland of Id: Barrie, Peter Pan and Freud11 damit beschäftigt, den Autor und seine Figuren auf der Couch zu sezieren. Der andere große Teil der Sekundärliteratur behandelt die Möglichkeit der Eingliederung Peter Pans in das Genre der Kinderliteratur. Hierzu zählt als vielleicht prominentestes Exemplar die herausragende Studie von J. Rose, The Case of Peter Pan or The Impossibility of Children’s Literature. Hinzu kommen die obligatorischen Biographien über J.M. Barrie, die zumeist lebensbezogene Interpretationen seiner Werke enthalten. Zu nennen sind hier besonders D. Mackails The Story of J.M.B, aus der Sicht eines persönlichen Bekannten Barries von 1941, und J. Dunbars J.M. Barrie: The Man Behind the Image von 1970, das neuere Erkenntnisse einbezieht und insgesamt objektiver wirkt. Aus der Masse der Bücher zum Thema herauszuheben sind außerdem zwei weitere Bücher. Das eine, Fifty Years of Peter Pan, liefert neben Anekdoten und persönlichen Erinnerungen des Autors R. L. Green an seine Zeit in der Rolle des Piraten Noodler den kompletten Text des von Barrie vorgeschlagenen Filmszenarios sowie weitere Quellen aus der frühen Zeit der Peter-Pan-Produktionen in England. Das andere, The Peter Pan Chronicles, von B. K. Hanson, enthält Beschreibungen und Abbildungen der meisten Inszenierungen von 1904 bis 1993, mit Schwerpunkt auf Hauptdarstellerinnen und Aufführungen in den USA. Eine Auflistung der wichtigsten Trends der Peter-Pan-Rezeption hat Peter Cumming zusammengestellt.12

1.3. Zielsetzung Die vorliegende Arbeit soll aufzeigen, welche Ausformungen des Peter-Pan-Stoffes es gibt, in welcher inhaltlichen und bedeutungstragenden Relation sie zu anderen Teilen stehen und inwiefern sie sich in dialogischer Beziehung zueinander befinden. Weiterhin soll der Frage nachgegangen werden, wo und warum Barrie und später Regisseure und Filmemacher Änderungen am Stoff vornahmen. Diese Arbeit verzichtet größtenteils auf eine textuelle Interpretation. Viel zu viel steckt in jedem einzelnen Text, und noch mehr ließe sich im Vergleich der Varianten und Adaptionen über die Bedeutung einzelner Elemente des Peter-Pan-Stoffes sagen. Ein solches Unterfangen würde zu keinem Ende führen.

11. Michael Egan, “The Neverland of Id: Barrie, Peter Pan and Freud.” Children’s Literature: Annual of The Modern Language Association Division on Children’s Literature 10 (1982): 37-55. 12. Cumming, Peter. “UWO English 133E (Children’s Literature) - History of Peter Pan Criticsm.” The University of Western Ontario Department of English. 20 March 2001. .

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Einführung: Zielsetzung Das Ziel dieser Arbeit ist es vielmehr, Veränderungen innerhalb des Stoffes aufzuzeigen und kritisch zu kommentieren. Insofern wird eher ein editionskritischer bzw. komparativer als ein interpretatorischer Ansatz verfolgt. Es wird zu zeigen sein, dass viele der von Barrie vorgenommenen Umgestaltungen - insbesondere des dramatischen Textes - sich aus praktischen Notwendigkeiten des Theaterbetriebs vollzogen und kaum herangezogen werden können, um einen Einblick in die Bedeutung diverser Szenen zu gewinnen. Natürlich lässt sich über literarische Texte überhaupt kaum etwas sagen, ohne dass nicht ein gewisser Teil an Interpretationsarbeit geleistet würde, und auch diese Arbeit bildet insoweit keine Ausnahme. Dennoch ist der Schwerpunkt ein anderer, wie von Kapitel zu Kapitel in unterschiedlichem Maß deutlich werden wird.

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Theoretische Grundlagen: Intertextualität

2. Theoretische Grundlagen

2.1. Intertextualität For some it represents the critical equivalent of postmodernism, for others the timeless constituent of any art; for some it marks the textual process as such, for others it is restricted to certain exactly defined features in a text; for some it is an indispensable category, for others again it is all together superfluous as a term to which the ancient proverb of new wine in old bottles justly applies.13

Die Theorie der Intertextualität14 beschreibt die Beziehungen zwischen Texten. Während diese Definition zunächst wenig Widerspruch hervorrufen wird, ist strittig, welche Arten von Beziehungen darunter zu verstehen sind. Je nach Enge der Definition ist Intertextualität entweder vornehmlich textontologischer Natur, ist also ein Merkmal von Texten schlechthin - ja geradezu konstitutive Voraussetzung von Textualität - oder aber spezifische Eigenschaft bestimmter Texte und Textarten. Der umfassendere, poststrukturalistische Intertextualitätsbegriff15 geht davon aus, dass jeder Text und eigentlich jede Äußerung sich auf vorhergehende bezieht, welche sich wiederum auf andere beziehen. Insofern kann man so weit gehen zu behaupten, es gäbe keine individuellen Texte, sondern lediglich ein unendlich komplexes textuelles Netzwerk von Diskursen, Codes und Sinnsystemen, in dem es unter Umständen unmöglich ist, einzelne Prätexte zu isolieren. Seine revolutionären Implikationen verdankt dieser Intertextualitätsbegriff seiner undifferenzierten Universalität, die ihn für einen konkreten Textvergleich relativ unbrauchbar macht. Eine enger gefasste Vorstellung von Intertextualität muss Eingrenzungsmöglichkeiten finden, etwa in einem ersten Schritt durch die Beschränkung auf literarische Texte. Damit wird Intertextualität zu etwas im Text Greifbaren, denn die Bezüge auf Prätexte bzw. Sinnstrukturen anderer Texte lassen sich zumindest potenziell aufdecken. Verweise dieser Art finden sich als Erscheinungen wie Zitat, Anspielung, Parodie, Travestie, Imitation, Übersetzung oder auch Adaption im Begriffsinventar der traditionellen Literaturwissenschaft.16 13. Heinrich F. Plett, ed., Intertextuality (Berlin: Walter de Gruyter, 1991) V. 14. Der Begriff Intertextualität wurde 1967 von der Literaturtheoretikerin Julia Kristeva geprägt. 15. Postuliert unter anderen von Roland Barthes. Vergleiche Graham Allen, Intertextuality (London: Routledge, 2000) 61-94. 16. Vergleiche Manfred Pfister, “Konzepte der Intertextualität.” Intertextualität, eds. Ulrich Broich und Manfred Pfister (Tübingen: Max Niemeyer Verlag, 1985) 11-20.

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Theoretische Grundlagen: Intertextualität

2.1.1. Autor und Rezipient Intertextualität ist sowohl aus der Perspektive des Lesers als auch aus der des Autors zu betrachten. Ist es doch der Rezipient, der die Verknüpfungen zum Intertext herstellen muss, während er liest. Dadurch wird ein Werk erst aktiviert. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Verknüpfungsleistung kann vom Autor ohnehin gar nicht geleistet werden, denn zum einen kennt er nicht den Erfahrungsschatz bzw. die Bibliothek des potenziellen Lesers; er kann also nur ahnen und hoffen, dass neben dem allgemeinen Weltwissen bestimmte kanonische Texte wie etwa die Bibel oder antike Klassiker beim Rezipienten vorauszusetzen sind. Zum anderen kann er nicht voraussehen, was in Zukunft geschrieben werden und damit den Lesern späterer Generationen als Vergleichsbasis dienen wird. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen dem produktionsästhetischen und dem rezeptionsästhetischen Aspekt der Intertextualität, abhängig davon, ob ein Bezug, etwa durch die Übernahme inhaltlicher oder struktureller Elemente eines Prätextes, vom Autor bewusst eingesetzt wurde, oder ob die Verknüpfung erst während des Rezeptionsaktes durch und für den Leser entsteht.17

2.1.2. Versetzungsformen der Intertextualität Eine besondere Erscheinungsform der Intertextualität bildet die Konvertierung eines Textes in ein anderes Zeichensystem. Diese Versetzung ist eine der häufigsten Ausformungen der Intertextualität und lässt sich nach Ulrich Broich wie folgt weiter unterteilen:18 1. Versetzung in eine andere Sprache bzw. ein anderes Register 2. Versetzung in eine andere Gattung 3. Versetzung in ein anderes Medium Von diesen drei Punkten sind für die vorliegende Arbeit die Punkte zwei und drei von Bedeutung, denn wir werden sehen, dass der Peter-Pan-Stoff bis heute sogar mehrfach Gattungs- und Medienwechseln unterworfen war. In diesem Fall stellt sich also eine doppelte Sonderrolle dar, insofern es sich um eine Versetzung handelt, die vom Autor selbst vorgenommen wurde.19 Natürlich wirft die Transformation eines Textes in einen anderen Code zwangsläufig Probleme auf. Auch mit großer Anstrengung wird es nicht möglich sein, eine hundertprozentige, quasi originalgetreue Umsetzung zu erstellen, da die neue Gattung bzw. das neue Medium ge wisse inhärente Spezifika aufweisen wird, welche Veränderungen zu einem gewissen Grad unabdingbar machen. Inwieweit Werktreue 17. Vergleiche Manfred Pfister, “Konzepte der Intertextualität.” Intertextualität, eds. Ulrich Broich und Manfred Pfister (Tübingen: Max Niemeyer Verlag, 1985) 20-24. 18. Vergleiche Ulrich Broich, “Zu den Versetzungsformen der Intertextualität”, Intertextualität, eds. Ulrich Broich und Manfred Pfister (Tübingen: Max Niemeyer Verlag, 1985) 135f. 19. Im Gegensatz zur Sprach- oder Medienversetzung ist es allerdings durchaus üblich, dass ein Gattungswechsel vom Autor selbst vollzogen wird.

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Theoretische Grundlagen: Adaption überhaupt wünschenswert ist oder ein Kriterium der Analyse oder Kritik sein kann, soll im Rahmen dieser Arbeit nicht diskutiert werden. Obligate Änderungen umfassen in diesem Sinne gattungs- bzw. medienspezifische Eigenheiten - ein Buch kann nicht die Filmmusik als spannungssteigerndes Attribut heranziehen - und versetzungsbedingte Kürzungen, gerade auch hinsichtlich solcher denkbaren Gattungsversetzungen wie vom Epos zur Kurzgeschichte. Hinzu kommen je nach Intention und letztlich Gusto des Medienschaffenden andere Abwandlungen. Versetzt die 1996er Verfilmung von Romeo and Juliet mit Leonardo DiCaprio und Claire Danes in den Hauptrollen die Handlung - unter Beibehaltung der Originaldialoge - in das Amerika unserer Zeit, ist dies eine vom Regisseur vorgenommene Modifikation, die sich nicht durch die Versetzung von der Bühne auf die Leinwand zwangsläufig ergibt.

2.2. Adaption 2.2.1. Gattungswechsel Der Gattungswechsel wird insgesamt eher als Randerscheinung der Intertextualität betrachtet. Der Begriff beschreibt weder Gattungsmischungen (etwa ein Gedicht innerhalb eines Romans) noch die Einarbeitung eines Prätextes in einen anderen20 noch Verweise auf gattungsfremde Prätexte. Ein Gattungswechsel kommt erst dann zustande, wenn zwischen Prätext und Text eine Übereinstimmung in wesentlichen Textmerkmalen und -elementen zu registrieren ist, beispielsweise im Figurenarsenal, in den behandelten Themen, im strukturellen Aufbau etc., wobei die Textverarbeitung in Prätext und Text nach unterschiedlichen gattungsmäßigen Kriterien erfolgen muß.21 Dabei müssen die Aussagen des Textes der einen Gattung und des Prätextes einer anderen nicht gleich sein. Es ist vielmehr so, dass eine von der ursprünglichen differierende Aussage für die Untersuchung interessanter und vermutlich ergiebiger ist, weil sie die Frage nach dem Grund für die Änderung eröffnet und eventuell gerade die Intertextualitätsforschung im Zusammenspiel der beiden Texte einen Sinn finden kann. Im Vordergrund der Untersuchung intertextueller Gattungsversetzungen stehen diejenigen Aspekte, welche in Text und Prätext differieren oder sogar in direkter Opposition stehen. Es wäre müßig, auf Gleichheiten und Parallelen etwa der Handlung hinzuweisen, wo diese als in der Natur der Versetzung liegend bezeichnet werden könnten. Gerade jenen Stellen, an denen bewusst gekürzt oder ergänzt wird, wo 20. Die Übernahme von Szenen aus PPKG in PP konstituiert somit keinen Gattungswechsel. 21. Bernd Lenz, “Intertextualität und Gattungswechsel: Zur Transformation literarischer Gattungen”, Intertextualität, eds. Ulrich Broich und Manfred Pfister (Tübingen: Max Niemeyer Verlag, 1985) 162.

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Theoretische Grundlagen: Adaption produktiv der Prätext umgestaltet und innovativ weitergedacht wird, muss das Interesse der Analyse gelten. Zwischen dramatischem und erzähltem Text finden sich, viel öfter als z.B. zu lyrischen Werken, besonders häufig Gattungswechsel, da sie zahlreiche Gemeinsamkeiten aufweisen, die eine Versetzung erleichtern bzw. überhaupt möglich machen. Dazu zählen die zentrale Funktion des Dialogs, Figuren als Träger der Handlung und eine relativ klar definierte, “realistische” Repräsentation von Raum und Zeit, bei der die Handlung in geregelten Bahnen verläuft. Unterschiede ergeben sich in der nötigen Reduktion der Handlungsorte im Drama, der Anzahl der Figuren und der chronologischen Abfolge der Ereignisse. Beschränkte man einen Roman auf seine Dialogteile, stände er bereits in unmittelbarer Nähe zum Drama. Würde man umgekehrt eine Erzählerfigur in ein Schauspiel einbauen, wie es die Royal Shakespeare Company 1982 in ihrer Aufführung von Peter Pan tat, ist der Text nicht mehr weit vom Roman entfernt, und auch Barrie hatte bereits in seiner Publikation des Schauspieltextes 1928 ausgiebige Regieanweisungen eingefügt, die deutlich über das herkömmliche Maß hinausgehen, indem sie über das Geschehen reflektieren und eigentlich schon die Funktion eines Erzählers übernehmen. Dies steigert natürlich auch die Lesequalität des Schauspiels beträchtlich. Eine Gattungsversetzung bewegt sich immer auf dem schmalen Grat zwischen reiner Reproduktion und völliger Neuschaffung. Im einen Extremfall kann dies z.B. zur puren Übernahme der Dialoge und Erzählstellen als Regieanweisungen führen, im anderen wäre die Sinnerweiterung so groß, dass andere Aspekte der Intertextualität gegenüber der Gattungsversetzung überwiegen. Zumeist wird sich der Text, je nach Autorintention, etwas mehr in die eine oder in beide Richtungen lehnen.

2.2.2. Medienversetzung Betrachten wir die Medienversetzung als eine Spielart der Intertextualität, legen wir einen relativ offenen Begriff von Intertextualität zugrunde, da er nicht auf Texte im Sinne von mit Buchstaben beschriebenem Papier begrenzt ist, sondern auch andere Kunstformen als die Literatur mit einbezieht. Beim Medienwechsel muss - ähnlich wie beim Gattungswechsel - differenziert werden, welche Änderungen medienbedingt und welche fakultativ vorgenommen wurden. Die Forschung widmet sich beiden Phänomenen; bezüglich der Intertextualität ist jedoch letztere von größerem Interesse. Der einzige Weg herauszufinden, welche Unterschiede bewusst bedeutungsvermittelnd eingefügt wurden, besteht darin, alle anderen vom Prätext abweichenden Aspekte zu finden und auszuklammern. Erschwert wird dies durch die Tatsache, dass beide Formen natürlich auch miteinander verbunden sein können. Sicherlich kann der Grad der Intertextualität nichts über die Qualität eines medialen Kunstwerks aussagen. Hochgradig dialogische Posttexte sind nicht “besser” als weniger dialogisch konzipierte. Vorrangig wird die Bewertung eher auf der Konsistenz des -11-

Theoretische Grundlagen: Mediencharakteristika Intratextes basieren und darauf, wie gut das Medium beherrscht wurde. Dies ist gerade auch dann der Fall, wenn - wie bei Kinofilmen nicht unüblich - der Prätext beim Publikum gar nicht bekannt ist. Ebenso wie bei der Gattungsversetzung gibt es auch Medien, die sich strukturell ähnlicher sind und sich daher eher für eine Transformation anbieten. So sind viele Gedichte vertont worden und aus Romanen Dramen für die Bühne entstanden. Der Medienwechsel tritt in letzterem Fall im Grunde erst in der Performanzsituation auf, vorher konstituiert er einen Gattungswechsel. Bei der Inszenierung spielt nicht nur der intertextuelle Dialog mit dem Prätext eine Rolle, sondern kann auch gezielt Elemente früherer Inszenierungen dialogisieren.22 Dies funktioniert nur, wenn dem Publikum die herkömmliche Aufführungspraxis präsent ist und es somit die Abweichungen davon als bedeutungsverändernde Momente erfassen kann. Ob ein intertextueller Bezug wahrgenommen wird, liegt also beim Rezipienten.

2.3. Mediencharakteristika Es erscheint in Anbetracht des zu untersuchenden Stoffes nicht unwichtig darauf hinzuweisen, dass auch rein medial bedingte Disparitäten der Varianten und Adaptionen Peter Pans zu berücksichtigen sein werden. Um sie zu identifizieren, seien an dieser Stelle einige Eigenheiten der drei, für den Kontext dieser Arbeit relevanten, Medien erwähnt. Es handelt sich dabei um 1. Primärmedium Theater (ohne technische Hilfsmittel), 2. Sekundärmedium Buch (Technikeinsatz bei der Produktion) und 3. Tertiärmedium Film (Technikeinsatz bei der Produktion und Rezeption).23

2.3.1. Theater Der Terminus Theater bezeichnet sowohl den architektonischen Raum, in dem eine Vorstellung gegeben wird, als auch die dramatische Textgrundlage und den Ablauf der Handlung des Stückes. Ebenfalls terminologisch ambig verhält sich Schauspiel; einerseits verweist der Begriff auf die Performanzsituation vor einem Publikum, andererseits meint er die szenisch umzusetzende Textvorlage. Überdies grenzt es als Oberbegriff die Gattungen des Sprechtheaters von Oper, Operette und Singspiel ab und dient darüber hinaus als spezifische Gattungsbezeichnung gegenüber der Tragödie und der Komödie.

22. Gerade bei Peter Pan wurden nach dem Motto “Für mich wird Nina Boucicault immer der wahre Peter Pan bleiben” von Theaterkritikern immer wieder die verschiedenen Hauptdarstellerinnen, an deren Interpretation der Rolle sich nachfolgende messen mussten, verglichen. 23. Unterteilung nach Werner Faulstich, ed., Grundwissen Medien, (München: Wilhelm Fink Verlag, 1998) 21.

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Theoretische Grundlagen: Mediencharakteristika Theater erweist sich als kommunikationstheoretischer Sonderfall, da es im Gegensatz zu anderen audio-visuellen Medien eine unmittelbare Mensch-Mensch-Kommunikation darstellt. Schauspieler und Publikum lassen sich auf eine beiderseitige identifikatorische So-tun-als-ob-Haltung ein. Zentral ist dabei die Imagination, da das Theater die Realität nicht simuliert, sondern nur symbolisiert, wobei der Zuschauer ständig mit der Dialektik Realität/Illusion bzw. Spiel/Ernst konfrontiert wird. Nach dem Anfang des 20. Jahrhunderts erfolgten Zusammenbruch eines kohärenten Regelsystems für das Theater, welches bis dahin vom Drama geprägt war, rückte Theatralität und Selbstreflexion bzw. ein Selbstbewusstsein als autonome Kunstpraxis in den Mittelpunkt.24 Dies ist auch Voraussetzung für die Interaktivität mit dem Publikum, wie etwa die Aufforderung Peter Pans an die Zuschauer, durch Klatschen Tinker Bells Leben zu retten.

2.3.2. Buch Im Folgenden soll nicht die Geschichte des Mediums Buch, sollen nicht seine äußerlichen Aspekte betrachtet, sondern eher die dem Buch zur Verfügung stehenden Möglichkeiten beleuchtet werden, eine Geschichte zu erzählen. Das Gesagte bezieht sich damit insbesondere auf den Roman. Das wichtigste Merkmal des Mediums Buch ist seine Beschränktheit auf die rein sprachliche Ebene. Der Leser muss sich alles Beschriebene selbst vorstellen, was als Voroder Nachteil gewertet werden kann. Wäre es beispielsweise in einer Reisebeschreibung vielleicht wünschenswert, eine Landschaft tatsächlich und nicht nur in Worten vor dem Auge des Lesers erscheinen zu lassen, kann dies bei anderen Textsorten, etwa in der Science Fiction, unmöglich sein und die Fantasie des Lesers unnötig einschränken. So Bilder in Büchern überhaupt vorhanden sind, dienen sie zumeist der Illustration, tragen jedoch in der Regel keine zusätzliche Bedeutung. Der Leser erfährt eine sehr starke Lenkung seiner Aufmerksamkeit durch die vom Erzähler eingenommene Perspektive. Er erfährt nie mehr, als ihn der Autor wissen lassen möchte. Das Buch setzt, etwa im Gegensatz zum Theater, der Handlungs- und Personenfülle kaum Grenzen. Während Schauspiel und Film in der Regel in einem gewissen zeitlichen Rahmen vom Zuschauer zu bewältigen sein müssen, unterliegt das Buch kaum einer quantitativen Restriktion; es kann somit einen größeren Detailreichtum als andere Medien bieten. Allerdings ist es dem Leser, anders als dem Publikum in Theater und Kino, möglich, jederzeit den Fortgang der Geschichte zu unterbrechen, indem er das Buch beiseite legt.

24. Vergleiche Walter Uka, “Theater”, Grundwissen Medien, ed. Werner Faulstich (München: Wilhelm Fink Verlag, 1998) 339-366.

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Theoretische Grundlagen: Mediencharakteristika War das Buch bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts das beliebteste Unterhaltungsmedium, ist es heute in dieser Rolle von Film und Fernsehen abgelöst worden.

2.3.3. Film Als audio-visuelles Medium verfügt der Film über die Möglichkeit, Bild, Sprache und Musik einzusetzen und diese für seine Zwecke zu kombinieren. Das Medium Film ist enger mit dem Buch bzw. dem Roman verknüpft, als mit den auf den ersten Blick näher liegenden Medien Foto oder Theater. Roman und Spielfilm erzählen beide lange Geschichten aus der Perspektive eines Erzählers, dessen Position im Film die Kamera einnehmen kann.25 Dabei ist der Zuschauer unabhängiger in seiner Betrachtungsweise als der Leser eines Buches. Ersterer kann seinen Blick über die Leinwand schweifen lassen und dabei immer neue Details entdecken; wenn er es wünscht, kann er sich, statt die Mimik der Schauspieler zu verfolgen, etwa auf die Zimmereinrichtung im Hintergrund konzentrieren. Der Leser dagegen “sieht” stets nur das, was der Erzähler ihm gerade zeigt. Damit ist die Rolle des Erzählers im Film sehr viel schwächer als im Roman. Der kommerzielle Film kann die zeitliche Spanne eines Romans nicht darstellen, denn er findet in Echtzeit statt und wird daher zwangsläufig auf Handlungsdetails verzichten müsen. Der Film ist in starkem Maße vom Zufall abhängig, insofern er das reproduziert, was zum Zeitpunkt der Bildaufnahme vor der Kamera zu sehen war. Abhängig von Schauspielern, Kulisse und anderen Faktoren, wird der endgültige Film nur noch im Groben so sein, wie es der Autor des Drehbuchs erdacht hatte.

25. Vergleiche James Monaco, How to Read a Film, (London: Oxford University Press, 1995) 45ff.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: Vorbemerkungen

3. Varianten des Peter-Pan-Stoffes

3.1. Vorbemerkungen 3.1.1. Biographisches There never was a simpler happier family until the coming of Peter Pan.26

Die Entstehungsgeschichte der Erzählungen um Peter Pan ist unter anderem eng mit der Biographie Barries verknüpft. So kommt man nicht umhin, zumindest kurz auf einige Begebenheiten im Leben des Autors einzugehen, die direkten Einfluss auf die Kreation der Figur Peter Pans genommen haben. Die bis dahin glücklich verlaufene Kindheit des 1860 in Kirriemuir, Schottland geborenen Sohns relativ gut situierter Eltern wurde in Barries sechstem Lebensjahr vom Tod des älteren Bruders David überschattet. David war der ausdrückliche Lieblingssohn der Mutter Margaret Ogilvy27, die sich nie wieder ganz von diesem Schlag erholen sollte. Von diesem Zeitpunkt an versuchte der junge James, um den Kummer seiner Mutter zu lindern und sich selbst bei ihr beliebt zu machen, den verlorenen Sohn zu ersetzen, indem er dessen Kleider trug und ihn in seinem Verhalten imitierte, wo es nur ging. Für seine Mutter, so schrieb Barrie später, blieb David für immer ein Kind, während er selbst altern musste: “I became a man and he was still a boy of thirteen, [...]”28. Neben seiner Vorliebe für Bücher und insbesondere für die so genannten Penny Dreadfuls, einer Reihe billiger Abenteuergeschichten, zeigte sich bereits während Barries Schulzeit in Dumfries seine Affinität zum Theater. Obwohl für ihn früh feststand, dass er Schriftsteller werden wollte, besuchte er auf Wunsch seiner Mutter die Universität in Edinburgh, wo er 1882 seinen M.A. erwarb. Er schrieb zwei Jahre für eine englische Provinzzeitung, bis mehrere seiner Artikel in der Londoner St James’s Gazette veröffentlicht wurden. Kurzerhand zog er in die Hauptstadt, wo er sich innerhalb der nächsten Jahre einen Namen als Journalist machte und bald Beiträge für praktisch alle angesehenen Zeitungen des Landes verfasste. Nebenbei begann er Romane zu schreiben und später Theaterstücke, das erste erfolgreiche davon, Ibsen’s Ghost, 1891.

26. Barrie, PW 5. 27. Nach einem schottischen Brauch führte sie weiterhin ihren Mädchennamen. 28. James M. Barrie, Margaret Ogilvy (London: Hodder and Stoughton, 1925) 15.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: Vorbemerkungen Am Theater lernte er die Schauspielerin Mary Ansell kennen, heiratete sie 1894 und führte bis zur Scheidung 1909 eine für beide Seiten unbefriedigende, kinderlose Ehe.29 Blieben Barrie auch eigene Kinder versagt, schloss er doch nähere Freundschaft mit vielen Kindern seiner Bekannten30 und war ein oft gesehener Spaziergänger in den Kensington Gardens, einem nahe gelegenen Park, wo er eines Tages die Kinder der Familie Llewelyn Davies kennen lernte. Ganze Bücher sind über das Verhältnis Barries zu den Davies-Söhnen George, John (genannt Jack), Peter, Michael und Nico und ihren Einfluss auf Peter Pan geschrieben worden31, und auch hier wird darauf in der gebotenen Kürze einzugehen sein. Als Sylvia Llewelyn Davies, die Mutter der Jungen und Barries engste Freundin, im Jahr 1910 starb - der Vater, Arthur, war bereits 1907 an Krebs gestorben -, adoptierte Barrie die Jungen, die er auch schon vorher finanziell unterstützt hatte.32 Trotz seines Erfolges als Autor zahlreicher Theaterstücke und Romane wurde der zurückgezogen lebende Barrie von seinen Biographen besonders in den letzten Lebensjahren als kränkelnd und unglücklich beschrieben.33 Sir James M. Barrie starb 1937 im Alter von 77 Jahren.

3.1.2. Die Rolle des Autors Nothing that happens after we are twelve matters very much. J.M. Barrie

Dass Peter Pan nicht so sehr als literarische Figur des Autors Barrie bekannt ist, sondern Teil der westeuropäischen Mythenlandschaft geworden ist, hängt unter anderem mit der Rolle zusammen, die sich Barrie selbst innerhalb des Kreationsprozesses zuschrieb. Gerade die Söhne der Familie Llewelyn Davies nehmen dabei eine zentrale Stellung ein. In der Widmung To The Five, die der offiziellen Ausgabe von PP vorangestellt ist, beschreibt Barrie den Entstehungsprozess Peters folgendermaßen: The play of Peter is streaky with you [den Davies-Jungen, Anm. J.B.] still, though none may see this save ourselves. […] I suppose I always knew that I made Peter by rubbing the five of you violently together, as savages with two sticks produce a flame. That is all he is, the spark I got from you. [...] You had played it until you tired of it, and tossed it in the air and gored it and left it derelict in the mud and

29. Gerüchte über Barries angebliche Impotenz waren schon zu seinen Lebzeiten und sind bis heute das Thema zahlreicher Spekulationen von Kritikern und Psychologen. 30. Dazu gehörte z.B. die mit sechs Jahren verstorbene Tochter seines Freundes W.E. Henley, die ihn “my friendy” nannte, aufgrund eines Sprachfehlers aber immer “wendy” zu ihm sagte. Einige Jahre später sollte diese Neuschöpfung zu einem der beliebtesten Mädchennamen im englischen Sprachraum werden. 31. Siehe Birkin, J.M. Barrie and the Lost Boys. 32. Vergleiche Janet Dunbar, J. M. Barrie, The Man Behind the Image (London: Collins, 1970) 193ff. 33. Vergleiche z.B. Denis Mackail, The Story of J.M.B. (London: Davies, 1941).

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: Vorbemerkungen went on your way singing other songs; and then I stole back and sewed some of the gory fragments together with a pen-nib. That is what must have happened, but I cannot remember doing it.34 In TLWB ist David derjenige, für den der Erzähler sich Geschichten ausdenkt und der eindeutig die Rolle der Davies-Brüder repräsentiert. I ought to mention here that the following is our way with a story: First, I tell it to him, and then he tells it to me, the understanding being that it is quite a different story; and then I retell it with his additions, and so we go on until no one could say whether it is more his story or mine.35 Andrew Birkin merkt dazu relativierend an: The boys’ real contribution lay in their unwitting ability to sharpen his own memories and preoccupation with childhood which, when blended with the omnipotence of Margaret Ogilvy, and the particular tragedy of his own being, produced the quintessence of all that lay deepest in his soul.36 Dass Barrie so großen Wert darauf legt, seine Rolle als Autor in den Hintergrund zu stellen und gleichzeitig den Anteil der befreundeten Jungen zu unterstreichen, hat möglicherweise nur bedingt etwas mit der ihm häufig nachgesagten Bescheidenheit zu tun. Der Wunsch, die eigene Kunstfertigkeit zu verbergen und stattdessen die - zu der Zeit hoch im Kurs stehende - intuitive Kreativität und Imaginationsfähigkeit von Kindern zu glorifizieren, findet auch im Programmheft der Uraufführung Peter Pans Ausdruck, welches Ela C. May, das jüngste Mitglied des Ensembles, als Autor nennt; ihr oblag auch die Aufgabe, die übliche Dankesrede des Autors beim letzten Vorhang zu halten.37 Der Vorrang natürlicher Schaffenskraft der Jugend bzw. des Aktes wahrer Schöpfung einer gebärenden Mutter vor der Kunst des Schreibens ist interessanterweise auch Thema in TLWB. Hier schreibt der Erzähler ein Buch über eine kleine Tochter, von dem er glaubt, dass es die weibliche Hauptfigur38 habe schreiben wollen. Diese bekommt aber selbst ein Kind und vergisst darüber ihre Schreibpläne. Am Ende präsentiert er ihr stolz das Buch, in der festen Überzeugung seiner Überlegenheit, muss dann jedoch eingestehen, dass ihr der wirkliche Schaffensakt gelungen ist. “But it is I who have the substance and you who have the shadow, as you know very well,” said she.39

34. 35. 36. 37. 38.

Barrie, PP Vff. James M. Barrie, The Little White Bird (London: Hodder and Stoughton, 1926) 123 f. Birkin, J.M. Barrie and the Lost Boys 103. Es war allerdings Barries Name, der in Großbuchstaben über dem Titel des Stückes stand. Es handelt sich um die Mutter des vom Erzähler umworbenen Jungen David, die - wie Barries Frau - Mary A. heißt. Beide Elternteile sind jedoch eindeutig nach dem Vorbild der Familie Llewelyn Davies geschaffen. 39. Barrie, TLWB 273.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: Vorbemerkungen Barrie war sich bald der Sonderrolle und des Eigenlebens Peter Pans bewusst und nährte das Geheimnis um die Entstehung. In der bereits zitierten Widmung schreibt er über das Originalmanuskript: I have not the original MS. of Peter Pan [...] I know not whether I lost that original MS. or destroyed it or happily gave it away.40 Es sollte sich herausstellen, dass Barrie sehr wohl wusste, dass er das Manuskript an Maude Adams, die erste Besetzung Peters in Amerika, verschenkt hatte, und als dieses nach Jahren wieder auftauchte, er sehr an einem Rückkauf interessiert war.41

3.1.3. The Boy Castaways of Black Lake Island We were the sole survivors of the ill-fated brig Anna Pink. The Boy Castaways, Bild III.

I was the sole survivor of the ill-fated Anna Pink. TLWB 241.

In seiner als Vorwort zu PP fungierenden Widmung erwähnt Barrie ein Buch, das genauere Betrachtung verdient. The strongest evidence that I am the author [of Peter Pan] is to be found, I think, in a now melancholy volume, the aforementioned The Boy Castaways.42

Dieses Buch mit dem vollen Titel The Boy Castaways of Black Lake Island wurde 1901 bei Constable’s in Druck gegeben, enthielt 36 Illustrationen und erfuhr eine Auflage von zwei Exemplaren. Es enthält keinen Text, außer einem Inhaltsverzeichnis mit sechzehn Kapitelüberschriften im Stil der Abenteuerromane der Zeit und einer Legende unter jedem der 36 Fotos, die Barrie während eines gemeinsamen Urlaubs von den ältesten drei Davies-Jungen machte. In diesen Ferien nahmen im Spiel mit den Kindern die Geschichten um Schiffbruch und verlassene Südseeinseln, Piraten und Indianer sowie auch Peter Pan und die fairies weiter Gestalt an. Wie in TLWB beschrieben, zog Barrie nicht selten die Titel von Penny Dreadfuls als Inspiration für neue Abenteuer heran, die er mit den Jungen durchspielte. Hook, der spätere Erzfeind Peter Pans, hat hier einen würdigen Vorgänger in der Figur des Captain Swarthy, dem imaginären Piratenkapitän der Urlaubsspiele, dessen Ende am

40. Barrie, PP IXf. 41. Vergleiche R. D. S. Jack, “The Manuscript of Peter Pan”, Children’s Literature: Annual of The Modern Language Association Division on Children’s Literature 18 (1990): 101-113. 42. Barrie, PP XVI.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: The Little White Bird (1902) Galgen in Form einer lebensgroßen Puppe mit selbstgebastelter Gesichtsmaske und einem alten Mantel Barries auf einem der Fotos festgehalten ist. Während das eine Exemplar “zum Auffrischen der Erinnerung”43 bei Barrie verblieb, schenkte er das andere dem Vater der Jungen, Arthur Llewelyn Davies, der es am nächsten Tag im Zug liegen ließ. Es bedarf nicht der Spekulation von Barries Biographen zu sehen, dass Arthur nicht sonderlich glücklich über die enge Freundschaft Barries zu Sylvia und den Kindern war und die stete Präsenz des Mannes in seinem Haus und selbst noch während der Ferien verständlicherweise als störend empfand. Arthur began to find this state of affairs not much to his liking. He did not care a great deal for the strange little Scotsman, in any case; they had nothing in common.44

3.2. The Little White Bird (1902) 3.2.1. Die Anfänge Um

zu

den

Wurzeln des PeterPan-Stoffes vorzudringen, müssen wir einen Abstecher in die Kensington Gardens des Jahres 1898 machen, wo Barrie, der dort täglich mit seinem Bernhardinerhund Porthos spazieren ging, George, Jack

und

Llewelyn

Peter Davies

ke nnenlernte und bald zu deren Haupt-

Abb. 1: The Child’s Map of Kensington Gardens

attraktion im Park wurde. Er konnte Grimassen schneiden, vielseitige Spiele erfinden und vor allem Geschichten erzählen. Zu Beginn waren das fairy-tales, denen er immer wieder neue, unerwartete Wendungen gab. Dabei nahm er Ideen der Kinder auf, und mit der Zeit wurden die Erzählungen zu langen Folgen von Fortsetzungsgeschichten, in die die Jungen bald selbst Eingang fanden, in die Rolle der Helden schlüpfend und eigenständig Vorschläge und Korrekturen vornehmend. Andere Kinder tauchten manchmal in den 43. Barrie, PP XIX. (“Published to whet your memories.”) 44. Dunbar, J. M. Barrie, The Man Behind the Image 118.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: The Little White Bird (1902) Erzählungen auf, Porthos fast immer und auch Barrie - meist in Schwierigkeiten und nur darauf wartend, von den tapferen Dreien gerettet zu werden. Fairies 45 hatte es schon früher an dieser Stelle Londons gegeben. Das Gedicht Kensington Garden des Dichters Thomas Tickell von 1722 beschreibt das kleine Volk ganz ähnlich wie Barrie es tat. Each walk with robes of various dies bespread Seems from afar a moving tulip bed46 Es gibt keinen Hinweis darauf, ob Barrie das Gedicht kannte, aber dies war auch nicht nötig, um die Kreaturen, die er aus Märchen und Legenden seiner Kindheit in Schottland kennen musste, im nächstgelegenen Park anzusiedeln. Zu den Fairies gesellte sich um 1901 ein weiterer Charakter, der bald ein so selbstverständlicher Teil der Geschichten war, dass sich die Kinder in späteren Jahren nicht mehr erinnern konnten, wie oder wann er begonnen hatte dazuzugehören. Das Maß seiner Bekanntheit ließ keine Fragen mehr nach dem Grund seines Erscheinens oder seines Namens Peter Pan zu. Genauso nimmt Barrie die Existenz der Figur als gegeben hin: If you ask your mother whether she knew about Peter Pan when she was a little girl she will say, “Why, of course, I did, child,” and if you ask her whether he rode on a goat in those days she will say, “What a foolish question to ask, certainly he did.” Then if you ask your grandmother whether she knew about Peter Pan when she was a girl, she also says, “Why, of course, I did, child,” but if you ask her whether he rode on a goat in those days, she says she never heard of his having a goat. Perhaps she has forgotten, just as she sometimes forgets your name and calls you Mildred, which is your mother's name. Still, she could hardly forget such an important thing as the goat. Therefore there was no goat when your grandmother was a little girl. This shows that, in telling the story of Peter Pan, to begin with the goat (as most people do) is as silly as to put on your jacket before your vest.47 Diese Geschichten bilden das Fundament, auf dem das Schauspiel Peter Pan gebaut ist, oder vielmehr eine Quelle, aus der Ideen geschöpft und weiter entwickelt werden konnten. Doch zunächst schrieb Barrie - das Zitat nimmt es bereits vorweg - ein anderes Buch. Viele der Geschichten, die in den 1902 erschienenen Roman The Little White Bird eingingen, hatten ihren Ursprung in den Erzählungen und Erlebnissen der KensingtonGardens-Zeit und würden später in PP wieder aufgegriffen werden. TLWB enthält fünf Kapitel, in denen die Figur Peter Pan auftritt. Diesen soll eine ausführlichere Betrachtung

45. In Ermangelung einer angemessenen deutschen Übersetzung des Konzeptes fairy wird das englische Wort beibehalten. 46. Tickell, Thomas. “Kensington Garden.” The Penn State Archive of Samuel Johnson’s Lives of the Poets. Ed. Kathleen Nulton Kemmerer. 9 April 2000. . 47. Barrie, TLWB 122.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: The Little White Bird (1902) zuteil werden. Einer kurzen Einführung in die allgemeine Handlung der Peter-PanEpisode wird dann eine detailliertere Analyse einzelner Textpassagen folgen. Wie der Handlungsübersicht zu entnehmen sein wird, würde ein Vergleich mit PP oder PW auf rein inhaltlicher Ebene wenig Erkenntnispotenzial bergen. Jedoch ist TLWB nicht nur insofern Teil des Peter-Pan-Stoffes, als eine Figur gleichen Namens darin vorgestellt wird, sondern auch, weil Barrie hier - auch außerhalb der Peter-Pan-Kapitel - Themen präsentiert, die sich durch viele seiner Werke 48 ziehen, aber besonders in PP und PW zentrale Bedeutung annehmen, weshalb auf diese Motive ebenfalls näher einzugehen sein wird.

3.2.2. Synopsis Die Erzählung beginnt damit, dass Peter Pan - gerade sieben Tage alt - aus dem Fenster seines Kinderzimmers zurück in die Kensington Gardens fliegt, wo alle Babys dieses Londoner Stadtteils (zunächst in der Form von Vögeln) herkommen. Dort angekommen, bemerkt er bald, dass die Vögel und fairies, welche ebenfalls den Garten bewohnen, ausnahmslos Angst vor ihm haben und ihn meiden. Um dieses Mysterium zu lösen, fliegt Peter zur Vogelinsel in der Serpentine, wo der alte Solomon Caw wohnt, der ihm erklärt, dass er nun weder Vogel noch Mensch, sondern ein Betwixt-and-Between ist. Von da an verbringt Peter einige Zeit auf der Vogelinsel, da er, seiner menschlichen Form bewusst geworden, nun nicht mehr fliegen kann, bis er schließlich auf einem großen Nest, welches Drosseln für ihn gebaut haben, segelnd das Festland der Kensington Gardens erreicht. Dort vertreibt er sich die Zeit mit Spielsachen, die andere Kinder verloren haben, um deren wirklichen Nutzen er aber nicht weiß. Es folgt eine andere Geschichte, in der Peter Pan keine Rolle spielt, die aber Elemente enthält, die später in den Roman und das Schauspiel eingegangen sind. Maimie, die oft mit ihrem Bruder Tony und ihrem Kindermädchen in den Gärten spielt, bleibt eines Abends heimlich zurück und wartet, bis die Tore verschlossen werden. So wird sie Zeugin, wie in der beginnenden Dunkelheit die Bäume zum Leben erwachen, und auch das kleine Volk, das sich tagsüber größtenteils versteckt hält, hervorkommt, um seinem “Tagewerk” nachzugehen. In dieser Nacht findet ein Ball der fairies statt, bei dem Maimie heimlich zusieht, bis sie entdeckt wird und fliehen muss. Als sie nicht mehr rennen kann und erschöpft einschläft, ist sie bald von den kleinen Wesen gefunden. Auf Betreiben Brownies, einer fairy, der sie zuvor einen Gefallen getan hatte, bauen die kleinen Gestalten ein Haus um Maimie herum, um sie vor dem Erfrieren zu bewahren. Als das Mädchen am nächsten Morgen erwacht, sind die fairies verschwunden, und sie trifft Peter Pan. Wir erfahren, dass Peter zwei Wünsche bei der fairy-Königin frei hat, als Entlohnung für seine Dienste als Flötenspieler bei Tanzveranstaltungen. Er entscheidet sich dafür, zu seinem Elternhaus zurückfliegen zu können, und sein Wunsch wird ihm erfüllt. Wie 48. Vergleiche besonders Barries Sentimental Tommy (1896) und Tommy and Grizel (1900).

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: The Little White Bird (1902) erwartet findet er das Fenster noch immer offen stehen - im Raum sitzt schlafend und wartend seine Mutter. Im letzten Augenblick überlegt Peter es sich jedoch anders; statt zu bleiben, fliegt er zurück in die Gärten, mit dem festen Vorsatz, bald für immer zur Mutter zurückzukehren. Als er nach langer Zeit dann tatsächlich ein zweites Mal nach Hause fliegt, ist das Fenster verschlossen, und er kann durch die Scheiben ein anderes Kind in der Wiege liegen sehen.

3.2.3. Analyse Im Folgenden soll gezeigt werden, wie Barrie Inhalte und Themen einer Erzählung für eine andere aproprisiert und welche Handlungselemente und auch einzelne Requisiten des Peter-Pan-Stoffes bereits in TLWB - teilweise außerhalb der eigentlichen Peter-PanKapitel des Buches - artikuliert wurden. Dazu wird es unumgänglich sein, Passagen aus den anderen Stoffvarianten, PP und PW, vorweg zu nehmen, um sie für den Vergleich heranziehen zu können. Ein gutes Beispiel ist die Rolle des Hundes. Barries erster Hund, der Bernhardiner Porthos, stand Modell für den Hund gleichen Namens in TLWB. Er weist ähnliche Züge wie das Hunde-Kindermädchen Nana im Haushalt der Darlings49 auf. Beide vermitteln den Eindruck, als seien sie Menschen in Hundegestalt - was ja im Falle Nanas zumindest auf der Bühne auch tatsächlich so ist. Sie haben ein Bewusstsein, zeigen Emotionen und scheinen zu verstehen, was die Menschen um sie herum sagen und tun. Überdies werden sie auch von ihren Besitzern als fast gleichwertige Gegenüber behandelt. Die Anthropomorphisierung des Tieres wird in TLWB sogar explizit vollzogen. Porthos wird von den fairies in den Kensington Gardens in einen jungen Mann verwandelt, ist aber in seiner neuen Erscheinungsform nicht glücklich und zieht es nach kurzer Zeit vor, wieder Hundegestalt anzunehmen. Porthos und Nana sind beide recht sensibel und empfindlich gegenüber Strafen aller Art. Now I refrain from raising hand or voice to Porthos because his great heart is nigh to breaking if he so much as suspects that all is not well between him and me, and having struck him once some years ago never can I forget the shudder which passed through him when he saw it was I who had struck, and I shall strike him, ma’am, no more.50 Mr Darling muss die Erfahrung erst noch machen, dass die ungerechtfertigte Bestrafung eines Hundes ernste Folgen haben kann. Porthos ist ein solch vorbildlicher Diener, dass sich die anderen Angestellten mit ihm fotografieren lassen.

49. Die Familie Darling spielt eine zentrale Rolle in PP und PW. 50. Barrie, TLWB 211.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: The Little White Bird (1902) Most of the servants in our street have had the loan of him to be photographed with, and I have but now seen him stalking off for that purpose with a proud little housemaid who is looking up to him as if he were a warrior for whom she had paid a shilling.51 Auch Nana hat Qualitäten, die ihr einen Vorrang vor den gemeinen Dienern und Kindermädchen einräumen. Sie wird allerdings von ihren Kolleginnen weniger positiv aufgenommen als Porthos. she spent most of her spare time peeping into perambulators, and was much hated by careless nursemaids, whom she followed to their homes and complained of to their mistresses.52 Da zur Entstehungszeit PPs der wirkliche Porthos gestorben war, änderte Barrie die Rasse des literarischen Vierbeiners parallel zu der seines neuen Hundes, in einen Neufundländer. Ein anderes Beispiel ist die Behandlung des Flugthemas. Ist das Fliegen in PP integraler Bestandteil der Handlung, können die Charaktere in TLWB, da sie mit Ausnahme Peter Pans reale Personen darstellen, nicht fliegen. Dennoch können wir bei David eine Vorform entdecken, die daher rührt, das er wie alle Kinder früher ein Vogel war. Wie Peter zum Neverland fliegt und dabei Vögeln das Futter aus dem Schnabel stibitzt, scheint auch David Richtung Kensington Gardens zu schweben. When you release David’s hand he is immediately lost like an arrow from the bow. No sooner do you cast eyes on him than you are thinking of birds. It is difficult to believe that he walks to the Kensington Gardens; he always seems to have alighted there: and were I to scatter crumbs I opine he would come and peck.53 Zwei andere Figuren, Josy und Joey, haben wie später Peter die Eigenschaft, so leicht zu sein, dass sie vom kleinsten Windhauch in Bewegung gesetzt werden. Even in the middle of what they were saying they would begin to flutter; it was not so much that they meant to dance as that the slightest thing set them going, such as sitting in a draught; and David found he could blow them about the room like pieces of paper.54

Eine andere Parallele ist die Tatsache, dass niemand stirbt. Zwar wird öfter angedeutet, dass für Peter ein Menschenleben nicht viel zählt, doch wird kein Tötungsakt je explizit beschrieben oder gezeigt.

51. 52. 53. 54.

Barrie, TLWB 209. Barrie, PP 4. Barrie, TLWB 3. Barrie, TLWB 233.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: The Little White Bird (1902) “There’s a pirate asleep in the pampas just beneath us,” Peter told him. “If you like, we’ll go down and kill him.” “I don’t see him,” John said after a long pause. “I do.” “Suppose,” John said, a little huskily, “he were to wake up.” Peter spoke indignantly. “You don’t think I would kill him while he was sleeping! I would wake him first, and then kill him. That’s the way I always do.” “I say! Do you kill many?” “Tons.” John said “How ripping,” but decided to have tea first.55 Selbst als der Erzfeind Hook sein Ende findet, verschwindet er lediglich im Rachen des Krokodils, und die ersten Manuskripte Barries 56 sowie später Walt Disney und Steven Spielberg legen auch diese Szene nicht als tödlich aus. Selbst Tinker Bell kann dank der Hilfe des Publikums gerettet werden und darf am Leben bleiben, obwohl sie vergiftet wurde. Wenn es in TLWB einige Male doch zunächst so aussieht, als sterbe jemand, etwa Mary bei der Geburt Davids, die kranke Frau von William dem Ober oder Porthos als er plötzlich verschwunden ist, immer wendet sich das Schicksal doch noch zum Guten. In den Abenteuergeschichten, die sich der Erzähler für David ausdenkt, spielt das Töten ebenfalls eine gewisse Rolle. There was seldom a Saturday in which David did not kill his man.57 Auch wenn David selbst - wie Peter - teilweise fest an die Wahrheit der Geschichten glaubt, wird doch sehr deutlich gemacht, dass sie dem Bereich der Fantasie angehören. In “Wirklichkeit” ist David eher zart besaitet und weint, als Joey der Clown seinen Terrier während eines Zauberkunststücks in Würste verwandelt. Doch selbst dieser Tod wird zurückgenommen, indem Joey in einem späteren Kapitel den Prozess umkehrt, die Würste durch einen Fleischwolf dreht und am anderen Ende wieder der vollständige Hund erscheint. Das Gebell des Hundes bleibt dabei als einzelne Wurst bestehen. Dies führt uns - übertragen wir das Bellen des Hundes auf den Menschen - zu einer weiteren Eigenheit, die TLWB und die anderen Peter-Pan-Varianten gemein haben. Das Lächeln wird metaphorisch zum Objekt. In TLWB berichtet der Erzähler, dass er sein Lächeln verloren hat und hofft, seine große Liebe, die in der Geschichte im Hintergrund bleibt, die aber Auslöser für seine Philanthrophie ist, habe es mit sich fortgenommen. I feel lost to-night without my smiles. I rose a moment ago to look for it in my mirror. I like to believe that she has it now.58 Diese Frau ist Mrs. Darling offensichtlich sehr ähnlich.

55. 56. 57. 58.

Barrie, PW 54. Vergleiche Jack, The Manuscript of Peter Pan. Barrie, TLWB 245f. Barrie, TLWB 77f.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: The Little White Bird (1902) Nothing could have been more fair, for she was for the first comer who could hit the target, which was her heart. [...] I see her, but it is as a light among distant trees, and the middle-aged man can draw no nearer; she was only for the boys.59 Genau wie bei Mrs. Darling kann derjenige ihre Liebe erringen, der zuerst kommt. Im Falle der Figur des Erzählers in TLWB ist es allerdings nicht die Schnelligkeit Mr. Darlings, der im Gegensatz zu seinen Mitbewerbern eine Droschke nimmt, sondern die Gabe, als erster die Frau hinter dem Schein zu erkennen und ihr wahres Ich zu durchleuchten. Auch Mrs. Darling hat einen Kuss im rechten Mundwinkel, der als greifbares Objekt beschrieben wird, das niemand erreichen kann, so sehr Mr. Darling und Wendy sich auch bemühen. Er ist allein für Peter, den ewigen Jungen. He took Mrs. Darling’s kiss with him. The kiss that had been for no one else, Peter took quite easily.60 Das Phänomen, dass ein Lachen als Objekt betrachtet wird, findet sich in TLWB nochmals bei dem bereits erwähnten Clown Joey, der David um jeden Preis zum Lachen bringen will. By this time Joey was in a frightful wax (because he saw he was getting the worst of it); and he boasted that he had David’s laugh in his pocket, and David challenged him to produce it, and Joey searched his pockets and brought out the most unexpected articles, including a duck and a bunch of carrots; [...]61 Es scheint auch so, dass das Lächeln bzw. Lachen eine besondere Eigenschaft der Jugend ist und mit verlorener Unschuld dahin geht. Could that laugh of his have survived a dishonour? The open forehead, the curly locks, the pleasant smile, the hundred ingratiating ways which we carry with us out of childhood, they may all remain when the innocence has fled, but surely the laugh of the morning of life must go. I have never known the devil retain his grip on that.62 Der Verlust der Unschuld und die Erfahrung der Unehre geht für Barrie von Erwachsenen aus, und kein Kind kann diesen Moment je wieder vergessen. Er markiert das Ende der Kindheit und repräsentiert vielleicht Barries eigenes Trauma, von der Mutter wegen des geliebteren toten Bruders David vernachlässigt worden zu sein.63 Auch in PW wird dieses Thema wieder aufgegriffen.

59. 60. 61. 62. 63.

Barrie, TLWB 78,80. Barrie, PW 176. Barrie, TLWB 230. Barrie, TLWB 53f. Siehe Vorbemerkungen des Kapitels Varianten des Peter-Pan-Stoffes in dieser Arbeit.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: The Little White Bird (1902) Every child is affected thus the first time he is treated unfairly. All he thinks he has a right to when he comes to you to be yours is fairness. After you have been unfair to him he will love you again, but will never afterwards be quite the same boy. No one ever gets over the first unfairness; no one except Peter.64 Von einer andere Kindheitserfahrung, die in TLWB und später in PP verarbeitet ist, rührt wohl das Bild der kindlichen Mutter her. Da die trauernde Margaret Ogilvy, die selbst bereits mit acht Jahren nach dem Tod ihrer Mutter den Haushalt zu führen begann, zeitweise in völlige Lethargie verfiel, musste James Barries Schwester Jane Ann einen großen Teil der Mutterrolle übernehmen. Obwohl zumindest die Mutter der zehnjährigen Irene in TLWB - wie bereits erwähnt - trotz schwerer Krankheit nicht stirbt, übernimmt das Mädchen dennoch bald als Kinderfräulein den Part der Mutter. Sie ist damit auch das Vorbild für Liza in PP, die in der Londoner Originalproduktion von einem Kind gespielt wurde und ursprünglich eine größere Rolle mit mehr Sprechtext hatte. Außerdem hat sie, da sie ein Kind ist, ebenfalls Zugang zum Neverland. In den Regieanweisungen wird sie folgendermaßen charakterisiert: There is only one maid, absurdly small too,65 she has so few pleasures and is so young that we just let her have a peep at the little house.66 In PW kann dagegen als einzig verbliebene Spur von Lizas Kindheit eine einzige, nicht ganz eindeutige Feststellung interpretiert werden. Such a midget she looked in her long skirt and maid’s cap, though she had sworn, when engaged, that she would never see ten again.67 Ob sie nun wirklich älter ist oder bereits im Alter von zehn Jahren eingestellt wurde, ist nicht zu sagen; im Roman erscheint sie jedenfalls nirgends explizit als Kind. Irene hat natürlich auch ein Gegenüber in Wendy als Kind-Mutter der Lost Boys. Wie Wendy den Lost Boys vom richtigen Leben berichtet, erzählt Irene Kindern in den Kensington Gardens, wie sich kleine Ladies und Gentlemen verhalten. Auch in ihrem Repertoire gehört das Märchen von Cinderella zu den beliebtesten. Für den Oberpiraten James Hook lässt sich ebenfalls ein Vorgänger in TLWB dingfest machen, wenn auch seine Entstehungsgeschichte insgesamt weit komplexer ist. Hier ist es Pilkington, der Schulmeister, dessen Schatten unheilvoll über dem Park liegt.

64. 65. 66. 67.

Barrie, PW 97. Barrie, PP 23. Barrie, PP 71. Barrie, PW 5.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: The Little White Bird (1902) Abhorred shade! I know not what manner of man thou art in the flesh, sir, but figure thee bearded and blackavised, and of a lean, tortuous habit of body, that moves ever with a swish. […] ’Tis fear of thee and thy gown and thy cane, which are part of thee, that makes the fairies to hide by day;68 Tatsächlich gab es in der Nähe der Gärten eine Schule, namens Wilkinson’s, die bereits in The Boy Castaways als letzte Kapitelüberschrift für das Ende der Abenteuer steht. Pilkington, der statt einem Haken einen Rohrstock trägt, ist das personifizierte Ende der Kindheit. Im Alter von acht Jahren werden aus den Jungen, mit denen der Erzähler in den Kensington Gardens gespielt hat, plötzlich kleine Erwachsene, die gern zur Schule gehen möchten und stolz darauf sind, richtige Knickerbocker-Hosen tragen zu dürfen. He [Pilkington, Anm. J.B.] may be conceived as one who, baiting his hook with real knickerbockers, fishes all day in the Gardens, which are to him but a pool swarming with small fry.69 Die Beschreibung Pilkingtons findet sich in frühen Fassungen von PP wieder, in denen diese Rolle von Hook übernommen wird, nachdem er aus dem Rachen des Krokodils entkommen ist und Peter als Schulmeister in England auflauert. That’s why I’m a schoolmaster - to revenge myself on boys!70 In späteren Versionen wird Hook nicht mehr zum Schulmeister, doch scheinen für Barrie Schulwesen und Piraterie auch weiterhin eng miteinander verbunden zu sein, vielleicht weil ihn die Schule immer wieder seiner kindlichen Spielgefährten beraubt. Gentleman Starkey, einer aus Hooks Mannschaft, war “once an usher in a public school” und ist “still dainty in his ways of killing”71. In PW entstammt Hook immerhin noch einer angesehenen Schule. [...] those who read between the lines must already have guessed, he had been at a famous public school; and its traditions still clung to him like garments, with which indeed they are largely concerned. Thus it was offensive to him even now to board a ship in the same dress in which he grappled her, and he still adhered in his walk to the school’s distinguished slouch.72 In PP verrät Hook im Moment seines selbstgewählten Todes, dass er eine Erziehung in Eton genossen hat, wo übrigens auch die älteren Davies-Jungen zur Schule gingen, nachdem sie Wilkinson’s durchlaufen hatten.

68. 69. 70. 71. 72.

Barrie, TLWB 237f. Barrie, TLWB 237 Aus einem frühen Manuskript Barries. Zitiert nach Jack, The Manuskript of Peter Pan 104. Barrie, PW 54. Barrie, PW 141f.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: The Little White Bird (1902) That not wholly unheroic figure climbs the bulkwarks murmuring “Floreat Etona,” and prostrates himself into the water, where the crocodile is waiting for him open-mouthed.73 Hook verabscheut Kinder, weil sie so unbesorgt und leichtlebig sind. Besonders Peter, die Inkarnation der Jugend und Unschuld, lässt ihn verzweifeln. In PP wählt er als gebrochener Mann den Freitod, in PW ärgert er sich nur über alle Maßen. The truth is that there was a something about Peter which goaded the pirate captain to frenzy. It was not his courage, it was not his engaging appearance, it was not --. There is no beating about the bush, for we know quite well what it was, and have got to tell. It was Peter’s cockiness. This had got on Hook’s nerves; it made his iron claw twitch, and at night it disturbed him like an insect. While Peter lived, the tortured man felt that he was a lion in a cage into which a sparrow had come.74 Ähnliche Gefühle wecken Mary und ihr zukünftiger Ehemann im Erzähler des TLWB. […] they have a ring of youth about them that is hard to bear. I could forgive him everything save his youth, but it is so aggressive that I have sometimes to order William testily to close the window.75 Dies ist die eine Seite der zentralen Ambivalenz Peter Pans. Es ist schwer für Erwachsene, mit der optimistischen Leichtfertigkeit und der ungetrübten Freude der Jugend umzugehen. Kinder - und Peter Pan mehr noch als alle anderen - sind “gay and inno cent a nd he artle ss” 7 6 , und di ese r letzte Aspekt, die He rzlo sigke it und Gedankenlosigkeit, macht den Erwachsenen zu schaffen. Das bekommt der Erzähler in TLWB ebenso zu spüren wie Mrs. Darling in PW, die auf ihre Kinder wartet, während diese sich im Neverland vergnügen. Sogar Wendy selbst fällt auf, wie gleichgültig und verantwortungslos Peter ist. In TLWB ist es David, von dem diese Herzlosigkeit ausgeht, die keinen Gedanken an andere Personen neben sich selbst zulässt. David, who when he has sent me to hide from him behind a tree sometimes comes not in search, and on emerging tamely from my concealment I find him playing other games entirely forgetful of my existence.77 Strange that a little boy can give so much pain.78

73. 74. 75. 76. 77.

Barrie, PP 143. Barrie, PW 127. Barrie, TLWB 13. Barrie, PW 185. Barrie, TLWB 206. Vergleiche dazu auch die selbe Angewohnheit bei Peter: “the sport that engrossed him one moment would suddenly cease to engage him” (Barrie, PW 40.) 78. Barrie, TLWB 248.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: The Little White Bird (1902) Hier, gegen Ende des TLWB, als David dem Erzähler fröhlich mitteilt, dass er bald nach Pilkington’s gehen und nicht mehr mit ihm im Park spielen wird, bringt Barrie eins der großen Probleme Peter Pans auf den Punkt. Strange that a little boy can give so much pleasure.79 Vorrecht der Kindheit ist es, in einem Moment Freude und im nächsten Schmerz zu bereiten, und dies völlig unbewusst und ohne darüber zu reflektieren. Dies ist ja auch für Hook “the very pinnacle of good form”80. Man könnte sogar sagen, dass dieses grenzenlose unbewusste Selbstsicherheit, wenn es so etwas geben kann, ohne Rücksicht auf die Gefühle oder Anerkennung der Taten anderer, gerade das ist, was Barrie an Kindern fasziniert. It is humiliating to have to confess that this conceit of Peter was one of his most fascinating qualities.81 Neben den zahlreichen Kindern können wohl Mütter als die unbestrittenen H a u p t p e r s o n e n d e s Pe t e r- P a n - S t o f f e s g e l t e n . H i e r t r i t t e i n i n t e r e s s a n t e r Perspektivenwechsel zwischen TLWB und PP bzw. PW ein. So ist die Mutter in TLWB eher Antagonistin des Erzählers, Zielscheibe für Spott und Kritik und dem Sohn deutlich untergeordnet. Dies wird beispielsweise in einer Szene deutlich, die sich fast ebenso aber unter anderen Vorzeichen - in PW wiederfindet. Heaven help all mothers if they be not really dears, for their boy will certainly know it in that strange short hour of the day when every mother stands revealed before her little son. That dread hour ticks between six and seven; when children go to bed later the revelation has ceased to come. He is lapt in for the night now and lies quietly there, madam, with great, mysterious eyes fixed upon his mother. He is summing up your day. Nothing in the revelations that kept you together and yet apart in play time can save you now; you two are of no age, no experience of life separates you; it is the boy’s hour, and you have come up for judgment. “Have I done well to-day, my son?” You have got to say it, and nothing may you hide from him; he knows all. How like your voice has grown to his, but more tremulous, and both so solemn, so unlike the voice of either of you by day.82 Hier muss die Mutter dem Sohn Rechenschaft ablegen, ob sie sich den Tag über gerecht und gut verhalten hat. In PW verschiebt sich der Ausgangspunkt dieses allabendlichen Verhörs, und Mrs. Darling geht die Gedanken ihrer Kinder durch, um diese aufzuräumen und die schönsten und reinsten nach oben zu kehren.

79. 80. 81. 82.

Barrie, TLWB 248. Barrie, PW 158. Barrie, PW 27. Barrie, TLWB 4f.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: The Little White Bird (1902) It is the nightly custom of every good mother after her children are asleep to rummage in their minds and put things straight for next morning, repacking into their proper places the many articles that have wandered during the day.83 Der Zeitpunkt des Zubettgehens wird von Barrie des öfteren thematisiert: allein in TLWB außer an der bereits genannten Stelle noch zweimal und ebenfalls in PP, wo es zu den Mutter-Kind-Spielen im Neverland gehört, dass Wendy die Lost Boys zu Bett bringt. Dies ist wohl auch deshalb ein so reizvolles Thema, weil dies die Grenze zwischen Wachen und Schlafen und damit zwischen realer Welt und dem Neverland, den Träumen und Fantasien ist. Verbunden damit sind aber auch Ängste, die tagsüber vergessen sind, im Dunkel des nächtlichen Schlafzimmers aber hervorbrechen. “When are you coming to bed?” he always replied, very brave but in a whisper, as if he feared the bears and wolves might have him. When little boys are in bed there is nothing between them and bears and wolves but the night-light.84 In PPKG, den Peter-Pan-Kapiteln in TLWB, wird dies ebenfalls aufgegriffen. Maimie, die während des Tage ehrfürchtig zu ihrem älteren Bruder Tony aufsieht, nimmt zur Bettgehzeit merkwürdige Züge an. Sie beschwört in ihrer Fantasie allabendlich - zum andauernden Schrecken Tonys - Monster herauf, die zum Bett des Jungen kommen, um ihn aufzufressen, bis Tony voller Angst zu den Eltern flüchtet.85 Weitere Kleinigkeiten scheint Barrie in PP übernommen zu haben, einfach weil ihm die Ideen so gut gefielen. Dazu gehört das auffällig häufig verwendete Schimpfwort “cowardy custard”. Das erste Mal tritt es im gedruckten Programmheft für The Greedy Dwarf: a moral tale auf, einer Pantomime Barries, die ihre erste und letzte Aufführung am 7. Januar 1901 im Wohnzimmer der Llewelyn Davieses vor der Familie und mehreren befreundeten Kindern hatte. Das Ensemble dieser Nachmittagsvorstellung umfasst solch illustre Namen wie Sylvia als Prince Robin, Barries Hund Porthos als Chang the dog, Miss Mary Contrairy (eigentlich Barries Frau, Mary Ansell) als Brownie und Barrie selbst als Cowardy Custard.86

83. Barrie, PW 5. 84. Barrie, TLWB 202. 85. Die amerikanische Rockband Metallica verarbeitete diese Erfahrung in dem Lied Enter Sandman, das im Refrain den deutlichen Verweis auf das Neverland trägt. Hush little baby, Don’t say a word And never mind that noise you heard It’s just the beasts under your bed In your closet, In your head Exit: Light, Enter: Night Grain of sand Exit: Light, Enter: Night Take my hand We’re off to Never Never Land (Metallica. “Enter Sandman.” Metallica. WEA/Elektra Entertainment, 1991.) 86. Eine Beschreibung des Stückes findet sich in Birkin, J.M. Barrie and the Lost Boys 79.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: The Little White Bird (1902) In TLWB verwendet David “Cowardy, cowardy custard!”87 für die Schafe, die in den Gardens vor dem Scherer fliehen. In PP ist es zunächst Mrs. Darling, die von Mr. Darling als “Cowardy, cowardy custard.”88 bezeichnet wird und später Mr. Darling selbst, den Michael mit “Father’s a cowardy custard.”89 beschimpft, als dieser seine Medizin nicht schluckt. In PW sind es dann schließlich nur noch Michael und Mr. Darling, die sich gegenseitig beschuldigen, ein “cowardly custard”90 zu sein, das nun mit l geschrieben wird. Auch die Verabreichung von Medizin bzw. der Abscheu davor ist als Requisite des Stoffes erkennbar. Schon in TLWB findet sich die Verbindung von Hund und Medizin, die später in PP dazu dienen wird, Mr. Darling vor dem Publikum zu diskreditieren. Also there is the taking of medicine. For at production of the vial all gaiety suddenly departs from Porthos and he looks the other way, but if I say I have forgotten to have the vial refilled he skips joyfully, yet thinks he still has a right to a chocolate, and when I remarked disparagingly on this to David he looked so shy that there was revealed to me a picture of a certain lady treating him for youthful maladies.91 Schließlich ist es auch Peters von Wendy verabreichte Medizin, die ihn dank Hooks Giftlist, beinahe das Leben kostet. Der Vollständigkeit halber sollen noch zwei weitere Teile des PP-Bühneninventars genannt werden, die in Vorformen bereits in TLWB formuliert wurden. Es sind die Gegenstände, die Peter und Wendy auf Marooners’ Rock das Leben retten, bzw. ihre Flucht von dort ermöglichen. Sowohl der Papierdrachen, mit dem Wendy entkommt, und auch das Vogelnest sind beides Vehikel, auf denen Peter Pan in TLWB von der Vogelinsel ans Festland zu gelangen sucht. In TLWB ist dies ein Nest, das eine Schar von Drosseln für ihn anfertigt, in PP ist es das Nest des Never Birds.

3.2.4. Herkunft Peter Pans Die wichtigste Parallele ist natürlich die Herkunft Peter Pans. Es stellt sich die Frage, ob PPKG als eine Art Vorgeschichte zu PW gelten kann, oder ob die Kensington-GardensGeschichten lediglich Rohmaterial für das spätere Meisterwerk boten. Das Verhältnis der beiden Erzählungen ist ähnlich dem des Hobbit J.R.R. Tolkiens zu The Lord of the Rings. Der Hobbit wie auch PPKG sind in sich geschlossene Geschichten - geschrieben zunächst ohne die Intention, Handlung und Charaktere in anderen Büchern weiter zu entwickeln. Die Bedeutung der Figuren und auch die Vorstellung, die sich der Leser aufgrund ihrer Beschreibung macht, variiert teilweise in großem Maß. Für das spätere Hauptwerk ist die 87. 88. 89. 90. 91.

Barrie, TLWB 118. Barrie, PP 17. Barrie, PP 20. Barrie, PW 19. Barrie, TLWB 210f.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: The Little White Bird (1902) Kenntnis der jeweiligen Vorgeschichte nicht unbedingt nötig, doch referieren die Texte stellenweise auf diese und verleihen ihnen so nachträglich größere Bedeutung. Im Falle Peter Pans ist die Handlung in den Kensington Gardens chronologisch vor der Zeit im Neverland angesiedelt, berichtet von den ersten Erlebnissen Peters und erklärt seinen merkwürdigen Zwischenstatus zwischen Mensch und fairy. In TLWB ist Peter Pan eindeutig noch ein Säugling, während er in PP und PW zumindest äußerlich etwa in Wendys Alter zu sein scheint. “[…] I am quite young.” He really knew nothing about it, he had merely suspicions, but he said at a venture, “Wendy, I ran away the day I was born. […] It was because I heard father and mother,” he explained in a low voice, “talking about what I was to be when I became a man.” He was extraordinarily agitated now. “I don’t want ever to be a man,” he said with passion. “I want always to be a little boy and to have fun. So I ran away to Kensington Gardens and lived a long long time among the fairies.”92 Hier ist ein deutlicher Bezug auf die Zeit vor dem Aufenthalt im Neverland und auf die in TLWB beschriebene Periode in Peters Leben. Barrie versucht offensichtlich, mit diesem Kunstgriff des Rückverweisens im Nachhinein eine Verbindung zwischen den beiden Hauptkonstituenten des Pan-Stoffes zu schaffen, die in dieser Form anfangs vermutlich nicht vorgesehen war. Dies funktioniert oberflächlich in Teilen recht gut, weist aber für den Kenner beider Erzählungen auch unübersehbare Schwächen auf. So lesen wir in TLWB über Peters Alter: he is really always the same age, so that does not matter in the least. His age is one week, and though he was born so long ago he has never had a birthday, nor is there the slightest chance of his ever having one. The reason is that he escaped from being a human when he was seven days old;93 Wie kann es aber sein, dass aus Peter dem Baby in TLWB, Peter der Junge in PW wird, wenn er doch nicht altert? Ansonsten ist er in vielen Dingen seinem früheren Ich gleich. Seine Unwissenheit darüber, wie normale Jungen sich verhalten, wie sie leben und was sie spielen, seine Gedankenlosigkeit und seine Zuneigung zu Mädchen seines Alters verleihen dem Charakter Peter Pan Stabilität und Integrität über die Grenzen eines Buches hinweg. Mit David teilt er zunächst sein grenzenloses Vertrauen in die endlose Liebe und Geduld seiner Mutter. David admires her prodigiously; he thinks her so good that she will be able to get him into heaven, however naughty he is. Otherwise he would trespass less lightheartedly.94

92. Barrie, PW 28. 93. Barrie, TLWB 122f. 94. Barrie, TLWB 4.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: The Little White Bird (1902) Doch Peter muss erfahren, dass er sich getäuscht hat. Als er zu seiner Mutter zurückkehren will, ist das Fenster verschlossen und er von seiner Familie und dem Leben eines normalen Jungen für immer ausgeschlossen. But the window was closed, and there were iron bars on it, and peering inside he saw his mother sleeping peacefully with her arm round another little boy. Peter called, “Mother! mother!” but she heard him not; in vain he beat his little limbs against the iron bars. He had to fly back, sobbing, to the Gardens, and he never saw his dear again. What a glorious boy he had meant to be to her. Ah, Peter, we who have made the great mistake, how differently we should all act at the second chance. But Solomon was right; there is no second chance, not for most of us. When we reach the window it is Lock-out Time. The iron bars are up for life.95 In PW erinnert sich Peter dieser traumatischen Erfahrung und klärt Wendy und ihre Brüder, die sich bisher der Liebe ihrer Mutter gewiss waren, darüber auf, wie Mütter seines Wissens wirklich sind. “Long ago,” he said, “I thought like you that my mother would always keep the window open for me, so I stayed away for moons and moons and moons, and then flew back; but the window was barred, for mother had forgotten all about me, and there was another little boy sleeping in my bed.”96 Auch hier lässt sich also die Illusion aufrechterhalten, es handele sich bei TLWB um eine Vorgeschichte zu PW. In PW ist allerdings keine Rede mehr davon, dass ursprünglich einmal alle Kinder von Vögeln abstammten und fliegen konnten, wie es in LTWB berichtet wird. David knows that all children in our part of London were once birds in the Kensington Gardens; and that the reason there are bars on nursery windows and a tall fender by the fire is because very little people sometimes forget that they have no longer wings, and try to fly away through the window or up the chimney.97 Nun ist es ausschließlich Peter, dem es gelingen kann fortzufliegen. Gleich geblieben - ja, wortwörtlich übernommen - ist dafür die Geburt der fairies. When the first baby laughed for the first time, his laugh broke into a million pieces, and they all went skipping about. That was the beginning of fairies.98 You see, Wendy, when the first baby laughed for the first time, its laugh broke into a thousand pieces, and they all went skipping about, and that was the beginning of fairies.99

95. 96. 97. 98. 99.

Barrie, TLWB 162f. Barrie, PW 116f. Barrie, TLWB 18. Barrie, TLWB 151. Barrie, PW 29.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: The Little White Bird (1902) Sind die Kensington Gardens des Nachts voller Mitglieder des kleinen Volkes, kann man wohl davon ausgehen, dass auch das Neverland von ihnen in großer Zahl bewohnt wird. Tinker Bell ist aber die einzige, die der Leser jemals zu Gesicht bekommt. Dies mag daran liegen, dass Tink in einer früheren Fassung des Stücks als letzte Überlebende der fairies eingeführt wurde (weil kaum noch ein Kind an sie glaubt), aber auch daran, dass es 1904 kein kleines Problem gewesen sein wird, auch nur eine einzige dieser leuchtenden, sich blitzschnell bewegenden Kreaturen halbwegs glaubhaft auf die Bühne zu zaubern.

3.2.5. Peter Pan in Kensington Gardens Zwei Jahre nach Uraufführung des Schauspiels scheint der Name Peter Pan bereits einen gewissen Marktwert besessen zu haben, denn 1906 wurden die Kapitel 14 bis 17 von TLWB in geänderter Reihenfolge als Kinderbuch gekennzeichnet und ohne ihren ursprünglichen Kontext unter dem Namen Peter Pan in Kensington Gardens, nun mit Illustrationen von fairy-Spezialist Arthur Rackham neu herausgegeben. Dabei verzichtete man auf das Kapitel 18, Peter’s Goat, was besonders im Hinblick auf den somit sinnlos gewordenen Anfang des Kapitels 14 nicht nachvollziehbar erscheint.100 Eine Überlegung mag gewesen sein, aus Rücksicht auf diejenigen Leser, die Peter Pan bereits von der Bühne her kannten, sich nicht noch weiter vom “richtigen” Bild der Peter-Pan-Figur zu entfernen und lieber die Ziege101 zu unterschlagen, auf der Peter seit dieser Zeit reitet. Eine andere, vielleicht einleuchtendere scheint zu sein, dass in diesem Kapitel bereits fast eine komplette Szene PPs vorweggenommen ist. In TLWB ist es Maimie, die Peter anstelle Wendys einen Fingerhut überreicht. She said, out of pity for him, “I shall give you a kiss if you like,” but though he once knew he had long forgotten what kisses are, and he replied, “Thank you,” and held out his hand, thinking she had offered to put something into it. This was a great shock to her, but she felt she could not explain without shaming him, so with charming delicacy she gave Peter a thimble which happened to be in her pocket, and pretended that it was a kiss.102 Und genau wie Wendy zeigt sie ihm später, was ein Kuss wirklich ist. Auch die gesamte Hausbauszene, in der die Lost Boys ein kleines Haus um die durch Tootles’ Pfeil 100. Die Textstelle (Barrie, TLWB 122.) ist weiter oben bereits zitiert. Auf Peters Ziege wird erst in Kapitel 18 eingegangen; es findet sich keine weitere Erwähnung in PPKG. 101. “Greek chroniclers associate the Mendesian [ägyptischer Fruchtbarkeitskult, Anm. J.B.] goat with Pan.” Der griechische Hirtengott Pan (lat. Faunus), Sohn des Hermes und der Tochter des Hirten Dryops, wird traditionell behaart und mit den Beinen und Hörnern einer Ziege dargestellt. Offensichtlich hat Barries Pan nicht viel mit dem hochgradig sexuell konnotierten, wilden Pan der griechischen Sage gemein, außer dass auch er auf der nach ihm benannten Flöte spielt. In der christlichen Ikonographie des Mittelalters werden Hexen häufig auf Ziegenböcken, welche den Teufel repräsentieren, reitend bzw. fliegend abgebildet. Vergleiche Hans Biedermann, The Wordsworth Dictionary of Symbolism, (Ware: Wordsworth Editions Ltd., 1992) 153, 252f. 102. Barrie, TLWB 187 f.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, or the Boy Who Wouldn’t Grow Up (1904) verwundete Wendy errichten, hat bis in Details große Ähnlichkeit mit einer Stelle in TLWB, in der fairies ein Haus bauen, um Maimie vor dem Erfrieren zu retten. Warum dieses Kapitel, The Little House, nicht auch aus PPKG gestrichen wurde, bleibt ebenfalls unverständlich, zumal Peter darin überhaupt nicht vorkommt. Vielleicht wären die PeterPan-Kapitel allein rein quantitativ nicht genug Text gewesen, um eine Neupublikation zu rechtfertigen.

3.3. Peter Pan, or the Boy Who Wouldn’t Grow Up (1904) The difference between a fairy play and a realistic one is that in the former all the characters are really children with a child’s outlook on life. This applies to the socalled adults of the story as well as to the young people. Pull the beard off the fairy king, and you would find the face of a child. The actors in a fairy play should feel that it is written by a child in deadly earnestness and that they are children playing it in the same spirit. The scenic artist is another child in league with them.103

Das Material, das Barrie während des Urlaubs mit den Davies-Jungen am Black Lake gesammelt hatte, war noch lange nicht erschöpft. Einige fairy-Elemente und die Idee der Schiffbruch-Insel (auf einige wenige Seiten gedrängt) waren in die wichtigsten TLWBKapitel eingegangen, die Piraten jedoch außer in The Boy Castaways noch nirgends verarbeitet. Wieder waren die Davies-Brüder zumindest mitverantwortlich für den nächsten Schritt, den Barrie mit dem Material unternahm. Weihnachten 1901/1902 besuchte Barrie mit ihnen Seymour Hicks’ “musical dream play” Bluebell in Fairyland, welches der Tradition der Pantomime stark verbunden war.

3.3.1. Pantomime Auch PP hat äußerlich in vielen Elementen seinen Ursprung in der englischen Harlekinade und Pantomime des 18. und 19. Jahrhunderts. Hauptsächlich zur Belustigung von Kindern gedacht, ist die Handlung der Pantomime in einem Gemisch verschiedener Fantasieorte lokalisiert. In Peter Pan sind das etwa die Lagune der Meerjungfrauen, der Wald mit seinen wilden Tieren und Indianern, sowie Hooks Piratenschiff Jolly Roger. Das Stück beinhaltet Lieder, Musik, den Kinderchor der Lost Boys und in den ersten Versionen des Skripts sogar die traditionelle Harlekinade. Alle konventionellen Pantomimecharaktere sind enthalten: Peter Pan ist der Principal Boy (gespielt von einer Schauspielerin in Strumpfhosen - jung, gewitzt, mutig und ein wenig

103. Barrie, A NOTE On the Acting of a Fairy Play. Zitiert nach Bruce K. Hanson, The Peter Pan Chronicles (New York: Birch Lane Press, 1993) 186.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, or the Boy Who Wouldn’t Grow Up (1904) prahlerisch), Wendy das Principal Girl voller Unschuld und weiblichem Charme und Kapitän Hook der Demon King. In Tinker Bell ist die gute Fee präsent, und die komische Rolle der Great Dame wird von der Hündin Nana verkörpert, die - wie es die Tradition vorsieht - von einem Mann gespielt wird. Sogar der von den Mystery- und Morality Plays geerbte Brauch, die Bösen von links und die Guten von rechts die Bühne betreten zu lassen, wird in PP gewahrt.104

3.3.2. Entstehung Die Begeisterung der Jungen über Bluebell und wohl auch die erstaunliche Profitabilität eines Kinderstücks waren, so geht aus Barries Notizbüchern hervor, Grund genug für ihn, selbst eine Art Pantomime zu schreiben. Dabei war Bluebell in Fairyland bereits ein erster Schritt weg von der traditionellen Pantomime und hin zur Repräsentation wirklicher Kinder und deren wirklicher Fantasien. 1902 notierte Barrie: Fairy Play What children like best is imagination of real boys and girls (not so much comic incidents).105 Weitere Notizen im Oktober 1902 zeigen, dass die Ideen für PP langsam Gestalt annahmen. The mother treated from the child’s point of view. - Peter: “Mother, how did we get to know you?” - Play: “The Happy Boy”: Boy who couldn’t grow up - runs away from pain and death - is caught wild - (end escapes) - Name, Moira Carrew.106 Im Laufe des folgenden Jahres muss Barrie dann die Idee gehabt haben, diese HappyBoy-Fragmente mit Peter Pan aus TLWB zu verbinden, das Spiel in den Kensington G a r d e ns a n e i n e n a b e nt e u e r li ch e r e n, d e n Fa nt a s i e n e i n e s k le i n e n Ju ng e n angemesseneren Ort zu verlagern - einen Ort, der dem imaginierten Südseeambiente der Ferien am Black Lake ähnelte. Zu diesem Zeitpunkt wird die Handlung in groben Umrissen im Kopf des Autors bestanden haben, angereichert mit Bruchstücken der Kinder- und Jugendliteratur der Zeit und seiner eigenen Werke und darauf wartend, in eine konsistente Reihenfolge gebracht zu werden. Am 23. November 1903 schließlich begann Barrie mit der Verschriftlichung von Anon. A Play, so der vorläufige Titel des Stückes, das zunächst sechs Szenen enthielt.

3.3.3. Synopsis Hier soll, zur Verdeutlichung der hier zu betrachtenden bis dahin vorgenommenen Veränderungen, ein kurzer inhaltlicher Überblick der publizierten Textfassung des Stücks 104. Siehe Anmerkungen zu “pantomime” in J. A. Cuddon, Dictionary of Literary Terms and Literary Theory (London: Penguin, 1991) 675f. 105. Barries Notizbucher von 1902, zitiert nach Birkin, J.M. Barrie and the Lost Boys 93. 106. Barries Notizbucher von 1902, zitiert nach Green, Fifty Years of Peter Pan 32.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, or the Boy Who Wouldn’t Grow Up (1904) von 1928 gegeben werden, um dann zu sehen, inwiefern sich frühe Fassungen davon unterschieden. Die Geschichte ist im London des beginnenden 20. Jahrhunderts angesiedelt. Dort lebt die Familie Darling glücklich mit ihren drei Kindern Wendy, John und Michael, dem Hundekindermädchen Nana und der Bediensteten Liza. Eines Nachts verführt Peter Pan, eine zwischen kleinem Jungen und fairy oszillierende Figur, die Kinder, mit ihm ins Neverland107 zu fliegen, wo er mit seiner Bande, den Lost Boys, in einer unterirdischen Höhle lebt. Außer den Jungen ist die Insel von wilden Tieren, Meerjungfrauen, Indianern und den vom schrecklichen Captain Hook geführten Piraten bewohnt, die sich alle in einem steten Kreislauf gegenseitig bekämpfen. Tinker Bell, Peter Pans fairy, die eifersüchtig auf Wendy ist, in der sie zu Recht eine Nebenbuhlerin um die Gunst Peters erkennt, veranlasst die Lost Boys, das Mädchen bei seinem Eintreffen im Neverland nach einem langen, ermüdenden Flug, mit einem Pfeil vom Himmel zu schießen. Glücklicherweise ist Wendy nicht tödlich getroffen und kommt, nachdem sie in einem schnell zusammengezimmerten Haus von Peter, den Jungen und den inzwischen ebenfalls angekommenen und in die Bande aufgenommenen Brüdern gepflegt worden ist, rasch wieder zu Kräften. Von nun an übernimmt sie die Rolle der Mutter für die verlorenen Jungen, die deshalb im Neverland sind, weil sie aus ihren Kinderwägen gefallen sind und niemand sie zurückverlangt hat. Die Kinder erleben auf der Insel verschiedene Abenteuer. Beim Spiel in der Lagune der Meerjungfrauen, geraten sie unvermittelt in Gefahr, als sie Zeuge werden, wie die Piraten Tiger Lily, die Prinzessin des Indianerstammes, auf einem Stein mitten im Wasser aussetzen wollen, um sie ertrinken zu lassen. Peter gelingt es jedoch mit Mut und Gewitztheit, Tiger Lily zu befreien, und auch Wendy kann sich mit Hilfe eines Papierdrachens in Sicherheit bringen. Peter Pan selbst entkommt schließlich im Nest einer Neverbirdmutter den Fängen Captain Hooks. Letzterer hegt einen besonderen Groll gegen Peter, da dieser ihm die rechte Hand abgeschlagen und sie einem großen Krokodil zu fressen gegeben hat, weshalb Hook nun anstelle der Hand einen eisernen Haken trägt. Er ist stets auf der Flucht vor dem Krokodil, welches ihn seitdem verfolgt, aber glücklicherweise eine Uhr verschluckt hat, die durch ihr Ticken immer rechtzeitig das Kommen des Monsters ankündigt. Durch einen Zufall entdecken die Piraten das unterirdische Versteck der Lost Boys und können sie samt Wendy und ihren Brüdern durch eine List Hooks gefangen nehmen. Als Peter davon erfährt, eilt er zur Befreiung der Kinder, gerade rechtzeitig, um sie vor dem Plankenlauf zu bewahren. Es kommt zur großen Schlacht und schließlich dem finalen Duell zwischen Peter und Hook, welches darin endet, dass der Pirat vom Schiff direkt in den Rachen des im Wasser wartenden Krokodils stürzt. 107. Während der ersten Spielzeit hieß die Insel Never, Never, Never Land, worauf im nächsten Jahr ein Never fallengelassen wurde. In der gedruckten Ausgabe PPs heißt es nur noch Never Land, in PW schlicht Neverland. In Australien gab es zu jener Zeit einen Distrikt, der Never, Never Land hieß.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, or the Boy Who Wouldn’t Grow Up (1904) Die Darling-Kinder beschließen, nach Hause zurückzukehren, und die Lost Boys folgen ihnen - bis auf Peter. Mutter Darling, die verzweifelt auf die Rückkehr ihrer Kinder gewartet hat, nimmt die Gruppe bei sich auf, und es wird verabredet, dass Peter jedes Jahr einmal kommt, um Wendy zum Frühjahrsputz ins Neverland zu holen.

3.3.4. Die Produktion Barries Befürchtungen, sein Produzent Charles Frohman würde das neue Stück als inakzeptabel ablehnen, waren nicht ungerechtfertigt. PP schien aus damaliger Sicht eher eine große Zirkusnummer als ein Theaterstück zu sein. Nicht nur wurden gigantische Bühnenaufbauten und eine Besetzung von über 50 Leuten benötigt - darunter Piraten, Indianer, Wölfe, ein Löwe, ein Jaguar, ein Krokodil, ein Adler, ein Strauß, ein Hund und eine “lebende” Fee -, sondern mindestens vier der Schauspieler sollten darüber hinaus laut Skript verschiedene komplexe Flugmanöver ausführen.108 Abgesehen von den immensen Kosten, die eine solche Produktion mit sich brachte, war nicht klar, für welche Zielgruppe das Stück konzipiert war. Die Geschichte schien hauptsächlich für Kinder zu sein, doch waren viele der Dialoge dafür zu intellektuell und das ganze Stück eine heterogene Mischung aus alter Pantomime-Tradition, Burleske, Farce, vermengt mit Piratenromantik, sentimentalem Melodrama und Tragödie. Einige Teile schienen private Scherze zwischen der Familie Llewelyn Davies und dem Autor zu sein, mit dessen Person das Stück so untrennbar zusammenhing, dass es fraglich war, ob überhaupt irgendjemand anders es würde sehen wollen. Doch Frohman, der dafür bekannt war, große Risiken einzugehen und dafür auch das nötige Kapital besaß, war sofort von der Geschichte fasziniert und bot seine rückhaltlose Unterstützung an. Auf seinen Wunsch nannte Barrie das Stück vom damaligen Arbeitstitel The Great White Father in Peter Pan, Or The Boy Who Wouldn't Grow Up um, und die Zusammenstellung des Ensembles konnte beginnen.

3.3.5. Versionen des Schauspiels Fast alle in PP verwendeten Namen stammten aus dem Bekanntenkreis des Autors, die der Piraten zumeist aus historischen oder literarischen Vorlagen. Die Rollen von Noodler und Smee109 wurden überhaupt erst von den jeweiligen Schauspielern geschaffen. Der Charakter Hooks entstand großenteils in der Interpretation der Rolle durch Gerald du Maurier, den Bruder Slyvia Llewelyn Davies’, und war natürlich auch eine Mischung aus Captain Swarthy und Pilkington.

108. Vergleiche Green, Fifty Years of Peter Pan 43-57. Die Tiere tauchten zum Teil in Szenen auf, die noch vor oder während der ersten Produktion gestrichen wurden. 109. Die Rolle Smees wurde ausschließlich von George Shelton entwickelt, der die Rolle 1904 und danach noch viele Jahre lang spielte.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, or the Boy Who Wouldn’t Grow Up (1904) D.P. Williams weist zudem auf die wohl nicht zufälligen Parallelen zu Melvilles Captain Ahab hin, der ja auch Prothesenträger ist.110 Bei dem hier in Auszügen beschriebenen Ur-Text handelt es sich um das Manuskript, das Barrie später an Maude Adams verschenkte, die in Amerika die Rolle Peters als erste spielte. Veröffentlicht sind große Teile davon in R.L. Greens Fifty Years of Peter Pan, aus dem in Ermangelung des Originals, das in der Beinecke Library der Yale University liegt, zitiert wird.111 Die erste Szene, The Darling Nursery, ist dem ersten Akt, wie er sich in der gedruckten Fassung findet, sehr ähnlich. Nanas Rolle Abb. 2: Hooks Kostüm

ist allerdings etwas elaborierter, und Mr. Darlings Verhalten gleicht mehr dem eines Jungen denn dem eines erwachsenen

Mannes und Vaters. Die Szene mit Peters Schatten ist ausgedehnter und Wendy muss diesen erst bügeln, bevor er sich wieder richtig bewegen lässt. Einige Minuten später erzählt Peter, wie er als Baby davonflog: You see, I hadn’t been weighed. You know babies can fly until they are weighed. That is why mothers are so quick to weigh them … My mother forgot to weigh me.112 Tinker Bell, die hier noch Tippy-Toe heißt, wird - wie bereits angedeutet - als die letzte der fairies eingeführt und entkommt nur knapp dem Tod, als John sagt, dass er nicht an das kleine Volk glaubt. Dann erklärt Peter, wie man fliegt: “I just have to rub your shoulders, and then you can fly.” 113 , was an die Flugkunst der neugeborenen Babys in TLWB erinnert: “they are naturally a little wild during the first few weeks, and very itchy at the shoulders, where their wings used to be.”114 Dass Barrie nach der ersten Spielzeit die Szene änderte und den fairy dust einführte, erklärt er folgendermaßen:

110. Vergleiche David P. Williams, “Hook and Ahab: Barrie’s strange satire on Melville”, PMLA: Publications of The Modern Language Association of America 80 (1965): 483-488. Williams entdeckt daneben noch andere verblüffende Ähnlichkeiten zwischen Moby Dick und Peter Pan: das Essen der Lost Boys und der Insulaner in Moby Dick, Nixen, Jolly Roger und Ahabs Schiff, die Verwendung der Sprache, der Hund, die tickende Uhr; er zieht sogar einen recht schlüssigen Vergleich zwischen Peter und dem Wal. 111. Eine Beschreibung der in der dortigen Rara-Sammlung befindlichen Dokumente ist unter Babcock, Robert G. und Vincent Giroud. “The General Collection of Rare Books and Manuscripts.” Beinecke Rare Book and Manuscript Library. Yale University, New Haven, Conneticut. einsehbar. Sie enthält das Gros der Originaldokumente aus Barries literarischem Nachlass. 112. Zitiert nach Green, Fifty Years of Peter Pan 45. 113. Zitiert nach Green, Fifty Years of Peter Pan 45. 114. Barrie, TLWB 123.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, or the Boy Who Wouldn’t Grow Up (1904) I had to add something to the play at the request of parents [...] about no one being able to fly until the fairy dust had been blown on him; so many children having gone home and tried it from their beds and needed surgical attention.115 Gerade als die Kinder das Zimmer durchs Fenster verlassen, kommen Mr. und Mrs. Darling zur Tür herein und sehen sie davonfliegen. Diese Stelle wurde gestrichen, als Gerald du Maurier, der gleichzeitig Mr. Darling und Hook spielte (und damit eine ganz neue Bedeutungsdimension eröffnete), feststellte, dass er nicht genug Zeit zum Schminken und Umziehen für die nächste Szene haben würde. Die zweite Szene führt die verschiedenen Bewohner der Insel vor: die Indianer, allen voran Tiger Lily und Great Big Little Panther, die Lost Boys und schließlich Hook und seine Piraten. Statt eines “large rich cake of jolly thickness with sugar on it, green sugar” 116 tragen sie einen mit einem Totenkopf markierten Kübel eiskalten Wassers heran, mit dem sie die Jungen töten wollen. Diese haben nämlich keine Mutter, die ihnen sagt, dass man kein eiskaltes Wasser trinken darf, wenn man vom Herumtoben erhitzt ist. Als nächstes erreicht Wendy das Neverland, wird von Tootles’ Pfeil getroffen, und die Jungen bauen, wie bekannt, ein Haus um sie herum - noch fehlt allerdings das Doktorspiel. Daraufhin erzählt Wendy den Kindern, die inzwischen zu ihr ins Haus gekommen sind, das Märchen von Cinderella. Die Piraten entdecken, dass die Lost Boys nun eine Mutter gefunden haben und ihr Plan mit dem Wasser fehlgeschlagen ist. Hierauf betreten die Indianer den Schauplatz, und die Piraten flüchten. Statt die Bleichgesichter in ihrem kleinen Haus anzugreifen und zu skalpieren, beschließt Tiger Lily, die Lost Boys, da sie noch Kinder sind, am Leben zu lassen und vor den Piraten zu beschützen. Auch ist der Rest des Stammes begeistert von den Geschichten, die Wendy im Haus erzählt. Dies ist eine elegante Erklärung, warum die Indianer auf Seiten der Jungen kämpfen, doch während der Proben wurde deutlich, dass man eine längere Pause für den Umbau in die unterirdische Behausung der Lost Boys mit einer Szene vor dem Vorhang würde überbrücken müssen. Wie noch zu zeigen sein wird, schrieb Barrie dafür 1905 den neuen dritten Akt, The Mermaids’ Lagoon. In der folgenden Szene (vor der Kulisse der unterirdischen Wohnung), die außer einigen kleineren Dialogänderungen gleich blieb, kidnappt Hook dann die Kinder. Sie endet damit, dass Tippy-Toe (Tinker Bell) das Gift trinkt (hier wiederum “ice-cold water”) und Peter das Publikum auffordert, ihrem Glauben an fairies Ausdruck zu verleihen. Die vierte Szene, in der ein als Peter maskierter Akrobat allerlei Kunststücke über einem Fluss vollführt, wurde noch vor der ersten Aufführung gänzlich gestrichen, wohl weil sie zu viele Schwierigkeiten barg und die Handlung nicht voranbrachte. Sie beinhaltete weitere eindeutige Annäherungsversuche Tiger Lilys, ihre Zurückweisung zugunsten Wendys durch Peter und sollte mit dem langsam heranfahrenden Piratenschiff enden.

115. Barrie, PP XIf. 116. Barrie, PP 56.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, or the Boy Who Wouldn’t Grow Up (1904) Offenbar war aber auch die Realisierung eines schwimmenden, bühnenfüllenden Schiffs problematisch, denn bei der Aufführung begann die nächste Szene einfach direkt auf dem bereits vollständig sichtbaren Piratenschiff. Erst im zweiten Jahr wurde Hooks berühmter Monolog eingeführt, und erst 1908 erhielt er seine endgültige Form, die bereits dem Erfolg des Stücks bei Kindern Tribut zollte: How still the night is; nothing sounds alive. Now is the hour when children in their homes are a-bed; their lips bright-browned with the good-night chocolate, and their tongues drowsily searching for belated crumbs housed insecurely on their shining cheeks. Compare with them the children on this boat about to walk the plank. Split my infinitives, but ’tis my hour of triumph! […] And yet some disky spirit compels me now to make my dying speech, lest when dying there may be no time for it. All mortals envy me, yet better perhaps for Hook to have had less ambition! O fame, fame, thou glittering bauble […] No little children love me. I am told they play at Peter Pan, and that the strongest always chooses to be Peter. They would rather be a twin than Hook; they force the baby to be Hook. The baby! That is where the canker gnaws.117. Ansonsten änderte sich auch hier nicht viel, einige Zeilen wurden unter den Piraten anders aufgeteilt. So versucht beispielsweise Starkey und nicht Smee, Wendy zu bestechen, indem er ihr verspricht, sie zu befreien, wenn sie ihm Geschichten erzählt. Smee wird später als Gegenleistung fordern, dass sie seine Mutter werden soll. Es folgt das Duell zwischen Hook und Peter, worauf sich Hook ins Wasser stürzt, wo ihn das Krokodil erwartet. Die Szene endet mit dem sogenannten Napoleon Tableau, welches William Quiller Orchardsons Gemälde Napoleon On Board ’The Bellerophon’ mit Peter in der Rolle Napoleons und den Lost Boys als getreuen Offizieren nachstellt. Dies ist Mackail zufolge als Hommage an Frohman gedacht, der den kleinen Feldherren als sein Vorbild betrachtete. 118 Es ist interessant, dass Barrie mit dem Bild gerade den Zeitpunkt Napoleons endgültiger Kapitulation wählt und damit einen Hinweis auf die Tragik der Situation Peters gibt. Auf die eigentlich vorgesehene Exekution sechs gefangener Piraten wurde bereits während der ersten Aufführung verzichtet, und der Vorhang fällt, während Peter den Union Jack anstelle der Piratenflagge hisst und alle Rule Britannia singen.

Abb. 3+4: Napoleon On Board ’The Bellerophon’ + Napoleon Tableau 117. Barrie, PP 124f. 118. Vergleiche Mackail, The Story of J.M.B 256.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, or the Boy Who Wouldn’t Grow Up (1904) Wieder zurück im Kinderzimmer der Darlings, gesellen sich zu den bisherigen Akteuren “twenty beautiful mothers”, um ihre Kinder - die Lost Boys - abzuholen. Diese als extrem pathetisch zu bezeichnende Szene, in der die potenziellen Mütter verschiedenen Tests unterzogen werden, um die Rechtmäßigkeit ihres Anspruchs zu prüfen, wurde auf Drängen der Kritiker Abb. 5: The Beautiful Mothers

schon wenige Tage nach der Premiere nicht mehr gezeigt. Slightly, der einzige, der keine Mutter

abbekommt, wird von der Haushälterin Liza adoptiert. Damit endete die Szene recht abrupt und leitet das Ende ein.

3.3.6. Das Ende Bis hierhin scheint Barrie das Stück mehr oder weniger komplett im Kopf gehabt zu haben, und selbst die Nixen-Szene befand sich laut Mackail119 bereits skizzenhaft in den Notizbüchern. Doch das Ende bereitete Barrie offenbar die größten Schwierigkeiten. In der Retrospektive scheint eigentlich erst das Ende in PW einen zufriedenstellenden Abschluss aufzuzeigen. Es gründet sich auf einen zusätzlichen letzten Akt, An Afterthought, der in dieser Form nur ein einziges Mal, am 22. Februar 1908, am letzten Abend der Londoner Spielzeit jenes Jahres aufgeführt wurde. Der Dialog nimmt im wesentlichen das letzte Kapitel PWs vorweg und wurde von den anwesenden, privilegierten Zuschauern dieser Vorstellung begeistert aufgenommen. Die eigentliche Idee für das Ende wurde radikal verändert, und während der letzten Tage vor der ersten Aufführung schrieb Barrie einen ganz neuen Schluss. Das ursprüngliche Ende gab dem Stück eine Wendung zur Pantomime vor dem Hintergrund der Kensington Gardens, wie sie in TLWB beschrieben sind. Peter, der nicht wie die anderen Lost Boys erwachsen werden will, beschließt mit Tippy-Toe Wendys kleines Haus vom Neverland in die Kensington Gardens zu transportieren, um von nun an dort zu leben, so dass Wendy ihn ab und zu besuchen kann. Doch Wendy bringt es nicht übers Herz, ihn ohne Mutter ziehen zu lassen und geht mit ihm in den Park. Ihre Eltern haben dafür Verständnis. Mrs Darling: Heaven forbid I should ever interfere between a mother and her child. Mr Darling: Or I in the affairs of the nursery. If there is a father anywhere who thinks he is captain in the nursery, I am willing to lend him the kennel.120 Man sieht nun Peter, der als Clown verkleidet vor der Kulisse des Round Pond Parkbesuchern Streiche spielt. Hook, der dem Krokodil entkommen ist und jetzt einen

119. Mackail, The Story of J.M.B 352ff. 120. Green, Fifty Years of Peter Pan 57.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, or the Boy Who Wouldn’t Grow Up (1904) Posten als Schulmeister innehat121, sucht noch immer, sich an Peter zu rächen und ihn in eine Schule zu stecken. Zusammen mit Starkey, der inzwischen Parkwächter geworden ist, findet er heraus, das Peter als Clown lebt und Wendy als Mutter bei sich hat. Um zu verhindern, dass die beiden gefunden werden, verwandelt Tippy alle anwesenden Spaziergänger in Clowns, und Hook lässt sich zunächst täuschen. Gerade als er Peter und Wendys Haus schließlich doch findet, frisst ihn das Krokodil, das aus der Serpentine gekrochen ist, und das Stück endet mit Peter und Wendy, die aus ihrem Haus in den Bäumen heraus, dem Publikum zum Abschied winken. So sah die Fassung aus, die Barrie am ersten März des Jahres 1904 vollendete. Etwas anders ist der Schluss in der Kopie, die für jedes Stück vor der Premiere an offizieller Stelle eingereicht werden musste. Wiederum tritt Hook als Pilkington in den Kensington Gardens auf, wo auch Tootles als Lord, Tiger Lily als Lady mit Kinderwagen und Slightly als Straßenkehrer einen kurzen Auftritt haben. Hook und Smee erklettern den Baum, auf dem Peter und Wendys Haus

Abb. 6: House in the Treetops

befestigt ist, können es aber nicht finden. Smee wird dann von einem großen Vogel aufgegriffen und davongetragen, während Hook beim Abstieg geradewegs in den geöffneten Rachen des Krokodils steigt. Das Stück endet wie gehabt mit den winkenden Hauptdarstellern in ihrem Haus.

3.3.7. Premiere Zahlreiche Elemente der Handlung und insbesondere das Ende mussten in letzter Minute gestrichen werden, weil Kulissen und technische Aufbauten nicht rechtzeitig fertig wurden - geschweige denn damit geprobt worden war - oder sich schon früher als überhaupt nicht realisierbar herausstellten. Tinker Bell sollte von einer sich hinter einer riesigen Verkleinerungslinse bewegenden Schauspielerin gemimt werden, doch die Komplikationen waren zu groß, und auch auf den fliegenden Adler, der Smee vom Deck des Piratenschiffes über die Köpfe der Zuschauer hinweg tragen sollte, musste verzichtet werden.122 Am 21. Dezember 1904, einen Tag vor der geplanten Uraufführung, stürzte ein mechanischer Aufzug um und zerstörte dabei die halbe Ausstattung. An eine Fertigstellung der Kulisse für die Schlussszene über die Weihnachtsfeiertage war nicht zu denken, und so verwarf Barrie die letzten zwanzig Seiten des Manuskripts und schrieb ein neues Ende. 121. Siehe dazu auch das Kapitel The Little White Bird dieser Arbeit. 122. Ein Unfall mit einer ähnlichen Flugapparatur hatte im Jahr zuvor in einem Chicagoer Theater einen Brand ausgelöst, bei dem 600 Menschen ums Leben gekommen waren.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, or the Boy Who Wouldn’t Grow Up (1904) Da einige der Szenenwechsel fünfzehn bis zwanzigminütige Umbauarbeiten benötigten, wurden kurzfristig Zwischenimprovisationen vor dem verschlossenen Vorhang eingeführt, wie etwa Gerald du Mauriers Imitation bekannter Schauspieler der Zeit - ein denkbar unglückliches Intermezzo mitten in einem Stück über fliegende Kinder und fairies. Ein besonderer Angstmoment blieb die Szene mit Peters Publikumsaufruf, um Tinker Bells Leben zu retten. Do you believe in fairies? Say quick that you believe! If you believe, clap your hands!123 Das Orchester wurde instruiert, zu klatschen, um das zu erwartende peinliche Schweigen zu brechen. Am Ende war selbst Barrie davon überzeugt, sich übernommen zu haben. Befreundeten Kindern ein Fantasiestück wie The Greedy Dwarf vorzuführen war eine Sache, einem erwachsenen Premierenpublikum der Oberschicht, die ein professionelles Stück von einem der führenden Dramatiker des Landes erwarteten, abendfüllende Unterhaltung zu bieten eine andere. Doch die Uraufführung am 27. Dezember 1904 im Duke of York Theatre in London übertraf die Erwartungen bei weitem. Obwohl nur wenige Kinder im Saal saßen, sprang der Funke über und die Kritiker überboten sich mit Komplimenten. Später veranlassten die Aussicht einer Wiederaufnahme des Stückes in London und der Start der Produktion in Amerika Barrie dazu, weitere Änderungen an PP vorzunehmen. Zurück in seinem Feriendomizil am Black Lake, diesmal inspiriert von Michael, mit dessen Hilfe sich der Waldteich erneut in die Südseelagune verwandelte, schrieb er den neuen dritten Akt, The Mermaids’ Lagoon, in dem Peter und Wendy auf einem Stein stranden und zu ertrinken drohen. The waters are lapping over the rock now, and Peter knows that it will soon be submerged. Pale rays of light mingle with the moving clouds, and from the coral grottoes is to be heard a sound, at once the most musical and the most melancholy in the Never Land, the mermaids calling to the moon to rise. Peter is afraid at last, and a tremor runs through him, like a shudder passing over the lagoon; but on the lagoon one shudder follows another till there are hundreds of them, and he feels just the one. Peter (with a drum beating in his breast as if he were a real boy at last). To die will be an awfully big adventure.124 Hier fand sich schließlich auch wieder eine Erklärung für die Freundschaft mit den Indianern, denn Peter rettet Tiger Lily, die von Smee und Starkey auf dem Stein, der später Marooners’ Rock getauft wurde, gefesselt worden war.

123. Barrie, PP 119. 124. Barrie, PP 91.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, or the Boy Who Wouldn’t Grow Up (1904)

3.3.8. Amerika Das amerikanische Publikum war der Sentimentalität Barries traditionell weniger abgeneigt als das englische, und PP feierte in New York einen noch viel größerer Erfolg als in London. Mark Twain schrieb anlässlich der Uraufführung Peter Pans an Maude Adams, die erste Besetzung der Rolle Peters in den USA: It is my belief that Peter Pan is a great and refining and uplifting benefaction to this sordid and money-mad age; and that the next best play is a long way behind it.125 Die Ernsthaftigk ei t mit der die Kritiker das Stück analysierten und neue Interpretationsmöglichkeiten fanden, mag Barrie eher belustigt haben - das Neverland als die Neue Welt, während Peter, der große weiße Vater, Verkörperung der Freiheit, die Menschen der alten, antiquierten Welt aufruft, mit ihm in die neue, bessere zu kommen. Auch die freundschaftliche Verbindung der Lost Boys mit den Indianern erhielt in den Vereinigten Staaten eine ganz neue Bedeutung. Einige Zeilen waren an den neuen Kontext angepasst worden. So wurde statt Rule Britannia nun Yankee Doodle gesungen und statt “Down with King George.” 126 zu sagen, sollten John und Michael den Stars and Stripes abschwören.

3.3.9. Andere Fassungen Erst 1928 erfüllte Barrie den Wunsch seines Verlegers, den Dramentext für eine Publikation vorzubereiten. Jeder Akt dieser Ausgabe beginnt mit einem längeren Erzähltext, der deutlich über das Maß einer Regieanweisung hinausgeht. Diese sind für das Verständnis des Lesers wichtig, bieten aber auch Hintergrundwissen und eine zusätzliche humoristische Ebene, welche durch das Kommentieren von Regieanweisungen und Informationen über Dinge, die hinter den Kulissen - für das Publikum unsichtbar - ablaufen, entsteht. So spielt Barrie beispielsweise auf das Befestigen der Flugvorrichtung an, während Liza und Nana, die verdächtige Geräusche im Kinderzimmer wahrgenommen hat, nach dem Rechten sehen. The children emerge exulting from their various hiding-places. In their brief absence from the scene strange things have been done to them; but it is not for us to reveal a mysterious secret of the stage. They just look the same.127 Als Peter auf Marooners’ Rock die Stimme Hooks imitiert, ist es natürlich der Schauspieler selbst, der ihm im Hintergrund seine Stimme leiht.

125. Brief von Mark Twain an Maude Adams. Zitiert nach Birkin, J.M. Barrie and the Lost Boys 126. 126. Barrie, PP 128. 127. Barrie, PP 40.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, or the Boy Who Wouldn’t Grow Up (1904) Peter (who can imitate the captain’s voice so perfectly that even the author has a dizzy feeling that at times he was really Hook).128 Die elaborierten Ausführungen neben dem Dialog und besonders die augenzwinkernden auktorialen Einschübe gewährleisten ein angenehmeres Leseerlebnis, als es der reine Dialogtext könnte, und stellen eine echte Bereicherung dar. Für den erwachsenen Leser und Zuschauer sind gerade Barries oft zweideutigen und ironischen Untertöne der unterhaltsamste Part. Die unerträgliche Arroganz und Selbstverliebtheit Peters nimmt durch Barries eingestreute Kommentare erst seine volle Gestalt an. Die von J. Caird und T. Nunn 1982 ursprünglich für die Royal Shakespeare Company bearbeitete Version des Stückes129, die bis heute in London aufgeführt wird, trägt diesem Umstand Rechnung, indem sie einen Schauspieler als Sir J. M. Barrie auftreten lässt, der die Rolle des Erzählers übernimmt. Dieser steht stellenweise gleichzeitig mit den anderen Akteuren auf der Bühne und interpretiert deren Dialoge und Handlungen oder führt, während hinter ihm langsam die Kulissen aus dem Dunkel auftaucht, in die kommende Szenen ein. Eine andere Abweichung dieser Produktion zur 1928er Ausgabe betrifft den Unberührbarkeitsstatus Peters. Allgemein tendiert die gedruckte Fassung wohl dazu, in der Figur Peter Pan mehr den fairy-Aspekt als den des Jungen zu betonen und die Geschichte unnötig zu versüßen. Die Warnung Peters im ersten Akt ist wohl das auffälligste Merkmal dafür. Peter. You mustn’t touch me. Wendy. Why? Peter. No one must ever touch me. Wendy. Why? Peter. I don’t know. (He is never touched by any one in the play.)130 Fairies, you see, can touch him.131 Diese Idee existierte jedoch in keiner früheren Version und entstand vermutlich erst in den späten 20er Jahren, um den Charakter des Unheimlichen und Spirituellen, den die Schauspielerin Jean Forbes-Robertson der Rolle verlieh, zu rechtfertigen. Dies scheint nicht nur inkonsistent zur Rolle Peters zu sein, sondern kollidiert auch mit der Handlung des Stückes, wo er nicht umhin kommt, die Lost Boys, Hook oder Tiger Lily zu berühren.

128. Barrie, PP 40. 129. John Caird und Trevor Nunn, Peter Pan or The Boy Who Would Not Grow Up (New York: Dramatists Play Service, 1993) 130. Barrie, PP 29. 131. Barrie, PP 71.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: Peter and Wendy (1911)

3.3.10. Warum ist Peter eine Frau? Why does it always have to be a peterless Pan? Gareth Hughes, 1924132

Die Tradition die Rolle Peter Pans mit einer Frau zu besetzen, besteht seit der Uraufführung 1904. Das heißt nicht, dass Barrie von Anfang an eine Schauspielerin im Kopf hatte, während er das Stück schrieb, doch traditionell wurde die Rolle des Principle Boys in den Pantomimen immer von jungen Frauen gespielt. Da ein ausgewachsener Mann verständlicherweise nicht in Frage kam, Kinder aber nur sehr begrenzt einsatzfähig waren, da eine Regelung besagte, dass sie nicht länger als bis 21 Uhr arbeiten durften, scheint die Wahl einer weiblichen Person für die Hauptrolle nicht allzu fern gelegen zu haben. Schließlich spielte auch das Gewicht eine Rolle, musste die junge Schauspielerin doch in einen Lederharnisch gepresst von Seilen durch die Luft getragen werden. Der erste männliche Peter Pan - abgesehen von den Davies-Jungen - war 1910 bei einer Sonderaufführung, gespielt von den jugendlichen Mitgliedern des Peter-Pan-Ensembles am Duke of York Theatre, zu sehen. Kommerzielle Unternehmungen mit einem Jungen in der Hauptrolle fanden bis in die 80er Jahre nur sehr vereinzelt statt: ein einmalig gesendetes Radiohörspiel von 1936, zwei Jahre später die Tour eines New Yorker Kindertheaters sowie die Vertonung der Walt-Disney-Produktion von 1953. 1982 beschloss die Royal Shakespeare Company Peter Pan in ihr Repertoire aufzunehmen - mit einen erwachsenen Mann als Peter. Seitdem hat es mehrere Produktionen dieser Art gegeben, die aktuellste im Capitol Theatre in Sydney, Australien.133

3.4. Peter and Wendy (1911) Schon bevor James M. Barrie 1911 die Lücke des Fehlens einer definitiven Prosafassung seines Theaterstückes füllen konnte, hatte es - mit Einverständnis Barries - verschiedene Unternehmungen anderer Autoren in dieser Richtung gegeben. So gab es ab 1907 Daniel S. O’Connors Peter Pan Keepsake und das kürzere The Peter Pan Picture Book, beides Zusammenfassungen der Handlung des Schauspiels mit Fotos der ersten beiden Wiederaufnahmen der Londoner Produktion.134

132. Zitiert nach Hanson, The Peter Pan Chronicles 237. 133. McCullugh, Kate und Pollard, Angela. “PAN.” The Continuum. 15 April. 134. Vergleiche Green, Fifty Years of Peter Pan 114.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: Peter and Wendy (1911) Auch nachdem Peter and Wendy, versehen mit Illustrationen von F. D. Bedford, e rs c h i e n e n w a r, u n te r b r a c h d i e s n i c h t d e n F l u s s d e r U m g e st a l t u n g e n u nd Nacherzählungen. Dabei handelte es sich vornehmlich um gekürzte, reich bebilderte Fassungen für Kinder oder textlich “begradigte” Versionen für den Gebrauch im Schulunterricht.135

3.4.1. Inhalt Peter and Wendy umfasst abgesehen von den front-cloth-Szenen, die in der publizierten Ausgabe des Stückes ebenfalls fehlen, die gesamte Handlung des Schauspiels. Die folgende Tabelle soll die Struktur von PP und PW verdeutlichen, wobei auf der linken Seite die fünf Akte des Stückes mit ihren Namen und auf der rechten die korrespondierenden Kapitel des Romans einander gegenübergestellt sind. Akt

Kapitel

I.

The Nursery

1-3

II.

The Neverland

5, 6

III.

The Mermaids’ Lagoon

8, 9

IV.

The Home under the Ground

7, 10 - 13

V.1

The Pirate Ship

14, 15

V.2

The Nursery and the Tree-Tops

16

Neu hinzugekommen ist in der Prosafassung der Inhalt des vierten Kapitels, in dem vom Flug ins Neverland berichtet wird. Aus verständlichen Gründen konnte dieser Übergang in die Fantasiewelt im Theater nie in angemessener Form dargeboten werden. Barrie beschränkt sich jedoch nicht auf die Schilderung des Fluges, sondern nutzt die neue Stelle, um Peters Charakter noch deutlicher auszuformen. Dabei wird besonders seine Verantwortungslosigkeit und seine Egozentrismus betont. he always waited till the last moment, and you felt it was his cleverness that interested him and not the saving of human life.136 Auch wird seine Andersartigkeit, die Tatsache, dass er kein gewöhnlicher Menschenjunge ist, hervorgehoben. Er scheint kein körperliches Gewicht zu haben und hält die Weise, in der er Happen aus den Schnäbeln vorbeifliegender Vögel stibitzt, für die allgemein übliche Art zu essen.

135. Die zensierten Ausgaben von Peter Pan wären sicher ein lohnenswerter Forschungsgegenstand, sie können im Rahmen dieser Arbeit allerdings nicht berücksichtigt werden. 136. Barrie, PW 40.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: Peter and Wendy (1911) Ebenfalls eine Ergänzung zum Ablauf des Schauspiels ist das siebzehnte und letzte Kapitel, When Wendy Grew Up, auf das bereits im vorherigen Kapitel dieser Arbeit eingegangen wurde. Insgesamt führt Barrie einige neue Peripherelemente ein, die so noch nicht in den verschiedenen Theaterskripten zu finden waren, etwa den Kuss in Mrs. Darlings Mundwinkel oder das “Lüften” der Gedanken in den Köpfen ihrer Kinder.

3.4.2. Der Erzähler Der mit Erzählkommentaren, Reflexionen zum Schreibprozess und Ironisierungen angereicherte Roman Peter and Wendy hatte bei Kindern nie den spektakulären Erfolg des Theaterstücks, welches die spannungsreiche Handlung an die Oberfläche hebt. Diese kommt offenbar dem Kind, das sich aller Fantastik zum Trotz auf die dargestellte Welt einlassen möchte, eher entgegen. Peter and Wendy ought on all counts to be firmly enthroned as a nursery classic [...] and yet has somehow failed of its birthright. Perhaps it has been stigmatised as “the book of the play” in critics’ minds [...]; perhaps Barrie’s elusive prose style in the patches of narrative have put off children [...] But whatever the reasons, the very slight faults in the book itself are not alone sufficient to keep it out of its rightful kingdom [...]137 Mag auch die Bühnenfassung trotz der inherenten Tragik vornehmlich ein Stück für Kinde r o der “für d ie ga nze Fami li e” se in, w erde n es ge rade di e von Gre en angesprochenen “slight faults” gewesen sein, die PW aus der Masse der Kinderbücher herausheben und es zu einem der bedeutenderen Werke der englischsprachigen Literatur machen. Diese angeblichen Mängel konstituieren wohl eher ein Manko an Uniformität mit den Normen herkömmlicher narrativer Strukturen von Kinderliteratur, in der vom Erzähler erwartet wird, dass er eine eindeutige, außerhalb des textuellen Systems stehende Rolle einnimmt, d.h. er darf natürlich allwissend sein, aber in der Regel nicht selbst in die Handlung eingreifen. Der Erzähler in PW weist dagegen stets auf die Fiktionalität des Werkes hin, indem er die Kommunikationsebene der Handlung und damit die Illusion immer wieder durchbricht. Gleich zu Beginn etabliert Barrie die Präsenz dieser Erzählerstimme: All children, except one, grow up. They soon know that they will grow up, and the way Wendy knew was this. One day when she was two years old she was playing in a garden, and she plucked another flower and ran with it to her mother. I suppose she must have looked rather delightful, for Mrs. Darling put her hand to her heart and cried, “Oh, why can’t you remain like this for ever!” This was all that passed between them on the subject, but henceforth Wendy knew that she must grow up. You always know after you are two. Two is the beginning of the end.138 137. Green, Fifty Years of Peter Pan 115f. 138. Barrie, PW 1.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: Peter and Wendy (1911) Der Erzähler kann zwar ins tiefste Innere seiner Figuren blicken (“Wendy knew that she must grow up.”), ist sich aber gleichzeitig nicht einmal sicher, ob Wendy tatsächlich so entzückend aussah (“I suppose [Hervorhebung J.B.] she must have looked raher delightful.”). Dieser durchgängig mit den Figuren und der Handlung spielende Erzähler zeigt, dass ihm die gesamte Organisation der Geschichte obliegt. So gibt er beispielsweise vor, noch nicht zu wissen, von welchem Abenteuer er als nächstes berichten soll. The difficulty is which one to choose. [...] The best way will be to toss for it. I have tossed, and the lagoon has won. This almost makes one wish that the gulch or the cake or Tink’s leaf had won. Of course I could do it again, and make it best out of three; however, perhaps fairest to stick to the lagoon.139 Barrie beschwört eine Erzählerfigur herauf, die den Leser an die Hand zu nehmen scheint, um gemeinsam mit ihm eine Geschichte zu erleben, die er mitgestaltet und kommentiert. Let us pretend to lie here among the sugar-cane and watch them as they steal by in single file, each with his hand on his dagger.140 Zu Zeiten erscheint diese auktoriale Erzählerstimme geradezu allmächtig. Let us now kill a pirate, to show Hook’s method. Skylights will do.141 He did not know that the crocodile was waiting for him; for we purposely stopped the clock that this knowledge might be spared him: a little mark of respect from us at the end.142 Als die Kinder London erreichen, lässt sich der Erzähler sogar zu einem Dialog mit Mrs. Darling hinreißen und fühlt sich genötigt, die moralischen Unzulänglichkeiten der Kinder zu rügen. Hier scheint ein längeres Zitat angebracht, um den Duktus des allwissenden Erzählers im Zusammenhang zu veranschaulichen. Instead of watching the ship, however, we must now return to that desolate home from which three of our characters had taken heartless flight so long ago. It seems a shame to have neglected No. 14 all this time; and yet we may be sure that Mrs. Darling does not blame us. If we had returned sooner to look with sorrowful sympathy at her, she would probably have cried, “Don’t be silly; what do I matter? Do go back and keep an eye on the children.” […] We are no more than servants. [...] Would it not serve them jolly well right if they came back and found that their parents were spending the week-end in the country? It would be the moral lesson they have been in need of ever since we met them; but if we contrived things in this way Mrs. Darling would never forgive us. 139. 140. 141. 142.

Barrie, PW 83f. Barrie, PW 51. Barrie, PW 55. Barrie, PW 159.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: Peter and Wendy (1911) One thing I should like to do immensely, and that is to tell her, in the way authors have, that the children are coming back, that indeed they will be here on Thursday week. This would spoil so completely the surprise to which Wendy and John and Michael are looking forward. [...] However, we should get no thanks even for this. We are beginning to know Mrs. Darling by this time, and may be sure that she would upbraid us for depriving the children of their little pleasure. “But, my dear madam, it is ten days till Thursday week; so that by telling you what’s what, we can save you ten days of unhappiness.” “Yes, but at what a cost! By depriving the children of ten minutes of delight.” “Oh, if you look at it in that way!” “What other way is there in which to look at it?” […] For all the use we are to her, we might well go back to the ship. However, as we are here we may as well stay and look on. That is all we are, lookers-on. Nobody really wants us. So let us watch and say jaggy things, in the hope that some of them will hurt.143 In dieser letzten Passage nimmt der Erzähler die Haltung Peter Pans vorweg, der das Fenster schließen, dann Mrs. Darling sehen und schließlich bereuen und die Kinder hereinlassen wird.

3.4.3. Parodisierung, Karikatur, Ironisierung Barrie greift hautptsächlich auf drei verschiedene Formen der damals für Kinder als geeignet erachteten Literatur zurück: die Abenteuergeschichte nach Autoren wie Stevenson, Ballantyne, Cooper und Defoe, das fairy-Element aus deutschen Zaubermärchen und britischen Sagen, sowie die Darstellung des Häuslich-Familiären. Diese Aspekte kindlichen Interesses sind jedoch, wie bereits angedeutet, nicht einfach kopiert, sondern werden ironisch unterlaufen oder parodiert. Dabei behandelt Barrie seine Charaktere mit großer Sympathie und verletzt nie ihre Würde.144 So ist bereits das Neverland selbst die übersteigerte Inkarnation aller Abenteuerinseln der Literatur, “not large and sprawly, you know, with tedious distances between one adventure and another, but nicely crammed.”145, und seine Bewohner sind freundliche Karikaturen des Noble Savage, des skrupellosen Piraten und wilden Tieres. Barrie übernimmt hier nicht die Klischees der Penny Dreadfuls, sondern spielt mit ihnen und zeigt - zumindest für den erwachsenen Leser erkennbar - die Absurdität dieser überzogenen Gestalten, deren Handlungen so gar nicht in den Rahmen der etablierten Muster passen wollen.

143. Barrie, PW 162ff. 144. Siehe dazu beispielhaft die literarische Behandlung der Indianer im Kapitel Walt Disney’s Peter Pan in dieser Arbeit. 145. Barrie, PW 7.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: Peter and Wendy (1911) Auch die Werte und Normen des häuslichen Miteinanders und insbesondere die Position des Vaters als Familienoberhaupt sind Ziel der Parodisierung Barries. Dies lässt sich zunächst im Haushalt der Darlings feststellen, wo durch die überdeutliche Sympathie des Erzählers für Mrs. Darling und die aufbrausende, ungerechte Art Mr. Darlings146 ein Satz wie “he was really the grander character of the two”147 als Sarkasmus verstanden werden muss. Auch Wendy ordnet sich äußerlich dem “Herrn des Hauses” unter, doch Barrie stellt diese Rollenverteilung implizit in Frage, indem er das Gesagte durch die Handlungsweise der Figuren konterkariert. Secretly Wendy sympathised with them a little, but she was far too loyal a housewife to listen to any complaints against father. “Father knows best,” she always said, whatever her private opinion must be.148 Kritische Bemerkungen, wie der große Wunsch von Nibs’ Mutter, “Oh, how I wish I had a cheque-book of my own!”149, unterstreichen diese Beobachtung.

3.4.4. Relikte Der vollzogene Gattungswechsel vom Dramen- zum Prosa-Peter-Pan kann wohl schon insofern als geglückt betrachtet werden, als vielen Lesern des Romans gar nicht bewusst werden wird, dass sie lediglich “das Buch zum Stück” gelesen haben. Es als solches zu bezeichnen, würde allerdings der sorgfältigen Transformationsarbeit Barries auch nicht gerecht. Kaum etwas deutet für den des Schauspiels Unkundigen darauf hin, dass die Geschichte in einer anderen Form als der des Romans existieren könnte, ohne an Bedeutungsvielfalt zu verlieren. Dennoch gibt es Indizien, welche die Bühnenherkunft PWs verraten und die zumindest dem Wissenden auffallen. So ist es im Theater schwer, die Zurücklegung größerer Distanzen wirkungsvoll darzustellen. Der aufmerksame Leser wird aber auch im Roman eine gewisse Starrheit des Handlungsortes feststellen. Es gibt, abgesehen vom vierten, neu hinzugekommenen Kapitel, keine Beschreibung einer ausgedehnteren örtlichen Bewegung. Selbst bei der Vorstellung der Lost Boys, Piraten, Indianer und wilden Tiere, liegt sozusagen der Leser mit dem Erzähler im Unterholz und betrachtet stationär die vorbeiziehenden Figuren, statt etwa einen Überblicksflug über die Insel zu unternehmen. Eine Änderung der Lokalität wird selten explizit vollzogen, sondern findet meist an

146. Bei der Charakterisierung der Darlings darf nicht der Einfluss der Llewelyn Davies-Eltern vergessen werden. So erstaunt es nicht, dass Mrs. Darling, nach dem Vorbild Sylvias, ein Quell guter Eigenschaften ist, während Mr. Darling, in vielem wie Arthur, einen nicht ganz so guten Stand hat. Alison Lurie merkt dazu lapidar an: “That is what you get for leaving people’s photograph albums in trains.” (Alison Lurie, “The Boy Who Couldn’t Grow Up.” The New York Review of Books 6 Feb. (1975): 11-12,14-15.). Vergleiche dazu die Ausführungen zu The Boy Castaways of Black Lake Island in dieser Arbeit. 147. Barrie, PW 3. 148. Barrie, PW 106. 149. Barrie, PW 57.

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Varianten des Peter-Pan-Stoffes: Peter and Wendy (1911) Kapitelgrenzen statt, indem das nächste Kapitel einfach einen anderen Handlungsort vorstellt, ohne dass darauuf eingegangen wird, wie die Charaktere dort angelangt sind. Ein weiteres Indiz für die Verwandtschaft des Romans mit dem Theater sind die vereinzelt auftauchenden Strophen von Liedern, die ungewöhnlich für einen Roman sind, selbst wenn es sich dabei äußerlich um ein Kinderbuch handelt. Auch dies sind natürlich Relikte aus der Vergangenheit des Stoffes, die deutliche Spuren hinterlassen hat. Die Piraten kündigen ihren An- und Abmarsch mit über die Insel schallendem Gesang an150, und auch der Plankenlauf der Kinder wird von höhnischem Piratengesang eingeleitet151. Die andere verbliebene Stelle in Liedform ist der Dialog zwischen Wendy und den Lost Boys, I wish I had a pretty House.152 Hier informiert Wendy die Jungen über das Haus, das sie für sie errichten sollen, und diese berichten vom Fortschritt der Bauarbeiten. Die Lieder wirken deplaziert in der ansonsten konsistenten Textfassung, mögen aber für Barrie ein so selbstverständlicher Bestandteil des Stoffes gewesen sein, dass sie völlig auszulassen nicht in Frage kam.

150. Barrie, PW 53,58,62. 151. Barrie, PW 151,152. 152. Barrie, PW 72.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, Stummfilm (1924)

4. Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes

4.1. Peter Pan, Stummfilm (1924) 4.1.1. Barries Szenario Barrie war von den neuen Möglichkeiten des sich gerade entwickelnden Mediums Film angetan und arbeitete schon 1915 an einem eineinhalbstündigen Film, einer Parodie auf Shakespeares Macbeth unter dem Titel The Real Thing At Last. Einige seiner erfolgreicheren Theaterstücke wurden zu dieser Zeit ebenfalls verfilmt, Angebote mehrerer Studios für die Rechte an Peter Pan lehnte er jedoch ab. Stattdessen begann Barrie selbst ein Szenario für einen Stummfilm auf der Basis von PPKG, PP und PW auszuarbeiten, zunächst nur für sich selbst, später mit dem Gedanken, das Charlie Chaplin die Rolle Peter Pans spielen würde.153 Als Barrie 1921 die Rechte schließlich doch an die Firma Paramount übertrug, vertraute er den Verantwortlichen auch sein Skript für den Film an. Mackail merkt dazu an: Fifteen thousand words of the most carefully re-written scenario, with all the subtitles, and a mass of fresh visual detail which to anyone but a film producer and his attendant experts, must surely have seemed like a gift from Heaven. It’s authentic, it comes from the one and only source of the saga, who took enormous trouble over it, and never forgot for one moment the special medium for which it was meant. But of course, the producer, and his experts, knew better. They wanted, apparently, to put the play, rather than this deliciously characteristic version of it, on the screen: and this in the end was what they tried to do.154 Dieser Stummfilm des Jahres 1924 aus dem Hause Paramount ist die einzige filmische Adaption des Peter-Pan-Stoffes, die Barrie selbst zu Gesicht bekam, und er war sehr enttäuscht. Nicht nur war sein Film-Skript fast vollkommen ignoriert worden, sondern der Film bot wenig mehr als eine Abfilmung des Bühnenstücks. Die überlegenen Darstellungsmöglichkeiten des Mediums, auf die Barrie so große Stücke gesetzt hatte, waren in keiner Weise genutzt und verwirklicht worden. Die Produzenten hatten die Chance, etwas Neues zu schaffen, vergeben und stattdessen, mit dem Vorsatz, das Stück möglichst werkgetreu umzusetzen, den sichereren, in ihren Augen finanziell Erfolg versprechenderen Weg gewählt. 153. Laut D. Mackail (Mackail, The Story of J.M.B. 565.) trafen Charles Spencer Chaplin und James M. Barrie im September 1921 in London zusammen, und Gespräche in dieser Richtung wurden geführt. 154. Mackail, The Story of J.M.B. 555.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, Stummfilm (1924) An dieser Stelle soll zunächst Barries Scenario for a Proposed Film of Peter Pan155 Gegenstand einer ausführlichen Betrachtung sein. Der Text zeigt - so könnte man argumentieren - die letzte Entwicklungsstufe Peter Pans, zwanzig Jahre nach der ersten Aufführung und rund dreizehn Jahre nach Erscheinen des Romans. In einer Vorbemerkung rät Barrie, die bestehende Musik des Theaterstücks zu übernehmen und zusätzlich neue zu komponieren, die sich im Stil an der alten orientieren sollte. Leider ist diese musikalische Begleitung des Films nicht erhalten geblieben. Da ein Stummfilm von seinen Bildern lebt, muss versucht werden, mit möglichst wenigen Texteinblendungen auszukommen, um nicht übermäßig auf das Fehlen des Tons aufmerksam zu machen. Barries Skript sieht daher nur wenige Untertitel bzw. Zwischentitel vor. Die letzte halbe Stunde ist fast völlig frei davon, und auch während der Lag u nen sz e ne wir d ke in Te x t g e z e ig t. S tat t j e d o ch d i e v o n B a r rie v i elfac h vorgeschlagenen Rückblenden und szenischen Einschübe für Gesagtes zu drehen, setzt der tatsächlich entstandene Film vielfach auf Texttafeln. Die aus dem Stück übernommenen Szenen sollen, so rät Barrie, wie auf der Bühne gespielt werden, und das Stück insofern insgesamt als Leitlinie dienen. Für Barrie scheint die größte Faszination des Kinos daraus herzurühren, dass hier eher als im Theater Mittel und Wege gefunden werden können, seine fantastischen Ideen zu realisieren. Peter Pan unterlag auf der Bühne trotz des immensen Budgets und der eigens dafür weiterentwickelten Kulissenmaschinerie immer noch zahlreichen Beschränkungen, die Barrie im Film umgehen zu können hoffte. Allem voran das Fliegen war im Theater auf einen kleinen Raum beschränkt, und so beginnt das Filmszenario mit einem ausgedehnten Flug von Baum zu Baum, dann über einen Fluss und offenes Land zurück in den Wald. The flying must be far better and more elaborate than in the acted play, and should cover of course a far wider expanse. This incident should show at once that the film can do things which the ordinary stage cannot do. It should strike a note of wonder in the first picture, and whet the appetite for marvels.156 Peter fliegt, reitet auf seiner Ziege wie in PPKG und erscheint als eine Figur, die nicht vorgestellt werden braucht, weil sie - zumindest in der fiktionalen Realität dieses Films seit Jahren Teil eines imaginären Kulturgutes ist und jeder sie kennt. From the first frame of Barrie’s treatment, Peter was to be portrayed as a longestablished myth, as in the book Peter and Wendy.157

155. Der Text ist vollständig in Green, Fifty Years of Peter Pan abgedruckt und dort das erste Mal öffentlich zugänglich gemacht worden. 156. Barries Szenario, zitiert nach Green, Fifty Years of Peter Pan 171f. 157. Hanson, The Peter Pan Chronicles 121.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, Stummfilm (1924) Nach dieser atmosphäreschaffenden Einleitung beginnt die Geschichte im Kinderzimmer der Familie Darling. Die Einrichtung ist dezidiert englisch, den Verhältnissen der Darlings angemessen, schlicht, aber geschmackvoll. Wir sehen, wie Nana gekauft wird, da ein richtiges Kindermädchen zu teuer ist. Szenen wie diese werden nach Barries Skript gezeigt. Es gibt bereits in London viele Außenszenen und allgemein wirkt die Beschreibung verschiedener Szenen abwechslungsreicher und weniger statisch als der Paramount-Film. Auch als Wendy ihren Brüdern das Märchen von Cinderella erzählt, funktioniert das bei Barrie nicht in einer Texteinblendung, sondern eine Cinderella-Sequenz wird kurz gezeigt. Wendys Erzählung lauschen neben John und Michael auch einige Schwalben, wie sie schon in den Kensington Gardens anzutreffen waren. [...] house-swallows are the spirits of little children who have died. They always build in the eaves of the houses where they lived when they were humans, and sometimes they try to fly in at a nursery window [...]158 Wie noch anhand späterer Szenen zu zeigen sein wird, bedient sich Barrie aller Welten des Peter-Pan-Universums (bestehend aus PPKG, PP und PW) und knüpft den Stoff weiter zusammen. Man sieht das Fenster nun von außen, wo Peter in der Reihe der Schwalben sitzt und ebenfalls lauscht. Um besser hören zu können, betritt er bald den Raum, weckt dabei jedoch Nana auf, die ihn verjagt. Der Schatten bleibt, wie in den anderen Texten auch, im Zimmer zurück. Auch die Medizin-Szene ist unverändert beibehalten. Als die Eltern das Haus verlassen haben, kommt Peter zurück, um seinen Schatten zu suchen. Die Stimmung für seinen Auftritt wird von Tinker Bell vorbereitet. The fairy music comes now. The fairy, Tink, flies on and alights on the windowsill. The swallows remain. She should be about five inches in height and, if the effect can be got, this should be one of the quaintest pictures of the film, the appearance of a real fairy. […] There should never be any close-up pictures of Tink or other fairies; we should always just see them as not more than five inches high.159 Das Skript folgt nun in der Schattenszene und dem Dialog zwischen Peter und Wendy wieder dem Schauspiel. Allerdings möchte Barrie in einer Rückblende Peters Vergangenheit zeigen. Seine Eltern reden über die Zukunft ihres Sohnes und sehen ihn (gemeinsam mit den Zuschauern) vom Baby über Kind und Jugend zum Mann heranwachsen. Wieder betont Barrie, wie wichtig die Verwendung guter Tricktechnik ist, um die Magie des Stoffes angemessen zu vermitteln.

158. Barrie, TLWB 196. 159. Barries Szenario, zitiert nach Green, Fifty Years of Peter Pan 176.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, Stummfilm (1924) It will be worth while to devote much attention to this picture to get the right effect.160 Auch die Geburt der fairies, von der Peter wie gewohnt berichtet, soll hier zum ersten Mal gezeigt werden. Zu sehen sind Adam und Eva, die mit einem Baby im Urwald stehen. Es lacht, und das Bild füllt sich mit wirbelnden Lichtreflexen, die zu kleinen Zauberwesen werden. Der Tod eines dieser Wesen wird ebenfalls gezeigt, nachdem irgendwo ein Junge seinem Kindermädchen gesagt hat, dass er nicht an fairies glaubt. Nach diesen Rückblenden fährt das Szenario damit fort, den Flugunterricht zu beschreiben. Wie im Stück reißt sich Nana von ihrer Leine los, holt die Darlings von der Party zurück, und sie sehen gemeinsam gerade noch, wie Tink als letzte hinter den Kindern davonfliegt. Detailliert wird auch der Flug zum Never, Never Land beschrieben, der im Theaterstück ja zwangsläufig völlig wegfällt und den auch der Stummfilm nicht zeigt. Die Kinder fliegen zuerst über London, wo eine Sitzung des Unterhauses von den Vorgängen in der Luft unterbrochen wird und weiter über den Atlantik, bis sie New York erreichen. Dort nimmt sie die Freiheitsstatue in ihre mütterlichen Arme auf, und sie können sicher übernachten. Dann überqueren sie Amerika, sehen die Niagarafälle und erreichen im Pazifik schließlich Peters Insel, welche als alte Landkarte unter ihnen erscheint. I m N e v e r l a n d w e rd e n w i e g e h a b t d i e v e r sc h i e d e n e n G r u p p i e r u n g e n d e r Inselbewohner vorgeführt, jedoch ausführlicher und in ihrem jeweiligen Revier: die wilden Tiere im Wald, die Indianer, die gerade einen Piraten martern, sowie das Piratenschiff mit Hook, Smee und der restlichen Mannschaft. Wohl aus gegebenem Anlass gibt Barrie an dieser Stelle die deutliche Anweisung, Hook auf keinen Fall komisch zu spielen, sondern ernst und blutrünstig. Long Tom, die Kanone auf dem Piratenschiff, wird abgefeuert; die Kinder werden durch den dadurch verursachten Windstoss getrennt. Wir sehen die Lost Boys, die auf Peters Rückkehr warten, in ihren Bäumen verschwinden, als sie einen Trupp der Piraten kommen hören. Hook erzählt Smee, wie Peter ihm die Hand abschlug. Dieser Kampf sowie die dadurch ausgelöste Verfolgung Hooks durch das Krokodil kreuz und quer über einen sich drehenden Globus und schließlich die vorläufige Rettung Hooks, indem es ihm gelingt, dem Tier eine Uhr zu füttern, werden wiederum in einer längeren Rückblende gezeigt. Die Piraten bemerken den als Schornstein des unterirdischen Hauses fungierenden rauchenden Pilz und damit die Höhle der Jungen. Darauf folgt, parallel zur Theaterfassung, wie Tootles, angestiftet durch Tinker Bell, Wendy vom Himmel schießt, das Haus um sie herum gebaut wird und Wendy einwilligt, die Muter der Jungen zu sein.

160. Barries Szenario, zitiert nach Green, Fifty Years of Peter Pan 178.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, Stummfilm (1924) The house should not be a make-believe affair built of canvas as it has to be in the acted play. Here it should be a real house, though comic. We should see the boys felling trees, carpentering, etc., actually building the house with miraculous speed, much as described in Peter Pan in Kensington Gardens.161 Die nächste Einstellung zeigt die Kinder auf dem Weg zur Lagune der Nixen. Peter reitet auf einer Ziege, wie schon in der Eingangsszene, die Blumen am Wegrand werden lebendig und folgen ihm in einer großen Prozession, bis er ihnen befielt umzukehren. Wendy fährt auf einem von einem fliegenden Papierdrachen gezogenen Wagen, dessen Seil jedoch reißt, als John sich auch darauf setzen will. Barrie begründet hier ein Handlungselement, das in Schauspiel und Prosafassung unvorbereitet und deshalb zu sehr wie ein ungeschickter Kunstgriff des Autors wirkt. Die Rede ist von dem Drachen, mit dem Wendy, aber nicht auch noch Peter, der als zweite Person zu schwer wäre (“It can’t lift two; Michael and Curley tried.”162), von Marooners’ Rock entkommen wird. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Nest des Never, Never Birds. Gerade als die Kinder die Lagune erreichen, sehen sie den Ast, der das Gelege des Vogels trägt, abbrechen und ins Wasser fallen, worauf die Vogelmutter auffliegt und sich wieder auf dem nun im Wasser schwimmenden Nest niederlässt. Später, nachdem die beiden darin befindlichen Eier in Starkeys Hut umgebettet worden sind, werden wir die Mutter mit zwei Jungvögeln wohlbehalten wieder an Land gehen sehen. Inzwischen schleichen sich die Kinder an die faulenzenden Nixen an, und Peter gelingt es, auf einer von ihnen im Wasser zu reiten. Wir verfolgen, wie Tiger Lily von Starkey und Smee auf Marooners’ Rock gefesselt und von Peter wieder befreit wird. Der Kampf zwischen Hook und Peter auf dem Stein entbrennt, alle anderen fliehen, und Wendy wird von den Nixen in deren Höhle entführt. Peter kann zwar Wendy finden, doch beide sind verwundet und zu erschöpft, um an Land schwimmen zu können, und das Wasser steigt langsam, bis der Stein unter der Oberfläche verschwindet. Wendy wird von dem zufällig vorbei fliegenden Papierdrachen davongetragen, und Peter kann auf dem Nest des Never, Never Birds an Land segeln. Es folgen verschiedene häusliche Szenen in der unterirdischen Höhle der Lost Boys, die mit einer Bärenfamilie verglichen werden, die sich (in einer ähnlichen Höhle) genauso verhält wie die Jungen und Wendy. Der rasche Wechsel der Jahreszeiten auf der Fantasieinsel wird demonstriert, und Barrie weist darauf hin, das dies kein plötzlicher Wechsel, sondern auch im Film ein gradueller Prozess sein muss. Wir dürfen einen Blick in Tinks kleines Schlafzimmer werfen und zusehen, wie Peter Wendy, John und Michael mit Hilfe eines Nudelholzes umformt, damit sie in ihre Bäume passen.

161. Barries Szenario, zitiert nach Green, Fifty Years of Peter Pan 188. 162. Barrie, PW 99.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, Stummfilm (1924) Wie in PW führt Wendy mit den Jungen Tests bezüglich ihres Wissens über Mütter und das Heim der Darlings durch. Vor dem Schlafengehen werden wir Zeugen eines Fußballspiels über den Bäumen. Die Beschreibung dieser Szene mag die Produzenten des Paramount-Films vollends davon überzeugt haben, Barries Skript sei nicht zu gebrauchen. Wie schon Beerbohm Tree163, dem Barrie noch vor Frohman das PP-Originalmanuskript vorgestellt hatte und dessen negative Reaktion darauf so weit ging, andere Produzenten davor warnte, dass Barrie nun verrückt geworden sei, vermochte auch Herbert Brenon, der Verantwortliche bei Paramount, die Vision Barries nicht zu teilen. Wie Beerbohm glaubte er, Barrie sei der Erfolg zu Kopf gestiegen und verlange Unmögliches. Die fehlende Bereitschaft, sich auf das Abenteuer des Autors einzulassen, war es schließlich, die aus der Verfilmung einen lauen Abklatsch des Theaterstücks werden ließ, statt dass neue Wege beschritten worden wären. Constant flashbacks to described actions, such as Peter cutting off Hook’s hand and throwing it to the croc, or Hook being chased around the world by the insatiable beast, flashed out the characters’ pasts and added a strong visual sense to the cinematic adaptation. But Barrie didn’t stop there. He added scenes involving sentient flowers following Pan to the mermaid’s lagoon, a treetop football game involving flying Lost Boys, and Peter attending a fairy wedding which served to no purpose but to add some beautiful visuals. Most of these images were discarded in favor of director Herbert Brenon’s more literal translation of the stage play.164 Es verwundert, dass bis heute solche offensichtlichen Vorbehalte gegenüber Barries Ideen bestehen können. Sicher war ihre Umsetzung 1924 tricktechnisch kompliziert und teuer, doch dass sich der Aufwand lohnen würde, hatte man ja bereits auf der Bühne gesehen. Doch auch andere Szenen, die geringere Ansprüche an die Technik stellten, fanden keinen Eingang in die Adaption Paramounts. In Barries Skript endet die Szene in der Höhle der Lost Boys mit einem Kissentanz, bei dem Peter die Rolle des Vortänzers übernimmt.165 Im Film von 1924 wäre der Tanz allerdings unpassend

Abb. 7: The Pillow Dance

163. Max Beerbohm Tree war einer der einflussreichsten Theaterproduzenten der Zeit. 164. Frederick C. Szebin. “Essay on the Production” American Cinematographer, October 1995. Zitiert nach dem Bomus-Material der DVD: Peter Pan. Dir. Herbert Brenon. Digital Versatile Disk (DVD). Paramount, 1924. 165. Dieser Tanz war schon 1904 für Pauline Chase, als diese noch nicht Peter sondern den First Twin spielte, in das Theaterstück eingeführt worden, da sie zuvor in New York großen Erfolg als mit Kissen hantierendes Pink Pajama Girl gehabt hatte und dieses erstaunliche Talent auch in England Gewinn bringend einsetzen sollte.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, Stummfilm (1924) gewesen, denn während die Lost Boys auf der Londoner Bühne von tänzerisch ausgebildete Schauspielerinnen gespielt wurden, waren es dort Kinder. Das Szenario trägt Peters Bemerkung Rechnung, fairies seien eine ziemliche Plage. She poured out questions about them, to his surprise, for they were rather a nuisance to him, getting in his way, and so on, and indeed he sometimes had to give them a hiding.166 Hier treiben sich im Haus der Lost Boys neben Tink ab und zu auch andere fairies herum, die sich in der Kleidung der Kinder verstecken und anderen Unfug treiben, bis Peter sie mit einem Besen vor die Baumtür kehrt. In de r Para mount-Adaption findet sich a n Stelle de s Tanzes eine lebhafte Blätterkissenschlacht, an deren Ende Peter aus einem der Kissen fairies schüttelt. Dass die wenig perfekte Tricktechnik der Zeit bei einem heutigen Zuschauer dabei für unfreiwillige Komik sorgt, nimmt man gerne hin. Solche Szenen sollten die Atmosphäre des Neverlands ausmachen. Leider sind Details wie diese im Paramount-Film allzu rar. Hook schmiedet derweil Pläne, um sich an Peter zu rächen. Zunächst vom Mastkorb des Piratenschiffes, dann von seiner Kajüte aus beobachtet er das Treiben auf der Insel, um seinen Angriff vorzubereiten. Besondere Beachtung des Autors findet dabei die Ausstattung von Hooks Zimmer auf dem Schiff, um Mobiliar und Wanddekoration größtmögliche Authentizität zu verleihen. Sie ist bis in Details nach dem Vorbild der Räume der Davies-Jungen in Eton gestaltet. It has a wicker chair and a desk with a row of books as in an Eton room. On the walls besides weapons are the colours he won at school, the ribbons, etc., arranged in the eccentric Etonian way, and the old school lists, caps, and also two pictures, which when shown in close-ups, are seen to be (1) Eton College, (2) a photograph of an Eton football eleven; the central figure is Hook, as he was when a boy, but distinguishable, with a football in his hands and the prize cup between his knees. He and the other boys must wear correct colours.167 Auf Drängen Barries schickte Brenon zwar jemanden für einen Tag nach Eton, um Aufzeichnungen über die Lokalitäten zu machen, Hooks Kajüte ist aber im Film nicht zu sehen. Überhaupt ist Hooks gesamte Planung auf eine einzige Einstellung reduziert, in der man sieht, wie er, umrundet von seinen Männern, einen Dolch in eine Karte des Never, Never Lands stößt. Dann - in Barries Skript nach Monaten, im Film am nächsten Tag - führt Hook seinen Plan durch, und die Piraten landen auf der Insel. Peter ist zu dieser Zeit gerade bei einer fairy-Hochzeit, die - wie bereits angedeutet - in all ihrer Pracht gezeigt werden soll und aus PPKG übernommen ist. Während sich die Piraten anschleichen, tritt Smee auf einen Zweig, und die ganze Insel erwacht bei diesem Geräusch zum Leben. Barrie ist sich des Mediums, für das er schreibt, 166. Barrie, PW 29. 167. Barries Szenario, zitiert nach Green, Fifty Years of Peter Pan 196f.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, Stummfilm (1924) sehr bewusst und spielt dessen Trümpfe gegenüber dem herkömmlichen Theater aus. Einstellungsbeschreibungen wie die folgende lassen erahnen, dass ein weit besserer Film hätte entstehen können, wenn man sich bei der Umsetzung an Barries Skript orientiert hätte. In a close-up we see Smee tread on a twig. Evidently the others all hear it. In a sudden stoppage in the music we should hear it also. […] These pictures [die die verschiedenen Reaktionen auf das Geräusch bei Lost Boys, Indianern, dem Krokodil und Peter zeigen] should all be short to represent the effect of Smee’s blunder, and before each one we should have repeated briefly for a second or two only the picture of Smee treading on the twig.168 Im Haus unter der Erde bringt Wendy ihre Lost Boys zu Bett. Der kleinste von ihnen (und nicht Michael wie in PP und PW) schläft dabei in einem Korb, der von der Decke hängt - ursprünglich, weil bei der ersten Produktion in London einer der Lost Boys ein Junge war, die anderen aber alle von jungen Frauen gespielt wurden. Diese zusammen in einem großen Bett zu zeigen, wäre etwas gewagt gewesen, und später dachte wohl niemand mehr daran, dies zu ändern. Peter ist inzwischen wieder bei den anderen und lauscht verärgert Wendy, die erzählt, wie sie mit ihren Brüdern ins Never, Never Land geflogen ist, während zuhause die Eltern geduldig am offenen Fenster auf ihre Rückkehr warten. In diesem Moment schreitet Peter ein, und wir sehen in einer Rückblende die bereits in PPKG beschriebene Szene von Peters traumatischer Erfahrung. Wendy, you are wrong about Mothers. Long ago I flew back but the window was barred, and there was another little boy sleeping in my bed.169 Wie in früheren Fassungen des Stoffs beschließen die Geschwister vorsichtshalber zurückzukehren, und die Lost Boys schließen sich ihnen trotz Peters Absage an. Doch als sie gerade die Höhle verlassen wollen, beginnt oben der Kampf zwischen Seeräubern und Indianern. Now takes place the great fight between Pirates and Redskins, which should be a much more realistic and grim affair than in the play. There it has to be more pretence, but here we should see real redskin warfare that will be recognised as such by all readers of Fenimore Cooper, etc.170 Die Piraten siegen, und Hook lockt, indem er das Siegeszeichen der Indianer auf deren Trommel anstimmt, die Kinder an die Oberfläche, wo sie eines nach dem anderen aus ihren Bäumen gepflückt und gefesselt werden. Es folgt die Vergiftungsszene, Tink rettet Peter und dieser wiederum sie, indem er an das Publikum appelliert. 168. Barries Szenario, zitiert nach Green, Fifty Years of Peter Pan 198. 169. Barries Szenario, zitiert nach Green, Fifty Years of Peter Pan 200. 170. Barries Szenario, zitiert nach Green, Fifty Years of Peter Pan 201.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, Stummfilm (1924) He, as it were, comes outside the scene to do so. We hope that, as in the play, the audience demonstrate.171 Nun müssen Wendy und die anderen nur noch aus den Klauen der Piraten befreit werden. Während Peter in PW das Ticken der Uhr imitiert und in PP eine andere benutzt, da die im Bauch des Monsters abgelaufen ist, berät er sich in Barries Film-Szenario mit dem Krokodil, das ihm später durch sein Ticken beim Entern des Schiffes helfen wird. In der tatsächlichen Filmfassung sehen wir allerdings, wie Peter die Uhr aus dem Rachen des Krokodils zieht und dann wie im Theaterstück die Piraten damit täuscht. Zunächst haben wir aber an Hooks Ekstase teil, der in dem Gedanken daran schwelgt, wie Peter das Gift trinkt und sich in Todesqualen windet. Diese Gedanken werden, wie fast immer in Barries Vorschlag, szenisch gezeigt. Dass dies so nicht umgesetzt wurde, ist ein großes Manko des Paramount-Films, das auch nicht mit Hinsicht auf den finanziellen Aspekt erklärt und entschuldigt werden kann, hätte es doch wenig Mühe gekostet, solche kurzen Einschübe zu drehen. Dann jedoch überfallen Hook Depressionen. Er denkt an seine Vergangenheit in Eton zurück, und auch diese Erinnerungen hätte Barrie gern gezeigt, zumal die Technik der Gegenüberstellung von Szenen die vielleicht effektivste Möglichkeit des Mediums Stummfilm bietet, die Ambivalenz dieses Charakters darzustellen. Die Planke wird ausgefahren, den Kindern höhnisch ihr kommendes Ende in Aussicht gestellt. All this should be more graphic and realistic than in the play.172 Während das Krokodil um das Schiff herumschwimmt und durch sein Ticken die Piraten ablenkt, betritt Peter das Schiff und gelangt nach einigen waghalsigen Klettereien über Masten, Seile und Strickleitern in Hooks Kajüte. Von hier an folgt das Skript dem Bühnenstück, bis es zu dem Duell zwischen den beiden Antagonisten kommt. It should be a very real fight now between Hook and Peter, and both must be good fencers. First the one is beaten to his knees, then the other. At one point Wendy tries to save Peter. He flings her across his shoulder and fights with her thus. […] Suddenly he runs up a rope hanging from above (as First Twin does in the acted play). Then as suddenly he lets himself fall plop on Hook who is flattened out.173

171. Barries Szenario, zitiert nach Green, Fifty Years of Peter Pan 203. 172. Barries Szenario, zitiert nach Green, Fifty Years of Peter Pan 205. 173. Barries Szenario, zitiert nach Green, Fifty Years of Peter Pan 208.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, Stummfilm (1924) Schließlich gesteht Hook seine Niederlage ein und geht über Bord ins Maul des Krokodils, während er sich noch einmal an bessere Jahre in Eton erinnert. Seine letzten Worte sind “Floreat Etona”.174 Hook dives straight into it, swallowed in one memorable mouthful. The crocodile waggles its head to get the legs down. They, too, disappear.175 Die Piratenflagge wird eingeholt und statt ihrer - der amerikanischen Bühnentradition gemäß - die Stars and Stripes gehisst. Peter ist sehr stolz und posiert zunächst als Napoleon, ist aber hier nicht in Uniform gekleidet. Stattdessen übernehmen die Jungen nun die Kleidung der Piraten, und Peter steht am Steuerrad des nach London fliegenden Schiffes, angetan in Hooks Gewändern, mit einem Haken in der einen und Abb. 8: Paramounts Schiff

dem Doppelzigarrenhalter in der anderen Hand.

Dankbar haben auch die Lost Boys die Rolle der Piraten angenommen, und auch Wendy ist glücklich. The new conditions don’t bother her; she is still a mother.176 Wieder zurück in London sehen wir die trauernden Darlings samt Nana am offenen Fenster stehen. Mr. Darling, welcher nun Nanas Korb bewohnt und dem offensichtlich kalt ist, will es schließen, doch Mrs. Darling verhindert das. Peter, vor den anderen das Fenster erreichend, sieht sie und verschließt das Fenster, um Wendy bei sich behalten zu können. Der Anblick der traurigen, auf dem Klavier Home, Sweet Home intonierenden Mutter bewegt ihn aber schließlich doch dazu, es wieder zu öffnen, und so erreichen die Darling-Kinder - wie bekannt - das Elternhaus. Dies wird auch in der Paramount-Fassung ähnlich gehandhabt. Peters Gewissenskonflikt, als er Mrs. Darling sieht, besteht aus zwei Texttafeln. “I’m fond of her, too ….” “…. We can’t both have her - lady - “ Doch auch er ist am Ende von ihren Tränen gerührt und öffnet das Fenster wieder, welches Tinker Bell vorher geschlossen hatte. Die Lost Boys, die schwer bewaffnet und in Piratenkostümen zur Tür herein paradieren, werden adoptiert, und Peter darf Wendy jedes Jahr für eine Woche zum Frühjahrsputz abholen. 174. 1927 hielt J.M. Barrie eine Rede mit dem Titel Captain Hook at Eton vor den versammelten Mitgliedern der Schule, in der er die Legende um Hooks Vorgeschichte ausbaut und berichtet, wie dieser eines Nachts zurückkehrt und die Spuren seiner Zugehörigkeit zur ehrenwerten Gesellschaft der Etonians tilgt, um den guten Ruf der Schule nicht zu gefährden. 175. Barries Szenario, zitiert nach Green, Fifty Years of Peter Pan 209. 176. Barries Szenario, zitiert nach Green, Fifty Years of Peter Pan 211.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, Stummfilm (1924)

4.1.2. Das Ende Sehr viel ausführlicher als im Paramount-Film, der mit dem flötenden Peter vor der üblichen Baumhauskulisse endet, folgt nun in Barries Skript der Ausblick auf die Zukunft. Die Lost Boys arbeiten in Büros und wirken durch Bärte und Brillen sowie die Verwendung verkleinerter Möbelausstattung größer und erwachsener. Wendy steht im Hochzeitskleid am Fenster und denkt an ihre Zeit im Never, Never Land zurück. Die dafür verwendete Rückblende zeigt die Schauplätze des Films, doch die Figuren darin sind nur blasse Geister. Sie weint ein wenig und schließt dann das Fenster - ein deutliches Zeichen, dass die Tage der Kindheit für immer vorbei sind. Die Szene wechselt in ein anderes, ähnliches Kinderzimmer, in dem Peter auf Wendys Tochter Jane trifft. Die bekannte Kennenlern-Szene wiederholt sich, wobei Jane von der gleichen Schauspielerin wie Wendy gespielt wird - mit einer anderen Frisur und einem dunklen statt dem weißen Nachthemd. Es folgt eine pittoreske Szene, in der Jane an einem Fluss im Never, Never Land Peters Wäsche wäscht, während dieser, auf einer Ziege reitend und abermals von einer Schar Blumen verfolgt, auf seiner Flöte musiziert. Eine schattenhafte Gestalt erscheint: es ist Wendy, die nach ihrer Tochter sieht, aber nicht mitspielen kann, weil sie erwachsen ist. Das letzte Bild ist - wie auf der Bühne - das kleine Haus in einer Baumkrone mit Wendy und Peter. All around are tiny fairy houses (not nests as in the play, but absurd little houses of thatch and moss, each with a window and a chimney). The exact nature of these fairy houses is for future consideration.177 Am Ende sieht man nur noch die mondbeschienene Silhouette Peters, der alleine vor sich hin flötet.

4.1.3. Die Paramount-Adaption Mit exzellenter Besetzung und einem mittleren Budget begannen die Dreharbeiten zu Peter Pan im September 1924. Rechtzeitig zur Weihnachtsferien-Saison des gleichen Jahres war der Film fertig geschnitten und feierte seine Premiere im Rivoli Theatre in New York. Die Rezensionen des Films waren vielleicht die uneingeschränkt positivsten, die Peter Pan überhaupt jemals erhielt. Obviously inspired by his discussions with Sir James Barrie, Mr. Brenon has fashioned a brilliant entrancing production of this fantasy […] It is not a movie, but a pictorial masterpiece which we venture to say will meet the approval of the author.178

177. Barries Szenario, zitiert nach Green, Fifty Years of Peter Pan 217. 178. Review der New York Times, zitiert nach Hanson, The Peter Pan Chronicle 128.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, Stummfilm (1924) Besonders die Hauptdarstellerin Betty Bronson wurde immer wieder als großer Glücksfall gewertet. Auch Barrie war von den Qualitäten der Schauspielerin, die er selbst anhand von Fotos aus der Fülle der Bewerberinnen ausgewählt hatte, beeindruckt. Aus heutiger Sicht ist Peter Pan ein wichtiges Zeugnis der Stummfilm-Ära, das längere Zeit als verschollen galt. Wie F.C. Szebin, der 1995 in seinem Artikel über die neue, farbrestaurierte Fassung des Films Barries Vorschläge als Hobby-Spielereien abtut, scheinen auch die verantwortlichen Produzenten bei Paramount das Szenario eingeschätzt zu haben. As a private game, the author wrote a screen scenario of Peter Pan to see how he could expand the story from the constraints of the stage.179 So kam es auch, dass sich der oben zitierte Kritiker der New York Times getäuscht sah, als er annahm, der Film würde Barries Beifall finden, denn entstanden war ein Film, der nichts mit der Vision des Autors gemein hatte. Einige ganz wenige Ideen waren aufgenommen worden: so sehen wir Peter am Steuer des gen England fliegenden Piratenschiffes herrisch Befehle geben; sie sind die glänzenden Momente in dieser ansonsten konventionellen Kinoadaption des Schauspiels. Insgesamt bietet der Film zu wenig Innovatives. Schon der Auftritt Peters im nächtlichen Kinderzimmer ist wenig Aufsehen erregend, da er, statt zu fliegen, einfach vom Fensterbrett in den Raum hineinzutreten scheint. Darauf folgt die langatmig wirkende Kinderzimmer-Szene. Ein Grund für diese Langatmigkeit ist die unreflektierte Verwendung von Szenen aus dem herkömmlichen Skript für die Bühne. So kommen im Theater Liza, auf die im Film völlig verzichtet wurde - und Nana ins Zimmer der Kinder, um nach dem Rechten zu sehen, und diese verstecken sich hinter einem Vorhang, um insgeheim das Seil in ihre Flugharnische einzuklinken. Im Film, wo diese Szene nicht in einer fortlaufenden Einstellung gedreht wurde, ist eine solche Verzögerung aber nicht nötig und zieht das ohnehin schon recht ausgedehnte Vorspiel noch mehr in die Länge. Insgesamt ist der Beginn des Films wenig geeignet, Barries Wunsch nach spektakulären Effekten in den ersten Momenten des Films zu erfüllen. Einzig die Einstellungen an Bord des Piratenschiffs und ein Strand voller ballspielender, sich unmotiviert räkelnder Meerjungfrauen sind Orte, die so nicht auf der Bühne realisiert werden konnten. Da aber Brenon auf die eigentliche Mermaid-Szene bei Marooners’ Rock verzichtete, werden sie auf eine Kulissenfunktion reduziert. Wohl um diese Schwachstelle zu überspielen, lässt er die Königin der Meerjungfrauen Peter zeigen, wo das Krokodil zu finden ist, und so bei der Rettung der Kinder helfen. 179. Frederick C. Szebin. “Essay on the Production” American Cinematographer, October 1995. Zitiert nach dem Bomus-Material der DVD: Peter Pan. Dir. Herbert Brenon. Digital Versatile Disk (DVD). Paramount, 1924.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Walt Disney’s Peter Pan (1951) Allgemein überrascht die starre Kameraführung. Stellenweise wird so tatsächlich der Eindruck einer Bühnenabfilmung vermittelt. Natürlich ist das zum Teil mit der noch nicht besonders weit entwickelten Technik zu erklären, doch andererseits gibt es auch in diesem Film die ein oder andere Szene, der es gelingt, lebhaft und frisch zu wirken, etwa der Kampf auf dem Piratenschiff. Mit seiner Leblosigkeit stellt sich der Abb. 9: Texttafel

Stummfilm in vielen Punkten als das genaue Gegenteil

der als nächstes zu untersuchenden Adaption Walt Disneys dar.

4.2. Walt Disney’s Peter Pan (1951) All this has happened before and it will all happen again, … Narrator, Walt Disney’s Peter Pan180

4.2.1. Trivialisierung Die Disney-Studios ist oft dafür kritisiert worden, vormals gute Geschichten zu platten, eindimensionalen Märchenwracks mit wenig Tiefgang verstümmelt zu haben. Handlung, Figuren, Gefühle, Farben etc. werden stark übertrieben - alles ist lauter, grell-bunter und gleichzeitig schwarz-weißer als im Original. One’s first thought must be how very badly Disney handles such stories, how crudely and clumsily he draws such figures and renders their charm. Of course, Disney is crude and clumsy in his handling of so many subjects […] But there is a peculiar wrongness in his choosing Barrie to work on. […] Disney’s humor is naturalist and primitive and seems to derive from the Southwest humorists of nineteenth-century America. He has their love of exaggeration, particularly of size and speed, and their obsession with aggression and violence […] he also takes a sadistic interest in domestic animals.181 Barries Humor, diagnostiziert Martin Green, ist dagegen mehrschichtiger und eher übertrieben respektvoll gegenüber seinen Figuren. Besonders in der Behandlung Nanas und Hooks wird das sinnfällig, vergleicht man diese bei Barrie und Disney. Überdies entwirft Barrie eine bewusste Fantasie, die von einem Erwachsenen mit viel Sympathie für Kinder gestaltet ist und die durchzogen ist von ironischen Andeutungen,

180. Die Stimme des Erzählers, der mit seinem ruhigen Ton und dem aristokratischen britischen Akzent offensichtlich Sir Barrie evozieren soll, scheint damit die Rechtmäßigkeit dieser Version zu legitimieren. Der richtige Barrie sprach allerdings wohl mit einem leichten schottischen Akzent. 181. Martin Green, “The Charm of Peter Pan.” Children’s Literature: Annual of The Modern Language Association Division on Children’s Literature 9 (1981): 19-27.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Walt Disney’s Peter Pan (1951) mit denen der Autor aus verschiedenen Blickwinkeln bewusst spielt. Das Neverland Barries ist keine Satire, es ist die von Ironie durchsetzte Repräsentation der Welt der Penny Dreadfuls: nicht ganz ernst genommen, aber dennoch geeignet, sich darin zu verlieren und der Realität zu entfliehen. Bei Disney sind sowohl die reale Welt als auch das Neverland bloße Karikaturen: Nana, die rennt und rutscht und kollidiert, wie so viele von Disneys Zeichentricktieren, der Marilyn-Monroe-Verschnitt Tinker Bell182 - nicht mehr fairy sondern pixie, Captain Hook, eigentlich eine “not wholly unheroic figure”, doch bei Disney lächerlich, feige und schwach, ständig auf hektischer Flucht vor dem Krokodil. [...] the magic, the poetry and the touch of the supernatural which constitute the peculiar greatness of Peter Pan could find no place in the film.183 Anscheinend aus der Absicht heraus, die Geschichte zeitgemäßer wirken zu lassen, ist so gut wie kein Satz aus Barries Vorlagen übernommen. Nicht einmal die markantesten und bekanntesten Stellen sind vorhanden: nicht Hooks tragikomischer Monolog zu Beginn des fünften Aktes, nicht Peters “To die will be an awfully big adventure”184, nicht einmal das denkwürdige “I want always to be a little boy and to have fun.”185. Wenn Pan wenig glorreich “Say your prayers, Hook!” anstelle von “Dark and sinister man, have at thee.”186 ruft, und Hook noch weniger poetisch “I’ll show you this ghost has blood in his veins. I’ll run him through. Take that!” statt “Proud and insolent youth, prepare to meet thy doom.”187 antwortet, beschleicht den Kenner des Stoffes ein Gefühl, als sage Hamlet seinen Monolog falsch auf. Ebenso wie die Ausdrucksweise modernisiert wurde, so erscheint auch die Charakterisierung der Figuren selbst den Fantasien eines Kindes der 50er Jahre angeglichen und verliert somit gänzlich den viktorianischen Charme der Jahrhundertwende. Genauso verhält es sich mit der Musik und der Art, wie sie im Film eingesetzt wird, was um so mehr erstaunt, als das erklärte Motto des Studios ein Ethos der Zeitlosigkeit seiner Geschichten ist. The greatest challenge I have ever faced is the task - the very pleasurable task - of bringing Peter Pan to life in a dream world which only he and his friends can see - and only the animated cartoon can reveal to us in all its magic.188

182. Tinker Bell ist hier zum ersten Mal - abgesehen von einigen kurzen Momenten in Paramounts Stummfilm - kein Lichteffekt, sondern eine richtige Person, die im Aussehen der Schauspielerin Margaret Kerry nachempfunden wurde. Disneys Tink war ein solcher Publikumserfolg, dass sie seit dem eine Art Maskottchen der Walt Disney Studios ist. 183. Green, Fifty Years of Peter Pan 168. 184. Barrie, PP 91. 185. Barrie, PP 155. 186. Barrie, PP 140. 187. Barrie, PP 140. 188. Walt Disney, 1953. Zitiert nach Hanson, The Peter Pan Chronicles 165.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Walt Disney’s Peter Pan (1951) Disney spricht hier einen der grundlegenden konzeptionellen Unterschiede zwischen seinem und Barries Peter Pan an. Peter kommt zum Fenster der Darlings, weil sie an ihn glauben und ihn sehen können. Pan ist in dieser Adaption zum erträumten Hirngespinst degradiert, auch wenn er äußerlich - sieht man von den spitzen Elfenohren ab, die ihn als Angehörigen des kleinen Volkes ausweisen - vielleicht dem egozentrischen, unbekümmerten kleinen Jungen, der nicht groß werden will, näher kommt als manche Schauspielerin auf der Bühne. Dazu trägt auch die passende Synchronstimme Bobby Driscolls bei und nicht zuletzt die Möglichkeit des Zeichentrickfilms, ihn in einem fort die waghalsigsten Flugmanöver ausführen zu lassen. The cartoon method gave us many advantages over the stage craft of Barry’s [sic] day which no amount of pixie dust could cure.189 Dorothy A. Blank, deren Aufgabe es bei Disney war, das Quellenmaterial für Peter Pan zu analysieren, teilte dem Produzenten mit, wie ihrer Ansicht die Figur Peters zu gestalten sei. [...] in our character of Peter Pan we remove forever any doubts about sex, and make our hero all boy - fun, fierce, brave, and a little tough. […] we could give what critics might consider a much-needed clarification of Barrie’s works.190

4.2.2. Wendy Doch

die

zentrale

Figur

dieses

Films

ist

überraschenderweise nicht Peter, sondern ohne Zweifel Wendy. Der Fokus verschiebt sich vom Jungen, der nicht groß werden will, auf das Mädchen, das innerhalb weniger Stunden eines Traumes erwachsen wird und damit um zug e h e n le r nt. E s g e h t u m We nd ys Q ue s te i m Neverland - ihre aufkeimende Adoleszenz und ihre Initiation in die Rolle der Frau und Mutter, wobei das Thema der Mütterlichkeit im Vergleich zu Barrie deutlich Abb. 10: Wendy

in den Hintergrund rückt. Von Anfang an hält sie die Zügel in der Hand und ist der

Grund, warum Peter zum Haus der Darlings kommt. Sie ist die unbestrittene Autorität in allem was Peter Pan angeht und damit der Wendy Barries ähnlich. [...] there is one in every family, who can be trusted to know or not to know.191

189. Zitiert nach Banka, Bob. “Peter Pan.” The Big Picture. 14 May 2001. . 190. Zitiert nach Donald Crafton, “The Last Night in the Nursery: Walt Disney’s Peter Pan.” The Velvet Light Trap 24 (1989): 35. 191. Barrie, PP 25.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Walt Disney’s Peter Pan (1951) [John (mit einem Bügel als Haken in der rechten Hand) und Michael spielen Hook und Pan] - [John] I’ll teach you to cut off me hand! - [Wendy] Oh, no, John. It was the left hand. - [John] Oh yes. Thank you, Wendy. [Erzähler] Wendy, the eldest, not only believed. She was the supreme authority on Peter Pan and all his marvellous adventures. Mr. Darling, der für die patriarchalische Welt der Ordnung und Vernunft steht, beweist seine Macht, indem er Nana aus dem Haus schickt und Wendy die Verbannung aus dem Kinderzimmer ankündigt, da diese nicht nur selbst den Kopf voller Spinnereien hat, sondern auch noch ihre Brüder damit infiziert. Am Ende wird Wendy, im Gegensatz zu den Lost Boys, die mit Peter zurückbleiben, bereit für den neuen Lebensabschnitt sein. [Wendy] I am ready to grow up. [Mr. Darling] Oh, oh! Well, my dear, all in good time.

4.2.3. Disney vs. Barrie Wendys beginnende Adoleszenz bedeutet auf der Handlungsebene des Films für Peter, dass er keine Geschichten mehr von ihr hören können wird. Er beschließt deshalb, sie ins Neverland zu bringen. Er dringt zusammen mit Tinker Bell in das Schlafzimmer der Kinder ein, um seinen Schatten zu suchen, den Wendy in einer Schublade aufbewahrt. In typischer Disney-Manier folgt nun eine wilde Jagd nach dem flüchtenden Schatten, bei der Wendy erwacht, aufsteht und sofort ohne Unterlass zu reden beginnt. Tink, die in einem Spiegel die Kurven ihrer Figur und besonders kritisch ihre breiten Hüften inspiziert192, kann sich gerade rechtzeitig aus einer geschlossenen Schublade befreien, um zu verhindern, dass Wendy Peter einen Kuss gibt. Disney zeigt an Stellen wie diesen, dass er aus den Fehlern des Paramount-Stummfilms gelernt hat. Statt dicht an der vorgegebenen Handlung zu bleiben, setzt er auf spektakulärere Aktionen und begnügt sich damit, Szenen aus Barries Vorlage nur anzuzitieren. Das trifft für die überkommene kiss/thimble-Szene wie auch für den Streit um die Einnahme der Medizin zu. Wendy benötigt die Eichel nicht, denn als Long Tom gefeuert wird, ist Peter als Held zur Stelle, um das Feuer auf sich zu ziehen, und fängt Wendy in seinen Armen auf, als die Lost Boys auf sie schießen. Kurz bevor Wendy Peter küssen will, sehen wir, wie Tink in ihrer Schublade einen Fingerhut auf dem Kopf trägt. Ähnlich angedeutet wird die Rolle der Medizin. Nana füllt zwar Arznei in Löffel und serviert diese, wir sehen jedoch nicht, wie sie eingenommen wird. Statt Nana zu bedauern, weil sie die bittere Medizin geschluckt hat, wird sie gestreichelt und umsorgt, als sie und Mr. Darling bei einer größeren Karambolage zu Fall kommen, was schließlich der Auslöser für ihre Verbannung aus dem Kinderzimmer ist. Als die Kinder schließlich 192. “It was a girl called Tinker Bell exquisitely gowned in a skeleton leaf, cut low and square, through which her figure could be seen to the best advantage. She was slightly inclined to EMBONPOINT.” (Barrie, PW 23f.)

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Walt Disney’s Peter Pan (1951) davon fliegen, wird auch die im Garten sitzende Nana von Michael mit Feenstaub bedacht, schwebt himmelwärts, und einen schrecklichen Moment lang befürchtet man, sie fliege mit ins Neverland, was tatsächlich in einer frühen Version des Filmskripts so vorgesehen war, dann aber glücklicherweise gestrichen wurde.193 So mutet es etwas befremdlich an, dass diese Einstellung beibehalten wurde, und auch dass Nana erst verwundert und dann wissend lächelt als sei sie die ganze Zeit dabei gewesen, als Wendy erzählt, sie habe Peter “codfish” genannt, und sich dann verbessert, es wäre Hook gewesen, zu dem man dies gesagt hätte. Wir sehen Pan und die Darling-Kinder zu den Klängen von We Can Fly über das sommerliche London kreisen.194 Dass der gesamte Aufenthalt im Neverland nur ein Traum ist und stattfindet, während Mr. und Mrs. Darling sich auf der Party befinden, wird durch die Schlussszene hinreichend verdeutlicht. Der Film geht jedoch noch einen Schritt weiter, um die unterschiedlichen Zeitebenen der realen Welt und des Neverlands zu trennen und zeigt Big Ben vor dem Abflug um acht Uhr und eine Standuhr im Flur der Darlings bei der Rückkehr der Kinder um elf.

4.2.4. Die Charaktere Auf der Insel schmiedet Captain Hook, dessen Gesten, despotisches Gehabe und zum Cholerischen tendierende Stimme von Mr. Darling geteilt werden, einen Plan, um Peter Pan zu töten.195 Seine Mannschaft steht bereits kurz vor der Meuterei, da die Piraten es leid sind, vor der Küste des Neverlands auf Peter zu lauern, statt auf offenem Meer ihrem Geschäft nachzugehen. Weitaus loyaler und zu absolutem Gehorsam verpflichtet ist dagegen die in Tierfelluniformen gekleidete Truppe Peters. Die paramilitärische Vereinigung der Lost Boys unter der Leitung Johns - ausgerechnet John, dem Barrie explizit jegliche Führungsqualität im Neverland abspricht, wird hier von Peter die Führung übertragen singen, begleitet von Marschmusik, einen so unkritischen und politisch brisanten Text, dass er auch schon (oder besonders) in den frühen 50er Jahren Unmut erweckt haben muss. Es ist fraglich, ob hier Tendenzen zu kommunistischer Gleichschaltung oder gar Ähnlichkeiten mit der Hitler-Jugend intendiert sind oder ob die Hierarchie eine normale Bande von Kindern wiederspiegelt, die einen geistigen Anführer braucht.

193. Donald Crafton, “The Last Night in the Nursery: Walt Disney’s Peter Pan.” The Velvet Light Trap 24 (1989): 36. 194. In PW ist es dagegen eindeutig Winter (vergleiche Barrie, PW 22.). Vermutlich hatte Barrie die Jahreszeit passend zur Aufführung des Stückes um die Weihnachtsfeiertage gewählt. 195. Beiden Figuren leiht Hans Conried seine Stimme. Damit wird die Bühnentradition, dass Hook und Mr. Darling vom gleichen Schauspieler gemimt werden, fortgesetzt.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Walt Disney’s Peter Pan (1951) Following the leader, the leader, the leader We’re following the leader wherever he may go […] We march in line and follow the other one […] We’re off to fight the Injuns [sic] because he told us so […] We march along and these are the words we say”196 Die Lost Boys bleiben eine Horde anonymer Statisten, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu streiten beginnen und ansonsten keine Charakterentwicklung zeigen. Noch deutlicher ist das gleiche Phänomen bei den Piraten, aus deren Mitte allerdings Hook und Smee herausragen, und den Indianern, mit Ausnahme des Häuptlings und Tiger Lilys zu beobachten. Die Jungen werden bald von den Indianern gefangengenommen. [Häuptling] For many moons, red man fight paleface Lost Boys. [Lost Boys] Ugh! Ugh! Ugh! [Häuptling] Sometime you win. Sometime we win. [Cubby] Okay, Chief. Uh, you win this time. Now turn us loose. [John] “Turn us loose“? You mean this is only a game? [Foxy] Sure. When we win, we turn them loose. [First Twin] When they win, they turn us loose. [Second Twin] They turn us loose. [Häuptling This time no turnum loose. [Lost Boys] Huh? [Foxy] The Chief ’s a great spoofer. [Häuptling] Me no spoofum. Der Grund für die Änderung des herkömmlichen Ablaufs ist natürlich, dass Tiger Lily verschwunden ist, und so droht den Jungen der Marterpfahl, da der Häuptling die Jungen für verantwortlich hält. Die Indianer sind in Barries Werk Repräsentanten des Noble Savage, wie er der europäischen Welt aus J. F. Coopers The Last of the Mohicans und anderen Erzählungen bekannt war. Dabei ironisiert Barrie in PW die literarisch etablierten klischeehaften Verhaltenweisen der amerikanischen Ureinwohner. By all the unwritten laws of savage warfare it is always the redskin who attacks, and with the wiliness of his race he does it just before the dawn, at which time he knows the courage of the whites to be at its lowest ebb. […] Through the long black night the savage scouts wriggle, snake-like, among the grass without stirring a blade. The brushwood closes behind them, as silently as sand into which a mole has dived. Not a sound is to be heard, save when they give vent to a wonderful imitation of the

Abb. 11: Indianerhäuptling

196. Ted Sears und Winston Hibler, Following The Leader. Musik von Oliver Wallace.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Walt Disney’s Peter Pan (1951) lonely call of the coyote. The cry is answered by other braves; and some of them do it even better than the coyotes, who are not very good at it. […] They left nothing undone that was consistent with the reputation of their tribe. With that alertness of the senses which is at once the marvel and despair of civilised peoples, they knew that the pirates were on the island from the moment one of them trod on a dry stick; and in an incredibly short space of time the coyote cries began. Every foot of ground between the spot where Hook had landed his forces and the home under the trees was stealthily examined by braves wearing their mocassins with the heels in front. […] Everything being thus mapped out with almost diabolical cunning, the main body of the redskins folded their blankets around them, and in the phlegmatic manner that is to them, the pearl of manhood squatted above the children's home, awaiting the cold moment when they should deal pale death. […] Even then they had time to gather in a phalanx that would have been hard to break had they risen quickly, but this they were forbidden to do by the traditions of their race. It is written that the noble savage must never express surprise in the presence of the white. Thus terrible as the sudden appearance of the pirates must have been to them, they remained stationary for a moment, not a muscle moving; as if the foe had come by invitation. Then, indeed, the tradition gallantly upheld, they seized their weapons, and the air was torn with the war-cry; but it was now too late.197 Bei Disney sind die stolzen Indianer zu rassistisch gezeichneten Stereotypen mit knallroter Hautfarbe und karikierten Gesichtszügen verkommen, während die Kinder in realistischeren Proportionen dargestellt sind. Der Stamm, zwischenzeitlich immer wieder in unverständliche, primitive Laute verfallend (“Hana Mana Ganda”), ist scheinbar auf anachronistische Werte gegründet - Wendy wird von einer riesigen Indianerfrau befohlen, Feuerholz zu holen statt mit den anderen zu tanzen und zu rauchen - doch in Wirklichkeit ist dies auch die traditionelle Rollenverteilung zwischen Mann und Frau, die implizit beim Ehepaar Darling vorzufinden ist. Das Lied What Makes the Red Man Red?, in dem berichtet wird, wie der erste Indianer von einer Squaw geküsst wurde und dabei vor Scham errötete, wird von Trommlern und Tänzern begleitet, und Tiger Lily führt einen eindeutig erotischen Tanz für Peter auf. Auch die Meerjungfrauen der Insel sind von Peter sehr angetan. Als er Wendy die Lagune zeigt, versuchen sie die Rivalin ins Wasser zu ziehen und machen abschätzige Bemerkungen über ihr Nachthemd. Peter lacht nur darüber, und wir sehen ihn zum ersten Mal in seiner ganzen Gefühlskälte und Gleichgültigkeit. Dann ziehen, wie in der Vorlage, dunkle Wolken auf, und Hook und Smee erscheinen auf der Bildfläche - mit der an einen Anker gefesselten Tiger Lily, die den Ort von Peters versteckter Behausung verraten soll.

197. Barrie, PW 123ff.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Walt Disney’s Peter Pan (1951) Von Barries Marooners’ Rock wurde die Szene nach Skull Rock verlegt, und wie der Name selbst, ist auch die Handlung von Tragik auf publikumswirksame Action verschoben. Niemals besteht Gefahr für den übermächtigen, fliegenden Pan Disneys, der Hook während des langen Duells zur verzweifelten Witzfigur entwertet. Am Ende entkommt Hook nur knapp dem Krokodil, Peter geht in Napoleon-Pose und muss in seiner Selbstverliebtheit erst von Wendy

Abb. 12: Hook am Cembalo

daran erinnert werden, Tiger Lily aus dem Wasser zu fischen. Hook täuscht Tinker Bell, die von Peter wegen Hochverrats für eine Woche verstoßen worden ist, Mitleid vor und bietet an, Wendy, die er als Quelle des Zerwürfnisses identifiziert hat, zu entführen. Dabei spielt er verführerisch Cembalo. The man was not wholly evil; he loved flowers (I have been told) and sweet music (he was himself no mean performer on the harpsichord);198 So verrät ihm Tink den geheimen Eingang der unterirdischen Höhle, worauf sie von Hook in eine leere Laterne eingesperrt wird. Die Kinder - zurück von ihren Abenteuern bei den Indianern - werden von Wendy, die von den Erfahrungen im Neverland gereift und ernüchtert ist, daran erinnert, dass es Zeit ist, nach Hause zurückzukehren. [Peter im Idiom der Indianer] No go home. Stay many moons. Have heap big time. [Wendy] Now Peter, let’s stop pretending and be practical. [Peter] Chief Flying Eagle has spoken. [Wendy] Oh, for goodness sake. Please, boys. Do you want to stay here and grow up like - like savages? [Michael] Of course. [Wendy] But you can’t. You need a mother. We all do. Während Wendy den Lost Boys von den Qualitäten einer Mutter vorsingt, waschen sich die Jungen die Kriegsbemalung ab und werden von primitiven Wilden wieder zu netten Menschenkindern. Schnell sind John und Michael von den Vorteilen überzeugt, und auch die Lost Boys wollen sich entgegen Peters Ratschlag anschließen, doch inzwischen haben sich die Piraten vor dem Eingang in Position gebracht und nehmen die ganze Schar gefangen.

198. Barrie, PW 133.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Walt Disney’s Peter Pan (1951) Hook platziert ein als Geschenk von Wendy getarntes Päckchen in der unterirdischen Behausung, welches eine an einen tickenden Wecker199 gekoppelte Zeitbombe enthält, um Peter zu töten. Tink hört von diesem Plan, kann sich befreien und rettet ihn in letzter Sekunde. Bei der Explosion wird sie allerdings verletzt. Peter kümmert sich nun erst um sie, bevor er die anderen rettet. “You mean more to me than anything in this whole world.” Dies ist wohl eine der am häufigsten diskutierten Stellen des Films, denn Peters klassischer Publikumsaufruf entfällt, möglicherweise aus dem Gefühl heraus, das dies für ein Kinopublikum peinlich und albern wirken muss. So wird impliziert, dass Tink allein durch Peters Zuwendung gerettet wird, der Zuschauer wird aber nicht Zeuge ihrer Genesung. Beim finalen Kampf, der einer Reprise der Lagunen-Szene gleicht, ist Hook wiederum chancenlos, bis er Peter herausfordert, nicht zu fliegen, sondern einen fairen Kampf zu liefern, worauf dieser eingeht. Doch Peter triumphiert natürlich dennoch. Hook fällt, nachdem er sich ergeben hat und eben Peter hinterrücks mit seinem Haken töten will, in den geöffneten Rachen des Krokodils, und die Totenkopfflagge, welche Peter vom Mast geschnitten hat, breitet sich auf dem Wasser über dem untergetauchten Tier aus. Doch Hook wird nicht sofort gefressen. Im nächsten Moment klettert er wieder aus dem Maul hervor und schwimmt davon, verfolgt vom Krokodil, bis beide am Horizont verschwinden. In Hooks Kleidung angetan und mit Hilfe von Tinks pixie dust segelt Peter gen London.

4.2.5. Ein Traum Dort kommen die Darlings gerade von der Party zurück, ohne zu wissen, dass die Kinder jemals fort waren, doch Mr. Darling hat sich inzwischen entschieden, Wendy im Kinderzimmer zu belassen. Bei Betreten des Zimmers fällt der angstvolle Blick Mrs. Darlings auf das leere Bett Wendys, um sie eine Schrecksekunde später am offenen Fenster schlafend zu finden. Am Himmel fliegt ein Schiff aus Wolken davon, und die letzten Worte gehören Mr. Darling, der das ohnehin pathetische Ende auf die Spitze treibt. You know, I have the strangest feeling that I’ve seen that ship before, a long time ago when I was very young. Strukturell weicht die Handlung des Films im Ganzen also nicht weit von Barries Vorlage ab. Hinzu kommen Slapstick-Humor und wilde Verfolgungsjagden zwischen Hook und dem Krokodil, die für Kinder lustig sein mögen. Das neue Ende enthüllt, dass 199. Der Austausch des Giftes durch eine Zeitbombe betont noch einmal den Aspekt verstreichender Zeit.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Walt Disney’s Peter Pan (1951) die Abenteuer im Neverland lediglich ein Traum Wendys waren. Während ein solch dramatischer Wechsel zwischen Realität und Traumwelt in einem herkömmlichen Film (mit Schauspielern) hilfreich sein kann, um die Andersartigkeit des Fantasieortes zu unterstreichen, muss ein Zeichentrickfilm seine Zuschauer nicht daran erinnern, dass das Gezeigte nicht die wirkliche Welt ist: alles deutet sowieso darauf hin; der Traumcharakter liegt, so ließe sich argumentieren, in der Natur des Genres. [...] we feel some regret that Mr Disney did not depart further from his [Barries] original and send a new family (or perhaps a younger generation of the Darlings) to a Never, Never Land which he has made so much nearer to the modern child’s conception than the more decorous island we have grown used to on the stage.200

Abb. 13: Peter Pan

200. Green, Fifty Years of Peter Pan 167.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Hook (1992)

4.3. Hook (1992) Pan came out of the woods one day,His skin and his hair and his eyes were gray, Robert Frost, 1913201

[Tootles] - I’ve forgotten how to fly. [Kriminalbeamter] - Yes, well, one does. Hook, 1992

Der Vollständigkeit halber soll angemerkt sein, dass als 1992 - rund 40 Jahre nach Disneys Bearbeitung - Hook in den Kinos erschien, Peter Pan keineswegs auf der Leinwand in Vergessenheit geraten war. Im März 1955 hatte es eine NBC-Liveübertragung des Broadway-Musicals Peter Pan (gespielt von Mary Martin) gegeben und 1977 eine Fernsehproduktion mit Mia Farrow in der Hauptrolle. Eine Zeichentrickserie Fox’s Peter Pan and the Pirates, die neue Abenteuer der Lost Boys zeigte, wurde in den frühen 90er Jahren ausgestrahlt.

4.3.1. Synopsis Steven Spielbergs Hook spielt mit dem Gedanken, dass sich Pe t e r P a n i n We n d y s Enkelin Moira202 verliebt hat

und

deshalb

beschloss, nicht mehr ins Neverland zurückzukehren. Der Film führt einen

Peter

Abb. 14: Peter Banning und Peter Pan

Pan

mittleren Alters ein, der von amerikanischen Eltern adoptiert wurde und seinen Namen in Peter Banning geändert hat. Ohne sich an seine Vergangenheit erinnern zu können, führt Peter ein Leben als erfolgreicher Wirtschaftsanwalt. Obwohl er glücklich verheiratet ist und zwei Kinder hat, nimmt er sich kaum Zeit für seine Familie und ist einzig mit seiner Arbeit beschäftigt. Als sie alle nach London reisen, wo zu Ehren von Moiras Großmutter, Wendy Darling, die Peter als Waisenkind großgezogen hat, eine wichtige Festivität stattfindet, werden die Kinder unter mysteriösen Umständen entführt. Wendy enthüllt dem ungläubigen Banning, dass er die Figur aus J.M. Barries bekanntem Roman ist. In dieser Nacht holt Tinker Bell Peter ins Neverland, wo er langsam erkennen muss, wer er wirklich ist, um gegen Hook antreten zu können. Mit der Hilfe der Lost Boys und 201. Frost, Robert Collected Poems of Robert Frost (New York: Henry Holt & Co., 1939) 33. 202. Bei Barrie heißt Wendys Enkelin nicht Moira, sondern Margaret, doch ist das Ende von PW im Ganzen inkompatibel mit der Logik des Films.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Hook (1992) Tinker Bells besiegt er schließlich den Piraten, rettet seine Kinder und kehrt als besserer Mensch nach Hause zurück.

4.3.2. Ein neuer, alter Pan Man muss sich vorsehen, Hook nicht vorschnell als falsche Interpretation zu kritisieren. Natürlich widerspricht es der grundlegenden Idee Peter Pans, dass sich Peter verliebt und die Verkörperung dessen wird, was er am meisten hasst. Daher scheint es nicht angebracht, Hook als eine Fortsetzung Peter Pans zu betrachten, sondern eher als ein Spiel mit der Frage “Was wäre wenn ...?”. Es fällt zunächst schwer, den Charakter Peter Pans hinter der Maske Peter Bannings, des reichen Anwalts, zu entdecken, doch die Transformation im Neverland gelingt glaubwürdig und stimmungsvoll. Inhaltlich lässt sich Hook nicht mit dem herkömmlichen Peter-Pan-Stoff vergleichen - auch ist der Film bei weitem nicht so vielschichtig wie Barries Texte, aber gerade unter dem Gesichtspunkt der Intertextualität ist er sehr interessant, da Hook eine Fülle von Referenzen an Peter Pan beinhaltet. Es findet eine deutliche Verschiebung vom Mutter-Thema der Vorlage zur Vater-Sohn-Problematik statt, und vor allem der Vanitas-Aspekt, symbolisiert durch die verschiedensten Uhren, erfährt eine Aufwertung. Ähnlich der in der mittelalterlichen Artus-Epik gebräuchlichen Doppelführung der Aventüre kehrt Peter zunächst nach seinem ersten Abenteuer nach Hause, heiratet Moira und führt ein glückliches Leben. Doch wie die Ritter der Tafelrunde wird er faul und verfolgt nicht mehr die richtigen Ideale und Werte, so dass er ein zweites Mal ausziehen muss, um seine Ehre und das Glück wiederzugewinnen. Mit seiner verschwenderischen Ausstattung an Kulissen und Kostümen sowie der einigermaßen einfallsreichen Geschichte dürfte es Hook gelungen sein, es der Bühnenversion PP gleichzutun und die Wünsche von Kindern und (junggebliebenen) Erwachsenen gleichermaßen zu befriedigen.

4.3.3. Amerika Als Einführung und deutliche Markierung des intertextuellen Bezugs dient Hook eine Aufführung Peter Pans, als Weihnachtsmärchen in der Schule von Bannings Tochter. Damit wissen auch Zuschauer, die nicht bereits aus dem Namen des Films auf den thematischen Kontext geschlossen haben, dass sich das Folgende in einem intertextuellen Dialog zu dem bekannten Werk Barries befindet. Diese Anfangsszene zeigt den Moment, in dem Peter vergeblich versucht, seinen Schatten an den Füßen zu befestigen und zu weinen beginnt. Der Schatten ist eines der beliebteren Stilmittel in Hook: Wir werden Jacks Schatten zu monströsen Dimensionen anwachsen sehen, als er Maggie Schauergeschichten erzählt203, Peters Schatten kündigt im Kinderzimmer den Abflug ins Neverland an, und der Film zitiert damit natürlich auch die ursprüngliche Szene in PP. 203. Dies erinnert an Maimie in TLWB, die ihren Bruder zur Schlafengehenszeit mit ähnlichen Erzählungen erschreckt.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Hook (1992) Überdies ist es sein Schatten, der Peter die alte Behausung der Lost Boys zeigt, wo er sich endlich seiner Herkunft erinnert und aus Peter Banning wieder Peter Pan wird. Gestört wird die idyllische Szene trauten Familienglücks durch einen Anruf von Bannings Geschäftspartner, was symptomatisch für die Situation dieses Prototypen der amerikanischen Wohlstandsfamilie ist. Nie hat der Vater Zeit für seine Kinder; er verspricht das wichtige Baseballspiel seines Sohnes anzusehen, doch versäumt es aufgrund geschäftlicher Verpflichtungen und ist auch ansonsten nicht an seinen Kindern interessiert. Wie der Original-Peter das Erwachsenwerden hasst, hat dieser Peter eine Abneigung gegen die Kindheit. [Peter] What the hell’s the matter with you? When will you stop acting like a child? [Jack] I am a child. [Peter] Grow up!

4.3.4. England Großer Wert wurde auf Authentizität des Hauses der Darlings in London gelegt, und etliche Details werden parallel zu Barries Beschreibung jenes legendären Abends, als Peter zum ersten Mal in Erscheinung tritt, geführt. Es schneit, das Haus trägt die Nummer 14, auch wenn Peter sich nicht mehr daran erinnern kann, Liza ist noch immer da, und auch einen Hund namens Nana gibt es, allerdings ist es nun ein Bobtail. In London, vor Großmutter Wendys Tür, lässt der Film zum ersten Mal durchscheinen, dass der vielbeschäftigte Anwalt Banning in Wahrheit niemand anders als Peter Pan ist. [Zu seinen Kindern] It’s time to look our best. Remember, dears: First impressions are the most important. “All look your best,” Peter warned them; “first impressions are awfully important.”204

Die etwa 90jährige Wendy, die wie Mrs. Darling bereits lange vor dem Empfang ihr Abendkleid trägt, liest ihren Urenkeln Stellen aus PW vor und erklärt den Kindern (und den Zuschauern) die Verbindung zwischen den “realen” Gegebenheiten und der literarischen Fiktion. Well, that is the same window, and this is the same room where we made up stories about Peter and Neverland, and scary old Captain Hook. And do you know, Mr. Barrie - well, Sir James - our neighbor he loved our stories so much that he wrote them all down in a book oh, dear me, 80 years ago. Tootles, inzwischen ein alter Kauz, der noch immer bei Wendy lebt, erklärt, er habe seine Murmeln verloren, was aus seiner Sicht real passiert und für die anderen zumindest 204. Barrie, PW 73.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Hook (1992) metaphorisch einleutend ist. Die Murmeln repräsentieren seine “happy thoughts”, die ja neben dem Fairystaub nötig sind, um zu fliegen. Am Ende wird Peter sie ihm aus dem Neverland zurückbringen und Tootles sich in die Lüfte erheben. In einer Tagebuchnotiz während seiner Studienzeit in Edinburgh schreibt Barrie: Grow up & have to give up marbles - awful thought.205 Es ist wohl davon auszugehen, dass die Recherchen zu Hook ausführlich waren, und dies kein Zufall ist. Wendy ist daran gewöhnt, dass Peter lange nichts von sich hören lässt, und es erstaunt sie daher auch nicht, dass seit seinem letzten Besuch zehn Jahre vergangen sind. Nachdem Jack, Peters Sohn, sie über den Beruf seines Vaters informiert hat, stellt sie schmunzelnd fest: So, Peter, you’ve become a pirate. Das Fenster des ehemaligen Kinderzimmers, dessen Tapete Szenen aus dem Neverland zeigt, steht noch immer auf. Wie Mr. Darling fröstelt es Peter, er schließt das Fenster und ermahnt Jack: - What have I told you about open windows? Keep this window closed. I’ve told you this a hundred times. Do we have open windows at home? - No, they’ve all got bars on them. Nach dem Vorbild der Darlings gehen die Eltern der Kinder auf eine Feier des Great Ormond Street Hospitals206, wo ein neuer Gebäudeflügel Wendy zu Ehren benannt wird. Zuvor hat Wendy die Nachtlichter im Kinderzimmer entzündet und mit den gleichen Worten bedacht wie einst Mrs. Darling. In der Abwesenheit der Erwachsenen werden Jack und Maggie nun von Hook entführt, der eine Notiz hinterlässt, in der er Peter auffordert, ins Neverland zu kommen. Doch Peter Banning kann sich nicht an seine ehemalige Heimat und seinen Erzfeind erinnern. Wir sehen seinen Schatten an der Decke des alten Kinderzimmers, wie bei seinem ersten Besuch im Haus der Darlings, doch als die Kamera herunter schwenkt, sieht man nur den übergewichtigen, angetrunkenen Anwalt Banning. Als Peter ans Fenster tritt, kommt ein gleißender Lichtball herein geflogen, den Peter erst für eine “Firefly from Hell” hält, bei dem es sich aber um Tinker Bell handelt. Der Auftritt Tinks ist anfangs ihrer Erscheinung auf der Bühne nachempfunden, wo ein gespiegeltes Spotlight über die Wände huscht, und um realistischer zu wirken, an Stellen, 205. Barries Notizbücher, zitiert nach Birkin, J.M. Barrie and the Lost Boys 12. 206. Barrie vermachte 1929 die Tantiemen für alle auf Peter Pan basierenden Theateraufführungen, Filme und Buchpublikationen dem Londoner Kinderkrankenhaus Great Ormond Street. Als 1987 das Copyright auslief, veranlasste dies das House of Lords, eine einzigartige Ausnahme des Urheberrechts zu schaffen, um das Krankenhaus auch weiterhin, bis zum Ende seines Bestehens, am Erfolg Peter Pans teilhaben zu lassen.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Hook (1992) an denen es stillsteht, beispielsweise eine Schale oder ein Puppenhaus zum Leuchten bringt - ein Effekt, der durch Glühbirnen an den jeweiligen Orten realisiert wird. Auch in Hook sieht man zunächst wenig mehr als ein umherschwirrendes Licht, das - und dies ist wieder als bewusste Anspielung auf die Bühnentradition zu verstehen - ebenfalls in ein Puppenhaus fliegt. Von dort aus erzählt Tinker Bell Peter, wer sie ist; er jedoch behauptet, nicht an fairies oder pixies zu glauben. [Peter] I do not believe in fairies. [Tink] Every time someone says, “I do not believe in fairies” somewhere there’s a fairy that falls down dead. [Peter, schreiend] I do not believe in fairies! [Tinker Bell tut, als sterbe sie.] [Peter] Oh, my God, I think I killed it. Are you alive, little bug? [Tink, schwach] Clap your hands, Peter. It’s the only way to save me. [Peter klatscht vorsichtig in die Hände.] [Tink, empört] Louder, Peter! [Peter, laut klatschend] Okay, I’m clapping! Oh God, you’re alive. [Tink] All right, now. Who am I? [Peter] You’re, um - you’re a complex Freudian hallucination having something to do with my mother and I don’t know why you have wings, but you have very lovely legs and you’re a very nice tiny person, and what am I saying? I don’t know who my mother was, I’m an orphan, and I’ve never taken drugs because I missed the sixties, I was an accountant. Auf den ersten Blick ist von Barries hübscher, aber eigensinniger und manchmal gemeiner fairy Tinker Bell (außer den “lovely legs”) nicht viel geblieben. Doch die ursprüngliche Konzeption des Charakters ermöglicht ja auch eine andere Gesinnung, nur eben nicht gut und böse auf einmal. In Hook ist Tink jedenfalls selbstlos und hilfsbereit und trägt Peter, in einen Teppich gewickelt, ins Neverland.

4.3.5. Neverland Die verschiedenen Jahreszeiten, die im Neverland gleichzeitig herrschen, sind überzeugend umgesetzt. Sogar die Blumen aus Barries Filmskript tauchen auf. Sie bilden zwar keine Prozession hinter Peter, aber beschnüffeln ihn immerhin. In Hook wurde gänzlich auf die Indianer verzichtet, wohl weil sich der PiccaninnyStamm nach dem entscheidenden Kampf mit den Piraten andere Jagdgründe gesucht hat. Einzig eine Narbe, die Captain Hook Peter auf Marooners’ Rock bei dem Zwischenfall mit Tiger Lily beigebracht hat und die für Hook der Beweis dafür ist, dass Banning Pan ist, erinnert noch an ihre Existenz. Die Lost Boys wohnen in den Baumkronen, wohin Peter ja laut der Romanvorlage Wendys kleines Haus bringen lassen wollte. Ihre Malzeiten sind wie eh und je make-believe, bis es Peter gelingt, an sich selbst zu glauben, schließlich seiner Fantasie freien Lauf lässt und dadurch die unsichtbare, imaginäre Speise in richtiges Essen verwandelt. Die folgende Schlacht mit bunter Sahne erinnert an die Kissenschlacht der Vorlage. Statt Fußball in der Luft, wie Barrie es für den Stummfilm

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Hook (1992) vorgeschlagen hatte, spielen die Lost Boys Basketball auf Skateboards. Vor allem aber mag diese Idee Inspiration für das große Baseballspiel bei den Piraten gewesen sein.

Abb. 15: Baseball bei den Piraten In einem neuen intertextuellen Bezug referiert Hook auf William Goldings Lord of the Flies, wo ja ebenfalls eine Gruppe von Jungen ohne Erwachsene soziale Strukturen herausbildet. Banning empört sich anfänglich über die anarchistische Horde wilder Jungen. That’s enough! [zu Rufio] Okay, mister. All right. The show’s over now. You put that thing away, put it down before you poke somebody’s eye out. You’re not old enought to shave. What are you doing with a sword? Flying around - This is an insurance nightmare! What is this, some Lord of the Flies preschool?

Hook verfällt aus Enttäuschung über den erwachsenen Peter Pan, der so gar nichts mit seinem “great and worthy opponent” mehr gemein hat, und die in Aussicht stehende wenig befriedigende Rache in Depressionen und ist durch sein Versprechen gegenüber Tinker Bell, ihr drei Tage Zeit zu geben, um Peter wieder in Form zu bringen, gebunden abzuwarten. Doch Smee hat die geniale Idee, die Kinder auf Hooks Seite zu ziehen. Wie Peter in PP den Kindern berichtet, wie seiner Erfahrung nach Mütter wirklich sind - auch wenn seine Befürchtungen bei Mrs. Darling unbegründet sind -, ist es in Hook der Piratenkapitän, der den Banning-Kindern erzählt, wie viel glücklicher die Eltern ohne sie sind. Da Peters Tochter Maggie - wie vormals Wendy - sich noch recht gut an ihre Familie erinnern kann, ist sie weniger empfänglich für Hooks Intrigen. So konzentriert er sich besonders auf den ohnehin von seinem Vater enttäuschten Jack, der nach und nach zu einer Miniaturversion des Piraten wird. Hier erfährt er die Aufmerksamkeit, die er von seinem Vater nie erhalten hat, eine Problematik, die für den Peter-Pan-Stoff bis dahin fremd war. Dieser Aspekt ist wiederum mit der Vergänglichkeit der Kindheit assoziiert. Moira warnt Peter:

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Hook (1992) Your children love you. They want to play with you. How long do you think that lasts? Soon Jack may not even want you to come to his games. We have a few special years with our children when they’re the ones that want us around. After that, you’re going to be running after them for a bit of attention. It’s so fast, Peter. It’s a few years, and then it’s over. Als Symbol für die ablaufende Zeit steht die tickende Uhr: Big Ben in London, eine goldene Taschenuhr, die Peter seinem Sohn überreicht, die Uhr im Maul des ausgestopften Krokodils im Piratenhafen, Hooks Sammlung kaputter Uhren (“Each one ticked its last tock, and now all is well.”) - selbst Tinker Bell wohnt in einem Uhrkasten. Warum es in einem Land, in dem die Zeit keinen Gesetzen gehorcht, überhaupt Uhren gibt, bleibt allerdings unbeantwortet. Hook hat eine Uhrenphobie, die aus der Zeit stammt, als ihn das Krokodil noch verfolgte. Seitdem zerstört er alle Uhren im Neverland, unter anderem “Barbecue’s very own bedside clock”. Jack zerschlägt symbolisch die Taschenuhr seines Vaters, um sich für all die uneingelösten Versprechen zu rächen. Derweil findet Peter mit Hilfe seines sich verselbständigenden Schattens die alte Höhle unter der Erde, in der er mit Wendy und den Lost Boys gewohnt hat, und erinnert sich nun an seine Herkunft. Die Erinnerung geht bis ins Baby-Stadium zurück, und wir sehen, wie Peter im Kindergarten in den Kensington Gardens von seiner Mutter wegrollt und dann von Tinker Bell ins Neverland gebracht wird. Als Grund, warum er nicht groß werden will, heißt es in Hook: I was afraid because I didn’t want to grow up because everybody who grows up has to die someday. So I ran away. Dies ist natürlich eine simplere und gänzlich andere Motivation als die von Barrie intendierte. Der “echte” Peter hat eindeutig keine Angst davor zu sterben, er sieht den Tod als Abenteuer. Es sind vielmehr Verantwortung und Ernsthaftigkeit des Erwachsenseins sowie der unabwendbare Verlust seiner Ungebundenheit und Lebensfreude, die ihm Sorge bereiten. Peters Vorgeschichte, die, wie Barrie es in seinem Manuskript für den Stummfilm vorschlägt, in einer Rückblende szenisch ausgearbeitet und nicht nur erzählt wird, ist also leicht abgeändert. Als (der bis dahin noch spitzohrige) Peter das letzte Mal Wendy besucht, ist sie bereits Großmutter, und Peter verliebt sich in ihre Enkelin Moira. Der Zeitpunkt dieses Besuchs ist, passend zur Zeitlinie der Handlung207, durch ein BeatlesPlakat über Moiras Bett zumindest ungefähr definiert. Die Erinnerungsequenz führt dann zur Geburt seines Sohnes Jack, und damit hat Peter - nun wieder im Neverland - den

207. Wendy ist zur Zeit der Haupthandlung etwa 90, wenn man den Roman von 1911 statt der Bühnenfassung als Ursprung annimmt. Peters Abschied vom Neverland vollzieht sich in den 60er Jahren.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Hook (1992) “happy thought” gefunden, der ihm zum Fliegen bisher fehlte. Es folgen Flugszenen über der Insel, wie Barrie sie sich schon für den Stummfilm gewünscht hatte. Für eine Szene verwandelt sich Tinker Bell in eine Frau in Menschengröße, um Peter Pan küssen zu können und ihm ihre Liebe zu gestehen, doch er besinnt sich Moiras und seiner wahren Aufgabe, fasst endlich einen Rettungsplan für seine Kinder, und Tink darf ihr “You silly ass.” aufsagen. Warum sich Tinker Bell, wenn sie die Fähigkeit dazu hat, nicht schon viel eher verwandelt, bleibt ebenso fraglich wie der Wert dieser Szene für den Film.

4.3.6. Finale Der Endkampf zwischen Piraten und Lost Boys ist aufwändiger und farbenfroher, als es eine Bühnenproduktion jemals erreichen könnte. Statt eines verbitterten Kampfes auf Leben und Tod zeigt Hook eher die komischen Seiten der Auseinandersetzung: Piraten werden mit Eiern und faulem Gemüse beschossen, sie rutschen auf Murmeln aus und ergeben sich schließlich der überlegenen Kriegsführung der Kinder. Das traditionelle Duell zwischen Pan und dem Oberpiraten wird in Hook vom gewohnten Dialog eingeleitet. [Hook] Peter Pan, prepare to meet thy doom. [Peter] Dark and sinister man, have at thee. Später heißt es, Fragmente des Originaltextes zitierend: [Peter] Pan the Avenger is back. [Hook] And the Hook is waiting, Peter Pan. [Peter] Put up your swords, boys. It’s Hook or me this time. [Hook] Prepare to die, Peter. [Peter] To die will be a great adventure. [Hook] Death is the only adventure you have left. Das im Hafen aufgerichtete ausgestopfte Krokodil löst sich aus seiner Halterung und stürzt mit geöffnetem Rachen auf Hook, ein Rülpser ist zu hören, und Hook ist verschwunden. Die Rückkehr der Kinder ist wieder der Vorlage ähnlich. Jack und Maggie fliegen zum Fenster herein, betrachten ihre schlafende Mutter und legen sich in die Betten, um sie zu überraschen.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Hook (1992) Peter selbst erwacht, an das Peter-Pan-Denkmal208 in den Kensington Gardens gelehnt, während Smee als Straßenkehrer nahebei arbeitet. Es ist möglich, dass damit auf eine der Frühfassungen PPs angespielt wird, in der Slightly die Wege des Parks, wo Peter und Wendy in ihrem Baumhaus wohnen, fegt.209 Es folgt noch einmal ein Moment der Spannung, als Peter zum Fenster des Darlinghauses hinein will, dieses aber geschlossen ist, und er drinnen den Rest der Familie in glücklichem Beisammensein sieht. Diese Szene erinnert stark an die Rückblende seiner Kindheitserfahrung, doch Jack öffnet dem geläuterten Vater das Fenster, und das Happy-End ist perfekt, als Tootles auch noch seine Murmeln zurückerhält und gen Neverland

Abb. 16: Statue in den K.G.

davonfliegt. Der erwachsene Peter weint vor Glück, und Wendy stellt ihm die alte Frage, die auch den Film eingeleitet hatte, “Boy, why are you crying?”. PP endet zumindest in der gedruckten Fassung auf einer nachdenklichen, melancholischen Note. It has something to do with the riddle of his being. If he could get the hang of the thing his cry might become “To live would be an awfully big adventure!” but he can never quite get the hang of it, and so no one is as gay as he.210 Die letzten Worte Peters in Hook sind genau diese: “To live will be an awfully big adventure.”.

4.3.7. Transformationen Es ist bereits vereinzelt aufgezeigt worden, dass Hook nicht nur allgemein auf Elemente des Peter-Pan-Stoffes zurückgreift, sondern stellenweise die Originaltexte wörtlich zitiert. Dabei ist bei mehreren Dialogen eine Verschiebung der Sprecher zu beobachten, d.h. manche Sätze werden in Hook von anderen Personen gesprochen als bei Barrie. So muss sich nun Peter von einem überlegenen Hook als codfish beschimpfen lassen, und als dieser ihm sagt, dass seine Verwandlung in Pan nur ein Traum ist und er zu Hause wieder der alte Peter Banning sein wird, benötigt Peter (anstelle Tinks) die Zusicherung der anderen, dass sie an ihn glauben, um die Kraft weiterzukämpfen aufbringen zu können.

208. Barrie ließ diese von Sir George Frampton gestaltete Statue Peter Pans in den Kensington Gardens errichten. Sie wurde am 1. Mai 1912 ohne jegliche Zeremonie enthüllt. 209. Vergleiche Green, Fifyty Years of Peter Pan 66. 210. Barrie, PP 160.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, das Musical (2000) Tootles’ Satz, als er Wendy vom Himmel geschossen hat und Peters Strafe erwartet, wird nunmehr von Hook, der im Duell besiegt wurde, übernommen: “Strike, Peter Pan. Strike true.”. Diesmal ist es Maggies statt Wendys Hand, die Peter hindert, den Übeltäter zu bestrafen, doch Hook beweist auch hier wieder bad form, indem er einen versteckten Dolch zieht und mit den Worten “Whenever children read, it will say ’Thus perished Peter Pan.’” auf Peter eindringt, um das Ende der Geschichte zu verändern, das eingentlich “Thus perished James Hook.”211 lautet. Man muss Peter Pan nicht kennen, um den Film zu verstehen, doch bleiben dem unvorbereiteten Zuschauer viele Anspielungen und die Bedeutung mancher Szenen verborgen, die erst im Dialog der Werke Barries mit dem Film Sinn ergeben. Es ist in der Tat so, dass eine Wertschätzung des ansonsten über weite Strecken typische Hollywoodklischees präsentierenden Films ohne genauere Kenntnis der Originaltexte schwerlich erfolgen kann. Dabei sollte allerdings berücksichtigt werden, dass dies sicher nicht für Kinder gilt. Wie das Schauspiel oder das Musical Peter Pan kann auch Hook oberflächlich allein durch Spezialeffekte, exotische Charaktere und Fantasie überzeugen. Wie Barrie gelingt es Spielberg, zeitgemäße Unterhaltung zu bieten, die Kinder in ihren Bann zieht und deren Interessen trifft: ein riesiges Spektakel, das Barrie und Spielberg durch frühere Erfolge auch finanziell umzusetzen in der Lage waren, durchsetzt von viel Action und ständiger Abwechslung, das auch die kürzeste Konzentrationsspanne nicht überfordert.

4.4. Peter Pan, das Musical (2000) I think one of the things that we tried to do in this particular version is to go back and make it as much of the straight play as we could. The show has been so commercialized over the years that it lost some of the integrity of the story. Cathy Rigby212

Musicals - zumal am New Yorker Broadway - sind noch mehr auf Publikumserfolg und Kommerz ausgerichtet als das herkömmliche Theater, dem nach wie vor ein gewisser Kulturanspruch nicht gänzlich abzusprechen ist. So nimmt es nicht Wunder, dass hier nicht Dialogtreue und Bedeutungsinterpretation im Vordergrund stehen, sondern mehr Wert auf lautes Spektakel, verblüffende Effekte und märchenhafte Kulisse gelegt wird. Letztlich diktiert natürlich auch das Musical als Genre gegenüber dem Schauspiel strukturelle Veränderungen im großen Stil. 211. Barrie, PW 160. 212. Cathy Rigby. Zitiert nach Hanson, The Peter Pan Chronicles 261.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, das Musical (2000) Peter Pan als Musical ist heute, besonders in den USA, für viele Menschen wohl die bekannteste Version. Insgesamt häufiger aufgeführt als das Schauspiel, stellt das Musical mit Liedern und Tanzeinlagen für manche die definitive Form der Erzählung dar. Peter Lawrence, ein erfolgreicher Broadway-Produzent, war der erste, der Peter Pan als Musical auf die Bühne bringen wollte. Dazu veranlasste er seinen Freund Leonard Bernstein, die Musik zu schreiben und engagierte die Hollywood-Stars Jean Arthur als Peter und Boris Karloff als Hook. Doch es sollte sich herausstellen, dass die Hauptdarstellerin als Sängerin nicht geeignet war, und so wurde der Plan 1950 zugunsten einer herkömmlicheren Produktion geändert, die allerdings noch einige von Bernsteins neu komponierten Liedern213 sowie eine Balletsequenz für die Indianer enthielt und ein großer Publikumserfolg wurde.

4.4.1. Mary Martin ist Peter Pan Vor allen anderen ist es aber wohl der Name Mary Martins, der wie kein zweiter mit der Rolle des singenden und tanzenden Peter verknüpft ist. Sie war der Star der ersten, am Curran Theatre, San Francisco im Juli 1954 uraufgeführten Musical-Version des schon damals längst zum Klassiker avancierten Schauspiels. Produzent und Regisseur Jerome Robbins hatte die schwierige Aufgabe übernommen, Barries ursprüngliches Stück so umzugestalten, dass es seinen Star transportieren konnte, denn das Publikum würde nicht so kurz nach dem Erfolg Jean Arthurs einfach noch einen weiteren Peter Pan sehen wollen, sondern dafür Eintritt zahlen, eine singende Mary Martin als Pan zu erleben. Dafür wurden Szenen aufgegeben, in ihrer Reihenfolge umorganisiert, und neue Lieder kamen hinzu. Die fünf Akte wurden auf die für Musicals typischen zwei Akte reduziert, wobei im ersten fünf und im zweiten Akt drei Szenenwechsel entstanden. Grundsätzlich lief es darauf hinaus, dass der Text der Vorlage gekürzt wurde, um Zeit für die Musikstücke und Tanzeinlagen zu schaffen. So entfiel beispielsweise die gesamte Szene auf Marooners’ Rock, und erst die 1990er Produktion mit Cathy Rigby in der Hauptrolle führte diese wichtige Stelle, an der Peter verwundbar gezeigt wird, und damit auch seinen markanten Satz “To die will be an awfully big adventure.” wieder ein. Doch schon während der Proben und noch bei den ersten Aufführungen wurde Martins Rolle als nicht zentral genug angesehen. Als Konsequenz wurden andere Dialoge weiter gekürzt und vor allem Lieder, die vormals von Wendy, Hook, Tiger Lily oder den Lost Boys gesungen worden waren, gestrichen oder an Peter vergeben. Kathleen Nolan (Wendy) und Sondra Lee (Tiger Lily) kommentieren dazu:

213. Musik von John Crook, dem resident composer am Duke of York Theatre, war von Anfang an ein Teil auch der ersten Londoner Produktion gewesen.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, das Musical (2000) [...] the role of Peter Pan was not as clearly defined or wasn’t working. If you have a vehicle for Mary Martin and Mary Martin is not getting all the reviews, then something is wrong and it has to be fixed. The show revolves around a star. You have to face the nitty gritty. And the nitty gritty has to do with reality. It may be tipping the show. Unfortunately for me, the show is about Peter Pan.214

4.4.2. Happy-End Voraussetzung für ein konventionelles Musical ist ohne Zweifel ein Happy-End, das Barries Bühnenfassung aber nicht bietet. Zu viel unterschwellige Tragik steckt in Peter Pan insgesamt und besonders dem Ende, wenn das Publikum realisiert, dass es schließlich zu einem Konflikt kommen muss, wenn Peter Wendy Jahr für Jahr zum Frühjahrsputz abholen möchte, während sie altert. Glücklicherweise lag ja das alternative Ende Barries in Form des zusätzlichen Aktes An Afterthought bzw. des letzten Kapitels der Prosafassung vor. So endet das Musical versöhnlich, indem Wendys Tochter Jane sich anbietet, die Rolle ihrer Mutter zu übernehmen. Of course in the end Wendy let them fly away together. Our last glimpse of her shows her at the window, watching them receding into the sky until they were as small as stars.215 Es bleibt dem Zuschauer überlassen, sich folgende Generationen vorzustellen, so dass Peter nie allein sein muss. Der Roman ist hier eindeutiger. As you look at Wendy, you may see her hair becoming white, and her figure little again, for all this happened long ago. Jane is now a common grown-up, with a daughter called Margaret; and every spring cleaning time, except when he forgets, Peter comes for Margaret and takes her to the Neverland, where she tells him stories about himself, to which he listens eagerly. When Margaret grows up she will have a daughter, who is to be Peter’s mother in turn; and thus it will go on, so long as children are gay and innocent and heartless.216

4.4.3. Cathy Rigbys Pan In der jüngsten greifbaren Produktion des Musicals wird Peter Pan von Cathy Rigby gespielt, die im Alter von 15 Jahren Medaillengewinnerin bei den GymnastikWeltmeisterschaften und 1968 und 1972 Olympiateilnehmerin war. Überzeugend verkörpert sie, wie wenige vor ihr, den Aspekt des kleinen Jungen. Ihr Peter Pan ist physisch in der Lage zu tun, was er will, und kann Wendy durch athletische Tricks imponieren, wie es ein Junge normalerweise versuchen würde. Rigbys Stimme ist kräftig und ein wenig rauh, ihr Körperbau klein und sehnig, was weitere Vorzüge ihrer Interpretation der Rolle darstellt. 214. K. Nolan und S. Lee zitiert nach Hanson, The Peter Pan Chronicles 196. 215. Barrie, PW 184f. 216. Barrie, PW 185.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, das Musical (2000) Um so weniger passt die wieder eingeführte angebliche Unberührbarkeit Peters, auf die bereits in einem früheren Kapitel dieser Arbeit eingegangen wurde. Trotz aller Verbesserungen, die die Bühnentechnik in fast hundert Jahren durchlaufen hat, kommt auch dieses Broadwaystück noch immer nicht ohne mindestens zwei frontcloth-Einschübe217 aus, während die Szenenwechsel vollzogen werden. Vor der LagunenSzene tanzt Hook mit seinen Piraten eine Tarantella, und nachdem Tiger Lily Peter von Marooners’ Rock gerettet hat, singen die Lost Boys We have a Mother, um Zeit für den im Hintergrund stattfindenden Aufbau ihrer unterirdischen Behausung zu gewinnen. Eine erfrischende Neuerung ist die (ursprünglich für Cyril Ritchard, den Hook der Mary-Martin-Produktion, angepasste) Frage nach den letzten Worten der Mutter an ihre Söhne. Traditionell ein patriotisches Bekenntnis zur Monarchie, mag dies zu Recht als unzeitgemäß und eher peinlich empfunden worden sein, weshalb Hook nun, theatralisch den Schurken auskostend, Wendy das Wort abschneidet. - Silence, all, for a mother’s last words to her sons. - Dear, dear boys, these are my last words ... - Thank you. Thank you very much. To the plank.

4.4.4. Tanz und Gesang Im Gegensatz zum herkömmlichen Thater haben im Musical Text, Musik und Tanz den gleichen Stellenwert. Für eine Dramenvorlage bedeutet dies daher zwangsläufig eine Reduktion des gesprochenen Wortes zugunsten gesungener Passagen und der Darstellung durch choreographierte Bewegung. Dass Tanz und Musik nicht allein unterhaltsames Beiwerk, sondern in der Musicalproduktion tatsächlich zum integralen Bestandteil der Handlung Peter Pans geworden sind, soll exemplarisch anhand zweier Szenen gezeigt werden. Als erstes Beispiel dient die Darstellung Hooks, wenn er Pläne gegen Peter schmiedet. Immer wenn dieser nachdenken will, ruft er seine Männer um sich und tanzt mit ihnen. Während des Tangos, der Tarantella und des Walzers befindet er sich in einem Dialog mit den anderen Piraten. Er spielt dabei zumeist die Rolle des Vorsängers, während seine Mannschaft antwortet oder den Refrain grölt. Hooks Tänze sind einerseits komisch anzusehen, doch macht das durchaus ernst zu nehmende Oberhaupt der Piraten keinen Hehl daraus, dass es alles daran setzen wird, Peter zu töten. Ein anderes Beispiel für die perfekte Integration von Musicalelementen ist das über sechsminütige Stück Ugg-a-Wugg. Zu diesem Zeitpunkt können die Zuschauer nur ahnen, dass Peter von Tiger Lily gerettet wurde, und die Lost Boys wissen noch gar nichts über 217. Zwei dieser Szenen vor dem geschlossenen Vorhang werden in der Abfilmung gezeigt, es ist jedoch möglich, dass es insgesamt mehr sind, da einige Male Überblendungen von einer Szene zur nächsten stattfinden.

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Adaptionen des Peter-Pan-Stoffes: Peter Pan, das Musical (2000) den Verbleib ihres Anführers. Plötzlich stürmen die Indianer in die Höhle der Jungen, die sich sofort in Kampfpositur begeben. Doch Peter ist bei ihnen, erklärt die Situation und schlägt den aufgebrachten Lost Boys vor, Frieden zu schließen. - Come on, boys. Shake hands with your new brothers. - No. - Don’t be afraid. Let’s make two tribes into one. - But Peter ... - Boys, let’s make peace with our new friends. Im Verlauf dieses Showteils, der aus gemeinsamem Gesang, Tanz und Trommeln besteht, werden Indianer und Lost Boys zu Gefährten im Kampf gegen die Piraten. Lieder sind oft an entscheidenden Stellen eingesetzt und können Konfliktpotenzial für die kommende Handlung erzeugen. So überzeugt Peters Song I Gotta Crow Wendy (und das Publikum) davon, wie wunderbar es im Neverland sein wird, so dass in ihr der Wunsch geweckt wird, auch dorthin zu fliegen, und es ist Wendys Schlaflied Distant Melody, das Peter dazu bewegt, von seiner Erfahrung mit Müttern zu berichten und damit die Rückkehr der Kinder auszulösen.

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Schlussbetrachtung

5. Schlussbetrachtung

... and thus it will go on, so long as children are gay and innocent and heartless.218

Mit Peter Pan erschuf Sir James Matthew Barrie einen Mythos, der bald die Begrenzung seiner Herkunft hinter sich ließ und zum allgemeinen Kulturgut avancierte. Schon in seiner Entstehung ein formbarer Stoff, der sich aus mehreren literarischen Quellen speist, wurde er bald selbst ergiebiger Nährboden für Erweiterungen und Veränderungen nicht nur literarischer Art, sondern auch Objekt filmischer Adaptionen. Die eingangs dargelegten theoretischen Ausführungen zu Intertextualitäts- und Adaptionstheorie können bei der Betrachtung dieser Werke nur bedingt einen Beitrag leisten, sind sie doch von Natur aus generalisierend und bieten damit wenig konkrete Anhaltspunkte für die Untersuchung des Peter-Pan-Phänomens. Gerade in der Verarbeitung des Pan-Stoffes scheinen praktische und materielle Überlegungen eine größere Rolle gespielt zu haben, als ästhetisch-künstlerische. Diese Arbeit hat gezeigt, dass Elemente des Stoffes bis in Barries Kindheit zurückverfolgt und bereits in The Little White Bird augespürt werden können. Sie hat sinnfällig gemacht, welche Konstituenten der Geschichte des Jungens, der nicht groß werden wollte, von Bühnentraditionen, der vorhandenen Technik, dem Charakter der Schauspieler und anderen Realitäten des Theaterbetriebes beeinflusst wurden, bis es zur Uraufführung des Schauspiels und später zur Veröffentlichung des Dramentextes kommen konnte. Sie stellte weiterhin die erzähltechnischen und inhaltlichen Ergänzungen dar, die der Autor vornahm, um den Stoff - vielleicht noch prägnanter als zuvor - in Romanform zu präsentieren. Der Übergang zu den Adaptionen durch andere Künstler ist fließend, denn Barrie selbst schrieb das in dieser Arbeit vorgestellte Szenario eines Stummfilms, welches großes Fingerspitzengefühl für das damals noch junge Medium beweist. Leider wurde diese neue Version nie gedreht, sondern es entstand - wie herauszustellen versucht wurde - lediglich ein konventioneller, der Bühnenfassung sehr ähnlicher Film. Neue Impulse setzte Walt Disney, der Peter Pan seinen eigenen, unverwechselbaren Stempel aufdrückte. Bis heute ist diese Adaption für viele, gerade in Deutschland, der einzige Zugang - teilweise noch gefolgt von Hook, der Spielbergs Ruf für aufwendige Produktionen alle Ehre macht. Die Arbeit hat dargelegt, wie dieser Film, anstatt den Stoff an sich zu reproduzieren, ihn weiterdenkt und eine neue Geschichte daraus entstehen lässt. Gleichzeitig ist er aber den 218. Barrie, PW 185.

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Schlussbetrachtung Werken Barries zutiefst verpflichtet und zitiert den Autor in einem fort. Komplettiert wurde die Arbeit durch die Betrachtung des Musicals, welches wiederum genrespezifische Abänderungen wie das vermehrte Einsetzen von Musik- und Tanzeinlagen bedingte. Die Zukunft wird zeigen, ob sich der Mythos um Peter Pan auch im kommenden Jahrhundert wird behaupten können, doch es scheint relativ gewiss, dass es auch weiterhin Adaptionen des Stoffes geben wird. Diese werden sich mit Barries Original messen müssen, aber gleichzeitig von folgenden Generationen als die jeweils “echte” Version angesehen werden. Diese Rolle könnte etwa eine bislang nicht in Aussicht stehende, groß angelegte Spielfilmproduktion einnehmen, die sich nah an Barries Originaltexten orientiert oder aber auch bereits auf die hier besprochenen Adaptionen referiert. Ein solches Projekt wäre heute nur noch bedingt den Erfordernissen der hier untersuchten Versionen und Adaptionen des Stoffes unterworfen, da dank moderner digitaler Filmtechnik die Umsetzung weitgehend ungebunden von Naturgesetzen, Schauspielern und herkömmlicher, mechanischer Tricktechnik, wie sie etwa in Hook noch zu sehen ist, verlaufen würde. Der Stoff bietet auch Potenzial für die Umsetzung in neue, noch zu erschließende Medien, etwa in der Form interaktiver Virtual-Reality-Anwendungen, die den Nutzer selbst mit Peter in ein virtuelles Neverland fliegen ließen.219 Ein Ende der produktionsästhetischen Verarbeitung des Peter-Pan-Stoffes ist also nicht abzusehen. Barries Werk wird weiterleben.

219. Eine rudimentäre Vorform gibt es mit dem Peter Pan Ride bereits seit längerem in den Themenparks Disneyland und Disneyworld.

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Summary

6. Summary

This paper traces the history of Peter Pan, from its earliest beginnings as a story by Sir James M. Barrie to present-day cinematic adaptations. Departing from a brief introduction to theories of intertextuality and adaptation, commenting on different modes of intertextuality, the role of - and relationship between - author and reader, and the problems of adapting between genres and media. A short comparison of the three different media dealt with in the paper - theatre, book and film - is also undertaken. The main body of the thesis puts the various versions and adaptations of Peter Pan under scrutiny. It examines how Barrie’s childhood experiences, coupled with his early love for pulp adventure novels and a genuine fondness for children (especially for the brothers of the Llewelyn Davies family) blend into the stories which he made up to entertain the boys. The ideas thus conceived eventually resulted in his writing of a novel, The Little White Bird (1902) in which the character of Peter Pan first appears. The paper points out the similarities between this book and Peter Pan, or The Boy Who Wouldn’t Grow Up which reached the stage in 1904. Indeed, in many ways The Little White Bird can be read as a prequel to both the play and the prose version of Peter Pan. The chapter dedicated to the stage play discusses the tradition of the English pantomime as an additional source of ideas for Barrie’s story, and describes Peter Pan’s development from the first scripts and rehearsals for the original London production of 1904, through actual performances in England and America, to eventually the “final” text of the play, published 24 years after its first performance. The thesis documents some of the major changes that took place during this period and seeks to account for them. In a further step it analyses the novel Peter and Wendy in terms of its structure and the role and position of the narrator, and it takes a closer look at the way in which it employs parody and irony. It also highlights remnants from the novel’s past such as songs and restricted character movement, elements which betray its theatrical origin. Besides these works by Barrie, four Peter Pan adaptations are analysed in the second part of the paper. First, the film script that Barrie himself wrote and suggested to Paramount executives. This script, in exploiting fully the possibilities of the then new medium, deviated further from the original stage play than the actual Paramount movie which was made in 1924. Second, Walt Disney’s adaptation, in which the original story line and the characters are in many respects simplified, so that what is presented are often merely stereotypical caricatures. The focus of Disney’s film is also shifted from Peter to Wendy as the main protagonist, and the adventures in Neverland are discovered in the end only to have -92-

Summary happened in a dream, which spares Wendy the pain of having to wait for the ever-young Peter while she herself must grow up. This, of course, completely eliminates the underlying tragic implications of Barrie’s novel. Third, Steven Spielberg’s feature film Hook, which departs from the original narrative by presenting a grown-up Peter Pan who has to return to Neverland to rescue his children from Hook. The paper traces the motifs and quotations taken from Barrie’s works and explains their transformation into the new context. Hook touches on other, perhaps more up-to-date, problems than Peter Pan, such as the importance of believing in oneself, the relationship between father and son, and the 1990s lifestyle dictated by money and a tight working schedule. Fourth and finally, the musical version, and in particular a performance starring gymnast Cathy Rigby as Pan from the year 2000. Here the paper takes into account the early history of Peter Pan Broadway productions, and illustrates the changes necessary to incorporate song and dance into the show and comments on their significance and usage. Peter Pan has undergone many changes in its century-long history, the majority of which have been shown to be due to practical requirements of the respective medium, financial restrictions, individual talent, theatre traditions, etc. Hence theories of intertextuality and adaptation, which of necessity tend to generalise, can only to a certain extent be applied to the variants and adaptations of Peter Pan.

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Grundlegende und zitierte Werke: Primärliteratur

7. Grundlegende und zitierte Werke

7.1. Primärliteratur 7.1.1. Barries Schriften The Little White Bird. London: Hodder and Stoughton, 1926. Peter Pan in Kensington Gardens. London: Penguin, 1995. Peter Pan, or The Boy Who Wouldn’t Grow Up. London: Hodder and Stoughton, 1928. Peter Pan. London: Penguin, 1995. Im Text zitiert als Peter and Wendy. Margaret Ogilvy. London: Hodder and Stoughton, 1925.

7.1.2. Filme Peter Pan. Dir. Herbert Brenon. Digital Versatile Disk (DVD). Paramount, 1924. Walt Disney’s Peter Pan. Zeichentrickfilm. Dir. Walt Disney. Digital Versatile Disk (DVD). Disney Enterprises, 1951. Peter Pan. Broadway Musical. Digital Versatile Disk (DVD). A&E Network, 2000. Hook. Dir. Steven Spielberg. Digital Versatile Disk (DVD). Tri Star Pictures Industries, 1992.

7.2. Sekundärliteratur 7.2.1. Bücher und Artikel Albersmeier, F.-J. “Traditioneller Literaturbegriff oder Literatur im Zeitalter der Medien. Zur Einbeziehung der Medien (des Films) in literaturwissenschaftliche Theorie und Praxis.” Literatur in Film und Fernsehen: von Shakespeare bis Beckett. Ed. Herbert Grabes. Königsstein/Ts.: Scriptor, 1980. 2-44. Allen, Graham. Intertextuality. London: Routledge, 2000. Avery, Gillian. “The Cult of Peter Pan.” Word and Image: A Journal of Verbal Visual Enquiry 2:2 (1986): 173-185. Bell, Elizabeth. “Do You Believe in Fairies? Peter Pan, Walt Disney and Me.” Women’s Studies in Communication 19:2 (1996): 103-126. Biedermann, Hans. The Wordsworth Dictionary of Symbolism. Ware: Wordsworth Editions Ltd., 1992. Birkin, Andrew. J. M. Barrie and the Lost Boys. London: Constable, 1979. -94-

Grundlegende und zitierte Werke: Sekundärliteratur Blake, Kathleen. “The Sea-Dream: Peter Pan and Treasure Island.” Children’s Literature: Annual of The Modern Language Association Seminar on Children’s Literature 6 (1977): 165-181. Broich, Ulrich. “Formen der Markierung von Intertextualität.” Intertextualität. Eds. Ulrich Broich und Manfred Pfister. Tübingen: Max Niemeyer Verlag, 1985. 31-47. -----. “Zu den Versetzungsformen der Intertextualität.” Intertextualität. Eds. Broich, Ulrich und Manfred Pfister. Tübingen: Max Niemeyer Verlag, 1985. 135-137. Caird, John, und Trevor Nunn. Peter Pan or The Boy Who Would Not Grow Up. New York: Dramatists Play Service, 1993. Carpenter, Humphrey und Mari Prichard. The Oxford Companion to Children’s Literature. Oxford: Oxford University Press, 1999. Clayton, Jay und Eric Rothstein. “Figures in the Corpus: Theories of Influence and Intertextuality.” Influence and Intertextuality in Literary History. Eds. Jay Clayton und Eric Rothstein. Madison: The University of Wisconsin Press, 1991. Crafton, Donald. “The Last Night in the Nursery: Walt Disney’s Peter Pan.” The Velvet Light Trap 24 (1989): 33-52. Cuddon, J. A. Dictionary of Literary Terms and Literary Theory. London: Penguin, 1991. Dunbar, Janet. J. M. Barrie, The Man Behind the Image. London: Collins, 1970. Egan, Michael. “The Neverland of Id: Barrie, Peter Pan and Freud.” Children’s Literature: Annual of The Modern Language Association Division on Children’s Literature 10 (1982): 37-55. Faulstich, Werner, ed. Grundwissen Medien. München: Wilhelm Fink Verlag, 1998. Foster, Michael A. “The Lost Last Act.” Mythlore 14:4 (1988): 27-32. Frost, Robert. Collected Poems of Robert Frost. New York: Henry Holt & Co., 1939. Gilead, Sarah. “Magic Abjured: Closure in Children’s Fantasy Fiction.” PMLA: Publications of The Modern Language Association of America 106:2 (1991): 277-293. Green, Martin. “The Charm of Peter Pan.” Children’s Literature: Annual of The Modern Language Association Division on Children’s Literature 9 (1981): 19-27. Green, Roger Lancelyn. Fifty Years of Peter Pan. London: Davies, 1954. Hanson, Bruce K. The Peter Pan Chronicles: The Nearly One-hundred-year History of the Boy Who Wouldn’t Grow Up. New York: Birch Lane Press, 1993. Hunt, Peter. An Introduction to Children’s Literature. Oxford: Oxford University Press, 1994. Hunter, Lynette. “J.M. Barrie’s Island of Fantasy.” Modern Drama 23 (1980): 65-74. Jack, R. D. S. “The Manuscript of Peter Pan.” Children’s Literature: Annual of The Modern Language Association Division on Children’s Literature 18 (1990): 101-113. Lenz, Bernd. “Intertextualität und Gattungswechsel: Zur Transformation literarischer Gattungen.” Intertextualität. Eds. Ulrich Broich und Manfred Pfister. Tübingen: Max Niemeyer Verlag, 1985. 158-178.

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Abbildungsverzeichnis: Sekundärliteratur

8. Abbildungsverzeichnis

1. The Child’s Map of Kensington Gardens. Barrie, TLWB. 2. Hooks Kostüm: Kostüm-Design 1904 von William Nicholson. Green, Fifty Years of Peter Pan. 3. Napoleon On Board ’The Bellerophon’: Gemälde von William Q. Orchardson. Napoleon-Tableau: Auf dem Piratenschiff mit Nina Boucicault als Peter, 1904. Green, Fifty years of Peter Pan. 4. The Beautiful Mothers: Premiere 1904. Green, Fifty Years of Peter Pan. 5. House in the Treetops: Nina Boucicault (Peter) und Hilda Trevelyan (Wendy), 1904. Green, Fifty Years of Peter Pan. 6. The Pillow Dance: In der Mitte Pauline Chase als First Twin, 1904. Green, Fifty Years of Peter Pan. 7. Paramounts Schiff: Das Piratenschiff fliegt gen London. Brenon, Peter Pan, 1924. 8. Texttafel: Peter appeals to the Mermaid Queen. Brenon, Peter Pan, 1924. 9. Wendy. Disney, Walt Disney’s Peter Pan, 1951. 10. Indianerhäuptling. Disney, Walt Disney’s Peter Pan, 1951. 11. Hook am Cembalo. Disney, Walt Disney’s Peter Pan, 1951. 12. Peter Pan. Disney, Walt Disney’s Peter Pan, 1951. 13. Peter Banning und Peter Pan. Spielberg, Hook, 1992. 14. Baseball bei den Piraten. Spielberg, Hook, 1992. 15. Statue in den Kensington Gardens: Von Sir George Frampton, 1912. Hanson, The Peter Pan Chronicles.

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Bestätigung

Bestätigung gemäß VO § 16 Abs. 10 Ich versichere hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst, keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel verwendet und sämtliche Stellen, die den benutzten Werken dem Wortlaut oder dem Sinne nach entnommen sind, mit Quellenangaben kenntlich gemacht habe. Alle wörtlich entnommenen Stellen sind als Zitate gekennzeichnet. Die Festplatten und Zip-Medien, auf denen der Text der Arbeit gespeichert wurde, befinden sich in meinem Besitz.

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