Neuorganisation der Polizeibehörden

March 30, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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Neuorganisation der Polizeibehörden Bericht der Kommission

Vorwort Die vom Innenminister im November 2003 eingesetzte unabhängige Kommission „Neuorganisation der Polizeibehörden“ legt diesem hiermit im Rahmen ihres ehrgeizigen Zeitplans ihren Bericht vor. Den mit dem Auftrag verfolgten Zielen effizientere Polizeiarbeit, Sicherung der Arbeitsqualität, mehr Bürgernähe und Verbesserung der Zusammenarbeit mit allen gesellschaftlichen Verantwortungsträgern für öffentliche Sicherheit hat die Kommission durch entsprechende Bewertungskriterien Rechnung getragen. Die von ihr erarbeiteten Vorschläge hat sie durchgängig auf Kundenzufriedenheit, Prozesseffizienz, Mitarbeiterakzeptanz, Wirtschaftlichkeit und Umsetzungsaufwand überprüft und dabei auch demografische Entwicklungen berücksichtigt. Von einer herausgehobenen Gewichtung des Kriteriums „Wirtschaftlichkeit“ hat sie abgesehen, da Ziel des ihr erteilten Auftrags nicht die Ermittlung von Einsparungen war. Die Kommission hat ihren Bericht einstimmig verabschiedet. Ihre Vorschläge sind allerdings das Ergebnis zahlreicher durchaus auch kontroverser Diskussionen. Einen wesentlichen Beitrag hierzu haben die zahlreichen Anhörungen von Experten aus Nordrhein-Westfalen, anderen Bundesländern und dem benachbarten Ausland geleistet, denen hierfür besonderer Dank auszusprechen ist. Die unterschiedliche berufliche Herkunft der Mitglieder hat sich dabei als außerordentlich befruchtend erwiesen, da sie eine weitgehende Vielfalt von Denkansätzen gewährleistete. Demgemäß setzt sich der Bericht auch an einigen Stellen mit Alternativlösungen auseinander. Allen Kommissionsmitgliedern wie auch der Mitarbeiterin und den Mitarbeitern der Geschäftsstelle gebührt Dank für ihren hohen Einsatz und ihre engagierte Mitarbeit. Hierdurch ist die Vorlage einer tatsächlichen Gemeinschaftsarbeit ermöglicht worden. Schließlich haben es alle Kommissionsmitglieder als wohltuend und für die Konsensfindung dienlich empfunden, dass sie ihre Vorschläge frei von Vorgaben erarbeiten konnten. Daher danke ich im Namen der Kommission unserem Auftraggeber für das in uns gesetzte Vertrauen.

Düsseldorf, im Dezember 2004

Dr. Udo Scheu Vorsitzender der Kommission

Inhalt 1

2

3

4

5

6

7

8

Zusammenfassung

1

1.1

Ist-Analyse

2

1.2

Änderungsvorschläge der Kommission

5

Politischer Rahmen

14

2.1

Auftrag an die Kommission

14

2.2

Ziele der Neuorganisation

16

Die Kommission

17

3.1

Zusammensetzung der Kommission

17

3.2

Arbeitsmethodik

18

3.3

Erkenntnisquellen

18

Historie der Polizei in NRW

20

4.1

Organisationsreformen vor 1992

20

4.2

Organisationsreform 1992 – Evaluierung 1997

21

4.3

Weitere organisatorische Veränderungen

23

Aktuelle Polizeistruktur NRW

24

5.1

Äußerer Behördenaufbau

24

5.2

Innerer Behördenaufbau

25

5.3

Polizei NRW in Zahlen

27

5.4

Polizeitechnik und IT der Polizei

28

5.5

Einführung des Neuen Steuerungsmodells in die Polizei NRW

32

Vorschläge zur Neuorganisation aus der Polizei

34

6.1

Modellversuch der Polizeipräsidien Aachen und Köln

34

6.2

Berufsständische Vertretungen

37

6.2.1

Gewerkschaft der Polizei (GdP)

37

6.2.2

Bund deutscher Kriminalbeamter (BdK)

38

6.2.3

Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG)

39

Ländervergleich

41

7.1

Länder im Vergleich

41

7.2

Benachbartes Ausland im Vergleich

55

7.3

Übertragbarkeit von Lösungsansätzen

57

Bewertungskriterien und deren Gewichtung

60

I

9

10

11

Vorschläge zum äußeren Behördenaufbau

62

9.1

Stärken und Schwächen des derzeitigen Behördenaufbaus

62

9.2

Aufgabenzuschnitt und Größe der Polizeibehörden

64

9.2.1

Polizeiliche Aufgabenwahrnehmung durch eine Polizeibehörde

64

9.2.2

Größe und Anzahl der Polizeibehörden

67

9.2.3

Zahl der Polizeidienststellen im nachgeordneten Bereich

75

9.3

Territoriale Zuschnitte im Bereich der Polizei

76

9.3.1

Parameter

77

9.3.2

Empfehlungen

83

9.4

Zweistufigkeit/Dreistufigkeit des Behördenaufbaus

86

9.5

Behördenleitung im Bereich der Polizei

92

9.6

Polizei und Kommunen

95

9.7

Rechtliche und haushalterische Auswirkungen

99

Vorschläge zum inneren Behördenaufbau

102

10.1

Aufbauorganisation und Aufgabenwahrnehmung

104

10.1.1

Stab

104

10.1.2

Abteilungen

107

10.2

Konsequenzen für die Steuerung und Führung der Polizeibehörden

128

Organisations- und Personalentwicklung

131

11.1

Neue Steuerung, Qualitäts- und Prozessentwicklung

131

11.2

Führungskultur

135

11.3

Personalmanagement

138

11.4

Personalentwicklung

140

11.5

Fortbildung

142

12

Organisation der Personalvertretung

146

13

Polizeitechnik und IT der Polizei NRW

147

II

13.1

Probleme in der bestehenden Organisation

147

13.1.1

Übergreifende Probleme

147

13.1.2

Bedarfserhebung und -erkennung

149

13.1.3

Planung und Steuerung

150

13.1.4

Entwicklung und Beschaffung von Technik-Lösungen

153

13.1.5

Bereitstellung, Betrieb und Unterstützung von Technik-Lösungen

155

13.2

Ziele der Neuorganisation im Technikbereich

156

13.3

Anforderung an Polizeitechnik und IT der Polizei

157

13.3.1

Anforderungen an die Organisation

157

13.3.2

Anforderung an Personal

158

13.4

Vorschläge zur Organisation

159

13.5

Methodische Vorgehensweise, Handlungsprinzipien und Grundsätze

160

14

15

13.6

Maßnahmen

162

13.7

Aufgabenverlagerung zu Externen

169

13.8

Technische Rahmenbedingungen

171

13.9

Finanzielle und personelle Auswirkungen

172

13.9.1

Finanzielle Auswirkungen – Anschubinvestitionen

172

13.9.2

Finanzielle Auswirkungen – Dauerhafte Einspareffekte

173

13.9.3

Personelle Auswirkungen

174

Personelle und sächliche Empfehlungen und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen 176 14.1

Zusammenfassung der personellen und sächlichen Empfehlungen

176

14.1.1

Empfehlungen zum äußeren Behördenaufbau

176

14.1.2

Empfehlungen zum inneren Behördenaufbau

177

14.1.3

Empfehlungen zur Technik

177

14.2

Vorbemerkungen zur Wirtschaftlichkeitsberechnung

178

14.3

Methodik

179

14.4

Dauerhafte Stellenauswirkungen

181

14.5

Dauerhafte Auswirkungen auf Sachkosten

188

14.6

Umsetzungskosten

189

14.7

Barwertberechnung und Break-even-Analyse

191

Vorschläge zur Methodik der Umsetzung und der Evaluation (Erfolgskontrolle)

194

15.1

Umsetzungsmanagement

194

15.2

Projektorganisation

194

15.2.1

Lenkungsausschuss

195

15.2.2

Gesamtprojektsteuerung

195

15.2.3

Zentrale Teilprojekte

196

15.2.4

Dezentrale Teilprojekte

198

15.3

Die Projektphasen des Umsetzungsmanagements

199

15.3.1

Übersicht über die Projektphasen

199

15.3.2

Vorbereitungsphase

199

15.3.3

Initiierungsphase

200

15.3.4

Durchführungsphase

200

15.3.5

Abschlussphase

201

15.3.6

Evaluationsphase

201

16

Schlussbemerkungen

203

17

Anlagen

205

III

Glossar

Abkürzung

Erläuterung

AAO

Allgemeine Aufbauorganisation

AC/MA

Assessment Center/Management Audit

a.D.

außer Dienst

AK II

Arbeitskreis II der Ständigen Konferenz der Innenminister und senatoren der Länder

ASTOK

Auswerte- und Analysestelle Organisierte Kriminalität

AVV-/ZVV-Stationen

AVV: Allgemeine Vorgangsverwaltung ZVV: Zentrale Vorgangsverwaltung

AZR

Ausländerzentralregister

BAO

Besondere Aufbauorganisation

BAT

Bundesangestelltentarif

BKV

Belastungsbezogene Kräfteverteilung

BL

Behördenleitung, Behördenleiter

BLB

Bau- und Liegenschaftsbetrieb

BOS

Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben

BP

Bereitschaftspolizei

BPH

Bereitschaftspolizeihundertschaft

BT StF

Beratungsteam „Steuerung und Führung“ des Instituts für Aus- und Fortbildung der Polizei

Cebius

Computergesteuertes Einsatzbearbeitungs-, Informations- und Unterstützungssystem

CN-Pol

Corporate Network der Polizei

DPolG

Deutsche Polizeigewerkschaft

DSM

Dezentrales Schichtdienst-Management

EFQM

European Foundation for Quality Management

E-Post

Elektronische Post der Polizei

ET

Einsatztrupp

FINDUS

Fallinformationen durchsuchen mit System

FSE

Fortbildungsstelle für Spezialeinheiten beim Institut für Aus- und Fortbildung der Polizei

FüGrBP

Führungsgruppe Bereitschaftspolizei

FüSt

Führungsstelle

GdP

Gewerkschaft der Polizei

GPS

Global Positioning System

GS

Gefahrenabwehr/Strafverfolgung

IV

Abkürzung

Erläuterung

h. D.

höherer Dienst

HLPS

Höhere Landespolizeischule

IAF

Institut für Ausbildung und Fortbildung der Polizei

i. d. F.

in der Fassung

IdP

Inspekteur der Polizei

i. e. R.

im einstweiligen Ruhestand

IGVP

Integrierte Vorgangsbearbeitung Polizei

IM

Innenministerium, Innenminister

IMK

Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder

Inpol

Informationssystem der Polizei

i. R.

im Ruhestand

IT

Informationstechnologie

ITIL

IT Infrastructure Library

IuK-Technik

Informations- und Kommunikationstechnik

KHSt

Kriminalhauptstelle

KHSt-VO

Verordnung über die Bestimmung von Polizeipräsidien zu Kriminalhauptstellen vom 17.12.2002

KK

Kriminalkommissariat

KoSt

Koordinierungsstelle

KPB

Kreispolizeibehörden

KTU

Kriminaltechnische Untersuchungsstelle

LAN

Local Area Network

LDS NRW

Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen

LHO

Landeshaushaltsordnung

LKA

Landeskriminalamt

LKT

Landkreistag

LPVG

Landespersonalvertretungsgesetz

LR

Landratsbehörde, Landrat

LSA

Landesschutzpolizeiamt

LSt

Leitstelle

LvD

Leiter vom Dienst

M1

Mach 1 (Buchungssystem der Polizei)

MEK

Mobiles Einsatzkommando

NStM

Neues Steuerungsmodell

OK

Organisierte Kriminalität

OU

Operative Unterstützung

PD

Polizeidirektion

PDV

Polizeidienstvorschrift

V

Abkürzung

Erläuterung

PFA

Polizei-Führungsakademie

PFI

Polizei-Fortbildungsinstitut

PHW

Polizeihauptwache

PI

Polizeiinspektion

PIKAS

Polizeiliches Informations-, Kommunikations- und Auswertungssystem

PKS

Polizeiliche Kriminalstatistik

POG NRW

Polizeiorganisationsgesetz NRW

POLAS

Polizeiliches Auskunfts- und Fahndungssystem

PolG NRW

Polizeigesetz NRW

PP

Polizeipräsidium, Polizeipräsident

PVB

Polizeivollzugsbeamter

PW

Polizeiwache

RdErl.

Runderlass

SE

Sondereinsatz; Spezialeinheit

SEK

Spezialeinsatzkommando

SGV.NRW.

Systematische Sammlung aller geltenden Gesetze und Verordnungen des Landes NRW

SLA

Service Level Agreements

SMBl.NRW.

Systematische Sammlung aller geltenden und in Teil I des Ministerialblatts des Landes NRW veröffentlichten Erlasse

StFS

Steuerungs- und Führungssystem

TEE

Technische Einsatzeinheit

TK-Endgerät

Telekommunikationsendgeräte

TKÜ-System

Telekommunikationsüberwachungs-System

UA

Unterabteilung

UHD

User Help Desk

VK

Verkehrskommissariat

VL

Verwaltung/Logistik

WSP

Wasserschutzpolizei

WSPP

Präsidium der Wasserschutzpolizei

ZA

Zentralabteilung

z. A.

zur Anstellung

ZI

Zentralinspektion

ZKB

Zentrale Kriminalitätsbekämpfung

ZPD

Zentrale Polizeitechnische Dienste

ZPG

Zentrales Polizeigewahrsam

ZVD/AP

Zentraler Verkehrsdienst/Autobahnpolizei

VI

1 Zusammenfassung

Mit Beschluss vom 15.10.2003 hat der Landtag Nordrhein-Westfalen die Landesregierung aufgefordert, durch eine Kommission von Sachverständigen aus Polizei, Wirtschaft und Wissenschaft Vorschläge zur Optimierung der inneren und äußeren Organisation der Polizei in Nordrhein-Westfalen erarbeiten zu lassen. Zielsetzung soll sein, durch effizientere Strukturen und den Einsatz von moderner Technik mehr Sicherheit für Bürger1 zu schaffen. Die Zahl der vor Ort eingesetzten Polizeibeamten soll gesteigert, die Qualität der polizeilichen Kernaufgabenerfüllung gesichert und die Selbständigkeit und Eigenverantwortung der Polizeibehörden gestärkt werden. Insbesondere sind die notwendige Anzahl von Kreispolizeibehörden und der – zwei- oder dreistufige – Behördenaufbau zu überprüfen.

Politischer Rahmen

Der vom Innenminister berufenen Kommission gehörten 13 Mitglieder verschiedenster Berufssparten an. Dies garantierte ein breites Erfahrungsspektrum und unterschiedliche Denk- und Methodenansätze. Die Kommission hat zunächst die bestehenden Strukturen analysiert und dabei die vorliegenden Untersuchungen zur Personal- und Organisationsuntersuchung sowie die Ergebnisse von Bürger- und Mitarbeiterbefragungen ausgewertet. Durch Anhörung zahlreicher Experten aus allen Bereichen der Polizei in NordrheinWestfalen, aus den anderen Bundesländern sowie den Niederlanden und Belgien hat sie sich ein umfassendes Bild über die jeweiligen Strukturen der Polizei und über den Stand von Reformbemühungen verschafft. Während einer zweitägigen Reise hat die Kommission zwei niederländische Polizeiregionen vor Ort kennen gelernt. Sie hat die Entwicklungen der letzten Jahre in NRW gewürdigt und sich intensiv mit den Reformvorschlägen der berufsständischen Vertretungen sowie mit dem derzeit laufenden Modellversuch Köln/Aachen auseinandergesetzt.

Vorgehensweise

Zur Bewertung der verschiedenen Organisationsmöglichkeiten hat die Kommission aus den oben aufgeführten Zielsetzungen fünf Kriterien abgeleitet, die sie ihren Abwägungen zugrunde gelegt hat. Diese sind: Kundenorientierung, Prozesseffizienz, Mitarbeiterakzeptanz, Wirtschaftlichkeit und Umsetzungsaufwand. Auf eine Gewichtung der Bewertungskriterien hat die Kommission bewusst verzichtet. Jedem dieser Kriterien wurden auf die praktische Polizeiarbeit zugeschnittene Prüfmerkmale zugeordnet. Die Kommission hat diese Kriterien in einem einge-

Bewertungs-

1

Im Interesse der erleichterten Lesbarkeit und damit der Verständlichkeit dieses Berichtes wird nur eine Sprachform

verwandt. Damit soll das gesetzliche Ziel der Gleichstellung von Frauen und Männern in der Rechtssprache (§4 Landesgleichstellungsgesetz NRW) jedoch nicht vernachlässigt werden. Die Kommission weist ausdrücklich darauf hin, dass mit der Verwendung der männlichen Sprachform die weibliche selbstverständlich miterfasst ist.

ZUSAMMENFASSUNG

1

kriterien

henden Prüf- und Abwägungsvorgang als Maßstab an die jeweiligen Überlegungen zur Aufbauorganisation angelegt. Auf der Basis dieser Analysen hat die Kommission anschließend ihre Vorschläge entwickelt, die sie nach intensiver Diskussion einstimmig verabschiedet hat.

1.1

Ist-Analyse

Die Polizei in NRW mit ihren rund 50.000 Mitarbeitern ist bundesweit und international als professionelle und effiziente Organisation anerkannt. Die Anpassung an Aufgabenwachstum und -veränderungen sowie eine gleichzeitig zunehmende Enge der öffentlichen Haushalte zwingen jedoch dazu, eine weitere Steigerung von Effizienz und Rationalisierung zu erreichen. Beschreibung der derzeitigen Polizeistruktur NRW

Den derzeitigen äußeren Behördenaufbau kennzeichnet eine Dreistufigkeit mit 50 Kreispolizeibehörden (KPB). Die fünf Bezirksregierungen nehmen Aufgaben der Mittelebene wahr. Oberste Dienst- und Fachaufsichtsbehörde ist das Innenministerium. 20 Polizeipräsidien sowie 29 Landratsbehörden als KPB nehmen derzeit die Polizeiaufgaben in NRW wahr. Hinzu kommt das Präsidium der Wasserschutzpolizei NRW. In Flächengröße, Einwohner- und Mitarbeiterzahl liegen die Behörden weit auseinander (z. B. Polizeipräsidium Köln mit rd. 1,0 Mio. Einwohnern und ca. 3.500 Beschäftigten – KPB Olpe mit rd. 140.000 Einwohnern und ca. 200 Beschäftigten). Dadurch bedingt können nicht alle Behörden das polizeiliche Aufgabenspektrum voll wahrnehmen. Struktur und Leistungsumfang differieren erheblich. 16 Präsidien nehmen für die ihnen zugeordneten Bezirke die Aufgaben einer Kriminalhauptstelle wahr. Sechs Großbehörden sind darüber hinaus gemäß § 4 Kriminalhauptstellen-Verordnung übergreifend für besonders herausgehobene Lagen, z. B. Geiselnahme und erpresserischen Menschenraub, zuständig. Das Landeskriminalamt (LKA) und das Institut für Ausbildung und Fortbildung der Polizei (IAF) sowie die Zentralen Polizeitechnischen Dienste (ZPD) unterstützen polizeiintern die Behörden. Der innere Behördenaufbau ist einheitlich durch die Abteilungen Gefahrenabwehr/Strafverfolgung (GS) und Verwaltung/Logistik (VL) bestimmt. Der Größe der Behörden angepasst gliedert sich die weitere Struktur in Inspektionen, Haupt-

2

wachen, Wachen und Bezirksdienst. Die einzelnen Behörden nehmen die Aufgaben im Bereich der Polizeitechnik weitgehend selbständig wahr. Veränderte Anforderungen von Bürgern und Mitarbeitern an die Steuerung und Führung der Polizei leiteten in der Mitte der 90er Jahre einen Veränderungsprozess ein, mit dem die Einführung des bereits in der Kommunalverwaltung erprobten „Neuen Steuerungsmodells“ (NStM) auch in die Polizei einherging. Das Vorhaben, über Einzelelemente wie Budgetierung oder dezentrale Ressourcenverwaltung das Ziel einer ergebnisorientierten Steuerung und Führung zu erreichen, ist noch nicht abgeschlossen. Inzwischen wurde das System um die Elemente Qualitätsmanagement und Personalentwicklung ergänzt und zum „Steuerungs- und Führungssystem der Polizei NRW“ erweitert, das kontinuierlich weiterentwickelt wird.

Neues Steue-

Die Kommission hat die Vorschläge der drei berufsständischen Vertretungen für eine Strukturreform gewürdigt. Die Forderung nach einer geringeren Behördenzahl, nach Behörden mit vergleichbarem Aufgabenumfang und die Infragestellung der Mittelebene sind ihnen gemeinsam.

Vorschläge aus

rungsmodell

der Polizei

In den Polizeipräsidien Aachen und Köln laufen zur Zeit Modellversuche zu anderen Führungsstrukturen. Die Modellbehörden haben ein gemeinsames Konzept zu einer veränderten Aufbauorganisation vorgelegt. Signifikant ist dabei die Aufhebung der Zweiabteilungsstruktur. Da die beabsichtigte Evaluation noch nicht erfolgt ist, konnten die Ergebnisse der Modellversuche nicht in die Kommissionsarbeit einbezogen werden. Aus den Expertenanhörungen, einer Abfrage aller Bundesländer und aus der Reise in die Niederlande ergaben sich folgende wesentliche Erkenntnisse: •



Nahezu alle Bundesländer, die eine Strukturreform durchgeführt haben oder derzeit durchführen, vergrößern den Zuschnitt ihrer Behörden und verringern so die Behördenzahl. Auch in den Niederlanden liegt die Behördenzahl mit 25 bei 16 Mio. Einwohnern bedeutend niedriger als in NRW. Eine weitere Reduzierung wird diskutiert. Die Konzentration erfasst im Wesentlichen die obere und mittlere Leitungsebene. Hier werden Synergien und deutliche Einspareffekte erzielt. Um Präsenz vor Ort und Bürgernähe zu garantieren, bleiben die Basiseinheiten unverändert.

ZUSAMMENFASSUNG

3

Ländervergleich

Insgesamt erbrachten die Vergleiche zahlreiche Anregungen auch für den inneren Behördenaufbau und für die Steuerungs- und Führungsstrukturen in NRW. Aufgrund der unterschiedlichen Rahmenbedingungen können die Erkenntnisse jedoch nicht pauschal, sondern nur situationsangepasst und nach Einzelprüfung übertragen werden. Bewertung der Ist-Situation

Der Behördenaufbau der Polizei ist in keinem anderen Bundesland so zersplittert und inhomogen wie in NRW. Sehr unterschiedliche Größen in den 50 KPB bezogen auf Fläche, Einwohner und Mitarbeiter kennzeichnen die Situation. Unterschiedliche Formen der Behördenleitung – staatlicher Polizeipräsident, kommunaler, direkt gewählter Landrat – verstärken die Unterschiedlichkeit der Behörden.

Vorteile

Vorteile dieses Systems sind die Ortsnähe und die Einräumigkeit der Verwaltungen in den Kreisen, also die enge Verbindung von Polizei und Kreisverwaltung unter einem Dach. Diese Verknüpfung über die Person des Landrates bringt zahlreiche Synergieeffekte, z.B. eine enge Zusammenarbeit mit den für Gefahrenabwehr, Ordnung und Sicherheit zuständigen Verwaltungsstellen bei Kreisen und Gemeinden. Hinzu kommt eine besondere Bindung zu einer Behördenleitung, die der Bürger kennt und direkt wählt.

Nachteile

Nachteilig wirken dagegen die erheblichen Unterschiede in der Aufgabenwahrnehmung und dem Aufgabenzuschnitt zwischen Polizeibehörden sehr unterschiedlicher Größe. Nicht vergleichbare Strukturen erschweren die einheitliche Polizeiführung. Zahlreiche Schnittstellen, Reibungsverluste, veränderte Reaktionszeiten und unterschiedliche Standards führen zu Nachteilen und zu Koordinierungsschwierigkeiten. Diese Effekte werden durch die große Zahl von Hierarchieebenen und Hierarchiesträngen verstärkt. Die Spezialisierung innerhalb der kleineren Behörden bleibt gering. Eine angemessene Personalentwicklung und ein Ausgleich einseitiger Altersstrukturen erfordern größere Einheiten. Der Führungsaufwand und die Stabsanteile sind überproportional hoch, der Einsatz von Technik bleibt aufwändig. Im Bereich der Technik sind viele Abläufe zwischen den Behörden, dem Innenministerium und den Zentralen Polizeilichen Diensten in sachlich nicht gerechtfertigter Weise aufgeteilt. Bei Betriebs- und Sicherheitsproblemen kommt es so zu zeitaufwendigen Zuständigkeitsdebatten. Es galt also, ein Organisationsmodell zu entwickeln, das die Stärken der heutigen Organisation bewahrt und auf die Schwächen eine adäquate Antwort findet.

4

1.2

Änderungsvorschläge der Kommission

Die genannten Schwächen des derzeitigen Systems, aber auch die einhelligen Erfahrungen in anderen Bundesländern sowie die ganz überwiegenden Aussagen der angehörten Experten haben die Kommission überzeugt, dass die Zahl der Polizeibehörden verringert, die Aufgabenstruktur einheitlicher gestaltet und die Größe der Behörden stärker angeglichen werden sollte.

Vorschläge zum äußeren Behördenaufbau

Dabei hat die Kommission ausdrücklich gewürdigt, dass das Arbeitsergebnis kleinerer Behörden durchaus nicht schlechter ausfällt als bei den größeren Präsidien und dass die Frage der Behördenleitung – Polizeipräsident oder Landrat – keinen erkennbaren Einfluss auf die Arbeitsergebnisse hat. Die Kommission hat erkannt, dass wichtiger als eine einheitliche Größe ein grundsätzlich identischer Aufgabenkatalog der Behörden ist. Allerdings kann dies nicht bedeuten, dass jede künftige Polizeibehörde auch alle Sonderlagen selbst bewältigen müsste. Unter Anlegung der erwähnten Bewertungskriterien ist die Kommission zu folgenden Aussagen gelangt: • • •

• •



Die Ausgangssituation darf nicht zum Nachteil ländlicher Gebiete führen. Eine Mindestpolizeidichte ist verbindlich festzulegen. Die Größe der Polizeibehörden sollte so zugeschnitten sein, dass diese das Spektrum polizeilicher Aufgaben grundsätzlich mit eigenen Kräften bewältigen können. Jede Behörde sollte die Zuständigkeiten einer Kriminalhauptstelle (§ 2 KHSt-VO) 2, nicht aber die Sonderaufgaben des § 4 KHSt-VO wahrnehmen. Die Basisstrukturen unterhalb der Polizeiinspektionen (Hauptwachen, Wachen, Polizeiposten) bleiben unverändert erhalten und sichern so die Bürgernähe. Es sind Größen anzustreben, die das Interesse nach sachgerechter Stellenbesetzung durch qualifiziertes Personal erfüllen und den Mitarbeitern Möglichkeiten beruflicher Entwicklung in der eigenen Behörde eröffnen können. Diese Voraussetzungen erfüllen Behördengrößen von rd. 1,0 bis 1,5 Mio. Einwohnern und ca. 1.500 bis 3.000 Mitarbeitern.

2

siehe Verordnung über die Bestimmung von Polizeipräsidien zu Kriminalhauptstellen (KHSt-VO) (SGV.NRW 205) vom 17. Dezember 2002

ZUSAMMENFASSUNG

5

Grundaussagen

Zahl und Zuschnitt der neuen Behörden

Die Kommission hat sich nach eingehender Prüfung mehrerer Modelle in der Größe von fünf bis 33 Behörden für 16 neue Behörden entschieden, weil dieses Modell im Gegensatz zu anderen Varianten eine weitgehende Ausgewogenheit in Größe und Leistungsfähigkeit gewährleistet. Schon jetzt nehmen 16 Behörden die Aufgaben der Kriminalhauptstellen wahr. Für den regionalen Zuschnitt der Behörden war das Streben nach Einräumigkeit, also Deckungsgleichheit mit kommunalen Grenzen und - soweit erreichbar - auch Justizbereichen, sowie Einsatzstrategie, Verkehrsstruktur und Kriminalgeografie maßgebend. In Anwendung dieser Kriterien sind Kreisgebiete von Polizeigrenzen nicht durchtrennt worden. Der auf dieser Basis entstandene Gliederungsvorschlag3 führt nicht zu durchgängig gleichen, aber zu in ihren Unterschieden tolerablen Größenordnungen. Die Kommission hält es für richtig, in gewissen Fällen landsmannschaftlich und geschichtlich gewachsenen Bindungen den Vorrang einzuräumen gegenüber der Forderung nach unbedingt gleicher Größenordnung. Neben den 16 Behörden soll die Wasserschutzpolizei, eine hoch spezialisierte Fachbehörde, als selbstständige Einheit beim Polizeipräsidium Duisburg erhalten bleiben.

Bezirksregierungen

Für den vertikalen Aufbau der Polizeibehörden hat die Kommission fünf unterschiedliche Modelle untersucht. Sie hat sich aufgrund der Expertenaussagen und der Erkenntnisse aus dem Ländervergleich, nach intensiver Abwägung, für einen zweistufigen Aufbau, also für den Verzicht auf die Bezirksregierungen als mittlere Polizeibehörden entschieden. Die Kommission sieht darin die Möglichkeit, die erheblich vergrößerten Polizeibehörden zu stärken und deren Kapazitäten besser zu nutzen, gleichzeitig längere Dienst- und Verfahrenswege zu verkürzen und zu beschleunigen. Darüber hinaus spart der Wegfall einer Hierarchieebene Kosten ein. Ein wesentlicher Bündelungseffekt durch die Bezirksregierungen war nicht zu ermitteln. Schon heute wird dieser durch gleichzeitige Einschaltung des Innenministeriums oft unterlaufen. Auch die so genannte Pufferfunktion gegenüber dem Innenministerium erscheint kaum relevant, da bedeutsame Angelegenheiten in der Regel direkt an das Innenministerium gelangen. Die einheitliche Aufgabenwahrnehmung kann bei landesweit 16 Behörden die zentrale Aufsicht und Steuerung im Innenministerium ausreichend gewährleisten, 3

6

vgl. Anlagen 4 und 5

wenn die durch Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen umgesetzt werden. Einer eigenen Ebene bedarf es dazu nicht. Die Vergrößerung der Polizeibehörden stellt nach Auffassung der Kommission erhöhte Anforderungen an die Führungskräfte, insbesondere an die Behördenleitung. Der Behördenleiter wird bei einer veränderten Binnenstruktur mit Abschaffung der Zweiabteilungsstruktur stärker in seiner Leitungsfunktion gefordert sein, darüber hinaus aber auch als Repräsentant in einem größeren Raum einer gewachsenen Zahl von Ansprechpartnern zur Verfügung stehen müssen.

Behördenleitung

Dies wird in einer Doppelfunktion als Landrat und Polizeibehördenleitung nicht einfach sein. Die Kommission hält es dennoch für möglich. Die Erfahrungen mit der einheitlichen Leitung von Kreisverwaltung und Kreispolizeibehörde in größeren Kreisen (z. B. Mettmann mit ca. 780 Mitarbeitern der KPB) stützen diese Auffassung. Für wesentlich hält die Kommission, dass die Stellen der Behördenleitung auf der Grundlage eines klaren Anforderungs- und Kompetenzprofils im Wege einer Bestenauslese auf Zeit (fünf bis sechs Jahre) besetzt werden. Das entsprechende Auswahlverfahren sollte den derzeitigen Polizeipräsidenten ebenso wie den Landräten offen stehen. Besonderes Anliegen muss es sein, die vor allem in den derzeitigen Landratsbehörden bestehende enge Verbindung von Polizei und kommunaler Einheit und die daraus erwachsenden Vorteile in die neuen größeren Behörden überzuleiten. Die Kommission schlägt vor, gestützt u. a. auch auf die Erfahrungen aus den Niederlanden, • •

den örtlichen Einheiten (Direktion/Inspektion) einen vergrößerten Verantwortungsbereich für regionale, ortsbezogene Polizeiarbeit einzuräumen und anstelle der bisherigen Polizeibeiräte auf der Ebene der Gesamtbehörde und auf der Ebene der Direktionen und Inspektionen Ausschüsse einzurichten, die abgestuft Informations- und Mitspracherechte bei Aufgaben mit regionalem und lokalem Bezug erhalten (z. B. Zielvereinbarungen, Sicherheitskonzepte, Prioritätensetzungen).

Diesen Ausschüssen sollten auf der Behördenebene (Kreispolizeiauschuss) die Oberbürgermeister und Landräte sowie die Vorsitzenden der Bezirkspolizeiausschüsse angehören. Auf der Ebene der Direktionen bzw. Inspektionen umfasst der Bezirkspolizeiausschuss den Landrat, die Bürgermeister bzw. den Oberbür-

ZUSAMMENFASSUNG

7

Enge Zusammenarbeit mit Kommunen und Kreisen

germeister sowie die Bezirksvorsteher der kreisfreien Städte. Sie alle sind persönliche Mitglieder der Ausschüsse. Die Kommission erwartet, dass es auf diese Weise gelingt, die bestehenden Kontakte auf den jeweiligen Ebenen intensiv weiter zu pflegen und das Vertrauen der Bürger sowie der Partner in Kommunen und Verbänden in die neue Organisationsstruktur zu festigen. Auf diese Weise soll die Zusammenarbeit erfolgreich fortgesetzt werden. Vorschläge zum inneren Behördenaufbau

Die Zweiabteilungsstruktur der heutigen Behörden ist zu reformieren. Die Kommission ist zu der Überzeugung gelangt, dass die in Aachen und Köln eingeführten Modellorganisationen sich nicht als einzig mögliche Konsequenz ergeben. Die an den aufgezeigten allgemeinen Organisationszielen ausgerichteten Vorschläge der Kommission zur Binnenstruktur können nach Auswertung der Modellvorhaben insofern ergänzt werden. Die Kommission schlägt vor, die bisherigen Unterabteilungen der Abteilung GS in der neuen Struktur zu Abteilungen zu machen und so eine Hierarchieebene einzusparen. Es bleibt bei der bewährten Stabsorganisation; der Stab wird jedoch dem Behördenleiter zugeordnet, dessen Stellung damit fachlich aufgewertet wird. Ständige Stäbe und Spezialeinheiten soll es künftig nur noch in drei bis vier Behörden geben. Die Koordinierungsstelle beim LKA wird in ihren Funktionen gestärkt.

Hundertschaft Bereitschaftspolizei

Jeder der 16 Behörden wird mindestens eine Hundertschaft Bereitschaftspolizei zugeordnet, deren Koordinierung das LKA übernimmt.

Autobahnpolizei

Die Autobahnpolizei wird den örtlich zuständigen Polizeibehörden zugeordnet und mit dem zentralen Verkehrsdienst der Behörden zusammengefasst. Die Abteilungsstruktur der Polizeipräsidien ergibt sich aus dem Organigramm in Anlage 9.

Polizeidirektion,

Die Polizeidirektionen (PD) und Polizeiinspektionen (PI) sind Regionalabteilungen. Die Kommission hat sich für diese zwei unterschiedlichen Formen entschieden, um dem Prinzip der abgestuften Zentralisierung zu entsprechen.

Polizeiinspektion

PI werden grundsätzlich in großstädtischen Bereichen am Sitz der Behörde sinnvoll sein. Sie nehmen ihre Aufgabe mit Wach-, Bezirks- und Verkehrsdienst sowie dem Verkehrskommissariat wahr. Die Kriminalitätsbekämpfung geht auch bei

8

leichten und mittleren Delikten in die Zuständigkeit der in der Regel am Ort befindlichen Zentralen Kriminalitätsbekämpfung (ZKB) über. Die PD sollen identisch mit den Bereichen der bisherigen Landratsbehörden bzw. mit den bisherigen kleineren Polizeipräsidien sein. Sie übernehmen die Verantwortung für die gesamten polizeilichen Aufgaben in ihrem Bereich, soweit nicht spezielle Zuständigkeiten zentral organisiert sind, z. B. ZVD/AP (Zentraler Verkehrsdienst/Autobahnpolizei) und ZKB. Die Einrichtung von PI innerhalb einer PD ist nicht vorgesehen. Es entfällt damit eine Hierarchieebene. Den PP bleibt überlassen, wie sie ihren Bereich in PI und PD aufteilen. Durch das Budget der Gesamtbehörde ist allerdings eine Kostenbegrenzung vorgegeben. Die Kommission geht landesweit von etwa 30 PD und 32 PI aus. Die durchschnittliche Einwohnerzahl beträgt dabei 280.000. Über die innere Behördenstruktur hinaus sind nach Erkenntnis der Kommission auch die Steuerungsverfahren weiter zu entwickeln. Zwar sind grundlegende Bausteine im Steuerungs- und Führungssystem der Polizei NRW bereits entwickelt, sie sind jedoch organisatorisch noch nicht ausreichend umgesetzt und werden nur selten tatsächlich gelebt.

Steuerung und Führung

Steuerung und Führung in den Polizeibehörden sollen daher gestützt werden durch • • •

eine weitgehende Budget- und Personalhoheit der Polizeibehörde, die strikte Konzentration der Stäbe auf strategische Aufgaben, eine bei der Behördenleitung (BL) angesiedelte Qualitäts- und Prozessentwicklung.

Auch die PD und PI sollen innerhalb der ihnen vorgegebenen Rahmen selbstständig über Budgetaufteilung und Personal entscheiden können. Die gewünschte „prozessorientierte Organisation“ erfordert eine qualitative Personalplanung. Personalplanung und Qualitätsmanagement sind miteinander verbunden. Personalplanungen werden verstärkt auf die Führungskräfte zu verlagern sein, die für die Geschäftsprozesse verantwortlich sind. Angesichts des demografischen Wandels mit einem absehbaren Rückgang qualifizierter Schulabgänger erhalten Personalgewinnung und -auswahl zusätzliches Gewicht. Die Behörden selbst stellen die Bewerber ein und übernehmen damit Verantwortung für Planung und Struktur ihres Personals.

ZUSAMMENFASSUNG

9

Organisationsund Personalentwicklung

Die Kommission unterstützt in diesem Zusammenhang den Vorschlag, durch leistungsbezogene variable Zulagen zu den fixen Bezügen den Polizeiberuf attraktiver zu machen. Für wesentlich hält die Kommission die organisatorische Verzahnung von Qualitäts- und Prozessentwicklung in einer besonderen, bei der BL angesiedelten Stabsstelle. So genannte „Prozesseigentümer“ überwachen und garantieren dabei kontinuierlich die Qualität und die Prozessorientierung der Polizeiarbeit. Führungskultur

Erfolgreiche Steuerung und Führung im neuen System erfordern eine veränderte Führungskultur, die Kultur einer lernenden Organisation. Sie wird unter anderem erreicht durch einen kooperativen, aktivierenden Führungsstil auf allen Ebenen. Geändertes Rollenverständnis stellt dabei erhöhte Anforderungen an die Führungskräfte und vor allem an die Behördenleitung. Sie müssen durch ihr Verhalten Zeichen setzen und Kultur vorleben. Vergrößerte Behördenzuschnitte und dezentrale Fach- und Ressourcenplanung ermöglichen landesweit abgestimmte Personalentwicklungsmaßnahmen, wie z. B. landesweite Ausschreibungen von Führungspositionen und die Entwicklung von Instrumenten zur Personalauswahl.

Fortbildung

Im Bereich der Fortbildung sieht die Kommission angesichts der derzeitigen Aufgaben- und Zuständigkeitsverteilung Optimierungsbedarf. Hier sollte das IAF als zentraler polizeilicher Anbieter von Fortbildung die Rolle eines Kompetenzzentrums für die Behörden und Einrichtungen übernehmen und damit die auch künftig wichtige Fortbildung vor Ort in den Behörden konzeptionell unterstützen und durch eigene Angebote ergänzen.

Personalver-

Ein zweistufiger Behördenaufbau lässt eine dreistufige Personalvertretung in der bisherigen Form nicht mehr zu. Die Kommission empfiehlt jedoch, die Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte in drei Stufen zu gliedern und hierfür die Möglichkeiten zu nutzen, wie sie auch das Betriebsverfassungsrecht vorsieht. Insbesondere sollten künftig bei den Direktionen und Inspektionen als Personalinstanzen Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte angesiedelt sein.

tretung

Polizeitechnik und IT der Polizei

Für den Aufgabenbereich Technik hat die Kommission Möglichkeiten gesucht, die Technikentwicklung und -einführung kostensparender als bisher durchzuführen. Dabei sollte auftragsgemäß auch die Einführung des Digitalfunks berücksichtigt werden. Beim aktuellen Stand dieses Projektes sind jedoch gesicherte Aussagen zu weiteren Einsparungspotentialen in diesem Bereich nicht möglich.

10

Die für eine entsprechende Abschätzung wichtige Systementscheidung wird erst zum Jahresbeginn 2006 getroffen. Als besonderes Hemmnis für einen wirtschaftlichen Technikeinsatz hat die Kommission die fehlende Gesamtverantwortung für die organisationsübergreifenden Prozesse erkannt. Sie ist nach eingehender Abwägung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Geschäftsprozesse im Technikbereich weitgehend zentralisiert und der Betrieb vereinheitlicht werden sollte. Zur weiteren Optimierung ist das landesweit eingesetzte Technikpersonal stellenplanmäßig zu den ZPD NRW zu versetzen. Die ZPD unterhalten dann Außenstellen an den Standorten der Polizeibehörden und des IAF. Die einzelnen Behörden bleiben über eine Mitwirkung beim Anforderungsmanagement beteiligt. Die reduzierte Behördenzahl macht es möglich, die Polizeibehörden und -einrichtungen künftig direkt in den Planungs- und Abstimmungsprozess einzubeziehen. Sie bringen behördeneigene Sichten und Anforderungen ein, übernehmen damit zugleich aber auch höhere Verantwortung für die Kosten der Technik. Ziel soll letztlich eine polizeiinterne Leistungsverrechnung sein. Wirtschaftliche Auswirkungen der Reformvorschläge ergeben sich in erster Linie aus dem verändertem Personalbedarf. Dauerhafte Auswirkungen bei den Sachkosten sind nach der Analyse der Kommission vernachlässigbar, weil Mehrkosten der Liegenschaften und Umsetzungsaufwand bei erfolgreicher Umstrukturierung schon bald zurückgeführt werden können. Der veränderte Personalbedarf kann nur als Schätzung ermittelt werden, da die Grundlagen für exakte Berechnungen (z. B. mit Arbeitszeiten hinterlegte Aufgabenbeschreibungen) nicht vorliegen. Um Schätzrisiken möglichst einzugrenzen, ist die Kommission von eher vorsichtigen, konservativen Annahmen ausgegangen. Die Reform stellt insgesamt 2.400 Stellen (davon 2.100 im Landesbereich und 300 bei den Kommunen) für andere Aufgaben zur Verfügung. In dem Saldo ist berücksichtigt, dass nach den Vorstellungen der Kommission auch neue Bedarfe, z. B. im Bereich „Qualitäts- und Prozessentwicklung“, abzudecken sind.

ZUSAMMENFASSUNG

11

Personelle und sächliche Auswirkungen der Empfehlungen

Die wesentlichen Quellen dieses Dispositionspotenzials sind • • • •





Synergieeffekte bei den Leitstellen (rund 370 Stellen) Synergieeffekte bei VL1 und VL2 (rund 350 Stellen) Synergieeffekte bei den Stäben (rund 340 Stellen) Synergieeffekte bei den Führungsstellen von PI und PD (rund 280 Stellen, nach Berücksichtigung der notwendigen personellen Verstärkung wegen erweiterter Kompetenzen im Wirtschafts- und Personalbereich) der Teilentfall von Stellen bei den Bezirksregierungen (etwa 190 Stellen nach Berücksichtigung des erhöhten Stellenbedarfs bei den Polizeibehörden und im Innenministerium aufgrund von Aufgabenverlagerungen, davon fast 100 Stellen im Technikbereich) die Zentralisierung der Technik (weitere rund 190 Stellen ohne den bereits aufgeführten Stellenentfall bei den Bezirksregierungen, nach Berücksichtigung des erhöhten Stellenbedarfs bei den ZPD und im Innenministerium).

Szenarienberechnungen belegen, dass unter wirtschaftlichem Aspekt die Reform erfolgreich sein wird; unterstellt, die erzielten Ergebnisse würden in vollem Umfang zu Einsparungen im Landeshalt führen, so überstiege die Ersparnis von jährlich von 114 Mio.  schon nach dem zweiten Jahr die Umsetzungskosten. Der Landesgesetzgeber wird jedoch zu entscheiden haben, ob er das für das Land verfügbare Potential von 2.100 Stellen ganz oder teilweise zur Verstärkung der operativen Polizeiarbeit einsetzt. Vorschläge zum weiteren Vorgehen nach Vorlage des Berichts

Projektorganisati on

Größe und Komplexität der vorgeschlagenen Strukturreform stellen die Umsetzung vor besondere Anforderungen. Die Kommission hält einen Umsetzungszeitraum von eineinhalb bis zwei Jahren ab dem Zeitpunkt, zu dem die notwendigen politischen Entscheidungen gefallen sind, für realistisch. Dauerhafte Effekte sind nach fünf Jahren voll wirksam zu erwarten. Eine sorgfältige Planung und Strukturierung des Prozesses ist Voraussetzung für den Umsetzungserfolg. Die Kommission schlägt eine Projektorganisation mit folgenden Bestandteilen vor: •



12

Lenkungsausschuss - vorgesetzte Instanz der Gesamtprojektsteuerung mit 68 Mitgliedern, u.a. dem zuständigen Staatssekretär, dem Abteilungsleiter 4, der Personalvertretung Gesamtprojektsteuerung – verantwortlich für Strukturierung, Planung, Steuerung und Controlling des Umsetzungsprojektes. Die Gesamtprojekt-





steuerung wird inkl. der zentralen Teilprojekte (s.u.) etwa 20 voll freigestellte Personen umfassen, die flexibel einsetzbar sind. Der Einbezug externer Berater empfiehlt sich. Zentrale Teilprojekte – zuständig für die Bearbeitung behördenübergreifender Umsetzungsfragen. Dies sind nach jetzigem Kenntnisstand 1. Information und Kommunikation („Veränderungsteam“), 2. Aufgabenzuordnung und Prozesse, 3. Technik, 4. Personal, 5. Liegenschaften und 6. Umsetzungscontrolling Dezentrale Teilprojekte - zuständig für die Umsetzung des Strukturreform vor Ort. In jeder der 50 Kreispolizeibehörden sowie in den weiteren betroffenen Polizeiorganisationen (Bezirksregierungen und ZPD) wird je ein dezentrales Teilprojektteam installiert. Auch hier werden Freistellungen erforderlich.

Zwei Jahre nach Abschluss der Umsetzung sollte im Rahmen eines eigenen Evaluationsprojektes der Umsetzungserfolg ermittelt werden. Die Kommission empfiehlt, dazu externe Beratung, z. B. aus dem Wissenschaftsbereich, verantwortlich hinzuzuziehen.

ZUSAMMENFASSUNG

13

2 Politischer Rahmen

2.1

Auftrag an die Kommission

Die Gewährleistung von Sicherheit und damit auch die Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bürger sind zentrale Anliegen der Polizei des Landes NordrheinWestfalen. Gesetzlicher Auftrag

Der gesetzliche Auftrag der Polizei ist grundlegend im Polizeigesetz NRW (PolG NRW)4 i. V. m. dem Polizeiorganisationsgesetz NRW (POG NRW)5 normiert. Hiernach sind ihr – auch in Verbindung mit weiteren Rechtsvorschriften – Aufgaben der Gefahrenabwehr, der Kriminalitätsbekämpfung, der Einsatzbewältigung und der Verkehrsunfallbekämpfung übertragen. Die Organisation der Polizei muss diesen Aufgaben und Zielen Rechnung tragen. Dabei ist die konkrete Leistungsfähigkeit zu beachten und ggf. zu optimieren. Ein Instrument hierfür ist die Überprüfung bestehender Organisationsstrukturen auf ihre Bewährung. Eine Diskussion hierüber ist innerhalb und außerhalb der Polizei seit geraumer Zeit im Gange. Ausgangspunkt der Debatte ist der vom Landtag NordrheinWestfalen gefasste Beschluss vom 15.10.2003, dem ein Antrag der Koalitionsfraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN6 zugrunde lag.

Auftrag des Landtags

Mit diesem Beschluss ist die Landesregierung aufgefordert worden, eine Kommission aus Sachverständigen der Polizei, Wirtschaft und Wissenschaft einzurichten und geeignete Vorschläge zur Optimierung der inneren und äußeren Organisation der Polizeibehörden und des Technikeinsatzes – insbesondere des neu einzuführenden Digitalfunks in der Polizei – bis zum Ende des Jahres 2004 vorzulegen. Diesem Beschluss entsprechend hat das Innenministerium die „Kommission zur Neuorganisation der Polizeibehörden“ eingerichtet.

4

i. d. F. der Bekanntmachung v. 25.07.2003 (SGV.NRW 205)

5

i. d. F. der Bekanntmachung v. 05.07.2002 (SGV.NRW 205)

6

siehe Anlage 1 „Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 22.09.2003, Drucksache 13/4352“

14

Die Kommission hatte insbesondere folgende Fragestellungen zu untersuchen: •

• •



• • •

„Wie kann die Zahl der im Wachdienst und im Ermittlungsdienst tätigen Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten deutlich erhöht werden? Wie kann die Qualität insbesondere polizeilicher Kernaufgaben den Anforderungen entsprechend gesichert werden? Welche Organisationsform ist zweckmäßig, damit die Führung mit weniger Ebenen auskommen kann und ganzheitliche Arbeitsabläufe in möglichst einheitlicher Verantwortung erreicht werden können? Wie kann die Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen Gruppen sowie staatlichen und kommunalen Dienststellen bei der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung, insbesondere in kriminalpräventiven Gremien und Ordnungspartnerschaften, verbessert werden? Wie kann die Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Polizeibehörden gestärkt werden? Welche Möglichkeiten gibt es, die Technikentwicklung und -einführung kostensparender als bisher zu erledigen? Wie viele Kreispolizeibehörden sind für eine optimale Struktur sinnvoll und notwendig? Ist ein zwei- oder dreistufiger Behördenaufbau vorzuziehen?“

In die Untersuchungen mit einbezogen werden sollten weiterhin:

Berücksichtigung anderer Untersu-

• • • • •

„die Ergebnisse bisheriger Untersuchungen zur Personal- und Organisationsentwicklung im Bereich der Polizei NRW, die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragungen, die Ergebnisse bisheriger Bürger-/Kundenbefragungen und die Ergebnisse von Untersuchungen, die sich mit der Qualität polizeilicher Arbeit beschäftigen“ sowie „die Erfahrungen der Verantwortlichen in den unterschiedlichen Behördentypen und die Interessen der Beschäftigten“.

Darüber hinaus hatte die Kommission darzulegen, wie eine größtmögliche Transparenz über den Veränderungsprozess und Möglichkeiten für dessen Mitgestaltung durch die Beschäftigten erreicht werden können, sowie die finanziellen Effekte für Land und kommunale Haushalte deutlich zu machen.

POLITISCHER RAHMEN

15

chungsergebnisse

2.2

Ziele der Neuorganisation

Die Ziele der Polizeistrukturreform hat Herr Innenminister Dr. Behrens in seiner Rede anlässlich der Debatte vom 2. Oktober 2003 ergänzend zum Antrag benannt. Hierin lassen sich vier wesentliche Ziele ausmachen, denen jeweils ein oder mehrere konkrete Unterziele zugeordnet werden können. Effizientere



Polizeiarbeit

Mehr



Bürgernähe

Sicherung der



Qualität

Verbesserung der



Zusammenarbeit mit Externen

Versteht man Effizienz als Verhältnis von Input (personelle, bauliche und technische Ressourcen) und Output (z. B. Gefahrenabwehr, Strafverfolgung), so soll die Reorganisation dieses Input-Output-Verhältnis optimieren. Diese Optimierung ist ausdrücklich im Sinne von mehr Sicherheit bei unverändertem Ressourceneinsatz umzusetzen, nicht im Sinne von Einsparungen (gleich viel Sicherheit bei weniger Ressourcen). Als Prüfauftrag formuliert der Antrag Vorschläge, wie die Effizienz gesteigert werden könnte: unter anderem durch Bildung weniger, aber gleich starker und stärker eigenverantwortlicher Behörden, und durch weniger Hierarchieebenen. . Explizit wird der Bereich „Technik“ genannt, für den eine Reorganisation die Kosten von Entwicklung und Einführung neuer Techniken senken muss. Konkret verfolgt die Reorganisation das Ziel, die Zahl der Mitarbeiter im Wach- und Ermittlungsdienst deutlich zu erhöhen und die Ortsnähe der Polizei zu stärken. Alle Polizeidienststellen, die von den Bürgern tagtäglich wahrgenommen werden, sollen erhalten bleiben; eventuelle Zusammenlegungen beziehen sich nur auf interne Organisationseinheiten. Die Sicherung der Qualität polizeilicher Kernaufgaben ist auch an den Anforderungen zu messen, die von innen und außen (Justiz, Kommunen) an die Polizei herangetragen werden. Ein wichtiger Faktor hierfür sind klare Verantwortlichkeiten; auch in diesem Sinne ist eine Binnenreform der KPB unabdingbar. Zusammenhängende Arbeitsabläufe sollten in möglichst einheitlicher Verantwortung liegen. Zu einer Verbesserung der Zusammenarbeit mit Externen zählen die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen (z. B. in Form von Ordnungspartnerschaften), aber natürlich auch Kommunen, Justiz und andere staatliche Dienststellen.

Mit diesen Zielformulierungen und Prüfaufträgen wird deutlich gemacht, dass die Polizeistrukturreform insgesamt keineswegs primär Kostensenkungen anstrebt, sondern vor allem die Sicherheit in Nordrhein-Westfalen erhöhen soll.

16

3 Die Kommission

3.1

Zusammensetzung der Kommission

Im Namen der Landesregierung NRW hat Herr Innenminister Dr. Fritz Behrens am 26. November 2003 entsprechend dem Auftrag des Landtags NRW die „Kommission zur Neuorganisation der Polizeibehörden“ eingerichtet und folgende Mitglieder berufen:

Dr. Udo Scheu

Landespolizeipräsident i. e. R., Land Hessen, zugleich Vorsitzender der Kommission

Johannes Brungs

Ministerialrat, Innenministerium NordrheinWestfalen, Referatsleiter, zuständig für Polizeitechnik und Informationstechnologie der Polizei

Werner Geck

Leitender Polizeidirektor a. D.

Franz-Josef Huppertz

Leitender Kriminaldirektor a. D.

Dr. Helmut Kauther

Staatsrat a. D., Oberkreisdirektor a. D., Gründungsmitglied der NordWestConsult, Bielefeld, Unternehmensberater

Dr. Heiner Leisten

Geschäftsführer und Vice President von The Boston Consulting Group, Köln

Dieter Pauly

Abteilungsdirektor, Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen

Raimund Pingel

Oberkreisdirektor a. D.

Ton Rutting

Directeur Internationaal Politie Onderwijs, Niederlande

Dierk Henning Schnitzler

Polizeipräsident a. D.

Karin Schnöller

Unternehmensberaterin, Siemens-Business-Services, München,

Prof. Dr. Wolfgang Stark

Hochschullehrer für Organisationspsychologie und Organisationsentwicklung, Leiter des Labors für Organisationsentwicklung, Fachbereich Bildungswissenschaften, Universität DuisburgEssen

Beate Vossen

Leitende Kriminaldirektorin, Polizei-Führungsakademie Münster, Leiterin des Fachbereichs Führung, Organisations- und Wirtschaftswissenschaften

DIE KOMMISSION

17

Mitglieder

Eine organisatorische und fachliche Begleitung erhielt die Kommission durch eine im Innenministerium eingerichtete Geschäftsstelle. In der Geschäftsstelle tätig waren Frau Ministerialrätin Sabine Löchner, Herr Kriminalrat Roland Küpper sowie Herr Kriminalkommissar Mario Kreckler. Darüber hinaus wurde die Kommission von Frau Eva Bruch, Projektleiterin bei The Boston Consulting Group, unterstützt.

3.2

Arbeitsmethodik

Dem Anlass entsprechend galt es, eine Arbeitsmethodik zu finden, die den hohen Erwartungen an diesen Bericht und dem Umfang einer Organisationsbetrachtung in der zur Verfügung stehenden Zeit in besonderem Maße Rechnung trug. Arbeitsgruppen

Hierzu wurde die Kommission in vier Arbeitsgruppen • • • •

„Innere Organisationsstruktur“ „Äußere Organisationsstruktur“ „Technik“ „Methodik“

gegliedert. Eine Diskussion der von den einzelnen Arbeitsgruppen bearbeiteten Themen mit abschließender Entscheidungsfindung erfolgte jeweils im Plenum der Kommission. Vor der Befassung mit Vorschlägen der Optimierung der Polizeistruktur stand zunächst eine Bestandsaufnahme und Analyse der Ist-Situation der Polizei NRW. Nach intensiven Diskussionen der Eckwerte verschiedenartiger Soll-Modelle konnte ein schriftliches Grobkonzept erstellt werden, das nachfolgend im Rahmen weiterer Analysen und Bewertungen in ein Feinkonzept und schlussendlich in diesen Bericht mündete. Insgesamt hat die Kommission 17-mal im Plenum getagt. Hinzu kommen zahlreiche Sitzungen der einzelnen Arbeitsgruppen.

3.3

Erkenntnisquellen

Neben der Bestandsaufnahme von einschlägigen Rechtsvorschriften, Erlassen, Literatur- und Internetrecherchen standen Anhörungen und Befragungen von Experten sowie die Aus- und Bewertung zahlreicher Zuschriften und Stellungnah-

18

men im Vordergrund. Zu den Experten gehörten Vertreter der Bezirksregierungen, Polizeipräsidenten, Landräte als Leiter der Kreispolizeibehörden, Vertreter der kommunalen Spitzenverbände, berufsständische Vertretungen der Polizei, Vertreter aus der Polizeiabteilung des Innenministeriums NRW sowie aus anderen Ländern mit Erfahrungen zur Neuorganisation. Zudem erfolgte eine gesonderte Anhörung von Experten für den Bereich der Technik. Dabei war es der Kommission ein besonderes Anliegen, auch Polizeipraktiker anzuhören. So haben Experten aus den KPB, d. h. Leiter der Abteilungen „Gefahrenabwehr/Strafverfolgung“ und „Verwaltung/Logistik“ sowie Leiter der Unterabteilung „Zentrale Kriminalitätsbekämpfung“ und Inspektionsleiter durch ihre Stellungnahmen wertvolle Hinweise gegeben.

Anhörungen

Zahlreiche, teilweise umfängliche und gut recherchierte, Zuschriften und Anregungen gingen auch über das Mitte des Jahres 2004 eingerichtete Postfach der Kommission7 ein. Eine fortlaufende Information der Öffentlichkeit fand durch die Internethomepage der Polizei NRW8 statt.

Öffentlichkeits-

Zudem informierte sich die Kommission während eines zweitägigen Besuchs der niederländischen Polizeibehörden „Regiopolitie Twente“ und „Regiopolitie Brabant-Zuid-Oost“ über dortige Polizeistrukturen. Dabei spielte auch die Informationstechnik eine wesentliche Rolle.

Informations-

Der Kommission stand ein eigener, internetunterstützter Informations- und Recherchepool zur Verfügung, um fortlaufenden Zugriff auf Erlasse, Eingaben, Stellungnahmen, Zuschriften und Protokolle der Sitzungen zu erhalten. Die Ergebnisse der Ist-Analyse und deren Bewertung – einschließlich der Erfahrungen einzelner Kommissionsmitglieder – trugen dazu bei, ein aktuelles Bild der derzeitigen Polizeiorganisation mit ihren Vorzügen, aber auch Schwächen zu skizzieren und daraus, unter Berücksichtigung neuester organisationswissenschaftlicher Erkenntnisse und der Reformbemühungen anderer Länder, Anregungen zur Optimierung zu entwickeln.

7

Postfach: „[email protected]

8

Internethomepage: „www.polizei.nrw.de“

DIE KOMMISSION

19

arbeit

reise

4 Historie der Polizei in NRW

4.1

Organisationsreformen vor 1992

Geprägt von einem deutlichen Einfluss der Besatzungsmächte in den ersten Jahren nach 1945 fand eine starke Konzentration des Aufgabenbereichs der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen statt. Vorbild britische Polizei

Nach britischem Vorbild umfasste die Polizei nunmehr nur noch die Schutz- und Kriminalpolizei. Vor 1945 dem Polizeibegriff zuzuordnende verwaltungspolizeiliche Aufgaben, wie die Gesundheits-, Bau- und Gewerbepolizei, gingen auf kommunale Ordnungsbehörden über. Bis 1953 hatte das Innenministerium zwar eine Aufsichtsfunktion gegenüber der Polizei und auch ein Mitspracherecht bei der Ernennung und Abberufung der Befehlshaber der örtlichen Polizeieinheiten. Den maßgebliche Einfluss übten jedoch die Polizeiausschüsse der jeweiligen Stadtkreis-Polizeien und RegierungsbezirksPolizeien durch Ernennung und Abberufung dieser Befehlshaber aus. Die Wahl der Mitglieder der Polizeiausschüsse erfolgte durch die kommunalen Vertretungskörperschaften. Diese zunächst deutlich kommunale Prägung wurde mit dem Gesetz über die Organisation und die Zuständigkeit der Polizei im Land Nordrhein-Westfalen vom 11. August 1953 aufgehoben und die Polizei in Nordrhein-Westfalen verstaatlicht. Die Einflussnahme der Kommunen entfiel somit nahezu gänzlich und war nur noch durch die neu geschaffenen Polizeibeiräte möglich. Die durch dieses Gesetz herbeigeführte Reform der Polizei des Landes NordrheinWestfalen bewirkte einen dreistufigen Verwaltungsaufbau: Als untere staatliche Verwaltungsbehörden galten nunmehr die Kreispolizeibehörden. Diese waren in kreisfreien Städten – je nach Einwohnerzahl – in Polizeipräsidien, Polizeidirektionen und Polizeiämter gegliedert. In den Kreisen gab es Oberkreisdirektoren als Kreispolizeibehörden. Als Landesmittelbehörden wurden die damaligen Regierungspräsidien zu Landespolizeibehörden. Zu den Landespolizeibehörden zählte auch die Autobahnpolizei. Die Landesmittelbehörden erhielten die unmittelbare Aufsicht über die jeweiligen Kreispolizeibehörden ihres Bezirkes. Als oberste Landesbehörde hatte das Innenministerium die oberste Dienst- und Fachaufsicht über diese Behörden.

20

Seit 1953 wurde das Gesetz über die Organisation und die Zuständigkeit der Polizei im Lande NRW – Polizeiorganisationsgesetz (POG NRW) – mehrfach geändert, zuletzt 2002.9 Nach der Polizeireform 1953 übernahmen die Oberkreisdirektoren als Kommunalbeamte nach Bestätigung durch den Innenminister die Leitung der Kreispolizeibehörden der kreisangehörigen Städte. Im Zuge der kommunalen Neugliederung Mitte der 70er Jahre wurde deren Anzahl stark reduziert. Die Leitung dieser Kreispolizeibehörden obliegt seit der Kommunalverfassungsreform im Jahre 1994 nunmehr Landräten als kommunalen Wahlbeamten. Eine Aufgabenübertragung erfolgt im Rahmen des Rechtsinstitutes der Organleihe.

Polizeireform 1953

Seit 1949 gab es Landespolizeieinrichtungen wie die Wasserschutzpolizei10, das Landeskriminalpolizeiamt, Landespolizeischulen, eine Polizeihundezucht und abrichtungsstelle, den Fernmeldedienst der Polizei sowie ab 1951 auch die Bereitschaftspolizei. Diese Einrichtungen waren dem Innenministerium direkt unterstellt.

4.2

Organisationsreform 1992 – Evaluierung 1997

Gemäß geltender Organisationserlasse waren seit 1962 alle Kreispolizeibehörden in die Abteilungen „Schutzpolizei“, „Kriminalpolizei“ und „Verwaltung“ untergliedert. Ende der 80er Jahre entstand eine zunehmende Diskussion über den inneren Organisationsaufbau der Kreispolizeibehörden des Landes NRW. Diese Organisation einer Kreispolizeibehörde war aus Sicht verantwortlicher Entscheidungsträger nicht in der Lage, den Aufgaben einer modernen Polizei vollumfänglich gerecht zu werden: Interne Reibungsverluste und Doppelarbeit sowie durch Spartendenken in den Abteilungen „Schutzpolizei“ und „Kriminalpolizei“ hervorgerufene Konkurrenzsituationen führten zu einer Störung der Effektivität und Effizienz der polizeilichen Arbeit, die eine Organisationsänderung erforderlich werden ließ. Im Laufe der Zeit wurde die Schutzpolizei immer stärker in die Kriminalitätsbekämpfung mit einbezogen: zunächst in die Bearbeitung von Verkehrsstraftaten und später auch in die Bearbeitung von Delikten bis hin zum Diebstahl von Kraft9

siehe Fußnote 5

10

später Präsidium der Wasserschutzpolizei

HISTORIE DER POLIZEI IN NRW

21

Notwendigkeit einer Organisationsänderung

fahrzeugen und zur Bekämpfung der Straßenkriminalität. Diese Entwicklung und auch die über die Landesgrenzen hinausgehende Auffassung, dass Schutz- und Kriminalpolizei auf unterer Ebene unter eine Führung zu stellen sowie im Interesse einer größeren Bürgernähe eine stärkere Regionalisierung der Kriminalitätsbekämpfung anzustreben sei, führte dazu, in Nordrhein-Westfalen die Spartentrennung zwischen Schutz- und Kriminalpolizei als Organisationsprinzip aufzuheben. Im Folgenden war man bestrebt, die Vollzugspolizei von sog. „Querschnittsaufgaben“, also typischen Verwaltungsaufgaben, zu entlasten und eine Konzentration auf eigentliche Polizeiaufgaben zu ermöglichen. Aufgrund dieser Überlegungen berief das Innenministerium 1990 eine Arbeitsgruppe zur Entwicklung eines neuen Organisationsmodells. Der Arbeitsgruppe gehörten Vertreter des Ministeriums, der Regierungspräsidenten und der Kreispolizeibehörden sowie ein Vertreter des Polizei-Hauptpersonalrats an. Das von dieser Arbeitsgruppe vorgeschlagene Organisationsmodell wurde vom Innenministerium überarbeitet. Die Neuorganisation der Kreispolizeibehörden wurde mit Erlass vom 09. März 1992 schrittweise eingeführt. Beginn der Neuorganisation 1992

Evaluierung der Neuorganisation

Angesichts der Unterschiede der Kreispolizeibehörden, z. B. Anzahl der Einwohner bzw. städtisch und ländlich strukturierte Behörden, konnte nicht für alle Kreispolizeibehörden ein einheitliches Modell bis in die letzten Einzelheiten festgelegt werden. Jedoch galt für alle Behörden nun eine Zweiabteilungsstruktur mit einer Abteilung „Verwaltung/Logistik“ und einer Abteilung „Gefahrenabwehr/Strafverfolgung“. Durch Integration der Schutz- und Kriminalpolizei und insbesondere aufgrund einer dezentralen/regionalen Bearbeitung der leichten und mittleren Kriminalität sollten die zuvor erkannten Schwachstellen der Altorganisation behoben werden. Diese Neuorganisation der Polizeibehörden wurde durch eine Evaluierung in den Jahren 1996/1997 auf den Prüfstand gestellt. Anhand eines Fragebogens nahmen die Bezirksregierungen und Kreispolizeibehörden Stellung zu einzelnen Bereichen der Neuorganisation. Die Auswertung der Berichte ergab, dass die Neuorganisation insgesamt „gut und zweckmäßig bzw. sachgerecht und praxisorientiert“ beurteilt wurde. Jedoch zeigten sich auch schon hier deutlich der Wunsch nach mehr eigenverantwortlicher Gestaltungsmöglichkeit und eine Nahtstellenproblematik zwischen zentraler und dezentraler Kriminalitätsbekämpfung. Die Evaluation mündete in eine Änderung des Organisationserlasses zum 29. Oktober 1997.

22

4.3

Weitere organisatorische Veränderungen

Zum 01. April 1996 erfolgte eine umfassende Veränderung der Organisationsstruktur der Bereitschaftspolizei NRW. Die Bereitschaftspolizei wurde großen Polizeipräsidien zugeordnet. Aktuell besteht die Bereitschaftspolizei NRW aus drei Abteilungsführungen, 18 Bereitschaftspolizeihundertschaften (aufgeteilt auf 14 Polizeipräsidien) sowie drei technischen Einsatzeinheiten am Standort der Abteilungsführungen.

Bereitschaftspo-

Bis 1996 erfolgte die Ausbildung innerhalb der Polizei – soweit sie nicht an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW oder an der PolizeiFührungsakademie Münster vorgenommen wurde – bei der Direktion der Bereitschaftspolizei NRW an dislozierten Standorten der Bereitschaftspolizeiabteilungen. Einhergehend mit der Neuorganisation der Bereitschaftspolizei NRW 1996 wurde die Ausbildung ab diesem Zeitpunkt von der Direktion für Ausbildung der Polizei NRW in den Polizeiausbildungsinstituten wahrgenommen. Die zentrale polizeiliche Fortbildung fand am Polizeifortbildungsinstitut „Carl Severing“ in Münster (vormals: Höhere Landespolizeischule „Carl Severing“) und am Polizeifortbildungsinstitut Neuss (vormals: Landeskriminalschule) statt.

Ausbildung der

lizei

Polizei

Seit Errichtung des Instituts für Aus- und Fortbildung der Polizei NRW im Jahr 2003 sind diese Polizeiaus- und -fortbildungsinstitute zu einer einheitlichen Polizeieinrichtung zusammengefasst. Mit Einführung der zweigeteilten Laufbahn werden seit 2002 Polizei-Anwärter nur noch in den gehobenen Dienst eingestellt. Die Zentralen Polizeitechnischen Dienste bestehen seit 1988. In sie ist der Fernmeldedienst der Polizei NRW sowie das Fachrechenzentrum des LKA eingegliedert.

HISTORIE DER POLIZEI IN NRW

23

Zentrale Polizeitechnische Dienste

5 Aktuelle Polizeistruktur NRW

Die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen genießt bundesweit und auch international ein hohes Ansehen als professionelles, effektives und effizientes Exekutivorgan. Die Lage der öffentlichen Haushalte, die Entwicklung der Kriminalität und auch die steigenden Anforderungen der Gesellschaft sowie des politisch-administrativen Systems an die Effektivität und Effizienz der Polizeiarbeit erfordern eine aktuelle Prüfung des Organisationsaufbaus der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen. Auf eine vorangestellte Analyse der Stärken und Schwächen der derzeitigen Polizeistruktur verzichtete die Kommission zur Vermeidung von Dopplungen. Eine Konkretisierung von erkannten Stärken und Schwächen erfolgt innerhalb der jeweiligen Kapitel. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass eine wissenschaftlich begründete Stärken- und Schwächenanalyse in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten war.

5.1

Äußerer Behördenaufbau

Die Zuweisung der Polizei als Angelegenheit des Landes gem. § 1 POG NRW11 sowie der dreistufige Verwaltungsaufbau prägen auch die Behördenstruktur der Polizei. Bezirksregierungen

Kreispolizeibehörden

Als Landesmittelbehörden nehmen die fünf Bezirksregierungen (Arnsberg, Detmold, Düsseldorf, Köln, Münster) die Dienst- und Fachaufsicht über die 50 Kreispolizeibehörden des Landes Nordrhein-Westfalen und im Bereich der Autobahnpolizei sogar erstinstanzliche Aufgaben wahr. Die 50 Kreispolizeibehörden unterteilen sich in 21 Polizeipräsidien (einschließlich des Präsidiums der Wasserschutzpolizei NRW) und 29 Landratsbehörden als Kreispolizeibehörden.12 Auffällig ist die unterschiedliche Größe dieser Behörden: so hat das Polizeipräsidium Köln als größte Behörde mit ca. 3.500 Beschäftigten einen Zuständigkeitsbereich für annähernd 1 Mio. Einwohner, die Kreispolizeibehörde Olpe weist hingegen mit ca. 200 Beschäftigten einen Zuständigkeitsbereich für rund 140.000 Einwohner auf.

11

siehe Fußnote 5

12

siehe Verordnung über die Kreispolizeibehörden des Landes NRW vom 19.11.2002 (SGV.NRW 205)

24

Bedingt durch diese Größenunterschiede in der Fläche und im Personalbestand/in der Einwohnerzahl können nicht alle polizeilichen Aufgaben von jeder Kreispolizeibehörde gleichermaßen erfüllt werden. Aufgrund dessen sind gemäß § 2 der Verordnung über die Bestimmung von Polizeipräsidien zu Kriminalhauptstellen 16 Polizeipräsidien als Kriminalhauptstellen benannt und nehmen als solche bestimmte Aufgaben in wesentlichen Bereichen der Strafverfolgung präsidiumsübergreifend auch für andere Kreispolizeibehörden wahr. Darüber hinaus sieht § 4 KHSt-VO für sechs Polizeipräsidien – ebenfalls präsidiumsübergreifend – eine besondere Aufgabenzuweisung, z. B. in Fällen des erpresserischen Menschenraubes und der Geiselnahme, vor.

Kriminalhauptstellen

Als Landesoberbehörde unterstehen das Landeskriminalamt NRW ebenso wie das Institut für Aus- und Fortbildung der Polizei NRW und die Zentralen Polizeitechnischen Dienste als Polizeieinrichtungen unmittelbar dem Innenministerium.

5.2

Innerer Behördenaufbau

Mit Organisationserlass vom 09. März 1992 wurde der innere Behördenaufbau der Kreispolizeibehörden grundlegend geändert und durch ein neues ZweiAbteilungs-Modell ersetzt.13 Hiernach bildet jede Kreispolizeibehörde, nach ihrer Größe und örtlichen Begebenheiten abgestuft, ihre Organisation ab. Andere als die in der Anlage 114 des Erlasses benannten Organisationseinheiten dürfen ohne Genehmigung des Innenministeriums nicht eingerichtet werden. Eine Kreispolizeibehörde (Polizeipräsidium oder Landrat- als Kreispolizeibehörde) verfügt demgemäß über eine Abteilung „Verwaltung/Logistik (VL)“ und über eine Abteilung „Gefahrenabwehr/Strafverfolgung (GS)“. Diese Abteilungen unterstehen – ebenso wie die Pressestellen bei den Polizeipräsidien – dem Behördenleiter unmittelbar.

Abteilungen

Der Leiter der Abteilung GS sind neben dem Abteilungsstab die Unterabteilungen „Polizeiinspektion“ (1 bis x), „Zentrale Kriminalitätsbekämpfung“, „Polizeilicher

Unterabteilungen

13

siehe Runderlass des Innenministeriums NRW „Organisation der Kreispolizeibehörden des Landes NRW“ vom 29.10.1997 – IV A 1 – 0300 – (letztmalig geändert am 03.05.2004) nebst Anlagen, Anlage 3

14

w. v.

AKTUELLE POLIZEISTRUKTUR NRW

25

Staatsschutz“15, „Bereitschaftspolizei/Polizeisonderdienste“16 und „Spezialeinheiten“17 zugewiesen. Polizeiinspektionen

Die zu betreuende Fläche sowie die Personalstärke der Polizeiinspektionen bestimmt die jeweilige Kreispolizeibehörde unter Berücksichtigung der kommunalen Strukturen und kriminalgeografischen Zusammenhänge selbst. Dabei darf die Personalstärke von 100 nicht unterschritten, und die bei der Neuorganisation der Kreispolizeibehörden festgelegte Anzahl der Polizeiinspektionen nur mit Zustimmung des Innenministeriums überschritten werden. Innerhalb der Polizeiinspektionen werden die Aufgaben des täglichen Einsatzgeschehens durch die Polizeihauptwachen bzw. Polizeiwachen wahrgenommen. In den zugehörigen Kriminalkommissariaten wird die leichte und mittlere Kriminalität bearbeitet. Mithin verfügen die Polizeiinspektionen über eine Führungsstelle, ein Verkehrskommissariat, den Bezirksdienst, einen Einsatztrupp und – soweit vorhanden – über einen Verkehrsdienst sowie über eine Kradgruppe.

Zentrale Kriminalitätsbekämpfung

Die Unterabteilung Zentrale Kriminalitätsbekämpfung (ZKB) wird grundsätzlich in das Kommissariat „Vorbeugung“, in Kriminalkommissariate und ggf. in Kriminalgruppen gegliedert. In der „ZKB“ werden die schwereren Kriminalitätsdelikte sowie die mittlere Kriminalität, die über die Zuständigkeit der Kriminalkommissariate der Polizeiinspektionen hinausgehen, bearbeitet. In kleineren Kreispolizeibehörden kann die „ZKB“ in einem Kriminalkommissariat zusammengefasst werden.

15

soweit vorhanden

16

w. v.

17

w. v.

26

5.3

Polizei NRW in Zahlen

Die Entwicklung der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen zeigt sich auch anhand der Personalstärke sowie der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel: Jahr Personal insgesamt:

davon Polizeivollzugsbeamte

davon Beamte der Verwaltung

davon Angestellte und Arbeiter

1975

41.000

35.200

500

5.300

1985

47.100

41.000

600

5.500

1995

52.000

45.200

650

6.150

2004

49.600

43.80018

Tabelle 1

Personalstärke

19

5.800

1975 bis 2004

Gemäß der „Belastungsbezogenen Kräfteverteilung“20 liegt die Sollstärke der Kreispolizeibehörden21 im Land Nordrhein-Westfalen derzeit bei rund 39.800 Mitarbeitern (davon ca. 35.650 Polizeivollzugsbeamte bzw. Beamte der Verwaltung sowie ca. 4.150 Angestellte und Arbeiter). Für die Arbeit der Kommission wurden die „Belastungsbezogene Kräfteverteilung 2003“, Inspektionsberichte und die Anzahl der (Plan-)Stellen der fünf Bezirksregierungen (Dezernate 25 und 26) hinzugezogen. Die Bevölkerung des Landes NRW wuchs von ca. 17,2 Mio. Einwohnern im Jahr 1975 auf 17,8 Mio. Einwohner im Jahr 1995. Im Jahr 2003 belief sich die Einwohnerzahl Nordrhein-Westfalens auf ca. 18,1 Mio.

18

Ab 1996 werden die Plan- und z. A.-Stellen der Verwaltung und des Polizeivollzugsdienstes nur noch zusammen veranschlagt.

19

Summe aller Planstellen und Stellen der Kapitel 03.010 (Ministerium), 03.110 (Polizeibehörden und Polizeieinrichtungen des Landes Nordrhein-Westfalen), 03.130 (Polizei-Führungsakademie Münster), 03.310 (fünf Bezirksregierungen), 03.320 (Aus- und Fortbildungseinrichtungen des Innenministeriums) des Haushaltsplans des Geschäftsbereichs des Innenministeriums der jeweiligen Jahre

20

Belastungsbezogene Kräfteverteilung 2004 (BKV 2004). Die BKV bezieht sich auf die Planstellen für Verwaltungs- und Polizeibeamtinnen und -beamte (Beamtenbereich) sowie auf die Stellen für Angestellte und Arbeiter (Tarifbereich).

21

ohne Präsidium der Wasserschutzpolizei und ohne Auszubildende

AKTUELLE POLIZEISTRUKTUR NRW

27

Belastungsbezogene Kräfteverteilung (BKV)

Die finanziellen Mittel, die das Land Nordrhein-Westfalen für die Polizeibehörden und -einrichtungen bereitstellte22, betrugen im Jahr 1975 ca. 705 Mio. 23, im Jahr 1985 ca. 1,17 Mrd. 24 und rund 1,88 Mrd. 25 im Jahr 1995. Im Jahr 2004 standen ca. 2,24 Mrd.  an Haushaltsmitteln zur Verfügung.

5.4

Polizeitechnik und IT der Polizei26

Im Rahmen der Neuorganisation der Kreispolizeibehörden erfolgte 1993 in der

Abteilung VL (Verwaltung und Logistik) die Einrichtung des Dezernats VL 3. Diesem Dezernat wurden alle Aufgaben im Bereich der Technik übertragen, insbesondere auch solche, die vormals von der „Abteilung Schutzpolizei“ im Bereich des Stabes des „Leiters S“ wahrgenommen wurden. Dagegen verblieb die kriminalpolizeiliche Technik (KTU27, Fotolabore) im Bereich GS. Das Dezernat VL 3 sollte behördeninterner Technikdienstleister sein. Entsprechende Organisationseinheiten wurden auch beim Landeskriminalamt und den Polizeieinrichtungen geschaffen. Für Tätigkeiten, die insbesondere in kleineren Behörden selten anfallen oder einen hohen Spezialisierungsgrad voraussetzen, entstanden bei benachbarten größeren Behörden regionale Servicestellen (regionaler Systemservice). Dezernate bei den Bezirksregierungen

Im Jahre 1993 wurden zur Koordinierung im Bereich Technik bei den Bezirksregierungen die Dezernate 27 geschaffen, die zwischenzeitlich in das Dezernat 25 (25.8) integriert worden sind. Die Bezirksregierungen sind zudem erstinstanzlich für die technische Ausstattung der Autobahnpolizei und der Leitstellen der Bezirksregierung zuständig. Zur Betreuung der Autobahnpolizei und der Leitstellen der Bezirksregierungen stellt die Polizei im Dezernat 26.6 technisches Personal.

22

jeweils Haushaltsjahre

23

Die Beträge wurden aus der Währungseinheit DM in  umgerechnet.

24

w. v.

25

w. v.

26

Nachfolgend wird unter dem Begriff „Technik“ der Aufgabenbereich „Polizeitechnik und IT der Polizei“ subsumiert.

27

28

Kriminaltechnische Untersuchungsstelle

Nach dieser Reorganisation auf örtlicher und mittlerer Ebene gliederte sich die Gesamtorganisation des Bereichs Technik hierarchisch wie folgt: Dienst- und Fachaufsicht des Innenministeriums über die Bezirksregierungen, das LKA und die Polizeieinrichtungen (HLPS Carl Severing, PFI Neuss28, ZPD NRW) sowie Dienst- und Fachaufsicht der Bezirksregierungen über die KPB. Ein Teil der Gesamtorganisation Technik wurde in den Jahren 1999/2000 im Rahmen einer Untersuchung der ZPD NRW durch die Firma „Mummert und Partner“ betrachtet. Dieses Beratungsunternehmen bestätigte auch eine Personalbedarfsschätzung, die eine polizeiinterne Arbeitsgruppe auf der Basis der im Jahr 2000 vorhandenen IT-Ausstattung vorgenommen hatte. Danach wurden in den Kreispolizeibehörden für den Bereich IT landesweit 1.140 Bedienstete benötigt. 2001/2002 wurde eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung bei acht Kfz-Werkstätten durchgeführt. Die Untersuchungsergebnisse wiesen die Wirtschaftlichkeit nach. Die beabsichtigte Schließung der Werkstätten wurde daraufhin mit der Bedingung zurückgenommen, dass künftig auf Basis einer Gewinn-und-Verlust-Rechnung die Wirtschaftlichkeit jährlich nachgewiesen wird. Mit der Neuorganisation des Innenministeriums ging 2001 die Zusammenfassung der Referate IV D 3 (Polizeitechnik) und IV D 4 (IT der Polizei) in das neue Referat 47 (Polizeitechnik, IT der Polizei) einher. Im Jahre 2003 wurde das Sachgebiet „IT-Ermittlungsunterstützung“ in den KPB bei der Zentralen Kriminalitätsbekämpfung eingerichtet und damit die technische Unterstützung dieses Aufgabenbereichs aus dem Dezernat VL 3 ausgegliedert. Eine organisationsübergreifende Gesamtbetrachtung des Aufgabenbereichs „Technik“ erfolgte nicht.

28

zwischenzeitlich im IAF zusammengefasst

AKTUELLE POLIZEISTRUKTUR NRW

29

Untersuchung der ZPD NRW 1999/2000

Zur Sicherstellung des Technikbetriebs wurden (Stand: 01.10.2003) in den Dezernaten 25.8 und 26.6 der Bezirksregierungen, in den Dezernaten VL 3 bzw. ZA 2 (PP Köln), ZI 2 (PP Aachen) der Kreispolizeibehörden, im Dezernat 03 des LKA sowie im Dezernat ZA 1.1 des IAF landesweit 1.910 Bedienstete wie folgt eingesetzt: Polizeitechnik

IT

Summe

Beamte

195,41

624,95

820,36

Angestellte

158,67

549,46

708,13

Lohnempfänger

378,00

3,50

381,50

732,08

1.177,91

1.909,99

Tabelle 2

Bedienstete im Bereich Polizeitechnik

42,95 % der im Technikbereich insgesamt eingesetzten Bediensteten sind Polizeivollzugsbeamte, im Teilbereich der IT beträgt ihr Anteil sogar 53,06 %. Die Aufgabenstellung im Technikbereich erfordert diese berufliche Qualifikation grundsätzlich nicht. Bei den ZPD sind weitere 740 Bedienstete dem Bereich „Technik“ zuzuordnen. Insgesamt sind landesweit rund 2.650 Bedienstete tätig. Von diesem Personal wird nachstehende Ausstattung betreut: Polizeitechnik

• • • • • • •

Rund 10.000 Kfz, zwei Tragflächenflugzeuge, acht Hubschrauber sowie 25 Rhein- und Kanalstreifenboote Bekleidung einschließlich (ballistische) Schutzbekleidung Verkehrs- und kriminaltechnisches Gerät 50.000 Waffen Sonstige Führungs- und Einsatzmittel einschließlich Sonderbedarfe für Bereitschaftspolizei und Spezialeinheiten Sachverständigenwesen Schießstätten, Zieldarstellungsanlagen Werkstätten für die Bereiche „Kfz“, „Waffen“

In den zurückliegenden zehn Jahren hat sich die informationstechnische Ausstattung der Polizei signifikant verändert. Zum Zeitpunkt der Neuorganisation im Jahre 1992

30



• • •

erfolgte eine grundlegende technische Neuausrichtung im IT-Bereich verbunden mit der Notwendigkeit, das vorhandene Service-Personal neu zu qualifizieren, waren erst wenige, allenfalls inselartig vernetzte PC-gestützte Arbeitsplätze vorhanden, wurden nur wenige behördenübergreifende Kern-Geschäftsprozesse mit IT unterstützt (z. B. durch Inpol29, PIKAS30, Fernschreibsondernetz), verfügte die Polizei über kein für die behördenübergreifende, flächendeckende Datenkommunikation geeignetes Netz.

Demgegenüber stellt sich die aktuelle informationstechnische Ausstattung wie folgt dar: •

• • • •

flächendeckendes Kommunikationsnetz der Polizei (CN-Pol31) mit Integration von Daten- und Sprachdiensten (450 Router und 37.000 Telekommunikationsendgeräte), 1.200 dezentral betriebene Rechnersysteme, 26.000 PC-Arbeitsplätze, die an 450 Standorten über lokale Netze an das Kommunikationsnetz CN-Pol angeschlossen sind, zentrales Fachrechenzentrum, 35 unternehmenskritische IT-Verfahren zur Unterstützung des operativen Bereichs (u. a. Fahndungssystem POLAS, polizeiliche Vorgangsbearbeitung IGVP, Einsatzunterstützung und -dokumentation Cebius, Recherchesystem FINDUS, E-Post) wie auch des Verwaltungsbereichs (z. B. Kosten- und Leistungsrechnung, Personalverwaltung, Schichtdienstmanagement).

Ein weiterer, wichtiger Aufgabenbereich ist der Betrieb des BOS32-Mobilfunknetzes. Hier sind in der zurückliegenden Zeit kaum qualitative Veränderungen eingetreten. Gegenwärtig wird die Ablösung der seit ca. 30 Jahren eingesetzten analogen Funktechnik durch ein digitales Mobilfunknetz vorbereitet. Dabei dürfte es sich um das finanziell aufwändigste Technologieprojekt handeln, das bei den Polizeien von Bund und Ländern je durchgeführt wurde.

29

Informationssystem der Polizei

30

Polizeiliches Informations-, Kommunikations- und Auskunftssystem

31

Corporate Network Polizei

32

Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben

AKTUELLE POLIZEISTRUKTUR NRW

31

5.5

Einführung des Neuen Steuerungsmodells in die Polizei NRW33

Zu Beginn der 90er Jahre wurde in der Polizei NRW ein Veränderungsprozess eingeleitet, der alle Organisationsbereiche umfasste. Die Bewertungen, dass •



die Erwartungen der Beschäftigten an die Organisation (vor allem an die Steuerung und Führung), u. a. mit dem Wertewandel in der Gesellschaft einhergehend, gestiegen waren und die hohen und weiter zunehmenden Anforderungen, die an die Polizei zur Gewährleistung der Inneren Sicherheit gestellt werden, künftig nur dann erfolgreich bewältigt werden können, wenn die Strukturen der Steuerung und Führung grundlegend überprüft und zukunftsfähig gestaltet werden,

machten den Reformbedarf unabweisbar. Das Neue Steuerungsmodell (NStM)

Ergänzung des NStM

Ab Mitte der 90er Jahre wurde innerhalb der Polizei NRW das Neue Steuerungsmodell (NStM) entwickelt. Mit seinen Elementen „Zielvereinbarung“, „Dezentrale Ressourcenverantwortung“, „Outputsteuerung“ und „Budgetierung“ sowie einem „Controlling“ sollten die Voraussetzungen für eine ergebnisorientierte Steuerung und Führung geschaffen und zugleich die Aspekte der Beteiligung und Übertragung von Verantwortung auf die Beschäftigten verstärkt werden. Die Elemente und Instrumente des NStM wurden sukzessive eingeführt, ihre Umsetzung ist für die Polizeibehörden und -einrichtungen verbindlich. Eine Ausnahme bildet die outputorientierte Budgetierung, deren Einführung im Kontext mit dem zentralen Prozess zur Einführung einer Kosten-und-Leistungs-Rechnung und von Produkthaushalten in der Landesverwaltung steht. Schnell wurde jedoch erkannt, dass die Implementierung der vorrangig betriebswirtschaftlichen Elemente des NStM alleine nicht ausreichte, den steigenden Anforderungen an eine moderne Polizei und an die sich verändernden Rahmenbedingungen sowie dem Anspruch einer lernenden und sich stetig verbessernden Organisation, vor allem im Bewusstsein der Beschäftigten, gerecht zu werden. In einem ganzheitlichen Ansatz wurde das NStM deshalb um die Bausteine „Qualitätsmanagement“, „Personal- und Organisationsentwicklung“ zum „Steuerungs-

33

32

siehe auch Kapitel 11

und Führungssystem der Polizei NRW“34 ergänzt und damit auch die Möglichkeit eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses geschaffen. Dieses Managementsystem vereint und berücksichtigt – den Belangen der Polizei angepasst – die Ansätze, die auch den Prozess der Verwaltungsmodernisierung in Nordrhein-Westfalen insgesamt kennzeichnen: •



Ausrichtung der Steuerung und Führung an klar definierten Organisationszielen. Für die Polizei sind dies „effektive Polizeiarbeit, Bürger- und Kundenzufriedenheit, Mitarbeiterzufriedenheit und Wirtschaftlichkeit im Umgang mit den Ressourcen“ Sicherung und Verbesserung der Qualität polizeilicher Leistungen in allen Organisations- und allen Aufgabenbereichen, unabhängig davon, ob sie für interne oder externe Zielgruppen erbracht werden

Die hierzu notwendigen Instrumente („Kosten- und Leistungsrechnung“, „Mitarbeiter- bzw. Bürgerbefragungen“, „Rahmenkonzept Personalentwicklung“ usw.) wurden bzw. werden innerhalb der Polizei NRW sukzessiv entwickelt, eingeführt sowie anhand von Erfahrungen fortentwickelt und angepasst.

34

siehe auch Arbeitsheft „Steuerung und Führung Polizei NRW“, IM NRW

AKTUELLE POLIZEISTRUKTUR NRW

33

6 Vorschläge zur Neuorganisation aus der Polizei

6.1

Modellversuch der Polizeipräsidien Aachen und Köln

Am 01. April 2004 hat in den Polizeipräsidien Aachen und Köln nach einjähriger Vorbereitungsphase der Modellversuch „Andere Führungsstrukturen bei Polizeipräsidien“ begonnen. Am 31. März 2004 wurde den Behördenleitern der Genehmigungserlass durch das Innenministerium ausgehändigt. Rahmenbedingungen

Ein Jahr zuvor waren den Polizeipräsidien Aachen und Köln durch das Innenministerium Rahmenbedingungen für den Modellversuch benannt worden: • •

• • • •

„Stärken-/Schwächenanalyse der gegenwärtigen Organisation mit einem Vorschlag für die Behebung der Schwächen Keine Veränderung in der Struktur der Hauptwachen bzw. Wachen, keine Verminderung der Zahl der Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten im „Außendienst“ Beschreibung der notwendigen Qualifikationen für die neu entstehenden Führungsfunktionen Keine Vergrößerung der Personalanteile der Stäbe Begleitung durch externe Arbeitsgruppe und wissenschaftliche Begleitung mit Prozess- und Ergebnisevaluation (beauftragt: Bezirksregierung Köln) Für das PP Aachen: Entwicklung einer Konzeption zur intensiveren Beteiligung des Kreises Aachen“

Die Polizeipräsidien Aachen und Köln haben in der Folge jeweils eine Überprüfung der derzeitigen Aufbau- und Ablauforganisation durchgeführt und die Ergebnisse zum 15. Januar 2004 vorgelegt. Die Überprüfung erfolgte unter Einbindung/Beteiligung zahlreicher Mitarbeiter der Behörden (mehr als 2.000 in Köln, mehr als 1.000 in Aachen) sowie durch Befragungen von Experten wie z. B. Staatsanwaltschaften oder Leitern von Behörden und Einrichtungen. Anhand der erkannten Aufgabenfelder wurde daraus einvernehmlich ein gemeinsamer Vorschlag der Polizeipräsidien zur Arbeit in einer geänderten Aufbauorganisation entwickelt. Das Modell weist gegenüber der bisherigen Organisation einige Besonderheiten auf: •

34

Installierung einer „Leitungskonferenz“ unterhalb der Ebene der Behördenleitung. Die Konferenz ist eine ständige Einrichtung, der neben der Behördenleiter die Direktionsleiter „Wach- und Bezirksdienst“, „Kriminalitätsbe-

• • •

kämpfung“, „Verkehr und Zentrale Aufgaben“ sowie der Leiter der „Leitungsassistenz“ angehören. Das strategische Management der Behörde wird durch die Organisationseinheit „Leitungsassistenz“ unterstützt. Auf der operativen Ebene werden Direktionen und nachgeordnet Inspektionen gebildet. Aufgaben und Verantwortung sind, so weit wie möglich, gebündelt worden.

Organigramm des Modellversuchs

Abb. 1 Schematische Darstellung der Organisationsstruktur zum 01.04.2004 in den Präsidien Aachen (AC) und Köln (K)

Zu den Zielen des Modellversuchs stellen die Behörden fest:

Ziele des Modellversuchs







Durch die Einrichtung grundsätzlich starker, operativ ausgerichteter Direktionen werden Belastungsschwankungen besser aufgefangen. Die Direktionen können ihre Aufgaben weitgehend selbstständig wahrnehmen. Entscheidungswege werden durch die flachere Hierarchie, den Wegfall einer Stabsebene und die gestärkte Verantwortlichkeit der Direktionsleiter z. T. deutlich verkürzt. Der Bürger kann erkennen, wer die Verantwortung für seine Sicherheit trägt.

VORSCHLÄGE ZUR NEUORGANISATION AUS DER POLIZEI

35

• •



Vergleich der

Die Reform soll insgesamt ausgewogen, d. h. kein Sparmodell zu Lasten einer Aufgabe, der Mitarbeiter oder Bürger sein. Der Vorschlag der Modellbehörden zeigt eine gleichgewichtigere Behördenorganisation als in der bisherigen Organisation und stärkt die Behördenleitungen. Mit vorliegender Planung ist erstmals eine vollständige Umsetzung des Steuerungs- und Führungssystems mit der Möglichkeit zur Erprobung aller Instrumente vorhanden.

Vergleich der Hierarchieebenen:

Hierarchieebenen

Aktuelle Organisation

Modellorganisation

1.

Polizeipräsident

Polizeipräsident

2.

Abteilungsleiter

Direktionsleiter, Leiter der Leitungsassistenz

3.

Unterabteilungsleiter, Dezernent

Inspektionsleiter

4.

Hauptwachen-, Wach-, Kommissariatsleiter

Wachdienst-, Bezirksdienst-, Kommissariatsleiter, Dezernent

5.

Dienstgruppenleiter

Dienstgruppenleiter

Tabelle 3

Vergleich der Hierarchieebenen in den Modellbehörden Aachen bzw. Köln

Die beauftragten Behörden, die Bezirksregierung Köln und das Innenministerium stimmten seit Beginn des Prozesses darin überein, dass eine Evaluation, unter Einbindung eines Wissenschaftlers, zwingend erforderlich ist und durchgeführt werden muss, um Erfolg oder Misserfolg des Modellversuchs feststellen zu können. Diese Auffassung wird auch bereits bei den o. a. wenigen Rahmenbedingungen festgestellt: „... wissenschaftliche Begleitung mit Prozess- und Ergebnisevaluation ...“. Die wissenschaftliche Evaluation des Modellversuchs erfolgt durch Herrn Prof. Dr. Weibler von der Fern-Universität Hagen. In der Phase vor Genehmigung des Modellversuchs wurden in erster Linie Strukturen und Prozesse betrachtet und verändert. Naturgemäß lag dabei der Fokus auf der Aufbauorganisation. In einer Organisation ist jedoch von einem Wechselspiel zwischen Strategie, Personen, Ressourcen sowie Strukturen/Prozessen und Kultur auszugehen. So wurden in der Schwachstellenanalyse Fehlentwicklungen auch bei den o.a. anderen Faktoren beschrieben.

36

Die Veränderungen gegenüber der Organisationsform vor dem 01. April 2004 sollen dabei methodisch anhand von Fallaufnahmen, Interviews (Befragungsinstrumenten) und korrespondierenden Fakten (Kennzahlen) der Evaluation zugeführt werden und damit die Veränderungen bei den o.a. Feldern abbilden. Da die Evaluation im vierten Quartal 2005 erfolgen soll, können die Ergebnisse naturgemäß nicht in diesen Bericht der Kommission einfließen.

6.2

Berufsständische Vertretungen

Im Rahmen der Erhebung und Analyse des Ist-Standes der Polizei NordrheinWestfalen erfolgten im Februar 2004 Anhörungen von Sprechern der berufsständischen Vertretungen. Die Gewerkschaft der Polizei, der Bund deutscher Kriminalbeamter sowie die Deutsche Polizeigewerkschaft haben im Vorfeld zur Anhörung und auch in der Folge mit „Diskussionspapieren“ bzw. „Positionspapieren“ das Thema „Neuorganisation“ aufgegriffen. Die drei Gewerkschaften begrüßen übereinstimmend eine Organisationsänderung der Polizei und begründen diese Reformnotwendigkeit mit Schwachstellen der derzeitigen Organisation.

6.2.1

Haltung der Gewerkschaften

Gewerkschaft der Polizei (GdP)

Die derzeitige Organisationsform weist nach Auffassung der GdP durch eine zu große Anzahl von Kreispolizeibehörden und zahlreiche sich überlagernde Zuständigkeiten Schwächen in der Aufgabenwahrnehmung auf. Eine seriöse Diskussion über eine Neuordnung der KPB könne nur nach einer durchzuführenden Organisationsuntersuchung (Schwachstellenanalyse) durch ein unabhängiges wissenschaftliches Institut erfolgen. Um eine Verbesserung der inneren Sicherheit durch eine Optimierung der Aufgabenwahrnehmung unter Berücksichtigung von Bürgerinteressen und Interessen der Mitarbeiter zu erreichen, stellt die GdP an eine zukünftige (äußere) Organisationsstruktur folgende Anforderungen: • • •

Anforderungen an eine Organisationsstruktur

Landesweit einheitliches, leistungsfähiges Modell Autarke Aufgabenwahrnehmung der einzelnen Polizeibehörden Berücksichtigung kommunaler Grenzen

VORSCHLÄGE ZUR NEUORGANISATION AUS DER POLIZEI

37

• •

Verhinderung der Einflussnahme von Politik und Interessenverbänden auf die Art der zukünftigen Struktur Ausschluss von Stellenabbau und betriebsbedingten Kündigungen

Diese Ziele sollen durch die Abschaffung der Zuständigkeit der Mittelinstanzen für die Polizei bei gleichzeitiger Übernahme der Aufgaben durch die neuen KPB und durch eine Reduzierung der KPB auf fünf Landespolizeipräsidien erreicht werden. Die derzeitigen KPB werden zu Polizeidirektionen unter Leitung von Polizeibeamten. Die Grenzen der Direktionen sind weitestgehend deckungsgleich mit kommunalen Grenzen der Kreise/Städte. Dabei soll das 1993/1994 eingeführte und nach Auffassung der GdP bewährte Integrationsmodell als Organisationsmodell für die Binnenorganisation fortentwickelt werden: • Abschaffung unnötiger Hierarchieebenen durch Delegation • Übertragung von Kernaufgaben (Einsatz/Verkehr/leichte und mittlere Kriminalität) in die Verantwortung eines Polizeiführers (direkt Behördenleiter unterstellt) • Zusammenführung von Fach- und Ressourcenverantwortung

6.2.2

Bund deutscher Kriminalbeamter (BdK)

Nach Aussage des BdK ist die Ist-Situation der derzeitigen äußeren Behördenstruktur gekennzeichnet von einem Vorhandensein zahlreicher, nicht miteinander vergleichbarer großer KPB mit Personalressourcenproblematik. Es wird Kritik an bestehenden Regelungen bezüglich Kriminalhauptstellen, Ständigen Stäben, Verhandlungsgruppen und SE-Kräften hinsichtlich der Arbeitsqualität und des Personalressourceneinsatzes geübt. Zudem sind ein zu hoher Kosten- und Personalaufwand der zahlreichen Leitstellen bzw. Reibungsverluste durch Dienst- und Fachaufsicht einer Mittelinstanz festgestellt. Die Organisationsreform der Polizei im Jahre 1993 hat nach Ansicht des BdK zu einer Verschlechterung (kriminal-)polizeilicher Arbeit geführt. Reformvorschläge des BdK

Die umfangreichen Reformvorschläge des BdK betreffen daher folgerichtig neben solchen zur äußeren Organisationsstruktur auch die Binnenorganisation: •

38

Errichtung von nicht mehr als 20 gleich großen, an kriminalgeografischen Strukturen bzw. Gerichtsbezirken orientierten und autarken KPB

• • • • • • • •

• •

6.2.3

Berücksichtigung kommunaler Gebietsgrenzen bei der Zuständigkeitsbestimmung von KPB Reduzierung der heutigen sechs Kriminalhauptstellen gemäß § 4 KHSt-VO auf drei (Köln, Düsseldorf, Dortmund) Reduzierte Vorhaltung von SE-Kräften/Ständigen Stäben/Bereitschaftspolizeieinheiten bei ausgewählten Behörden Reduzierung der Leitstellenanzahl Abschaffung der Ebene der Bezirksregierung als Aufsichtsbehörde für die Polizei, Eingliederung der Autobahnpolizei in die KPB Auflösung des Präsidiums der Wasserschutzpolizei; Eingliederung der Aufgaben in eine entsprechende Direktion Bündelung der Verantwortlichkeiten im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung Realisierung des Organisationsmodells des BdK (sog. „4 D-Modell“) einer Kreispolizeibehörde mit vier Direktionen (Polizeidirektion, Direktion für Verwaltung u. Recht, Direktion für Technik, Kriminaldirektion) Untergliederung der Kriminaldirektion in fünf fachliche Kriminalinspektionen und entsprechende Anzahl regionaler Kriminalinspektionen Einrichtung von Polizeidirektionen mit Polizeiinspektionen, Verkehrsdienst, Spezialeinheiten, Bereitschaftspolizei und Wasserschutzpolizei Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG)

Die DPolG lehnt, ähnlich wie der BdK, die Neuorganisation der KPB von 1992 ab, begründet dieses jedoch mit der Verfehlung der Ziele der Neuorganisation, da kein Mehr an innerer Sicherheit bzw. keine größere Zufriedenheit der Beamten gewonnen werden konnte. Nach Auffassung der DPolG habe sich die bis vor 1992 vorhandene Organisationsform der KPB bewährt. Die heutige Situation der Polizei stelle sich wie folgt dar: • Deprimierende Motivationslage in der Belegschaft • Personalmangel innerhalb der Polizei Auch die Evaluation der Neuorganisation im Jahr 1996 habe zu keiner Verbesserung der Situation geführt. Folgende Defizite bestünden: • Organisation der Polizei ist nicht überschaubar • Keine Steigerung der polizeilichen Präsenz • Keine Verbesserung der subjektiven und objektiven Sicherheitslage • Steigerung des internen Verwaltungsaufwands

VORSCHLÄGE ZUR NEUORGANISATION AUS DER POLIZEI

Defizite der aktuellen Organisation

39



Keine positiven Auswirkungen auf die innere Verfassung der Polizeibeschäftigen

Eine Neuorganisation werde die Personal- und Aufgabenproblematik nicht lösen können. Forderungen der

Die DPolG fordert für eine Neuorganisation eine

DPolG für eine Neuorganisation

• •

Abschaffung der Regierungspräsidien als polizeiliche Mittelbehörden Bündelung dieser Aufgaben in einem Landespolizeiamt mit organisatorischer und führungstechnischer Bündelung/Ansiedlung der/des: o Nachrichten- und Führungszentrale des Innenministeriums o Koordination des Einsatzes der Einsatzhundertschaften o Landeskriminalamtes o Wasserschutzpolizei o Autobahnpolizei o Zentralen Polizeitechnischen Dienste und Bekleidungswesen o Sondereinheiten und Dauerobjektschutzmaßnahmen



Reduktion der Zahl der Stabsdienststellen, Stabsfunktionen und Führungsstellen

Über die Organisationsänderung hinaus fordert die DPolG für die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen eine • • •

40

Professionelle und sinnvolle, an den tatsächlichen Aufgaben orientierte Personalbedarfsplanung und Verteilung, sachgerechte Aufgabenkritik und Aufgabenüberprüfung und Überprüfung sämtlicher Modernisierungsprojekte (z. B. im Zusammenhang mit Steuerung und Führung, Dezentralem Schichtmanagement usw.)

7 Ländervergleich

7.1

Länder im Vergleich

Zur Prüfung, in welchem inneren und äußeren Organisationsaufbau Polizeiarbeit in Nordrhein-Westfalen zukünftig organisiert werden soll, hat die Kommission neben Expertenanhörungen mit Datum vom 13. Januar 2004 eine Länderumfrage durchgeführt. Diese sollte einen Vergleich mit den anderen Ländern ermöglichen, zumal dort bereits erste bzw. wesentliche Schritte zur Neuorganisation der Polizei unternommen wurden.

Länderumfrage

Die Expertenanhörungen erfolgten in der Frühphase der Projektarbeit, namentlich zur Zeit der Feststellung des Ist-Standes. Mit ihren Stellungnahmen, den ergänzenden Ausführungen sowie den mündlichen Ausführungen anlässlich der Anhörungen haben diese Experten der Kommission eine erhebliche Unterstützung zukommen lassen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass allen Reformbemühungen der Polizeien der Länder folgende Ziele gemein sind: • • • • •

Effizientere Polizeiarbeit, d. h. mehr Sicherheit bei gleichen oder weniger Ressourcen Mehr Bürgernähe, ortsnahe Präsenz, Verkürzung der Wege, Erhöhung des operativen Anteils bei den Polizeikräften Abbau von Hierarchieebenen Reduzierung von Stabsanteilen Sicherung oder Verbesserung der Qualität polizeilicher Arbeit

Die Vorgehensweise der Länder ist in vielen Bereichen ähnlich, jedoch sind Unterschiede im Hinblick auf politische Vorgaben festzustellen. In NordrheinWestfalen hat Herr Minister Dr. Behrens als Auftraggeber der Kommission für ihre Arbeit keine einschränkenden Vorgaben gemacht. Insbesondere die Frage der Zukunft der Mittelinstanzen oder der Zukunft der Landratsbehörden als KPB, eine Kernfrage in der Untersuchung der Kommission, unterlag keinerlei Einschränkungen. Vielen Reformgedanken ist gemein, dass sie im Kontext einer Verwaltungsreform der Länder stehen bzw. standen, wobei die Besonderheit der Polizeiarbeit letztlich immer wieder zu Kompromissen geführt hat. In dem Spannungsfeld zwischen Erreichbarkeit für die Bevölkerung einerseits und Straffung der Organisation in horizontaler und vertikaler Hinsicht andererseits, mussten in den einzelnen Län-

LÄNDERVERGLEICH

41

Ziele der Reformbemühungen

dern Organisationsformen gewählt werden, die den örtlichen Gegebenheiten Rechnung tragen. So muss eine Polizei in – nach Definition der Vereinten Nationen – entvölkerten Gebieten für die Bürger ebenso erreichbar sein wie in einer Großstadt. keine Bewertung durch die Kommission

Sinn und Aufgabe des Ländervergleichs war es nicht, über eine erfolgte Organisationsreform eine Bewertung abzugeben und diese unmittelbar für die Polizei in Nordrhein-Westfalen zu übernehmen. Vielmehr sollte die Erfahrung der anderen Länder einfließen. Nachfolgende Zusammenfassungen der Reformabsichten bzw. durchgeführten Organisationsänderungen der Länder basieren auf den Ergebnissen der Anhörungen, Länderumfragen sowie Veröffentlichungen35 der zuständigen Ministerien und Senatsverwaltungen. Zum wesentlichen Inhalt der Mitteilungen der Länder:36 Baden-Württemberg: Die Polizei des Landes Baden-Württemberg hat im April 2002 mit der Umsetzung der Reorganisation der Polizei ein umfassendes und komplexes Reformvorhaben realisiert. Eckpfeiler wurden genannt: • • • • •

die Verschlankung der Organisationsstrukturen der Abbau von Hierarchieebenen die Stärkung der Eigenverantwortung der Dienststellen effizienter Personaleinsatz mit dem Ziel der Erhöhung polizeilicher Präsenz sowie eine möglichst optimale Aufgabenwahrnehmung in der Kriminalitätsbekämpfung

Baden-Württemberg unternimmt seit 2002 erhebliche Anstrengungen, um zu einer Verwaltungsreform, die alle Verwaltungsbehörden und Verwaltungsebenen einschließt, zu gelangen. Ziel ist die Bündelung der zergliederten Zuständigkeiten von Fach- und Sonderbehörden in den Regierungspräsidien und in den Landrats35

dpa-Meldungen, Pressemeldungen, Internetveröffentlichungen

36

Die Kommission hat eine Bewertung der Darstellung der Länder nicht vorgenommen.

42

ämtern bzw. den Bürgermeisterämtern der Stadtkreise. Hierdurch sollen einheitliche Anlaufstellen mit kurzen Wegen für die Bürger gewährleistet werden. Die Polizei ist ebenfalls in diesen Reformprozess eingebunden. Am 21. Oktober 2003 sind die Eckpunkte der Verwaltungsreform im Polizeibereich beschlossen worden, die bis zum 01. Januar 2005 realisiert werden sollen: • • • •



Eckpunkte der Verwaltungsreform

Eingliederung der Landespolizeidirektion als Abteilungen in die Regierungspräsidien Übertragung der Aufgabe der Lebensmittelüberwachung auf die unteren Verwaltungsbehörden Auflösung der Polizeiautobahndirektionen und Integration der Autobahnpolizeireviere in die Polizeidirektionen bzw. Polizeipräsidien Auflösung der Wasserschutzpolizeidirektion und Anbindung ihrer nachgeordneten Organisationseinheiten an die örtlich zuständigen Polizeidirektionen bzw. Polizeipräsidien Optimierung der Polizeipostenstruktur

Von der ursprünglichen Überlegung, die Anbindung bei den Landratsbehörden vorzunehmen, hat man Abstand genommen. Nach Einschätzung des Innenministeriums Baden-Württemberg können erhebliche Freisetzungs- bzw. Verlagerungspotentiale im Polizeivollzugsdienst bzw. Nichtvollzugsdienst erwartet werden. Bayern: Der bayerische Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung vom 06. November 2003 das Signal für eine Reform der bayerischen Polizei gegeben. In der Regierungserklärung für die Polizei heißt es, dass die Polizeiorganisation gestrafft und auf drei Stufen konzentriert werden solle. Der Verwaltungsaufwand werde um 25 % reduziert. Als Leitlinien für eine Organisationsänderung sind vorgegeben worden:

Leitlinien für eine Organisati-

• • • •

37

onsänderung

„kein Rückzug der Polizei aus der Fläche Stärkung der operativen Ebene Straffung der Entscheidungswege die Polizei in Bayern muss besser und billiger werden“37

Dienstliche Nachrichten des Polizeipräsidiums München August/September 2004, S. 6

LÄNDERVERGLEICH

43

Seitdem wurden verschiedene Modelle einer Ablauf- und Aufbauorganisation entwickelt worden. Zwei Modelle wurden, nicht zuletzt nach den Ergebnissen einer Kosten-Nutzen-Berechnung, favorisiert: 1. Straffung der bestehenden vierstufigen Polizeiorganisation auf allen Führungsebenen, Zusammenlegung von Polizeipräsidien (neben dem bayerischen LKA künftig nur noch vier Polizeipräsidien). Die Anzahl der Flächendirektionen wird auf 20 verringert. 2. Völlige Neustrukturierung der bayerischen Polizei mit einem dreistufigen Aufbau, Integration der Führungsebenen der Polizeipräsidien und Polizeidirektionen in einer Ebene, die die Aufgaben der bisherigen Polizeipräsidien und -direktionen übernimmt. Schaffung von so genannten „Schutzbereichen“ Die Diskussion um den drei- oder vierstufigen Aufbau führte im September 2004 zur Festlegung auf das „Schutzbereichsmodell“ unter Streichung einer Ebene der Polizeiverwaltung. Nach Mitteilung des bayerischen Staatsministeriums des Innern soll die Organisationsreform in der zweiten Jahreshälfte 2005 beginnen . Berlin: In Berlin ist im Jahr 2003 ein Projekt „Neuordnung der Führungsstrukturen“ beim Polizeipräsidenten Berlin umgesetzt worden. Die Polizeistrukturreform der 90er Jahre wurde mit der Einrichtung einer Projektgruppe für die Neuordnung der Führungsstrukturen in eine weitere Phase übergeleitet. Veränderungen

Als wesentlichste Veränderungen bei der Berliner Polizei werden hervorgehoben:

bei der Berliner Polizei

• •





44

Das Landesschutzpolizeiamt (LSA) ist zum 01. Juli 2003 aufgelöst worden. Die Stäbe des Polizeipräsidenten und des LSA wurden zu einem Stab zusammengeführt, wobei eine Vielzahl von sachbearbeitenden Aufgaben in die Direktion verlagert werden konnte. Der Stab wurde dabei neu gegliedert: Durch die Eingliederung eines Steuerungsdienstes ist er auch auf die Anforderung der Verwaltungsmodernisierung ausgerichtet. Das Lagezentrum der Senatsverwaltung für Inneres und die beiden Lagezentren der Berliner Polizei wurden zu einem Lagezentrum Berlin zusammengeführt. Die gemeinsame Führung verringert Doppelarbeit und administrativen Aufwand. Durch den Wegfall des LSA sind die Direktionen dem Polizeipräsidenten direkt unterstellt, wodurch die Entscheidungswege verkürzt werden.









Die Führungsstrukturen der Direktionen wurden verändert. Jede Direktion unterhält einen Stab, dessen Aufbau weitgehend mit dem des Polizeipräsidenten übereinstimmt. Der Vermischung von Stabs- und Linienfunktionen ist durch die Schaffung eines Referats „Zentrale Aufgaben“ begegnet worden. Die Zahl der Direktionen wurde reduziert und die Direktionsgrenzen den Berliner Verwaltungsbezirken angepasst. Das Landeskriminalamt wurde ebenfalls 2003 neu strukturiert. Die Organisationstiefe verringert sich auf drei Ebenen. Es konnten 20 Führungsstellen entfallen, Mitarbeiter für die operativen Bereiche freigesetzt werden. Das Landespolizeiverwaltungsamt wurde mit der Landespolizeischule zu einer zentralen Serviceeinheit zusammengefasst.

Gemäß Länderumfrage wird das Einsparpotential mit 35 Stellen, die bereits im Haushalt 2004 abgesetzt wurden, beschrieben. Das Optimierungspotential von ca. 330 Mitarbeitern führte zu einer Verstärkung des polizeilichen Kerngeschäfts um 144 Stellen. Brandenburg: Die Reform der Polizei in Brandenburg konnte zum 01. Juli 2002 abgeschlossen werden. Als Schwachstellen der Altorganisation wurden identifiziert: • • • • • • •

ein feststellbarer hoher Koordinationsaufwand eine personal- und kostenintensive Stabsbüro- und Leitstellenorganisation ein hoher prozentualer Anteil an Führungs-, Stabs- und Verwaltungsfunktionen eine territorial unterschiedliche Entwicklung der demografischen und sozialen Strukturen lange und komplizierte Entscheidungswege eine zu kleine Führungsspanne des Behördenleiters und zu lange Wege für die Bürger

Letztlich führte auch die Haushaltslage des Landes Brandenburg dazu, dass ein dringender Handlungsbedarf in allen Bereichen der Landesverwaltung diagnostiziert wurde. Maßstab der Organisationsänderungen waren die Reformziele Wirtschaftlichkeit, effektivere Polizeiarbeit, Bürgerorientierung und Mitarbeiterzufriedenheit.

LÄNDERVERGLEICH

45

Reformziele

Unter der Berücksichtigung dieser Ziele wurden nachfolgende Regelungen getroffen: • • • • • • • • • • • • •

mehr Bürgernähe

Organisation der neuen Polizeipräsidien unter Wegfall der bisherigen Abteilungen „Verwaltung“ und „Einsatz/Ermittlung“ unmittelbare Unterstellung der Schutzbereiche und vergleichbarer Organisationseinheiten unter den Behördenleiter Einrichtung eines Stabes bei der Behördenleitung als Führungshilfsmittel Einrichtung jeweils einer zentralen Leitstelle in den Polizeipräsidien Neuorganisation der Schutzbereiche unter dem Gesichtspunkt der Dezentralisierung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung Zusammenfassung der Unfall- und Kriminalitätsbearbeitung in einer Organisationseinheit (Ermittlungskommissariat) Einrichtung eines Zentralen kriminalpolizeilichen Dienstes bei den Polizeipräsidien Bekämpfung von Organisierter und Wirtschaftskriminalität im Landeskriminalamt unter Einrichtung von Außenstellen Übernahme von Präventionsaufgaben durch die Schutzbereiche Schaffung einer organisatorisch unselbstständigen Autobahnpolizei Beibehaltung einer organisatorisch selbstständigen Landeseinsatzeinheit der Polizei Auflösung des Präsidiums Wasserschutzpolizei und Anbindung der Wasserschutzpolizeiwachen an die Schutzbereiche Zuordnung der zentralen Bußgeldstelle zum Zentraldienst für Technik und Beschaffung der Polizei des Landes Brandenburg

Insgesamt wurde die Zahl der Polizeipräsidien von fünf auf zwei reduziert, die Anzahl der Schutzbereiche von 21 auf 15 reduziert und dabei weitgehend den Landkreisen angepasst. Die Zahl der Revierpolizisten konnte angesichts gewünschter Bürgernähe um mehr als 250 erhöht werden. Bremen: Über eine beabsichtigte oder vorgenommene Organisationsänderung innerhalb der letzten Jahre im Land Bremen ist nichts bekannt. Die Polizei untersteht dem Senator für Inneres und Sport (Abteilung 3).

46

Das Polizeipräsidium, unter Leitung eines Polizeipräsidenten, ist gegliedert in die • • • • •

Polizeidirektion Schutzpolizei/regionale Polizeiarbeit, Polizeidirektion Kriminalpolizei/Landeskriminalamt, Polizeidirektion Bereitschaftspolizei/Sondereinsatz, Wasserschutzpolizeidirektion sowie die Fachdirektionen Einsatz, Logistik, Recht und Personal, Information und Kommunikation.

Hamburg: Die Organisation der Hamburger Polizei ist 2003 umfassend neu strukturiert worden, die Umsetzung in weiten Teilen abgeschlossen. Im Einzelnen wurden folgende Maßnahmen durchgeführt: Die vier Polizeidirektionen wurden aufgelöst, eine Zentraldirektion als neue Steuerungsebene für den örtlichen und regionalen Polizeivollzug unterhalb des Polizeipräsidenten eingerichtet. Die Zentraldirektion ist in vier Regionen aufgeteilt. Die Einsatzzüge und Jugendschutzdienststellen der ehemaligen Polizeidirektionen wurden dem Leiter des Stabes der Zentraldirektion unmittelbar nachgeordnet, jedoch dezentralisiert untergebracht. Der Leiter der Zentraldirektion ist Vorgesetzter von vier Regionalverantwortlichen, die in abgeleiteter Kompetenz für die jeweiligen Regionen und die zugeordneten Polizeikommissariate zuständig wären. Eine Verkehrsdirektion ist als eigenständiger Bereich installiert, die Landesbereitschaftspolizei dem Polizeipräsidenten unmittelbar nachgeordnet. Die Neuordnung der Verbrechensbekämpfung ist bislang noch nicht abgeschlossen. Sie umfasst die Neuorganisation des Landeskriminalamtes, die Verlagerung von Zuständigkeiten des Landeskriminalamtes in die Zentraldirektion, einschließlich des mit den Aufgaben bisher befassten Personals, die Stärkung der grundsätzlichen Zuständigkeitsvermutung zu Gunsten der Polizeikommissariate und ihrer Kriminal- und Ermittlungsdienste für alle in ihrem Verantwortungsbereich begangenen Straftaten sowie die Einrichtung einer Abteilung „Verbrechensbekämpfung“ in der Zentraldirektion.

LÄNDERVERGLEICH

47

Hessen: Ziel der Organisationsreform

Am 19. Dezember 2000 ist das Gesetz über die Reform der Polizeiorganisation in Hessen verabschiedet worden. Ziel der Organisationsreform zum 01. Januar 2001 ist es, die Leistungsfähigkeit der Polizei durch einen effizienteren Einsatz der Ressourcen zu erhöhen und die Bürgerorientierung – und damit das Vertrauen der Bürger in ihre Polizei – zu stärken. Zur Schaffung einer moderneren, leistungsfähigeren Polizeiorganisation mit klaren und effizienten Führungsstrukturen, deren Organisation sowohl kriminalgeografischen als auch einsatztaktischen Erfordernissen sowie den Anforderungen der neuen Verwaltungssteuerung entspricht, wurde ein zweistufiger Verwaltungsaufbau gewählt. Als Eckwerte werden benannt: •





Einrichtung eines Landespolizeipräsidiums innerhalb des Ministeriums des Innern und für Sport als einzige strategische Steuerungsinstanz der hessischen Polizei Bündelung und Straffung der seinerzeitigen 20 unteren Polizeibehörden zu sieben Polizeipräsidien, in denen eine Integration der insgesamt 14 der Landratsbehörde als Hauptabteilung zuvor unterstehenden Polizeidirektionen Auflösung der drei Polizeidezernate bei den Regierungspräsidien und Verlagerung der Aufgaben und über 200 Mitarbeitern in die Bereichspräsidien

Die Gestaltung der Neuorganisation basiert auf polizeistrategischen und einsatztaktischen Gesichtspunkten und bildet die Basis der neuen Flächenorganisation. Diese soll • • • • •

48

eine durchweg hohe Leistungsfähigkeit und Flexibilität bei der eigenständigen Erfüllung auch komplexer polizeilicher Aufgaben in der Fläche, eine zukunftsfähige, effiziente und an strategischen Vorgaben ausgerichtete Organisation, die Geltung von landesweit einheitlichen bzw. kompatiblen Standards, qualitative und quantitative Synergieeffekte durch Bündelung von Stabs-, Leitungs-, Querschnitts- und Service-Aufgaben sowie eine erfolgreiche Implementierung der neuen Verwaltungssteuerung mit Budgetierung und Produktbildung zur Qualitätsverbesserung der polizeilichen Arbeit ermöglichen.

Mecklenburg-Vorpommern: Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns hat am 18. April 2000 mit den Eckpunkten zur qualitativen Entwicklung der Landespolizei die Grundlagen für eine Organisationsänderung gelegt. Wesentliches Ziel der Organisationsänderungen ist der Abbau von Hierarchieebenen innerhalb der Landespolizei. Entscheidungen sollten so weit wie möglich vor Ort getroffen werden. Durch Veränderungen im administrativen Bereich soll zusätzliches Personal für das polizeiliche Kerngeschäft gewonnen werden. Immer wieder betontes Ziel ist es, die Sicherheit der Bürger durch eine qualitative Verbesserung der polizeilichen Arbeit durch • • • •

Verbesserung der polizeilichen Arbeit

bessere Ergebnisse in der polizeilichen Sachbearbeitung, Entlastung des Vollzugsdienstes von vollzugsfremden Aufgaben, höhere Präsenz auf der Straße und Intensivierung der Verkehrsüberwachung

zu erreichen. Reformergebnisse sind schlankere Strukturen mit mehr Polizeibeamten für vollzugspolizeiliche Tätigkeiten (insbesondere Streifendienst und Einsatzbewältigung), Synergieeffekte und Qualitätsverbesserungen durch Bündelung der polizeilichen Sachbearbeitung, eine erhöhte Präsenz durch freigesetzte Kräfte auf der Straße sowie schnellere Reaktionszeiten in ausreichender Stärke durch Anbindung von Stationsbeamten an die Reviere. Wesentliche

Als wesentliche Daten der Neuorganisation werden angeführt:

Daten der Neu-

• • • • • • • • • •

Neuorganisation der Führungsstäbe der Polizeidirektionen Änderung der örtlichen Zuständigkeiten der Polizeiinspektionen (23 auf 17) Dezentralisierung von Verkehrsüberwachungsaufgaben Bildung von Polizeirevieren (35 mit direkt angebunden Polizeistationen) Neugliederung der Sachgebiete der 17 Kriminalkommissariate in den Polizeiinspektionen Anbindung der Kriminalkommissariats-Außenstellen an die Polizeireviere Neugliederung der Zuständigkeiten für die Bearbeitung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten Neustrukturierung der Fachkommissariate der Kriminalpolizeiinspektionen Umorganisation des Landeskriminalamtes Umorganisation der Wasserschutzpolizeiorganisation

LÄNDERVERGLEICH

49

organisation

• •

Neugliederung der Aus- und Fortbildung der Polizei Schaffung eines Bildungsinstitutes der Landespolizei und eines Amtes für Technik und Beschaffung als eigenständige Behörden

Niedersachsen: In der Koalitionsvereinbarung für die laufende Legislatur haben sich die Regierungsparteien auf die Organisation der Polizei mit folgenden Rahmenvorgaben geeinigt: • • Ziele der „Polizeistrukturreform Niedersachsen“

Auflösung der Bezirksregierung unter vorheriger Herauslösung der Polizeidezernate aus den Bezirksregierungen Bildung von Polizeidirektionen

Ziele der „Polizeistrukturreform Niedersachsen“ sind die Stärkung der Funktionalität und Eigenständigkeit der Polizei, eine effektive und effiziente an einheitlichen Rahmenstrukturen ausgerichtete Polizeiorganisation, die eine professionelle Aufgabenwahrnehmung, Präsenz und Bürgernähe gewährleistet. Kriminalitätsverhütung und -verfolgung als Aufgabenschwerpunkte der Polizei sollten sich in der Organisationsform abbilden. Tatortaufnahmen und Sachbearbeitung würden optimiert. Die Abgrenzung zentraler und dezentraler Aufgabenwahrnehmung wurde überprüft. Stäbe wurden verschlankt mit der Zielrichtung, den operativen Bereich zu stärken. Eine durch den Innenstaatssekretär eingesetzte Arbeitsgruppe hat die nachfolgenden Vorschläge für die Bildung der Polizeidirektionen und die Organisation der obersten Landesbehörde für den Fachbereich Polizei erarbeitet, die wie folgt umgesetzt wurden: • • • •

50

Im niedersächsischen Innenministerium wurde ein Landespolizeipräsidium eingerichtet, in dem die bisherige Abteilung 2 des Ministeriums aufging Das Landespolizeipräsidium hat als oberste Führungsstelle die Verantwortung für die strategische und konzeptionelle Zukunftsausrichtung der Polizei Die Polizei wurde aus den Bezirksregierungen herausgelöst, sechs regionale Polizeidirektionen wurden gebildet Die Polizeidirektionen gewährleisten die komplette polizeiliche Aufgabenwahrnehmung in ihrem Zuständigkeitsbereich und haben bei herausragenden Einsatzanlässen die Gesamtleitung. Zugleich übernehmen sie die Aufgaben, die mit Auflösung der Bezirksregierung neu zugeordnet werden

• •



mussten (z. B. Versammlungsrecht, Öffentliches Vereinsrecht, Vollzug von Partei- und Vereinsverboten) Einrichtung einer Polizeidirektion „Landesbereitschaftspolizei, Wasserschutzpolizeiamt und Zentrale Dienste“ Bei jeder Polizeidirektion wurde eine zentrale Kriminalinspektion eingerichtet, die sich mit speziellen Kriminalitätsphänomenen wie der Organisierten Kriminalität, Bandenkriminalität, Korruption oder besonders schweren Fällen der Wirtschaftskriminalität befasst 50 Polizeiinspektionen (einschließlich der PD Hannover) wurden zu 33 Polizeiinspektionen in der Fläche zusammengelegt worden

Rheinland-Pfalz: Die bis 1993 gültigen Strukturen der Polizei Rheinland-Pfalz waren vom Prinzip der Einräumigkeit und Einheitlichkeit der Verwaltung bestimmt, die Verwaltungsgrenzen und polizeilichen Zuständigkeitsgrenzen waren identisch. Mit der Neuorganisation 1993 und der Herauslösung der Polizei aus den Bezirksregierungen wurde man die Polizei des Landes Rheinland-Pfalz von Grund auf neu reformiert. Es wurden leistungsstarke Polizeibehörden mit angemessener großräumiger regionaler Zuordnung und Zuständigkeit gebildet. Die bisher gültige strikte Bindung an die räumliche Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden und Gebietskörperschaften wurde aufgegeben und eine organisatorische Konzentration der Kriminalpolizei auf die Bekämpfung schwerer und schwerster Kriminalität sowie die enge Verknüpfung der Zusammenarbeit von uniformierter Polizei und Kriminalpolizei vorgenommen. Als damit angestrebte Ziele konnten • • •

eine regionale und funktionale Ausgewogenheit, die Verbesserung der polizeilichen Präsenz und Bürgernähe sowie Professionalisierung von Polizeiführung und Einsatz

erzielt worden. Die kriminalpolizeiliche Sachbearbeitung konnte durch die Zusammenführung von Dienststellen und die Einrichtung einer Führungsgruppe bei der Kriminaldirektion verbessert werden.

LÄNDERVERGLEICH

51

Neuorganisation 1993

Saarland: Arbeitsgruppe „Polizei 2000Plus“

Die im Dezember 1999 eingerichtete Arbeitsgruppe „Polizei 2000Plus“ hat Vorschläge für die Fortentwicklung der Organisation der saarländischen Vollzugspolizei vorgelegt. Ministerielle Zielvorgaben waren • • •

die Straffung der Führungsebenen, die Verstärkung der (kriminal-)polizeilichen Präsenz in der Fläche und die Reduktion des Landeskriminalamtes auf LKA-spezifische Aufgaben.

Mit einer Verwaltungsvorschrift über die Organisation und Aufgabenverteilung in den Behörden der Vollzugspolizei des Saarlandes vom März 2001 wurden die Vorschläge des Abschlussberichtes vom Oktober 2000 umgesetzt: Die bisherigen Polizeidirektionen Mitte, Ost, West und Zentrale Dienste wurden aufgelöst. Rechtsnachfolger ist die neu eingerichtete Landespolizeidirektion. Neben dieser verbleibt lediglich das Landeskriminalamt als dem Ministerium nachgeordnete Polizeivollzugsbehörde. In einem weiteren Schritt, nach Schaffung weiterer Unterbringungsmöglichkeiten einschließlich notwendiger DV-Strukturen, ist im März 2002 die Kriminalpolizeiinspektion als weitere nachgeordnete Dienststelle der Landespolizeidirektion eingerichtet worden. Gleichzeitig ist, wie auch durch die Arbeitsgruppe „Polizei 2000Plus“ vorgeschlagen, die Organisation des LKA reformiert worden. Derzeit wird die Organisation der polizeilichen Information und Kommunikation im Saarland geprüft. Sachsen: Mit dem Ziel, die Leistungsfähigkeit, Effizienz und Bürgernähe der sächsischen Polizei zu steigern und sie auf die Anforderungen der Zukunft (EU-Erweiterung, zunehmende Technisierung, Ressourcenverknappung u. a.) bestmöglich einzustellen, wird die sächsische Polizei neu strukturiert. „5Plus2-Modell“

Kern der Neuorganisation ist das so genannte „5Plus2-Modell“, d. h. die Auflösung der drei Polizeipräsidien sowie das Zusammenführen der 13 Polizeidirektionen zu sieben neuen Führungsdienststellen. Mit der Umsetzung des Modells werden fünf Polizeidirektionen in der Fläche sowie zwei Direktionen in den Ballungsgebieten Dresden und Leipzig gebildet. Polizeireviere und Posten bleiben dabei in Anzahl und Standorten unverändert.

52

Am Dienstsitz der Polizeidirektionen wird eine Kriminalpolizeiinspektion eingerichtet und aus den wegfallenden Polizeidirektionen werden Kriminalaußenstellen gebildet, die die 14 bereits bestehenden Kriminalaußenstellen ergänzen. Einige Aufgaben des Landeskriminalamtes, wie die Bekämpfung der „Schleuserkriminalität“, werden künftig durch die Polizeidirektionen bearbeitet. Dem beschlossenen „Phasenmodell“ entsprechend stehen in der nächsten Zeit die Erarbeitung von Personal-Soll-Stärken der künftigen Dienststellen und die Bewertung der Dienstposten sowie die weitere Planung notwendiger Liegenschaften und technischer Anpassungen im Mittelpunkt. Sachsen-Anhalt: Das Land Sachsen-Anhalt hat die Organisation der Polizeidirektionen des Landes mit Erlass des Ministeriums des Innern zum 01. Januar 2003 begonnen und wie folgt umgesetzt: Nachdem im Jahre 2002 die Aufbauorganisation der Landespolizei auf der Ebene der Polizeireviere und Stationen modernisiert worden war (Zusammenführung von personalschwachen und kaum leistungsfähigen Polizeistationen zu personalstarken und leistungsfähigen Revierstationen, Einrichtung nur eines verantwortlichen Polizeireviers je Landkreis), erfolgte die Umsetzung im Bereich der Polizeidirektionen in den Jahren 2003/2004. Die Organisationsveränderung verfolgte aus polizeifachlicher Sicht das wesentliche Ziel, die Effektivität im polizeilichen Aufgabenvollzug an der Basis zu heben. Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen für den gesamten Landkreis wurden gebündelt. Revierkommissariate mit einem Rund-um-die-Uhr-Dienst sowie Revierstationen mit Bedarfsdienst, mit wirksamer Präsenz in der Fläche, angemessene Reaktionszeiten bei polizeilichem Soforteinsatz sowie ortsnaher Kriminalitätsbekämpfung wurden eingerichtet. Dabei blieb das in der Fläche vorhandene Personal in gleicher Größenordnung erhalten. Die 65 neuen Revierstationen fanden Aufnahme in den Dienstgebäuden der bisherigen Polizeistationen. Die Organisation des LKA wurde deutlich gestrafft, die Zahl der Abteilungen wurde von sechs auf fünf reduziert. Die Aufgabenverlagerung führte zu einem flachen hierarchischen Aufbau der Behörde. Zum 01. Januar 2005 soll die Landesbereitschaftspolizei neu organisiert werden. Im Ergebnis wird eine Einsatzhundertschaft aufgelöst. Ein Standort (Halle) wird aufgegeben.

LÄNDERVERGLEICH

53

Modernisierung der Aufbauorganisation 2002

Bis 2005 und darüber hinaus wird die Aufbau- und Ablauforganisation der Wasserschutzpolizei des Landes Sachsen-Anhalt überprüft. Die Anzahl der Wasserschutzpolizeistationen soll von acht auf sechs reduziert werden. Schleswig-Holstein: Zur Begründung der Organisationsreform des Landes Schleswig-Holstein im Abschlussbericht vom 10. Dezember 2003 wird festgestellt, dass „die dramatische Haushaltsentwicklung des Landes sowie die durch die technologische Fortentwicklung im Bereich der Landespolizei eröffneten Möglichkeiten, Arbeitsprozesse stärker zu zentralisieren, zu verschlanken und evtl. zu optimieren, es erforderlich machen, vorrangig die Stabsorganisation der Landespolizei einer kritischen Überprüfung zu unterziehen“. Rahmenbedin-

Rahmenbedingungen für die Neuorganisation in Schleswig-Holstein sind somit

gungen für die Neuorganisation

• • • •

die Bündelung (Zentralisierung) von Führungs- und Stabsaufgaben, die Berücksichtigung zukünftiger technischer Rahmenbedingungen, keine Reduzierung der vor Ort an Bürgern eingesetzten Kräfte und die Erhaltung der abgestuften Spezialisierung polizeilicher Tätigkeiten

gewesen. Als Ziele der Neustrukturierung der schleswig-holsteinischen Polizei werden benannt: • • • • •

Verbesserung der Effizienz der Polizeiarbeit Stärkung der Bürgernähe und operativen Arbeit der Polizei durch mögliche Umsteuerung von Personal aus den Stabs- und Führungsebenen Minimierung von Führungs- und Verwaltungsaufwand Vermeidung von Doppelarbeit Verkürzung der Informations- und Kommunikationsstränge

Durch die Organisationsänderung konnte der derzeitige Personalbestand der polizeilichen Führungs- und Stabsebene um insgesamt 25 % reduziert werden. Die Arbeitsbelastung vor Ort wird durch die Rückgabe nicht originärer Aufgaben an die zuständigen Stellen (z. B. Verhandlung mit den kommunalen Ordnungsbehörden: Schrottfahrzeuge, Fundsachen, Fahrerermittlungen, Abschiebungen usw.) reduziert.

54

Von bisher 1.381 Stellen in Führungsstäben verbleiben nach der Neuorganisation lediglich 1.034. Die Anzahl der Organisationseinheiten mit Führungs- und Stabsaufgaben wird von 24 auf elf reduziert. Die Anzahl der Organisationseinheiten für die polizeiliche Arbeit in der Fläche wird von 19 auf acht reduziert. Thüringen: Die Organisationsstruktur im Land Thüringen ist im Jahr 2002 neu formiert worden. Ziel der Organisationsänderung war es, Personal effektiver einzusetzen, um den derzeitigen und künftigen Aufgaben der Polizei gerecht werden zu können. Hierbei wollte man insbesondere den Anteil des Führungs- und Sicherstellungspersonals reduzieren, die polizeiliche Führung innerhalb eines Landkreises optimieren und Personal für neue polizeiliche Aufgaben freisetzen. Im Rahmen der Organisationsoptimierung wurden drei Polizeiinspektionen aufgelöst und zehn bisherige Polizeiinspektionen in Polizeistationen umgewandelt und einer anderen Polizeiinspektion nachgeordnet. Durch die Optimierung der PIStruktur konnte erreicht werden, dass in vier kreisfreien Städten und in zwölf Landkreisen die Zuständigkeit für die polizeiliche Betreuung jeweils einer einzigen entsprechenden Polizeiinspektion übertragen wurde. Schnittstellenprobleme wurden hierdurch reduziert. Für die Landräte bzw. Oberbürgermeister steht jeweils nur noch ein verantwortlicher Ansprechpartner zur Verfügung. Mit der Optimierung der Strukturen wurde die Ausgangslage (Sollstärken der Polizeiinspektionen zwischen 37 und 174 Vollzugsstellen) entschärft. Die durchschnittliche Stärke der Polizeiinspektionen liegt nunmehr bei über 65.

7.2

Benachbartes Ausland im Vergleich

Die Kommission hat entsprechend ihrem Auftrag, die Organisationsentwicklung im benachbarten Ausland in die Prüfung mit einzubeziehen, gezielt Informationen eingeholt. Dabei hat sich herausgestellt, dass die belgische Polizei aufgrund ihrer starken regionalen und kommunalen Eingliederung nur bedingt mit der Organisation der Polizei des Landes NRW vergleichbar ist. Somit ließen sich Erkenntnisse aus der Reform der belgischen Polizei des Jahres 2001 nur schwer auf die nordrheinwestfälische Polizei übertragen.

LÄNDERVERGLEICH

55

Organisationsänderung 2002

Das niederländische Polizeisystem wurde Anfang der 90er Jahre reformiert und beruht auf dem Polizeigesetz von 1993. Eine einheitliche Organisation mit 25 Regionalkorps und einem landesweit operierenden Korps ist seitdem mit der Wahrnehmung aller polizeilichen Aufgaben betraut. Insgesamt 52.000 Vollzugsbeamte und Angestellte stehen für die Sicherheit der 16,1 Mio. Einwohner zur Verfügung. Die Evaluierung dieser Polizeireform ist seit kurzem abgeschlossen und einige Verbesserungsvorschläge sind formuliert worden. Diese Fakten machen einen Vergleich sinnvoll. Deswegen hat sich die Kommission für einen Arbeitsbesuch in den Niederlanden entschieden.38 Sie hat dort wichtige Entwicklungen und Erfahrungen zur Kenntnis genommen.39 Obgleich einzelne Aspekte noch weitere Vertiefung brauchen, haben insbesondere die Themen „Steuerungsmodell und Zielvereinbarungen“, „Regionale Verantwortung“, „Steuerungsinstrumente und Ressourceneinsatz“, „Budgetierung“, „Kernaufgaben der Polizei“, „Leitstellen“, „Qualitätsmanagement“, „Prozesskontrolle und –effizienz“, „Führungskultur“, „Kundenorientierung und Kundenzufriedenheit“, „Grenzüberschreitende Zusammenarbeit“ und „Wissensmanagement“ zu einem eingehenden Meinungsaustausch geführt. Die Kommission hat – unterstützt durch Anhörungen und eingereichte Beiträge von Polizeibeamten aus dem Grenzbereich – festgestellt, dass das Thema „Grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit“ für das Land NRW und die Nachbarstaaten von großem Interesse ist. Obgleich vor allem die persönlichen Kontakte mit Kollegen aus den Nachbarstaaten recht gut sind, hat das Schengener Durchführungsübereinkommen vom 18. Juni 1990 die strukturelle Zusammenarbeit im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung nicht wirklich verbessert. Steigende internationale und grenzüberschreitende Kriminalität, illegale Immigration und neue Unsicherheitsprobleme (Terrorismus) haben zu einer Intensivierung der EU-Maßnahmen in den Bereichen „Justiz“ und „Innere Sicherheit“ (europäischer Haftbefehl, gemeinsame Ermittlungsteams) und zu einer intensivierten zwischenstaatlichen Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland, den Benelux-Staaten und Österreich (gemeinsame Erklärung vom 28. Mai 2004 in

38

39

siehe Ziff. 3.3

siehe Ziff. 7.3

56

Brüssel) geführt. Die Polizei in NRW braucht die organisatorischen Voraussetzungen für eine adäquate Umsetzung dieser Arbeit. Einen guten Ansatz bietet auch der neue Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit und die Zusammenarbeit in strafrechtlichen Angelegenheiten, der bald abgeschlossen wird.40 Die Euregio im Raum Aachen/Eupen/Maastricht hat mit vielen interessanten Initiativen oft eine Vorreiterrolle gespielt. Dies hat aber (noch) nicht dazu geführt, dass an der gesamten Grenze entlang einheitliche Maßnahmen realisiert wurden. Die derzeitige Struktur in NRW mit Verbindungsstellen in Krefeld, Mönchengladbach und Münster, die selbst keinen direkten Grenzbezug haben, sollte optimiert werden. In den Niederlanden ist in allen Behörden eine feste Kontaktstelle eingerichtet, die die Aufgabe der internationalen Zusammenarbeit wahrnimmt, damit die bisher bestehenden formellen und informellen Kontakte in eine feste Struktur gebracht werden. Alle internationalen Koordinierungsaufgaben und Kontakte/Beziehungen werden dort übernommen werden, damit für ausländische Behörden und Kollegen ein fester Ansprechpartner zur Verfügung steht und der Behördenleiter im Hinblick auf dieses immer mehr an Bedeutung gewinnende Thema gut beraten werden kann. Rechts- und Amtshilfesachen werden über diese Kontaktstelle weitergeleitet.

7.3

Übertragbarkeit von Lösungsansätzen

Eine pauschale Übertragung organisatorischer Regelungen aus anderen Ländern oder dem Ausland auf die Polizei des Landes NRW ist im Hinblick auf die unterschiedlichen Rahmenbedingungen und abweichenden Ausgangssituationen nicht möglich.41

40

Besonders zu beachten sind die Artikel 3 (als Grenzgebiete in NRW gelten die Kreise und kreisfreien Städte in den Regierungsbezirken Düsseldorf, Köln und Münster) und 24 (Einrichtung gemeinsame Zentren im Grenzgebiet).

41

Im Berichtstext wird bei der Begründung und Erläuterung der einzelnen Organisationsvorschläge erforderlichenfalls auf vergleichbare Regelungen in anderen Polizeien hingewiesen.

LÄNDERVERGLEICH

57

Vergrößerung von Behörden

Zwei-/ Dreistufiger Behördenaufbau

Kommunale Mitwirkung

Ein Gesichtspunkt, der bei den meisten Strukturreformen der Polizeien der Länder eine wesentliche Bedeutung hat, soll an dieser Stelle besonders hervorgehoben werden: die Vergrößerung von Behörden und ihrer Untergliederungen. Bereits im Antrag der Koalitionsfraktionen42 wird als Ziel der Strukturreform „eine deutliche Verringerung der Behördenzahl“ genannt. Gleichwohl hätte die Kommission einem solchen Ziel in ihrem Vorschlag nicht entsprechen können, wenn dies mit einem Verlust an Bürgernähe verbunden wäre. Aufgrund der vorgenommenen Vergleiche hat sich die Kommission jedoch davon überzeugen können, dass eine solche Wirkung nicht zwingende Folge ist. Voraussetzung ist dann allerdings, dass die Basisdienststellen43 mit ihrem örtlich verfügbaren Dienstleistungsangebot erhalten bleiben. In den Bundesländern, in denen Veränderungen der Polizeiorganisation vorgenommen wurden oder beabsichtigt sind44, sind größere Strukturen für die Polizeibehörden Inhalt der Reformen. Unstrittig ist, dass dabei Synergien und wesentliche Einspareffekte erzielt werden können. Davon sind jedoch im Wesentlichen nur die mittlere und obere Managementebene betroffen. Die Polizeipräsenz vor Ort wird erhalten und kann im Rahmen von Stellenverlagerungen sogar noch verstärkt werden. Die Frage der Zwei- oder Dreistufigkeit des Behördenaufbaus, also die Frage einer Mittelinstanz, stellt sich in den Ländern recht unterschiedlich dar. Viele Länder verfügen entweder über keine Bezirksregierungen oder haben sie im Rahmen von Verwaltungsreformen abgeschafft. Weitere Länder haben zwar eine polizeiliche Mittelinstanz, diese aber nicht der Bezirksregierung zugeordnet, wiederum andere haben zwar weiterhin Bezirksregierungen als Mittelinstanz, aber dennoch die Polizei zweistufig organisiert. Es gibt also kein Modell, das es nicht gibt. Daher ließen sich aus den Erfahrungen anderer Länder keine zwingenden Schlussfolgerungen in der Frage der Zwei- oder Dreistufigkeit ziehen. Der Vergleich mit den Polizeistrukturen in den Niederlanden war für die Kommission besonders wichtig, weil die Niederlande mit NRW in einigen Bereichen45, wenn auch mit gewissen Einschränkungen, vergleichbar ist. Die niederländische Polizei gilt als besonders bürgernah. Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ord42

vgl. Anlage 1

43

Polizeiwachen und Regionalkommissariate

44

z. B. Bayern, Brandenburg, Hessen

45

z. B. Größe, Bevölkerung, Straßennetz

58

nung oder bei Hilfeleistungen ist sie dem Bürgermeister der Gemeinde, in der sie tätig ist, unterstellt. Im Rahmen der strafrechtlichen Wahrung der Rechtsordnung untersteht sie dem zuständigen Staatsanwalt. Die Möglichkeiten kommunaler Instanzen und Gremien, bei den örtlichen Entscheidungen zur polizeilichen Organisation und Aufgabenwahrnehmung mitzuwirken, haben bei den Entscheidungen der Kommission darum eine wichtige Rolle gespielt. Bei der niederländischen Polizei wurde ein erfolgreiches Qualitätsmanagement vorgefunden, das auf der Grundlage einheitlich beschriebener Kernprozesse mit örtlichen Prozesseigentümern für eine verbesserte Prozesseffizienz sorgt. Die Kommission hält diesen Ansatz im Rahmen des Steuerungs- und Führungssystems der Polizei NRW für übertragbar.46

46

siehe Ziff. 11

LÄNDERVERGLEICH

59

Qualitätsmanagement

8 Bewertungskriterien und deren Gewichtung

Fünf Bewertungskriterien

Die Kommission hat im Verlauf ihrer Arbeit verschiedene Organisationsmodelle geprüft und diskutiert und sich schließlich für die in diesem Bericht vorgestellten Vorschläge entschieden. Dies geschah aufgrund von Bewertungskriterien, auf die sich die Kommission in einem frühen Stadium der Arbeit verständigt hat. Sie ergeben sich aus den Zielen der Neuorganisation: 1. Effizienzsteigerung, 2. Erhöhung der Bürgernähe, 3. Qualitätssicherung und 4. verbesserte Zusammenarbeit mit Dritten (vgl. Abschnitt 2.2). Die fünf Bewertungskriterien sind unmittelbar hierauf bezogen; die Kommission hat sie jeweils mit Unterpunkten konkretisiert: Kundenorientierung • • • •

Objektive Sicherheit der Bürger: Qualität der polizeilichen Arbeit bei Gefahrenabwehr und Strafverfolgung Subjektive Sicherheit der Bürger: wahrgenommene Polizeipräsenz, Ortsnähe der Dienststellen; Ergebnisse von Bürgerbefragungen Zusammenarbeit mit Kommunen und kommunalen Zusammenschlüssen (z. B. in Beiräten, Ordnungspartnerschaften) Zusammenarbeit mit der Justiz, vor allem bei der Strafverfolgung

Prozesseffizienz • • • • •

Verhältnis von Ressourcenaufwand und Ergebnis: Vermeidung von Doppelarbeit und unnötigen Abstimmungsschleifen Flexibilität Klare Verantwortlichkeiten, angemessene Kompetenzzuordnung Messbarkeit, Evaluation der Ergebnisse der Prozesse Führbarkeit: sinnvolle Führungsspannen, reduzierte Komplexität

Mitarbeiterakzeptanz • • •

Gewährleistung eines ansprechenden Arbeitsumfeldes Personalentwicklungsmöglichkeiten Stärkung von Engagement und Motivation durch eigenverantwortliche, klar umrissene Aufgaben, Befähigung und Anerkennung

Wirtschaftlichkeit •

60

Abschätzung der wesentlichen Kosten und Einspareffekte

Umsetzungsaufwand • • • •

Tiefe des Eingriffs, Anzahl der unmittelbar betroffenen Mitarbeiter Einklang mit vorhandenen Fähigkeiten und heutiger Organisationskultur Politische Akzeptanz Investitionserfordernisse: u. a. Fortbildungen, Baumaßnahmen, Technik

Bei diesen fünf Bewertungskriterien ist keine weitere Gewichtung vorgesehen. Sie sollten nach dem Verständnis der Kommission so auch für eine spätere Evaluierung der Reorganisation herangezogen werden.

Keine Gewich-

Während die aufgeführten Kriterien zur Beurteilung der verschiedenen Reorganisationsoptionen insgesamt herangezogen wurden, können für die Beurteilung des inneren Behördenaufbaus spezielle Kriterien angewendet werden. Diese beruhen auf Erfahrungen aus der Wirtschaft, sind jedoch in gewissem Umfang durchaus auf öffentliche Belange – hier auf die Polizei – übertragbar.

Kriterien für den

• •

Fokus Stimmigkeit

• •

Rollen Fähigkeit



Elastizität

Orientiert sich die Struktur an den Erfolgskriterien? Ist die Struktur im Einklang mit den tatsächlichen Entscheidungsprozessen? Sind die Rollen klar definiert und eindeutig abgegrenzt? Sind Kenntnisse und Wissen dort vorhanden, wo sie/es gebraucht werden/wird? Weist die Struktur das richtige Maß an Verlässlichkeit bzw. Flexibilität auf?

Diese Kriterien hat die Kommission bei der Erarbeitung ihrer Vorschläge zum inneren Behördenaufbau beachtet.

BEWERTUNGSKRITERIEN UND DEREN GEWICHTUNG

61

tung der Kriterien

inneren Behördenaufbau

9 Vorschläge zum äußeren Behördenaufbau

9.1

Stärken und Schwächen des derzeitigen Behördenaufbaus

Die Organisation der Polizei ist – bezogen auf den äußeren Behördenaufbau – nirgendwo in Deutschland so zersplittert und inhomogen wie in NordrheinWestfalen. Sie ist hier gegliedert in 50 KPB von sehr unterschiedlicher Größe bzgl. Einwohnern und Mitarbeitern (Extreme: KPB Olpe mit ca. 140.000 Einwohnern und 200 Mitarbeitern und KPB Köln mit ca. 1,0 Mio Einwohnern und ca. 3.500 Mitarbeitern) sowie in fünf Bezirksregierungen und das Landeskriminalamt. Dies ist sowohl mit Vor- als auch mit Nachteilen verbunden. Vorteile der Organisation

Nachteile der Organisation

Spezialisierung, Personalentwicklung

Zu den Vorteilen, die u. a. damit verbunden sind, dass im ländlichen Raum Kreise und KPB nicht nur deckungsgleich, sondern auch organisatorisch durch die Behördenleiterfunktion des Landrats (Landratsbehörden) auf das Engste miteinander verbunden sind, gehört, dass die Organisation der Polizei bürger- und ortsnah ist. Denn öffentliche Sicherheit kann von der Polizei vor Ort nur in enger Kooperation und Zusammenarbeit mit den kommunalen Behörden effizient und effektiv gewährleistet werden. Die gegenwärtige Gebietsstruktur der KPB wird dem Ziel einer dezentralen und ortsnahen Aufgabenerledigung gerecht und hat zahlreiche Synergie- und Bündelungseffekte. Nachteilig sind andererseits die unterschiedliche, z. T. wenig transparente polizeiliche Aufgabenwahrnehmung, zahlreiche Schnittstellen und der im Verhältnis hohe Overheadaufwand, insbesondere bei kleineren KPB. Schwachstellen der heutigen Struktur ergeben sich z. B. aus den prozentual höheren Stabsanteilen kleinerer Behörden. Durch die Zersplitterung von Aufgaben und Verantwortung kommt es zwangläufig zu Leistungseinbußen der Gesamtorganisation (Schnittstellen, Reibungsverluste, verlängerte Reaktionszeiten etc.) sowie zu unterschiedlichen Standards bei den verschiedenen Behördentypen. Die ablauforganisatorischen Bedingungen in den KPB sind nicht vergleichbar, dadurch entstehen zwischenbehördliche, regionale und landesweite Koordinationsschwierigkeiten. Es gibt keine einheitlichen Ansprechpartner auf der Fachebene. Vielfach ist der adäquate Einsatz von Polizeivollzugsbeamten (PVB), insbesondere im Hinblick auf die notwendige Spezialisierung, problematisch. Eine angemessene Personalentwicklung ist innerhalb vieler KPB problematisch bis nicht möglich. In einigen KPB herrscht systembedingt eine besonders hohe Fluktuation mit der negativen Folge sehr ungleicher Altersstrukturen zwischen den KPB. Notwendig erscheint vor dem Hintergrund umfassender Mängeldiagnose daher eine Gesamtansicht der Organisations- und Personalentwicklung. Insbesondere die

62

Personalentwicklung in der Polizei hat einen deutlichen Bezug zur Behördengröße. Weiterhin verbindet sich mit der derzeitigen Organisation eine zu große Anzahl der Hierarchieebenen, der Hierarchiestränge und der Behörden, die zudem in Größe und Leistungsfähigkeit sehr differieren, Unübersichtlichkeit, eine zu starke Zergliederung beim heutigen Stand der Technik und viele behördeninterne übergreifende oder unterschiedliche Zuständigkeiten. Insgesamt betrachtet können in einem Polizeibezirk neben der zuständigen Kreispolizeibehörde bis zu fünf weitere Polizeibehörden47 polizeiliche Aufgaben wahrzunehmen haben. Alltägliche Informations- und Kommunikationsprobleme, Koordinierungsprobleme sowie Doppelarbeit und Reibungsverluste sind eine zwangsläufige Folge. Zuständigkeitsfragen führen immer wieder zu Abstimmungsproblemen zwischen den Kriminalhauptstellen und den ihnen zugeordneten Behörden. Die Erfahrungen in allen Aufgabenbereichen des Landeskriminalamtes NRW sprechen für eine deutliche Reduzierung der Anzahl der KPB, die mit einer Angleichung von Größe und Leistungsfähigkeit der einzelnen Behörden einhergehen sollte. Die einheitliche Umsetzung der Leitlinien der Landesregierung ist durch die Vielzahl der Behördenleiter und die Differenzierung zwischen Polizeipräsidenten und gewählten Landräten erschwert. Besprechungen mit Behörden- und Einrichtungsleitern gestalten sich aufgrund der Vielzahl der Behörden als Frontalveranstaltungen ohne offene Diskussionsmöglichkeit. Eine effektive Zusammenarbeit zwischen Innenministerium (IM) und BL ist deshalb nur schwer herstellbar. Eine mittelbare Kommunikation über eine weitere Hierarchieebene führt zu Reibungsverlusten (Unvollständigkeit von Informationen, unterschiedliche Interpretationen, Einfluss durch subjektive Bewertungen etc.). Stattdessen haben sich auf den unterschiedlichen Fachebenen Gesprächskreise und Informationsstränge gebildet, die die bestehende Hierarchie außer Acht lassen, gleichwohl aber fachlich notwendig erscheinen (z. B. befindet sich das IM in regelmäßigen Besprechungen mit den Abteilungen GS 3). Die Definition einheitlicher, landesweiter Standards, die von allen Behörden eingehalten werden (können), gestaltet sich schwierig. Zielvereinbarungen auf Landesebene treffen auf eine unterschiedliche Leistungsfähigkeit der Behörden. Leis47

§ 2 – und § 4 – Behörden, WSP, LKA und Autobahnpolizei

VORSCHLÄGE ZUM ÄUßEREN BEHÖRDENAUFBAU

63

Informationsund Kommunikationsprobleme

tungsvergleiche, die Bildung von Vergleichsringen und ein auf Bezirks- oder Landesebene angelegtes Controlling sind problematisch. Auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren

Auf gesellschaftliche Veränderungen mit Auswirkungen auf das Einsatzgeschehen, die Kriminalitätsentwicklung sowie das Verkehrsaufkommen hat die Polizei bisher mit stärkerer Spezialisierung, Arbeitsteilung und dem verstärkten Einsatz von Technik bzw. zunehmend mit sich überlagernden Zuständigkeiten reagiert. Es erscheint fraglich, ob diese Form der Aufgaben- und Problembewältigung auch zukünftig mit Blick auf die Organisationsziele zielführend und erfolgreich sein kann. Demzufolge gilt es, die polizeiliche Behördenlandschaft – wie bereits in fast allen Bundesländern geschehen – nach sachgerechten Kriterien neu zu ordnen, dabei jedoch die Belange und Bedürfnisse der Bürger sowie der Beschäftigten angemessen zu berücksichtigen. Insgesamt bleibt dabei allerdings festzuhalten: Für die Qualität und Effektivität der polizeilichen Arbeit ist weniger relevant, ob es sich um eine LR- oder PPBehörde handelt, sondern eher maßgeblich ist hierfür die Größe der Behörde.

9.2

9.2.1

Aufgabenzuschnitt und Größe der Polizeibehörden

Polizeiliche Aufgabenwahrnehmung durch eine Polizeibehörde

Es gab bei dem umfangreichen abzuarbeitenden Katalog vieler sehr grundsätzlicher Fragen kaum so viel Übereinstimmung bei allen angehörten Sachverständigen wie in diesem Punkt: Grundsätzlich identische Aufgabenkataloge

Wichtiger als eine (gewaltsame) Zuschneidung der zukünftigen Behördenlandschaft auf möglichst angenäherte Größenverhältnisse ist es, dass die künftigen Polizeibehörden einen grundsätzlich identischen Aufgabenkatalog haben und das gesamte Spektrum polizeilicher Aufgaben selbstständig abarbeiten können. In dieser Forderung unterschieden sich die Vertreter der Aufsichtsbehörden nicht von denen der KPB, die Sprecher der Gewerkschaften nicht von den Behördenleitern und den Sachverständigen aus anderen Bundesländern bzw. aus den Nachbarländern, wenn auch der Zugang zu diesem Problemkreis unterschiedlich erfolgte.

64

Im Einzelnen: In der Anhörung wurde überzeugend dargelegt, dass eine sinnvolle Steuerung/Führung der Behörden – unabhängig von deren Anzahl – nur dann möglich ist, wenn die zu treffenden Regelungen grundsätzlich für alle Behörden in gleicher Weise Anwendung finden. Jede Abweichung hiervon erfordert im Innenministerium Einzelweisungen, die gerade eben nicht Gegenstand ministeriellen Handelns sein sollen. Bei einer Gleichartigkeit der Behörden wurden deutlich verbesserte Möglichkeiten des Zuganges zu allen Sparten der Polizeiarbeit für alle Polizeibeamten gesehen. Die beruflichen Fortentwicklungsmöglichkeiten – diese Forderung macht sich die Kommission zu eigen – dürfen im Interesse der Beamten, aber auch im Interesse von Behörden, zu denen diese versetzt werden, nicht durch zufällige Unterschiede im Aufgabenspektrum ihrer bisherigen Beschäftigungsbehörden beeinflusst werden.

Berufliche Fort-

Die Ungleichartigkeit von KPB hat bisher bei Lagen, die über den normalen täglichen Dienst hinausgehen, gleichwohl aber zu den polizeilichen Kernaufgaben gehören, zu einem lebhaften „Polizeitourismus“ geführt. Besonders deutlich wird das bei den regelmäßigen Verstärkungseinsätzen der Bereitschaftspolizei (sog. Kontingenteinsätze) für Behörden, die keine Bereitschaftspolizei haben. Die Entsendung von Hundertschaften oder Teilen davon konnte weder den die Unterstützung anfordernden, noch den die Unterstützung leistenden Behörden gerecht werden, den „hin und her geschobenen“ Beamten schon gar nicht. Diese kannten sich oft in den Einsatzgebieten nicht aus. Das führte in der Bevölkerung oft zu erheblichen Irritationen, weil die – z. B. an Sperrstellen – eingesetzten Fremdkräfte keine Fragen über Ausweichmöglichkeiten beantworten konnten. Hinzu kam in diesen Fällen des bezirklichen Ausgleichs ein erheblicher Aufwand bei den diesen steuernden Aufsichtsbehörden.

Polizeitourismus

entwicklung

Das Prinzip der allumfassenden Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben durch jede Polizeibehörde wird nicht dadurch unterlaufen, dass nicht in jeder Behörde Spezialisten für alle denkbaren Fälle polizeilicher Arbeit vorgehalten werden. Es gibt einige wenige Lagen, die ein ganz besonderes Fach- und Erfahrungswissen erfordern, das nicht bei jeder Behörde bereitgehalten werden kann. Hiermit sind Entführungen, herausragende (terroristische) Anschläge, Amoklagen, Organisierte Kriminalität und bestimmte Bereiche der Wirtschaftskriminalität gemeint. Diese gehören nicht zu den in jeder Polizeibehörde wahrscheinlich und ständig

VORSCHLÄGE ZUM ÄUßEREN BEHÖRDENAUFBAU

65

Herausragende Lagen

abzuarbeitenden Lagen. Es macht daher keinen Sinn, entsprechend spezialisierte Polizeivollzugsbeamte in jeder Polizeibehörde zu ihrer Bekämpfung auszubilden und vorzuhalten, wenn es bessere Lösungen gibt. Der bessere Lösungsansatz für solche Lagen liegt nach Auffassung der Kommission darin, dass bei wenigen – besonders großen – Polizeibehörden die erforderlichen Spezialisten nach besonderer Ausbildung und unter permanentem Training vorgehalten werden. Diese übernehmen im Bedarfsfall die Einsatzführung und/oder Bearbeitung der o. a. Lagen. Gespiegelt an den Kriterien, die die Kommission für die innere Ordnung ihrer Arbeit für erforderlich gehalten hat, führt der Vorschlag dazu, Polizeibehörden mit grundsätzlich gleichen Aufgaben und Kompetenzen auszustatten: Kundenorientierung

Kundenorientierung gegenüber der kommunalen Ebene, der Staatsanwaltschaft, der örtlichen Presse, den Rat suchenden Bürgern, die allesamt grundsätzlich nur noch mit einer, nämlich „ihrer“ Polizeibehörde zu tun haben werden, deren Aufgaben klar und transparent sind.

Prozesseffizienz

Prozesseffizienz u. a. durch Verringerung der Schnittstellen, weil überwiegend die gesamte polizeiliche Aufgabenwahrnehmung durch eine Polizeibehörde erfolgt, Vermeidung von Abstimmungsnotwendigkeiten, aber auch klarere Verantwortlichkeiten.

Mitarbeiterzu-

Mitarbeiterzufriedenheit bei allen Mitarbeitern in allen Polizeibehörden des Landes; keiner muss mehr das Gefühl haben, in einer Behörde „zweiter Klasse“ tätig zu sein. Jeder hat die gleichen Entwicklungschancen, da die Behörden – mit Ausnahme der zuvor abgehandelten Sondersituation – die gleiche Struktur und damit auch die gleichen Aufgaben haben.

friedenheit

Wirtschaftlichkeit

Umsetzungsaufwand

Wirtschaftlichkeit – in einer neu gestalteten Behördenlandschaft werden identische Aufgaben identisch geregelt, es entfällt die Notwendigkeit von Sonderregelungen. Dies vereinfacht die Steuerung der Behörden durch das Innenministerium und ist damit zugleich eine wesentliche Voraussetzung für den an anderer Stelle dargestellten Vorschlag der Kommission für einen zweistufigen Behördenaufbau, der ja nicht zuletzt auch auf wirtschaftlichen Überlegungen basiert. Der Umsetzungsaufwand kann rein rechnerisch nicht ohne weiteres quantifiziert werden. Argumentativ ist er jedoch eher gering; der Vorschlag dürfte auf nahezu einhellige Zustimmung stoßen.

66

9.2.2

Größe und Anzahl der Polizeibehörden

Im Vordergrund polizeilicher Arbeit steht, entsprechend den oben beschriebenen Bewertungskriterien,48 die Bürger- und Kundenorientierung, die Zufriedenheit der Mitarbeiter sowie die Effektivität und Effizienz der Aufgabenwahrnehmung. Insoweit darf bei der Frage, welche Behördengröße angemessen ist und wie viele Polizeibehörden sinnvoll sind, nicht einseitig auf den finanziellen und personellen Ressourceneinsatz abgestellt werden, der je nach Behördengröße und -zahl unterschiedlich sein kann. Entscheidend ist vielmehr, welche Qualität der Aufgabenerledigung durch den Ressourceneinsatz erreicht wird und in welchem Verhältnis diese Qualität zu dem damit verbundenen Ressourceneinsatz steht.49 Eine bürgernahe und kundenorientierte Polizeiarbeit setzt voraus, dass die Organisation der Polizei eine möglichst basisnahe Leistungserbringung ermöglicht und transparent ist. Dies gilt gleichermaßen für den Einsatz, die Verkehrsunfall- und die Kriminalitätsbekämpfung – sowohl sachbearbeitend als auch operativ.

Bürgernahe und kundenorientierte Polizeiarbeit

Durch die Einrichtung von vergleichbar großen Polizeibehörden, die grundsätzlich das gleiche polizeiliche Aufgabenspektrum abarbeiten, wäre eine aufgabenbezogene Transparenz an Zuständigkeiten gewonnen, sowohl für die Kooperationspartner der Polizei (Justiz, Kommunen, Öffentlichkeit, Bürger) als auch für die Bediensteten. Die Bildung von größeren Behörden als mögliche Folge einer Herauslösung der Polizeibehörden aus den Landratsbehörden birgt allerdings die Gefahr, dass diese neuen Behörden ihre Tätigkeit dort konzentrieren, wo sie ihren Sitz haben. Ein solcher „Rückzug“ der Polizei aus dem kreisangehörigen Raum würde entsprechende negative Folgen für die Bürgernähe und die Qualität der polizeilichen Aufgabenerledigung im kreisangehörigen Raum haben. Denn die Stärke der heutigen Organisationsstruktur liegt vor allem in der Orts- und Bürgernähe der Polizei und in ihrem durch ein gewachsenes Leitbild geprägten Selbstverständnis der Aufgabenwahrnehmung. Eine Zentralisierung auf größere Behörden ist daher nur dann sachgerecht, wenn sich hierdurch für Bürger das erforderliche polizeiliche Leistungsangebot in Kernbereichen nicht verringert und gleichzeitig Mitarbeiterzufriedenheit, Effekti48

49

siehe Kapitel 8 So auch der Landkreistag (LKT ) in der Stellungnahme vom 08.04.2004 an die Kommission.

VORSCHLÄGE ZUM ÄUßEREN BEHÖRDENAUFBAU

67

Kein Rückzug der Polizei aus dem kreisangehörigen Raum

vität und Effizienz gesteigert werden können. Ein Rückzug aus der Fläche scheidet deshalb aus, die Schließung von Polizeiwachen ist ausdrücklich nicht Ergebnis dieser Strukturüberlegungen. Qualifizierte, leistungsstarke und motivierte Mitarbeiter

Personalentwicklung

Chancengleichheit

Zu den wichtigsten Voraussetzungen für eine qualitätsorientierte, erfolgreiche Polizeiarbeit zählen qualifizierte, leistungsstarke und motivierte Mitarbeiter. Sie sind die wichtigste „Ressource“ für eine bürger- und kundenorientierte sowie effektiv arbeitende Polizei. Diese häufig geäußerte Erkenntnis bleibt in der Praxis leider viel zu oft auf der Strecke, muss aber im Rahmen von Überlegungen zur Neustrukturierung der Polizei konsequent berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund ist die Bedeutung von Personalentwicklung in der Polizei unbestritten.50 Personalentwicklung, die diesen Namen verdient, hat einen deutlichen Bezug zur Behördengröße. Anzustreben ist daher eine Behördenstruktur, die alle Maßnahmen und Aspekte eines Personalentwicklungskonzeptes in eigenverantwortlicher Durchführung ermöglicht. Eine angemessene Personalentwicklung sollte also weitgehend, mit Ausnahme höherer Führungspositionen, innerhalb der jeweiligen Polizeibehörde möglich sein (s. auch 9.1.1). Insoweit stellt sich im Zusammenhang mit dem Kommissionsauftrag insbesondere die Frage nach der „Größe“ der Polizeibehörden, zumal eine Gesamtansicht von Organisations- und Personalentwicklung notwendig ist. Von besonderer Wichtigkeit scheint den Mitarbeitern zu sein, Chancengleichheit zu erfahren, d. h. gleiche Bedingungen bei gleicher Bezahlung für alle Betroffenen. Das gilt auch für Verwendungswünsche und Aufstiegsmöglichkeiten. In der derzeitigen Situation gibt es ein verbreitetes Gefühl mangelnder Chancengleichheit. Annähernd gleich große Behörden im Hinblick auf Personal- und Organisationsstruktur gewährleisten deutlich eher Chancengleichheit. Dies darf nicht unberücksichtigt bleiben. Analysiert man unter den vorgenannten Gesichtspunkten die Ist-Situation in der nordrhein-westfälischen Polizei, so ist zu konstatieren: Die heterogene Behördenstruktur macht landesweit anwendbare Personalentwicklungskonzepte nahezu unmöglich. Die örtliche fachliche Fortbildung wird sehr unterschiedlich geleistet. Lebensalter, Dienstalter und Beförderungsämter sind zwischen den Behörden kaum vergleichbar. Selbst im höheren Dienst auf Bezirksebene sind deutliche Strukturunterschiede feststellbar. 50

68

Näheres in Kapitel 11

Die Altersstruktur in zahlreichen kleineren, ländlich strukturierten KPB hat sich im Laufe der Jahre negativ entwickelt. Sie gelten oftmals als „Endlager“Behörden mit nur geringer Personalfluktuation und mit hohem Durchschnittsalter im Wach- und Ermittlungsdienst. Dies wirkt sich direkt auf die Leistungsfähigkeit der Behörden aus. In anderen KPB herrscht dagegen eine große Fluktuation im Wachdienst, hier fehlen die erfahrenen Streifenführer, die den Berufsanfängern entsprechende Anleitungen geben können und so die Fehlerquote reduzieren helfen.

Altersstruktur

In kleineren Behörden stehen zudem nur sehr begrenzte Möglichkeiten zur individuellen „Karriereförderung“ zur Verfügung. Das breite Spektrum personalentwicklerischer Maßnahmen kann nicht angeboten werden, da insgesamt zu wenig (Rotations-)Stellen zur Verfügung stehen und oftmals auch nicht alle polizeilichen Tätigkeitsbereiche (Bereitschaftspolizei, spezialisierte Sachbearbeitung51, Sonderdienststellen) vorhanden sind. Die Dienststellen haben insgesamt geringere Dienststärken. Betreuungs- und Einarbeitungskonzepte werden zum Teil als „Behinderung der täglichen Arbeit“ empfunden.

Speziali-

Wichtig ist vor diesem Hintergrund, dass eine Polizeibehörde groß genug ist, um über Möglichkeiten zu verfügen, jungen Menschen im Rahmen eines Personalentwicklungskonzeptes umfassende individuelle Entwicklungsperspektiven (Karriereplanung) zu geben. Für einen adäquaten Einsatz von Polizeivollzugsbeamten, insbesondere im Hinblick auf notwendige Spezialisierung, sind Hospitations- oder Rotationsansätze notwendig, die in kleineren Organisationseinheiten mit wenig Personal kaum realisiert werden können, ohne die Funktionsfähigkeit der Dienststelle zu beeinträchtigen. In diesem Zusammenhang fehlen neben kleinen Behörden – gleich, ob Landrats- oder kleine PP-Behörden – auch Funktionsstellen, die auf eine spätere Übernahme einer Führungsposition vorbereiten, z. B. als „Leiter einer Mordkommission“ oder „Leiter einer Ermittlungskommission“.

Entwicklungs-

Aus Sicht der Personalentwicklung liegt ein Nachteil kleinerer Behörden also auch im Bereich des Aufgabenspektrums. Für die spätere berufliche Entwicklung ist es aber wünschenswert, wenn nicht gar Voraussetzung, ein möglichst breites Aufgabenspektrum polizeilicher Tätigkeiten kennen gelernt zu haben. Das gilt insbesondere für angehende Führungskräfte der Polizei, von denen später vernetztes und übergreifendes Denken und Handeln erwartet wird.

51

z. B. Organisierte Kriminalität, Wirtschaftskriminalität, Umweltstraftaten etc.

VORSCHLÄGE ZUM ÄUßEREN BEHÖRDENAUFBAU

69

sierungsmöglichkeiten

perspektiven

Optimale Größe von Polizeibehörden

Andererseits müssen Größe und Struktur von Polizeibehörden für Mitarbeiter begreifbar bleiben und verantwortliche Wahrnehmung von Führung ermöglichen. Eine Identifikation der Mitarbeiter mit der eigenen Behörde muss noch möglich sein, denn weiche Faktoren haben wesentlichen Einfluss auf deren Motivation. Für die Beschäftigten muss Personalentwicklung nachvollziehbar und transparent sein, was eine gewisse Überschaubarkeit der Polizeibehörde voraussetzt. Nur wenn die Mitarbeiter spüren, dass es transparent und gerecht zugeht, dass sich jeder Einzelne gleichermaßen den veränderten Bedingungen zu stellen hat, wird dies Akzeptanz erzielen. Der Planungsaufwand in einer Großbehörde ist enorm hoch. Die Stellenplanung und -besetzung unterliegt einer hohen Fluktuation, obwohl gerade ein sich ständig verändernder Personalkörper verlässliche Eckpfeiler benötigt. Wegen der Vielzahl der Beschäftigten kommt der strategischen Ausrichtung und Planung deshalb eine besonders hohe Bedeutung zu. Das gesamte Informationsmanagement (Benachrichtigung und Information von Beteiligten) ist dabei selbst in Zeiten vernetzter Systeme ein nicht zu unterschätzendes Problemfeld. Die Grenzen nachvollziehbarer Verfahren sind bei sehr hohen Mitarbeiterzahlen schnell erreicht.

Identifikation mit der Behörde

Qualität, Prozesseffizienz und Wirtschaftlichkeit

Die Mitarbeiter möchten sich mit ihrer Behörde identifizieren, möchten nicht nur ihren unmittelbaren Führungskräften bekannt sein und fühlen sich als Nummer in einer zu großen Organisation schlecht aufgehoben und behandelt. Beklagt wird in sehr großen Behörden (Mammutbehörden) eher „einer von vielen zu sein“ (Anonymität) und „schlechte Beförderungsmöglichkeiten zu haben“. In mittelgroßen Behörden (ca. 1.800–2.200 Beschäftigte), die zum einen nahezu alle Verwendungsmöglichkeiten bieten und eine angemessene, eher förderliche Personalfluktuation zu verzeichnen haben, ist die Besorgnis der Mitarbeiter, nur „disponible Masse“ der Führung zu sein, weniger ausgeprägt. Nähert man sich der polizeilichen Aufgabenerfüllung unter den Gesichtpunkten von „Qualität“, „Prozesseffizienz“ und „Wirtschaftlichkeit“, lassen sich ebenfalls wichtige Problemkomplexe der derzeitigen Behördenstruktur, -zahl und -größe festmachen. Die unterschiedliche Größe und Leistungsfähigkeit der Polizeibehörden führt, das sei hier nochmals ganz deutlich gesagt, völlig unabhängig davon, ob es sich um Landrats- oder PP-Behörden handelt, zu vielen Problemen, die hier nicht abschließend, sondern nur beispielhaft benannt werden können.

70

Die Zuständigkeit der einzelnen KPB ist uneinheitlich und regelt sich danach, ob es sich um eine Nicht-Kriminalhauptstelle, eine Kriminalhauptstelle nach § 2 KHSt-VO oder um eine „Megabehörde“ nach § 4 KHSt-VO handelt. Dies hat eine Vielzahl von Schnittstellen, Regelungs- und Abstimmungsproblemen, also hohen Koordinierungsaufwand sowie Reibungsverluste, zur Folge. Das LKA stellt in diesem Zusammenhang fest, dass die Wirksamkeit des Weisungsrechts in Fragen des kriminalpolizeilichen Meldedienstes und des Informationsaustausches angesichts der großen Zahl der KPB sowie ihrer nach KHSt-VO divergierenden Zuständigkeiten, ihrer Leistungsfähigkeit sowie der personellen Ressourcen eingeschränkt ist. Die vielfältigen, nur im Vereinbarungswege zu erfüllenden Koordinierungsaufgaben stoßen aus den gleichen Gründen an Grenzen. Fehlsteuerungen, Verzögerungen, Unsicherheit und auch Doppelarbeit im Rahmen der Information und Kommunikation zwischen den KPB und dem LKA werden auf die hohe Anzahl und die unterschiedliche sachliche und personelle Leistungsfähigkeit der KPB – auch auf der Grundlage der dreistufigen Aufgabenzuweisung gemäß KHSt-VO und insoweit unterschiedlicher Prozessgestaltung – zurückgeführt. Dies erschwert nach Auffassung des LKA insbesondere die Abstimmung und Einhaltung von Qualitätsstandards. Aufgabenwahrnehmung und Zusammenarbeit leiden auch in Bereichen, in denen sich die Zusammenarbeit auf die KPB gem. § 2 KHSt-VO beschränkt, wenn aufgrund nur geringer Personalausstattung in kleineren Behörden spezielle Aufgabenbereiche, z. B. die Auswertung und Analyse der Organisierten Kriminalität (ASTOK52) oder der Zeugenschutz, nicht mit einer notwendigen Mindeststärke besetzt werden können; darüber hinaus erreichen nicht alle Kriminalhauptstellen, z. B. bei der Bearbeitung von komplexen Verfahren der Wirtschaftskriminalität, einen einheitlichen Leistungsstand. Die Tatsache, dass kleine Polizeibehörden existieren, zwingt immer wieder zur Notwendigkeit der Zuweisung bzw. Verschiebung von Kräften. Besonders qualifizierte Aufgaben werden heute meist von den leistungsfähigeren Behörden für die kleineren Polizeibehörden übernommen. Kleinere Behörden schneiden oftmals kriminalgeografische Räume, haben keine Spezialisierungs- und nur geringe Gestaltungsmöglichkeiten sowie einen hohen Unterstützungsbedarf im Einzelfall.

52

Auswerte- und Analysestelle Organisierte Kriminalität

VORSCHLÄGE ZUM ÄUßEREN BEHÖRDENAUFBAU

71

Vielzahl von Schnittstellen bei der Kriminalitätsbekämpfung

Subventionierung kleiner Behörden

Führungs- und Einsatzmittel können im täglichen Dienst nur auf Behördenebene disponiert werden. Je kleiner eine Behörde ist, desto mehr muss sie „subventioniert“ werden. Personelle Ressourcen sind bei kleinen Behörden begrenzt und wenig flexibel einsetzbar. Die Auslastung spezialisierter und aufwändig fortgebildeter Kräfte kann in kleinen Behörden nicht gewährleistet werden. Gerade dies ist aber eine wesentliche Voraussetzung für den effizienten und adäquaten Einsatz von Polizeivollzugsbeamten, insbesondere im Hinblick auf notwendige Spezialisierung. In größeren Behörden können dagegen leistungsfähige größere Dienststellen gebildet werden, die bei besonderen Belastungen einen viel flexibleren, lageangemessenen Kräfteausgleich und eine möglichst weitgehende selbstständige Wahrnehmung aller polizeilicher Aufgaben gestatten. Auch eine ausgeglichene Altersstruktur (u. a. dienstverträgliche Fluktuation, gleichmäßige Verteilung) hat nicht zu unterschätzende Auswirkungen auf die Qualität und Effektivität der polizeilichen Arbeit.

Overheadkosten

Die Anzahl der Polizeibehörden steht in einem direkten Verhältnis zur Höhe der Gemeinkosten („Overheadkosten“). Da bestimmte Führungs-, Stabs-, Verwaltungs- und Logistikaufgaben zwingend von jeder Behörde wahrgenommen werden müssen, erfordert die Vielzahl der Behörden einen unvertretbar hohen Führungs- und Innendienstanteil. Personal für Verwaltungen, Führungsstellen (FüSt), Stäbe und Leitstellen (LSt) sowie die technische Infrastruktur muss in 50 KPB und entsprechend vielen Unterabteilungen (UA) vorgehalten werden. Der Anteil des eingesetzten Personals in Relation zum Gesamtpersonal der Behörden schwankt in der Verwaltung zwischen 6,83 % und 15,91 % und bei den Führungsstellen sogar zwischen 0,8 % und 22,81 %. In den Abteilungsstäben ist die Kosten-Nutzen-Relation in größeren Organisationseinheiten deutlich günstiger. Der Anteil des eingesetzten Personals in Relation zum Gesamtpersonal der Behörden schwankt dort zwischen 2,96 % und 11,0 %. Summiert man die Verwaltungs- und Führungsanteile (Stäbe und Führungsstellen ohne Spezialeinheiten und Polizeisonderdienste) der KPB und setzt diesen „Overhead“ in Relation zur Gesamtpersonalstärke, liegen die prozentualen Anteile zwischen 15,01 % und 26,76 %.

Belastungsbezo-

Die stark differierenden Behördengrößen lassen eine landesweit einheitliche Aufgabenwahrnehmung und einen flexiblen Personaleinsatz nicht zu. Die Belastungsbezogene Kräfteverteilung (BKV) muss einen so genannten „Organisationssockel“ für alle KPB vorsehen, da ansonsten kleinere KPB nicht existenzfähig sind. Behörden solcher Größenordnung müssen einen höheren Personalanteil für Stabsaufgaben aufwenden und sind kaum in der Lage, schwierige Einsatzlagen ohne deutliche Verstärkung durch andere Behörden abzuwickeln.

gene Kräfteverteilung

72

Die sachgerechte Ausstattung der Leitstellen und weiterer Organisationseinheiten mit moderner Organisationstechnik erfordert für eine größere Zahl von Behörden höheren finanziellen Aufwand. Aufwändige Leitstellentechnik ist überall vorzuhalten. Der gegenwärtige personelle und technische Aufwand ist bezogen, auf die Leistungsfähigkeit, landesweit überdimensioniert (Kosten-Nutzen-Relation). Für die Einsatzbewältigung im Rahmen von Besonderen Aufbauorganisationen (BAO) muss darüber hinaus in allen KPB Logistik (Befehlsräume und IuKTechnik53) vorgehalten werden.

Personeller und finanzieller Aufwand für moderne Technik

Immer kürzere Technologiezyklen erfordern ständige Veränderungsprozesse im Bereich der IT-Infrastruktur und dem erforderlichen Fachwissen. Das Vorhalten von ausgebildetem Personal in jeder Behörde ist zunehmend nicht mehr möglich. Insbesondere bei kleineren Behörden führt dies zu Mehrfachbelastungen einzelner Beschäftigter und einem erhöhten Risiko der Technikunterstützung der polizeilicher Arbeit. Aus den vorangegangenen Überlegungen ergeben sich Empfehlungen für die Organisation, die sich davon leiten lassen, Bewährtes beizubehalten und ggfs. fortzuentwickeln und Optimierungsmöglichkeiten zu nutzen. Deshalb sei vorweg klargestellt, dass möglichst alle Polizeidienststellen, die von den Bürgern tagtäglich wahrgenommen werden, also die Basisdienststellen wie Polizeiwachen, erhalten bleiben sollen. •





53

Die Neuorganisation der Polizeibehörden darf nicht zum Nachteil der Fläche/ländlicher Gebiete gehen. Die Stärkung des Sicherheitsgefühls von Bürgern durch Präsenz auch in der Fläche stellt ein wesentliches polizeiliches Ziel dar. Dies muss auch durch die Binnenstruktur der Polizei berücksichtigt werden, beispielsweise durch Vorgabe von Untergrenzen einer Polizeidichte. Die Größen der Polizeibehörden sollten so zugeschnitten sein, dass diese das Spektrum polizeilicher Aufgaben grundsätzlich mit eigenen Kräften erledigen können und die heutigen Zuständigkeitsregelungen gemäß § 2 KHSt-VO damit entbehrlich werden. Es sind Behördengrößen anzustreben, die zum einen den Organisationsinteressen nach sachgerechter Stellenbesetzung (Eignung, Leistung und Befähigung) durch qualifiziertes Personal nachkommen und zum anderen möglichst vielen Mitarbeitern die Möglichkeit der beruflichen Entwicklung, Informations- und Kommunikationstechnik

VORSCHLÄGE ZUM ÄUßEREN BEHÖRDENAUFBAU

73

Empfehlungen für die Organisation



Leistungshomogenität angestrebt

16 Polizeipräsidien

auch außerhalb eines Versetzungsverfahrens, ermöglichen. Eine höhere Mobilität wird dagegen von Führungskräften erwartet werden. Eine „Personalentwicklung“ ist sowohl in kleineren Behörden (unter 1.000) als auch in sehr großen Behörden eingeschränkt möglich. Die Extreme sind hier in der fehlenden Stellenanzahl für Rotations- und Hospitationsmaßnahmen auf der einen und in der fehlenden individuellen Förderung in einer Großorganisation auf der anderen Seite begründet. Bei der Neuorganisation der Polizeibehörden sollte daher aus personalentwicklerischer Sicht möglichst auf die „Durchlaufstelle Großbehörde“ ebenso verzichtet werden wie auf die in der Organisation begründeten Perspektivmängel einer Kleinbehörde.

Es ist davon auszugehen, dass die angestrebte Leistungshomogenität der einzelnen Polizeibehörden grundsätzlich eine personelle Ausstattung in der Größenordnung von ca. 1.500–3.000 Mitarbeitern erfordert, die vor dem Hintergrund der oben genannten Voraussetzungen nur in Einzelfällen unter- oder überschritten werden sollte. Die Zahl der durch eine Polizeibehörde zu betreuenden Einwohner sollte möglichst nicht unter 1 Mio. und grundsätzlich nicht über 1,5 Mio. liegen.54 Legt man die Parameter zugrunde, die sich aus den eingangs genannten Bewertungskriterien55 ergeben, dürfte – je nach der Bewertung der Fragen der territorialen Zuschnitte im Bereich der Polizei (siehe nachfolgend Kapitel 9.2 – u. a. Kriminalgeografie/Verkehrsangelegenheiten/Bürger- und Kundenzufriedenheit/Demografische Entwicklung) – die Zahl der Polizeibehörden bei etwa 16 liegen. •

Diese Organisationsgrößen der Polizeibehörden ermöglichen im Zusammenhang mit den Empfehlungen zur internen Struktur der Polizeibehörde (siehe Kapitel 10) ein hohes Maß an Flexibilität, Steuerungsmöglichkeit sowie Transparenz. Dies zählt zu den wesentlichen Voraussetzungen für nachvollziehbarere Personalentwicklung und damit einhergehend für die Motivation und die Identifikation der Beschäftigten mit „ihrer Behörde“. Diese Größenordnung berücksichtigt auch, dass neben dem Erhalt der Wa-

54

Bei der Zahl der zu betreuenden Einwohner kann ein Blick in andere Bundesländer zur Orientierung herangezogen werden; sie beträgt durchschnittlich in Niedersachsen ca. 1,3 Mio., in Bayern ca. 1,7 Mio., in Hessen ca. 0,9 Mio. und in Rheinland-Pfalz 0,8 Mio.

55

Kundenorientierung (ganz wesentlich: Bürgernähe), Prozesseffizienz, Mitarbeiterzufriedenheit, Wirtschaftlichkeit und Umsetzungsaufwand

74



• •

9.2.3

chen und Reviere zugunsten von Bürgernähe eine nachvollziehbare, nicht unüberbrückbare räumliche Entfernung des Behördenleiters gehört. Technik und Expertenwissen werden zentral für die Polizeibehörde eingesetzt und damit Ressourcen gebündelt und in gleich bleibend hoher Qualität bereitgestellt. Gleichwohl geht die Bürgernähe vor Ort nicht verloren: Die Einsatzwahrnehmung erfolgt weiterhin dezentral von den PI/PD aus und gewährleistet, dass die Bürger lokale Ansprechpartner haben. Damit bleibt ein deutlicher Vorteil der bisherigen Polizeiorganisation, der im Vorhandensein einer regional verantwortlichen Inspektionsleitung/Polizeidirektionsleitung liegt, erhalten. Die Strukturen der Basisorganisationen der PI/PD (Polizeiwachen, Bezirksdienst) bleiben erhalten. Dies sichert Bürgernähe in bewährtem Rahmen. Vorteile der bisherigen Landratsbehörden – wie die der Kooperation von Polizei und kommunalen Behörden – sollen so weit wie möglich erhalten und in Zukunft für alle Polizeibehörden nutzbar gemacht werden (s. 9.5). So sollen vermehrt Zusammenarbeitspotentiale und Lösungsmöglichkeiten erkannt und realisiert werden.

Zahl der Polizeidienststellen im nachgeordneten Bereich

Bereits oben (siehe 9.2.2) wurde klargestellt, dass ein Rückzug aus der Fläche ausgeschlossen wird und die Schließung von Polizeiwachen ausdrücklich nicht Ergebnis dieser Strukturüberlegungen ist.

Keine Schließung von Polizeiwachen

Verschiedene Aspekte sprechen dafür, die Basiseinheiten, u. a. Polizeiwachen und Bezirksdienst, zu belassen. Dort finden die Bürger ihre direkten Ansprechpartner bei der Polizei. Hier pflegt die Polizei ihre Bürgerkontakte basisnah, stärkt sie das subjektive Sicherheitsgefühl, schafft sie bei Bürgern Vertrauen in die Polizei, das u. a. für Anzeigeverhalten und Aufklärung von Straftaten bei der Kriminalitätsbekämpfung ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor ist. Mit dieser Grundaussage werden sich für den beruflichen Einsatz der Beamten in den Basiseinheiten durch die vorgeschlagene Neustrukturierung der Polizeiorganisation keine negativen Veränderungen ergeben. Sie werden nach Durchführung der empfohlenen Neustrukturierung vielmehr stärkere personelle Unterstützung im operativen Bereich erwarten können. Denn ein wesentliches Ziel der Überlegungen der Kommission ist, populär gesprochen, die Tendenz von „immer mehr Häuptlingen anstatt Indianern“ umzukehren.

VORSCHLÄGE ZUM ÄUßEREN BEHÖRDENAUFBAU

75

Stärkung der Basiseinheiten

Dieses Ziel wird in einer Kombination von Veränderungen der äußeren (s. 9.1.2) und der inneren Struktur der Polizei (s. Kapitel 10) erreicht. Dazu trägt auch die Verringerung der derzeitigen Polizeiinspektionen bei, wenn eine Durchschnittsgröße von ca. 280.000 Einwohnern zugrunde gelegt wird (s. Kapitel 10). Entsprechende Entscheidungen hierzu sollen, verbunden mit der Vorgabe, Kreisgrenzen dabei nicht zu überschreiten, im Benehmen mit einem neu zu schaffenden, kommunal besetzten Polizeigremium (s. 9.5) getroffen werden.

9.3 Bisheriger territorialer Zuschnitt

Unterschiedliche Leistungsstärke der KPB

Territoriale Zuschnitte im Bereich der Polizei

In der bestehenden Organisation der Polizei in NRW sind die 49 KPB56 (weitestgehend) regional strukturiert und deckungsgleich mit den kommunalen Grenzen der kreisfreien Städte und der Landkreise. Insofern besteht ein Prinzip der geografischen Einheit von Polizei und kommunaler Verwaltung mit allen Vorteilen, die eine derart transparente und analoge Zuständigkeit bieten kann. Allerdings führt diese an Verwaltungsgrenzen regional orientierte Polizeiorganisation – wie dargelegt – zu höchst unterschiedlichen Größenordnungen bei der Fläche, den Einwohnerzahlen, den Beschäftigtenzahlen und den Belastungsquotienten. Dies führt zu entsprechend differenzierten sachlichen Zuständigkeiten. Aufgrund der Größenunterschiede können nicht alle Aufgaben gleichermaßen von allen KPB wahrgenommen werden (s. 9.1.1 und 9.1.2). Die Leistungsstärke der 49 KPB ist organisationsbedingt höchst unterschiedlich. Diese Unausgewogenheit wird belegt durch extrem abweichende Belastungszahlen im operativen Bereich und den Fallzahlen der Kriminalität und des Verkehrsunfallgeschehens. Neben den regionalen KPB ist noch das landesweit zuständige Präsidium der Wasserschutzpolizei eingerichtet, das zwar strukturell eine KPB ist, jedoch als Fachbehörde mit spezialisierter Aufgabenwahrnehmung im Bereich der Binnenschifffahrt anzusehen ist. In die fünf Bezirksregierungen im Lande ist die Autobahnpolizei eingebunden. Dieser obliegt die Überwachung des Verkehrs und die polizeiliche Wahrnehmung der Gefahrenabwehr sowie der Strafverfolgung auf den Bundesautobahnen.

56

76

Ohne das Präsidium der Wasserschutzpolizei

9.3.1

Parameter

Neben dem Organisationsprinzip, dass zukünftig jede Polizeibehörde weitestgehend die gesamte Bandbreite polizeilicher Aufgaben in ihrem Zuständigkeitsbereich bewältigen muss (s. 9.1.1), ist die Angleichung der Behördengrößen (s. 9.1.2) ein fundamentaler Eckpfeiler einer Polizeireform. Bei ihren Vorschlägen zur Neuordnung der Polizeiorganisation hat sich die Kommission hinsichtlich der Größe und des territorialen Zuschnittes von folgenden Kriterien leiten lassen: • • • • • •

Deckungsgleichheit mit kommunalen Grenzen Wahrung von Bezirksgrenzen Berücksichtigung von kriminalgeografischen Erkenntnissen Beachtung einsatzstrategischer und verkehrsstruktureller Erfordernisse Berücksichtigung von Justizgrenzen (Landgerichte und StA) Demografische Entwicklungen

9.3.1.1

Kommunale Grenzen

Bislang richten sich die Grenzen der KPB sowohl in den kreisfreien Städten als auch in den Landkreisen an den kommunalen Grenzen aus. Die KPB sind von daher regional strukturiert. Dies hat sich bewährt, da die Schnittstellen zu kommunalen Einrichtungen für alle Bereiche von erheblicher Bedeutung sind und dies auch zukünftig bleiben. Polizei und Kommune tragen gemeinsam Verantwortung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung in ihrer Region. Hier muss die Polizei mit den unterschiedlichsten Kooperationspartnern innerhalb der kommunalen Grenzen zusammenarbeiten. Zahlreiche Ordnungspartnerschaften funktionieren aufgrund der örtlichen Nähe und lösen Probleme in unmittelbarer Abstimmung und Zusammenarbeit. Darüber hinaus bilden kommunale Grenzen oftmals kriminalgeografische Räume ab. Der überwiegende Anteil aller ermittelter Tatverdächtiger kommt aus dem näheren Umfeld des Tatortes. Die bisherigen positiven Erfahrungen sowie die zunehmend wachsende Bedeutung, die die Außenbeziehungen der Polizeibehörden einnehmen, legen es nahe, das Prinzip der Deckungsgleichheit mit den kommunalen Grenzen beizubehalten.

VORSCHLÄGE ZUM ÄUßEREN BEHÖRDENAUFBAU

77

Kriterien für territorialen Zuschnitt

Deckungsgleichheit mit den Kommunen bewahrt

Daher hat sich die Kommission beim Zuschnitt der zukünftigen Polizeibehörden an den bestehenden kommunalen Grenzen der kreisfreien Städte und der Landkreise orientiert und bei der Zusammenlegung mehrerer KPB das Prinzip der Deckungsgleichheit mit den Kommunen bewahrt.57 Dabei sich hat die Kommission bemüht, die regionalen Besonderheiten sowie die gewachsenen Strukturen und Beziehungen innerhalb bestimmter Regionen zu berücksichtigen. Ungeachtet der politischen Entscheidung über die weitere Existenz der Bezirksregierungen bzw. deren Anzahl sind im Vorschlag der Kommission zur Zusammenlegung bisher eigenständiger KPB zu neuen Polizeipräsidien die derzeitigen Regierungsbezirksgrenzen beachtet worden. 9.3.1.2

Beachtung der Justizgrenzen

Neben der Deckungsgleichheit von Polizei- und Verwaltungsgrenzen ist ebenfalls eine Angleichung und räumliche Deckungsgleichheit der örtlichen Zuständigkeiten von Polizeibehörden und Justizdienststellen, hier insbesondere mit den Landgerichten und den dort angeschlossenen Staatsanwaltschaften (StA), von Bedeutung. Vornehmlich die Staatsanwaltschaft ist wichtigster Auftraggeber, Ansprechpartner und Kunde bei allen anhängigen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Die örtliche Angleichung der Zuständigkeitsbereiche – auch im Hinblick auf die Kundenorientierung – wird als ein Element zur Förderung der Qualität der Zusammenarbeit von allen Verantwortlichen der Staatsanwaltschaft landesweit übereinstimmend befürwortet. Auch aus polizeilicher Sicht wird eine übereinstimmende räumliche Zuständigkeit als äußerst wünschenswert angesehen. Derzeit ist die örtliche Zuständigkeit der 19 Landgerichte mit den ihnen zugeordneten Amtsgerichten und den 22 Staatsanwaltschaften nicht immer übereinstimmend mit den Zuständigkeitsgrenzen der 49 KPB. Die räumlichen Grenzen der Justizdienststellen sind historisch begründet und überwiegend konstant geblieben, unabhängig von kommunalen Gebietsund/oder Polizeireformen. Sie schneiden sowohl Regierungsbezirke als auch kommunale und KPB-Grenzen, so dass vielfach Polizeibehörden mit mehreren Staatsanwaltschaften zusammenarbeiten müssen und umgekehrt die StA mit verschiedenen, unterschiedlich strukturierten Polizeibehörden. Dabei sind naturgemäß abweichende Verfahrensweisen zu berücksichtigen.

57

Bewährt hat sich dieses Prinzip bereits bei Polizeibehörden, die für mehrere Kommunen zuständig sind, z. B. Wuppertal, Aachen und Recklinghausen.

78

Entsprechend hat die Kommission bei ihrer Entscheidungsfindung weitestgehend versucht, Deckungsgleichheit auch zwischen Justiz- und Polizeibehörden herzustellen. Dies hat sie zwar nicht in allen Fällen realisieren können, aber durch die Reduzierung auf großräumige Polizeibehörden den Abstimmungs- und Koordinierungsaufwand für beide Seiten erheblich minimiert. Da eine Justizreform – obwohl im aktuellen Zusammenhang äußerst wünschenswert – zeitnah nicht zu erwarten ist, ist beim Zuschnitt der künftigen Polizeibehörden im Zielkonflikt zwischen Justiz und Kommunen der räumlichen Angleichung mit den Kommunen wegen der Vielfältigkeit der Zusammenarbeit und der gemeinsamen Verantwortung für die öffentliche Sicherheit in einer Region der Vorzug zu geben. Diese Präferenz ist im Übrigen auch bei allen anderen Bundesländern, die in jüngster Zeit ebenfalls ihre Polizei reformiert haben, gleichermaßen festzustellen.

9.3.1.3

Deckungsgleichheit mit Justizbehörden verbessert

Verkehrsstrukturelle Aspekte

Die Verkehrssicherheitsarbeit ist – unabhängig von jeglicher äußerer Polizeistruktur – eine der Kernaufgaben der Polizei. Verkehrsunfallbekämpfung, sowohl präventiv als auch repressiv, fällt in die sachliche Zuständigkeit jeder Polizeibehörde, mit der Besonderheit, dass dieser Aufgabenbereich auf den Bundesautobahnen mit allen Facetten bislang den Autobahnpolizeidienststellen bei den fünf Bezirksregierungen übertragen ist. Geprägt wird das Verkehrsgeschehen, insbesondere das Verkehrsunfallaufkommen, überwiegend von örtlichen Verkehrsteilnehmern. Der Großteil aller Verkehrsunfälle ereignet sich innerhalb geschlossener Ortschaften. Damit konzentrieren sich auch die Bekämpfungsmaßnahmen auf den innerörtlichen Bereich. Jedoch wird im Rahmen der stetig wachsenden Mobilität der Straßenverkehr mehr und mehr durch Pendler sowie Durch- und Zureisende beeinflusst. Das Verkehrsaufkommen steigt permanent an, sowohl auf den Autobahnen – bedingt u. a. durch die EU-Erweiterung – als auch in den urbanen Ballungsräumen sowie in den regionalen Wirtschafts- und Industriezentren durch arbeitstäglich einströmende Pendler. Von daher war zu prüfen, ob und inwieweit Verkehrsstrukturdaten mit Verkehrsunfallzahlen und Daten von Pendlerströmen in die Entscheidung der Kommission einbezogen werden mussten. Im Ergebnis bleibt aber festzustellen, dass verkehrsstrukturelle Aspekte nur geringfügige Auswirkungen auf die äußere Organisation der Polizei, jedoch erhebliche Auswirkungen auf die innere Aufbauorganisation sowie die Personalberechnung der Verkehrsdienste haben. Dabei dürften sich durch die beabsichtigte Integration der Autobahnpolizeidienststellen

VORSCHLÄGE ZUM ÄUßEREN BEHÖRDENAUFBAU

79

Geringer Einfluss der Verkehrsstruktur auf äußere die Organisation

in die neuen Polizeibehörden (Näheres unter Kapitel 10) Synergieeffekte einstellen, da hierdurch Kompetenz und Technik gebündelt werden.

9.3.1.4

Kriminalgeografische Aspekte

Die Kriminalgeografie spiegelt – rein wissenschaftlich – das Kriminalitätsgeschehen in seinen räumlichen Bezügen. Sie betrachtet die räumlich-zeitliche Verteilung von Kriminalität, einschließlich der Interaktionen zwischen dem Kriminalitätsbild und den räumlichen (Sozial-)Strukturen. Dabei werden beispielsweise die Verteilung von Tatorten, Tatverdächtigen und Opferwohnsitzen sowie Veränderungen dieser Konstellationen beleuchtet. Aufgabe der Kriminalgeografie ist es vorrangig, Ansätze für kriminalitätsreduzierende, insbesondere kriminalpräventive Maßnahmen und Konzepte verschiedener Verantwortungsträger zu liefern. In diesem Rahmen werden Erkenntnisse u. a. genutzt, um Tatgelegenheitsstrukturen zu reduzieren und Kriminalitätsfurcht zu verringern. Daneben kann die Kriminalgeografie Impulse zur Optimierung und Effizienzsteigerung von polizeilichen Einsatz- und (inneren) Aufbauorganisationsformen geben. Relevanz kriminalgeografischer Erkenntnisse

PKS: Überwiegend örtliche Täter

Die Kommission hat geprüft, inwieweit kriminalgeografische Erkenntnisse für den Zuschnitt von polizeilichen Zuständigkeitsbereichen relevant sind oder sein können. Grundlage dafür sind die Tätermobilität und die Wohnort-/Tatortbeziehung der ermittelten Tatverdächtigen. Diese Faktoren bilden sich primär in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) ab. Umfassende kriminologische Regionalanalysen liegen für Nordrhein-Westfalen nicht vor, von daher ist – wenn auch nur bedingt – auf die Erkenntnisse der PKS zurückzugreifen. Deren Aussagen zufolge handelt es sich bei den ermittelten Tatverdächtigen überwiegend (ca. 75 %) um örtliche Täter, die ihren Wohnortbereich nicht verlassen bzw. sich lediglich in benachbarte Bereiche, die ihnen vertraut sind und zu denen regionale Beziehungen bestehen, bewegen, um dort tätig zu werden. Diesen Tätern kann am effektivsten durch ortsnahe Ermittlungsdienststellen begegnet werden. Dies gilt bekanntermaßen nicht für den bandenmäßig auftretenden oder organisierten Kriminellen. Vorliegenden Erkenntnissen und Analyseergebnissen zufolge weisen insbesondere die Organisierte Kriminalität (OK) betreffende Verfahren

80

i. d. R. überörtliche und sehr häufig länderübergreifende oder internationale Täterund Tatortbezüge auf. Hinsichtlich der Allgemeinkriminalität ist jedoch einschränkend zu berücksichtigen, dass die PKS lediglich die Ergebnisse des kriminalistischen Hellfeldes, also der bei der Polizei angezeigten Taten und der ermittelten Täter, wiedergibt. Diese Einschränkung gilt umso mehr, wenn sich die Erkenntnisse über ermittelte Tatverdächtige und damit über die Beziehungen zwischen Wohnort und Tatort auf Deliktsbereiche mit geringen Aufklärungsquoten beziehen, wie z. B. bei der das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung stark beeinträchtigenden Einbruchskriminalität mit einer durchschnittlichen Aufklärungsquote zwischen 10 und 15 %. Eine ggf. lineare Hochrechnung würde zu keinen realistischen und seriösen Ergebnissen führen und die polizeilichen Erkenntnisse über ein- und durchreisende Einbrecher ignorieren. Kriminalgeografische Erkenntnisse sind, soweit sie zumindest partiell fundiert vorliegen, selbstredend in Organisationsentscheidungen einzubeziehen, wobei sie sich jedoch vordringlich auf die Binnenstruktur von Polizeibehörden auswirken, z. B. beim Zuschnitt von PI-Grenzen; allerdings auch – soweit vertretbar – beim Zuschnitt der künftigen Polizeipräsidien. Eine dominierende und damit organisationsbestimmende Bedeutung für den Zuschnitt großflächiger Polizeibehörden lässt sich aus den vorliegenden – und stetigen Änderungen unterworfenen – Erkenntnissen nicht ableiten; insbesondere unter Berücksichtigung der Prämisse, keine kommunalen Grenzen zu schneiden.

9.3.1.5

Keine bestimmende Bedeutung für den Zuschnitt großflächiger Präsidien

Demografische Entwicklungen

Die Einwohnerzahl Nordrhein-Westfalens ist in den letzten zehn Jahren kontinuierlich von 17,8 Mio. um 1,8 % auf 18,1 Mio. angestiegen. Nach der aktuellen Bevölkerungsprognose erreicht sie ihren Höchststand 2005 und geht bis zum Jahr 2020 wieder um 0,6 % auf 18,0 Mio. Einwohner zurück und sinkt damit auf das Niveau von 1997. Allerdings verlaufen die Entwicklungen der Einwohnerzahlen einzelner Altersgruppen deutlich unterschiedlich. Während sich der Anteil der Menschen über 60 Jahre stetig steigerte und sich prognostisch bis zum Jahr 2020 so halten wird, stellt sich dies bei der polizeilich relevanteren Altersgruppe der „Jungerwachsenen“ – unter 21 Jahren – gegenteilig dar. Nach Anwachsen dieser Altersgruppe in den vergangenen zehn Jahren um 3,3

VORSCHLÄGE ZUM ÄUßEREN BEHÖRDENAUFBAU

81

Polizeilich relevante Altersgruppe rückläufig

% auf aktuell 4,1 Mio. Einwohner wird sie der Vorausberechnung zufolge bereits bis zum Jahr 2005 leicht kleiner werden und schließlich bis zum Jahr 2020 stetig rücklaufend einen Stand von 3,5 Mio. erreichen. Dies bedeutet, gemessen am Höchststand der Einwohnerzahl dieser Gruppe, im Jahr 2001 einen Rückgang um 15,2 %. Dabei zeigen sich zwischen städtischen/großstädtischen Bereichen und Landkreisen erhebliche Unterschiede. Während sich in den urbanen Ballungsräumen – insbesondere dem Rhein-/Ruhrgebiet – Rückgänge innerhalb dieser Altersgruppe bis zu ca. 30 % abzeichnen, fallen diese in den ländlichen Regionen mit bis zu 3 % deutlich geringer aus. Die Bevölkerungsentwicklung Nordrhein-Westfalens ist damit geprägt von einem stetig wachsenden Anteil älterer und alter Menschen bei gleichzeitigem Rückgang des Anteils junger Menschen.– und damit auch von sich prognostisch rückläufig entwickelnden Fallzahlen der Jugendkriminalität und von schweren Verkehrsunfällen unter Beteiligung von jungen Fahrern. Einfluss der Demografie auf polizeiliche Aufgaben und Organisation

Zu prüfen war für die Kommission, inwieweit die Bevölkerungsentwicklung und insbesondere die demografischen Strukturveränderungen auf das polizeiliche Aufgabenspektrum und die entwickelten Organisationsvorschläge Einfluss nehmen und sich damit möglicherweise auf die zukünftige polizeiliche Behördenlandschaft auswirken. Demografische Einflüsse und Veränderungen lassen in der Regel keine verlässlichen Angaben zum Ausmaß der zukünftigen polizeilichen Aufgaben zu. Erfahrungsgemäß wirken sonstige gesellschaftliche Veränderungen – Verhaltensänderungen, Wirtschaftsentwicklung, Sozialstrukturveränderungen u. Ä. – weitaus stärker auf das Kriminalitätsgeschehen und die Verkehrsunfallentwicklung ein. Die Kommission hat aber anhand aller vorliegenden Prognosen zur demografischen Entwicklung geprüft, ob ihre Vorschläge zur Größe und zum Zuschnitt der Bezirke der Polizeipräsidien für den mittelfristigen Zeitraum bis 2020 tragfähig sind. Die Entwicklung der Einwohnerzahl in Nordrhein-Westfalen bis zum Jahr 2020 stellt nach Einschätzung der Kommission keinen Einflussfaktor dar, der in dem genannten Zeitraum für den Zuschnitt und äußeren Aufbau zukünftiger Polizeibehörden relevant ist. Sie dürfte allerdings bereits in diesem Zeitraum Auswirkungen auf die Binnenstruktur der Behörden durch Anpassung der Aufbauorganisation und der strategischen Ausrichtung an Veränderungen der polizeilich relevanten

82

Zielgruppen haben. Ab 2020 wird entsprechend der o. a. Prognose eine zunehmend stärkere Bevölkerungsabnahme erfolgen, verbunden mit weiteren Verschiebungen in der Struktur und räumlichen Verteilung. Auch wenn die von der Kommission empfohlenen Einwohnerzahlen pro Polizeibehörde dann relevante Veränderungen erfahren, werden sie sich weiter in den auch heute gegebenen Varianzen zwischen Polizeibehörden bewegen.

9.3.2

Empfehlungen

Die Kommission hat sowohl die Stellungnahmen der im Landtag vertretenen Fraktionen, der Berufsverbände, des Landkreistages als auch die in persönlichen Anhörungen dargelegten Meinungen und Vorschläge von polizeilichen Experten aus Vollzug und Verwaltung in die Entscheidungsfindung zum künftigen Zuschnitt der Polizeibehörden im Lande einbezogen. Die verschiedenen Modelle zu Anzahl und Größe der Behörden, die in die Diskussion eingebracht wurden, variieren zwischen solchen mit fünf bis zehn Regionalpräsidien, zwölf bis 18 Großpräsidien, 33 Präsidien bis hin zum Erhalt der bestehenden 50 KPB. Die Kommission hat die Vorschläge unter Beachtung der bereits beschriebenen Bewertungskriterien auf ihre Vor- und Nachteile hin überprüft. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien und der Parameter, zur Größe und zum territorialen Zuschnitt, wurden insbesondere die Modelle mit zwölf Präsidien, 14 bis 16 Präsidien und 33 Behörden eingehender untersucht, wobei sich eine Präferenz für das 16er-Modell ergab. Dieses Modell mit 16 nahezu gleich großen Polizeibehörden58 verspricht im Gegensatz zu anderen Varianten eine weitestgehende Ausgewogenheit in Größe und Leistungsfähigkeit sowie eine Realisierung der Organisationsprinzipien, die in Ziffer 9.1.2 erläutert sind. Sowohl das 12er-Modell als auch das 14er-Modell führen zu deutlich abweichenden Größenordnungen bei Einwohnerzahlen, Beschäftigtenzahlen und Fläche, so dass sie weniger Ausgewogenheit zulassen und daher nicht präferiert wurden. Allerdings wurde das 14er-Modell59 als denkbare Alternative diskutiert, da es bei 58

vgl. die im Text folgende Grafik sowie die Tabelle in Anlage 8. Die namentlichen Bezeichnungen der Polizeipräsidien sind keine verbindlichen Vorschläge der Kommission, die eine Aussage zum Sitz des jeweiligen zukünftigen Polizeipräsidiums treffen.

59

vgl. Anlage 7 und Anlage 8

VORSCHLÄGE ZUM ÄUßEREN BEHÖRDENAUFBAU

83

Modellvarianten

einem deutlichen Rückgriff auf bestehende KHSt-Strukturen kostengünstiger sein könnte. Vor allem die signifikante Abweichung einiger Behörden in Größe und Fläche und – wenn auch nachrangig – die Tatsache, dass vorhandene Bezirksgrenzen durchschnitten werden, hat letztlich dazu geführt, dass die Kommission nicht das 14er-, sondern das 16er-Modell empfiehlt. Das in der Literatur60 vorgeschlagene 33-Behörden-Modell basiert vordringlich auf einer rein rechnerischen Verteilung ohne weitgehende Berücksichtigung der tragenden Parameter und würde wiederum zu sich überlagernden Zuständigkeiten führen. Dieses Modell dürfte im Übrigen den geringsten wirtschaftlichen Einspareffekt erbringen und darüber hinaus einen dreistufigen Verwaltungsaufbau bedingen. 16 Polizeipräsidien

Bei dem favorisierten und nachfolgend dargestellten 16er- Modell liegt die durchschnittliche Einwohnerzahl bei rund 1,1 Mio.; wobei – aufgrund regionaler Besonderheiten – einige wenige Behörden unter der angestrebten Einwohnerzahl von 1 Mio. liegen, andere mit bis zu 1,5 Mio. Einwohnern auch darüber liegen. Eine konsequente Angleichung hätte nur unter Außerachtlassung der angelegten Kriterien und Parameter erfolgen können. Gleiches gilt für die Anzahl der Beschäftigten – hier PVB – in den künftigen Behörden. Die durchschnittliche Größenordnung liegt bei rd. 2.100 PVB, mit entsprechend unvermeidbaren Abweichungen bis 965 PVB nach unten und 3.800 PVB nach oben . Dies trifft naturgemäß auch für die Belastungszahlen des Kriminalitätsgeschehens und des Verkehrsunfallaufkommens zu.

Modellvorschlag

Bezogen auf das nachstehende Modell61 ist es bzgl. des Zuständigkeitsbereichs des PP Münster alternativ und gleichwertig denkbar, die Zuordnung des Kreises Borken zum PP Recklinghausen62 vorzunehmen, um zu einer gleichmäßigeren Größenordnung und Belastung zu kommen. Die bisherige KHSt-Zuordnung des Kreises Borken zum PP Münster sowie die regionale Zugehörigkeit des Kreises

60

Hans-Jürgen Lange, Jean-Claude Schenck, „Polizei im kooperativen Staat. Verwaltungsreform und Neue Steuerung in der Sicherheitsverwaltung“

61

62

84

siehe auch Anlage 4 vgl. Anlage 6 und 8

Borken zum Münsterland haben jedoch den Ausschlag für die Kommission gegeben, zu empfehlen, den Kreis Borken dem PP Münster zuzuordnen.

Abb. 2 Modellvorschlag „16 Polizeipräsidien“

Zur regionalen Zusammensetzung der Polizeibehörden hat die Kommission neben den oben genannten Kriterien (kommunale Grenzen, Justizgrenzen, Verkehrsstruktur, Kriminalgeografie) geprüft, ob vorhandene regionale Definitionen der Landesregierung herangezogen werden können. Die Landesregierung definiert die Regionen allerdings je nach Aufgabenbereich unterschiedlich. So sind weder die 16 Wirtschaftregionen, die räumlichen Zuständigkeiten der 16 Regionalagenturen

VORSCHLÄGE ZUM ÄUßEREN BEHÖRDENAUFBAU

85

(beide in der Zuständigkeit des Wirtschaftsministeriums) noch die zehn Kulturregionen (Zuständigkeit des Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport) deckungsgleich. Zwar könnte es Gesichtspunkte geben, die Wirtschaftregionen als Bezugspunkte auch für die polizeiliche regionale Aufteilung heranzuziehen. Es würden angesichts der dann entstehenden Bezugsgrößen, z. B. „Region Siegen“ mit ca. 436.000 Einwohnern auf der einen Seite, „Region Rheinland“ mit ca. 2.600.000 Einwohnern auf der anderen Seite, die oben dargestellten Probleme auf höherem Niveau fortgeschrieben. Die Kommission hat die oben herausgestellten Kriterien als Bezugspunkte für ihren Vorschlag der regionalen Aufteilung der Polizeibehörden zugrunde gelegt und zusätzlich versucht, so genannte „landsmannschaftliche Verträglichkeiten“ zu berücksichtigen. Wasserschutzpolizei

Die Wasserschutzpolizei in NRW ist derzeit als eigenständiges Polizeipräsidium mit landesweiter Zuständigkeit organisiert. Sie ist eine hoch spezialisierte Fachbehörde und sollte nach Auffassung der Kommission in einer zukünftigen polizeilichen Struktur als selbstständige Organisationseinheit erhalten bleiben. Die Ressourcenverantwortung ist so zu gestalten, dass auch weiterhin eine qualifizierte Aufgabenwahrnehmung in diesem spezialisierten Aufgabenfeld gewährleistet ist. Dies kann nach Meinung der Kommission durch eine – landesweit zuständige – Polizeiinspektion beim PP Duisburg geleistet werden. Alternativ hält die Kommission eine Anbindung der Wasserschutzpolizei an das Landeskriminalamt als eigene Abteilung für denkbar.

9.4

Zweistufigkeit/Dreistufigkeit des Behördenaufbaus

Die Komplexität der Aufgabenwahrnehmung und der Organisation der Polizei in Nordrhein-Westfalen auf Ortsebene spiegelt sich auch in ihrer Gesamtorganisation: oberste Aufsicht und Wahrnehmung von Polizeiaufgaben durch das Innenministerium, direkte Aufsicht und Wahrnehmung von Polizeiaufgaben durch die Bezirksregierungen, Aufsichtsfunktionen gegenüber der landesweit tätigen Wasserschutzpolizei durch die Bezirksregierung Düsseldorf, Zugehörigkeit der Autobahnpolizei zu den Bezirksregierungen, Zuständigkeiten des Landeskriminalamtes sowie der Aus- und Fortbildungseinrichtungen der Polizei, ZPD, gegenüber den KPB.

86

Nach Anhörung der Experten und unter Berücksichtigung der Organisationssituation, der Organisationsentscheidungen in anderen Bundesländern sowie in den benachbarten Niederlanden hat die Kommission diesen Themenkomplex unter der Fragestellung eines zweistufigen – Innenministerium/Ortsebene – oder dreistufigen – Innenministerium/Aufsicht durch eine mittlere Verwaltung/Ortsebene – Behördenaufbaus behandelt. Sie ist zu dem Ergebnis gelangt, einen zweistufigen Behördenaufbau auch für das bevölkerungsreichste Land der Bundesrepublik Deutschland zu empfehlen. Sie hält dies im Rahmen ihrer Vorschläge zur Aufgabenverteilung, zum äußeren und inneren Behördenaufbau auf Ortsebene und zur Steuerung innerhalb der Polizeibehörden und in der Polizeiorganisation insgesamt für die geeignetste Form der Gesamtorganisation zur Optimierung der gesetzten Ziele. Die Kommission hat folgende fünf Modelle einer Gesamtorganisation untersucht: • • • • •

Bezirksregierungen als Aufsichts- und Polizeibehörden Selbstständige polizeiliche Mittelinstanzen neben den Bezirksregierungen Neue Regionalbehörden als mittlere Verwaltungsebene anstelle von Bezirksregierungen und Landschaftsverbänden Landespolizeipräsidium außerhalb des Innenministeriums als unmittelbare Aufsicht über die Polizeibehörden Landespolizeipräsidium innerhalb des Innenministeriums (anstelle der Polizeiabteilung) als unmittelbare Aufsicht über die Polizeibehörden (mit Schaffen regionaler Polizeidirektoren)

Als tragende Argumente für die Beurteilung der Modelle und die Auswahl des vorgeschlagenen Modells wurden folgende Kriterien herausgearbeitet: • • •

• • • •

Geprüfte Modelle

Tragende Gründe der Entscheidung der Kommission

Stärkung der Ortsebene Zentrale Steuerung bei weitgehender dezentraler Ausführungsverantwortung Umsetzung der gesetzlichen und politischen Ziele des Landtags und der Landesregierung in die zentralen Ziele und Vorgaben der Polizei bei dezentraler Umsetzung Einheitliche Entscheidungen und Aufgabenwahrnehmung in NordrheinWestfalen Kurze Dienstwege und schnelle Entscheidungen Vermeidung zusätzlicher Organisationsebenen und damit zusätzlicher Kosten Verzahnte örtliche Sicherheits- und Ordnungskonzepte mit Stärkung der Ordnungspartnerschaften und Polizeibeiräte

VORSCHLÄGE ZUM ÄUßEREN BEHÖRDENAUFBAU

87

Stärkung der Ortsebene

Der Grundgedanke der Stärkung der Ortsebene führt unmittelbar zu der Konsequenz, die derzeit von den Bezirksregierungen wahrgenommenen erstinstanzlichen Aufgaben im Personal- und Haushaltsbereich wie auch bei Fachaufgaben, z. B. im Versammlungs-, Vereins- und Waffenrecht sowie im Bereich der Autobahnpolizei, weitestgehend erstinstanzlich auf die künftigen Polizeibehörden zu verlagern. Dies ergibt sich, unabhängig von den vorgenannten Modellen der Gesamtorganisation, als Konsequenz der vergrößerten Polizeibehörden mit weitgehender polizeilicher Allzuständigkeit. Diese Behörden benötigen in allen Aufgabenbereichen die erforderliche Kompetenz und die notwendigen Ressourcen. Auch wenn bei vergrößerten Polizeibehörden bestimmte Fachaufgaben, z. B. im Versammlungs- und Vereinsrecht, nicht in allen Polizeibezirken gleich häufig oder in gleicher Komplexität anfallen werden, resultiert daraus kein Bedarf nach regionalen Mittelinstanzen. Auch bei diesen ist keine Gewähr für vergleichbare Fallzahlen und Anforderungen gegeben. Ihre Existenz verursacht zudem eine zusätzliche Abstimmungsebene, um einheitliche Entscheidungsmaßstäbe für Nordrhein-Westfalen zu erreichen. Neben erstinstanzlichen Aufgaben entfällt ein hoher Anteil mittelinstanzlicher Tätigkeiten auf die Ausübung der Dienst- und Fachaufsicht. Das sind einerseits die Bearbeitung von fachaufsichtlichen und dienstaufsichtlichen Beschwerden, Eingaben und Widersprüchen – andererseits die Wahrnehmung von Leitstellenfunktionen, die Mitwirkung bei polizeilichen Einsätzen (insbesondere bei Einsatzlagen, die Einsätze über den Bezirk einer Polizeibehörde hinaus erfordern) oder deren Leitung sowie Steuerungs- und Inspektionsfunktionen. Über Widersprüche als Mittel der Selbstüberprüfung von Verwaltungsentscheidungen können nach Überzeugung der Kommission schneller und damit letztlich bürgerfreundlicher die Ausgangsbehörden (Ortsebene) selber entschieden werden. Dies gilt auch für Beschwerden und Eingaben. Soweit hier die Polizeibehörde keine die Beschwerdeführer zufrieden stellende Lösung erreichen kann, müssen Entscheidungen auf einer übergeordneten zentralen Landesebene ebenfalls schneller und unmittelbarer zu abschließenden Verwaltungsentscheidungen führen. Leitstellenaufgaben und Einsatzsteuerung über den Bezirk einer Polizeibehörde hinaus nehmen in dem hier vorgeschlagenen Modell der Ortsebene die personell und organisatorisch gestärkten Polizeibehörden oder ihre Leitstellen selber wahr. Soweit auch deren Kapazitäten und Möglichkeiten überfordert wären oder der Einzelfall dies aus politischen oder polizeifachlichen Gründen erfordert, sind –

88

wie in der Regel in derartigen Fällen auch bisher – die Zuständigkeiten durch die oberste Landesbehörde festzulegen. Sehr intensiv hat sich die Kommission mit der Frage der Bündelungsfunktion der Bezirksregierungen auseinander gesetzt. Gerade zu diesem Aspekt der Entscheidung für oder gegen Zwei-/Dreistufigkeit des Behördenaufbaus gab und gibt es in der Geschichte des Verwaltungsaufbaus in NRW, aber auch in den meisten anderen Ländern, immer wieder intensive und kontroverse Diskussionen. Die Entscheidungen waren und sind auch bei den derzeitigen Neustrukturierungen der Polizeien in den Ländern widersprüchlich und gehen in beide Richtungen: Integration wie auch Herauslösung der Polizeiaufgaben. Im Aufgabenspektrum der nordrhein-westfälischen Bezirksregierungen selbst und in der langjährigen Praxis der Aufgabenwahrnehmung ist nach Würdigung aller Anhörungen und schriftlichen Stellungnahmen sowie der Aufgabenkataloge der Bezirksregierungen eine Bündelung von Polizeiaufgaben mit anderen Verwaltungsaufgaben auf dieser Verwaltungsebene unter einheitlicher Zielstellung in weit geringerem Maße erfolgt und erforderlich als vielfach unterstellt.

Bündelungsfunk-

Das gilt auch für die „politische Pufferfunktion“, die als weiteres Argument für die Notwendigkeit einer Mittelinstanz genannt wird. Die Befragung der Experten aus NRW und anderen Bundesländern hat ergeben, dass eine solche Pufferfunktion nur im Einzelfall von geringerer politischer Bedeutung zu konstatieren ist. In politisch brisanten Fällen wird bereits heute unmittelbar akutes Handeln des Innenministeriums oder Innenministers ausgelöst und die Bezirksregierungen spielen lediglich bei der Nachbereitung als zusätzliche Instanz eine Rolle. Im Kontext der genannten Vorschläge und Überlegungen zu erstinstanzlichen Aufgaben und zur Bündelungsfunktion entspricht ein zweistufiger Behördenaufbau auch den Zielen des Landes NRW, eine schlankere Verwaltung und Modernisierung der Verwaltungssteuerung sowie der Verwaltungsprozesse zu erreichen. Hierin liegt auch kein Widerspruch zu Überlegungen zur Stärkung der mittleren Verwaltungsebene. Die Diskussionen und Entscheidungen in diesem Zusammenhang (z. B. zum 2. Verwaltungsmodernisierungsgesetz) betonen die Notwendigkeit der inhaltlichen und organisatorischen Integration von Aufgaben und Behörden in vorhandene Strukturen. Für Zuständigkeiten der Mittelinstanzen gilt dies aber nur, soweit Aufgaben auf dieser Verwaltungsebene anzusiedeln sind. Dann können durch die Vermeidung oder Eingliederung von Sonderbehörden Bündelungs- und Synergieeffekte erzielt werden.

Politische Puf-

tion der Bezirksregierungen

ferfunktion

Andere Aufsichtsmodelle

VORSCHLÄGE ZUM ÄUßEREN BEHÖRDENAUFBAU

89

Vor diesem Hintergrund wird auch die Errichtung polizeilicher Aufsichts(sonder)behörden auf einer mittleren Verwaltungsebene ebenso wie die Eingliederung von Aufsichtsfunktionen in mögliche neu gestaltete Regionalbehörden nicht als sinnvolle Alternativen gesehen. Sonderbehörden bieten keine entscheidenden Vorteile zur Verbesserung der Effizienz und Effektivität der Polizeiarbeit. Alle denkbaren Modelle dieser Art – z. B. eine Aufsichtsbehörde je Regierungsbezirk oder drei Behörden mit regierungsbezirksübergreifender Zuständigkeit – verursachen zusätzlichen Aufwand und neue Schnittstellen. Die Eingliederung in Regionalbehörden neuer Art würde zudem Fragen der Abgrenzung von kommunalen und staatlichen Aufgaben aufwerfen. Die Kommission ist zu der Auffassung gelangt, dass eine zentrale Instanz die erforderlichen Funktionen einer Aufsicht unmittelbar besser wahrnehmen kann als nach dem bisherigen dreistufigen Aufbau. Dieses auch angesichts Bevölkerungszahl und Fläche des Landes NRW, Art und Umfang der polizeilichen Aufgaben und der Größe der Polizeiorganisation. Ausschlaggebend dafür sind •

• • •

Sicherung der einheitlichen Aufgabenwahrnehmung

die Stärkung der Ortsebene zu fachlich und hinsichtlich Ressourcenverantwortung, Steuerung und regionaler Einbindung umfassend zuständigen Polizeibehörden, die Ausgestaltung der Steuerung zu einem konsequent auf Zielvereinbarungen und Controlling basierenden Gesamtsystem, die Entlastung des Innenministeriums von Dualität und Parallelität der Aufsicht über Mittelinstanzen und Ortsebene, die Schaffung regional umfassend zuständiger Polizeidirektoren im Innenministerium.

Die Sicherung der einheitlichen Aufgabenwahrnehmung im Land kann auch bei 16 Polizeibehörden durch die zentrale Aufsicht unmittelbar durch das Innenministerium gewährleistet werden. Dies wird zudem bei dann kürzerem Dienstweg zu schnelleren Abstimmungen und Entscheidungen führen. Mit den bereits seit einigen Jahren abgeschlossenen Zielvereinbarungen und dem verbindlichen Produktkatalog für die Polizei sind zentrale Instrumente für eine moderne Steuerung in der nordrhein-westfälischen Polizei vorhanden. Diese sind konsequent weiter zu entwickeln. Insbesondere ist die dezentrale Ressourcenverantwortung auszubauen. Dies wird eine Steuerung über Ziele und Kennziffern als zentrale Instrumente ermöglichen.

90

Konsequenz dieses Steuerungsmodells ist, auch auf der Aufsichtsebene (IM) Organisationseinheiten mit umfassenden Zuständigkeiten zu schaffen. Neben den vorhandenen und auch weiterhin notwendigen fachlich ausgerichteten Referaten sind die allgemeinen Steuerungs-, Controlling- und Aufsichtsfunktionen über jeweils mehrere Polizeibehörden – also regionalisiert – zu übertragen. Mit dem Instrument der Inspektionen, dem Inspekteur der Polizei und dem Landeskriminaldirektor, verfügt die Polizei und insbesondere das Innenministerium bereits traditionell über zentrale Controlling-Instrumente und -instanzen. Hierauf kann aufgebaut werden, um eine verzahnte regional und fachlich gegliederte Aufsicht wahrzunehmen. Mit einem solchen Ansatz kann das Innenministerium auch die Steuerung von dann etwa 20 Behörden und Einrichtungen – 16 PP, LKA, ZPD, IAF ohne eine weitere Hierarchieebene leisten.

Organisationsänderungen im Innenministerium

Starke regional eingebundene Polizeibehörden, moderne Steuerung über Ziele und regionalisierte, umfassende, unmittelbare Aufsicht durch das Innenministerium bieten auch den geeigneten Ansatz, der Gefahr der Ortsferne zu begegnen. Der Verzicht auf eine Instanz vereinfacht und verkürzt nicht nur die Entscheidungswege, sondern reduziert zudem deutlich die Komplexität von Entscheidungssituationen. Trotz dreistufigen Aufbaus ist das Innenministerium derzeit in nicht unerheblichem Umfang gleichzeitig oder als oberste Instanz mit politisch relevanten Vorgängen (Fällen) befasst. Dabei muss es oft als „Schiedsrichter“ fungieren zwischen KPB und Mittelinstanz. Zeitbedarf und Aufwand steigen durch die Beteiligung von zwei Aufsichtsebenen häufig deutlich, wodurch der Zeitdruck für die Bearbeitung gerade bei problematischen und daher eilbedürftigen Vorgängen jedenfalls auf der unteren Entscheidungsebene drastisch erhöht wird. Durch die längeren Berichtswege und zusätzlich beteiligten Instanzen und Personen können zudem Entscheidungen erschwert werden. Denn meist sind es gerade die komplexen Fälle, bei denen aufgrund der längeren Berichtswege und zusätzlich beteiligten Instanzen und handelnden Personen Zeit- und Entscheidungsbedarfe deutlich steigen. Im Normalfall wird die unmittelbare Aufsicht auch nicht zu Mehrarbeit im Innenministerium führen, weil die Summe der Arbeit – prozessökonomisch betrachtet – wegen des i. d. R. schneller verfügbaren Ergebnisses häufig deutlich geringer ist als beim dreistufigen Aufbau. Die Aufsicht durch eine Landesoberbehörde, also eine zentrale Aufsicht außerhalb des Ministeriums, bietet nach Kommissionsmeinung keine Alternative zur Ausübung einer direkten Aufsicht unmittelbar durch das Innenministerium. Zwar böte

VORSCHLÄGE ZUM ÄUßEREN BEHÖRDENAUFBAU

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Effizienzsteigerung

auch eine solche zentrale Behörde einige der genannten Vorteile. Sie wäre aber zugleich wieder eine eigene Hierarchieebene und mit neuen Schnittstellen zum Innenministerium verbunden. Gerade hieraus ergäben sich wieder Unschärfen in der Verantwortung und in der Außenwirkung, die die Leistungsfähigkeit der Polizei beeinträchtigen könnten. Die hier ausgesprochene Empfehlung eines zweistufigen Aufbaus der Polizeiorganisation in Nordrhein-Westfalen berücksichtigt insbesondere Gesichtspunkte der Prozesseffizienz und Wirtschaftlichkeit, aber aus den oben dargelegten Gründen auch der Mitarbeiterzufriedenheit.

9.5 Derzeit zwei Leitungstypen

Behördenleitung im Bereich der Polizei

Im Hinblick auf die Behördenleitung im Bereich der Polizei bestehen derzeit zwei grundsätzlich getrennte Leitungstypen. Zum einen gibt es vor allem in den Großstädten die KPB als Polizeipräsidien, geleitet von einem Polizeipräsidenten als politischen Beamten, der also jederzeit in den Ruhestand versetzbar ist und allein vom Innenminister ernannt wird. In den ländlichen KPB ist der Landrat, also ein direkt gewählter Politiker, zugleich Leiter der Polizeibehörde. Landratsbehörden wie z. B. die Kreispolizeibehörde Mettmann (rd. 780 Mitarbeiter), die von einem Behördenleiter geführt werden, der neben seiner Funktion als Landrat auch noch Leiter einer Polizeibehörde ist, existieren neben „kleinen“ Polizeipräsidien mit einem ausschließlichen Behördenleiter wie z. B. dem Polizeipräsidium Mülheim mit rd. 330 Mitarbeitern. Daneben gibt es einige Ausnahmen, in denen staatliche Polizeipräsidenten für einen Kreis oder Teile eines Kreises zuständig sind. Die Herausbildung vergleichbar großer Polizeibehörden ließe es zu, einheitliche Behördenleitungen zu schaffen. Ausdrücklich wird an dieser Stelle festgestellt, dass mit dem hier folgenden Vorschlag keine Kritik an der Amtsführung der gegenwärtigen Behördenleitungen verbunden ist. Dieser orientiert sich vielmehr an geänderten Rahmenbedingungen, u. a. auch durch die hier insgesamt empfohlenen Strukturveränderungen. Nach der derzeitigen Behördenorganisation, die der Behördenleitung letztlich nur die Führung von zwei Abteilungsleitern und der Pressestelle, ggf. noch einiger Beauftragter zubilligt, ist der operativ-strategische Teil, das Kerngeschäft der Polizei, wenn man klassischen Führungsvorstellungen folgt, der unmittelbaren Einflussnahme durch die Behördenleitung strukturell weitgehend entzogen. Dies hat

92

in der Praxis auch in vielen Behörden so stattgefunden. Das Entstehen informeller Gruppen von Behördenleitern und Leitern der Abteilungen VL und GS mit unterschiedlich guten Zugangsmöglichkeiten zu den Entscheidungsträgern auf Landesebene waren insofern die zwangsläufige Folge und trugen zum Entstehen von Parallelstrukturen der Entscheidungsfindung bei. Dieser Konstruktionsfehler der bisherigen Behördenstruktur soll auf Vorschlag der Kommission behoben werden durch eine veränderte interne Abteilungsstruktur der Polizeibehörden (Näheres in Kapitel 10). Durch diese Veränderung wie durch die steigenden Anforderungen an die Behördenleitung ergeben sich deutliche Konsequenzen auch für die Besetzung der Stellen der Behördenleiter. Die Kommission lässt sich bei ihren Überlegungen leiten von den Aussagen der Bull-Kommission zu Führungskräften im öffentlichen Dienst. •





• •

Danach sollen Führungsfunktionen ausschließlich aufgrund einer wirklichen Bestenauslese auf der Grundlage eines klaren und detaillierten Anforderungs- und Kompetenzprofils besetzt werden. Bei dem Anforderungs- und Kompetenzprofil ist zu beachten, dass sich die erforderlichen Kompetenzen einer Führungskraft mit steigender Führungsebene von der rein fachlichen Qualifikation hin zu Managementfunktionen verschiebt. Die Stellen sind grundsätzlich breit auszuschreiben63, also ressortübergreifend und möglichst sogar verwaltungsextern. Fehlbesetzungen müssen leichter korrigierbar werden als sie es heute sind. Einstieg in den öffentlichen Dienst und Auswahl sollen nicht mehr in erster Linie von einem bestimmten formalen Bildungsabschluss abhängig sein. Ämterpatronage und sonstige sachfremde politische Einflüsse bei der Auswahl müssen abgewehrt werden. Hier bieten sich vor allem „Assessment Center“ und „Management Audit (AC/MA)“ an.64 Das Assessment Center sollte paritätisch mit verwaltungsintern gut geschulten Führungskräften des öffentlichen Dienstes und mit externen Fachleuten besetzt sein. Im „Mana-

63

Soweit bekannt, hat bislang nur das Land Brandenburg ein Kompetenz- und Anforderungsprofil für Polizeipräsidentinnen/-präsidenten formuliert und eine externe Ausschreibung praktiziert.

64

Erfahrungen liegen hierzu im Polizeibereich beim Land Brandenburg vor. Die Funktionen der Leiter der neuen Polizeipräsidien wurden in überregionalen Zeitungen bundesweit ausgeschrieben. Neben den formalen Voraussetzungen wurde das Anforderungsprofil veröffentlicht. Bewerber hatten sich einem Auswahlverfahren zu stellen, das aus einem externen Bewertungs- und dem internen Auswahlverfahren besteht.

VORSCHLÄGE ZUM ÄUßEREN BEHÖRDENAUFBAU

93

Aussagen der Bull-Kommission zu Führungskräften

gement Audit“ wird auf der Basis eines mehrstündigen Einzelgesprächs von einem (ggf. externen) Berater ein Bericht erstellt, der – gespiegelt an den künftigen Anforderungen – Auskunft gibt über das Kompetenzprofil der Führungskraft. Landräte werden nach Kriterien von ihren Parteien nominiert und anschließend von den Bürgern gewählt, die den vorgenannten nicht in allen Belangen entsprechen; ihr Anforderungsprofil ist zu Recht nicht auf die Funktion der Leitung der Polizeibehörde ausgerichtet. Sie können im Einzelfall das künftige Kompetenzund Anforderungsprofil eines Leiters einer Polizeibehörde – je nach beruflicher Karriere – erfüllen oder auch nicht. Die Landratswahl ist ein Aliud, das diese Voraussetzungen einer Auswahl für die Leitung einer Polizeibehörde nicht erfüllt und auch nicht erfüllen kann. Ähnliches gilt im Übrigen auch für die derzeitigen Polizeipräsidenten, die ebenfalls nicht aufgrund der hier empfohlenen Kompetenz- und Anforderungsprofile ausgewählt wurden, sondern bislang für eine deutlich anders strukturierte und zumeist kleinere Behörde. Vor diesem Hintergrund wird vorgeschlagen, sowohl Polizeipräsidenten als auch Landräten (in den Polizeibehörden, die sich im Wesentlichen aus Landratsbehörden zusammensetzen) die Möglichkeit einzuräumen, sich an einem Auswahlverfahren zu beteiligen. Führung auf Zeit

Allerdings muss die Korrektur einer trotz größter Sorgfalt im Auswahlverfahren nicht auszuschließenden Fehlbesetzung einer Führungsfunktion möglich sein. Besetzung der Führungsposition auf Zeit, die Möglichkeit der Abberufung und Suspendierung eines Behördenleiters durch den IM ist daher zwingend vorzusehen und bei politischen Beamten i. d. R. gegeben. Die Befähigung zum Richteramt oder die Befähigung für die Laufbahn des höheren Polizeivollzugsdienstes bzw. die Befähigung für die Laufbahn des höheren allgemeinen Verwaltungsdienstes wird vielfach als Voraussetzung für die polizeiliche Behördenleitung formuliert. Bewerbungen sollten aber nicht an bestimmten formalen Bildungsabschlüssen festgemacht werden. Die Weichenstellung nach Bildungsgängen, die das geltende Karrieremodell prägt, ist überholt. Die zivile Leitung der Polizei hat sich zwar bewährt, ein institutioneller Ausschluss von Polizeivollzugsbeamten, die diesen Status nach Auswahl allerdings aufgeben müssten, rechtfertigt das aber nicht und ist auch nicht nachvollziehbar. Wesentlich ist vielmehr, dass die o. g. Anforderungsprofile und Kompetenzen erfüllt und gegeben sind.

94

Für eine Polizeibehörde ist die Aufhebung der Zweiabteilungslösung (GS/VL) neben anderen Gründen Voraussetzung für eine angemessene Führungsspanne. Die Frage, ob dann nicht die bisher richtige Führungsspanne für Landräte zu groß wird, da sich bei Optimierung der inneren Organisation der Polizeibehörde der bisher erforderliche Führungsaufwand deutlich vergrößert, hängt von der inneren Struktur der Kreisbehörde ab. Eine Option für Landräte als Leiter einer Polizeibehörde sollte in geeigneten Fällen erhalten bleiben. Die Empfehlungen der Kommission für die Leitung der Polizeibehörde lassen sich wie folgt zusammenfassen: •

• •

9.6

Empfehlungen für die Behördenleitung

Die Behördenleiter der neu strukturierten Polizeibehörde sind im Rahmen eines Auswahlverfahrens (AC/MA) nach Ausschreibung mit Anforderungsund Kompetenzprofil durch eine auch extern besetzte Auswahlkommission auszuwählen. Dabei können Landräte wie bisherige Polizeipräsidenten als Bewerber zugelassen werden. Die Behördenleiter werden auf Zeit (fünf bis sechs Jahre) bestellt; Wiederbestellung aufgrund IM-Entscheidung ist möglich. Die Entscheidung muss bei Nichtbewährung rückholbar sein.

Polizei und Kommunen

Erfolgreiche Polizeiarbeit baut auf einem guten Verhältnis zu Bürgern auf. Sicherheitsgefühl und Vertrauen in eine rechtsstaatlich handelnde Polizei sind Eckpfeiler in dieser Beziehung. Städte, Gemeinden und Kreise bilden häufig ein Bindeglied in diesem Verhältnis. Vor allem die Kreise und der Landkreistag Nordrhein-Westfalen haben nachhaltig darauf hingewiesen und belegt, dass Ortsnähe und Anbindung an den kommunalen Raum und die kommunalen Behörden eine wesentliche Stütze für erfolgreiche Polizeiarbeit sind. Vertrauen der Bürger, Kenntnis der örtlichen Probleme, enge Zusammenarbeit und Absprache mit den Verwaltungsstellen der kommunalen und regionalen Ebene sowie unkomplizierte, schnelle Information und gegenseitige Unterstützung gelten als Vorteile einer solchen Struktur und werden insbesondere den von Landräten geleiteten KPB zugeschrieben.65 65

siehe auch oben unter 9.1.2 sowie die Stellungnahmen des Landkreistages (LKT-NW ) vom 25.08.2003 und vom 08.04.2004 und Schreiben mehrerer Kreise

VORSCHLÄGE ZUM ÄUßEREN BEHÖRDENAUFBAU

95

Enge Kooperation von Polizei und Kommunen

Unbestritten bietet das Zusammenarbeiten von Kreispolizei und Kreisverwaltung unter „einem Dach“ Vorteile für beide Seiten. Wenn aber übergeordnete Gründe einer effizienten und kostengünstigeren Polizeiarbeit größere Einheiten bedingen, diese enge Verbindung also nicht in der bisherigen Organisationsform aufrechterhalten werden kann66, so müssen nach Auffassung der Kommission die Bemühungen dahin gehen, die Vorteile dieser Verbindung auch für die künftige Behördenstruktur zu sichern. Folgende Ansätze sollten dazu dienen: 1. Die räumliche Übereinstimmung (Einräumigkeit) von polizeilicher Einheit (Direktion/Inspektion) und kommunaler Gliederung (Kreis/kreisfreie Stadt) hält die bisherigen Beziehungen aufrecht, es tritt kein Bruch ein. Die auf dieser Ebene und darunter in den Wachen tätigen Polizeimitarbeiter bleiben dieselben. Ihre Ortskenntnis und lokale Bindung wirken weiter. Bürger erleben den polizeilichen Zuständigkeitsbereich und die kommunale Einheit als identisch. Sie werden so die veränderte Struktur kaum wahrnehmen. Lokalbezogene Polizeiarbeit

Kreispolizeiausschuss/Bezirkspolizeiausschuss mit gestärkten Kompetenzen

2. Die neuen Polizeibehörden sollen ihre innere Struktur so gestalten, dass die Direktionen/Inspektionen einen eigenen Verantwortungsbereich für eine „lokalbezogene Polizeiarbeit“ erhalten. Damit werden die jeweiligen Leiter zu kompetenten Ansprechpartnern der Landräte, Oberbürgermeister, Bürgermeister und der lokalen Behörden. Sie garantieren für die Bürger und die politisch Verantwortlichen ortsnahe und lokalverantwortete Polizeiarbeit. Positive Erfahrungen der niederländischen Polizei mit einer teilweise „regionalisierten Polizeiarbeit“ stützen diese Anregung der Kommission.67 3. Um der lokalen/regionalen Verankerung weiteren Rückhalt zu geben, sollten die bisherigen Polizeibeiräte in ihren Aufgaben und Kompetenzen gestärkt und in der Zusammensetzung verändert werden. Die Kommission empfiehlt, die neuen Gremien auf zwei Ebenen anzusiedeln, und zwar auf der Ebene der Polizeibehörden als Kreispolizeiausschuss und bei den Direktionen/Inspektionen als Bezirkspolizeiausschuss.

66

67

vgl. hierzu oben Ziff. 9.1.2

vgl.„Die Polizei in den Niederlanden“, Ministerie van BINNENLANDSE ZAKEN en KONINKRIJKSRELATIES; Dezember 2003, Ziff. 2.1.2 sowie Ton Valckx,„Die Steuerung in der Polizeiregio Brabant-Südost“, Vortrag anlässlich des Kommissionsbesuchs in Eindhoven am 22. Juni 2004

96

Die Kommission schlägt vor: Dem Kreispolizeiausschuss68 gehören die Oberbürgermeister und Landräte sowie aus jedem Kreis der gewählte kommunale Vorsitzende des Bezirkspolizeiausschusses als persönliche Mitglieder an. Den Bezirkspolizeiausschuss (grundsätzlich ein Ausschuss je Kreis und kreisfreie Stadt)69 bilden die Bürgermeister und der Landrat in einem Kreis sowie der Oberbürgermeister und die Bezirksvorsitzenden in einer kreisfreien Stadt. Die Ausschüsse wählen den Vorsitzenden aus ihrer Mitte. Über die in § 16 des Polizeiorganisationsgesetzes NRW genannten Aufgaben der Polizeibeiräte hinaus erhält der Kreispolizeiausschuss im Rahmen der landesweiten Vorgaben Mitspracherecht bei Aufgabenfestlegungen mit regionalem und lokalem Bezug. Er wirkt mit bei der jährlichen Zielvereinbarung für die Polizeibehörde sowie bei der Erstellung eines regionalen Sicherheitskonzeptes, Prioritätensetzungen und der Ressourcenverteilung. Über den Aufgabenvollzug wird der Ausschuss unterrichtet. Er ist anzuhören bei der Bestellung des Behördenleiters. Der Vorsitzende des Kreispolizeiausschusses wirkt in dem Gremium zur Auswahl der Behördenleitung mit.

Aufgaben der Ausschüsse

Der Bezirkspolizeiausschuss begleitet die Arbeit in den Direktionen/Inspektionen und wirkt mit bei Aufgaben mit lokalem Bezug. Er bringt die örtlichen Belange und Kenntnisse in die Polizeiarbeit ein. Begleitung von Ordnungspartnerschaften, Verkehrserziehung, Unfallverhütungskonzepten, Bestellung von Sicherheitsbeauftragten, Sicherstellen der engen Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden, Organisationen und Verbänden sowie die Kontrolle einer bürgernahen Polizeiarbeit zählen zu seinen Aufgaben. Auch wenn der Aufwand zunächst beträchtlich erscheint70, glaubt die Kommission doch, dass gerade durch die Mitwirkung dieser Gremien ein wesentliches Stück des örtlichen Bezuges und örtlicher Einschätzung in die Polizeiarbeit eingebracht und auch für den Bürger sichtbar wird. Die Ausschüsse heben 68

Hier wird noch die alte Behördenbezeichnung des § 2 PolG zugrunde gelegt; bei entsprechender Anpassung des PolG gemäß Kommissionsvorschlag wird der Begriff Präsidiumsausschuss vorgeschlagen.

69

70

Zzt. sind keine Bereiche bekannt, die eine Ausnahme von diesem Grundsatz erforderlich machen. Die Zahl der neuen Ausschüsse würde insgesamt die Zahl der Polizeibeiräte nicht übersteigen.

VORSCHLÄGE ZUM ÄUßEREN BEHÖRDENAUFBAU

97

Regionale Mitverantwortung

sich damit deutlich von den auf Anregung und Diskussion beschränkten derzeitigen Polizeibeiräten ab. Sie übernehmen regionale Mitverantwortung für die Arbeit der Polizei, ohne dabei die Stellung der Polizei als staatliche Einrichtung in Frage zu stellen. Da die Ausschüsse mit den urgewählten Bürgermeistern, Oberbürgermeistern und Landräten besetzt sind, dürfte auch die demokratische Legitimation für eine solche Mitwirkung außer Frage stehen. Richtig praktiziert wird die Tätigkeit der neuen Ausschüsse vertrauensbildend wirken, das kommunale Interesse und Engagement sowie den intensiven Ortsbezug stärken und damit die Polizeiarbeit wirksam stützen und für Bürger transparenter machen. Die konkrete Ausgestaltung der Bildung, der Aufgaben und der Kompetenzen der vorgeschlagenen Ausschüsse ist im Verfahren zur Neufassung des Polizeiorganisationsgesetzes NRW festzulegen. Als Teil der politischen Entscheidung über die Strukturreform obliegt sie einem Beratungsgremium, das diese Entscheidung vorbereitet. Öffentlichkeitsarbeit

4. Neben den kommunalen Kontakten und der Gremienarbeit auf der Direktionsbzw. Inspektionsebene sollte eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit in diesem Bereich deutlich machen, dass Polizeiarbeit auch unter dem Dach einer größeren Behörde die örtlichen Anliegen und Interessen unvermindert ernst nimmt. Erfahrungen aus anderen Bundesländern mit vergleichbar großen Behördenzuschnitten zeigen, dass dies erreichbar ist.71 Die Kommission erwartet, dass aufgrund des engagierten Bemühens der neuen Behörden in Verbindung mit den hier vorgeschlagenen Maßnahmen bald gelingt, das Vertrauen der Bürger in die neue Organisationsstruktur zu festigen und die Zusammenarbeit mit den Partnern in Kommunen, Behörden, Wirtschaft und Verbänden erfolgreich fortzusetzen. Sie hofft dabei auch, dass die Kommunen durch Unterstützung und Hilfestellung, wie in der Vergangenheit, den Erfolg der Polizeiarbeit fördern werden.

71

so u. a. Aussagen der Vertreter der Länder Hessen, Brandenburg und Rheinland-Pfalz im Rahmen der Kommissionsanhörung am 12.02.2004

98

9.7

Rechtliche und haushalterische Auswirkungen

Eine Neuorganisation der Polizei in Nordrhein-Westfalen in dem hier vorgeschlagenen Umfang wirft eine Vielzahl an Fragen nach den rechtlichen und haushalterischen Folgen auf. Die Kommission hat sich auf die Prüfung der Themen konzentriert, die rechtlich, finanziell oder politisch im Rahmen ihrer Vorschläge besondere Fragen aufwerfen können.72 Sie hat hierunter vor allem gesehen •



• • • • • • • • • •

die Auswirkungen der Reduzierung der Zahl der Polizeibehörden auf etwa 16 mit der Konsequenz, dass bei den Kreisen keine eigenständigen Polizeibehörden mehr angesiedelt sind, die Vergrößerung der Bezirke der Polizeibehörden und die weitere Zusammenfassung von bisher selbstständigen Polizeibezirken kreisfreier Städte und der Kreise, die Neuregelung der Aufgabenzuschnitte der Polizeibehörden, die Verlagerung von Aufgaben der Bezirksregierungen und die Herauslösung der Polizeiaufgaben aus den Bezirksregierungen, die vorgeschlagene Einrichtung von Kreispolizeiausschüssen und Bezirkspolizeiausschüssen, die Vorschläge zur Besetzung der Behördenleitungen und zur Ausgestaltung der entsprechenden Dienstverhältnisse, die erforderlichen Versetzungen mit und ohne Ortswechsel, die Konsequenzen für die Personalvertretungen, die möglichen Konsequenzen für den Stellenplan und den Stellenkegel in der Polizei, die Auswirkungen für die Beschäftigten der Kreise bei den Polizeibehörden, die finanziellen Auswirkungen auf den Landeshaushalt und auf die Kreishaushalte, die Unterbringung der Polizeibehörden.

Verfassungs- oder kommunalverfassungsrechtliche Fragen sind von den Vorschlägen nicht grundsätzlich betroffen. Ebenso werden bei der Vielzahl gesetzlicher oder untergesetzlicher Regelungen, die die Aufgaben- und Zuständigkeitsverteilung, die Bildung der Bezirke der Polizeipräsidien mit Standortentscheidungen, das Polizeiorganisationsrecht, die Bezirksregierungen oder die Zusammenarbeit mit anderen Behörden betreffen, keine Änderungen bisheriger Regelwerke als erforderlich angesehen. Aber auch die Vorschläge zur Schaffung von Kreispoli72

Zu den wirtschaftlichen/finanziellen Konsequenzen siehe Kapitel 14

VORSCHLÄGE ZUM ÄUßEREN BEHÖRDENAUFBAU

99

Rechtliche Fragen

zei- und von Bezirkspolizeiausschüssen und deren Mitwirkung bei der Auswahl der Polizeipräsidenten gehen nicht über vorhandene Formen der Zusammenarbeit von staatlicher und kommunaler Ebene und bekannte Formen der Mitwirkung der Kommunen und Kreise bei staatlichen Aufgaben hinaus. Auch die Konsequenzen für die Beschäftigten in den Polizeibehörden bewegen sich im Rahmen der Problematik, die bei anderen Organisationsänderungen, z. B. als Folge des 2. Verwaltungsmodernisierungsgesetzes, bereits erfolgreich und letztlich auch sozialverträglich gelöst worden ist. Dabei ist noch einmal zu betonen, dass die Zahl der von Versetzungen mit Ortswechsel betroffenen Beschäftigten sehr begrenzt bleiben wird. Angesichts leerer Kassen beim Land wie bei den Kreisen werden einvernehmliche Lösungen für das bei den Polizei in den Kreisen eingesetzte Personal und die Auswirkungen auf die Unterbringung der Polizeibehörden schwer zu finden sein. Mit 346 Personen73 ist der hier angesprochene Personenkreis aber durchaus überschaubar. Die Zahl der Beschäftigten je Kreis bewegt sich zwischen sechs und 27. Die erreichbaren Ziele einer Neuorganisation sollten vertretbare Regelungen für Beschäftigte, Kreise und Land in einem überschaubaren Zeitraum möglich machen. Denkbar ist sowohl der Verbleib von Beschäftigten bei den Kreisen als auch die Übernahme durch das Land. Auch bei solchen Beschäftigten wäre – wenn überhaupt – nur zum Teil mit örtlichen Versetzungen zu rechnen. Bauliche Unterbringung

Sachausgaben

Längere Übergangsfristen und höhere Aufwände sind bei den Unterbringungsfragen zu erwarten. Zwar bleiben die unmittelbaren Polizeistandorte – Wachen, Hauptwachen etc. – von den hier vorgelegten Vorschlägen weitgehend unberührt. Aber die Aufgabe von Leitstellen und die anderweitige Verwendung der frei werdenden Flächen bzw. die Anpassung von verbleibenden Leitstellen wird voraussichtlich Baumaßnahmen erfordern. Auch die Verlagerung von Aufgaben der Abteilungen VL kann im Einzelfall neuen Flächenbedarf auslösen. Die hier entstehenden Aufwände können am ehesten begrenzt werden, wenn frühzeitig Leitentscheidungen getroffen werden oder Neubau- und Modernisierungspläne ggf. bis zu solchen Leitentscheidungen – soweit vertretbar – zurückgestellt werden. Wo bisher die Kreise durch eigene Sachausgaben zur Aufgabenerledigung der Polizei in den KPB beigetragen haben, können sie bei Umsetzung der genannten Vorschläge entsprechend entlastet werden. Gleichzeitig werden denkbare Mehr73

Daten gemäß Stellungnahme des Landkreistages (LKT) vom 08.04.2004. Darin sind zu einem gewissen Anteil auch Beschäftigte/Beschäftigungsanteile aus Querschnittsämtern, z. B. Beihilfebearbeitung, Personalverwaltung, enthalten.

100

belastungen für den Landeshaushalt durch die erzielbaren Rationalisierungsgewinne der Neuorganisation weit überkompensiert. Von besonderem Gewicht für das Gelingen der angestrebten Organisationsreform sind die Konsequenzen für die Beschäftigten in den Polizeibehörden. Die Kommission trägt dem mit dem Bewertungskriterium „Mitarbeiterorientierung“ Rechnung. Sie äußert sich daher auch in Kapitel 15 zu den Fragen der Akzeptanz und Motivation. Ihre Vorschläge haben sowohl im Hinblick auf Versetzungen – mit und ohne Ortswechsel –, Umsetzungen, Stellenkegel und Stellenwertigkeiten, Funktionen und personalrelevante Verfahren vielfältige und weitreichende Auswirkungen. Rechtlich werden hierdurch jedoch keine neuartigen Fragestellungen aufgeworfen. In der Verwaltung des Landes und in der Polizei selber sind immer wieder Anpassungen der Organisation erfolgt, die ähnlich weitreichende Auswirkungen hatten. Daher sind Lösungen im Rahmen bewährter Regelungen für die hier anstehenden Fragen vorhanden.

Konsequenzen

Besonders vielschichtig sind die Auswirkungen der Vorschläge auf den Stellenkegel und die Funktionen bzw. Stellen- und Funktionsbewertungen. Die Kommission sah sich angesichts dieser Vielfalt, Detailliertheit und Komplexität nicht in der Lage, hierzu ins Einzelne gehende Berechnungen durchzuführen und Vorschläge vorzulegen. Sie ist allerdings auch hier zu dem Ergebnis gelangt, dass neue Fragestellungen oder grundsätzliche Probleme nicht auftreten werden.

Stellenplan

Ebenso hält sie ihre Überlegungen zur Anpassung der Personalvertretungsebenen für lösbar, lässt dabei aber offen, ob dies im Rahmen des bestehenden Landespersonalvertretungsrechtes geschehen sollte. Neu sind allerdings die Vorschläge zur Entscheidung über die Besetzung von Positionen der Behördenleiter. Die Kombination eines politischen Beamtenverhältnisses mit einer Regelung für Beamte auf Zeit sind ebenso wie die Beteiligung eines kommunalen Vertreters und von externen Experten neu. Allerdings bewegen sich die hier gemachten Vorschläge – wie bereits dargestellt – im Rahmen der Vorschläge und Denkrichtungen der Bull-Kommission.

VORSCHLÄGE ZUM ÄUßEREN BEHÖRDENAUFBAU

101

für Beschäftigte

10 Vorschläge zum inneren Behördenaufbau

Modellversuch der Präsidien Aachen und Köln

Orientierung an den Organisationszielen

Da zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Ergebnisse der Evaluierung der Modellversuche „Andere Führungsstrukturen bei Polizeipräsidien“ bei den PP Aachen und Köln mit der jetzigen Organisation der beiden Referenzbehörden nicht vorliegen, konnte sich die Kommission nicht an den grundlegenden Informationen zur Planung einer Reform der Binnenstruktur orientieren. Die Organisationsvorschläge der Kommission können aber durch weitere gesicherte Erkenntnisse aus der Evaluierung ergänzt werden. Gleichwohl hat die Kommission die sorgfältig und aufwändig erstellten Schwachstellenanalysen der Polizeipräsidien Aachen und Köln in ihre Planungsüberlegungen einbezogen. Sie ist bei der Auswertung zu dem Ergebnis gekommen, dass sich aus den Schwachstellenanalysen nicht zwangsläufig die Modellorganisationen in Aachen und Köln als einzige mögliche Konsequenz ergeben. Die Kommission hat neben den Schwächen ebenso die Stärken der bisherigen Organisation analysiert und berücksichtigt diese bei ihren Vorschlägen. Die hier vorgeschlagene Reform der Binnenstruktur orientiert sich an den allgemeinen Organisationszielen „effektive Polizeiarbeit“, „Bürger-/Kundenzufriedenheit“, „Mitarbeiterzufriedenheit“ und „Wirtschaftlichkeit“ sowie an den in Kapitel 8 dargestellten Bewertungskriterien. Darüber hinaus hat sich die Kommission bei der Entwicklung ihrer Vorschläge insbesondere von folgenden Grundsätzen leiten lassen: • •



102

Die Mitarbeiter der Basisdienststellen sollen von der Reform nicht oder nur unwesentlich betroffen werden. Die Kommission hat es nicht als ihren Auftrag angesehen, eine Aufgabenkritik hinsichtlich der Kernaufgaben der Polizei vorzunehmen. Die Aufgaben- und Zuständigkeitsverteilung innerhalb der Polizei NRW sollte so geregelt werden, dass die Polizeibehörden sich auf ihre Kernaufgaben bzw. Produkte (Einsatzbewältigung, Gefahrenabwehr, Kriminalitätsbekämpfung, Verkehrsunfallbekämpfung) beschränken können. Es sollte geprüft werden, systemfremde Leistungen abzugeben. Teilweise wird in diesem Zusammenhang über Aufgabenabgabe in den Bereichen des Waffen-, Versammlungsund Vereinswesens nachgedacht. Diese haben jedoch einen deutlichen Bezug zu den Kernaufgaben der Polizei und sollten nicht übereilt an andere staatliche Stellen abgegeben werden. Im Aufgabenfeld „Prävention“ ist der Einsatz von Polizeibeamten bei der Verkehrssicherheitsberatung und bei der technischen Kriminalprävention zu prüfen. In erster Linie wird die innere Struktur den neuen Größenverhältnissen der künftigen PP angepasst. Dies gilt insbesondere für die Polizeiinspektionen und Polizeidirektionen als Regionaldienststellen. Ihre räumlichen Zustän-









• •

digkeitsbereiche sollen vergrößert bzw. groß geschnitten werden, damit sie zu leistungsfähigen Einheiten mit einem hohen Maß an Selbstständigkeit und Eigenverantwortung ausgeformt werden können. Daraus folgt, dass die bisher zu geringe Führungsspanne der Inspektionsleiter entsprechend aufgespreizt wird. Zugleich wird durch die Vergrößerung der Regionaldienststellen vermieden, der Behördenleitung eine unangemessen große Leitungsspanne zu übertragen. Die Identität der Grenzen und Zuständigkeitsbereiche der Polizeiinspektionen und der Polizeidirektionen mit kommunalen Grenzen bzw. Zuständigkeitsbereichen soll erhalten bzw. angestrebt werden (Einräumigkeit, regionale Kongruenz). Dies fördert die Abstimmung und Zusammenarbeit mit kommunalen Dienststellen, örtlichen Einrichtungen sowie gesellschaftlichen Gruppen vor allem in kriminalpräventiven Gremien und Ordnungspartnerschaften. Die Arbeit der Polizeiausschüsse74 wird unterstützt. Die grundlegenden Ziele der letzten Neuorganisation von 1993, die im Wesentlichen eine Reform der Binnenstruktur war, sind nicht überholt. Die Stärken der derzeitigen Organisation sind darum zu erhalten. Erkannte Schwachstellen müssen beseitigt werden. Dezentralisation und Delegation von Aufgaben und Verantwortung sind unabdingbare Voraussetzungen für die Steuerung der vergrößerten Behörden. Im Sinne einer abgestuften Zentralisierung ist nur das zentral zu leisten, was aus Gründen der Spezialisierung oder aus Kostengründen notwendig ist. Für die Technik ist eine zentrale Organisation sinnvoll.75 Die Bürgernähe der Polizei wird durch die Vergrößerung der Behörden nicht beeinträchtigt. Die polizeilichen Leistungen müssen grundsätzlich durch die örtlichen Basisdienststellen angeboten werden. Polizeiwachen, Bezirksdienste und Ermittlungskommissariate bleiben vor Ort erhalten. Die Grundlagen der Aufbau- und Ablauforganisation müssen in den Behörden vergleichbar sein. Zur Verbesserung der funktionalen Abläufe und Arbeitsprozesse sind Maßnahmen der Qualitäts- und Prozessentwicklung vorzusehen.

74

siehe Ziff. 9.5

75

siehe Kapitel 13

VORSCHLÄGE ZUM INNEREN BEHÖRDENAUFBAU

103

10.1 Aufbauorganisation und Aufgabenwahrnehmung

10.1.1 Stab Hoher Stabsanteil

In der bisherigen Stab-Linien-Organisation ist jedem Leiter der Abteilung GS ein Stab zugeordnet. Schwachstelle und Grund für die Unzufriedenheit der Mitarbeiter in den Basisdienststellen ist die verhältnismäßig hohe Anzahl der Stabsmitarbeiter. Der Anteil des in den Stäben eingesetzten Personals im Verhältnis zum Gesamtpersonal schwankt zwischen 2,96 und 11 %. Die Forderung nach wenigen und „schlanken“ Stäben wird von vielen Seiten aufgestellt. Dabei ist in den größeren Behörden eine deutlich günstigere Relation festzustellen. Bei der Kritik an der Personalstärke im Stab ist vielfach nicht berücksichtigt worden, dass die Mitarbeiter in der personalintensiven Leitstelle Linienaufgaben wahrnehmen.

Doppelarbeit

Es wird kritisiert, dass im Stab Arbeiten erledigt werden, die als Aufgaben der Liniendienststellen (ZKB, PI) gelten und umgekehrt. Aufgabenbezogene Ideen und Konzeptionen werden sowohl im Stab als auch in den Führungsstellen der Unterabteilungen ZKB und PI erstellt. Nicht selten fehlt es dann an der erforderlichen Akzeptanz in der anderen Ebene. Diese Doppelarbeit bindet Ressourcen und hat teilweise zu Kompetenzproblemen und Verärgerung geführt. Die Zuordnung des Stabes zur Leitung der Abteilung GS führt dazu, dass die Stellung des Behördenleiters in fachlicher Hinsicht eher schwach ist.

Notwendigkeit einer Stabsorganisation

Die genannten Kritikpunkte stellen nach Auffassung der Kommission die grundsätzliche Notwendigkeit der Stabsorganisation in der Polizei nicht in Frage. Dies ist auch das Ergebnis der Anhörungen. Die Anhörungen haben keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die polizeilichen Organisationsziele mit einer Organisationsform ohne Stab besser erreicht werden können. In Einsatzlagen ist in der Polizei mit einem Stab zu führen.76 Mit dieser Vorgehensweise hat die Polizei große Erfahrung. In Sofortlagen entwickelt sich die Stabsorganisation als Projektorganisation schrittweise und aufbauend auf den Maßnahmen der Allgemeinen Aufbauorganisation (AAO). Dies wird erleichtert, wenn auch in der AAO ebenfalls in einer Stabsorganisation gearbeitet wird. Zu den Modellversuchen der PP

76

siehe PDV 100, Ziff. 1.5.2.1

104

Aachen und Köln, in denen auf einen Stab verzichtet wird, liegen zu dieser Frage keine evaluierten Erkenntnisse vor. Es wird darum vorgeschlagen, für die AAO einen Stab vorzusehen und diesen der Behördenleitung zuzuordnen. Der Stab ist das Beratungs- und Unterstützungsorgan für die Führung und Steuerung der Behörde. Die Stabsaufgaben sind genau zu definieren und insbesondere im Hinblick auf die Führungsstellen der Abteilungen abzugrenzen. Zu den Stabsaufgaben gehören neben der zentralen Analyse der Einsatz-, Kriminalitäts- und Verkehrsunfalllage das Controlling und die Entwicklung von Behördenstrategien. Der Stab arbeitet dabei eng mit der neu zu schaffenden „Qualitäts- und Prozessentwicklung“ zusammen. Zu diesen Aufgaben kommt die Konzeptionierung der immer bedeutsamer werdenden internationalen Zusammenarbeit und in Grenzbehörden der grenzüberschreitenden (euregionalen) polizeilichen Zusammenarbeit hinzu.77 Die zentrale Medienarbeit der Behörde (Pressestelle) und die zentrale Öffentlichkeitsarbeit nach Innen und Außen sollen Aufgabe des Stabes werden. Die Polizeidirektionen übernehmen die dezentrale Pressearbeit.78 Eine unmittelbare Anbindung an die Behördenleitung sowohl zentral als auch dezentral erscheint nicht erforderlich und ist bei der dezentralen Pressearbeit wegen der engen Verbindungen zu den örtlichen Medien auch nicht sinnvoll.

Presse- und

Mit den genannten Aufgaben ist das Informationsmanagement eng verflochten. Es wird darum dem Stab zugewiesen. Gleiches gilt für das Beschwerdemanagement.

Stabsarbeit

Leitstelle und Lagezentrum sind Liniendienststellen und werden aus dem Stab ausgegliedert. Der Leiter des Stabes ist neben den Abteilungsleitern der wesentliche fachliche Berater der Behördenleitung. Er ist als Einsatzleiter für herausragende abteilungsübergreifende Großlagen vorzusehen, soweit nicht die Einsatzleitung einem Abteilungsleiter übertragen wird. Im Stab müssen Fachwissen, Erfahrung und Kreativität in besonderem Maße vorhanden sein. Die Stellen für die Sachbereichsverantwortlichen im Stab sind mit Beamten des höheren Dienstes zu besetzen.

77

siehe Ziff. 7.2

78

siehe Ziff. 10.1.2.7

VORSCHLÄGE ZUM INNEREN BEHÖRDENAUFBAU

105

Öffentlichkeitsarbeit

Zurzeit sind die Abteilungsstäbe in den 16 größten Behörden des Landes ohne Leitstellen/Lagezentrum durchschnittlich 23 Mitarbeiter tätig. Die Kommission hält neben dem Leiter eine Anzahl von durchschnittlich 25 Mitarbeitern für den Behördenstab für angemessen. Hinzu kommen, je nach örtlichen Notwendigkeiten, durchschnittlich fünf Stellen für die Aufgaben der Pressestelle und der Öffentlichkeitsarbeit nach Innen und Außen. Besondere Aufbauorganisation (BAO)

Für die Bewältigung größerer Lagen ist erforderlichenfalls eine Besondere Aufbauorganisation (BAO) mit Führungsstab und Einsatzabschnitten79 zu bilden. Die BAO ist als Projektorganisation sowohl für Sofort- als auch für Zeitlagen planmäßig und anlassbezogen vorzubereiten. Form und Zusammensetzung der BAO obliegt der Behördenleitung und ist regelmäßig ergebnisorientiert zu evaluieren. Für den Führungsstab in BAO-Lagen sind insbesondere Mitarbeiter des Behördenstabes und der Führungsstellen der Abteilungen vorzusehen.

Ständige Stäbe

Die Einrichtung der Ständigen Stäbe als Teil der Projektorganisation für Einsätze aus Anlass erpresserischen Menschenraubes und Geiselnahmen hat sich grundsätzlich bewährt. Bei bisher 50 KPB war eine Spezialisierung weniger Behörden für die Bewältigung derart schwieriger Lagen unverzichtbar. Die Anzahl von sechs Ständigen Stäben war insoweit erforderlich und richtig. Die Möglichkeit, bei einer Reduzierung der Behördenzahl auf 16 in allen Behörden Ständige Stäbe mit geringerer Mitarbeiterzahl einzurichten und die Behörden im Einsatzfall durch ein zentral eingerichtetes spezialisiertes Unterstützungsmodul in Führung und Linie zu verstärken, wurde von der Kommission nach längerer Diskussion letztlich verworfen. Sie hält eine Spezialisierung weniger Behörden weiterhin für Erfolg versprechender. Es erscheint ihr bei dieser Lösung vertretbar, die Anzahl der Ständigen Stäbe auf drei bis vier zu verringern. Die Einsatzanlässe für die Ständigen Stäbe können mit Zunahme der Leistungsfähigkeit der künftigen vergrößerten Behörden reduziert und auf die eng auszulegenden Zuweisungsregelungen des Landesteils NRW zur PDV 100 zurückgeführt werden. Darum kann die Anzahl der Mitarbeiter in geringem Umfang auf 1 : 8 je Ständigem Stab verringert werden.

Abwesenheits-

Die Behördenleitung bestimmt einen geeigneten Führungsbeamten (Leiter Stab oder Abteilungsleiter) zu ihrer Abwesenheitsvertretung.

vertreter des BL

79

gemäß PDV 100

106

10.1.2 Abteilungen Die bisherige Zweiabteilungsstruktur hat sich nicht bewährt und soll aufgegeben werden. Die Behördenleitung hat mit ihr, insbesondere in Relation zum Leiter der Abteilung GS, eine zu geringe Führungsspanne. Zudem besteht ein deutliches Ungleichgewicht zwischen den Abteilungen VL und GS, das auch nicht durch die grundsätzliche Vertreterfunktion für den Leiter der Abteilung VL ausgeglichen werden kann. Das entscheidende Kriterium „Check and Balance“ ist in der derzeitigen Organisation nicht gewahrt. Die Schwachstellen dieser Regelung waren im Wesentlichen bereits bei der Reform von 1993 erkannt. Die Bedenken wurden jedoch im Hinblick auf die angestrebte Integration von Schutz- und Kriminalpolizei in einer Abteilung zurückgestellt.

Zweiabteilungs-

Die Kommission schlägt vor, auf die Funktion des Leiters der Abteilung GS zu verzichten. Der Behördenleitung werden sowohl die Verwaltung als auch die operativen Organisationseinheiten als Abteilungen unmittelbar nachgeordnet. Durch den Wegfall der bisherigen Unterabteilungen wird eine Hierarchieebene beseitigt und der Behördenleiter erhält eine angemessene Führungsbreite. Durch die Anbindung des Stabes unmittelbar an die Behördenleitung erfährt deren Funktion eine fachliche Aufwertung.

Führungsspanne

Es gibt Abteilungen für zentral wahrzunehmende objektbezogene Aufgaben und solche mit regionaler Verantwortung. Dabei ist im Rahmen der Delegation von Aufgaben und Verantwortung dem Prinzip der Dezentralität grundsätzlich der Vorzug zu geben. Dies gilt insbesondere für das bürgernahe Anbieten der polizeilichen Basisleistungen. Zentral werden nur die Aufgaben wahrgenommen, bei denen aus Gründen notwendiger Spezialisierung und/oder der Wirtschaftlichkeit eine dezentrale Erledigung nicht vertreten werden kann. Vor allem die Regionalabteilungen müssen nach Auffassung der Kommission künftig mehr Verantwortung erhalten. Ihre Selbstständigkeit ist deutlich auszubauen. Die Steuerung durch die Behördenleitung erfolgt über Ziele und Rahmenrichtlinien. Folgende Abteilungen werden gebildet: • • • •

Zentralabteilung (Z) Operative Unterstützung (OU) Zentrale Kriminalitätsbekämpfung (ZKB) Zentraler Verkehrsdienst/Autobahnpolizei (ZVD/AP); soweit AP nicht vorhanden, ggf. Anbindung an die Abteilung OU

VORSCHLÄGE ZUM INNEREN BEHÖRDENAUFBAU

107

struktur

des Behördenleiters



Bereitschaftspolizei (BP); in der Regel Unterabteilung bei OU; eigene Abteilung nur, wenn der Behörde mehr als eine Hundertschaft (z. B. Abteilungsführung, Technische Einsatzeinheit) zugeordnet ist Spezialeinheiten (SE), soweit vorhanden Polizeiinspektionen (PI) Polizeidirektionen (PD)

• • • Polizeiinspektionen/Polizeidirektionen

Die PI und PD sind Regionalabteilungen. Die Kommission hat sich für unterschiedliche Formen entschieden, um dem Prinzip der abgestuften Zentralisierung zu entsprechen. Die Einrichtung von PI wird grundsätzlich in großstädtischen Bereichen am Sitz der Behörde sinnvoll sein. Sie nehmen ihre Aufgaben mit Wach-, Bezirks- und Verkehrsdienst sowie dem Verkehrskommissariat wahr. Die Kriminalitätsbekämpfung, auch bezüglich der leichten und mittleren Kriminalität, geht in die Zuständigkeit der am Ort befindlichen ZKB über. Die PD sind in der Regel identisch mit den Bereichen der bisherigen Landratsbehörden. Ihnen wird die Verantwortung für die gesamte polizeiliche Aufgabenwahrnehmung in ihrem Bereich übertragen, soweit nicht spezielle Zuständigkeiten zentral organisiert sind, z. B. ZVD/AP, ZKB. Dabei ist die ZKB nur für die Delikte der Schwer- und Schwerstkriminalität zuständig. Sie übernimmt in der Regel auch solche Delikte, die besonders spezialisierte Ermittlungen erforderlich machen, oder übergreifende Seriendelikte sowie Delikte mit herausragender Öffentlichkeitswirksamkeit.80 Die Einrichtung von PI innerhalb einer PD ist nicht vorgesehen. Zu den einzelnen Abteilungen gibt die Kommission folgende Hinweise:

10.1.2.1

Zentralabteilung (Z)

Die Abteilung Z übernimmt alle Verwaltungsaufgaben der Behörde, soweit diese zentral wahrgenommen werden. Die nicht homogene Zusammenführung von Verwaltungsaufgaben mit operativ unterstützenden Bereichen (VL 3 Technik) in der derzeitigen Organisation in der Abteilung VL soll mit Einrichtung der Zentralabteilung aufgehoben werden. In der Abteilung Z werden im Wesentlichen die Aufgaben der bisherigen Dezernate VL 1 und VL 2 wahrgenommen. Hinzu kom80

Näheres dazu in Ziff. 10.1.2.3 und 10.1.2.7

108

men Aufgaben, die von der wegfallenden Mittelinstanz auf die Behörden übertragen werden müssen. Ausgenommen sind Personal- und Wirtschaftsangelegenheiten, die von den anderen Abteilungen (ZKB, PI, PD)81 eigenverantwortlich bearbeitet werden. Eine klare Abgrenzung ist erforderlich. Das Dezernat für Personalangelegenheiten ist zuständig für alle Personalangelegenheiten einschließlich der Personalwerbung, Auswahl und Einstellung. Personalentscheidungen für ihre Mitarbeiter bis einschließlich Besoldungsgruppe A 11 treffen die großen Abteilungen, v. a. ZKB, PI und PD, eigenverantwortlich. Das Dezernat für Personalangelegenheiten ist insoweit auf die Aufgabe als Dienstleister für die genannten Abteilungen beschränkt.

Personalangelegenheiten

Zum Personaldezernat gehört die Fortbildungsstelle (insbesondere für Integrierte Fortbildung). Die Abteilung Z ist zuständig für Personal- und Organisationsentwicklung in der Behörde. Die Verwaltung des Behördenbudgets im Rahmen der Weiterentwicklung des NStM erfolgt bei der Abteilung Z. In der Abteilung Z ist ein Dezernat „Recht“ vorzusehen, das als Justiziariat mit einem Juristen ausgestattet werden sollte. An die Rechtskompetenz der Polizeibehörden werden schon jetzt immer höhere Anforderungen gestellt. Mit dem Wegfall der Mittelinstanz wird sich dieser Effekt eher verstärken. Dies gilt für die rechtliche Aufbereitung und Bewertung von Einsatzsachverhalten ebenso wie bei Dienstaufsichtsbeschwerden und Disziplinarangelegenheiten. Der Polizeiärztliche Dienst ist ebenfalls ein Dezernat der Abteilung Z.82

Justiziariat

Polizeiärztlicher Dienst

10.1.2.2

Abteilung Operative Unterstützung (OU)

Die operativen Gliederungseinheiten, die die zuständigen Liniendienststellen bei der Wahrnehmung ihrer operativen Aufgaben unterstützen, werden in der Abteilung „Operative Unterstützung“ zusammengefasst. Eine Anbindung an die Ab81

siehe Ziff. 10.1.2.3 und Ziff. 10.1.2.7

82

Zur Notwendigkeit und Zukunft des Polizeiärztlichen Dienstes macht die Kommission keine Aussage, da hierzu eine besondere Untersuchung des Innenministeriums durchgeführt wurde.

VORSCHLÄGE ZUM INNEREN BEHÖRDENAUFBAU

109

teilung Z wird von der Kommission nicht empfohlen, weil sich die Zusammenfassung von operativen Unterstützungsaufgaben und Verwaltungsaufgaben in der bisherigen Abteilung VL nicht bewährt hat. Auch die Bezeichnungen „Abteilung für besondere Aufgaben“ oder „Zentrale Dienste“ erschienen der Kommission nicht zutreffender, weil die Unterstützung und Dienstleistung für die Liniendienststellen die wesentlichen inhaltlichen Aspekte bei der Aufgabenwahrnehmung sind. Bei der niederländischen Polizei ist der Begriff „Operative Unterstützung“ geläufig. Zur Abteilung OU gehören insbesondere der Lagedienst mit Lagezentrum und Leitstelle, die Bereitschaftspolizei und die Diensthundführer. Auch das zentrale Polizeigewahrsam der Behörde mit dem Gefangenentransportkommando ist eine interne Dienstleistungsdienststelle, die hier angebunden werden sollte, soweit sie nicht einer Liniendienststelle zugeordnet wird. Lagedienst

Der Lagedienst gliedert sich in Lagezentrum und Leitstelle. Das Lagezentrum hat wie bisher insbesondere die Aufgabe, Informationen entgegenzunehmen, zu bewerten, zu steuern und ein aktuelles Lagebild zu erstellen. Angegliedert wird die Telefonzentrale, so dass alle sicherheitsrelevanten Informationen an einer Stelle eingehen. Die Telefonzentrale sollte die Funktion eines Service-Centers (vergleichbar mit dem vom Begriff her negativ besetzten „Call-Center“) erhalten. Dort können dann in einfachen Angelegenheiten fachkundige Auskünfte gegeben werden, ohne dass wertvolle Sachbearbeiterkapazitäten dafür in Anspruch genommen werden müssen. Hierzu gibt es hinreichende Erfahrungen in großen Wirtschafts- und Verwaltungsorganisationen. Die niederländische Polizei hat mit einer vergleichbaren Lösung gute Erfahrungen gemacht.

Zentrale Leit-

Der Lagedienst wird grundsätzlich zentral für die gesamte Behörde eingerichtet. Dies ist technisch problemlos. Die dezentrale Einsatzsteuerung bei nur einer Leitstelle in jeder künftigen Behörde ist auch ablauforganisatorisch machbar. Soweit es Einwände dagegen gibt, z. B. wegen fehlender Orts- oder Milieukenntnisse der Einsatzsachbearbeiter, können diese durch den Hinweis auf die datentechnisch unterstützten Einsatzleitprogramme entkräftet werden. Die Zuweisung größerer Bereiche für Leitstellen wurde in anderen Ländern erfolgreich vorgenommen83 und ist auch bei künftigen Reformvorhaben wesentlicher Inhalt.84 Auch die niederländische Polizei hat in jedem der 25 Regionalkorps nur eine Leitstelle. Beim

stelle

83

z. B. Hessen, Brandenburg

84

z. B. Pläne zur Polizeireform in Bayern

110

Notruf 110 wird sich für Bürger nichts ändern. Ein Notruf wird unmittelbar an das zuständige Einsatzfahrzeug geleitet. Eine Zeitverzögerung tritt nicht ein. Zur Gewährleistung ständiger hoher Entscheidungskompetenz beim Lagedienst wird eine ein Leiter vom Dienst (LvD) in Funktion des höheren Dienstes vorgeschlagen. Die Funktion des LvD ist möglichst rund um die Uhr, mindestens jedoch außerhalb der Bürodienstzeiten zu besetzen. Die reaktive Kompetenz der künftigen großen Behörden wird damit gesteigert. Die erforderliche Qualität der Führung in der ersten Phase komplexer Sofortlagen ist durch Führungsübernahme durch einen Beamten h. D. in jeder Behörde des Landes gewährleistet. Der Übergang von der AAO in die BAO wird erleichtert.

Leiter vom Dienst (LvD)

Aufgrund der Zentralisierung des Lagedienstes müssen die erforderlichen technischen und räumlichen Voraussetzungen in den künftigen 16 Behörden geschaffen werden. Es entstehen einmalige Umbau- und Einrichtungskosten. Die dauerhaften Unterhaltungs- und Reinvestitionskosten werden dagegen reduziert. Wesentlicher Grund für die Zusammenlegung sind jedoch die dauerhaft wirkenden Synergien im Bereich des Personals.85 Das Zentrale Polizeigewahrsam (ZPG) ist zuständig für die Betreuung und den Transport von Gefangenen insbesondere der PI und der ZKB. Nach regionalen Erfordernissen können Gewahrsame bei den Polizeidirektionen in eigener Zuständigkeit unterhalten werden. Erfahrungen im Ausland zeigen, dass der Einsatz von Polizeivollzugsbeamten im Polizeigewahrsam weiter reduziert werden kann, ohne Qualitätsverluste bei der Betreuung befürchten zu müssen. Es sollten weitestgehend Angestellte eingesetzt werden. Lediglich die Leitung (Schichtführung) muss Polizeivollzugsbeamten vorbehalten bleiben.

Polizeigewahr-

Die Diensthundführerstaffel ist mit ihrer Führung zentral zu organisieren. Hier liegt die Verantwortung für zentrale Dienstplanungsvorgaben, Auswahl, Training und Betreuung. Den PP sollte ansonsten überlassen bleiben, ob und inwieweit sie ihre Diensthundführer zentral oder dezentral anbinden.

Diensthund-

Die Bildung einer Organisationseinheit „Technik“ ist nicht erforderlich, wenn die Vorschläge der Kommission aus Ziff. 13 umgesetzt werden.

85

siehe Kapitel 14

VORSCHLÄGE ZUM INNEREN BEHÖRDENAUFBAU

111

sam

führerstaffel

10.1.2.3

Abteilung Zentrale Kriminalitätsbekämpfung (ZKB)

Die Zuständigkeiten für die Kriminalitätsbekämpfung sind neu zu bedenken. Die Anhörungen haben ergeben, dass seit der Neuorganisation der Polizei in NRW 1992 die Qualität polizeilicher Ermittlungen spürbar nachgelassen hat. Dies gilt insbesondere im Bereich der einfachen und mittleren Kriminalität aber auch bei z. B. Rauschgift- und Raubdelikten. Die derzeitige Teilung der Verantwortung für kriminalpolizeiliche Ermittlungsarbeit zwischen dezentraler Kriminalitätsbekämpfung in den Polizeiinspektionen (PI) und der ZKB hat sich mitunter als nachteilig erwiesen. Die Erfassung überörtlicher Täter- und Tatzusammenhänge sowie die Aufklärung von Serienstraftaten weist Probleme auf, was auf Schwächen beim Informationsaustausch zwischen den Prozessverantwortlichen hinweist. Gesamtverantwortlichkeit

In der derzeitigen Aufbauorganisation besteht keine Gesamtverantwortlichkeit für den Produktbereich der Kriminalitätsbekämpfung. Unterschiedliche Verantwortlichkeiten zentraler und dezentraler Kriminalitätsbekämpfung führen zu Zuständigkeitsüberschneidungen und Parallelzuständigkeiten sowohl im Bereich der Repression als auch der Prävention. Schwerpunktsetzungen in fachlicher und in personeller Hinsicht sind derzeit ebenso wie die Vorgabe einheitlich verbindlicher Standards und Prozesse nur eingeschränkt möglich. Eine zentrale Bearbeitung der Schwer- und Schwerstkriminalität in der Abteilung Zentrale Kriminalitätsbekämpfung hat sich bewährt und sollte auch weiterhin bestehen bleiben. Die grundsätzliche Gliederung in Kriminalkommissariate und ggf. Kriminalgruppen und die Zuordnung der Aufgabeninhalte bleiben bestehen. In den neu zu formierenden Polizeibehörden wird eine Abteilung Zentrale Kriminalitätsbekämpfung eingerichtet, die unmittelbar dem Behördenleiter untersteht. Zudem wird jede Polizeidirektion ihre vorhandenen kriminalpolizeilichen Strukturen grundsätzlich behalten und damit ebenfalls über einen Ermittlungsdienst mit Fachkommissariaten und regionalen Kriminalkommissariaten verfügen. Die Kriminalkommissariate der PD decken das kriminalfachliche Aufgabenspektrum in besonderer Weise bereichsspezifisch und bürgernah ab. Die sachlichen Zuständigkeiten sind in einem Aufgabenkatalog auszuweisen, in dem insbesondere die Felder der Verhaltensprävention sowie des Jugend- und Opferschutzes Berücksichtigung finden.

112

Damit hat sich die Kommission für eine Mischform der Organisationsgliederung entschieden. So gibt es einerseits eine regionale und andererseits eine aufgabenbezogene Ergebnisverantwortlichkeit. Eine durchgehende Produktbereichsverantwortung für Kriminalitätsbekämpfung ist nach eingehender Diskussion verworfen worden. Die Größe und Fläche der neu zu bildenden Behörden ließ Zweifel an einer wirksamen Steuerung und Führung durch eine Zentraleinheit ZKB aufkommen. So stellt die gefundene Lösung einen Kompromiss dar, der jedoch am ehesten den geografischen und sozialen Realitäten des Landes NRW gerecht wird.

Regionale und aufgabenbezogene Ergebnisverantwortlichkeit

Die Leitung der Zentralen Kriminalitätsbekämpfung in der Polizeibehörde trägt die einheitliche Verantwortung für den Produktbereich „Kriminalitätsbekämpfung“, soweit nicht durch die Polizeidirektionen eine eigene Verantwortlichkeit begründet wird. In diesem Sinne werden in der ZKB aufgaben- und zielbezogen operative Einsatzbewältigung, Sachbearbeitung, Organisationsgestaltung, Personalmanagement, Budgetverantwortung, Qualitätsmanagement, Controlling und bereichsspezifische Strategieentwicklung für den zentralen und für alle dezentralen Organisationseinheiten, die mit repressiver und präventiver Kriminalitätsbekämpfung betraut sind, wahrgenommen. Mit dieser Regelung geben die Leiter der Polizeiinspektionen die Verantwortung für die bislang von ihnen geführten Ermittlungsdienste und Kriminalkommissariate an die Leitung der ZKB ab. Die Auslagerung der Regionalkommissariate sollte beibehalten werden. Eine adäquat ausgestattete Führungsstelle der ZKB wird eingerichtet. Sie ist zur Steuerungs- und Führungsunterstützung unverzichtbar. Eine zentrale Sammlung, systematische Auswertung und Steuerung aller relevanten Kriminalitätsdaten ist zwingendes Erfordernis für eine schnelle polizeiliche Reaktion auf aktuelle Kriminalitätsentwicklungen. Für die Ermittlungsdienste der PD kann eine Führungsassistenz erforderlich sein.

Führungsstelle

Zur Sicherung der Leistungsfähigkeit der Kommissariate soll nach Möglichkeit die Stärke von 1 : 7 deutlich überschritten werden. Über die Einrichtung von Kriminalgruppen und ihre Zahl entscheiden die Polizeipräsidien. Eine Vorstellung zur grundsätzlichen Gliederung der Kriminalgruppen hat die Kommission im Entwurf eines Organigramms dargestellt.86

Größe der Kommissariate

Einsatztrupp 86

vgl. Anlage 9

VORSCHLÄGE ZUM INNEREN BEHÖRDENAUFBAU

113

Einsatztrupp

Der Einsatztrupp (ET/ZKB) zur brennpunkt- und täterorientierten Kriminalitätsbekämpfung wird in der ZKB eingerichtet und geführt. Die Wahrnehmung unterschiedlicher Verantwortlichkeiten für die operativen Einheiten zur Ermittlungsunterstützung bei den PI und der ZKB erscheinen grundsätzlich nicht zweckdienlich. Bei den PD können ET darüber hinaus eingerichtet werden. Prävention als Querschnittsaufgabe wird derzeit an verschiedenen Stellen in der Organisation wahrgenommen. Zentrale Verantwortung und strategische Gesamtausrichtung fehlen. Die Kommission hat mehrere denkbare Lösungsmodelle diskutiert. Ein Ansatz könnte die Beibehaltung einer einheitlichen Fachverantwortung für Kriminalitätsvorbeugung, Opferschutz, Verkehrssicherheitsberatung und Verkehrserziehung sein. Ein Kommissariat „Vorbeugung“ wäre dann entweder im Bereich der ZKB oder der neuen Abteilung „Operative Unterstützung“ anzubinden.

Präventionsarbeit

Die von der Kommission favorisierte Lösungsalternative besteht in der Trennung der unterschiedlichen Fachverantwortlichkeiten der Kriminalprävention und der Präventionsarbeit im Verkehrsbereich. So wird eine eigenständige Dienststelle „Prävention“ mit den Inhalten Kriminalprävention, Opferschutz und kriminalpolizeiliche Beratung als Teil der ZKB empfohlen und eine zweite Organisationseinheit „Prävention“, die sich der Verkehrsunfallprävention und der Verkehrssicherheitsberatung annimmt. Diese Zweiteilung der Verantwortlichkeiten setzt sich sachlogisch im Bereich der PD fort. Als Teil der Ermittlungsdienste ist die Präventionsdienststelle zur Kriminalitätsbekämpfung und zum Opferschutz vorgesehen und die Verkehrsunfallbekämpfung sowie die Verkehrssicherheitsberatung findet in einer beim Verkehrsdienst angehängten Organisationsuntergliederung statt. Sich überlagernde Verantwortlichkeiten von Stab und Linie sollten geklärt und vermieden werden. In diesem Zusammenhang bedarf die Frage der Anbindung der unterschiedlichen Präventionsaufgaben auf Landesebene noch einer Klärung. Es ist vorstellbar, Verkehrssicherheitsberatung und Kriminalprävention, unbeschadet einer Trennung auf operativer Ebene, in konzeptioneller Hinsicht auf Landesebene zusammenzuführen.

Kriminalhauptstellen

Spezialisiert wahrzunehmende Kriminalitätsbekämpfungs-Zuständigkeiten sind bislang auf 16 von 20 zu Kriminalhauptstellen bestimmten Polizeipräsidien konzentriert worden. Durch die nunmehr verringerte Gesamtzahl der Polizeibehörden auf 16 wird jetzt jede Behörde die gemäß § 2 KHSt-VO zugewiesenen Aufgaben

114

einer Kriminalhauptstelle erhalten Damit wird eine generelle Aufgabengleichheit und ein Gleichgewicht der Behörden erzielt. Realisiert wird damit ein Vorteil bei Personalzumessung, Personaleinsatz und Personalentwicklungsmöglichkeiten. Zur durchschlagenden Verbesserung der Arbeitsqualität muss neben dieser wesentlichen aufbauorganisatorischen Kompetenzangleichung und dem Aufbau leistungsstarker Fachdienststellen aber unbedingt auch eine flächendeckende Verfügbarkeit kriminalistischer Ermittlungskompetenz und kriminalistischen Erfahrungs- und Spezialwissens treten. Gezielte, langfristig angelegte Personalentwicklungsmaßnahmen und mögliche Fachkarrieren für Spezialisten unterstützen diesen Prozess. Die Aufgaben des polizeilichen Staatsschutzes obliegen den zentralen Staatsschutzdienststellen aller KPB und dem LKA als Zentralstelle. Eine Reduzierung dieser Dienststellen kann, anders als im Bereich OK, nicht befürwortet werden, weil die zu beobachtenden und zu bearbeitenden Kriminalitätsphänomene des Staatsschutzes einen starken regionalen Bezug aufweisen. Da der Polizeiliche Staatsschutz heute in der Regel nur die Stärke eines Kriminalkommissariates erreicht, erscheint eine eigenständige Unterabteilung nicht gerechtfertigt. Der Polizeiliche Staatsschutz soll nunmehr Teil der Abteilung ZKB werden und kann in ein, oder bei Bedarf in mehrere, Kriminalkommissariate gegliedert werden. Da der Staatsschutz ohnehin dem Produktbereich „Kriminalitätsbekämpfung“ zugeordnet ist, wird durch die angestrebte Organisationsänderung die Produktbereichsverantwortlichkeit zusammengeführt. Die Einrichtung einer gesonderten „Führungsstelle Staatsschutz“ entfällt. Aufgabeninhalte des Polizeilichen Staatsschutzes bleiben unverändert bestehen.

Staatsschutz

Die Aufgaben der Bekämpfung der sog. „Großen Wirtschaftskriminalität“ und der Organisierten Kriminalität (OK) werden nunmehr in sechs Schwerpunktbehörden und dem LKA als Zentralstelle wahrgenommen. Die Zuständigkeit der OKDienststellen sollte aufgrund bisheriger Erfahrungen auch auf den Bereich der qualifizierten Bandenkriminalität erstreckt werden.87

Wirtschafts-

Vorgeschlagen wird weiter, dass Behörden ohne eine solche Spezialdienststelle Verbindungsbeamte unterhalten. Die Reduktion der Anzahl der OK-Dienststellen von derzeit 16 auf sechs Dienststellen wird sicherlich zu einer qualitativen Verbesserung polizeilicher Arbeit beitragen, weil wenigere, besser mit Personal und Sachmitteln ausgestattete Dienststellen dem überregionalen und zunehmend inter87

Insofern entspricht der Vorschlag der Kommission den Ausführungen des Direktors des LKA, Herrn Gatzke, gegenüber der Kommission.

VORSCHLÄGE ZUM INNEREN BEHÖRDENAUFBAU

115

kriminalität/ Organisierte Kriminalität

nationalen Kriminalitätsphänomenen eine konzentriertere Leistungsfähigkeit und Bearbeitungsqualität entgegenzusetzen haben. Eine deutlich kleinere Anzahl von zusammenarbeitenden Dienststellen garantiert schnelleren Informationsfluss sowie kürzere Besprechungs- und Einigungsprozesse. Die Errichtung großer regionaler Kriminalitätsauswertungs- und Analysestellen wird die Datenqualität verbessern. Eine intensivierte Zusammenarbeit mit den Schwerpunktstaatsanwaltschaften wird angestrebt. Landeskriminalamt

Zur weiteren Effektivierung sollte das LKA in seiner strategischen Steuerungsfunktion für die Bekämpfung der OK und der Wirtschaftskriminalität gestärkt werden. In einer Landschaft reduzierter, vergleichbar großer, leistungsfähiger Behörden sind auch die Aufgaben und Kompetenzen einer Zentralstelle teilweise neu auszurichten, um ein Gleichgewicht herzustellen. Das LKA sollte, vergleichbar mit vielen anderen LKÄ in Deutschland, zur Aufgabenerfüllung das Recht, Ermittlungsverfahren in definierten Fällen an sich zu ziehen (sog. „Evokationsrecht“), erhalten. Damit einhergehende angemessene Personalverstärkung ist zu gewährleisten. Weiter wird an eine Zentralisierung der strategischen Auswertung und Analyse im LKA gedacht sowie an eine Verbesserung des Informationsaustausches zwischen den Dienststellen zur Bekämpfung der OK und der politisch motivierten Kriminalität. Ohne die Aufbauorganisation des LKA im Einzelnen zu betrachten, der Auftrag der Kommission erstreckte sich hierauf nicht, erscheinen der Kommission neben den vorgenannten Aufgaben im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung einige Anpassungen notwendig, die vorhandene Nahtstellen reduzieren und Synergien schaffen. Als sachgerecht beurteilt wird diesbezüglich eine Zusammenführung zentraler Aufgaben der Verkehrs- und der Kriminalprävention in einem Fachdezernat des LKA, wo z. B. die zentrale Auswertung und Analyse des Verkehrsunfallgeschehens in Verbindung mit der Analyse polizeilicher Kriminalstatistik stattfindet.

116

10.1.2.4

Abteilung Zentraler Verkehrsdienst/Autobahnpolizei (ZVD/AP)

Die Abteilung ZVD/AP gliedert sich in den Zentralen Verkehrsdienst, die Autobahnpolizei, die Verkehrskommissariate und die zentrale Verkehrsunfallprävention/Verkehrssicherheitsberatung. Zu den Aufgaben des ZVD gehören insbesondere die Überwachung der Gefahrguttransporte und sonstiger Spezialverkehre sowie der Sozialvorschriften. Dazu sind spezialisierte Mitarbeiter mit Spezialgerät erforderlich. Der ZVD ist auf dem gesamten Gebiet der Behörde für die Wahrnehmung seiner spezialisierten Aufgaben zuständig. Nach dem Grundsatz der abgestuften Zentralisierung sind in den Regionaldienststellen PI und PD ebenfalls Verkehrsdienste für die allgemeine Verkehrsüberwachung und Verkehrsunfallbekämpfung erforderlich.88 Die Autobahnpolizei (AP) ist bisher den Regierungspräsidien zugeordnet. Bei Wegfall der Mittelinstanz in der vorgeschlagenen Organisation erhalten die PP die Zuständigkeit für alle polizeilichen Aufgaben auf den in ihrem Bereich liegenden Bundesautobahnen. Diese Regelung sollte im Hinblick auf die verkehrspolizeilichen Aufgaben nur für die PP gelten, in deren Bereich mindestens eine Polizeiautobahnwache liegt. Die Kommission hat diese Lösung der Bildung einer eigenständigen Polizeibehörde für den Bereich der Autobahn vorgezogen. Eine auf die Autobahn beschränkte eigene örtliche Zuständigkeit ist unter dem Gesichtspunkt der Einsatzbewältigung mit erforderlicher Schwerpunktbildung weniger Erfolg versprechend. Gleiches gilt für die Kriminalitätsbekämpfung. Ziel ist die engere Zusammenarbeit der Beamten der Autobahnpolizei mit den Basisdienststellen der örtlich zuständigen Behörden. Für die Entscheidung sind darüber hinaus Gesichtspunkte der Personalentwicklung maßgeblich. Es soll gewährleistet werden, dass Beamte der Autobahnpolizei an den behördlichen Personalentwicklungsmaßnahmen in vollem Umfang teilnehmen können. Die Eingliederung der AP in die künftigen Polizeibehörden ist zudem unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzuziehen, da damit eine eigene Behördenleitung ebenso entbehrlich wird wie die Inspektionsleitungen. Auf NRW bezogen entfallen somit 132 Stellen für die derzeitigen Leitungen der Autobahnpolizei und 45 Stellen für die Führungsstellen der Autobahnpolizeiinspektionen. Im Gegenzug

88

siehe Ziff. 10.1.2.7

VORSCHLÄGE ZUM INNEREN BEHÖRDENAUFBAU

117

Autobahnpolizei

sind für die ZVD/AP in den Behörden jeweils vier bis fünf Führungsstellen erforderlich.89 Zur Vermeidung von Ungleichgewichten zwischen den Abteilungen ist der Zentrale Verkehrsdienst nur bei entsprechender Personalstärke als eigenständige Abteilung einzurichten. Das dürfte insbesondere dann der Fall sein, wenn eine AP in dem PP erforderlich wird. Ansonsten bietet sich eine Zuordnung zur Abteilung OU an. Die spezialisierte Sachbearbeitung für ZVD und AP erfolgt in Verkehrskommissariaten (VK). Soweit die Anzahl der benötigten Sachbearbeiter die Einrichtung mehrerer VK nicht rechtfertigt, ist nur eines zu bilden. Zentrale Bußgeldstelle

Verkehrsunfallprävention/ Verkehrssicherheitsberatung

Hinsichtlich der Bearbeitung von Ordnungswidrigkeiten weist die Kommission auf die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen Polizei als Feststellungsinstanz und der Ordnungsbehörde als zuständiger Verwaltungsbehörde hin. Eine Erweiterung der Zuständigkeiten der Polizei und die Einrichtung einer Zentralen Bußgeldstelle führt zur Prozessvereinfachung und löst insgesamt Synergieeffekte aus. Inwieweit dadurch ein finanzieller Ausgleich für Kreise und kreisfreie Städte erforderlich wird, muss geprüft werden. Die zentrale Verkehrsunfallprävention/Verkehrssicherheitsberatung ist für den gesamten Behördenbereich zuständig, soweit nicht die Verkehrssicherheitsberater der PD die Aufgaben übernehmen. Die Abgrenzung ist zu beschreiben. Eine Verkehrspuppenbühne sollte es in jeder Behörde nur zentral geben.

10.1.2.5

Abteilung Bereitschaftspolizei (BP)

Die Bereitschaftspolizei NRW besteht aus 18 Hundertschaften (BPH), drei Technischen Einsatzeinheiten (TEE) und drei Führungsgruppen Bereitschaftspolizei (FüGrBP). Die Kommission hat die Notwendigkeit einer spezifischen Personalstärke der nordrhein-westfälischen Bereitschaftspolizei nicht untersucht. Die Bereitschaftspolizei ist zzt. in unterschiedlicher Gliederungsstärke großen PP angegliedert und bildet dort mit den Sonderdiensten die Unterabteilung „Bereitschaftspolizei/Polizeisonderdienste“. Die im Rahmen der Umorganisation der Bereitschaftspolizei vorgenommene Anbindung an die Polizeibehörden hat die Leistungsfähigkeit der Einheiten gestärkt. Das ist insbesondere darauf zurückzuführen, 89

siehe auch Kapitel 14

118

dass die Beamten nicht unmittelbar nach ihrer Ausbildung, sondern grundsätzlich erst nach mindestens einem Jahr Wachdienst, also mit entsprechender Einzeldiensterfahrung, in die Einheiten umgesetzt werden. Nachteilig hat sich bisher ausgewirkt, dass nur die Beamten zur Bereitschaftspolizei kamen, die nach ihrer Ausbildung in Behörden mit Bereitschaftspolizei versetzt wurden. Andererseits wurden die Behörden ohne Bereitschaftspolizei bei den kontingentierten Unterstützungseinsätzen zur Kriminalitäts- und Verkehrsunfallbekämpfung oft nicht in gleichem Umfang berücksichtigt. Dies ist u. a. auf teilweise unverhältnismäßig weite Anfahrten zurückzuführen. Die von einigen Stellen in die Reformdiskussion gebrachte Einrichtung eines Präsidiums Bereitschaftspolizei würde den Zustand vor der Umorganisation der Bereitschaftspolizei wiederherstellen. Das Ziel der einheitlichen Personalentwicklung geriete in Gefahr. Es gäbe möglicherweise Raum für ungewollte Tendenzen zur Verselbstständigung der Einheiten. Die Einrichtung einer eigenen Behörde ist auch unter finanziellen Gesichtspunkten nicht sinnvoll. Die Konzentration der Einheiten auf wenige Behörden erscheint im Hinblick auf die angestrebte vergleichbare Leistungsfähigkeit der künftigen Behörden und die einheitliche Personalentwicklung ebenfalls nicht optimal. Die Kommission schlägt vor, jedem künftigen PP mindestens eine Hundertschaft Bereitschaftspolizei zuzuweisen. Überzählige Einheiten sowie die TEE und die FüGrBP können zu den Behörden gegeben werden, die diese Einheiten bereits jetzt führen. Für die überörtliche Koordinierung der Aufgabenwahrnehmung, die bisher von der Mittelinstanz und vom Ministerium wahrgenommen wird, sollte eine Koordinierungsstelle (KoSt BP), ähnlich der bereits vorhandenen Koordinierungsstelle für Spezialeinheiten, beim LKA eingerichtet werden. Die KoSt BP kann den gesamten Abstimmungsbedarf insbesondere für Einsätze, Bereitschaftsdienste, Einsatzberatung und Fortbildung unmittelbar regeln. Sie muss, wie bisher die Mittelinstanz und das Ministerium, in dieser Hinsicht Weisungsbefugnis erhalten. Der Kommission erscheint es sinnvoll, die KoSt BP in das Zielvereinbarungsverfahren und Controlling in geeigneter Form mit einzubeziehen. Die Führungskompetenz der Polizeibehörden muss insoweit zu Gunsten der Einheitlichkeit der Bereitschaftspolizei begrenzt werden können. Soweit eine Behörde nur über eine Hundertschaft Bereitschaftspolizei verfügt, erscheint eine Anbindung an die Abteilung OU sinnvoller als die Einrichtung einer eigenständigen Abteilung Bereitschaftspolizei.

VORSCHLÄGE ZUM INNEREN BEHÖRDENAUFBAU

119

Je Behörde eine Hundertschaft

10.1.2.6

Abteilung Spezialeinheiten (SE)

Zur Organisation der Spezialeinheiten hat die Kommission zwei Alternativen erörtert: die Anbindung an das LKA mit dislozierten Standorten oder Verbleib bei den PP. Bei beiden Alternativen kommt eine Reduzierung der Standorte in Betracht. Für die Anbindung an das LKA spricht die Notwendigkeit, Einheitlichkeit bei Lagebewältigung, Ausstattung und Personalentwicklung in den Spezialeinheiten besser als bisher zu erreichen. Die Koordinierung der Belange der Spezialeinheiten erfolgt derzeit ausschließlich auf der Grundlage von Vereinbarungen zwischen dem LKA (Koordinierungsstelle Spezialeinheiten = KoSt SE) und den PP. Die im überörtlichen Vereinbarungsweg teilweise mit dem IAF, der Fortbildungsstelle für Spezialeinheiten beim IAF (FSE) und den ZPD gefundenen Lösungen haben sich erfahrungsgemäß in den PP nicht als hinreichend bestandsfähig erwiesen. Die Bindungswirkung endet in verschiedenen Fällen am individuellen Interesse der Standorte sowie der dortigen Durchsetzbarkeit. Die Kompatibilität der Spezialeinheiten ist jedoch Grundvoraussetzung für eine professionelle Lagebewältigung im Einsatzfall. Das LKA (KoSt SE) hat kein Weisungsrecht. So ist es zzt. nicht möglich, bei gleicher Aufgabenstellung ein gemeinsames Zielvereinbarungsverfahren behördenübergreifend und mit Bindungswirkung in die jeweiligen PP hinein durchzuführen. Somit gibt es auch kein landeseinheitliches Controlling. Es besteht keine formulierte einheitliche Führungsphilosophie bei den Spezialeinheiten, die im Sinne eines Servicegedankens für alle derzeitigen Behörden und über die Landesgrenzen hinaus angeboten werden könnte und von den unterstützten Stellen als den Kunden erwartet wird. Personalentwicklung

Die Personalentwicklung der SE-Angehörigen ist in die örtlichen behördeninternen Personalentwicklungskonzepte eingebunden. Personalentscheidungen, insbesondere in kritischen Einzelfällen, berücksichtigen die landesweiten Auswirkungen nicht in ausreichendem Maße. Die Besetzung der Führungsfunktionen in den SE erfolgt in der Regel behördenintern. Ein überörtliches Auswahlverfahren fehlt. Beurteilungen und damit verbundene Beförderungen unterliegen örtlich orientierten, unterschiedlichen Maßstabsüberlegungen. Der Verbleib der Spezialeinheiten in den PP hat den Vorteil der örtlichen Führung. Die Bedeutung der Anwesenheit einer örtlichen Dienstaufsicht darf nicht unterschätzt werden. Die Spezialeinheiten mit ihrem besonderen Tätigkeitsfeld stellen die Führung vor besondere Herausforderungen. Spektakuläre Fälle in der

120

letzten Zeit haben die Bedeutung einer sorgfältig strukturierten örtlichen Dienstaufsicht verdeutlicht. Die Kommission schlägt vor, die Spezialeinheiten weiterhin den PP zuzuordnen und die Anzahl der Standorte auf drei, höchstens vier, zu reduzieren. Dabei ist die Anbindung an die PP mit Ständigem Stab sinnvoll. Um die Nachteile einer unterschiedlichen Ausprägung zu minimieren, soll eine Verstärkung und Kompetenzerweiterung für das LKA erfolgen. Die KoSt SE muss ein Direktionsrecht in grundsätzlichen Angelegenheiten erhalten. Die Grenzziehung bei dieser nicht einfachen Lösung muss sorgfältig und genau erarbeitet sein, damit die Schnittstellen nicht unüberbrückbar werden. Bei nur drei bis vier Standorten sind die Schwierigkeiten der Abstimmung voraussichtlich weniger problematisch als bei einer größeren Anzahl von Behörden mit SE.

Standorte SE

Die Spezialeinheiten des Landes haben zzt. 808 Sollstellen. Etwa 100 Stellen sind nicht besetzt (Stand: Juli 2004). Die Anzahl der Fehlstellen variiert. Grundsätzlich arbeiten die SE unter der Sollstärke. Es gibt Nachwuchsprobleme. Bisher haben sich aus dieser Tatsache keine Schwierigkeiten im Einsatz ergeben. Für die derzeitige Einsatzbelastung ist die tatsächlich vorhandene Stärke ausreichend. Insoweit bietet sich eine Stellenreduzierung an. Bei einer Reduzierung der Standorte ist ein Stellenabbau, der über die derzeitige Soll-Ist-Differenz hinausgeht, fachlich vertretbar. Dazu macht die Kommission folgenden Vorschlag: je Standort (drei Standorte) • • • • •

eine FüSt mit je 11 Stellen vier SEK (Spezialeinsatzkommandos) mit je 17 Stellen drei MEK (Mobile Einsatzkommandos) mit je 19 Stellen eine Verhandlungsgruppe mit 13 Stellen Die Technische Einsatzgruppe soll in ihrer Erlassstärke erhalten bleiben.

Stärke der SE

Die Einsatzleistung der MEK wird derzeitig durch die Behörden ausgeschöpft. Bei der hier vorgeschlagenen Reduzierung der Sollstellen muss die Einsatzschwelle darum angehoben werden. Unterhalb der festgelegten Schwelle sind die Aufgaben durch besser ausgerüstete und fortgebildete Einsatztrupps der Behörden wahrzunehmen. Sollte durch den Kräfteabbau bei den MEK ein Einsatzdefizit entstehen, kann es sinnvoll sein, für die überörtliche Unterstützung beim LKA ein oder zwei weitere MEK bereitzuhalten.

VORSCHLÄGE ZUM INNEREN BEHÖRDENAUFBAU

121

Die Kommission ist sich darüber im Klaren, dass eine aus rein fachlich vertretbaren Gründen vorgenommene Reduzierung der Spezialeinheiten, die für die schwierigsten polizeilichen Lagen fortgebildet und bereitgehalten werden, in einer Zeit globaler terroristischer Bedrohung falsch verstanden werden kann. Darum bedarf diese Frage neben der fachlichen auch einer politischen Prüfung.

10.1.2.7

Abteilungen Polizeiinspektionen/Polizeidirektionen (PI/PD)

Die Bezirke der PP gliedern sich regional in Polizeiinspektionen (PI) und Polizeidirektionen (PD). Die PI werden vorzugsweise in städtischen Bereichen und am Sitz der Behörde gebildet. PD sind die mit weiterer Verantwortung ausgestatteten, vom Behördenstandort örtlich abgesetzten Regionaldienststellen in den Kreisen und kreisfreien Städten. Es handelt sich dabei insbesondere um die Bereiche, in denen bisher selbstständige Behörden bestanden, also überwiegend Landratsbehörden. Die Einrichtung einer PD macht die weitere Aufteilung in PI obsolet. Damit wird eine Hierarchieebene eingespart. Die Entscheidung darüber, ob und wo eine PI oder eine PD eingerichtet wird, sowie über deren Größe und Zuschnitt trifft der PP in eigener Zuständigkeit unter Berücksichtigung kommunaler Strukturen, kriminalgeografischer Zusammenhänge und der Effektivität. Derzeit bestehen in den 50 KPB 127 Polizeiinspektionen. Reduziert sich die Behördenzahl auf 16 PP und belässt man es bei der Anzahl der Regionalabteilungen, hätte jeder PP etwa acht Regionaldienststellen zu führen. Diese Zahl kann nach Behördenstruktur nach oben oder unten erheblich variieren. Es ist zweckmäßig, die Anzahl der Regionalabteilungen zu reduzieren. Führungsspanne der PI-/PDLeiter

Damit wird zugleich die Führungsspanne der PI-/PD-Leiter angemessen erweitert. In der jetzigen Organisation ist die schmale Führungsspanne der PI-Leitung eine erkannte Schwachstelle. Unmittelbar nachgeordnet sind ihr nur die Führungsstelle, die Hauptwache, soweit vorhanden die Polizeiwachen und der Ermittlungsdienst. Dies ist ein wesentlicher Grund dafür, dass in den letzten Jahren bereits mehrere Inspektionen zusammengefasst oder Hierarchieebenen (Leitung des Ermittlungsdienstes) abgebaut wurden. Im Rahmen dieses Reformkonzepts ist es angebracht, die Regionaldienststellen in den vorgesehenen Großpräsidien unter Beachtung der kommunalen Grenzen zu vergrößern. Die Kommission schlägt einen Richtwert von 250.000 bis 350.000 Einwohnern vor. Ausnahmen, insbesondere nach oben, sollten zugelassen sein. Grundsätzlich soll in einem Kreis nicht mehr als eine PD eingerichtet werden, um

122

die Teilung von Kreisgebieten zu vermeiden und die Effektivität der Polizeiorganisation zu erhöhen. Allerdings sollte auch in kleineren Kreisen eine PD organisiert werden können. Andererseits ist der Zusammenschluss von (kleineren) Kreisen zu einer (größeren) PD denkbar. Wegen der vielfältigen Zusammenarbeitsebenen wird durch die Identität der kommunalen und polizeilichen Zuständigkeitsbereiche eine Erfolg versprechende Basis für gemeinsame Sicherheitsarbeit der Kommunalen Selbstverwaltung und der Polizei gelegt.90 Die Kommission geht von künftig bis zu 30 PD aus. Grundlage dieser Prognose ist die derzeitige Anzahl von 29 Polizeibehörden in Kreisen des Landes. Wird in nahezu jedem dieser Kreise eine PD gebildet und sieht man für einige kreisfreie Städte innerhalb der neuen Behörden ebenfalls PD vor, so kann diese Prognose für die weiteren Überlegungen als hinreichend begründet angesehen werden. Bei den PI der jetzigen Polizeipräsidien hält die Kommission eine Reduzierung von jetzt 63 auf höchstens die halbe Anzahl von 32 für sachgerecht. Bei einer Zahl von 62 PI/PD ergibt sich eine durchschnittliche Einwohnerzahl von etwa 280.000. Die Anzahl der Regionalabteilungen geht bei dieser Prognose gegenüber der jetzigen Organisation um mehr als die Hälfte zurück. Es ist zu begrüßen, wenn die entsprechenden Prüfungen in den künftigen Behörden zu einer geringeren Anzahl von PD/PI führen. Die Kommission hält es für sinnvoll, die dadurch gewonnenen personellen Synergien den betreffenden PD zu belassen. Das Ziel, alle Basisdienststellen zu erhalten, wird durch große Regionalabteilungen nicht in Frage gestellt.

Anzahl der

Die Selbstständigkeit der künftigen PI/PD wird im Rahmen der Delegation von Aufgaben und Verantwortung konsequent gestärkt. Die selbstständige Wahrnehmung der Aufgaben muss mit der Verantwortung für Personal, Sachmittel und Finanzen verbunden werden. Die Zusammenführung von Fach- und Ressourcenverantwortung auf der Ebene der PI-/PD-Leitungen ist im Rahmen der Bildung größerer Behörden unabdingbar. Eine zentrale Aufgabenwahrnehmung in Personal- und Wirtschaftsangelegenheiten müsste sich hemmend auswirken und wäre im Rahmen der Weiterentwicklung des Steuerungs- und Führungssystems kontraproduktiv. Die Übertragung der Verantwortung für Personal und Haushalt/Budget ermöglicht in verstärktem Umfang die Beachtung und Berücksichtigung örtlicher Strukturen. Die Verantwortung für das Führungspersonal und den Führungskräftenachwuchs muss zentral bleiben. Die PI/PD werden für ihre Mitarbeiter bis einschließlich Besoldungsstufe A 11 zuständig. Diese Zuständigkeit umfasst auch

Erweiterte

90

siehe Ziff. 9.3.1.1

VORSCHLÄGE ZUM INNEREN BEHÖRDENAUFBAU

123

PD/PI

Verantwortung

und vor allem Beurteilung und Beförderung. Es bietet sich an, dem Leiter der PI/PD im begrenzten Rahmen die Disziplinargewalt zu übertragen, z. B. bezüglich Warnung, Verweis, Geldbußen bis zu einer bestimmten Höhe. In den PI/PD sind bei konsequenter Übertragung von Fach- und Ressourcenverantwortung leistungsstarke Führungsstellen erforderlich. Neben den zuständigen Mitarbeitern in den Bereichen Einsatz, Verkehr, Kriminalität91 und Innerer Dienst sind Sachbearbeiter für die Bereiche Personal und Haushaltsangelegenheiten/Budgetverwaltung einzusetzen. Für die Verwaltungsaufgaben sollten möglichst keine Polizeivollzugsbeamten, sondern Fachkräfte der Verwaltung vorgesehen werden. In der PD ist die Führungsstelle zudem für die dezentrale Medienund Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Die personelle Stärke der Führungsstellen in den bisherigen PI lag bei durchschnittlich 6,1 Mitarbeitern. Die Führungsstellen der PI/PD sollten wegen der Komplexität der Aufgaben einen Polizeibeamten h. D. als Leiter haben. Daneben werden einschließlich der Stellen für die Verwaltungsmitarbeiter für die Führungsstelle einer künftigen PI nicht mehr als sechs bis acht und in einer PD nicht mehr als acht bis zehn Planstellen für erforderlich gehalten. Polizeiinspektio-

Für die Polizeiinspektionen wird folgende Gliederung vorgeschlagen:

nen

• • •

Polizeiwachen Verkehrsdienst Verkehrskommissariat

Der polizeiliche Außendienst in den PI wird von den Polizeiwachen (PW) wahrgenommen. Die bestehenden Wachen werden durch die Reform in ihrem Bestand nicht berührt. Sie gewährleisten die polizeiliche Präsenz. Die Einrichtung von Polizeihauptwachen ist nur dann sinnvoll, wenn die Anzahl der Polizeiwachen ansonsten eine zu große Führungsbreite zur Folge hätte. Ansonsten erübrigt sich diese Hierarchieebene. Präsenz

Die Konzeptionen für die polizeiliche Präsenz müssen unterschiedliche Bedürfnisse in der Bevölkerung berücksichtigen. Die Maßnahmen zur Gewährleistung der funktionalen Präsenz sind darauf ausgerichtet, bei einem Einsatzanlass möglichst schnell mit ausreichend Kräften vor Ort zu sein. Dazu ist ein je nach Zeit und Lage hinreichend dichtes Funkstreifennetz erforderlich. Als Maßstab für die Qualität der funktionalen Präsenz wird in der Regel die Zeitdauer angesehen, die 91

für den Bereich „Kriminalität“ nur in Polizeidirektionen

124

die Polizei benötigt, um nach einem Notruf vor Ort zu sein. Stützpunkte (Wachen) und Funkstreifenbezirke müssen so gelegt sein, dass festgelegte Reaktionszeiten eingehalten werden können. Die optische Präsenz der Polizei wird dagegen in erster Linie durch uniformierte Fußstreifen, insbesondere Bezirksbeamte und Polizeiposten, gewährleistet. Beide Aspekte sind im Rahmen der Reform in den Behörden zu berücksichtigen. Der Wachdienst wird im Schichtdienst und bisher in Dienstgruppen durchgeführt. Er ist hinreichend mit Funkstreifenwagen ausgestattet, um die anfallenden Einsätze zu bewältigen. Mit Hilfe des Dezentralen Schichtdienst Managements (DSM) wird versucht, eine lageangepasste Flexibilisierung der Wachdienststärken zu planen. Die Flexibilisierung der Wachdienststärken ist weiterzuentwickeln. Sie ist eine wesentliche Herausforderung für die Führung und die Mitarbeiter im Wachdienst. In diesem Bereich können spürbare Synergien ermöglicht werden. Andererseits soll vermieden werden, dass der Wachdienst über Gebühr für geschlossene Einsätze herangezogen wird. Seine Aufgabe soll so weit wie möglich auf die Bewältigung der Einsätze im täglichen Dienst beschränkt sein.

Wachdienst

Neben dem Wachdienst ist der Bezirksdienst Träger der polizeilichen Präsenz. Der Bezirksdienst soll durch engen und vertrauensvollen Kontakt zur Bevölkerung das Verhältnis zur Polizei positiv beeinflussen, die Akzeptanz polizeilichen Handelns erhöhen und das Sicherheitsgefühl steigern. Dabei ist ihm ein breites Aufgabenfeld bei allen Kernaufgaben der Polizei zugewiesen.92 Es soll damit vermieden werden, dass seine Tätigkeit zu sehr durch Ermittlungshilfsdienste bestimmt wird. Die anlassunabhängige Tätigkeit macht seinen eigentlichen polizeilichen Präsenzwert aus. Der Bezirksdienst ist für das Bild der Polizei in der Öffentlichkeit und die Beurteilung der polizeilichen Leistungsfähigkeit von wesentlicher Bedeutung. Die Wirkung der Tätigkeit der Bezirksbeamten sollte darum durch organisatorische Entscheidungen gestärkt werden. Dazu zählt vor allem die Reduzierung der bisherigen Relationsgröße zur Bevölkerung von 1 : 10.000 auf eine günstigere Dichtezahl. Auch kann die Einbindung des Bezirksbeamten in seinen Bezirk weiter verstärkt werden, indem z. B. ein Bonussystem für den privaten Wohnsitz ggf. mit Dienstzimmer/Büroraum im zuständigen Bezirk entwickelt wird (Polizeiposten).

Bezirksdienst

92

„Aufgabenbeschreibung für den Bezirksdienst“, Anlage Nr. 2 zum RdErl. v. 29.10.1997 zur Organisation der Kreispolizeibehörden des Landes NRW, SMBl.NRW 20051

VORSCHLÄGE ZUM INNEREN BEHÖRDENAUFBAU

125

Sowohl bei Kunden- als auch bei Mitarbeiterbefragungen wurde direkt oder indirekt die unzureichende personelle Ausstattung von Wachen kritisiert. Der Gedanke, von einer Polizeiwache geschützt zu werden, die ihren Auftrag wegen nicht ausreichenden Personals nicht in vollem Umfang erfüllen kann, führt zu Beeinträchtigungen des Sicherheitsgefühls und damit der Lebensqualität in der Bevölkerung. Darum ist es der Auftrag der Kommission und ein Ziel der Reform, die Anzahl der im Wachdienst und Bezirksdienst tätigen Beamten zu erhöhen.93 Verkehrsdienst

Die obligatorische Bildung eines Verkehrsdienstes in jeder PI soll den regelmäßigen Einsatz zur Verkehrsüberwachung und Verkehrsunfallbekämpfung gewährleisten. Eine Aufgabenabgrenzung zum/zur ZVD/AP ist erforderlich. Hinsichtlich der Einrichtung und der Aufgaben des Verkehrskommissariates ergeben sich gegenüber der derzeitigen Organisation keine Veränderungsnotwendigkeiten. Falls die Anzahl der erforderlichen Sachbearbeiter für die Bildung eines Kommissariates nicht ausreicht, kann überlegt werden, die Aufgaben dem Ermittlungsdienst im zentralen Verkehrsdienst zuzuweisen oder ein Verkehrskommissariat für mehrere PI einzurichten. In den künftigen PI ist der Ermittlungsdienst für die Bearbeitung der leichten und mittleren Kriminalität nicht mehr vorgesehen.94

Polizeidirektio-

Die Polizeidirektionen sollten wie folgt gegliedert werden:

nen

• • • •

Polizeihauptwachen (PHW) mit nachgeordneten Polizeiwachen (PW) Verkehrsdienst Ermittlungsdienst Verkehrsunfallprävention/Verkehrssicherheitsberatung

Die Abweichungen zur Organisation der PI sind unter folgenden Gesichtspunkten erforderlich: Erstens werden die PD vorwiegend in ländlichen Bereichen gebildet. Sie haben somit ein größeres Betreuungsgebiet. Zweitens ist die Entfernung der PD vom Sitz der jeweiligen Behörde maßgeblich. Das Sicherheitsangebot der Polizei soll darum nicht nur bürgernah, sondern unter einer einheitlichen verantwortlichen Führung vor Ort erfolgen.

93

siehe Kapitel 14

94

siehe Ziff. 10.1.2.3

126

In den PD wird überwiegend die Einrichtung mehrerer PHW, z. B. in den größeren Städten eines Kreises, erforderlich. Unter ihrer Leitung erscheint folgende Gliederung der PHW sinnvoll: • • • • •

Polizeihauptwac hen

Wachdienstgruppen der PHW Bezirksdienst der PHW Verkehrskommissariat Polizeiwache(n) mit Wachdienstgruppen und Bezirksdienst Kradgruppe

Der polizeiliche Außendienst in den PD wird von den Polizeihauptwachen (PHW) und den nachgeordneten Polizeiwachen (PW) wahrgenommen. Sie werden durch die Reform in ihrem Bestand nicht berührt und können nahezu unverändert in die künftige Organisation übernommen werden. Für den Wachdienst gelten im Übrigen die Ausführungen zu den Polizeiinspektionen entsprechend. Der Leiter der Polizeihauptwache ist der Repräsentant der örtlichen Polizei und Ansprechpartner für Bevölkerung und Behörden in seinem Zuständigkeitsbereich. Die Einrichtung eines Verkehrskommissariats ist wegen der erforderlichen engen Abstimmung mit den örtlichen Wachdienstkräften und aus Gründen der Bürgernähe bei jeder Polizeihauptwache angezeigt. Eine weiter gehende Verzahnung zwischen Wachdienst und den Ermittlungsbeamten im Verkehrsbereich ist dabei denkbar.95 Der (dezentrale) kriminalpolizeiliche Ermittlungsdienst in der PD soll gewährleisten, dass auch in räumlich groß geschnittenen PP die Bearbeitung der Kriminalität orts- und bürgernah erfolgt. Dies widerspricht nicht dem Ziel einer frühen Erkennung überörtlicher oder ortsunabhängiger Täterstrukturen und kurzfristiger Schwerpunktsetzungen zu deren Bekämpfung. Die Polizei muss aber berücksichtigen, dass der mit Abstand höchste Prozentsatz der Straftaten von örtlich bzw. regional agierenden Tätern verübt wird. Diese sollen durch ortnahe Ermittlungsarbeit in Verbindung mit Wach- und Bezirksdienst erkannt und überführt werden. Der Ermittlungsdienst ist für die Bearbeitung der gesamten Kriminalität im Bereich der PD zuständig, soweit eine Aufgabenwahrnehmung durch die ZKB nicht

95

siehe Ziff. 7.4.1.1 Bericht der Projektgruppe Personal-/Organisationsentwicklung (Stork) vom August 1998 „Integration von Wach- und Ermittlungsdienst“

VORSCHLÄGE ZUM INNEREN BEHÖRDENAUFBAU

127

Ermittlungsdienst der PD

vorgesehen ist oder im Einzelfall erforderlich wird.96 Die Abgrenzung ist genau zu definieren. Sie sollte sich an der Zuständigkeit der ZKB in einer bisherigen Landratsbehörde orientieren. Der Ermittlungsdienst hat Kommissariate für spezialisierte Kriminalitätsbekämpfung vorzusehen, z. B. bei: • • •

Straftaten gegen das Leben/Körperverletzung, Eigentumsdelikten und Betäubungsmitteldelikten.

Daneben sind für die bürgernahe Ermittlungstätigkeit insbesondere bei der leichten und mittleren Kriminalität regionale Kommissariate einzurichten. Der Kommission erscheint es wichtig, dass in den PD auch außerhalb der Bürodienstzeiten kriminalpolizeiliche Leistungen erbracht werden können. Dazu sollte ein Kriminaldauerdienst organisiert werden. Der Einsatztrupp zur Bekämpfung der Straßenkriminalität ist dem Ermittlungsdienst anzugliedern. Über Bildung von Kriminalgruppen, die Zusammenfassung von Kommissariaten, die Bildung von Außenstellen oder die Dislozierung ist nach den örtlichen Strukturen zu entscheiden. Verkehrsdienst

Für die Verkehrsüberwachung als Teil der Kernaufgabe „Verkehrsunfallbekämpfung“ sind in jeder PD spezielle Kräfte bereitzuhalten. Dies erfolgt in der Regel in einem Verkehrsdienst, der unmittelbar der Leitung der PD unterstellt ist. Die Aufgaben sind zu beschreiben und insbesondere von denen des ZVD abzugrenzen.97 Dem Verkehrsdienst ist die Verkehrsunfallprävention/Verkehrssicherheitsberatung angeschlossen.

10.2 Konsequenzen für die Steuerung und Führung der Polizeibehörden Gefahrenabwehr, Einsatzbewältigung, Kriminalitäts- und Verkehrunfallbekämpfung sind die zentralen Aufgabenfelder der Polizei in NRW, deren Leistungsergebnisse an den Organisationszielen effektive Polizeiarbeit, Bürger- und Kunden-

96

siehe Ziff. 10.1.2.3

97

siehe Ziff. 10.1.2.4

128

zufriedenheit, Mitarbeiterzufriedenheit und Wirtschaftlichkeit gemessen werden.98 Angesichts gleichbleibender bzw. rückläufiger Haushaltsansätze, und vor dem Hintergrund tief greifender gesellschaftlicher Veränderungen soll die Organisationsstruktur der Polizeibehörden eine effektivere und effizientere Polizeiarbeit ermöglichen und dabei die Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen. Um diese Ziele zu erreichen sind die bisherigen Steuerungsverfahren, die Steuerung maßgeblich über die zentrale Ressourcenzuweisung von Personal/ Stellen sowie Finanzen und Sachmittel realisierten, einer kritischen Betrachtung unterzogen worden.99 Die Kommission schlägt im Zusammenhang mit dem inneren Behördenaufbau daher vor, Steuerung und Führung der KPB durch folgende Grundsätze zu erleichtern und effektiver zu gestalten: •

Grundsätze der Steuerung und Führung

Die weitgehende Budget- und Personalhoheit der KPB ermöglicht einen effektiveren und aufgabengerechten Einsatz von Personal und Sachmitteln sowie zielführende personalentwicklerische Maßnahmen. Die Konzentration der Stäbe auf strategische Aufgabenstellungen (Ausgliederung von Leitstelle/Lagezentrum in OU) ermöglicht eine relative Verkleinerung der Stabsfunktionen und eine Entschlackung von operativen Aufgaben100 die Einführung der Qualitäts- und Prozessentwicklung und ihre Ansiedlung bei der Behördenleitung ermöglicht eine konsequente Weiterentwicklung des NStM bei der Polizei in NRW.101





Mit diesen Grundsätzen werden dezentrale Entscheidungsstrukturen gestärkt. Die PI/PD erhalten zwar Zielvorgaben der Behördenzentrale, können jedoch innerhalb des vorgegebenen Rahmens unabhängig entscheiden. Dies bedeutet die Abkehr von vollständig gleichen Aufbau- und Ablauforganisationen. Der aktuellen Anpassung an regionale Besonderheiten im Bereich der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung kann auf diese Weise Rechnung getragen werden.

98

vgl. Arbeitsheft „Steuerung und Führung Polizei NRW“ 2003

99

siehe Kapitel 11

100

siehe Kapitel 10.1.

101

siehe Kapitel 11

VORSCHLÄGE ZUM INNEREN BEHÖRDENAUFBAU

129

Stärkung dezentraler Entscheidungsstrukturen

Örtliche Planungen und Behördenstrategie müssen jedoch miteinander kompatibel sein. Die Entwicklung und die Vorgabe strategischer Ergebnis- und Wirkungsziele werden in diesem Zusammenhang daher bedeutsamer. Dem Stab der Behördenleitung, der Qualitäts- und Prozessentwicklung und den Führungsstellen der Abteilungen obliegen arbeitsteilig diese zentralen Aufgaben. Sie sollen die Organisationseinheiten bei der Umsetzung der Elemente des Steuerungs- und Führungssystems gezielt unterstützen und beraten. Zunehmend wird es darauf ankommen, die eingeführten Instrumente konsequenter als bisher im Rahmen der Führungsarbeit zu nutzen und praxisorientiert fortzuentwickeln. Die Kommission sollte gemäß ihrem Auftrag zudem untersuchen, welche Organisationsform zweckmäßig ist, „damit die Führung mit weniger Ebenen auskommen kann“. Abbau von Hierarchieebenen

Führungsspanne

Der angestrebte Abbau von Hierarchieebenen ist bei einer Reduzierung der Behördenanzahl von 50 auf 16 und der Anzahl der Regionalabteilungen von 127 auf etwa 62 nur möglich, wenn die Führungsspanne des Behördenleiters und der Abteilungsleiter der PI/PD anspruchsvoll gestaltet wird. Damit wird eine Schwachstelle der bisherigen Organisation, nämlich die zu geringen Führungsspannen des Behördenleiters und der PI-Leiter, beseitigt. Der Behördenleiter erhält in den neuen Behörden eine deutlich größere Führungsspanne. Neben dem Stab und der Prozess- und Qualitätsentwicklung gibt es in der Regel 4 Fachabteilungen (Z, OU, ZKB, ZVD/AP) sowie im Landesdurchschnitt 4 Regionalabteilungen (PI, PD). Somit sind durchschnittlich 10 Organisationseinheiten unmittelbar an den Behördenleiter angebunden. Je nach Anzahl der Regionalabteilungen kann die Führungsspanne nach oben variieren. In 3 oder 4 Behörden kommt die Abteilung SE hinzu. Die Kommission ist jedoch der Auffassung, dass damit eine kritische Grenze nicht überschritten wird. Die Führungsspanne geht nicht über die der bisherigen Leiter GS hinaus. Sie bleibt auch in den Behörden mit einer größeren Anzahl von Abteilungen angemessen. Es ist jedoch unverzichtbar, dem Vorschlag der Kommission entsprechend die Abteilungen mit großer Selbstständigkeit und mehr Verantwortung auszustatten. Je selbstständiger die Abteilungen sind, um so geringer wird der Aufwand für Steuerung und Führung.

130

11 Organisations- und Personalentwicklung

11.1 Neue Steuerung, Qualitäts- und Prozessentwicklung Nahezu alle Untersuchungen und Schwachstellenanalysen zur Polizei in NRW betonen mit der Notwendigkeit einer modernen Organisations- und Personalentwicklung auch die Notwendigkeit eines Führungsverständnisses, das klar auf die Resultate effektiver Polizeiarbeit ausgerichtet ist. Mit der Einführung des Neuen Steuerungsmodells (NStM) als zentralem Teil der Verwaltungsmodernisierung in NRW sind auch für die Polizei in NRW Bausteine neuer Steuerungs- und Führungssysteme erarbeitet worden. Mit dem Neuen Steuerungsmodell will die Polizei erkannten Schwachstellen bisheriger Steuerung entgegenwirken. Die Kernelemente des NStM sind: • • • • • •

Outputsteuerung statt Inputsteuerung Zusammenführung von Fach- und Ressourcenverantwortung zur dezentralen Ressourcenverantwortung Führung durch Zielvereinbarungen statt durch Einzelvorgaben wirtschaftlicher Umgang mit Ressourcen durch Kostenbewusstsein, Kostentransparenz und Budgetierung ziel- und ergebnisorientierte Steuerung auf der Basis eindeutig definierter Kennzahlen sowie Aufbau eines steuerungsrelevanten, permanenten Controllings

Genauso übereinstimmend wie die Forderung nach moderner Organisations- und Personalentwicklung ergaben die Anhörungen und Analysen der Kommission jedoch, dass die Realisierung umfassender Reformen hinsichtlich Steuerung und Führung bei den Polizeibehörden in NRW – gemessen an den Erwartungen und Zielvorgaben – noch nicht gelungen und weit hinter den Reformabsichten zurückgeblieben ist. Ein wesentlicher Grund hierfür: mit der Einführung des NStM wurde die „Logik der Produkte (Produkt- und Vorproduktbeschreibungen, Erstellung von Produktkatalogen) überbetont und noch zu wenig prozessorientiert im Sinne von Qualitätsmanagement gearbeitet. Im Steuerungs- und Führungssystem (StFS) der Polizei in NRW wurde bereits erkannt, dass nur das Verständnis von Prozessketten in den täglichen Arbeitsabläufen (Leistungserstellungsprozesse) der Polizei mit ihren jeweiligen Verantwortlichkeiten und Stärken, mit ihren Schnittstellen und Verbesserungspotentialen eine kontinuierliche Qualitätsverbesserung im Sinne der Organisationsziele Bürgerzufriedenheit, Mitarbeiterzufriedenheit, Effizienz und Wirtschaftlichkeit zulässt.

ORGANISATIONS

UND PERSONALENTWICKLUNG

131

Prozessorientierte Steuerung und Führung

Die Kommission unterstützt daher mit Nachdruck die im StFS zugrunde gelegte und beabsichtigte Veränderung von einem aufgabenorientierten zu einem prozessorientierten Steuerungs- und Führungssystem:

Aufgabenorientierung

Prozessorientierung

Aufmerksamkeit auf die Abteilung – Abteilungschef verwaltet o Aufgabenzuweisung o reaktive Verantwortung

Aufmerksamkeit auf den Prozess – Abteilungschef orientiert sich an Qualität und Ergebnissen o ergebnisorientierte Selbststeuerung o Zielvereinbarungen

2

Lokale Optimierung (eigene Abteilung) o die nächste Abteilung ist der Kunde o keine Verbindung mit dem Gesamtprozess

3

Regelungen/Strukturen o vereinzelt o durch Fehler ausgelöst

4

Verbesserungen o auf Abteilung beschränkt o versanden leicht Qualität ist vage Veränderungen top-down

Klarheit über Prozesskette o Kenntnis des Endverbrauchers o Schnittstellen werden organisiert o eigene Tätigkeiten sind mit anderen Menschen/Kollegen verbunden Regelungen und Strukturen o integriert o als Qualitäts-/Effektivitätsverbesserung Verbesserungen o durchgängig für Prozess o nachhaltig und übertragbar Qualität ist messbar Verbesserungen bottom-up

1

5 6

Tabelle 4

Vom aufgabenbezogenen zum prozessorientierten Steuerungs- und Führungssystem

Die grundlegenden Bausteine des Steuerungs- und Führungssystems der Polizei NRW (Organisationsentwicklung, Personalentwicklung, Neues Steuerungsmodell, integriertes Qualitätsmanagement) sind erarbeitet und werden im Einklang mit der Verwaltungsmodernisierung in Nordrhein-Westfalen weiter entwickelt. Zu diesen grundsätzlich weitgehend geteilten Prinzipien wurden zwar bislang bereits eine Reihe von Instrumenten entwickelt.102 Sie haben aber keinen organisatorischen „Ort“ in den Polizeibehörden, was dazu führt, dass die Bausteine und Prinzipien zum Teil zwar zur Kenntnis genommen, jedoch nur in seltenen Fällen umgesetzt und tatsächlich gelebt werden. Der innere Behördenaufbau muss daher nach Ansicht der Kommission der konsequenten und praxisorientierten Weiterentwicklung des eingeführten Steuerungsund Führungssystems der Polizei NRW entsprechen. Die Kommission schlägt – 102

vgl. etwa die vom Beratungsteam „Steuerung und Führung“ entwickelten Instrumente zum Qualitätsmanagement in der Polizei (EFQM-Quickscreen), zur Entwicklung von Führungs- und Qualitätsleitsätzen, Prozessmanagement u. v. m.

132

analog zum niederländischen Modell – vor, parallel und ergänzend zur Aufbauorganisation der Polizeibehörden die Prozessverantwortung auch organisatorisch zu regeln.

Betriebsprozesse der niederländischen Polizei

1. Steuern

2. Vorbereiten

1.1 Strategie und Politik

2.1 Fachinformationen

1.2 Strategische Absprachen

2.2 Taktische Absprachen

1.3 Strategische Steuerung

2.3 Taktische Steuerung

3. Ausführen

4. Unterstützen

4.1 Personalmanagement

5. Verbessern

5.1 Verbesserungs management

3.1 Aufnahme 4.2 Budgetmanagement 3.2 Nothilfe

3.3 Überwachung

Polizeiliche Kernaufgaben

3.4 Ermittlung

3.5 Operative Unterstützung

Abb. 3 Beispiel für eine Prozessorientierung in der niederländischen Polizei

Dazu wird eine Organisationseinheit „Qualitäts- und Prozessentwicklung“ direkt bei der Behördenleitung angesiedelt, um die primären Prozesse zur Leistungserstellung der Polizei zu steuern und zu evaluieren. Diese Einheit „Qualitäts- und Prozessentwicklung“ dient als Steuerungs- und Führungsinstrument der Sicherung und kontinuierlichen Verbesserung der Qualität, der Ergebnisse und der Wirkung polizeilicher Arbeit in den Polizeibehörden. Dabei ist sicherzustellen, dass die zentralen Prozesse und Teilprozesse der Leistungserstellung (z. B. Verkehrsunfallaufnahme103) in ihren Grundzügen landesweit einheitlich geregelt werden, aber gleichzeitig auch ausreichend Raum bieten für eine Anpassung an regionale Besonderheiten vor Ort. Die Qualitäts- und Prozessentwicklung bei der BL koordiniert und evaluiert die primären Prozesse der Leistungserbringung (Schlüsselprozesse) innerhalb der Polizeibehörden und zwischen den Polizeibehörden. Für jeden Schlüsselprozess 103

vgl. Arbeitsheft „Steuerung und Führung Polizei NRW“

ORGANISATIONS

UND PERSONALENTWICKLUNG

133

Qualität und Prozessentwicklung

steht ein geschulter sog. „Prozesseigentümer“ zur Verfügung. Sie unterstützen und beraten die Linienverantwortlichen hinsichtlich der Verbesserung der Qualität, der Verbesserung ihrer Ergebnisse und der Vereinfachung von Schnittstellen. Die Prozesseigentümer arbeiten intensiv mit dem strategischen Stab, den Produktbereichsverantwortlichen und den Prozesseigentümern in anderen Polizeibehörden zusammen. Die Prozesseigentümer bereiten Verbesserungsvorschläge vor und besprechen diese mit dem Behördenleiter und den Linienvorgesetzten (keine direkte Weisungsbefugnis). Aufgaben der

Aufgaben der Prozesseigentümer sind:

Prozesseigentümer



die Entwicklung und die Begleitung einer Prozessarchitektur der zentralen Schlüsselprozesse der Polizeibehörden Initiierung und Begleitung der Schlüsselprozesse Anregung entsprechender Schulungsmaßnahmen Entwicklung und Begleitung von Leistungsmerkmalen und Kennzahlen für die Schlüsselprozesse, Produktbereiche und Produktgruppen in Abstimmung mit der Behördenleitung die landesweite Abstimmung und der Vergleich mit anderen Polizeibehörden Koordination der Schlüsselprozesse mit den Geschäftsprozessen IT (regional und landesweit)104 die kontinuierliche Evaluation und Verbesserung der Schlüsselprozesse in Verbindung mit den Produktzielen und Produktkennzahlen die Unterstützung der Behördenleitung hinsichtlich Strategie und Planung von Prozessen und Prozessarchitektur und Konsequenzen aus der Evaluation von Schlüsselprozessen

• • •

• • • •

Ziel ist die kontinuierliche Überwachung und Verbesserung der Qualität der Polizeiarbeit in den Polizeibehörden und die Erstellung und Überwachung einer gemeinsamen Prozessarchitektur auf Landesebene, die den jeweils unterschiedlichen regionalen Anforderungen Rechnung tragen kann. In diesem Sinne sind funktionale bzw. regionale Unterschiedlichkeiten gewollt und garantieren über „bestpractice“-Vergleiche („benchmarking“) und Leistungsanreize qualitative Verbesserungen. Die Identifizierung der zentralen Prozesse effektiver Polizeiarbeit in

104

vgl. Kapitel 13

134

NRW kann bereits durch Prozessteams im Rahmen des Umsetzungsprogramms der vorgeschlagenen Neustrukturierung erfolgen.105

Abb. 4 Quelle: Arbeitsheft Steuerung und Führung Polizei NRW

Mit der Abteilung Qualitäts- und Prozessentwicklung verfügt der Behördenleiter zusätzlich über ein prozessorientiertes Qualitätsinstrument zur Steuerung und Führung der Polizeibehörden. Für die Polizeibehörden ergibt sich die Möglichkeit, bisherige Ansätze des Steuerungs- und Führungssystems der Polizei NRW auch organisatorisch konsequent umzusetzen und gleichzeitig landesweit mit anderen Polizeibehörden zu koordinieren. Gleichzeitig werden die bisher entwickelten Bausteine der Verwaltungsmodernisierung und des NStM konsequent weiterentwickelt und umgesetzt. Kontinuierliche Evaluation und systematische Vergleiche („benchmarking“) von Schlüsselprozessen und die Koordination der Prozessarchitektur ermöglichen Lernprozesse innerhalb der Polizeibehörden und zwischen den Polizeibehörden und bieten damit ein zusätzliches ergebnisorientiertes Führungsinstrument für die Behördenleitung.

11.2 Führungskultur Seit vielen Jahren existieren Klagen über eine Führungskultur in der Polizei, die u. a. eine zu große Distanz zwischen Mitarbeiter- und Führungsebene und den 105

vgl. Kapitel 15

ORGANISATIONS

UND PERSONALENTWICKLUNG

135

Landesweite Koordination

Mangel an unmittelbarer Kommunikation rügen. Regelgerechtigkeit wird als wichtiger erachtet als Sachgerechtigkeit, detaillierte Handlungsanweisungen engen Gestaltungsspielräume ein und Fehlervermeidung geht vor Leistungserbringung. Ein unpersönliches Arbeitsklima, das zu wenig positive Resonanz auf Leistungsverhalten der Mitarbeiterschaft bietet, tue ein Übriges.106 Polizei als lernende Organisation

Die hier vorliegenden Vorschläge zur Neuorganisation der Polizei NRW und die konsequente Umsetzung des neuen Steuerungs- und Führungssystems der Polizei NRW erfordern eine veränderte Führungskultur, die sich stärker auf strategische Ausrichtung, die kontinuierliche Verbesserung von Schlüsselprozessen und die kooperative Personalführung in der Polizeiarbeit ausrichtet. Die Polizei wird dadurch zu einer „lernenden Organisation“, die auf der Basis entsprechender Führungsinformationen (durch den strategischen Stab und die neu geschaffene Abteilung „Qualitäts- und Prozessentwicklung“) die Organisationsziele „effektive Polizeiarbeit“, „Bürger-/Kundenzufriedenheit“, „Mitarbeiterzufriedenheit“ und „Wirtschaftlichkeit“107 umsetzt. Eine lernende Organisation, die über systematische Leistungsvergleiche („benchmarking“ und „best practice“) die kontinuierliche Weiterentwicklung der Organisation betreiben will, braucht eine Steuerung und Führung, die Freiräume zur Gestaltung bewusst offen lässt, gleichzeitig jedoch die zentralen Schlüssel- und Geschäftsprozesse landesweit einheitlich koordiniert. Die Behörde und ihre Organisationseinheiten steuern sich also zu einem großen Teil selbst, müssen sich dann aber auch beständig an den eigenen und vorgegebenen Organisationszielen messen lassen und für eine kontinuierliche Evaluation sorgen. Die Führungskultur einer lernenden Organisation wird daher nur durch einen kooperativen, aktivierenden Führungsstil108 auf allen Ebenen ermöglicht, der Ergebnis- und Ressourcenverantwortung sowie Personal- und Organisationsverantwortung klar delegiert und auf der strategischen Ebene (BL) wieder zusammenführt. Die innere Struktur der Polizeibehörden, das Prinzip der Zielvereinbarungen und der Delegation sowie die Ausrichtung an Ergebnissen und kontinuierlicher Qualitätsverbesserung der Prozesse erfordern regelmäßige Leitungskonferenzen mit Stab, Qualitäts- und Prozessentwicklung und allen Abteilungsleitern. 106

zusammenfassend aus: Bericht der Projektgruppe „Personal-/Organisationsentwicklung und Führung in der Polizei NRW“, August 1998 107

vgl. Arbeitsheft „Steuerung und Führung Polizei NRW“, IM 2003

108

vgl. Vorschläge der „Bull-Kommission“

136

Wesentlicher kritischer Erfolgsfaktor für das Gelingen der Umsetzung neuer Steuerung und Führung wird die gelungene Einbindung der Mitarbeiter in den Veränderungsprozess sein. Anderenfalls droht dem Projekt trotz gut formulierter Strategie, sorgfältiger Analysen, Berücksichtigung aller Umfeldfaktoren und Technologien das Scheitern, es bleibt Konzept und wirkt sich in der Praxis nicht aus.

Einbindung der Mitarbeiter

Führungskultur ist auch der Umgang mit Führungskräften selbst. Geänderte Rollenverständnisse, eingeforderte differenzierte Managementfähigkeiten, geschärfte soziale und interkulturelle Kompetenzen weisen ein hohes Anspruchsniveau auf. Verbreiterte Führungsspannen und wachsende Arbeitszeitbelastungen können weiter dazu beitragen, dass die dringend benötigte Führungskompetenz erfolgskritischer Faktor wird. Eine veränderte Führungskultur stellt daher erhöhte Anforderungen an die Führungskräfte und insbesondere an die Behördenleitung. Die sorgfältige und systematische Auswahl von Führungskräften und der Aufbau von Führungskräfteentwicklungs- und Nachwuchsförderprogrammen können diese Kulturentwicklung nachhaltig unterstützen.109 Aufgabe der Führungskräfte der Polizei ist es, die Kultur der Organisation bewusst zu gestalten. Dies setzt Sensibilität dafür voraus, aktuelle Kulturzustände wahrzunehmen, adäquat mit ihnen umzugehen und geeignete formelle oder informelle Maßnahmen einzusetzen. Wenn Reformprojekte nachhaltig Wirkung entfalten sollen, dann geht es auch um die gegenseitige Abstimmung von Konzept, Instrumenteneinsatz und Kulturelementen. Eine zielgerichtete Veränderung der Kultur wird nur dann erfolgreich sein, wenn kulturprägende Verantwortungsträger, die politische Spitze und oberste Führungskräfte auf der Basis bisherigen Kulturverständnisses neue handlungsleitende Werte und Konzepte entwickeln, die den zukünftigen Aufgaben und den gesamtgesellschaftlichen Umfeldbedingungen Rechnung tragen. Eine bewusste Gestaltung beruflicher Sozialisationsprozesse – auch im Sinne eines „gender mainstreaming“ – liefert die Grundlage dafür, dass sich möglichst viele Mitglieder mit den Werten und Normen der Organisation Polizei, so wie sie sich tatsächlich verstehen will, identifizieren. Eine kulturkompetent handelnde Führungskraft nimmt ihre Führungsrolle an und ist Vorbild und Identifikationsfigur. Sie setzt durch ihr Verhalten und ihre Kommunikation Zeichen und lebt Kultur vor. So können Führungskräfte eine Kultur der Kreativität wirklich fördern, indem sie Fehler nicht in erster Linie als Fehler 109

vgl. Ziff. 11.4

ORGANISATIONS

UND PERSONALENTWICKLUNG

137

Gestaltung der Organisationskultur

bewerten und sanktionieren, sondern als Lernmöglichkeit verstehen und dies auch Mitarbeitern glaubwürdig kommunizieren. Daher ist Führung zu einem wesentlichen Teil immer auch Personalführung. Ein solches Führungsverständnis bedeutet, wirklich ansprechbar für die Mitarbeiterschaft zu sein und einen entsprechenden Zeitanteil realistisch einzuplanen.

11.3 Personalmanagement Gemäß Vorschlag der Kommission wird die Größe der Polizeibehörden und Einrichtungen in NRW in Hinblick auf die wesentlichen Faktoren Fläche, Personal und Verantwortungsrahmen deutlich zunehmen. Damit werden spürbare Effekte für die Personalarbeit initiiert. Personalplanung

Das StFS und die Organisationsvorstellungen der Kommission intendieren eine kompetente, an den strategischen Vorgaben ausgerichtete Personalplanung. Wenn zunehmend prozessorientierte Organisationsformen favorisiert werden und diese die althergebrachten funktional spezialisierten Einheiten ersetzen, hat das Leitungspersonal größere Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen vereinbarter Standards. Stellenveränderungen müssen z. B. nicht mehr bei Querschnittsdienststellen beantragt werden. Über die Flexibilisierung der Sachhaushaltsmittel hinaus sind im Personalbereich Veränderungen vorstellbar, die den einzelnen Behörden im Rahmen ihres Budgets und der dienst- und tarifrechtlichen Regelungen eine erhöhte Flexibilität ermöglichen.110 Personalplanungen werden auf die Führungskräfte zu verlagern sein, die für die Geschäftsprozesse verantwortlich sind. Die prozessorientierte Organisation betreibt eine qualitative Personalbedarfsplanung, die Personalplanung und Qualitätsmanagement aneinander bindet.111 Da das Personal einer Behörde für die Wertschöpfung der Organisation die maßgebliche Größe darstellt, ist die Personalgewinnung und -auswahl wesentlicher Faktor. Es werden Mitarbeiter, insbesondere aber auch Führungskräfte benötigt, die wirkungsorientiert denken und selbstständig handeln, sich leistungsorientiert verhalten und in der Lage sind, in flexiblen Teams und Projekten zu arbeiten. Für das gesamte Land NRW geltende Anforderungsprofile, als Teil der Personalbedarfsbestimmung, sind als Basis des Verfahrens unverzichtbar. 110

vgl. Sybille Stöbe, „Dezentralisierung und Entflechtung“, S. 179 f.

111

vgl. Wolfgang H. Lorig, „Modernisierung des öffentlichen Dienstes“, S. 263

138

In Zeiten des demografischen Wandels ist schon heute deutlich abzusehen, dass die Zahl der leistungsstarken Schulabgängern mit Abitur oder Fachhochschulreife, die für den Personalkörper der Polizei in Zukunft gewonnen werden können, sukzessiv kleiner werden wird. Für die Attraktivität des Polizeiberufes zählen in Bezug auf die bestimmenden Trends insbesondere die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, individualisierte Dienstzeitgestaltungen und Karrierepfade, Netzinfrastrukturen mit z. B. Telearbeit oder virtuellen Teams und ein Entgeldsystem, das mit Elementen der „Neuen Steuerung“ verknüpft ist und spürbare Leistungsanreize bietet. Das bedeutet, dass zu den heute gezahlten fixen Bezügen in verstärktem Maße variable Zahlungen kommen sollten, die auf der Basis von persönlichen Zielvereinbarungen vergeben werden.112 Neben zentralen Werbeverfahren müssen die Polizeibehörden selbst auch die Personalgewinnung für ihre Zuständigkeitsbereiche betreiben. Die Kommission ist zu der Ansicht gelangt, dass die Polizeibehörden nicht nur an der Auswahl ihrer Bewerber beteiligt werden sollen, sondern als Einstellungsbehörden die Verantwortung für diese Auswahl erhalten. Ausgewählte Bewerber versehen ihren Dienst in der Anstellungsbehörde. Damit wird Erwartungen von Bewerbern, die nach Dienstantritt in der Verwendungsbehörde sofort ihre Versetzung in einen Wunschstandort betreiben, entgegengewirkt. Die Behörden erhalten Verantwortung für Planung und Struktur ihres Personals.113 Neben der zentral wahrzunehmenden Personalverantwortung ist eine klar konturierte Eigenverantwortlichkeit der einzelnen Abteilungen für ihr Personal vorzusehen. Landesweit koordiniert werden sollten Ausschreibungen von Führungspositionen in den Polizeibehörden. Der Arbeitsaufwand für Personalarbeit wird bei Vergrößerung der Polizeibehörden mitwachsen. Er ist nicht nur durch die personalführende Stelle abzuarbeiten. Die Führungsstellen in den Abteilungen tragen einen eigenen Verantwortungsteil. Eine informationstechnische Unterstützung dieser Verfahren (und damit ein Einstieg in virtuelle Personalarbeit mit Betonung der Eigenverantwortlichkeit des

112

Damit schließt sich die Kommission inhaltlich den Aussagen der Regierungskommission „Zukunft des öffentlichen Dienstes – Öffentlicher Dienst der Zukunft“, S. 101, an.

113

Insoweit folgt die Kommission den Gedanken der Projektgruppe „Personal-/Organisationsentwicklung und Führung in der Polizei NRW“, August 1998, S. 98.

ORGANISATIONS

UND PERSONALENTWICKLUNG

139

Demografischer Wandel und Personalgewinnung

Einzelnen für seine berufliche Entwicklung) ist wünschenswert und könnte wirtschaftliche Vorteile sichern.

11.4 Personalentwicklung Die unzureichende systematische Personalentwicklung in den bisherigen Polizeibehörden in NRW wurde in Anhörungen und Positionspapieren einhellig beklagt. Diese decken sich weitgehend mit den Aussagen der Bull-Kommission zur Zukunft des öffentlichen Dienstes, die auch hier noch einmal bekräftigt werden sollen. Mehrere Arbeitsgruppen innerhalb der Polizei NRW114 haben sich intensiv mit den Anforderungen und Konzepten moderner Personalentwicklung bei der Polizei NRW beschäftigt. Die Kommission begrüßt diese Entwicklung ausdrücklich und bekräftigt die Bedeutung strategischer und operativer Personalentwicklung für die Polizeibehörden. Die Projektgruppe Personalentwicklung der Polizei NRW beschäftigt sich mit der Entwicklung eines ganzheitlichen Konzepts zur Personalentwicklung. Sie propagiert ein ganzheitliches, kompetenzorientiertes Personalentwicklungskonzept, basierend auf Anforderungs- und Funktionsprofilen. In dieses Konzept müssten die neuen Organisationsüberlegungen der Kommission aufgenommen und für eine entsprechende Weiterentwicklung müsste gesorgt werden. Die strategische Ausrichtung zentraler Personalentwicklungsmaßnahmen (Nachwuchsförderung, Führungskräfteentwicklung)115, die in den entsprechenden Dezernaten der Polizeibehörden umgesetzt werden, sollte landesweit koordiniert werden. Hinsichtlich der Entwicklung von Instrumenten zur Personalauswahl und Karriereentwicklung hat die Arbeitsgruppe um Polizeidirektor Dersch bereits detaillierte Vorschläge erarbeitet, auf die in diesem Rahmen lediglich verwiesen werden soll. Geprüft werden sollte in Ergänzung dazu außerdem die Ermöglichung von spezifischen Fachkarrieren neben der Führungskarriere. Personalentwicklung vor Ort

Durch den vorgeschlagenen neuen Zuschnitt und die Größe der Polizeibehörden sowie durch die dezentrale Fach- und Ressourcenverantwortung werden gezielte 114

Projektgruppe Personal-/Organisationsentwicklung und Führung, 1998, Leiter IdP i. R. Stork; Projektgruppe Personalentwicklung, 2004, Projektleiter PD Dersch

115

Das Beratungsteam Steuerung und Führung (BT StF), seit dem 01.07.2004 als Dezernat 32 in das IAF, Fachbereich Management und Führung, überführt, hat dazu bereits wichtige Vorarbeiten geleistet, die – ggf. mit externer Begleitung – fortgeführt werden sollten.

140

Personalentwicklungsmaßnahmen in den Polizeibehörden möglich116. Die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Mitarbeiter in Hinblick auf den bestehenden bzw. zukünftigen qualitativen Personalbedarf werden sowohl in landesweiter Abstimmung als auch durch die zielgruppenspezifischen und individuellen Anforderungen aus den einzelnen Polizeibehörden durch passende Fortbildungsmaßnahmen weiterentwickelt. Gleich große Behörden mit ähnlichem Aufgabenspektrum gewährleisten in Hinblick auf Personalentwicklung einen größeren Gesamtpersonalpool, ein Mehr an beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten vor Ort und Chancengleichheit für alle Mitarbeiter. So steht in der neuen Organisation eine höhere Anzahl von Rotationsstellen zur Verfügung. Ebenso wird das behördeninterne Angebot an Wechselmöglichkeiten in und aus spezialisierten Tätigkeitsbereichen aufgestockt (z. B. BPH, spezialisierte Sachbearbeitung, Sonderdienststellen). Ein vergleichbares Einsatzaufkommen in den Polizeibehörden sowie ähnlich gelagerte Bearbeitungszuständigkeiten und Inhalte, z. B. Art und Umfang von Ermittlungsverfahren, wird einen vergleichbareren Arbeitsinhalt und damit gerechtere Grundlagen für die Bewertung ein und derselben Funktion in unterschiedlichen Behörden schaffen. Betreuungs- und Einarbeitungskonzepte, die heute in kleinen Behörden z. T. als Behinderung der täglichen Arbeit empfunden werden, könnten im täglichen Dienst mit besserer Verträglichkeit rechnen. Als zentrales Instrument der Personalentwicklung in den Polizeibehörden schlägt die Kommission die konsequente Umsetzung von Zielvereinbarungen (persönliche Zielvereinbarungsgespräche, Mitarbeitergespräche, Beurteilungsgespräche) mit allen Mitarbeitern vor. Diese Personalentwicklungsmaßnahme sollte gekoppelt werden mit einem systematischen Führungsdialog im Sinne gegenseitiger Bewertungs- und Verbesserungsprozesse zwischen Führungskräften und Mitarbeitern (Vorgesetztenfeedback). Der Bericht der Landesregierung NRW „Zukunft des öffentlichen Dienstes – öffentlicher Dienst der Zukunft“ hat deutlich darauf hingewiesen, dass Handlungsbedarf hinsichtlich einer Verbesserung der Führungstätigkeit im öffentlichen Dienst besteht. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang daher Führungsfortbildung und Führungskräftetrainings im Rahmen einer Führungskräfteentwicklung.

116

siehe auch oben 9.2.2

ORGANISATIONS

UND PERSONALENTWICKLUNG

141

Mitarbeiterförderung

Die Befähigung der Führungskräfte, die grundsätzliche Neuausrichtung der Polizei NRW zu tragen und für eine erfolgreiche Umsetzung zu sorgen, korrespondiert unmittelbar mit den Fähigkeiten zur Kommunikation und Motivation. Führungskräftefortbildung auf allen Führungsebenen als beständige Aufgabe sowie individuelle Beratungs- und Coachingangebote eines zentralen Bildungs- und Kompetenzzentrums könnten helfen, diese Organisationsforderungen in die Realität umzusetzen. Auch Instrumente wie die Vorgesetztenbeurteilung (Führungsdialog) oder die Vergabe von Führungspositionen auf Zeit wären wichtig, da sie der Organisation Erfolge bzw. Defizite rückmelden und Anstoß für unterstützende Maßnahmen sein können. Führungskräfteentwicklung

Langfristig angelegte, systematische Entwicklungskonzepte für Führungskräfte scheinen in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung zu sein, weil die Kompetenzentwicklung persönlicher und sozialer Handlungsfelder einen langen Atem braucht. Wiederkehrende verhaltensorientierte Trainings, aber auch Transferkontrollen sichern den Lernerfolg. Gerade für bestehende Führungskräfte sind Programme zur Führungskräfteentwicklung (und in unterstützender Hinsicht Führungskräftecoachings) unabdingbar, wenn die vorgeschlagenen Reformmaßnahmen nicht nur kurzfristig umgesetzt, sondern auch langfristig gelebt werden sollen. Das Implementieren von Nachwuchsförderprogrammen für Führungskräfte („Goldfischteich“) ist sowohl innerhalb der Polizeibehörden als auch landesweit (IAF) vorstellbar und sinnvoll. Im Sinne der frühzeitigen Vermittlung von kulturellen Werten und Normen der Polizei NRW und der Philosophie einer ergebnisund wirkungsorientierten, aber auch qualitätsorientierten Arbeit der Polizei ist dies eine notwendige zukunftssichernde Maßnahme.

11.5 Fortbildung Die Qualität polizeilicher Arbeit wird maßgeblich durch die Qualität des Personals bestimmt. Ausbildung und beständige Fortbildung zur Sicherung und Weiterentwicklung fachlicher, methodischer und sozialer Kompetenzen sichern die aktuelle und zukünftige Aufgabenerfüllung und stützen die strategische Ausrichtung der Behörde. Derzeit existieren unterschiedliche Fortbildungsträger der Polizei NRW nebeneinander. So bieten die KPB, die Autobahnpolizei bei den Bezirksregierungen, das LKA und die Zentralen Polizeitechnischen Dienste Fortbildungsmöglichkeiten,

142

vor Ort, einschließlich Integrierter Fortbildung. Die KPB, die zu Ausbildungsbehörden bestimmt wurden, führen praktische Elemente wie Schießen/Nichtschießen, Sport und Eingriffstechniken selbst durch. In den KPB ist der Bereich VL 2 und soweit vorhanden auch eine angegliederte Fortbildungsstelle für administrative Planungen und eigenen Trainereinsatz zuständig. Die Kommission sieht bei der derzeitigen Aufgaben- und Zuständigkeitsverteilung Optimierungsbedarf. Dabei ist unbedingt sicherzustellen, dass Unterrichtsprogramme an den organisationsspezifischen Veränderungs- und Personalentwicklungsprozessen angekoppelt bleiben. Eine stärkere Ausrichtung der Inhalte an künftigen Organisationsanforderungen sichert die Zukunftsfähigkeit der Polizei NRW. Das IAF als zentraler polizeilicher Anbieter von Fortbildung sollte die Rolle eines Kompetenzzentrums für die Behörden und Einrichtungen übernehmen. Mit dem Selbstverständnis eines Dienstleisters unterstützt es Polizeiorganisationen dabei, ihren Auftrag zu erfüllen. Das IAF garantiert dann für alle Organisationen gleiche Qualität, um notwendige landeseinheitliche Wissens- und Leistungsstandards zu gewährleisten. Bildungsarbeit bedarf eigener pädagogischer Kompetenz, die mit bestmöglicher Fachlichkeit gepaart werden sollte.

Kompetenzzentrum für Fortbildung

Polizeiliche Fachleute müssen also nicht dauerhaft als Lehrende im gleichen Feld eingesetzt werden, sondern können aktuell wechselnd als Experten in ein pädagogisch optimal ausgearbeitetes Lehrprogramm einbezogen werden. Dauerhaft benötigt werden hingegen Bildungsexperten, die über Managementkompetenzen verfügen und in einer Kundenbeziehung kompetente Ansprechpartner für die Behörden in Sachen Bildung darstellen. Sie fragen vor Ort den speziellen Bildungsbedarf ab, beraten, stellen Instrumente sowie Methoden zur Verfügung, um die Partnerbehörde in die Lage zu versetzen, den eigenen Bildungsbedarf sicher zu analysieren, und unterbreiten dazu passende, aktuelle Fortbildungsangebote, evaluieren und sorgen für Transferüberprüfungen. Diese Fortbildungskonzepte können sowohl durch eigene Lehrangebote des IAF realisiert werden als auch unter Hinzuziehung polizeiexternen Sachverstands. Integrative Fortbildungsangebote, z. B. mit Staatsanwaltschaften, Gerichten, Jugend- und Sozialarbeit, Fachhochschulen und Universitäten, sind vorzusehen. Das IAF unterhält zu diesem Zweck vielfältige Kontakte und Partnerschaften auch zu anderen Bildungsträgern. Es verfügt über eine gute Marktübersicht. Ergebnis ist ein ständig neu an die verschiedenen Zielgruppen angepasstes Bildungsange-

ORGANISATIONS

UND PERSONALENTWICKLUNG

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Hinzuziehung externer Kompetenzen

bot, das in inhaltlicher sowie methodisch-didaktischer Hinsicht die Bedürfnisse des Auftraggebers und der Zielgruppen bestmöglichst erfüllt. Ein solches Fortbildungskonzept für NRW soll hier nur in Grundzügen aufgezeigt werden. Eine vertiefende Betrachtung und damit eine konkrete Ausgestaltung von Aufbau- und Ablauforganisation sowie eine damit einhergehende deutliche Verschlankung des Personalkörpers (renommierte „Business-schools“ in Deutschland und auch die „Politieacademie“ der Niederlande verfügen nur noch über einen kleinen Personalstamm fester Mitarbeiter) wären durch Anschlussauftrag einer neuen Arbeitsgruppe zu leisten. Bestimmend für Organisation, Inhalte und Methoden der Fortbildung sind die Aufgaben der Polizei, die strategische Ausrichtung und Zielsetzungen des Innenministeriums und der Polizeibehörden und -einrichtungen sowie die sich daraus ergebenden Fortbildungserfordernisse, die die einzelnen Mitarbeiter für sich sehen. Beide Bedürfnisebenen, die der Organisation und die des Individuums, müssen angemessen Berücksichtigung finden. Bildungstickets

Eine Möglichkeit, diese „top-down–bottom-up-Ausrichtungen“ zu erfüllen, kann z. B. in der Einführung eines sog. „Bildungstickets“ liegen. Dabei erhält jeder Polizeibedienstete pro Jahr eine definierte Anzahl persönlicher Bildungstickets, die ihn berechtigen, Fortbildungsveranstaltungen zu besuchen. Tickets kann es in gebundener Form geben, so dass nur bestimmte, durch den Dienstherrn vorausgewählte Veranstaltungen besucht werden können, oder auch in ungebundener Form. Damit erhält der Mitarbeiter die Möglichkeit, in eigener Verantwortung für sich Inhalte auszuwählen. Ein solches Verfahren stärkt die Selbstverantwortung und sichert das Weiterbildungssystem vor Überlastung, insbesondere, wenn die Abwicklung durch moderne Informationstechnologie, Internet/Intranet, gestützt wird.117

E-Learning

Obgleich das IAF auch zeit- und ortsunabhängige Weiterbildungsangebote vorhalten sollte, beispielsweise Fernlehrgänge, E-Learning und Blended-Learning, sieht die Kommission auch zzt. noch weiterhin Bedarf am Einsatztraining (Integrierte Fortbildung), die von behördeneigenen Kräften in den KPB vor Ort durchgeführt wird. Die Fortbildung vor Ort versteht sich idealerweise als Kooperationspartner des IAF. Synergetische Effekte sind auch hier anzustreben. Die admi-

117

vgl. Entwicklung in Baden-Württemberg

144

nistrative Verwaltung bei Fortbildungsstellen und dem Bereich Aus- und Fortbildung VL 2 kann zusammengelegt werden. Fortbildung muss mehr als der Notwendigkeit gehorchen. Die Organisation Polizei braucht eine Kultur des lebenslangen Lernens, zu dem ausdrücklich ermutigt wird und für das die notwendigen Voraussetzungen und Zeitreserven eingeplant werden. Dem muss eine persönliche Verpflichtung des einzelnen Mitarbeiters entsprechen, sich berufsbegleitend ein Leben lang fortzubilden, an sich zu arbeiten und seine Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten. Insbesondere bei Führungskräften muss die Bereitschaft erwartet werden, eigene Zeit für z. B. die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen einzubringen. Damit erhält Bildung einen neuen, höheren Stellenwert. Es entstehen Bildungsbiographien, die idealerweise an die Personalentwicklung des Einzelnen gekoppelt sind und kontinuierliche zielgerichtete Weiterentwicklung unterstützen und dokumentieren.

ORGANISATIONS

UND PERSONALENTWICKLUNG

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Lebenslanges Lernen

12 Organisation der Personalvertretung

Im derzeitigen dreistufigen Behördenaufbau der Polizei ist die Mitbestimmung nach dem Landespersonalvertretungsgesetz – LPVG – auf allen drei Stufen gewährleistet: • • •

auf der Ebene der KPB sind örtliche Personalräte eingerichtet bei den Regierungspräsidenten als Mittelinstanz gibt es die PolizeiBezirkspersonalräte beim Innenministerium besteht der Polizei-Hauptpersonalrat

Zusätzlich sind Jugend- und Ausbildungsvertretungen gebildet. Die Rechte der weiblichen Beschäftigten und der Schwerbehinderten werden durch Beauftragte gewahrt. Für die Personalratsarbeit sind zzt. 130 Bedienstete der Polizei freigestellt. In einem zweistufigen Verwaltungsaufbau lässt sich die dreistufige Organisation der Personalvertretungen in der derzeitigen Form nicht erhalten. Die Stufigkeit der Organisation der Personalvertretungen ist an den behördlichen Aufbau der Polizei gebunden. Insoweit ergibt sich bei der Umsetzung der Strukturreform auch die Notwendigkeit von Veränderungen in der Organisation der Personalvertretungen. Die Mitwirkungsrechte der Polizeibediensteten sind eine wesentliche Voraussetzung für die Mitarbeiterzufriedenheit. Bei den Veränderungen darf die Wahrnehmung der Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte nicht eingeschränkt werden. Dies ist im Hinblick auf die Zuständigkeiten des Polizei-Hauptpersonalrats und der örtlichen Personalräte problemlos. Für den Bestand der bisherigen PolizeiBezirkspersonalräte bei den Regierungspräsidenten wird es dagegen keine Notwendigkeit mehr geben. Innerhalb der künftigen großen Behörden muss in allen Organisationseinheiten, in denen mitwirkungsrelevante Entscheidungen getroffen werden, die Vertretung der Bediensteten gewährleistet sein. Dies gilt z. B. für die Polizeiinspektionen, Polizeidirektionen und die Zentrale Kriminalitätsbekämpfung, denen eigene Personalverantwortung übertragen werden soll. Hierzu ist eine flexible Anwendung der Mitbestimmungsstruktur, z.B. durch Delegation von Mitbestimmungsrechten auf die Ebene der Abteilungen mit Personalverantwortung erforderlich.118

118

Inwieweit das gültige Personalvertretungsrecht derartige Regelungen zulässt, muss geprüft werden. Siehe z .B. §§ 1 und 82 Personalvertretungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen – LPVG – v. 3.12.1974

146

13 Polizeitechnik und IT der Polizei NRW

Der Schwerpunkt der folgenden Ausführungen beschäftigt sich mit den Schwächen der bestehenden Organisation im Technikbereich. Dabei darf nicht übersehen werden, dass die Techniker der Polizei NRW hervorragende Arbeit leisten, der hinsichtlich Qualität und Umfang der technischen Ausstattung im bundesweiten Vergleich ein Spitzenplatz zu verdanken ist. 13.1 Probleme in der bestehenden Organisation

13.1.1 Übergreifende Probleme Die Aufgaben im Bereich Technik werden in den Behörden und Einrichtungen weitgehend selbstständig wahrgenommen.

Örtliche Zuständigkeiten

Mit dieser örtlichen Zuständigkeit wird das angestrebte Ziel einer wirtschaftlichen Aufgabenerledigung und eines besseren Services für operative Einheiten häufig nicht erreicht. Das Vorhalten von Personal zur Unterstützung des Technikbetriebs wird insbesondere in kleinen KPB zunehmend unwirtschaftlich, da zahlreiche Aufgaben zentralisiert werden könnten. Denn unabhängig von der Größe wird eine personelle Grundausstattung vorgehalten: Leiter VL 3, Sachgebietsleiter VL 3, Fachleute für die verschiedenen Techniksparten, IT-Sicherheitsbeauftragter. Zudem kommt es in kleineren Behörden zu Aufgabenkonzentrationen auf einzelne Bedienstete, die zu Qualitätsverlust und erhöhtem Ausfallrisiko bei der Technikunterstützung der polizeilichen Arbeit führen können. Bei Baumaßnahmen wird die technische Ausstattung nicht mehr ausschließlich über die ZPD NRW, sondern in Teilen über den Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB) bereitgestellt und über die Miete finanziert. Die Zusammenarbeit zwischen ZPD, BLB und örtlicher Behörde muss dahin gehend optimiert werden, dass Abweichungen von notwendigen technischen Standards der Polizei sowie nicht bedarfsgerechte Ausstattungen vermieden werden.

Baumaßnahmen

Innerhalb der Polizeiorganisation werden Prozessketten häufig nicht gekapselt innerhalb einer Behörde oder Einrichtung durchlaufen, sondern behörden-/einrichtungsübergreifend über die drei Hierarchieebenen (IM, Bezirksregierung, Polizeibehörde/-einrichtung). Eine Sonderstellung im Prozessablauf nehmen die ZPD ein: häufig ist das IM – insbesondere bei betrieblichen Fragen – in Prozessketten zwischen ZPD und Behörden eingebunden, obwohl dies von der Art der Problemstellung her unnötig ist.

Geschäftsprozes-

POLIZEITECHNIK UND IT DER POLIZEI

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se

Aus Sicht der Technik ist denjenigen Geschäftsprozessen eine besondere Bedeutung beizumessen, deren Ablauf mit Software unterstützt wird bzw. unterstützt werden soll. Sie dürfen nicht mehr in einem Maße unterschiedlich sein, dass ihre Unterstützung verschiedene Software, zumindest jedoch verschiedene Versionen einer Software erfordert. Besonders problematisch sind Bemühungen um Vereinheitlichung in Fällen, in denen externe Dritte in Prozessabläufe eingebunden sind. Beispielhaft sei die Bearbeitung von Verkehrsordnungswidrigkeiten im Zusammenspiel mit den Bußgeldstellen genannt. Die Vielfalt unterschiedlicher Verfahrensabläufe ist hier besonders ausgeprägt. Aus Sicht der Softwareentwicklung wäre eine zentrale Instanz bei der Polizei wünschenswert, die diesen Prozessbereich bearbeitet. Die Zahl der Geschäftsprozesse mit vor- oder nachgelagerten Teilprozessen außerhalb der Polizei wird zunehmen. Hierzu zählen e-government-Dienstleistungen wie die online-Anzeige, online-Beschwerde und online-Bewerbung sowie die elektronische Ausschreibung. Eine Gesamtverantwortung für organisationsübergreifende Geschäftsprozesse der Technik ist bei der Polizei gegenwärtig nicht gegeben. Insbesondere kann eine Ergebnis- und Budgetverantwortung nicht zugeordnet werden. Teilprozesse einer Prozesskette werden von den beteiligten Behörden bzw. Einrichtungen verantwortet, die diese Teilprozesse – teils auch wegen örtlich nicht beeinflussbarer Rahmenbedingungen – unterschiedlich steuern. Die Unterschiede werden an ungleichmäßiger Ressourcenzuweisung, unterschiedlichen örtlichen Prioritätensetzungen, aber auch Vernachlässigung notwendiger Reinvestitionen deutlich. Dies hat quantitativ wie qualitativ zu einer heterogenen Technikausstattung geführt. Diese Heterogenität ist in hohem Maß unwirtschaftlich. Personalrekrutierung

Bei der Personalrekrutierung der KPB führt diese Heterogenität zu unterschiedlichen Anforderungsprofilen mit entsprechend hohem Aus- und Fortbildungsaufwand und zum Teil nicht vergleichbaren Eingruppierungen nach BAT. Behördenübergreifende Vertretungsregelungen, die Einrichtung von Bereitschaftsdiensten oder gegenseitige Unterstützung der ohnehin zahlenmäßig begrenzten Spezialkräfte bei besonderen Anlässen sind nur schwer umzusetzen, da einerseits die Abstimmung zwischen Mitarbeitern verschiedener, selbstständiger Organisationen erfolgen muss und andererseits, weil einheitliche Technikstandards nicht eingehalten wurden. Zunehmend schwierig wird der Personalersatz bei polizeispezifischen Aufgabenstellungen (z. B. Sondertechnik), für die am Markt keine Spezialisten gefunden

148

werden können. Die deshalb erforderliche teils mehrjährige Einweisung setzt bei Ausscheiden aus der Funktion entsprechende Überlappungszeiten mit dem Nachfolger voraus, damit das vorhandene Erfahrungswissen weitergegeben werden kann. Ein organisationsübergreifendes Personalentwicklungskonzept für Techniker konnte in der bestehenden Organisation nicht entwickelt werden. Die Möglichkeiten eines Aufgabenwechsels bzw. einer Job-Rotation zur Personal- und Karriereentwicklung sind im Technikbereich i. d. R. auf die geringen Möglichkeiten der jeweiligen Behörde oder Einrichtung beschränkt. Eine Verknüpfung zwischen Technik-Strategie, den langfristigen Entwicklungszielen und einem Personalentwicklungsplan besteht derzeit nicht. Stellenbeschreibungen für technische Funktionen werden, von Ausnahmen abgesehen, von den Behörden und Einrichtungen gefertigt. Eine Vereinheitlichung auch der damit verbundenen Funktionsbewertungen war wegen der unterschiedlichen Behördengrößen und der heterogenen Technikausstattung nicht möglich.

Personalent-

Die ZPD verfügen nicht über einen festen Stellenplan. Bei Personalabgängen kann die frei gewordene Stelle zu anderen Behörden verlagert werden, was in der Vergangenheit zu teils mehrjährigen Vakanzen bei wichtigen Funktionen geführt hat.

Stellenplan ZPD

Weitere Probleme im Technikbereich werden nachfolgend im Hinblick auf die Schwerpunktbereiche • • • •

Bedarfserhebung und -erkennung, Planung und Steuerung, Entwicklung und Beschaffung von Technik-Lösungen und Bereitstellung, Betrieb und Unterstützung von Technik-Lösungen

betrachtet.

13.1.2 Bedarfserhebung und -erkennung Gegenwärtig sind die Polizeibehörden und Polizeieinrichtungen nur unzureichend in Überlegungen zur Fortentwicklung des Technikeinsatzes eingebunden. Eine systematische Bedarfserhebung oder -erkennung findet nicht statt. Ein Gremium zur Koordinierung von Fachfragen existiert nicht. Es ist vielmehr gängige Praxis, bei aktuellen Problemstellungen Experten im jeweiligen Themenbereich für die

POLIZEITECHNIK UND IT DER POLIZEI

149

wicklung

Mitarbeit in Arbeitsgruppen zu gewinnen. Dabei ist die Personalrekrutierung schwierig, teils sind mehrmonatige Abordnungen notwendig, die von den angefragten Polizeibehörden nicht ermöglicht werden können. Die personelle Zusammensetzung dieser Arbeitsgruppen ist variabel, wodurch grundlegende methodische Kenntnisse wiederholt erworben werden müssen. Zudem ist nicht immer deutlich, inwieweit die erarbeiteten Vorschläge den persönlichen Auffassungen der einzelnen Arbeitsgruppenmitglieder entsprechen oder mit den entsendenden Behörden abgestimmt wurden und damit die Erwartungen der Behörden widerspiegeln. Leistungsangebot und Nachfrage sind daher häufig nicht deckungsgleich. Wirtschaftlichkeitsüberlegungen wird bei der Aufstellung von Fachkonzepten nicht das erforderliche Gewicht beigemessen. Hinzu kommt die jeweils auf den konkret zu bearbeitenden Problembereich eingegrenzte Sicht. Vor- und nachlaufende Prozesse sowie Abhängigkeiten zu anderen Prozessketten werden in die Betrachtung nicht durchgängig einbezogen. Fachkonzepte als Grundlage für die Umsetzung – insbesondere bei angestrebten IT-Lösungen – werden häufig ohne übergreifende Systematik und Ausrichtung sowie ohne Dokumentation von polizeilichen Geschäftsprozessen aufgestellt. Oft formulieren die ZPD mangels eines Koordinierungsgremiums für Fachfragen die Anforderungen der Bedarfsträger aus eigener Anschauung. Damit fallen die Funktionen „Auftragnehmer“ und „Auftraggeber“ zusammen, was ebenfalls zu einem Auseinanderklaffen von Leistungsangebot und Wünschen der Polizeibehörden führen kann. Anforderungsmanagement

Fachkonzepte allein sind als Vorlage für Programmierer ungeeignet. Zwischen Aufstellung eines Fachkonzeptes und seiner softwaretechnischen Umsetzung ist eine weitere Instanz – nachfolgend als Anforderungsmanagement bezeichnet – erforderlich. Das Anforderungsmanagement übersetzt die Fachvorgaben in eine für Programmierer geeignete Vorlage. Grundsätzlich sollte das Anforderungsmanagement bei den ZPD angesiedelt sein, die zur Wahrnehmung dieser Aufgabe personell jedoch unterbesetzt sind.

13.1.3 Planung und Steuerung Als Teil einer Technik-Strategie wurde die IT-Strategie entwickelt, dokumentiert und verabschiedet. Sie entstand jedoch lediglich unter Einbeziehung der ZPD und einzelner Fachbereiche, eine weitergehende Beteiligung der Polizeibehörden und des IAF erfolgte aufgrund ihrer hohen Anzahl nicht.

150

Die IT-Strategie muss um eine Strategie für die weitere Polizeitechnik ergänzt werden, auch um aus einer übergeordneten Sicht dem technischen Trend des Zusammenwachsens der verschiedenen Techniksparten Rechnung zu tragen (z. B. mobile Anwendungen in Funkstreifenwagen, die über Mobilfunknetze Daten abrufen/übertragen). Der regelmäßige und rechtzeitige Abgleich der Wünsche der Polizeibehörden/Polizeieinrichtungen mit der Technik-Strategie erfolgt derzeit nicht (z. B. Haushaltsaufstellung, Zielvereinbarungen). Auch die Auswirkungen der Wünsche der Bedarfsträger auf die Technik-Strategie ist nicht ausreichend verdeutlicht. Dies sollte im Rahmen eines regelmäßig abgestimmten Planungsprozesses erfolgen. Die Weiterentwicklung der IT-Unterstützung erfolgt nicht auf der Grundlage einer umfassenden IT-Architektur, sondern überwiegend aus der Sicht einzelner Aufgabenbereiche (z. B. Fahndungssystem POLAS, Vorgangsbearbeitung IGVP, ITUnterstützung der Leitstellen CEBIUS). Ein übergreifendes Rahmenmodell der polizeilichen Geschäftsprozesse als Grundlage für IT-Unterstützung setzt eine entsprechende Vereinheitlichung der Prozesse in den Polizeibehörden und Polizeieinrichtungen voraus, die gegenwärtig nicht gegeben ist.

Rahmenmodel Geschäftsprozesse

Bei der Vielzahl der in der Vergangenheit entstandenen IT-Anwendungen besteht an zentraler Stelle kein Überblick über die insgesamt gespeicherten Datenbestände. Ein entsprechendes Datenmodell einschließlich der Verantwortlichkeiten für die Daten konnte nicht definiert werden. Einheitliche Komponenten, die in verschiedenen IT-Lösungen als wieder verwendbare Bausteine eingesetzt werden können, werden daher häufig nicht erkannt. Auch bei der Budgetplanung und Budgetverwaltung ist die Beteiligung der Polizeibehörden und Polizeieinrichtungen zu verbessern. Gegenwärtig werden die nach Abzug des Mittelbedarfs für bestehende Verpflichtungen und zentrale Projekte sowie für das LKA und die Polizeieinrichtungen verbleibenden disponiblen Mittel auf die Bezirksregierungen aufgeteilt. Als Verteilschlüssel dient die Belastungsbezogene Kräfteverteilung (BKV). Dem tatsächlichen Bedarf in den KPB vor Ort wird damit überwiegend nicht mehr entsprochen. Zudem werden die zugewiesenen Haushaltsmittel seitens der Bezirksregierungen nach unterschiedlichen Verteilverfahren an die KPB weitergeleitet.

POLIZEITECHNIK UND IT DER POLIZEI

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Budgetplanung, Budgetverwaltung

Ein wachsender Anteil des für Technik zur Verfügung stehenden Budgets ist durch vertragliche Verpflichtungen oder Reinvestitionen in zentrale ITEinrichtungen (z. B. Fachrechenzentrum der Polizei) oder in die Kommunikationsinfrastruktur eingebunden. Diese Kosten werden gegenwärtig nicht auf die Polizeibehörden und Polizeieinrichtungen nach landesweit einheitlich festgelegten Verrechnungsschemata auf Kostenträger, Kostenstellen und Kostenarten verrechnet. Damit bestehen keine Anreize zu einer sparsamen Nutzung dieser zentralen Dienstleistungen. Projektmanagement

Risiko- und Qualitätsmanagement

Qualitätssicherungsinstanz

Die überwiegende Zahl der Technik-Projekte wird unter Leitung der ZPD abgewickelt. Die ZPD rekrutieren ihren Personalbedarf für das Projektmanagement häufig aus dem Kreis der Absolventen der Fachausbildung III bei der PFA. Das dazu erforderliche technische Grundwissen ist nicht Bestandteil ihrer Ausbildung. Überdies haben die Absolventen in der Regel keine oder nur geringe Vorkenntnisse bezüglich des Managements technischer Projekte. Sie müssen während einer längeren Zeitdauer für ihre Aufgaben bei den ZPD zusätzlich qualifiziert werden. Gleichwohl werden sie „in das kalte Wasser“ geworfen, denn sie übernehmen häufig unmittelbar mit Dienstantritt bei den ZPD die Leitung auch großer Projekte. Bereits nach wenigen Jahren werden Sie dann – von Ausnahmen abgesehen – im Interesse ihrer Verwendungsbreite versetzt. Eine Kontinuität ist damit nicht gegeben, der wiederholte Aufwand zur Qualifizierung ist unwirtschaftlich. Ein einheitliches Risiko- und Qualitätsmanagement besteht nicht. In der derzeitigen Organisation mit ihren gesplitteten Verantwortlichkeiten ist eine einheitliche, strukturierte Betrachtung betriebskritischer Infrastrukturen und Techniken nicht möglich. Demzufolge existieren auch keine einheitlichen Service-Vereinbarungen (SLA) im Hinblick auf die Güte und Verfügbarkeit der Technik. Betriebsprobleme werden überwiegend reaktiv und vor Ort individuell mangels eines einheitlich definierbaren Prozesses gelöst. Gerade vor dem Hintergrund sicherheitsrelevanter und schnell zu lösender Problemstellungen (z. B. Computerviren, Schadprogramme, interne Sicherheitsvorfälle) sind zeitaufwändige Zuständigkeitsdebatten nicht vertretbar. Eine Qualitätssicherungsinstanz (Testverfahren, Kontrolle der Entwicklungsstandards, unabhängige Bewertung der Wirtschaftlichkeit etc.) ist nicht etabliert. Sowohl bei den bislang umgesetzten örtlichen wie auch den zentralen Technikprojekten werden die Verfahren i. d. R. von derselben Stelle sowohl entwickelt, betrieben als auch bewertet.

152

Für die kritischen Technik-Prozesse liegen keine definierten Qualitätskriterien vor. Sie werden dementsprechend auch nicht systematisch überwacht. Die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen zentralem Dienstleister (ZPD NRW) und örtlicher Behörde/Einrichtung ist nicht einheitlich (Wo endet die Verantwortung der Behörden, wo beginnt die Verantwortung des zentralen Dienstleisters?). Dies mag auch mit dem unterschiedlichen Leistungsvermögen der Behörden und Einrichtungen zusammenhängen.

13.1.4 Entwicklung und Beschaffung von Technik-Lösungen Die ZPD NRW sind im Beschaffungsbereich personell nicht angemessen ausgestattet. Speziell angesichts der vergaberechtlichen Komplexität von Beschaffungsvorgängen mit den damit verbundenen Risiken hinsichtlich der zeitgerechten Projektabwicklung besteht Handlungsbedarf. Technikbeschaffung und Softwareentwicklung erfolgt sowohl in den Polizeibehörden und dem IAF als auch bei den ZPD. Soweit in der Vergangenheit durch die KPB oder das IAF in eigener Verantwortung wahrgenommen, hat dies ebenfalls zu einer heterogenen Systemlandschaft beigetragen. Eine jüngst durchgeführte Abfrage hatte zum Ergebnis, dass in den KPB nahezu 1.000 Anwendungen unterschiedlicher Komplexität realisiert wurden. Die Bereitschaft der KPB, die Eigenentwicklungen zu Gunsten zentraler Lösungen aufzugeben, ist erwartungsgemäß gering, zumal die für den landesweiten Einsatz konzipierten Zentrallösungen naturgemäß nicht alle örtlichen Besonderheiten berücksichtigen können. Die technische Ausstattung ist in Teilbereichen quantitativ und qualitativ unterschiedlich, in einigen Fällen sogar inkompatibel. Aber auch bei den ZPD realisierte Softwarelösungen bedürfen dort einer übergeordneten Steuerung, die derzeit nicht vorhanden ist. Hinsichtlich der eingesetzten Werkzeuge und Softwarearchitektur entsteht der Eindruck, dass den persönlichen Präferenzen der Entwickler zu viel Raum eingeräumt wird und eine isolierte Betrachtung des jeweils bearbeiteten Gebiets handlungsleitend ist. Der Freigabeprozess neuer bzw. weiterentwickelter Software muss ebenfalls einer übergeordneten Steuerung unterworfen werden. Auch dazu existiert derzeit kein Verantwortlicher.

Technikbeschaf-

Ein professionelles Änderungsmanagement ist für das reibungslose Funktionieren der eingesetzten Hardware und Software von ausschlaggebender Bedeutung. Inwieweit dieser Grundsatz bei den örtlich entwickelten Anwendungen berücksich-

Änderungsma-

POLIZEITECHNIK UND IT DER POLIZEI

153

fung, Softwareentwicklung

nagement

tigt wurde, kann nicht beurteilt werden. Bei den von den ZPD NRW betreuten zentralen Verfahren besteht Handlungsbedarf. Die ZPD beziehen zahlreiche der sog. unternehmenskritischen, polizeispezifischen Softwarelösungen von Dritten: von Unternehmen der Privatwirtschaft oder aus anderen Bundesländern. Eigene Personalressourcen zur Steuerung und Kontrolle der ausgelagerten Softwareentwicklung sowie Prüfung der erstellten Leistungen sind nicht ausreichend vorhanden, was starke – im Kerngeschäft nicht akzeptable – Abhängigkeiten nach sich zieht. Entwicklungen im übrigen Bereich der Polizeitechnik werden überwiegend durch die ZPD als Dienstleistung für die Polizeibehörden und das IAF durchgeführt. Zu nennen ist beispielsweise die Eigenentwicklung und Erprobung von Spezialtechnik zur Unterstützung der Polizeibehörden und Spezialeinheiten bei besonderen Lagen schwerster Gewaltkriminalität oder sonstigen herausragenden Ereignissen, die Sonderausstattungen von Fahrzeugen und Einsatzmitteln für SEK und MEK. Der Bereich der Polizeitechnik war traditionell stärker standardisiert. Gleichwohl waren deutliche qualitative Unterschiede in einigen Ausstattungsbereichen, die örtlich verantwortet wurden, zu verzeichnen (z. B. Funkstreifenwagen). In jedem Jahr werden innerhalb der Polizei Geschäftsbeziehungen zu einer großen Lieferantenzahl verbunden mit zahlreichen Beschaffungsvorgängen abgearbeitet. Da die 50 KPB, die Autobahnpolizei bei fünf Bezirksregierungen, das LKA, das IAF und die ZPD neben den zentralen Beschaffungsmaßnahmen für sich selbst alleine einkaufen und abrechnen, wird der notwendige Arbeitsaufwand auch 58fach multipliziert. Bei einer kürzlich vorgenommenen Überprüfung des Geschäftsprozesses Beschaffung wurden folgende Mengengerüste erhoben: beim Polizeipräsidium Münster bestehen Geschäftsbeziehungen zu fast 1.000 Lieferanten mit jährlich insgesamt – also nicht nur Technik – 8.000 Beschaffungsvorgängen. Das Polizeipräsidium Köln arbeitet mit ca. 1.900 und die ZPD sogar mit rund 6.000 Lieferanten zusammen. Nimmt man bei den 58 Polizeibehörden und Polizeieinrichtungen durchschnittlich 4.000 Beschaffungsvorgänge jährlich an, so ergeben sich insgesamt rund 230.000 Vorgänge mit 6.000 verschiedenen Lieferanten. Da jede Behörde für sich alleine abrechnet, ist es sehr schwer, festzustellen, wer bei wem was für welchen Preis eingekauft hat. Bei den Beschaffern in den Polizeibehörden und Polizeieinrichtungen herrscht weitestgehend Intransparenz sowohl hinsichtlich der eingekauften Waren als auch der Preiskonditionen.

154

13.1.5 Bereitstellung, Betrieb und Unterstützung von Technik-Lösungen Bei diesem Aufgabenkomplex und hier besonders im Teilkomplex IT wird die zuvor beschriebene Problematik hinsichtlich unzureichend modellierter und fehlender Gesamtverantwortung für Geschäftsprozesse besonders deutlich. Die heterogene IT-Systemlandschaft sowie die örtlichen Zuständigkeiten stehen einem behördenübergreifenden Betriebskonzept entgegen. Die zügige Einführung behördenübergreifender IT-Verfahren ist nicht gewährleistet. Zeitgleiche, zentral gesteuerte Softwareupdates, die Installationen wichtiger Fehlerkorrekturen insbesondere bei Sicherheitslücken (Viren etc.), die Umsetzung von Sofortmaßnahmen bei besonderen Einsatzlagen und Vorkommnissen (z. B. Hackerangriffe, Virenbefall) ist nicht möglich. Hinzu kommt der – aus der heterogenen Ausstattung resultierende – unterschiedliche Ausbildungsstand der Bediensteten.

Betriebskonzept

Wegen der gesplitteten Verantwortlichkeiten und der mangelnden Betrachtung von Lebenszyklen der unterschiedlichen technischen Komponenten können auch keine stringenten Veränderungsprozesse umgesetzt werden. Die Folge sind unnötige Betriebsstörungen beispielsweise bei Installation neuer Hardware oder Softwareupdates. Die Kritik wird den zentralen Dienstleister adressiert, dem jedoch die formalen Voraussetzungen fehlen (Weisungsrecht) oder der adäquate technische Hilfsmittel (z. B. automatische Softwareverteilung) wegen der Heterogenität noch nicht einsetzen kann. Zur Unterstützung des Betriebs von IT-Lösungen wird gegenwärtig bei den ZPD ein sog. User Help Desk (UHD) aufgebaut. Damit wird das Ziel verfolgt, ITBetriebsprobleme schnellstmöglich zu beseitigen. Auch hier erschweren geteilte Verantwortlichkeiten den Prozessablauf: der Zentrale muss es möglich sein, über Fernzugriff die Systeme vor Ort zu administrieren oder den örtlichen Kräften geeignete Anweisungen zu geben. Eine vergleichbare Betriebsunterstützung in dem Sinne, dass alle Betriebsprobleme auf der Grundlage eines Geschäftsprozesses mit definierten Rollen behandelt werden, ist für den Bereich Polizeitechnik erst in Ansätzen vorhanden. In den KPB wird für gleiche Aufgabenzwecke unterschiedliche Software bzw. Technik eingesetzt. Die sog. örtlichen IT-Anwendungen sind größtenteils nicht dokumentiert. Es besteht ein hohes Risiko des Ausfalls von Prozessbereichen wegen der Abhängigkeit einzelner Prozessschritte von einzelnen Beschäftigten. Die genutzten Systemumgebungen weisen einen hohen Individualitätsgrad auf, so

POLIZEITECHNIK UND IT DER POLIZEI

155

Örtliche ITAnwendungen

dass regelmäßig wegen der technischen Weiterentwicklung anstehende Aktualisierungen nicht auf einem einheitlichen Referenzsystem auf Kompatibilitätserfordernisse geprüft werden können. IT-Personal wird daher in unnötig hohem Umfang gebunden. Kfz-Werkstätten

Gegenwärtig betreibt die Polizei an 28 Standorten Kfz-Werkstätten und KfzInstandsetzungsdienste, die eine jährliche Gewinn-und-Verlust-Rechnung führen. Die Betriebsverantwortung liegt jeweils auf der örtlichen Ebene, wobei Dienstleistungen im Wege der Selbstkoordination zugleich auch für benachbarte KPB erbracht werden können. Ersatzteilbevorratung, Werkzeugausstattung und maschinen sowie Diagnoseeinrichtungen werden aus örtlicher Sicht unabhängig voneinander 28-mal geplant. Auch die Auslastungsplanung der Werkstätten geschieht aus jeweils örtlicher Sicht. Weiterhin wurden bei sechs KPB sog. IuK-Werkstätten, bei den verbleibenden KPB sog. IuK-Instandsetzungsdienste eingerichtet. Auch hier liegt die Betriebsverantwortung jeweils auf örtlicher Ebene, damit treten dieselben nachteiligen Effekte wie bei den Kfz-Werkstätten auf.

Lagerhaltung

Die Lagerhaltung im Bereich Technik ist über alle Polizeibehörden und Polizeieinrichtungen verteilt und unterschiedlich organisiert. Eine zentrale Inventarisierung und Verwaltung mit den damit möglichen wirtschaftlichen Vorteilen besteht gegenwärtig noch nicht. Mit der Verwaltungsmanagementsoftware M1 sind die technischen Voraussetzungen zwar gegeben, die administrativen Rahmenregelungen sind nahezu fertig gestellt, die Umsetzung wird jedoch erneut durch die geteilten Verantwortlichkeiten zwischen zentralem Dienstleister und örtlichen Behörden/Einrichtungen erschwert.

13.2 Ziele der Neuorganisation im Technikbereich Für den Aufgabenbereich Technik hatte die Kommission insbesondere folgende Fragestellung zu untersuchen: Auftrag



Welche Möglichkeiten gibt es, die Technikentwicklung und -einführung kostensparender als bisher zu erledigen?

Besondere Herausforderungen zur Behandlung dieser Fragestellung liegen im Bereich der Informationstechnik. In Ergänzung zu den unter 2.2 genannten Zielen der Neuorganisation werden im Technikbereich nachstehende Zielsetzungen verfolgt:

156

• • • • • • •



Verbesserung der Sicherheit und Verfügbarkeit der technischen Systeme durch vereinbarte Qualitätsstandards (Service Level) Schaffen von Spezialisierungsvorteilen durch Konzentration von Know-how auf wenige Anwendungen und damit auch Reduzieren von Schulungskosten Verringern von Schnittstellen zwischen Softwarelösungen und damit Reduzierung von Entwicklungskosten und Risiken Reduzierung von Aufwänden im Bereich der Anwenderunterstützung Höheres Einkaufsvolumen und damit höhere Rabatte bei einem Lieferanten anstatt niedriger Rabatte bei mehreren Lieferanten Optimierung der Einführungsgeschwindigkeit von technischen Neuerungen Gewährleistung einer weiterhin leistungsstarken Technikunterstützung bei minimiertem Ressourcenzuwachs durch gemeinsame Ausrichtung und Bündelung der unterschiedlichen Technikspezialisten Bessere Übereinstimmung der fachlichen Bedürfnisse mit den eingesetzten Technikkomponenten und hierdurch wirtschaftlichere Gestaltung der polizeilichen Geschäftsprozesse

Zielsetzungen

13.3 Anforderung an Polizeitechnik und IT der Polizei Nachfolgend sind im Besonderen die Anforderungen aufgeführt, die für die Organisation des technischen Aufgabenbereichs der Polizei von besonderer Relevanz sind und bei den Umsetzungsmaßnahmen zur Zielerreichung entsprechend berücksichtigt werden müssen. Darüber hinaus gelten natürlich auch die Anforderungen, die allgemein an eine Organisation des Technikbereiches dieser Größenordnung gestellt werden.

13.3.1 Anforderungen an die Organisation Der technische Service für die Polizeibehörden und Polizeieinrichtungen muss aus einsatztaktischen Gründen folgende Rahmenbedingungen berücksichtigen: •



Schnellstmögliche Bereitstellung betriebsbereiter Technik unabhängig von Ort und Zeit in Groß- und Sofortlagen (u. a. besondere Lagen nach § 4 KHSt-VO) mit besonderen Anforderungen an die Einbindung von teilweise erheblichem Fremdpersonal (Mobilität, Kommunikation, Funkversorgung etc.) Schnelle Bereitstellung eines „Abschnittsführers Technik“ in BAO-Lagen mit Kenntnissen über die im Einsatzraum eingesetzte Technik und die dort verfügbaren Ressourcen an technischem Personal

POLIZEITECHNIK UND IT DER POLIZEI

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Rahmenbedingungen





Hohe Verfügbarkeit der technischen Infrastruktur im 24-Stunden-Betrieb, auch an Sonn- und Feiertagen sowie zur Nachtzeit kurze Reaktionszeiten bei technischen Problemen insbesondere während besonderer Einsatzlagen Besondere technische Anforderungen in Großverfahren, deren wissenschaftliche Unterstützung und die damit verbundenen rechtlichen Rahmenbedingungen (Datenschutz, Fristen etc.)

13.3.2 Anforderung an Personal Der Erfolg polizeilicher Arbeit ist von dem reibungslosen Betrieb der eingesetzten Technik zunehmend abhängig. Dem technischen Personal kommt daher ein hoher Stellenwert zu. Einsatz von Polizeivollzugsbeamten

Von Ausnahmen abgesehen (z. B. Spezialtechnik, technische Einsatzberatung) werden für Polizeitechnik bzw. IT der Polizei keine Polizeivollzugsbeamten benötigt. Vielmehr sollte eine einschlägige Ausbildung bzw. Berufserfahrung in den jeweiligen technischen Disziplinen Voraussetzung sein. Für das technische Personal – insbesondere auch für das Führungspersonal als Bindeglied zwischen dem operativen Bereich und der technischen Dienstleistung – ist es unabdingbar, mit den besonderen Anforderungen, die sich aus dem operativen Geschäft ergeben, vertraut zu sein. Diese sind gekennzeichnet durch eine hohe Erwartungshaltung der operativen Kräfte an die Verfügbarkeit, Robustheit und Zuverlässigkeit der Technik und die schnelle Reaktion auf Anforderungen, die sich aus der jeweiligen Einsatzlage ergeben.

Spezialtechniken

Die Polizei setzt zahlreiche Spezialtechniken ein, die ansonsten nicht angetroffen werden. Häufig werden derartige Spezialprodukte von Polizeibediensteten gefertigt, marktgängige Produkte existieren nicht. Bei Fertigung durch Externe formulieren Spezialisten der Polizei die Anforderungen, wenn sie nicht sogar den Konstruktionsplan oder entscheidende Ideen liefern. Diesem Sachverhalt muss bei der Personalplanung verstärkt Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Personalqualifi-

Mit Blick auf die wachsende Technikabhängigkeit der Polizei werden verstärkt Software- und Kommunikationsspezialisten benötigt, die in der Lage sind, die aktuellen technologischen Entwicklungen zu beobachten und zu bewerten sowie die Konzepte der Polizei entsprechend fortzuschreiben bzw. neue Konzepte zu entwickeln. Weiterhin werden Fachleute benötigt, die die Methodik der Geschäftsprozessmodellierung beherrschen, mit den fachlichen Anforderungen der Polizei vertraut sind und die bei der Polizei eingesetzten Techniken und Software-

kation

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verfahren so weit kennen, dass sie auf Grundlage von Fachkonzepten Vorgaben für die technische Realisierung formulieren können und so als Verbindungsglied zwischen den Fachbereichen der Polizei und der technischen Realisierung agieren. Der Personalbedarf für betriebliche Routineaufgaben wird wegen der verfügbaren Automationsmöglichkeiten und den zunehmend zentralen Strukturen insbesondere in den KPB zurückgehen, gleichzeitig steigt der Bedarf an Spezialisten. Dies muss seinen Niederschlag bei der Bewertung der Technikfunktionen und den darauf aufbauenden Personalentwicklungskonzepten finden.

13.4 Vorschläge zur Organisation Da die Polizei mit der allgemeinen technischen Entwicklung Schritt halten muss, wird der Kostenaufwand für ihre technische Ausstattung weiter ansteigen. Denn neben Reinvestitionen in die vorhandene Technik werden bislang nicht genutzte Technologien zusätzlich zu finanzieren sein (z. B. biometrische Systeme, mobile computing in Kfz, Nutzung GPS, Verschlüsselung der Sprach- und Datenkommunikation, Zugangskontrollsysteme).

Kostenentwicklung „Technik“

Die Reinvestitionszyklen werden in zahlreichen Ausstattungsbereichen kürzer. Es ist nicht mehr zu erwarten, dass das künftige digitale Funksystem wie das derzeit noch genutzte analoge System etwa 30 Jahre in Betrieb sein wird. Ballistische Unterziehschutzwesten, die aktuellen Ansprüchen an Tragekomfort gerecht werden, sind im Unterschied zu den vormals eingesetzten Überziehschutzwesten nicht mehr alle zehn Jahre, sondern bereits nach fünf Jahren auszutauschen. Die Vorschläge zur organisatorischen Neuausrichtung des Technikbereichs zielen hinsichtlich der Kostenfrage darauf ab, den Status quo des Technikbetriebs hinsichtlich eines wirtschaftlichen Einsatzes der verfügbaren Ressourcen zu optimieren und damit die Grundlage zur Minimierung des weiteren Kostenanstiegs zu schaffen. Die nachstehend vorgeschlagenen Maßnahmen für den Aufgabenbereich Technik sind unabhängig von der regionalen Neustrukturierung gemäß Kapitel 9 und 10 notwendig, um den Einsatz der Technik wirtschaftlicher zu gestalten. Die unter 13.6 vorgeschlagene Aufgaben- und Personalverlagerung zu den ZPD NRW ist möglichst zeitnah anzustreben und sollte daher der regionalen Umstrukturierung gemäß Kapitel 9 und 10 vorangehen. Eine zeitgleiche Umsetzung sowohl der

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159

Zeitliche Rahmenbedingungen

Aufgaben-/Personalverlagerung als auch der regionalen Neustrukturierung würde die Reorganisation insgesamt erheblich erschweren.

13.5 Methodische Vorgehensweise, Handlungsprinzipien und Grundsätze Die Technik-Organisation richtet sich an ganzheitlichen Geschäftsprozessen aus. Das aktuelle Problem gesplitteter und sich überlappender Verantwortlichkeiten bei organisationsübergreifenden Prozessketten im Bereich der Technik muss mit dem Ziel klarer Zuständigkeiten im Interesse eines weitestgehend störungsfreien Technikbetriebs beseitigt werden. Prozessverantwortliche

Neben einer Gesamtverantwortung müssen die Zuständigkeiten innerhalb eines Geschäftsprozesses entsprechend seiner Zusammensetzung aus Teilprozessen auf Rollen bzw. Rolleninhaber abgebildet werden. Für die IT kann dabei auf den vorhandenen de-facto-Standard „IT Infrastructure Library“ (ITIL) zugegriffen werden. ITIL umfasst ein Rahmenwerk von Prozessbeschreibungen für Dienstleistungen im IT-Bereich, die sich nach dem Prinzip der „best practice“ national und international bewährt haben. Auf dieses Regelwerk wird zunehmend auch bei Ausschreibungen für Dienstleistungen Bezug genommen. Die Orientierung an diesem Regelwerk ermöglicht zudem eine Vergleichbarkeit mit anderen ITIL-zertifizierten Dienstleistern (z. B. LDS NRW), um unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine Aufgabenverlagerung beurteilen zu können.

Zentralisierung

Die Geschäftsprozesse des Aufgabenbereichs Technik werden so zentral wie möglich, so dezentral wie nötig organisiert. Der zwischenzeitlich bei der Polizei NRW erreichte IT-Ausstattungsstand verbunden mit den aktuellen Möglichkeiten einer Softwareunterstützung für Geschäftsprozesse erlaubt eine weitgehende Aufgabenkonzentration im technischen Bereich. Tätigkeiten, die vormals Personal und Know-how in den Polizeibehörden und Polizeieinrichtungen vor Ort voraussetzten, können zu großen Teilen durch einen zentralen Dienstleister wahrgenommen werden. Das damit erreichbare personelle Dispositionspotential führt zu Kostenreduktion bei Entwicklung und Betrieb der Technik sowie verringertem Aus- und Fortbildungsbedarf. Die Aufgabenkonzentration bei einem zentralen Dienstleister unterstützt darüber hinaus die im Technikbereich zwingend notwendige Standardisierung. Dies führt zu weiteren Einspareffekten. Im Rahmen der Geschäftsprozessoptimierung sollte daher eine

160

weitestgehende Zentralisierung angestrebt werden. Durch Einsatz moderner Werkzeuge können betriebliche Aufgaben zentralisiert werden, z. B. Einrichten und Betreiben von Endgeräten, Servern, Netzwerkkomponenten und Standardsoftware sowie Administrationsaufgaben und Systemmanagement. Die Personalqualifizierung und -bemessung wie auch die Funktionsbewertung für den Aufgabenbereich Technik orientieren sich an Geschäftsprozessen.

Personalqualifizierung, Personalbemessung

In der Vergangenheit richteten sich die Personalqualifizierung und -bemessung wie auch die Bewertung der Tätigkeiten an isolierten Tätigkeiten in den einzelnen Behörden und Einrichtungen aus. Die Orientierung an Geschäftsprozessen mit der Zuordnung von Personal zu den einzelnen Rollen führt zu einer qualitativ und quantitativ bedarfsgerechten Personalausstattung. Sie bildet zugleich die Basis für ein Personalentwicklungskonzept. Die Realisierung von IT-Lösungen setzt Fachkonzepte auf Basis von dokumentierten polizeilichen Geschäftsprozessen voraus.

Fachkonzepte

Die Informationstechnik kann nicht losgelöst von polizeilichen Aufgaben betrachtet werden. Die Einführung eines IT-Systems und die dazu erforderliche Projektarbeit dient immer der Unterstützung einer oder mehrerer polizeilicher Aufgaben, die nach polizeilichen Geschäftsprozessen strukturiert sind. Es ist also immer zu prüfen, welche Auswirkungen die Einführung oder Veränderung der IT auf die jeweiligen Aufgaben bzw. Geschäftsprozesse in den jeweils betroffenen Organisationseinheiten hat. Gemeinsam mit dem zuständigen Fachbereich ist daher vor der Systemerstellung zu prüfen, in welcher Art die Einführung von IT-Komponenten von einer Geschäftsprozessanalyse begleitet wird, die ggf. notwendige organisatorische Veränderungen sowie Hindernisse aufzeigt. Nur so können die IT-Investitionen wirtschaftlich umgesetzt werden. Nach dem Vorbild der niederländischen Polizei sollten die dokumentierten Geschäftsprozesse als Teil eines polizeilichen Wissenssystems im Intranet der Polizei verfügbar gehalten werden. Insbesondere im Hinblick auf eine möglichst breite Beteiligung der Polizeibediensteten an der kontinuierlichen Verbesserung dieser Prozesse sind dadurch positive Effekte zu erwarten.

POLIZEITECHNIK UND IT DER POLIZEI

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Wissenssystem

Verbindlichkeit von Standards

Standardlösungen vor Individualentwicklungen

Durchgehende Dienst- und Fachaufsicht

Alle im Rahmen der Technik-Strategie der Polizei NRW und den übergreifenden Standardisierungsgremien (IMK, AK II, UA IuK, UA FEK119) definierten und kontinuierlich fortgeschriebenen Standards sind verbindlich, d. h., eine Abweichung von den Standards ist nur in Ausnahmefällen zulässig, zu begründen und durch das Innenministerium NRW freizugeben. Bei der Realisierung von IT-Systemen im Bereich der Polizei NRW ist die Verwendung handelsüblicher oder vorhandener Komponenten die Regel. Der weitgehende Verzicht auf Individuallösungen – primär im Bereich der administrativen Aufgaben und Nicht-Kernaufgaben – bietet erhebliche Kostenvorteile bei Entwicklung, Fortschreibung und Betrieb von IT-Systemen. Derselbe Grundsatz gilt auch für die übrige Polizeitechnik. Die unter 13.2 aufgeführten Ziele setzen die zentrale Dienst- und Fachaufsicht über das eingesetzte Technikpersonal voraus. Nur so kann sichergestellt werden, dass die vorhandenen Personalkapazitäten auf einheitliche Ziele optimal ausgerichtet werden können.

13.6 Maßnahmen Die unter 13.2 aufgeführten Ziele setzen folgende grundsätzliche Umsetzungsmaßnahmen voraus: Personal- und Aufgabenverlagerung zu den ZPD

Die in den Dezernaten VL 3, ZA 2 (PP Köln) bzw. ZI 2 (PP Aachen) der KPB, dem Dezernat 03 des LKA und dem Dezernat ZA 1.1 des IAF wahrgenommenen Aufgaben sowie die Aufgaben des technischen Betriebs der TKÜ-Systeme werden zu den ZPD verlagert. Mit dieser Aufgabenverlagerung ist eine Personalverlagerung in noch zu bestimmendem Umfang zu den ZPD NRW verbunden. Dieser personelle Zuwachs der ZPD NRW erfordert eine Verstärkung der dortigen Abteilung „Z“. Auf der Basis der Personal- und Aufgabenverlagerung sollte für die ZPD ein fester Stellenplan eingerichtet werden. Die Aufgabenzentralisierung bei den ZPD unterstützt die Herauslösung von Polizeivollzugsbeamten aus technischen Funktionen. Weiterhin werden Probleme beseitigt, die ihre Ursache in der fehlenden Gesamtverantwortung für technische 119

Unterausschuss Führung, Einsatz und Kriminalitätsbekämpfung

162

Geschäftsprozesse oder unklarer Abgrenzung von Verantwortungsbereichen hatten. Insbesondere die Gesamtkosten im administrativen Bereich (z. B. im Bereich IT die Installation, Konfiguration, Benutzerunterstützung etc.) können so transparent dargestellt und für Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen herangezogen werden. Die Aus- und Fortbildung kann auf Basis der Technik-Standards der Polizei vereinheitlicht werden, was zu einer Bündelung der personellen Ressourcen und damit zu einer Erhöhung des Wirkungsgrades führt. Grundsätzlich bleibt das zu den ZPD versetzte Technikpersonal an seinem bisherigen Standort, um dort die unverändert anfallenden Arbeiten zu erledigen. Auch wenn durch Zentralisierung bestimmte Aufgaben vor Ort nicht mehr eigenständig durch die jeweilige Behörde bearbeitet werden, ist gleichwohl denkbar, dass die betroffenen Bediensteten in ein Team der ZPD eingebunden werden und die ihnen zugewiesenen Arbeiten ohne Ortswechsel erledigen können (z. B. Softwareentwickler-Teams). Da die ZPD ohnehin für die Ausstattung von Fahrzeugen mit Sondertechnik zuständig sind, sollte geprüft werden, ob sie für Beschaffung, Wartung und Instandsetzung auch von Luft- und Wasserfahrzeugen zuständig werden. Diese Zuständigkeit liegt gegenwärtig beim LKA bzw. dem WSPP. Durch die Aufgaben- und Personalverlagerung zu den ZPD verbessern sich die Rahmenbedingungen für technische Fachkarrieren.

Technische

Die ZPD NRW führen nach dem Muster der Kfz-Werkstätten der Polizei eine Vollkostenrechnung für alle technischen Prozessbereiche120 ein.

Vollkostenrech-

Fachkarrieren

nung

Damit wird die so weit nicht bestehende Entscheidungsgrundlage hinsichtlich möglicher Aufgabenverlagerungen sowie die Voraussetzung einer internen Leistungsverrechnung geschaffen. Die Aufgaben- und Personalverlagerung erfordert begleitend eine Überprüfung der Organisation der ZPD. Im Mittelpunkt der Überlegungen steht die Ausrichtung auf den Betrieb eines zentralen Servicezentrums für die Polizeibehörden und das IAF.

120

vgl. Ziff. 13.1.2

POLIZEITECHNIK UND IT DER POLIZEI

163

Organisation der ZPD

Die oben aufgeführten Probleme in den Prozessbereichen Bedarfserhebung, Planung und Steuerung des Technikeinsatzes in der Polizei sollten durch folgende Umsetzungsmaßnahmen gezielt beseitigt werden: Einrichtung eines übergreifenden strategischen Controllings

Die Polizei wird absehbar ein Technik-Ausstattungsniveau erreichen, bei dem nicht mehr Einführung und Unterstützung von Technologien und deren fachliche Beherrschung im Vordergrund stehen. Der Schwerpunkt verlagert sich zur bestmöglichen Technik-Unterstützung der Geschäftsprozesse in den polizeilichen Fachbereichen sowie zur optimalen Nutzung der in den verschiedenen Anwendungssystemen gespeicherten Informationen. Hierzu sind zukünftig zwei Bereiche zu betrachten: der operative Bereich und die ihn unterstützende Technik. Für den operativen Bereich und die Koordination der hierauf bezogenen fachlichen Anforderungen aus den Polizeibehörden und Polizeieinrichtungen wird im Innenministerium ein Fachkoordinator angesiedelt.

Fachkoordinator

Er benötigt fundierte Kenntnisse der originären Polizeiarbeit sowie ein Grundverständnis der Geschäftsprozesse im Bereich Technik und der eingesetzten Technikverfahren. Wesentliche Aufgabe des Fachkoordinators ist die Prüfung und Ergänzung vorgelegter Fachkonzepte hinsichtlich: •



Technischer Koordinator

der Identifikation der betroffenen fachlichen Prozessbereiche des Rahmenmodells der polizeilichen Geschäftsprozesse, der Zielgruppen, Regelwerke und rechtlichen Rahmenbedingungen der Priorisierung der Fachkonzepte untereinander unter Einbezug einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung

Für den technischen Bereich ist ein verantwortlicher Technischer Koordinator einzusetzen, der auf der Grundlage des Rahmenmodells der polizeilichen Geschäftsprozesse u. a. eine IT-Architektur mit den entsprechenden technischen Komponenten konzipiert. Auf Basis der Fachkonzepte stellt er fest, inwieweit die jeweils gültige IT-Architektur verändert werden muss, welche Softwareverfahren betroffen sind, welcher Realisierungsaufwand für die angestrebte Softwareunterstützung insgesamt entsteht und welche Geschäftsprozesse im Bereich Technik betroffen sind. Eine weitere wesentliche Aufgabe des Technischen Koordinators ist darin zu sehen, neue technische Entwicklungen hinsichtlich ihrer Relevanz für die TechnikOrganisation, für das Personalentwicklungskonzept aufgrund neuer Anforderungsprofile sowie für die Unterstützung der Polizeiarbeit einschließlich damit

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einhergehender Veränderungen von Geschäftsprozessen zu prüfen und die Fachseite (Fachkoordinator) entsprechend zu beraten. Die Gesamtergebnisse aus der fachlichen und technischen Prüfung werden einschließlich einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung nach LHO in einem abgestimmten Projektauftrag dokumentiert. Zur Unterstützung des Fachkoordinators wird ein Gremium aus Angehörigen der Polizeibehörden und Polizeieinrichtungen eingerichtet, um die Anforderungen des operativen Bereichs an die Technik abzustimmen und zu priorisieren. Zur Unterstützung des Technischen Koordinators dient das Anforderungsmanagement, das mit entsprechend qualifizierten Beschäftigten bei den ZPD einzurichten ist. Der Technische Koordinator sollte dem für die Polizeitechnik und IT der Polizei zuständigen Fachreferat zugeordnet werden. Damit werden dort die Zuständigkeiten für • • • • • • •

Technik-Strategie und strategisches Controlling, Übergreifendes Projektmanagement, Übergreifendes IT-Architekturmanagement, Übergreifendes IT-Sicherheitsmanagement, Risikomanagement, Übergreifende Budgetplanung und –verwaltung und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen

gebündelt. Gleichzeitig könnten so die auf Bundes- und Landesebene bestehenden Gremien (Projektausschüsse, technische Ausschüsse zu den Themen IT-Architektur, ITStandards, IT-Infrastruktur sowie Gremien und Facharbeitsgruppen auf Bundesebene, insbesondere die Gremien der IMK) entsprechend begleitet und koordiniert werden. Der unvermeidbare Aufwand für die Anforderungsaufstellung und Wirtschaftlichkeitsbetrachtung wird auf dieser Grundlage minimiert, da die Zusammensetzung zu übergreifenden landesweiten Rahmenbedingungen gewährleistet ist. Die optimale Zusammenarbeit des Fachkoordinators und des Technischen Koordinators sollte auch durch die organisatorische Zusammenführung ihrer Aufga-

POLIZEITECHNIK UND IT DER POLIZEI

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benbereiche unterstützt werden. Dies diente auch dem Ziel der gemeinsamen Ausrichtung auf optimierte ganzheitliche Geschäftsprozesse. Im Ergebnis wären daher beide Rollen im Fachreferat Polizeitechnik und IT der Polizei anzusiedeln. Budgetplanung und Budgetverwaltung

Hinsichtlich der Budgetplanung und Budgetverwaltung gelten im Aufgabenbereich Technik nachstehende Grundsätze: • •

Grundlage für die Budgetplanung sind die Technikstrategie, abgestimmte Fachkonzepte und Projektaufträge Abgestimmte qualitative und quantitative Standards werden eingehalten.

Über nachstehende Fragen zur Verfahrensweise sollte unter den Polizeibehörden und Polizeieinrichtungen ein gemeinsames Verständnis hergestellt werden: •



Einrichtung eines Anforderungsmanagements bei den ZPD

Definition der technischen Basisinfrastruktur, die unabhängig vom Grad der Inanspruchnahme durch die Polizeibehörden und Polizeieinrichtungen zu Lasten des Gesamtbudgets zu finanzieren ist. Der Basisinfrastruktur könnten z. B. das zentrale Fachrechenzentrum bei den ZPD NRW, das polizeiliche Kommunikationsnetz CN Pol NRW, das BOS-Mobilfunknetz, die Pflege und Weiterentwicklung landesweit eingeführter IT-Verfahren wie POLAS, IGVP oder Cebius sowie Standardsoftwareprodukte zur Bürokommunikation (derzeit MS-Office) zugerechnet werden. Es wäre auch denkbar, dass nur noch 50 % der PC-Sollausstattung der Basisinfrastruktur zugerechnet werden. Die zum Betrieb der Basisinfrastruktur erforderlichen Mittel werden dem zentralen Dienstleister ZPD NRW jeweils zur Verfügung gestellt. Die Kosten für alle technischen Ausstattungen und Dienstleistungen, die nicht der Basisinfrastruktur zugerechnet sind, werden nutzungsabhängig nach noch festzulegenden Sätzen auf die Polizeibehörden und Polizeieinrichtungen zu Lasten ihrer Budgets verrechnet.

Umfassende und übergreifende Technik-Projekte stehen heute in der Regel in einem unmittelbaren Zusammenhang zu den erfolgskritischen Geschäftsprozessen der Polizei. Entscheidend für den Gesamterfolg eines solchen Projektes ist es daher, die Kenntnisse und Handlungsgrundsätze der Fachleute der Polizei unmittelbar in die zu findende Lösung einfließen zu lassen. Bei den Fachleuten aus dem operativen Bereich kann das methodische Know-how nicht vorausgesetzt werden, ihre Vorstellungen gemäß den Anforderungen eines Technik-Projektes zu formulieren. Dies trifft insbesondere auf IT-Projekte zu. Als Bindeglied zwischen Fachkonzept als Projektgrundlage einerseits und der Projektdurchführung andererseits

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unterstützt das Anforderungsmanagement, indem es das Fachkonzept in Vorgaben für ein Technikprojekt übersetzt. Für Beschreibung und Optimierung der Geschäftsprozesse des technischen Bereichs sollte das Anforderungsmanagement ebenfalls verantwortlich sein. Bei der Beschreibung und Optimierung von Geschäftsprozessen des operativen Bereichs sollte das Anforderungsmanagement mitwirken, damit die Belange der Technik von vorneherein berücksichtigt werden können. Weiterhin sollte hier das Knowhow für Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen gemäß LHO angesiedelt sein. Die oben aufgezeigten Probleme in dem Prozessbereich Entwicklung und Beschaffung von Technik-Lösungen sollten durch folgende Umsetzungsmaßnahmen gezielt beseitigt werden: In Bereichen, in denen eine einheitliche/kompatible Ausstattung unverzichtbar ist, schließen die ZPD NRW Rahmenbezugsverträge ab. Diese sind von den Polizeibehörden verbindlich zu nutzen.

Rahmenbezugs-

Die Probleme im derzeitigen Beschaffungswesen lassen sich nur dann lösen, wenn man das System auf eine neue Grundlage stellt. Ein solches Vorgehen bietet sich vor allem deshalb an, weil es für die Organisation des Einkaufs in der Privatwirtschaft – insbesondere im Bereich der Handelskooperationen – bessere und professionellere Lösungen gibt als das bisher bei der Polizei praktizierte System. Grundsätzlich ist die Situation der Polizei durchaus mit der einer kleineren Handelskooperation vergleichbar. Es gibt eine Vielzahl von Lieferanten, die eine Vielzahl von Gütern an eine große Zahl unterschiedlicher Standorte ausliefern müssen.

Zentralregulie-

Zentralregulierung hat mindestens drei entscheidende Vorteile. • • •

Es herrscht Transparenz über alle eingekauften Güter, Lieferanten und Preise. Die Einkaufskonditionen können durch Bündelungseffekte deutlich verbessert werden, Kostensenkungen werden möglich. Der notwendige Verwaltungsaufwand sinkt, da Artikel, Lieferanten und Preiskonditionen nur noch von einer Stelle administriert werden müssen. Automatisierte Belegverarbeitung wird möglich.

POLIZEITECHNIK UND IT DER POLIZEI

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verträge

rung

Eine Zentralregulierung bietet ideale Voraussetzungen, um Einkaufsmacht zu bündeln, Rahmenverträge abzuschließen und erheblich bessere Preise auszuhandeln. Darüber hinaus wird die Einheitlichkeit der Ausstattung unterstützt. Zentralregulierung darf nicht mit zentralem Einkauf verwechselt werden. Die Polizeibehörden und Polizeieinrichtungen wären lediglich gehalten, über eine zentrale Stelle ihre Lieferantenverpflichtungen erfassen und datenmäßig aufbereiten zu lassen. Wo sie was zu welchem Preis einkaufen, bleibt ihnen im Prinzip frei überlassen, es sei denn, es handelt sich um Artikel aus Rahmenbezugsverträgen, die zwingend zu nutzen sind (s. o.). Die Erfahrung bestehender Einkaufskooperationen zeigt jedoch, dass die angeschlossenen Kooperationspartner von Rahmenverträgen intensiv Gebrauch machen, wenn diese attraktive Konditionen enthalten und ohne großen Aufwand komfortabel genutzt werden können (z. B. über eine integrierte elektronische Shoplösung). Faktisch führt die Zentralregulierung deshalb immer zu der erwünschten Bündelung des Einkaufsverhaltens und der angestrebten Kostensenkung, obwohl kein Zwang dahinter steht. Es sollte geprüft werden, ob die Einrichtung einer Zentralregulierung mit einer „eshop“-Lösung zumindest für den Aufgabenbereich Technik sinnvoll ist. Entwicklung und Pflege von Software

Entwicklung und Pflege von Software erfolgt nur noch durch die ZPD NRW bzw. von ihr beauftragte Dritte. Dies muss mit einer Stärkung der Softwareentwicklungs-Kompetenz der ZPD einhergehen. Bei polizeispezifischer Software muss die Fähigkeit verbessert werden, insbesondere in Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern den Entwicklungsprozess zu prägen (z. B. in Fragen der Softwarearchitektur), zu kontrollieren und das Ergebnis bewerten und abnehmen zu können. Damit würde auch die teils vollständige Abhängigkeit von externen Dienstleistern auf ein akzeptables Maß reduziert werden. Weiterhin benötigen die ZPD einen Software-Chefentwickler. Er muss sicherstellen, dass die Softwareerstellung im Einklang mit der jeweils gültigen ITArchitektur und den aktuellen IT-Standards erfolgt. Er ist das Pendant zum Technischen Koordinator im Innenministerium. Ein Teil des für Entwicklung und Pflege von Software zusätzlich benötigten Personals kann durch die von den Polizeibehörden zu den ZPD versetzten Softwareentwickler abgedeckt werden (virtuelle Entwicklerteams).

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Die überwiegende Zahl der Technikprojekte wird von den ZPD geführt. Dazu sollten Projektmanager qualifiziert werden. Dies entspricht auch der Empfehlung in der eingangs erwähnten Organisationsuntersuchung der ZPD NRW durch die Firma Mummert und Partner. Grundsätzlich werden hierfür keine Polizeivollzugsbeamte benötigt.

Optimierung des Projektmanagements bei den ZPD NRW

Die unter 13.1.5 aufgeführten Probleme in den Prozessbereichen Bereitstellung, Betrieb und Unterstützung von Technik-Lösungen sollten durch folgende Umsetzungsmaßnahmen gezielt beseitigt werden: Für Technik-Dienstleistungen werden grundsätzlich sog. Service Level Agreements (SLA) vereinbart. Dienstleistungen werden damit transparent und messbar, da SLA definierte Leistungen zu festgelegten Kosten beschreiben. Entsprechende Vereinbarungen müssen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer abgeschlossen werden. Im Rahmen eines transparenten Leistungskataloges des internen Dienstleisters ZPD sowie der vereinbarten SLA werden verursachergerechte Abrechnungsmodelle eingesetzt, um einen wirtschaftlichen Umgang mit den Ressourcen zu gewährleisten.

Leistungsver-

Die „KfZ-Werkstätten und -instandsetzungsdienste“ und die „IuK-Werkstätten und IuK-Instandsetzungsdienste“ werden bei den ZPD angebunden. Analog der Vorgehensweise bei den Kfz-Werkstätten wird auch in allen anderen Werkstätten die Wirtschaftlichkeit auf der Grundlage einer Gewinn-und-Verlust-Rechnung jährlich nachgewiesen.

Werkstätten

Nach Umsetzung der voranstehend aufgeführten Maßnahmen sollten Überlegungen zur Aufgabenverlagerung angestellt werden.

13.7 Aufgabenverlagerung zu Externen Eine vertragliche Vereinbarung über die von der Polizei benötigte Dienstleistung gestaltet sich schwierig, da im Hinblick auf besondere Einsatzlagen der Unterstützungsbedarf hinsichtlich Umfang, Zeit und Ort nicht vorhersehbar ist. Die Polizei kann gegenwärtig bei Ressourcenengpässen in ihrem Zuständigkeitsbereich Prioritäten setzen und per Weisung umsetzen. Eine externe Dienstleistung könnte dies nur bei Reduzierung des Services für andere Auftraggeber leisten, wenn diese damit einverstanden wären. Alternativ müsste sie entsprechende Reserven kalkulieren, was die Kosten erhöht. Bisher konnte mangels Kostenrechnung nicht un-

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rechnung

tersucht werden, bei welchen Prozessbereichen überhaupt Kostenvorteile entstünden und wie hoch die Einsparungen wären. Abgrenzung auslagerbare Prozesse/ Kern-

Für die Polizei ist zu definieren, welche technischen Geschäftsprozesse mit eigenem Personal abgedeckt werden müssen.

geschäft

Die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung unterscheidet sich von anderen Verwaltungsaufgaben deutlich dadurch, dass auf zum Teil nicht vorhersehbare und nicht von der Polizei beeinflussbare Ereignisse unmittelbar reagiert werden muss und dabei seitens der Öffentlichkeit ein hoher Erfolgsdruck aufgebaut wird. Dabei können bestimmte Aufgaben nicht fremd vergeben werden und das vorhandene technische Personal muss unabhängig von entsprechenden vertraglichen Regelungen flexibel und lageangepasst eingesetzt werden können. Dieser Bereich ist derzeit nicht verbindlich definiert, die Vergangenheit hat aber gezeigt, dass mit den vorhandenen Kräften bisherige Lagen beherrscht werden konnten. Kostenrechnung

Die Frage der Wirtschaftlichkeit einer Aufgabenverlagerung kann nur in Verbindung mit einer Kostenrechnung beantwortet werden. Beispielsweise wurden entgegen gutachterlicher Einschätzung die Kfz-Werkstätten der Polizei NRW mit dem Ergebnis überprüft, dass ein optimierter Eigenbetrieb gegenüber einer Aufgabenzuweisung an Externe wirtschaftlicher ist. Zu berücksichtigen ist auch, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Optimierung der Technikorganisation der Polizei nicht kurzfristig greifen, es muss vielmehr ein mehrjähriger Anpassungszeitraum zur Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit eingeräumt werden.

Fachrechenzentrum, CN-Pol

Zuerst sollten die Prozessbereiche „Betrieb des zentralen Fachrechenzentrums der Polizei“ und der „Betrieb des polizeilichen Kommunikationsnetzes CN Pol“ betrachtet werden. In diesen Bereichen fallen erhebliche Kosten an, so dass eine Untersuchung auf mögliche Einsparpotentiale von besonderem Interesse ist. Die zuvor ausgesprochene Empfehlung hinsichtlich der Ausrichtung an Referenzprozessen auf Basis von ITIL erleichtert die Vergleichbarkeit der ZPD NRW z. B. mit dem LDS NRW als ITIL-zertifiziertem Dienstleister. Als wesentliche Voraussetzung für die Auslagerung von Softwareentwicklung müssen die Fähigkeiten der ZPD zur Steuerung und Kontrolle externer Auftragnehmer aufgebaut bzw. verbessert werden.

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Bei der weiteren Polizeitechnik gibt es nur geringe Erfahrungen (Ausstattung mit Dienstbekleidung bei Bundeswehr und Polizei Bayern; Kfz-Fuhrparkmanagement in Hessen). Hier würde in weiten Bereichen Neuland betreten. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung sollte unter Einschluss in Betracht zu ziehender rechtlicher und einsatztaktischer Aspekte über eine Aufgabenverlagerung entschieden werden. Dabei sollte in jedem Einzelfall auch betrachtet werden, ob und mit welchem Aufwand eine Verlagerung evtl. rückholbar wäre. Einer verwaltungsinternen Aufgabenverlagerung sollte gegenüber dem Outsourcing an privatwirtschaftliche Externe zunächst der Vorrang eingeräumt werden.

13.8 Technische Rahmenbedingungen Es wurde bereits dargestellt, dass die Reorganisation des Technikbereichs unabhängig von der regionalen Umstrukturierung der Polizeibehörden erforderlich ist und dieser in Teilen zeitlich vorangehen sollte. Aus technischer Sicht wäre es wünschenswert, wenn die regionale Neustrukturierung auf der Basis eines digitalen BOS-Mobilfunknetzes aufsetzen könnte. Denn dann wäre lediglich ein einmaliger Anpassungsaufwand zu leisten. Realistischerweise muss man jedoch davon ausgehen, dass voraussichtlich erst ab dem Jahr 2007 mit dem Aufbau dieser Infrastruktur begonnen wird und die Betriebsaufnahme nicht vor 2009 erwartet werden kann. Zudem sind die Terminplanungen in diesem Projekt mit großen Risiken behaftet. Bei der nachstehenden Kostenbetrachtung wird daher unterstellt, dass die regionale Neustrukturierung zunächst mit der vorhandenen analogen BOS-Mobilfunktechnik bewerkstelligt werden muss und bereits wenige Jahre später wegen der bundesweiten Einführung des Digitalfunks eine weitere technische Anpassung unumgänglich wird. Die Kosten für Baumaßnahmen im Leitstellenbereich sowie die technische Ausstattung evtl. zusätzlicher Dienstgebäude kann bei der nachstehenden Abschätzung der Anschubinvestitionen nur grob kalkuliert werden. Nur auf der Basis konkreter Objektdaten ist eine verlässliche Abschätzung möglich. Im Leitstellenbereich kann die Anpassung vorhandener oder die Herstellung neuer Räumlichkeiten wegen der größeren Zahl an Einsatzleitplätzen pro neuer, größerer Behörde sowie für Führungs- und Lageräume nötig werden. Die Prüfung der

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Kostenbetrachtung

vorhandenen Räumlichkeiten hätte den Zeitrahmen der Kommissionsarbeit gesprengt. Außerdem wären bereits vor Veröffentlichung des Berichts Rückschlüsse auf die Vorstellungen der Kommission unvermeidbar gewesen. Sofern zusätzliche Gebäude temporär bzw. auf Dauer bereitgestellt werden, fallen Kosten für deren technische Ausstattung an. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Telekommunikationsanlagen, Funkausstattung mit Antennenanlagen, Sicherheitsausstattung (z. B. Videoüberwachung, Zugangskontrollsysteme, Alarmanlagen), Verkabelung für Daten- und Sprachkommunikation sowie ITAusstattung der Arbeitsplätze.

13.9 Finanzielle und personelle Auswirkungen

13.9.1 Finanzielle Auswirkungen – Anschubinvestitionen Investitionen

Die Reduzierung der Anzahl der Polizeibehörden erfordert Anschubinvestitionen hauptsächlich im Bereich der Leitstellen. Gegenwärtig werden landesweit 190 Einsatzleitplätze und 48 Führungsleitplätze betrieben. Wegen der Reduktion auf 16 Präsidien wird angenommen, dass die Gesamtzahl um 38 auf 200 IT-gestützte Arbeitsplätze verringert werden kann. Ein IT-gestützter Arbeitsplatz einer Leitstelle wird einschließlich der anteiligen Kosten für Funkvermittlung, Tondokumentation und Notruf mit 80.000  kalkuliert. Insgesamt ergibt sich ein Kostenaufwand in Höhe von 18,7 Mio. , der sich wie folgt zusammensetzt: • • •

Anpassung der Leitstellen-Software CEBIUS 2,0 Mio.  200 IT-gestützte Arbeitsplätze 16,0 Mio.  Anbindung Relaisstellen, Anpassungen der Notrufabfrageanlagen wegen veränderter Notrufweiterleitung zu den neuen Leitstellen 0,7 Mio. 

Es wurde weiter unterstellt, dass die vorhandenen Systeme zur Funkvermittlung, Tondokumentation und Notrufabfrage komplett erneuert werden müssen, da ein Ausbau altersbedingt nicht mehr möglich ist. Mietkosten

Der Anstieg der Mietkosten, der in Folge notwendiger Umbaumaßnahmen für neue bzw. erweiterte Räumlichkeiten für Leitstellen entstünde, kann grob wie folgt abgeschätzt werden. Gemäß aktueller Kalkulationen des BLB sowie gültigem Raumprogramm ergeben sich pro Leitstelle mit 13 Abfrageplätzen (200 Abfrageplätze landesweit/16 Präsidien = 12,5) und ausreichend dimensionierter

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Grundfläche für Führungs-, Lage- und Technikräume (insgesamt 684 m2) bei einem m2-Preis von monatlich 15  jährliche Mietkosten in Höhe von rund 123.120 , für 16 Leitstellen somit 1.969.920  jährlich. Bei der Kalkulation der Anschubfinanzierung wird unterstellt, dass 50 % dieses Betrags auf Mietkostenerhöhung wegen baulicher Erweiterungsmaßnahmen entfallen. Danach ergäben sich zusätzliche jährliche Mietkosten in Höhe von rund 1 Mio. . Die Kosten der technischen Ausstattung für zusätzliche Dienstgebäude belaufen sich auf rund 12.125.000 . Diese Kosten entstehen unabhängig davon, ob diese Dienstgebäude nur zeitlich befristet benötigt werden. Grundlage dieser Berechnung ist die Annahme, dass zur Umsetzung der regionalen Neustrukturierung für 2.500 Bedienstete übergangsweise zusätzliche Arbeitsräume geschaffen werden müssen.

Technische

Zur Anpassung der eingesetzten Softwareverfahren an die neue regionale Struktur entstehen administrative Aufwände, deren Umfang von dem Fortgang bereits angelaufener Projekte abhängig ist, die jedoch in jedem Fall mit vorhandenem Personal geleistet werden können.

Anpassung der

13.9.2 Finanzielle Auswirkungen – Dauerhafte Einspareffekte Durch die regionale Neustrukturierung werden dauerhafte Einspareffekte im Bereich der Technik nur in geringem Ausmaß zu verzeichnen sein, so dass die Frage der Technikkosten als Bewertungskriterium für den Modellvorschlag der Kommission ungeeignet ist. Die organisatorische Zuordnung des Personals und der Liegenschaften zu 16, statt wie bisher zu 50 Polizeibehörden ist hinsichtlich der Technikkosten nicht von Belang. Dies gilt auch für die technische Ausstattung der Leitstellen, da der Umfang der Technik in den Leitstellen hauptsächlich durch das Einsatzaufkommen bestimmt ist und nur nachrangig durch die Anzahl der Standorte bzw. Behörden in denen die Technik örtlich vorgehalten wird. Obwohl wegen der Verringerung auf 16 Behörden Räumlichkeiten ehemaliger Leitstellen nicht mehr benötigt werden, wird auch bei den Mietkosten keine entsprechende Kostenentlastung eintreten. Als integrale Bestandteile der polizeilichen Liegenschaften können sie allenfalls für andere Verwendungen umgerüstet werden.

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Ausstattung für zusätzliche Dienstgebäude

eingesetzten Softwareverfahren

Hinsichtlich der späteren Einführung des Digitalfunks können bei dem aktuellen Stand dieses Projektes noch keine gesicherten Aussagen zur Frage möglicher Einsparpotentiale aufgrund einer auf 16 reduzierten Behördenanzahl gemacht werden. Die Systementscheidung, die Grundlage einer entsprechenden Kostenabschätzung ist, wird erst im Rahmen des anstehenden Ausschreibungsverfahrens getroffen.

13.9.3 Personelle Auswirkungen Auch aus technischer Sicht ist ein dreistufiger Verwaltungsaufbau nicht mehr erforderlich. Das in den Dezernaten 25.8 und 26.6 der Bezirksregierungen eingesetzte Technikpersonal kann Aufgaben bei Polizeibehörden, bei den ZPD sowie beim Innenministerium zugeführt werden. Die Reduzierung der Behördenanzahl schafft zusammen mit der Umsetzung voranstehend empfohlener Maßnahmen, insbesondere der Zentralisierung und Vereinheitlichung des Technikbetriebs ein Dispositionspotential im Umfang von etwa 286 Stellen. Dieser Kalkulation liegen konservative Einschätzungen der erzielbaren Effekte zugrunde. Die Aufgabenkonzentration bei den ZPD sowie weitere vorgeschlagene Maßnahmen, insbesondere der Aufbau eines Anforderungsmanagements, die Verbesserung des Projektmanagements sowie die Kompetenzstärkung bei der Softwareentwicklung erfordern bei den ZPD und im Innenministerium entsprechende Personalverstärkungen.

174

Im Einzelnen ergibt sich nachstehendes Bild: Stellen nach Stellen im DispositionsUmsetzung der Status quo potential Reform VL 3 (KPB, WSPP, LKA, IAF) Informationstechnik Polizeitechnik Fernmeldebetriebsdienst121 Bezirksregierungen Dezernat 25.8 Dezernat 26.6 Zwischensumme Zusätzlicher Personalbedarf ZPD Anforderungsmanagement Projektmanagement Beschaffung Chef-Entwickler Personalverwaltung Softwareentwickler Zentralregulierung Summe Personalbedarf ZPD Zusätzlicher Personalbedarf IM Fachkoordinator Technischer Koordinator IT-Controlling Summe Personalbedarf IM Dispositionspotential Tabelle 5

1.130 685 183

959 616 146

171 69 37

33 63

0 0

33 63 373 zusätzlicher Bedarf 15 10 15 1 15 20 5 81 1 1 4 6 286

Personelle Auswirkungen

121

Von den 183 (183,58) Stellen im Status quo werden 137 (137,85) bei VL 3 geführt, die verbleibenden sind der Abteilung GS zugeordnet.

POLIZEITECHNIK UND IT DER POLIZEI

175

14 Personelle und sächliche Empfehlungen und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen 14.1 Zusammenfassung der personellen und sächlichen Empfehlungen

14.1.1 Empfehlungen zum äußeren Behördenaufbau Die Konzentration der Polizeiorganisation auf 16 Polizeibehörden hat sowohl personelle als auch sächliche Auswirkungen. Das Gleiche gilt für den Wegfall der Mittelinstanz aufgrund des zweistufigen Aufbaus der Polizeiorganisation. Beides hat letztlich keine Auswirkungen auf die Basisdienststellen und bringt damit – bis auf qualitative Verbesserungen im Bereich der Organisations- und Personalentwicklung – keine Veränderungen für die allermeisten Beschäftigten der Polizei mit sich. Geringerer Overhead

Auswirkungen im Bereich VL

Die Verringerung der Anzahl der Polizeibehörden – und damit der Stäbe – führt zu der gewünschten Wirkung eines geringeren Overheads. Hierdurch sind Einsparungen selbst dann zu erzielen, wenn die personelle Gesamtstärke der Polizei NRW nicht verringert werden soll, da diese durchweg höherwertige Stellen im Wesentlichen „auf die Straße gebracht werden sollen“, d. h. auch in kostengünstigere Stellen umgewandelt werden können. Neben der Verringerung der Stäbe wirkt sich die Konzentration auf 16 Polizeibehörden am stärksten auf den bisherigen Bereich VL aus. Während die kommunalen Beschäftigten der Abteilungen VL in den Landratsbehörden nicht zwingend in die zentrale Abteilung der neuen Polizeibehörden umgesetzt werden, dürften die staatlichen Beschäftigten aus diesen Abteilungen größtenteils zentral in der Zentralen Abteilung der neuen Polizeibehörden eingesetzt werden, soweit nicht Stellen umgewandelt werden zu operativ zu nutzenden Stellen. Hier, wie in begrenztem Maße in besonders spezialisierten Bereichen der ZKB, kommen Versetzungen in die zentrale Organisationseinheit der Polizeibehörden in Betracht. Der Wegfall der Mittelinstanz führt in begrenztem Rahmen wegen der damit verbundenen Aufgabenübertragung zu einer geringfügigen personellen Mehrbelastung bei den Polizeibehörden und zur Polizeiabteilung des Innenministeriums, der durch Personalaufstockung Rechnung getragen werden muss. Dies ist im Abschnitt 14.4 näher dargestellt.

Sächliche Auswirkungen

Die personellen Auswirkungen der Kommissionsempfehlung schlagen auch auf die sächliche Ausstattung durch. So entfallen bei der Konzentration auf 16 Polizeibehörden zumeist auch Büroarbeitsplätze, die nicht zur zentralen Stelle der Polizeibehörden gehören, oder diese werden ggf. in operative Arbeitsplätze um-

176

gewandelt. Teilentmietungen in dezentralen Polizeidienststellen stehen aufgrund der Effekte der neuen und zweistufigen Behördenorganisation notwendige Neuanmietungen gegenüber. Die daraus resultierenden Auswirkungen auf die technisch-sächliche Ausstattung werden unten näher beschrieben.

14.1.2 Empfehlungen zum inneren Behördenaufbau Auch durch die Reform der inneren Behördenstruktur ergeben sich dauerhaft wirkende Personalreduzierungen. Wesentlich sind dafür • • • •

Personalreduzierung durch Reform der inneren Behör-

der Verzicht auf die Abteilungsleitung GS, die Zentralisierung spezialisierter Bereiche (Leitstellen, Zentrale Kriminalitätsbekämpfung), die Vergrößerung und damit die Reduzierung der Anzahl der Regionaldienststellen PI und PD und der Wegfall der Inspektionsleitungen in den Polizeidirektionen.

denstruktur

Dem gegenüber steht das Erfordernis, im Rahmen der Qualitäts- und Prozessentwicklung neue Stellen zu schaffen. Der Vorschlag der Kommission, nur noch an drei bis vier Standorten Spezialeinheiten und Ständige Stäbe in reduzierter Personalstärke vorzuhalten, führt zu weiteren dauerhaften Personaleinsparungen in Arbeitsfeldern, die nicht den Basisdienststellen zuzurechnen sind. Gleiches gilt für den Wegfall der PI-Leitungen der Autobahnpolizei. In der Gesamtbetrachtung handelt es sich nicht um Einsparpotentiale durch Wegfall von Stellen, sondern die Schaffung von Dispositionsmöglichkeiten zur Verlagerung von Stellen in die operativ tätigen Basisdienststellen.

14.1.3 Empfehlungen zur Technik Die wesentlichen Empfehlungen für den Technikbereich umfassen • • • •

Zentralisierung des Technikbetriebs bei den ZPD Einführung eines professionellen Anforderungsmanagements Einführung der Zentralregulierung für Beschaffungen über die ZPD Einführung eines strategischen Controllings beim Innenministerium.

PERSONELLE UND SÄCHLICHE AUSWIRKUNGEN

177

Dispositionspotential nicht Einsparpotential

Damit werden in den Abteilungen VL 3 nicht nur aufgrund der Bündelung in 16 Behörden, sondern auch aufgrund der vorgeschlagenen Zentralisierung Stellen frei. Im Gegenzug muss jedoch bei den ZPD wie im Innenministerium personell aufgestockt werden. Dennoch bleibt ein deutlich positives Dispositionspotential. Außerdem erhöht die Neustrukturierung der Leitstellen das personelle Dispositionspotential, zieht jedoch auch einen erheblichen Investitionsbedarf nach sich.

14.2 Vorbemerkungen zur Wirtschaftlichkeitsberechnung Schätzung der wirtschaftlichen Auswirkungen

Die Zusammenführung der Polizeibehörden zu weniger, aber größeren Behörden, das Entfallen der Mittelebene und die weiteren Vorschläge der Kommission haben Auswirkungen auf den Personalbedarf in den genannten Organisationseinheiten sowie auf die Sachkosten der Polizei. Diese wirtschaftlichen Auswirkungen können im Rahmen der Kommissionsarbeit nur grob geschätzt werden. Dies hat zwei Gründe: Zum einen setzt eine belastbare Quantifizierung der entstehenden Synergieeffekte beispielsweise bei Verwaltung und Logistik, bei den Stäben und Leitstellen voraus, dass die einzelnen im Status quo wahrgenommenen Aufgaben mit Arbeitszeiten (Personalaufwand) hinterlegt und die Kernprozesse in ihren Abläufen dokumentiert sind. Auf Basis dieser Ausgangsdaten lässt sich Aufgabe für Aufgabe der zukünftige Arbeitsaufwand bei einer Bündelung in größeren Behörden, die mehr Arbeitsteilung und Spezialisierung ermöglichen, hochrechnen. Entsprechende Ausgangsdaten liegen jedoch nicht vor und konnten im Rahmen der Kommissionsarbeit nicht erhoben werden. Daher hat die Kommission nur grobe Abschätzungen auf der Basis von Geschäftsverteilungsplänen bzw. Produkt- und Leistungskatalogen vorgenommen. Zum zweiten kann die Wirtschaftlichkeitsberechnung nicht losgelöst von der politischen Umsetzung der Kommissionsvorschläge gesehen werden. Diese Vorschläge setzen Personal vor allem in den Bereichen der Stäbe, bei VL und bei den Polizeidezernaten der Bezirksregierungen frei. Die Kommission schlägt selbst einige Personalaufstockungen an anderer Stelle vor, etwa für Qualitätssicherung und Prozessentwicklung. Wie weit die übrigen Personalfreisetzungen als Verstärkung der operativen Polizeiarbeit oder als mittelfristig realisierbare Einsparungen im Landeshaushalt umgesetzt werden, ist jedoch eine politische Entscheidung, der die Kommission nicht vorzugreifen hat. Insofern werden die stellenmäßigen Auswirkungen der Kommissionsvorschläge nur im Sinne eines „Dispositionspotentials“ benannt, das nicht mit einem „Einsparpotential“ gleichzusetzen ist. Um den-

178

noch eine vollständige Wirtschaftlichkeitsanalyse im Sinne einer Renditeberechnung oder „Break-even-Analyse“ durchführen zu können, legt die Kommission verschiedene rechnerische Szenarien vor. Vor diesem Hintergrund musste sich die Kommission darauf beschränken, die Stellenauswirkungen ihrer Vorschläge abzuschätzen, die Größenordnung der Auswirkungen auf die Sachkosten zu ermitteln und einen Schätzwert für die Umstellungskosten anzugeben. Vor Umsetzung der Reformvorschläge – idealerweise auch vor Veröffentlichung der vermuteten Dispositionspotentiale – sollte die Landesregierung eine Aufgaben- und Prozessanalyse mit umfassender Beteiligung der betroffenen Mitarbeiter veranlassen.

14.3 Methodik Die Wirtschaftlichkeitsberechnung verknüpft die beiden Größen •



dauerhafte Auswirkungen der Strukturreform: Jahr für Jahr auftretende Einsparungen und Zusatzkosten im eingeschwungenen Zustand, wenn die (mehrjährige) Umsetzungsphase vollständig abgeschlossen ist, sowie Einmaleffekte der Restrukturierung: Kosten für die Umsetzung der Polizeistrukturreform, aber auch Einsparungen bei Investitionen, die durch die Strukturreform möglich werden, etwa im Bereich der Leitstellen.

Bezugsgröße ist dabei jeweils der Status quo bzw. die zukünftige Entwicklung, wie sie ohne die Strukturreform eintreten würde – soweit sich das vorhersehen lässt. Dies impliziert, dass beispielsweise Investitionen für ohnehin geplante und budgetierte neue Technik oder für die weitere Umsetzung des Steuerungs- und Führungssystems der Polizei NRW nicht zu den Umsetzungskosten der hier vorgeschlagenen Strukturreform gezählt werden dürfen (da es sich sozusagen um „Sowieso-Kosten“ handelt). Für eine vollständige Wirtschaftlichkeitsberechnung werden Dauereffekte wie auch Einmaleffekte auf der Zeitachse abgebildet. Auf dieser Basis lässt sich eine „Break-even-Analyse“ durchführen, also der zukünftige Zeitpunkt ermitteln, zu dem die positiven wirtschaftlichen Effekte die Anlaufkosten aufwiegen. Als Datenbasis für die Stellen im Status quo in den betroffenen Organisationseinheiten stellte die Geschäftsstelle die Personalverwendungsdaten aus den Berichten der KPB zur Verfügung. In den Fällen, in denen die Sollstellenzahl wegen dauerhaft nicht besetzter Stellen erheblich über dem tatsächlichen Personaleinsatz liegt,

PERSONELLE UND SÄCHLICHE AUSWIRKUNGEN

179

Datenbasis

wurde die Sollstellenstärke herangezogen. Soweit nötig und ohne detaillierte Organisationsuntersuchung möglich, wurden die Stellenanteile anhand der Geschäftsverteilungspläne bzw. Produkt- und Leistungskataloge auf die Aufgaben heruntergebrochen. Für die Personalkosten je Stelle wurden die Daten des Innenministeriums für den Einzelplan 03 herangezogen, die auch die Personalnebenkosten sowie Kosten für Zukunftssicherung umfassen. Soweit erforderlich, wurde hier nach Laufbahnen unterschieden. Demnach umfassen etwa die Personalkosten für einen Beamten des gehobenen Dienstes durchschnittlich 49.439  jährlich. Umfang der Synergieeffekte

Anschließend hat sich die Kommission auf die Größenordnung des Synergieeffekts bei Bündelung der Aufgaben von vormals 50 Behörden in 16 größeren Behörden verständigt. Hierbei hat sie unterschieden zwischen fallzahlbezogenen Aufgaben und fallzahlunabhängigen Aufgaben. Unter fallzahlbezogenen Aufgaben sind alle diejenigen gefasst worden, bei denen der Arbeitsaufwand wesentlich von der Zahl der zu bearbeitenden Fälle oder Vorgänge abhängt. Hierunter wären beispielsweise Aufgaben aus dem Bereich Personal zu fassen: In größeren Behörden bearbeiten die Mitarbeiter des Personalbereichs Vorgänge für entsprechend mehr Beamte und Angestellte. Die Synergieeffekte bei der Zusammenlegung der Behörden speisen sich in diesem Fall vor allem aus einer besseren Arbeitsteilung und Spezialisierung. Aus der Wirtschaft sind hierzu einschlägige Erfahrungswerte bekannt, die nach Auffassung der Kommission im Sinne einer ersten Abschätzung auf diese polizeilichen Funktionen übertragen werden können: Die nach einer Zentralisierung realisierbaren Einsparungen bewegen sich zwischen 10 und 30 % der betrachteten Stellen. Die Kommission hat als eher konservativen Schätzwert für die fallzahlbezogenen Aufgaben Synergieeffekte in Höhe von 15 % angesetzt. Bei fallzahlunabhängigen Aufgaben wie etwa der klassischen Stabsaufgabe „Erarbeitung von Konzepten“ ist das Freisetzungspotential deutlich höher. Hier hat die Kommission den zukünftigen Personalbedarf ermittelt, indem sie den Durchschnitt der heute 16 größten KPB des Landes für die jeweilige Organisationseinheit ermittelt hat und auf diesen Wert wegen des zukünftig größeren Zuständigkeitsbereichs 10 % aufgeschlagen hat. Für einige Aufgabenbereiche wie die Leitstellen und die Spezialeinheiten hat die Kommission die Stellenauswirkungen ihrer Vorschläge durch aufgabenspezifischer Überlegungen ermittelt. Diese sind in den jeweiligen Abschnitten dieses Berichts dargestellt.

180

Es sei nochmals erwähnt, dass die so ermittelten Stellenzahlen nur eine Größenordnung benennen und eine detaillierte Personalbedarfsbemessung keinesfalls ersetzen können. Die Ergebnisse der Überlegungen innerhalb der Kommission sind im Folgenden daher auf ganze fünf Stellen gerundet angegeben.

14.4 Dauerhafte Stellenauswirkungen Die von der Strukturreform betroffenen Bereiche – Mittelebene sowie KPB ohne operative Basisdienststellen (Wachen, Kommissariate) – umfassen zzt. rund 10.200 Stellen, davon rund 9.900 im Landeshaushalt. Die Strukturreform setzt rund 2.400 Stellen (davon 2.100 im Landeshaushalt und 300 bei den Landratsbehörden) für andere Zwecke frei. Die folgende Grafik gibt einen Überblick, wie sich die Stellenauswirkungen der einzelnen Vorschläge darstellen.

RUND 2.100 DER 10.200 BETRACHTETEN STELLEN WERDEN DURCH DIE STRUKTURREFORM ANDERWEITIG VERFÜGBAR Stellen

186

2.000

43 2.091

108 183 277

1.500 183

4

346

370 1.000 100

97

338

-326 500 101

-112

1

Gesamt

Bündelung Ständige Stäbe

Bündelung Spezialeinheiten

Anbindung Autobahnpolizei an PP

Prävention an PD

Synergien Führungspos. PI/PD Synergien Führungsstellen PI/PD

Zentralisierung Technik

Übernahme Personalkosten Landkr. Synergien VL1 und VL2

Synergien Leitstellen

Qualitäts- und Prozessentwicklung Synergien Führungs- /Lagedienst

Synergien Stäbe KPB Synergien Führungsstellen

Freisetzung Stellen in BR Synergien Führungspos. KPB

0

Neue Abteilungsstruktur

192

Abb. 5 Dauerhafte Stellenauswirkungen

Für den Landeshaushalt entspricht dieses Dispositionspotential etwa 114 Mio. . Dieser Wert umfasst die Personalkosten inklusive der Versorgungs- und Beihilfekosten. Ausführlich werden die Reformvorschläge in den Kapiteln 9, 10 und 13 diskutiert. An dieser Stelle sollen ihre Stellenauswirkungen kurz zusammengefasst werden.

PERSONELLE UND SÄCHLICHE AUSWIRKUNGEN

181

10.200 Stellen erfasst

Entfallen der Mittelebene Wenn die Polizeibehörden direkt dem Innenministerium unterstellt werden, können die heutigen Aufgaben der Dezernate 25 und 26 teilweise entfallen und teilweise auf die Behörden bzw. das Innenministerium verlagert werden.

Dez. 25 und 26 der Bezirksregierungen, ohne Autobahnpolizei Zusätzliche Stellen im IM, Abt. 4

Stellen im Status quo

Stellen nach Umsetzung der Reform

Dispositionspotential

335

145

190

davon 15–20

Gesamt Tabelle 6 Stellen der Bezirksregierungen überwiegend zu Polizeibehörden

0 190

Verlagerung der Aufgaben der Dezernate 25 und 26 der Bezirksregierungen

Unsere grobe Aufgabenanalyse auf der Basis der Geschäftsverteilungspläne hat gezeigt, dass insbesondere in den Bereichen Leitstellen, Führungs- und Lagedienst, IuK und Kraftfahrangelegenheiten personelle Freisetzungen möglich sind. Die detaillierten Betrachtungen hierzu sind im Anhang wiedergegeben. Die Autobahnpolizei ist bei den hier aufgeführten Zahlen nicht einbezogen, da sie in einem eigenen Abschnitt weiter unten separat betrachtet wird. Die 145 nach der Reform verbleibenden Stellen aus dem heutigen Aufgabenbereich der Bezirksregierungen sind nach dem Entfallen der Mittelebene zum größten Teil (knapp 130 Stellen) den Polizeibehörden zuzuordnen, zum kleineren Teil (etwa 15 bis 20 Stellen) dem Innenministerium. Synergien bei Führungspositionen der Polizeibehörden Da die Zahl der KPB von 50 auf 16 Polizeibehörden reduziert wird, werden zukünftig nur noch 16 Behördenleiter, Leiter der Abteilung VL, Leiter ZKB und Leiter der Abteilungsstäbe benötigt. Die Ebene der Leiter der Abteilung GS entfällt zukünftig, daraus ergeben sich weitere Einsparungen. Die Pressestellen der 20 Polizeipräsidien sind heute mit durchschnittlich fast fünf Stellen besetzt; an dieser Durchschnittsgröße soll auch für die neuen größeren Behörden festgehalten werden. Die Vorschläge der Kommission zur Schaffung einer Abteilung Operative Unterstützung und einer Abteilung Verkehr erhöhen den Personalbedarf dagegen. In der Summe ergibt sich ein Dispositionspotential von etwa 100 Stellen.

182

Stellen im Status quo im Landeshaushalt

Stellen nach Umsetzung der Reform

Dispositionspotential

Leitung Behörde

20

16

4

Vorzimmer Behördenleitung

20

16

4

Leitung VL

20

16

4

Leitung GS

49

0

49

Leitung Abteilungsstab

39

16

23

Presse und Öffentlichkeitsarbeit

97

80

17

Leitung ZKB

49

16

33

Leitung Operative Unterstützung

0

16

-16

Leitung Verkehr

0

16

-16

294

192

102

Gesamt Tabelle 7

Synergien bei den Führungsfunktionen der Polizeibehörden

Synergien bei der Stabsarbeit Die bisherigen Abteilungsstäbe werden zu Führungsstäben der Behördenleitung aufgewertet und personell verstärkt. Maßstab für die Kommission war dabei die Durchschnittsgröße der bislang 16 größten Abteilungsstäbe, nämlich 23 Stellen je Behörde (ohne Ständige Stäbe, Führungs- und Lagedienst sowie Leitstellen). Diesen wurden wegen des größeren Verantwortungsbereiches noch 10 % zugeschlagen, so dass eine Durchschnittsstärke von 25 Stellen je Behörde zukünftig Leitlinie sein sollte. Damit ergibt sich ein zukünftiger Bedarf von 400 Stellen landesweit (25 x 16). Ähnliches gilt für die Führungsstellen der ZKB. Im Status quo sind hier landesweit 210 Stellen gebunden, bzw. durchschnittlich 4,3 Stellen je Behörde. Die Kommission hält für die zukünftige größere Behörde eine Aufstockung auf durchschnittlich sieben Stellen je Behörde für nötig. Der zukünftige Personalbedarf umfasst demnach rund 110 Stellen. Stellen im Status quo im Landeshaushalt

Stellen nach Umsetzung der Reform

Dispositionspotential

Abteilungsstäbe (ohne Leitung)

740

400

340

Führungsstellen ZKB

210

110

100

Gesamt

950

510

440

Tabelle 8

Synergien bei der Stabsarbeit

PERSONELLE UND SÄCHLICHE AUSWIRKUNGEN

183

Verstärkung Qualitäts- und Prozessentwicklung Die Kommission schlägt vor, eine dezidierte Organisationseinheit „Qualitäts- und Prozessentwicklung“ in jeder verbleibenden Behörde zu schaffen, die mit etwa sieben Stellen je Behörde auszustatten wäre. Daraus resultiert ein StellenMehrbedarf von rund 110 Stellen. Stellen im Status quo im Landeshaushalt

Stellen nach Umsetzung der Reform

Qualitäts- und Prozessentwicklung

0

110

-110

Gesamt

0

110

-110

Tabelle 9

Dispositionspotential

Verstärkung Qualitäts- und Prozessentwicklung

Führungs- und Lagedienst, Leitstellen Im Führungs- und Lagedienst finden sich bislang rund 335 Stellen, oder durchschnittlich 6,8 je Behörde. Orientierungswert für den Stellenbedarf in den zukünftigen größeren Behörden war wieder der Durchschnitt der heute 16 größten Führungs- und Lagedienste, nämlich 12,4 Stellen. Darauf ist aus Sicht der Kommission ein Aufschlag von 20 % vorzunehmen, da die Anzahl der zu bearbeitenden Lagen insgesamt nicht zurückgeht. Damit liegt der Leitwert für die Führungs- und Lagedienste künftig bei 15 Stellen je Behörde. Dispositionspotential bei den Leitstellen

Bei den Leitstellen dürfte das Dispositionspotential noch deutlich höher liegen. Wenn nur noch 16 Leitstellen statt heute 49 (ohne WSPP plus fünf bei den Bezirksregierungen) existieren, können diese größeren Leitstellen in aufkommensarmen Zeiten (nachts) viel effizienter arbeiten sowie durch mehr Möglichkeiten beim Schichtmanagement mit – relativ gesehen – weniger Personal auskommen. Die Kommission schätzt, dass zukünftig nur noch 200 der heute landesweit 240 Leitplätze gebraucht werden und dass 66 % der heutigen Stellen ausreichen, um diese Leitplätze bedarfsgerecht zu besetzen. Stellen im Status quo im Landeshaushalt

Stellen nach Umsetzung der Reform

Dispositionspotential

335

240

95

Leitstellen

1.090

720

370

Gesamt

1.425

960

465

Führungs- und Lagedienst

Tabelle 10

184

Führungs- und Lagedienst, Leitstellen (ohne das Präsidium der Wasserschutzpolizei)

Verwaltung und Logistik Bei der Zusammenlegung von 50 zu 16 Behörden werden auch im Verwaltungsbereich Ressourcen frei. Im Status quo finden sich hier 3.780 Stellen im Landeshaushalt sowie 325 Stellen in den Haushalten der Landratsbehörden. Die folgenden Überlegungen beziehen sich auf das Gesamtpersonal von rund 4.100 Stellen, ohne dass es der Kommission möglich wäre, die Freisetzungen genau dem einen oder anderen Haushalt zuzuordnen. Wieder war eine Aufgabenanalyse die Grundlage zur Identifizierung des Dispositionspotentials, die im Detail im Anhang wiedergegeben ist. Für die meisten Aufgaben in VL 1 und VL 2 griff die Kommission auf den Erfahrungswert von 15 % zurück, der das Synergiepotential für fallzahlengetriebene Aufgaben, die im hier beschriebenen Umfang gebündelt werden, beschreibt (vgl. oben zur Methodik). Aus den Bereichen Wirtschaft, Haushalt, Personal und Öffentlichkeitsarbeit werden einige Stellen zu den zukünftigen Polizeidirektionen und -inspektionen verlagert; dies ist für die Zwecke der Wirtschaftlichkeitsberechnung als Stellenverschiebung zu bewerten, die das Dispositionspotential insgesamt nicht erhöht. Stellen im Status quo

Stellen nach Umsetzung der Reform

Dispositionspotential

VL 1

1.300

1.090

210

VL 2

960

825

135

VL 3

1.750

1505

245

200

180

20

Zusätzlicher Personalbedarf ZPD

-

80

-80

Zusätzlicher Personalbedarf IM

-

5

-5

95

95

0

4.305

3.780

525

Technik und IT bei WSPP, LKA und IAF

Polizeiärztlicher Dienst Gesamt Tabelle 11

Verwaltung und Logistik

Für VL 3 greift über das Synergieargument hinaus der Kommissionsvorschlag zur Zentralisierung des Technikbetriebs. Dies ermöglicht auch Einsparungen bei der Technik im Wasserschutzpräsidium, beim Landeskriminalamt und beim IAF. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass für das Management der Technikanforderungen rund 85 neue Stellen bei den ZPD und im Innenministerium erforderlich werden. Details hierzu sind im Kapitel 13 beschrieben.

PERSONELLE UND SÄCHLICHE AUSWIRKUNGEN

185

4.100 Stellen Bereich VL erfasst

Hinsichtlich des Polizeiärztlichen Dienstes weist die Kommission auf einen besonderen Prüfungsbedarf hin; dieser Bereich lässt zunächst keine Freisetzungsmöglichkeiten erkennen. Polizeidirektionen und Polizeiinspektionen Weniger Führungsstellen

Auf der Ebene unterhalb der Polizeibehörden sind zukünftig etwa 30 Polizeidirektionen (im ländlichen Raum) und 32 Polizeiinspektionen (in den Großstädten) angesiedelt. Damit entfallen 65 der heute existierenden 127 Polizeiinspektionen. Hieraus ergeben sich Konsequenzen für den Personalbedarf bei den Inspektionsleitern und Führungsstellen: 65 Inspektionsleiter können entfallen. Da die Leitungen der neuen Inspektionen und Direktionen gegenüber den heutigen Inspektionen einen deutlich vergrößerten geografischen Zuständigkeitsbereich haben, sollten sie durch je ein halbe Stelle im Vorzimmer verstärkt werden. Hieraus resultiert ein Stellenmehrbedarf von 31 Stellen. Außerdem wird in den Polizeidirektionen je ein Leiter des Ermittlungsdienstes für die Kriminalitätsbekämpfung zuständig sein. Dies impliziert einen Mehrbedarf von 30 Stellen. Stellen im Status quo

Stellen nach Umsetzung der Reform

Dispositionspotential

127

62

65

Vorzimmer PI/PD

0

31

-31

Leitung Ermittlungsdienst

0

30

-30

Führungsstellen

770

495

275

Prävention

715

535

180

1.610

1.150

460

Leitung PI/PD

Gesamt (gerundet) Tabelle 12

Polizeidirektionen und Polizeiinspektionen

Bei den Führungsstellen hält die Kommission für die größeren Polizeidirektionen und -inspektionen einen Durchschnitt von acht bis zehn Stellen, für die kleineren Direktionen und Inspektionen einen Wert von sechs bis acht Stellen für angemessen. Damit kann die Stellenzahl von heute 770 Stellen landesweit für Führungsstellen in Polizeiinspektionen/Polizeidirektionen zukünftig auf etwa 495 (32 x 7 Stellen + 30 x 9 Stellen) sinken. Präventionsdienststellen bei den PD

Im Bereich Prävention sind heute landesweit 715 Stellen in den Kommissariaten Vorbeugung der KPB angesiedelt. Bei der Bündelung zu 16 Behörden entfallen

186

zunächst die insgesamt 480 Stellen in den 33 zu schließenden Behörden. Die Kommission schlägt jedoch vor, alle Polizeidirektionen mit Präventionsdienststellen zu verstärken, die etwa zehn Stellen stark sein sollten. Der Mehrbedarf von 300 Stellen (30 Polizeidirektionen x 10 Stellen) ist den 480 Stellen durch Bündelung gegenüberzustellen. Insgesamt bleibt für den Bereich Prävention eine Stellenersparnis von 180 Stellen. Autobahnpolizei Die Autobahnpolizei soll zukünftig an die neuen Abteilungen Verkehr der Polizeibehörden angebunden werden. Damit entfallen die acht Stellen für die Leiter der Autobahnpolizeiinspektionen sowie rund 125 Stellen in den Leitungsstäben der Autobahnpolizei. Die Zentralisierung des Technikbetriebs macht insbesondere die rund 63 Stellen für Polizeitechnik und IT in den Leitungsstäben (in den eben genannten 125 Stellen enthalten) entbehrlich. Das Gleiche gilt zunächst für die 45 Stellen für den Führungsdienst bei den Autobahnpolizeiinspektionen, im Gegenzug sind jedoch Führungsstellen bei den Abteilungsleitern Verkehr in den Behörden einzurichten. Die Kommission geht hier von einer Durchschnittsgröße von vier bis fünf Stellen pro Behörde aus. Stellen im Status quo im Landeshaushalt Leitung Autobahnpolizeiinspektionen Leitung Autobahnpolizei Führungsstellen Autobahnpolizei Gesamt (gerundet) Tabelle 13

Stellen nach Umsetzung der Reform

Dispositionspotential

8

0

8

125

0

125

45

70

-25

180

70

110

Autobahnpolizei

Spezialeinheiten und Ständige Stäbe Die Daten für den Status quo weisen 70 Stellen für Ständige Stäbe aus. Fasst man diese zukünftig an drei Standorten zusammen und setzt den Personalbedarf mit 1:8 je Standort an, dann beläuft sich der Stellenbedarf zukünftig auf 27 (3 Standorte x 9 Stellen). Bei den Spezialeinheiten können nach den in Abschnitt 10.1.2.6 vorgestellten Überlegungen der Kommission 156 Stellen in den Einheiten und 30 Stellen in den entsprechenden Führungsstellen entfallen. Ausgangsbasis sind hier 808 (gerundet

PERSONELLE UND SÄCHLICHE AUSWIRKUNGEN

187

Autobahnpolizei zu den Polizeibehörden

810) Sollstellen; von denen sind gemäß Meldungen der Behörden über die tatsächliche Personalverwendung ohnehin nur rund 605 Stellen besetzt. Stellen im Status quo im Landeshaushalt

Stellen nach Umsetzung der Reform

Dispositionspotential

70

27

43

Spezialeinheiten

810

625

185

Gesamt

880

660

220

Ständige Stäbe

Tabelle 14

Spezialeinheiten

Zusammenfassung Die folgende Tabelle zeigt die Summe aller eben dargestellten Auswirkungen auf. Insgesamt werden durch die Neuorganisation dauerhaft rund 2.100 Stellen in Führungs- und Verwaltungsfunktionen entbehrlich, die für andere polizeiliche Zwecke eingesetzt oder auch eingespart werden können. Stellen im Status quo im Landeshaushalt Gesamteffekt Reform (gerundet) Tabelle 15

9.900

Stellen nach Umsetzung der Reform 7.800

Dispositionspotential

2.100

Zusammenfassung Dispositionspotential

Für die öffentliche Hand insgesamt – also unter Einbezug der Kommunen – beträgt das Dispositionspotential sogar 2.400 Stellen. In Euro umgerechnet beläuft sich das Dispositionspotential im Landeshaushalt auf rund 114 Mio.  jährlich. Auf kommunaler Seite werden Mittel in Höhe von rund 26 Mio.  (für gut 300 Stellen und die zugehörigen arbeitsplatzbezogenen Sachkosten) frei.

14.5 Dauerhafte Auswirkungen auf Sachkosten Sachkosten nur vorübergehend steigend

Die Kommission hat die Auswirkungen der Reformvorschläge auf die Sachkosten im Landeshaushalt geprüft, aber für vernachlässigbar befunden. Sowohl bei den Liegenschaften als auch bei den Reisekosten sind über mehrere Jahre hinweg Zunahmen einzukalkulieren (siehe den folgenden Abschnitt „Umstellungskosten“), die jedoch bei erfolgreich umgesetzter Reform wieder zurückgehen werden, etwa indem nicht mehr benötigte Gebäude verkauft bzw. abgemietet werden.

188

14.6 Umsetzungskosten Die Kommission rechnet mit Umsetzungskosten von insgesamt rund 76 Mio. , die sich auf mehrere Jahre verteilen. Kosten für bauliche Veränderungen (Neubau oder Kauf von Gebäuden, Umbauten) sind in dieser Summe nicht enthalten: Sie müssten nach einer Überprüfung des Gebäudebestandes mit Hilfe des BLB ermittelt werden und waren für die Kommission nicht abschätzbar. Die Umsetzungskosten stellen sich im Überblick wie folgt dar: Position

Beschreibung

Schätzwert

1.

Neuausstattung der verbleibenden Leitstellen (200 Leitplätze à 80.000 , zuzüglich Anpassung Software und Anbindung Relaisstellen)

18.700.000 

2.

Räumliche Veränderungen (temporär höhere Mietkosten, Arbeitsplatzumzüge, Umzugskostenvergütungen bei Privatumzügen)

55.000.000 

3.

Einführungsmanagement (externe Unterstützung, Fortbildungen für das interne Projektteam, Reisekosten des internen Projektteams)

2.200.000

Gesamt (gerundet)

76.000.000 

Tabelle 16

Umsetzungskosten

Zu 1.: Die Kosten für die Neuausstattung der Leitstellen sind im Abschnitt 13.9.1 näher dargestellt. Zu 2.: Die Neuorganisation wird vorübergehend höhere Mietkosten verursachen, da die aufzustockenden Organisationseinheiten einen zusätzlichen Raumbedarf haben, erfahrungsgemäß die abgebenden Organisationseinheiten jedoch einige Zeit brauchen, um ihre Mietkosten wirksam zu senken. Die Kommission geht von Gebäudekosten aus, die über einen Umsetzungszeitraum von fünf Jahren hinweg maximal 5 % über den heutigen Gebäudekosten von jährlich rund 140 Mio.  (Mieten und Pachten an BLB und andere) liegen. Dies würde insgesamt Zusatzkosten von 7 Mio.  x fünf Jahre oder 35 Mio.  verursachen. Spätestens nach fünf Jahren sollte es gelungen sein, frei werdende Räume abzumieten oder anders zu verwerten. Zusätzlich sind rund 12 Mio.  für die technische Ausstattung der temporär zusätzlich notwendigen Räume zu veranschlagen. Auf rund 2.500 Arbeitsplätze bezogen entspricht dies durchschnittlichen Kosten von 4.800  pro Arbeitsplatz. Hierin sind PC, Telekommunikationsanlagen, Funkausstattung, Sicherheitsausstattung und weitere gebäudebezogene Positionen enthalten.

PERSONELLE UND SÄCHLICHE AUSWIRKUNGEN

189

Umsetzungskosten rd. 76 Mio. 

Hinzu kommen die Kosten für Arbeitsplatzumzüge und für die Unterstützung von privaten Umzügen, soweit diese erforderlich werden. Die Kommission rechnet mit rund 3.000 Arbeitsplatzumzügen (vor allem in den Bereichen VL und Leitstellen), die jeweils mit Umzugskosten von 350  pro Arbeitsplatz veranschlagt wurden. Damit ergeben sich Kosten von 1 Mio. . Die meisten Arbeitsplätze liegen zukünftig nicht mehr als 50 km entfernt vom heutigen Standort, bis zu 600 Menschen (20 % der Arbeitsplatzumzüge) könnten jedoch als mittelbare Folge der Neuorganisation ihren privaten Wohnsitz verlegen. Dadurch kämen Zusatzkosten von rund 7 Mio.  oder 11.000  je umziehenden Mitarbeiter (Mietentschädigung, Umzugskostenvergütung oder Trennungsentschädigung) auf die Polizei zu. In der Summe sind die Umsetzungskosten durch räumliche Veränderungen auf 35 Mio.  (höhere Mietkosten) + 12 Mio.  (technische Ausstattung) + 1 Mio.  (Arbeitsplatzumzüge) + 7 Mio.  (private Umzüge) = 55 Mio.  zu veranschlagen. Zu 3.: Die Vorstellungen der Kommission zur Umsetzung ihrer Vorschläge sind in Kapitel 15 dargelegt. Die Freistellungen für das interne Projektteam gehen nicht in die Wirtschaftlichkeitsberechnungen ein, da sie aus dem Dispositionspotential heraus erfolgen können. Die geschätzten Fortbildungs- und Reisekosten für das interne Projektteam (Annahme: rund 200.000 ) sowie die Unterstützung durch externe Berater (Annahme: rund 2.000.000 ) verursachen zusätzliche Kosten von rund 2.200.000 .

190

14.7 Barwertberechnung und Break-even-Analyse Für eine vollständige Wirtschaftlichkeitsberechnung müssen die finanziellen Auswirkungen der Reform – Einsparungen ebenso wie Zusatzaufwendungen und Anlaufkosten – im Zeitablauf dargestellt werden. Die Kommission hat hierzu die nachfolgenden Annahmen getroffen. • • •



• • • • •

Die Reform kann innerhalb von fünf Jahren vollständig umgesetzt werden. Nach diesen fünf Jahren kommen in voller Höhe die dauerhaften finanziellen Effekte zum Tragen. In der Übergangszeit verteilt sich die Zunahme der dauerhaften Effekte gleichmäßig auf die fünf Jahre, d. h., jährlich treten weitere 20 % des endgültigen Effektes ein. Das Jahr 2005 wird für die politische Entscheidung über die Reform und die Vorbereitung der Umsetzung benötigt. Die eigentliche Umsetzung beginnt Anfang 2006. Kosten für Fortbildungen zum Einführungsmanagement sowie für externe Beratung fallen im ersten Umsetzungsjahr an. Kosten für Arbeitsplatzumzüge und Reisekosten für Einführungsmanagement fallen in den ersten zwei Jahren an, 2006 und 2007. Die neue Technikausstattung der Leitstellen wird in den ersten drei Umsetzungsjahren fällig. Kosten wegen privater Umzüge fallen in den ersten vier Umsetzungsjahren an. Die vorübergehend höheren Mietkosten sind gleichmäßig über fünf Jahre (2006 bis 2010) verteilt.

Selbstverständlich gilt auch hier, dass diese Annahmen im Rahmen der Umsetzungsplanung einer sorgfältigen Beleuchtung bedürfen. Die Wirtschaftlichkeitsberechnung ist eine Gegenüberstellung von Einmaleffekten (Umsetzungskosten122, ggf. eingesparte Investitionen) und Dauereffekten (Einsparungen und Zusatzkosten). Die Kommission nennt jedoch kein Einsparpotential als solches, sondern schätzt das Dispositionspotential ab, d. h. die Zahl der Stellen, die durch die Neuorganisation frei werden. Ob das Dispositionspotential für Einsparungen oder für andere Aufgaben, etwa zur Verstärkung der operativen 122

Die aufaddierten Umsetzungskosten von 77 Mio.  weichen rundungsbedingt vom im Abschnitt 14.6 genannten Wert von 76 Mio.  ab.

PERSONELLE UND SÄCHLICHE AUSWIRKUNGEN

191

Annahmen für Einsparungen und Aufwendungen

Polizeiarbeit, verwendet wird, ist eine politische Entscheidung, der die Kommission nicht vorgreifen kann. Drei Szenarien zur Wirtschaftlichkeitsberechnung

Für die Wirtschaftlichkeitsberechnung sind jedoch Annahmen über das Einsparpotential erforderlich. Die Wirtschaftlichkeitsberechnung wird daher in drei Szenarien durchgeführt: • • •

Szenario 1: Das Dispositionspotential wird zu 100 % für Einsparungen genutzt. Szenario 2: Das Dispositionspotential wird zu 50 % zur Verstärkung der operativen Arbeit, zu 50 % für Einsparungen genutzt Szenario 3: Das Dispositionspotential wird zu 100 % für die Verstärkung der operativen Arbeit genutzt

Im Szenario 1 rentiert sich die Neuorganisation bereits im zweiten Jahr der Umsetzung: denn schon dann übersteigen die kumulierten Einsparungen in Höhe von rund 67 Mio.  die kumulierten Umsetzungskosten von 46 Mio. .

SZENARIO 1: BREAK-EVEN DER POLIZEIREFORM BEREITS IM ZWEITEN UMSETZUNGSJAHR ERREICHBAR Annahme: 100 % des Freisetzungspotentials als Einsparung realisiert Mio. 

500

400

Dauereffekte/ Einsparungen

300

Umsetzungskosten Kumulierte Werte

200

100 0

68

91

114

45

-24

-22

-15

-9

-7

2006

2007

2008

2009

2010

23

0

114

114

2011

2012

-100 2005

BauBau- und und Umbaukosten Umbaukosten wegen wegen verändertem verändertem Bedarf Bedarf an an Räumlichkeiten Räumlichkeiten hier hier nicht nicht berücksichtigt berücksichtigt

Abb. 6 Szenario 1

192

Beim zweiten Szenario ist der „Break-even-Punkt“ – also der Zeitpunkt, zu dem die kumulierten Einspareffekte die kumulierten Umsetzungskosten übersteigen – im Jahr 2008 erreicht, wie die folgende Grafik deutlich macht.

AUCH WENN NUR 50 % DES POTENTIALS ALS EINSPARUNG UMGESETZT WIRD, LOHNT DIE STRUKTURREFORM WIRTSCHAFTLICH Szenario 2: Break-even im Jahr 2008 Mio. 

500

400

Dauereffekte/ Einsparungen

300

Umsetzungskosten Kumulierte Werte

200

100 0

11

23

34

0

45

57

-24

-22

-15

-9

-7

2006

2007

2008

2009

2010

57

57

2011

2012

-100 2005

BauBau- und und Umbaukosten Umbaukosten wegen wegen verändertem verändertem Bedarf Bedarf an an Räumlichkeiten Räumlichkeiten hier hier nicht nicht berücksichtigt berücksichtigt

Abb. 7 Szenario 2

Im Szenario 3 ist der wirtschaftliche Effekt der Reform – zumindest isoliert betrachtet – negativ. Den Umsetzungskosten von 76 Mio.  stehen rein finanziell gesehen keine Einsparungen gegenüber. Steht man jedoch auf dem Standpunkt, dass ohne die Reform in erheblichem Umfang neue Kräfte zur Verstärkung der operativen Polizeiarbeit eingestellt werden müssten, dann trägt die Reform auch in diesem Szenario zur Senkung dieser zusätzlichen Personalkosten bei und hat in diesem Umfang durchaus positive wirtschaftliche Effekte. Als Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung bleibt festzuhalten: die von der Kommission vorgeschlagene Neuorganisation der Polizei hat auch wirtschaftlich gesehen positive Effekte. Dies ergibt sich aus den substantiellen dauerhaften Einspareffekten – selbst dann, wenn nicht alle frei gewordenen Stellen auch tatsächlich eingespart werden –, denen vergleichsweise geringe Umsetzungskosten gegenüberstehen.

PERSONELLE UND SÄCHLICHE AUSWIRKUNGEN

193

Auch wirtschaftlich positives Ergebnis

15 Vorschläge zur Methodik der Umsetzung und der Evaluation (Erfolgskontrolle) Die erfolgreiche Umsetzung der von der Kommission vorgeschlagenen Neuorganisation hat für die nordrhein-westfälische Polizei wie auch für das Land eine hohe Bedeutung. Die Größe und die Komplexität dieses Vorhabens stellen die Umsetzung vor besondere Anforderungen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass aufgrund zahlreicher Veränderungsprojekte der letzten Jahre (z.B. Neues Steuerungsmodell, Verwaltungsmodernisierung) gerade bei der Polizei eine gewisse „Veränderungsmüdigkeit“ zu bemerken ist. Dies wurde auch durch die Mehrzahl der Anhörungen bestätigt. 15.1 Umsetzungsmanagement Die Kommission schlägt daher vor, die Neuorganisation der KPB durch ein professionelles Umsetzungsmanagement umzusetzen. Ziel ist es, diese Strukturreform innerhalb des zu definierenden Zeit- und Ressourcenrahmens umzusetzen und dabei die Motivation der Mitarbeiter so gut wie möglich zu erhalten und zu fördern. Damit dies erreicht wird, ist es wichtig, dass die Mitarbeiter gut informiert sind über das Strukturreformprojekt und dass eine dialogorientierte Kommunikation entsteht. Dies bedingt aber immer eine Kultur von Offenheit und Vertrauen. So können aus Betroffenen Beteiligte werden. Das hier empfohlene Umsetzungsmanagement berücksichtigt genau diese Aspekte.

15.2 Projektorganisation Da die Linienorganisation nicht in der Lage sein wird, dieses Veränderungsprojekt neben ihren umfangreichen Arbeitsaufgaben zusätzlich zu übernehmen, gilt es eine entsprechende mehrstufige Projektorganisation aufzubauen. Nur so ist die Umsetzung dieses Strukturreformprojektes und die Eingliederung in die bestehende Linienorganisation gewährleistet. Die Projektorganisation besteht aus: • • • •

194

Lenkungsausschuss Gesamtprojektsteuerung Zentralen Teilprojekten (u. a. Veränderungsteam, Prozessteam) Dezentralen Teilprojekten.

Abb. 8 Projektorganisation

15.2.1 Lenkungsausschuss Der Lenkungsausschuss ist ein temporäres, projektbegleitendes Gremium und ist die vorgesetzte Instanz der Gesamtprojektsteuerung. Hier werden u. a. die Projektaktivitäten ergebnisverantwortlich überwacht und die für die Durchführung des Projektes notwendigen Entscheidungen getroffen. Der Lenkungsausschuss besteht aus den Entscheidungs- und Verantwortungsträgern - unter anderem aus dem zuständigen Staatssekretär, dem Abteilungsleiter 4, der Personalvertretung und sollte sechs bis acht Mitglieder umfassen. Der Lenkungsausschuss tritt in einem zweimonatlichen Rhythmus zusammen. Hier berichtet die Gesamtprojektsteuerung.

15.2.2 Gesamtprojektsteuerung Die Gesamtprojektsteuerung konkretisiert die einzelnen Teilprojekte und Maßnahmen, legt Meilensteine und Verantwortlichkeiten fest und definiert das Umsetzungscontrolling. Dazu zählt auch die Überwachung der Zeit- und Phasenplanung. Außerdem sind hier alle übergreifenden Umsetzungsfragen - wie etwa die Verfah-

VORSCHLÄGE ZUR METHODIK DER UMSETZUNG UND EVALUATION

195

ren zur Neubesetzung von Führungspositionen oder die Prüfung der Konsequenzen aus dem veränderten Raumbedarf - angesiedelt. Die Mitglieder der Gesamtprojektsteuerung sollten sowohl aus dem Innenministerium Abteilung 4 wie auch aus verschiedenen Bereichen der Polizei von NRW kommen. Die Gesamtprojektsteuerung wird inklusive der zentralen Teilprojekte ca. 20 voll freigestellte Personen umfassen, die flexibel einsetzbar sind. Mit der Aufgabe des Gesamtprojektleiters sollte eine hochrangige, in Polizeikreisen anerkannte Person beauftragt werden. Für die sehr komplexen Projektaufgaben innerhalb des Umsetzungsmanagements, insbesondere für das Projektcontrolling, empfiehlt sich die Hinzunahme von externen Consultants, um professionelle Projektsteuerungs- und Umsetzungskompetenz an Bord zu haben.

15.2.3 Zentrale Teilprojekte Die im folgenden beschriebenen Aufgabenbereiche werden im Rahmen von zentralen Teilprojekten der Gesamtprojektsteuerung bearbeitet. Veränderungsteam

Aufgabenzuordnung und Prozesse

Um dem hohen Veränderungsbedarf Rechnung zu tragen, empfiehlt die Kommission ein Veränderungsteam als ein zentrales Teilprojekt zu initiieren. Die Mitglieder sollten über eine hohe soziale Kompetenz verfügen. Das Veränderungsteam hat die Aufgabe, den Veränderungsprozess im Rahmen des Strukturreformprojektes zu gestalten. Nur eine gute Information und Kommunikation führt zur Integration der betroffenen Mitarbeiter und macht sie zu Beteiligten. Das Veränderungsteam arbeitet ein Kommunikationskonzept aus, das die Information der Mitarbeiter über Veranstaltungen sowie über interne und externe Medien beinhaltet. Zu den flankierenden Maßnahmen gehört auch ein entsprechendes Projektmarketing, um über erste Projekterfolge in entsprechenden Medien zu berichten. Ein weiteres Teilprojekt beschäftigt sich mit der Aufgabenzuordnung und den Prozessen. Im Zuge der Strukturreform wird die Mittelebene aufgelöst, und der Verantwortungsbereich von Polizeibehörden und Polizeiinspektionen und –direktionen wird gestärkt. Daher sind für die betroffenen Polizei- und Verwaltungsaufgaben die Prozesse, Schnittstellen und Kompetenzen anzupassen. Ziel ist dabei, durch klare Zuordnungen und möglichst zusammenhängende Verantwortungsbereiche die Prozesse zu optimieren und die Transparenz über die Zuständigkeiten zu erhöhen. Teilweise können hierfür Aufgabenerhebungen und Pro-

196

zessanalysen nötig werden, um den Ressourceneinsatz und den Prozessablauf im Status Quo zu ermitteln. Die Notwendigkeit, Prozesse neu zu gestalten, ist im Bereich Technik am stärksten ausgeprägt. Ein eigenes Teilprojekt sollte die mit der Zentralisierung der Technik einhergehenden Umsetzungsmaßnahmen erarbeiten; dies betrifft personelle Veränderungen auch bei den ZPD, die Ressourcenzuordnung zu den einzelnen Behörden (Personal und Sachmittel) sowie die genaue Definition der Prozesse beispielsweise für die Definition von Anforderungen und für Technikbeschaffungen.

Technik

Es empfiehlt sich, in der zeitlichen Abfolge der Reformschritte die Technikreform möglichst früh anzugehen, da die mit der regionalen Neustrukturierung erforderlichen technischen Maßnahmen so erheblich erleichtert würden. Das Teilprojekt „Personal“ erarbeitet an vorderster Stelle das Verfahren für die Besetzung von Führungspositionen. Die Größe der neuen KPB sowie die Komplexität der Aufgabe macht es erforderlich, dass über Auswahlverfahren die Leitungsfunktionen besetzt werden. Die Auswahlverfahren sind in Verantwortung des Innenministeriums neu zu entwickeln. Auch hier wäre eine methodische Unterstützung durch das IAF sinnvoll. Für die weiteren personellen Veränderungen bietet sich die Einrichtung einer eigenen behördenübergreifenden Stellenbörse an.

Teilprojekt

Das Teilprojekt „Liegenschaften“ hat in Zusammenarbeit mit dem BLB den zukünftig benötigten Immobilienbedarf zu ermitteln und den vorhandenen Immobilienbestand kritisch zu sichten. Auf Basis der ermittelten Diskrepanzen werden dann die nötigen Umbaumaßnahmen für die Bereitstellung neuer Gebäude festgelegt und die Verwertung nicht mehr benötigter Gebäude organisiert.

Teilprojekt

Das Teilprojekt „Gesamtprojektcontrolling“ hat folgende Aufgaben:

Teilprojekt

„Personal“

„Liegenschaften“

„Gesamtprojekt-

• •



Es unterstützt den Gesamtprojektleiter bei der Steuerung der Umsetzung, indem es einen Gesamtplan erstellt und laufend aktualisiert. Es stellt die Verfolgung des Gesamtplans über regelmäßige Projektinformation im Lenkungsausschuss sowie über Gespräche mit den Teilprojektleitern sicher. Es sichert die jederzeitige Transparenz über den Stand der Umsetzungsmaßnahmen. Dies geschieht mittels eines fortlaufenden Soll-Ist-Vergleichs, der von den Umsetzungsmaßnahmen über die Kommunikation bis zur Finanz-

VORSCHLÄGE ZUR METHODIK DER UMSETZUNG UND EVALUATION

197

controlling“



wirksamkeit reicht. Auch die Wirkung der Kommunikationsmaßnahmen ist in regelmäßigen Abständen zu überprüfen. Es identifiziert zusammen mit den Teilprojektleitern die erfolgskritischen Punkte, sichert die notwendige Unterstützung und schafft die entsprechenden Entscheidungsgrundlagen.

15.2.4 Dezentrale Teilprojekte In jeder der 50 KPB sowie in den weiteren betroffenen Polizeiorganisationen (Bezirksregierungen und ZPD) wird je ein dezentrales Teilprojektteam installiert. Aufgabe dieser dezentralen Teilprojekte ist es, alle für ihre Behörde bzw. Einrichtung relevanten Umsetzungsschritte zu organisieren und durchzuführen sowie die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern und der zentralen Projektsteuerung sicherzustellen. Die Besetzung der Teilprojekte erfolgt aus den jeweiligen Organisationen heraus. Die Teilprojektleiter sind mit mindestens 50 % freizustellen und berichten an die Gesamtprojektsteuerung. Bei Bedarf müssen auch weitere Teammitglieder teilweise freigestellt werden können. Die Teilprojekte sind auf Basis der neuen Struktur so zu vernetzten dass der Aufbau der künftigen Behörden Struktur gewährleistet ist. Änderungsberater

Die Strukturreform wird auch Sorgen, Ängste und sogar Widerstände bei den Betroffenen auslösen. Die Auseinandersetzung damit sollte nicht allein den polizeilichen Führungskräften überlassen bleiben, die selbst von Veränderungen betroffen sind und angesichts der anspruchsvollen Polizeiarbeit nicht immer im ausreichenden Maße Zeit für die betroffenen Mitarbeiter haben. Deswegen schlägt die Kommission vor, für jede Behörde einen Änderungsberater zu benennen, der das Veränderungsteam vor Ort unterstützt. Er ist für die projektspezifische Kommunikation mit den Mitarbeitern zuständig, nimmt etwaige Sorgen und Nöte auf und leitet sie weiter. Die Änderungsberater berichten direkt an das zentrale Veränderungsteam und werden darüber auch begleitet und gesteuert. Damit ist auch ein direktes Feedback aus der Linie über den aktuellen Stand des Umsetzungsprojektes gewährleistet. Das auszuarbeitende Kommunikationskonzept detailliert auch die Rolle und entsprechenden Aufgaben der Änderungsberater. Pro heutiger Behörde ist eine fünfzigprozentige Freistellung zur Wahrnehmung dieser Aufgaben anzustreben. Das Projektteam „Evaluation“ wird in der Prozessphase Evaluation beschrieben.

198

15.3 Die Projektphasen des Umsetzungsmanagements

15.3.1 Übersicht über die Projektphasen Das Umsetzungsmanagement für dieses Projekt gliedert sich in die Phasen: • • • • •

Vorbereitung Initiierung Durchführung Abschluss des Strukturreformprojektes Erfolgskontrolle : Beginn dieses Projektes mit der Phase „Evaluation“

Die einzelnen Phasen werden nun im Detail beschrieben. 15.3.2 Vorbereitungsphase Diese Phase beginnt mit der politischen Grundsatzentscheidung für eine Umsetzung der Strukturreform auf Initiative des Innenministers. Die Zielsetzung dieser Prozessphase ist die Schaffung der Projektstrukturen und die Auswahl der Projektmitarbeiter durch den Innenminister. Es wird hierzu empfohlen, eine Stakeholder123-Analyse durchzuführen. So lässt sich schnell ermitteln, welche Bereiche und Personengruppen von der Veränderung in welchem Umfang betroffen sind. Die Mitglieder der Projektorganisation sind sorgfältigst und handverlesen auszuwählen. Die Erfahrungen aus der Stakeholder-Analyse sollten hier einfließen.

Stakeholder-

In diese Phase fällt auch das Wecken von Problembewusstsein bei den Polizeibeamten wie bei den Bürgern, das eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung ist. Dies kann etwa durch eine Artikelserie und begleitende Öffentlichkeitsarbeit geschehen. Die Sinnhaftigkeit der Strukturreform muss nachvollziehbar vermittelt werden. Die Kommission empfiehlt hier die Einbindung des Beratungsteams „Steuerung und Führung“ beim IAF.

Öffentlichkeits-

123

Stakeholder sind Personen oder Gruppen, die in einer Position sind, das Veränderungsprojekt zu beeinflussen oder durch dieses Projekt beeinflusst werden. Dabei kann es z.B. sich um Führungskräfte, Mitarbeiter, Bezirksregierung, Staatsanwaltschaft, oder auch eine Polizeigewerkschaft, handeln.

VORSCHLÄGE ZUR METHODIK DER UMSETZUNG UND EVALUATION

199

Analyse

arbeit

Diese Phase dient auch der Vorbereitung des IAF, um die umfangreichen Schulungsmaßnahmen aufzubauen. Dies sind z.B. Schulungen im Bereich Change – und Kommunikationsmanagement für Mitglieder der Projektorganisation. Für diese Phase wird ein Zeitrahmen von 2 Monaten empfohlen.

15.3.3 Initiierungsphase In der Initiierungsphase nimmt die Gesamtprojektsteuerung ihre Arbeit auf, um den Verlauf des Gesamtprojekts zu strukturieren, Teilprojekte und Meilensteine zu definieren, Verantwortungen zuzuordnen, den Ressourcenverbrauch zu planen sowie ein Projektcontrolling aufzubauen. Außerdem führt es eine Akzeptanzanalyse bei einer Stichprobe der betroffenen Mitarbeiter durch. Auf Basis dieser Analyse wird ein Konzept für das Kommunikations- und Änderungsmanagement erstellt. Auch die – ab nun freigestellten – Mitglieder der dezentralen Teams treten zusammen, werden geschult und arbeiten ihre detaillierten Umsetzungspläne aus. Die Schulung der Änderungsberater sollte insbesondere folgende Themenbereiche umfassen: Grundzüge Change und Kommunikations-Management, Kommunikationstechniken, Methoden für Beratungsgespräche, Umgang mit Widerständen und Konfliktmanagement. Für diese Phase ist ein Zeitrahmen von 2 Monaten vorgesehen.

15.3.4 Durchführungsphase Die Durchführungsphase beginnt mit einer Serie von Kommunikationsveranstaltungen in allen Behörden und betroffenen Einrichtungen, in denen die Strukturreform mit allen relevanten Details vorgestellt wird. Außerdem informieren die für die Kommunikation zuständigen Mitglieder des zentralen Steuerungsteams die Mitarbeiter während der gesamten Umsetzung mittels der vorhandenen Medien wie Intranet und „Streife“. Im Anschluss an die erstmalige umfassende Information der Mitarbeiter arbeiten die Projektteams ihre Umsetzungspläne ab, überprüfen Zielerreichung und Mittelverbrauch und leiten gegebenenfalls Korrekturmaßnahmen ein. Die Kommission empfiehlt, die Durchführungsphase auf ca. 18 Monate zu begrenzen. Dies dürfte

200

bei guter Vorbereitung und straffer Projektorganisation machbar sein, wie auch ein Vergleich mit den Strukturreformen anderer Bundesländer zeigt.

15.3.5 Abschlussphase Zum Abschluss wird das Projekt in seinem Verlauf und hinsichtlich erster Ergebnisse bewertet. Es wird empfohlen, eine Serie von „Lessons Learned Workshops“ durchzuführen. Vorbereitung, Moderation und Auswertung können vom IAF übernommen werden. Die Ergebnisse werden dokumentiert. So kann gewährleistet werden, dass das erworbene Know-how auch bei neuen Projekten der nordrheinwestfälischen Polizei zur Verfügung steht. Alle Projektteams (Gesamtprojektsteuerung, zentrale und dezentrale Teilprojekte) sind offiziell aufzulösen. Die Reintegration der Projektmitarbeiter in die Linienorganisation sollte über die Teilprojektleiter sorgsam überwacht werden. Es ist davon auszugehen, dass für ein Projekt mit dieser Tragweite ausschließlich die Leistungsträger aus dem Innenministerium und der Polizei benannt werden. Daher kommt der verantwortungsvollen Reintegration eine große Bedeutung zu. Nur so kann Demotivation vermieden werden.

15.3.6 Evaluationsphase Die Evaluation (Erfolgskontrolle) ist ein eigenständiges Projekt und beginnt ca. zwei Jahre nach dem Abschluss des Strukturreformprojektes. Ziel ist es, den Grad des Umsetzungserfolges zu messen. Die Mitglieder dieses Projektteams kommen aus dem Innenministerium Abteilung 4, dem Beratungsteam „Steuerung und Führung“ vom IAF und aus der ehemaligen Gesamtprojektsteuerung. Die Kommission empfiehlt, ein externes Beratungsunternehmen, z. B. aus dem Wissenschaftsbereich, verantwortlich hinzuzuziehen. So werden Interessenskonflikte ausgeschlossen und die erforderliche Neutralität ist gewährleistet. Das Projektteam hat die Aufgabe, die spezifischen Kennzahlen für die Evaluation zu erheben, die geeigneten Methoden auszuwählen und umzusetzen. Die Kommission empfiehlt, die Evaluationskriterien an die in Kapitel 8 dargestellten Bewertungskriterien anzulehnen, die zu der in diesem Bericht empfohlenen Neuor-

VORSCHLÄGE ZUR METHODIK DER UMSETZUNG UND EVALUATION

201

ganisation geführt haben. Dabei sollten Mitarbeiter-, Bürger- und Kundenbefragungen herangezogen werden. Auch die Entwicklung der Prozesseffizienz innerhalb der neuen Struktur in Bezug auf Zeit, Ressourcen und Qualität ist zu berücksichtigen. Die Kommission empfiehlt weiterhin, die Ergebnisse der Evaluation aus dem Modellversuch „Andere Führungsstrukturen“ bei den Polizeipräsidien Aachen und Köln sowie dem Bericht der Bull-Kommission zu verfolgen, um so noch weitere Anregungen für diese Evaluation zu gewinnen.

202

16 Schlussbemerkungen

Die umfangreiche Problematik einer Neuorganisation der Polizeistrukturen in Nordrhein-Westfalen kann auch eine intensive etwa einjährige Kommissionsarbeit nur in Grundzügen erfassen. Die Vorschläge des Kommissionsberichtes sind von daher als Grundaussagen und Empfehlungen und nicht als abschließende Stellungnahme in konkreten Einzelfragen zu werten. Hier müssen erst die weiteren Erörterungen und Untersuchungen im politischen Entscheidungsprozess und im Umsetzungsverfahren die Konturen noch schärfen. Das Hauptziel, Polizeiarbeit effektiv, wirtschaftlich und bürgernah zu gestalten, kann nach Überzeugung der Kommission bei konsequenter Umsetzung der Empfehlungen weitgehend erreicht werden. Der Einsatz des erheblichen personellen Dispositionspotentials kann spürbar die Sicherheit und das Sicherheitsgefühl der Bürger steigern. Reformierte Prozessabläufe werden die Qualität polizeilicher Arbeit merkbar verbessern. Die veränderten Organisationsstrukturen bilden dafür eine entscheidende Rahmenbedingung. Um das Reformziel zu erreichen, müssen aber weitere hinzutreten: motivierte Mitarbeiter, eine Organisationskultur, die auf Vertrauen aufbaut, Akzeptanz und Unterstützung bei Bürgern sowie breiter Rückhalt durch die Politik. Die Anforderungen der Zukunft sind, mitbestimmt durch einen tief greifenden Wandel gesellschaftspolitischer Vorstellungen und Verhaltensweisen, einer rasanten Technikentwicklung mit Auswirkungen auf viele Erscheinungsformen der Kriminalität, nur zu bewältigen, wenn polizeiliche Arbeit sich rechtzeitig darauf vorbereitet und einstellt – auch im internationalen Maßstab. Eine lebende und lernende Organisation ist dazu gefordert. Behördenstruktur, Zielvorgaben, Denk- und Verhaltensweisen der Mitarbeiter müssen ineinander greifen und sich fortentwickeln. Erfolg ist erst gewährleistet, wenn Organisation, Führungs- und Steuerungsformen überzeugen und akzeptiert werden, und auch die Bürger erkennen, dass die Reform ihnen Nutzen bringt. Damit erhält das Vorgehen bei der Umsetzung der vorgeschlagenen Organisationsänderungen entscheidendes Gewicht. Wo Umstrukturierungen sich spürbar auswirken, muss eingehend informiert, müssen die Probleme offen diskutiert werden. Dies ist ein bedeutsamer Prüfstein für

SCHLUSSBEMERKUNGEN

203

eine Vertrauenskultur und zugleich wesentliche Voraussetzung für die angestrebte Akzeptanz. Zutreffen dürfte das z. B. für den Übergang vom drei- zum zweistufigen Behördenaufbau. Hier gilt es, deutlich zu machen, dass mit ihm keine Zentralisierung und Hochzonung von Aufgaben verbunden ist, sondern vielmehr die wesentlichen Tätigkeiten der mittleren Ebene auf die gestärkten Polizeibehörden übergehen, deren Verantwortungsraum damit erweitert und eine Hierarchieebene einspart werden kann. Die Vergrößerung der Polizeibehörden und die Eingliederung der kleineren ländlichen Behörden sollte sorgfältig erläutert und diskutiert werden mit dem Ziel, Akzeptanz dafür zu erreichen, dass über die vorgeschlagenen Begleitmaßnahmen (z. B. Beibehalten der Basisstrukturen, Polizeiausschüsse) kommunale Interessen an der Polizeiarbeit weiterhin einfließen und eine intensive Verbindung mit den bisherigen Einheiten gewährleistet bleibt. Eine adressatengerechte Information und Beteiligung sollte sich darum bemühen, Betroffene zu Beteiligten zu machen und damit den Umstrukturierungsprozess transparent zu gestalten und zu fördern. Intensives Bemühen in dieser Verfahrensphase wird ein wesentlicher Baustein für einen dauerhaften Erfolg sein. Die Reformvorschläge bieten nach Überzeugung der Kommission eine reale Chance, Polizeiarbeit wirksam zu verbessern und auf die künftigen Herausforderungen einzustellen. Aber nicht „alter Wein in neuen Schläuchen“, sondern erst die Verbindung von neuem Geist und erweiterter persönlicher Verantwortung mit modernen, flexiblen Strukturen, Prozessen und Techniken wird der Reform zum Erfolg verhelfen.

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