MDK-Forum 02/2011

March 22, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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Heft 2/2011

Das Magazin der Medizinischen

Dienste der Krankenversicherung

Musik & Gesundheit

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Liebe Leserin, lieber Leser! Mucksmäuschenstill war es im wunder­ schönen Kirchraum der Frauenkirche in Dresden am vergangenen Freitag. Eine Legende wurde erwartet. Kurt Masur, 83-jährig, trat vor die Dresdner Philharmo­ niker und dirigierte die Sinfonie Nr. 7 E-Dur von Anton Bruckner. Ein Feuerwerk der Gefühle, von hauchzart und leise bis hin zu monumentalen Abschnitten. Gänsehaut bei den Zuhörern, gewaltiger Nachhall im Raum und in den Gedanken, tosender Applaus für die Künstler. Das ist die beeindruckend schöne Seite der Musik, der man sich nicht zu entziehen vermag. Man kann sich lebhaft vorstellen, dass – je nach Musikgeschmack und Stimmung – Bruckner oder auch ein spektakuläres Madonna-Konzert heilende Wirkung auf Menschen haben kann! Die Psyche ist offensichtlich der Vermittler dieser Effekte, die schon bei Ungeborenen nach­ gewiesen werden können. Musiktherapie kann körperliche und geistige Gesundheit wiederherstellen oder erhalten. Die Medaille hat leider auch eine andere Seite: Musik kann krank machen. Die Betroffenen sind allerdings nicht die »Konsumenten«, sondern die Musiker selbst. Eine spezielle Musikermedizin hat schon im 15. Jahrhundert Erwähnung gefunden. Musiker erkranken oft am Zwiegespräch mit ihrem Instrument. Lesen Sie im Schwerpunkt von Musik­ therapeuten und Musikertherapeuten, Musik auf Kassenrezept und den sportlichen und mentalen Herausforderungen an Drummer. Ihr Dr. Ulf Sengebusch

AKTUELLES Gute Frage  Kürzer im Krankenhaus – kränker in die Reha? Interview mit Prof. Dr. Dr. Wilfried von Eiff 2 Die politische Kolumne  Erste Bewährungsprobe für den Jungstar  32

T I T E LT H E M A Musik & Gesundheit  Die Macht von Dur und Moll 

Interview mit Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer zur Wirkung von Musik: Möglichkeiten und Grenzen der Musiktherapie  7 Musiktherapie bei Wachkomapatienten Töne an das Bewusstsein  9 Schlagzeugspieler im Labor  Trommeln für die Wissenschaft  Wenn Musizieren krank macht 

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M D K | W I S S E N U N D S TA N D P U N K T E Vorschlag für Instrument zur Erfassung von Lebensqualität bei Menschen mit Demenz  HILDE-MDK  14 Weiterentwicklung der MDK-Qualitätsprüfungen: Weichen jetzt stellen  16 Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden Innovative Methoden mit Unsicherheitspotenzial 

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WEITBLICK Hauptstadtkongress  Von Piloten lernen 

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Filme für Demenzkranke  Eintauchen in eine andere Welt   Der nie endende Krieg Die Geschichte von »Agent Orange« 

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HIV-infizierte Mütter schreiben für ihre Kinder Memory Books  24

GESUNDHEIT UND PFLEGE Krankenhaushygienegesetz Gesetzgeber sagt Keimen den Kampf an  Arzneimittelsicherheit in Pflegeheimen Viele Medikamente – viele Probleme  Organspende  Zeit zu entscheiden 

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AKTUELLES m d k forum 2/11

Vernetzung im Kampf gegen Pflege­ mängel Der M D K Bayern und der M D K BadenWürttemberg machen sich stark für die Sicherung der Pflegequalität. Im Rahmen der Fachtagung »Gefährliche Pflege« zeigten sie, dass ein Austausch zwischen den Akteuren aus Politik, Krankenkassen, Prüfaufsicht, Pflege­ beratern und Justiz entscheidende Vorteile bringt, um Abweichungen von fachlichen Standards der Pflege und Betreuung zu verhindern bzw. strafrechtlich zu ahnden. Gutachter stellten bei Qualitätsprüfungen oft gravierende Missstände fest. Um Patienten besser zu schützen, beabsichtigen der M D K Bayern und der M D K Baden-Württemberg einen gemeinsamen Leitfaden zu erarbeiten. Er soll die Grundlage für eine einheitliche Bewertung kritischer Ereignisse schaffen, verbunden mit dem Ziel, die Versorgungssicherheit der Bewohner in Pflegeeinrichtungen zu erhöhen.

Forschungsprojekt für gesundes Pflegepersonal Personalmangel und Zeitdruck sind Teil des Pflegealltags. Besonders älteren Fachkräften setzen diese Arbeits­ bedingungen gesundheitlich zu. Die Folge: ein überdurchschnittlich hoher Krankenstand sowie eine hohe Fluktuation. Ein neues Forschungs­ projekt des Instituts Public Health und Pflegeforschung ( I P P ) der Universität Bremen will die Gesunderhaltung speziell älterer Mitarbeiter stärken. Ziel der Maßnahmen ist es, die Verbleibs­ dauer zu erhöhen und eine langfristige Personalbindung zu erreichen. Leiter des bis 2013 laufenden Projekts ist Prof. Dr. Stefan Görres.

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Neuregelung der Schmerzmittel­ verordnung Das Bundeskabinett hat eine Neuregelung des Betäubungsmittelgesetzes beschlossen: Seit dem 17. Mai sind Medikamente mit Cannabis in Deutschland zugelassen. Damit erhalten Anbieter der spezialisierten ambu­lanten Palliativ­­versorgung ( S A P V ) und statio­ näre Hospize einen größeren Spielraum: Schwerkranke Patienten können im Akutfall schneller behandelt werden. Die Einrichtungen dürfen laut der Neuregelung Notfallvorräte an Betäubungsmitteln anlegen. Auch die Deutsche Hospiz Stiftung begrüßt die Gesetzesänderung.

Defizite im Krankenhausmarkt Nach dem »Krankenhaus Rating Report 2011« des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung ( R W I ) werden etwa 10% der 2000 Krankenhäuser in Deutschland bis zum Jahr 2020 aus wirtschaftlichen Gründen vom Markt verschwinden. Besonders betroffen sind Krankenhäuser im länd­­­­ lichen Raum. Die Deutsche Kranken­ hausgesellschaft ( D KG ) sieht die Ursache der finanziellen Probleme vieler Kliniken in Kürzungen zur Sanierung der gesetzlichen Krankenversicherung ( G K V ). Der Spitzenverband der G K V entgegnete dem, dass die Verluste von Krankenhäusern kein Indiz für eine unzureichende Finanzierungsaus­ stattung seien, sondern oft ein Zeichen von strukturellen Problemen. Viele Krankenhausbetten in Ballungszentren blieben leer.

Ärzteschwemme statt Ärztemangel Die ärztliche Versorgung in Deutschland ist durch erhebliche Verteilungsprobleme gekennzeichnet und nicht durch einen generellen Mangel an Ärzten. Zu dieser Auffassung kommt das Wissenschaftliche Institut der AO K (WIdO) in dem neu erschienenen Ärzteatlas 2011. Danach hat sich seit Mitte der 1970er Jahre die Arztdichte sogar mehr als verdoppelt. Allerdings zeigten sich gerade bei den Hausärzten enorme regionale Unterschiede: Einer Unterversorgung in einigen Land­strichen stehe eine massive Über­­­ versorgung in Ballungsgebieten gegenüber. Alle Maßnahmen, die eine flächen­deckende Versorgung sicherstellen ­wollen, müssten sowohl die Unter- als auch die Überversorgung in den Blick nehmen, rät das Institut.

Bessere Bildung von Ärzten und Patienten – weniger Kosten Eine effiziente Gesundheitsversorgung braucht gut informierte Ärzte und ­Patienten. Das ist das Credo von Prof. Gerd Gigerenzer und Sir Muir Gray. Das aktuelle Gesundheitssystem erfüllt beide Ansprüche nicht. In ihrem neu erschienenen Buch Better doctors, better patients, better decisions analysieren der Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und der Direktor des National Knowledge Service, Oxford, die Gründe für die Kosten­ explosion im Gesundheitswesen und zeigen anschließend konkrete ­Lösungen für ein besseres Gesundheitssystem mit weniger Kosten auf: Durch Aufklärung in Gesundheitsthemen könnten vorhandene Mittel effizienter eingesetzt werden.

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GUTE FRAGE



Interview mit Prof. Dr. Dr. Wilfried von Eiff

Gute Frage  Kürzer im Krankenhaus – kränker in die Reha?

I N W I E F E R N V E R Ä N D E R T die Einführung der Fallpauschalen im Krankenhaus die medizinische Rehabili­tation? Diese Frage untersuchte das Centrum für Krankenhaus-Management der Uni Münster in der Langzeitstudie REDIA (Rehabilitation und D iagnosis Related Groups). Vor, während und nach der DRG-Einführung wurden Daten von 956 AHB-Patienten der Kardiologie und 1334 Patienten der Orthopädie erhoben. Wir befragten den Studienleiter zu den Ergebnissen. Herr Professor von Eiff, Sie haben seit 2003 untersucht, wie sich die Einführung des Fallpauschalen-­ Systems auf das Zusammenspiel von stationärem und rehabili­ tativem Sektor auswirkt. Was sind die wesentlichen Ergebnisse? Das Entgeltsystem der Fallpauschalen hat in Verbindung mit systemischen, also demografischen, medizinisch-­ technischen, politischen und organi­ satorischen Einflüssen zu einer nachweisbaren Aufwandsverlagerung vom Akut- in den Rehabereich geführt und den Qualitäts- und Kostendruck in Reha-Kliniken spürbar verschärft. Die Krankenhäuser haben auf die D R G -Einführung erwartungsgemäß reagiert: Patienten werden früher entlassen, um Vorhalte- und Prozesskosten zu senken;

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möglich wurde dies durch den zu­ nehmenden Einsatz minimalinvasiver Eingriffstechniken in Verbindung mit ganzheitlichen Therapieansätzen und einer Patientensteuerung nach den Prinzipien der Prozessorganisation. Fast Track Surgery und TAV I stehen für solche Konzeptansätze. Bei Hüftpatienten sank die Akut­ verweildauer von 17,7 auf 13,3 Tage, bei Knie- T E P -Patienten von 18,4 auf 13,1 Tage. Gleichzeitig hat sich der Gesundheits- und Mobilitätszustand der Patienten zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Reha deutlich verschlechtert. Im Jahr 2003, vor Einführung der D R G s, konnten nur 5,6% der orthopädischen Patienten wegen Schmerzen und geklammerten Wundnähten in der ersten Reha-Woche nicht an der

Physiotherapie teilnehmen. In 2010 waren es 39,5%. Das zeigt: Zeitsparende O P -Tech­ niken und innovative Medikalprodukte ermöglichen zwar eine Liegezeitver­ kürzung im Akuthaus. Aber in der Reha wird die Wundversorgung aufwendiger, der Bedarf an Schmerztherapie wächst und die Überwachung von Ent­ zündungsparametern ist notwendig. Bei kardiologischen Patienten stieg die Zahl der Eingriffskomplikationen, die den Behandlungsaufwand in der Reha erhöhten: Pleuraergüsse bei Bypass-Patienten stiegen von 28,5 auf 40,3%, ebenso nahm der Anteil der Wundheilungsstörungen nach Sternotomie von 12,2 auf 16% zu. Sehen Sie durch Ihre Studie

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­ efürchtungen bestätigt, dass B Patienten »blutig«, also zu früh, entlassen werden? Wenn eine Patientin nach beidseitiger Mastektomie 12 Stunden nach O P mit Drainagen entlassen wird, ist die Bezeichnung »blutig« zutreffend. Solche Fälle kenne ich aus amerika­ nischen Krankenhäusern, nicht aus deutschen. Aus deutschen Krankenhäusern werden Patienten entlassen, wenn sie akutmedizinisch austherapiert sind und diese Entlassung medizinisch unbedenklich ist. Dieser Patient wird dann im niedergelassenen Bereich bzw. in der Reha medizinisch angemessen und gleichzeitig kostengünstiger weiterversorgt. Ist ein Patient nach erfolg­reicher Akutbehandlung noch nicht Reha-fähig, heißt das nicht, seine Entlassung sei »blutig«. Das Problem: Häusliche Übergangszeiten sind mit therapeutisch und ökonomisch relevanten Risiken verbunden. Die Thromboseprophylaxe wird unter­ brochen und die Wundversorgung erfolgt nicht fachgerecht. Im Jahr 2003 waren 1,8% der Herz-Kreislauf-Patienten von solchen Komplikationen betroffen, in 2010 zehnmal so viele. Vermeidbare Zusatzkosten für Komplementärtherapien, Zusatzmedikationen oder gar Revisionen bewirken ­stei­gende Belastungen bei den Kosten­trägern. Welche Ursachen sind für diese Ergebnisse verantwortlich? Lässt sich der Einfluss dieser Ursachen quantifizieren? Was lässt sich speziell auf die DRGs zurückführen? Die Anreizwirkungen des D R G -Systems sind ein Grund, was aber auch richtigerweise beabsichtigt war: Kürzere Verweildauer heißt auch geringeres Infektionsrisiko und schnellere Rück­­­­ kehr in die Intimsphäre der eigenen sozialen Umgebung mit eigener Toilette und ohne Störungen durch Mitpatienten. Gravierender wirkte sich der demografische Wandel aus: In den letzten acht Jahren stieg das Durchschnittsalter der Patienten um vier Jahre, entsprechend erhöhte sich die Zahl von Begleiterkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck und neuro­ logischen Störungen.

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Weiterhin stehen durch den medizinischen Fortschritt schonendere Eingriffstechniken zur Verfügung, wodurch deutlich ältere Patienten bei vertretbarem Risiko operiert werden können. TAV I -Patienten sind bis zu 13 Jahre älter als der Durchschnitt. Wenn wir die für den Patienten relevanten Endpunkte betrachten: Werden die Patienten heute tat­ sächlich mit einem schlechteren Ergebnis aus der Reha entlassen als vor Einführung der DRGs? Es ist erstaunlich und spricht für die hohe Qualität der Reha-Medizin: Trotz anspruchsvollerer medizinischer Versorgung, geringerer Therapiefähigkeit der Patienten und aufwendiger Zusatzaufgaben wie Wundversorgung und Schmerzmanagement wurden die Reha-Ziele durch Individualisierung und Spezialisierung der Therapieregime ebenso erfolgreich erreicht wie vor der  D R G -Einführung. Aus einer »Vogelperspektive« aller medizinischen und die Sozial­ versicherung betreffenden Aspekte: Wie schätzen Sie die Entwicklung insgesamt ein? Das D R G -System hat sich bewährt, weil es Transparenz in die medizinischen Leistungsprozesse und Kostenstruk­ turen gebracht hat. Problematisch ist, dass sich die Vergütung für Reha-­ Leistungen durch die G K V von 2003 bis 2010 deutlich verschlechtert hat. Tagessätze von z. T. weit unter € 100 reichen nicht aus, um eine qualifizierte Reha sicherzustellen. Bereits 35 bis 40% der Reha-Kliniken bieten längst nicht mehr zu Vollkosten, sondern auf Grenzkostenbasis an; sie leben bezogen auf Gebäude und Ausstattung von der Substanz.

Wundversorgungsmaßnahmen, Schmerztherapien und Überprüfung von Entzündungsparametern noch nicht Reha-fähig sind. Im Rahmen von Reha-Visiten, durch­geführt von einem Reha-Facharzt, wird dann der Transferzeitpunkt in die Reha festgelegt. Die Konsequenz: Deutlich mehr Patienten können ambulant rehabi­ litiert werden und die vollstationäre Reha lässt sich im Durchschnitt um 4–6 Tage kostensenkungswirksam und ohne medizinischen Qualitätsverlust verkürzen. Das Zusammenwirken der Sektoren ist durch attraktivere Gestaltung von Verträgen zur Integrierten Versorgung ( I V ) verbesserbar, z. B. durch Abrechnung außerhalb des Budgets. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass durch professionelles I V -Management die Patientenzu­ friedenheit steigt, die Verweildauer im System sinkt und die Kosten in jedem der beteiligten Versorgungssektoren um ca. 8–10% fallen. Reha wird medizinischer und Patienten-individueller. Neue Therapieregime z. B. für Patienten mit trans­ apikalem Aortenklappenersatz sind ebenso zu entwickeln wie Kombina­ tionen aus stationärer, teilstationärer und ambulanter Reha.

Die Fragen stellte Elke Grünhagen Prof. Dr. Dr. Wilfried von Eiff vom Centrum für Krankenhaus-Management der Uni Münster

Wo sehen Sie Handlungsbedarf? Die R E D I A -Studie weist insbesondere Handlungsbedarf im organisatorischen Bereich nach. Komplikationen während der Übergangszeit zwischen Akut­ entlassung und Reha-Aufnahme, ebenso die Verlegung von nicht Reha-­ fähigen Patienten können vermieden werden durch Einrichtung von Trans­­ fersta­tionen. Hier werden Patienten versorgt, die akutmedizinisch austherapiert sind, aber aufgrund notwendiger

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Musik & Gesundheit

Die Macht von Dur und Moll K L Ä N G E , R H Y T H M E N U N D T Ö N E begleiten den Menschen vom Beginn seines Lebens an. Schon vor der Geburt umfängt uns der mütterliche Herzschlag. Die Macht der Musik ist allgegenwärtig und unwiderstehlich: Sie bringt uns zum Wippen, Schunkeln und Mitklatschen, ruft Erinnerungen wach, stimmt uns wehmütig oder heiter. Die Musik hat heilsame Kräfte, die bereits seit dem Mittelalter gezielt eingesetzt werden. Sie kann uns aber auch krank machen.

Unter den Sinnesorganen des Menschen spielt das Ohr ­Linderung verschafft. Pythagoras nutzte Lieder zur »Aus­ ­eine zentrale Rolle: Der Spielraum unseres Gehörs ist tilgung von Leiden«, und im Mittelalter war die Musik ein ­etwa zehnmal größer als der des Auges. Und im Gehirn ist fester Bestandteil des Medizinstudiums. Die Musiktherapie in ihrer heutigen Form nahm ihren die Verarbeitung der Klänge nicht auf ein einzelnes Areal be­ Anfang nach dem Zweiten Weltkrieg. Von Amerika ausge­ Wir sind der Musik, schränkt. Musik wirkt im Groß­ hend wird die Musik seitdem systematisch für therapeuti­ die wir hören, emotional hirn, das für die Wahrnehmung, sche Zwecke genutzt. Den Anfang machte die sogenannte ausgeliefert das Denken und Sprechen und Musikmedizin, bei der die körperlich messbaren Reak­ die Erinnerung zuständig ist, im Kleinhirn, das die Moto­ tionen beim Hören von Musik im Vordergrund standen. rik steuert, und im lim­bischen System, der Schaltzentrale In den 1960er- und 1970er-Jahren gewann dann die ak­ unserer Gefühle. tive  Musiktherapie, bei der der Patient selbst musiziert, Studien haben gezeigt, dass sich bei Frühgeborenen immer mehr an Bedeutung. 1973 wurde in Berlin die Blutdruck und Puls normalisieren, wenn man ihnen Deutsche Gesellschaft für Musiktherapie gegründet, 1980 ­Musik vorspielt, die der Geräuschkulisse im Mutterleib entstand an der Fakultät für Musiktherapie an der Fach­ ähnelt. Patienten, die beruhigende Klänge hören, benöti­ hochschule Heidelberg die erste musiktherapeutische gen weniger Schmerzmittel. Bei Tinnituspatienten kann Ambulanz in Deutschland. Musik das Störgeräusch im Ohr mildern. Für Demenz­ kranke und Autisten eröffnet das Musizieren einen Weg, Was ist Musiktherapie? mit ihrer Umwelt in Kontakt zu treten. Hyperaktive Kin­ Nach heutigem Verständnis handelt es sich bei der Mu­ der kommen beim Trommeln zur Ruhe. siktherapie um eine künstlerische Form der Psychothe­ rapie. Durch den gezielten Einsatz von Musik soll die see­ lische, körperliche und geistige Musik hilft heilen Die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte der Gesundheit der Patienten wie­ Im Mittelalter war die Musik Musik. In allen Kulturen spielten Klänge und Rhythmen derhergestellt, erhalten oder ge­ ein fester Bestandteil des eine wichtige Rolle, und auch ihre heilsame Wirkung fördert werden. Der österreichi­ Medizinstudiums machten sich die Menschen schon früh zunutze. Im Alten sche Wissenschaftler Prof. Gün­ Testament wird beschrieben, wie David mit seinem Har­ ther Bernatzky fasst es so zusammen: »Musiktherapie ist fenspiel dem vom »bösen Geist« geplagten König Saul die wissenschaftlich fundierte, diagnosespezifische Nut­ zung von Musik oder von musikalischen Elementen zu Heilzwecken.« Als interdisziplinäre Methode vereinigt die  Musiktherapie Elemente aus Medizin, Psychologie, Pädagogik und Musikwissenschaft. Ähnlich wie bei der Psychothe­rapie gibt es unterschiedliche Schulen. Zu den bekanntesten gehören die Musiktherapie nach Nor­­­doff /  Robbins und die Orff-Musiktherapie, die beide vor allem bei der Behandlung von Kindern eingesetzt werden. Die Anwendungsformen und -felder der Musikthe­ra­ pie sind vielfältig: Sie kann sowohl als Einzel- wie als Gruppentherapie stattfinden, im stationären Rahmen ebenso wie in freien Praxen oder auch ambulant. Die ­Anwendungsgebiete reichen von der Geburtshilfe und Neonato­logie über die Kinder- und Jugendlichenpsychia­ trie und die Behandlung psychischer, psycho­somatischer und psychiatrischer Krankheitsbilder bis hin zur Geria­ trie und zur Palliativmedizin. Auch zur Prävention und zur Rehabilitation sowie zur Behandlung von Entwicklungs­

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TITELTHEM A: MUSIK & GESUNDHEIT verzögerungen wird sie eingesetzt. Grundsätzlich unter­ scheidet man die rezeptive Form, bei der der Patient aus­ gewählte Musikstücke anhört und auf sich wirken lässt, und die aktive Form, bei der er selbst, häufig im Dialog mit dem Therapeuten, musiziert. Musik auf Rezept?



perhaltung. Auch Überbeanspruchung spielt oft eine Rol­ le: Schon der Komponist Robert Schumann litt als Folge exzessiven Übens unter chronischen Bewegungsstörun­ gen der rechten Hand. Alle Instrumentengruppen kennen »typische« Beschwer­ den: Bläser etwa bauen im Brustkorb einen hohen Luft­ druck auf, der Herz und Kreislauf belastet, Geiger leiden oft an Skeletterkrankungen oder Verspannungen. Hinzu kommen bei professionellen Musikern psychische Stress­

Voraussetzung für den therapeutischen Erfolg ist immer das individuelle Eingehen auf den einzelnen Patienten. So lehrt die Erfahrung zwar, dass viele Menschen ruhige Musik mit 60 bis 70 Schlägen pro Minute als entspannend empfinden – diese Frequenz entspricht dem Herzschlag im Ruhezustand. Doch eine »musikalische Hausapo­ theke« mit passenden Musik­ Im Orchestergraben ist es so stücken für unterschiedliche Pro­ ­­bleme lässt sich aus solchen Er­ laut wie auf einer verkehrs­ fahrungswerten nicht ableiten. reichen Kreuzung Dazu spielen die persönlichen Vorlieben und Hörgewohnheiten des Patienten eine zu große Rolle. »Es ist ein natürlicher Schutz, bestimmte Ar­ ten von Musik nicht zu mögen. Wir schützen uns damit vor Stimmungen, die wir nicht zulassen wollen. Denn wir sind der Musik, die wir hören, emotional ausgeliefert«, faktoren: Konkurrenz- und Leistungsdruck, Perfektions­ ­erklärt der Musiker Wolfgang Lackerschmidt in Werner streben und Lampenfieber machen vielen zu schaffen. Auch die Arbeitsbedingungen im Orchestergraben kön­ Kraus’ Standardwerk »Die Heilkraft der Musik«. Die Musiktherapie macht sich zunutze, dass über Klän­ nen krank machen: Weil es dort genauso laut ist wie auf ge und Töne ein ganz einzigartiger Zugang zum Men­ einer verkehrsreichen Kreuzung, trägt so mancher Musi­ schen möglich ist. »Die Musik drückt das aus, was nicht ker einen Gehörschäden davon. Berufsspezifische Erkrankungen von Musikern wer­ gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmög­ lich ist«, wusste schon der französische Romancier Victor den schon in Schriften des 15. Jahrhunderts erwähnt. Ein Hugo. Indem sie Gefühle hörbar macht, hilft sie den Pa­ Meilenstein in der Entwicklung der Musikermedizin in tienten dabei, problematische Lebenssituationen besser Deutschland war das Erscheinen des »Ärztlichen Rath­ zu verarbeiten. Und weil sie unabhängig vom sprach­ gebers für Musiktreibende« von Karl Sundelin im Jahre lichen Ausdrucksvermögen und den in­tellektuellen und 1832 in Berlin. Heute gibt es eine ganze Reihe von körperlichen Fähigkeiten wirkt, sind ihre Einsatzmög­ ­Ein­richtungen, an denen Musikerkrankheiten erforscht, lichkeiten nahezu unbegrenzt. Musik kann die sozialen ­diagnostiziert und behandelt werden. Als erste universi­ wie die kommunikativen Fähigkeiten stärken, die Selbst­ täre Einrichtung dieser Art wurde 1974 das Institut für wahrnehmung und die Ausdrucksfähigkeit verbessern, Musikermedizin der Hochschule für Musik und Theater sie kann Ängste abbauen, beruhigen und entspannen. Hannover (mth) gegründet. In einem Punkt sind sich alle Diese Stärke der Musiktherapie ist zugleich ihre Experten einig: Das A und O in der musikmedizinischen Schwäche: So vielfältig die positiven Wirkungen der Mu­ ­Arbeit ist die Prävention – bevor das Elend im Orchester­ sik auf den Menschen sind, so schwierig ist es, ihre spe­ graben die Freude an der Musik zerstört. zifische Heilkraft empirisch nachzuweisen. Aus diesem Grund ist die Musiktherapie grundsätzlich keine reguläre Kassenleistung; sie kann aber in Einzelfällen auf Antrag erstattet werden. Manchmal ist auch eine Kostenüber­ nahme im Rahmen der staatlichen Eingliederungshilfe möglich. Im stationären Bereich werden die Kosten häu­ fig übernommen, wenn die Musiktherapie Bestandteil ­eines modularen Therapiekonzeptes, etwa bei Demenz­ kranken, ist.

Wenn Musik krank macht

So wohltuend Musik sein kann – für Berufsmusiker be­ deutet sie körperliche Schwerstarbeit. Studien zufolge klagen bis zu 80% der Berufsmusiker über berufsspezifi­ sche Beschwerden. Der Grund: Viele Instrumente sind sehr schwer oder zwingen zu einer problematischen Kör­

Dr. Silke Heller-Jung hat in Frechen bei Köln ein Redaktionsbüro für Gesundheits­ themen. [email protected]

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Interview mit Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer zur Wirkung von Musik:

Möglichkeiten und Grenzen der Musiktherapie M U S I K W I R D I N P S Y C H I A T R I E U N D P S Y C H O S O M A T I K , aber auch zur Schmerztherapie und in der Rehabilitation ­eingesetzt. Zur Wirkung der Musiktherapie allerdings ist bisher nur wenig systematische Forschungsarbeit geleistet worden. Der Psychiater und N ­ eurowissenschaftler Prof. Manfred Spitzer vom Universitätsklinikum Ulm erläutert im Gespräch mit dem MDK Forum, wie das Gehirn Musik verarbeitet und welche Wirkung Musiktherapie entfalten kann. MDK Forum  Herr Professor Spitzer, Musik kann die Stimmung von Menschen beeinflussen. Das kennen wir alle und ist unumstritten. Doch wie kommt es zu diesen Effekten? Was passiert in unserem Gehirn, wenn wir Musik hören? Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer  Musik ist zunächst einmal Schall, wie Krach oder Sprache, also eine periodische

Luftbewegung. Die wird über das Trommelfell und die Hörschnecke in Nervenimpulse umgesetzt. Das Gehirn analysiert diese Impulse und generiert hochstufige Zusammen­ hänge. Dabei kann es zwischen Sprache und Musik unterscheiden, und diese Muster auch noch aus Stimmengewirr oder Krach auslesen. Dies ist eine großartige Leistung, die viele Module im Gehirn mit einbezieht. Wir brauchen, um Musik wahrnehmen zu können, ein Arbeitsgedächtnis, welches gerade Gehörtes zwischenspeichert, um einen musikalischen Zusammen­ hang entstehen zu lassen. So können wir Melodien, Harmonien und Rhythmus erkennen. Diese Muster vergleichen wir unwillkürlich mit

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unserem über das ganze Leben gesammelten Erfahrungsschatz an bereits Gehörtem. Und diese Erfahrungen schließen emotionale Erfahrungen aller Art direkt mit ein. Jede Erinnerung ist auch emotional gefärbt. Musik kann das gesamte Spektrum an Emotionen von Freude bis Wut und Ekel in einer sehr intensiven Form hervorrufen. Die dabei aktivierten emotionalen Netzwerke im Gehirn sind allerdings nicht musikspezifisch, sondern vermitteln die gleichen Emotionen auch nach anderen Reizen und Eindrücken. MDK Forum  Durch den gezielten Einsatz von Musik will die Musik­ therapie die körperliche und psy­­­­ chische Gesundheit von Patienten verbessern. Was wissen wir über die Heilkraft der Musik? Spitzer  Viel und wenig. Einerseits finden sich durch die gesamte Kulturgeschichte hindurch Hinweise auf die therapeutische Wirkung von Musik. In der griechischen Mytholo­ gie gelingt es Orpheus mit seinem Gesang, sogar wilde Tiere zu besänf­ tigen und Bäume und Felsen zu verzaubern. Der biblische David spielt für seinen König Saul auf der Harfe, um ihn aufzumuntern. Die Goldberg-Variationen von J. S. Bach, die nicht zuletzt durch die Interpre­ tation des Pianisten Glenn Gould sehr populär geworden sind, waren eine Auftragskomposition des Grafen von Keyserlingk, der Musik für seinen Cembalisten Goldberg haben wollte, die ihn in seinen schlaflosen Nächten ein wenig aufheitern könne. Andererseits gibt

es bisher nur wenige systematische Studien zur Musiktherapie, die strengen wissenschaftlichen Kriterien genügen. So wird die Musiktherapie zurzeit von individuellem Erfah­ rungswissen dominiert. Dabei liegt es nahe, Musik therapeutisch zu nutzen. Die tiefe Verankerung von Musik im emotionalen Gedächtnis ermöglicht dem Therapeuten manch­ mal, einen Patienten zu erreichen, der sonst verschlossen wirkt. Spannend ist die Frage, ob rezeptive Musiktherapie ausreicht – also das passive Hören, oder ob das aktive Musizieren noch mehr therapeu­ tisches Potenzial zu bieten hat. MDK Forum  Welches sind prä­ destinierte Einsatzgebiete? Spitzer  Musik hilft beim Abbau von Stress, bei der Bewältigung von Angst und kann positive Emotionen wecken und verstärken. Dies nützt eigentlich bei Erkrankungen aller Art. So wird es bei einer Vielzahl von Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer

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TITELTHEM A: MUSIK & GESUNDHEIT psychischen Störungen eingesetzt. Für Schizophrenie wurde die Wirksamkeit evidenzbasiert nachge­ wiesen, für Depression bisher leider nicht. Bei demenzkranken Patienten kann Musiktherapie Ressourcen wieder mobilisieren, allerdings fehlt bisher auch hier ein überzeugender Nachweis. Im Bereich der Kinderund Jugendpsychiatrie spielt Musik­­­­ therapie bei Autismus eine wichtige Rolle. Musiktherapie zur Angst­ reduktion kommt neben psychiatri­ schen Indikationen in vielen psycho­­ somatischen Bereichen wie Herz­ erkrankungen oder Krebserkrankun­ gen zum Einsatz. Sie dient auch zur Reduktion von chronischen Schmer­ zen. Ein besonders spannendes Feld ist Musiktherapie bei der Rehabili­ tation neurologischer Erkrankungen. So zeigte sich, dass sich nach einem Schlaganfall durch rhythmische Musik­­­therapie das Laufen klar verbesserte. Auch gibt es systema­ tische Ansätze, durch Singen Patienten mit einer Aphasie, einer meist durch Schlaganfall erworbenen schweren Sprachstörung, zu helfen. Hier kann auch die kognitive Neuro­­­­ wissenschaft mit der Erforschung der Grundlagen von Musik im Gehirn neue therapeutische Anregungen bieten. Schon lange vermutet man, dass aktives Musizieren verschiedene Module im Gehirn stärker vernetzt. Allerdings war es lange unklar, ob diese stärkere Vernetzung einen außermusikalischen Vorteil bietet. Mittlerweile gibt es dafür aber einige Hinweise. So nimmt der Intelligenz­ quotient bei Kindern etwas zu, die ein Instrument erlernen. Und alte Menschen, die in ihrem Leben viel musiziert haben, schneiden in kognitiven Tests etwas besser ab als die, die nicht musiziert haben.

MDK Forum  Nicht jeder mag dieselbe Musik – es gibt große kulturelle und individuelle Unterschiede. Wie ent­ wickeln sich musikalische Vorlieben? Spitzer  Vorlieben sind nicht ange­­­boren! Musik entsteht im kulturellen Zusammenhang und ändert sich über die Zeiten und Orte. Wenn ein neugeborenes Kind Glück hat, dann hört es die erste Musik in Form eines Wiegenliedes, welches die Mutter ihm singt. Dies gibt es in allen Kulturen, und die Wiegenlieder ähneln sich auch musikalisch, wahrscheinlich, weil sie eine beruhigende Wirkung auf das Kind haben sollen. Musik prägt den Alltag von den meisten Menschen, heute meist in Form von Radioprogrammen oder abgespei­ cherten mp3-Files. Vorlieben beruhen auf individuellen und kollektiven Erfahrungen, besonders in der Kindheit und Jugend. Die Lieder im Kindergarten, die Lieblings-cds des Vaters, später das »in« und »out« in der Peergroup, das prägt unsere ­Vorlieben und auch Abneigungen. Daneben gibt es wahrscheinlich Quasi-Konstanten, die bei den meisten Menschen ähnliche Emotionen hervorrufen. Eine Gänsehaut zum Beispiel lässt sich durch aufsteigende Melodien, oder durch plötzliches Lauterwerden hervor­ rufen. Von solchen Konstanten lebt die Filmmusik, die oft den bewegten Bildern erst die eigentliche emo­ tionale Botschaft gibt. MDK Forum  Was bedeutet das für den Einsatz von Musik in thera­peutischen Kontexten? Spitzer  Ich denke, dass Musik­ therapie nur da Sinn macht, wo der Patient das, was er hört, oder besser, was er selbst musiziert, auch mag. Und ich bin überzeugt, dass aktives Musizieren dem passiven Konsumie­ ren therapeutisch überlegen ist. MDK Forum  Gibt es Grenzen beim therapeutischen Einsatz von Musik und wenn ja, wo liegen sie? Spitzer  Musiktherapie kann und will kein Allheilmittel bei Krankheiten sein. Für mich liegen die Grenzen immer bei der persönlichen Befind­ lichkeit des individuellen Patienten.

Die Fragen stellte Elke Grünhagen

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Lampenfieberambulanz für Musiker Nach Angaben der Uni Bonn leidet schätzungsweise jeder zweite Berufs­ musiker unter Lampenfieber. Dem Sänger versagt die Stimme, der Bläser hat einen trockenen Mund und dem Geiger zittert die Bogenhand – jede Musikergruppe hat ihr spezielles Problem. Mancher Musiker leidet so sehr unter Lampenfieber, dass er seinen Beruf aufgeben muss. Hilfe finden Betroffene am Universitätsklinikum Bonn. Dort wurde im Herbst 2010 deutschlandweit die erste Lampenfieberambulanz speziell für Musiker gegründet. Die Ursache des Lampenfiebers ist für alle Musiker gleich, weiß Dr. Déirdre Mahkorn, Oberärztin an der Bonner Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie: »Es sind leistungsorientierte Perfektionisten mit hohem Ehrgeiz. Sie sind mit sich selbst zu streng und hadern im Rückblick über jeden Fehler.« Es entsteht ein Teufelskreis: Das Scheitern wird vorweggenommen, obwohl es noch gar nicht passiert ist. Dadurch erhöht sich die Angst vor dem Auftritt. »Wir wollen betroffenen Musikern helfen, diesen Teufelskreis zu durch­ brechen«, sagt Martin Landsberg, Psycho­­­­­loge an der Bonner Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Zusammen mit seiner Kollegin Mahkorn geht er bei jedem Patienten der Ursache für das Lampenfieber auf den Grund. Dazu erstellen sie ein Persönlichkeits­ profil und nutzen ein individuelles AngstTagebuch. Hinzu kommen Entspannungsübungen, die helfen, die Symptome zu lindern. »Je länger das Problem bereits bestand, desto länger braucht der Betroffene auch, um sein Lampenfieber zu kontrollieren«, sagt Landsberg. »Ein solches Angebot speziell für Musiker gab es so bisher nicht in Deutschland«, beschreibt Mahkorn die Motivation, die Lampenfieberambulanz zu gründen. Der Bedarf ist hoch, wissen die beiden Hobby-Musiker. »Lampen­ fieber ist ein Tabuthema, über das gerade unter Kollegen nicht gesprochen wird. Umso höher ist die Resonanz auf unsere neue Ambulanz.« Dabei ist Anonymität das höchste Gebot: Die Termine werden möglichst so koordiniert, dass die Betroffenen sich nicht rein zufällig vor Ort begegnen. Elke Grünhagen

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Musiktherapie bei Wachkomapatienten

Töne an das Bewusstsein E R W A R M I T S E I N E M A R B E I T S K O L L E G E N A U F D E M H E I M W E G , als sein Leben sich für immer veränderte. Hans war Tischlermeister. Er war gerade 25 Jahre alt geworden, da schleuderte eine Limousine in den Kleinwagen seines Freundes. Auf der Landstraße, nur 5 Kilometer von seiner Haustür entfernt. Sein Freund war sofort tot, Hans lebte.

Nach unzähligen Operationen folgten 7 Monate Rehabili­ tationsmaßnahmen. Hans lebte, doch nichts erinnerte nach dem Unfall an sein altes Leben, an sein altes Sein. Denn als er in die Pflegeeinrichtung Haus Königsborn nach Unna kommt, gilt der einst so lebensfrohe junge Mann als austherapiert. Er liegt im Wachkoma, kann weder irgendein Körperteil motorisch steuern noch sich seiner Umwelt verbal oder auch nur mit den Augen mit­ teilen. »Menschen im Wachkoma sind Menschen mit erwor­ benen Beeinträchtigungen des Gehirns, hervorgerufen entweder durch Gewalteinwirkungen, Hirnblutung oder Sauerstoffmangel bei Herzpro­ blemen«, erklärt Dr. Ansgar Her­ Reaktionen von Wach­­komapatienten – Zufall oder kenrath, seit 1997 Musikthera­ peut in der Pflegeeinrichtung bewusste Handlungen? »Haus Königsborn« in Unna. »Nach dem Akutereignis können in der Regel die meisten gut rehabilitiert werden. Für diejenigen, die nach ca. 6 Monaten nicht mehr aufwachen, sich im Wachkoma (»ve­ getative state«, »apallisches Syndrom«) befinden und zur Phase F der neurologisch-neurochirurgischen Rehabilita­ tionskette gehören, entwickelt man seit Mitte der 90er Jahre therapeutische Möglichkeiten.« Die als Pilotprojekt des Landes Nordrhein-Westfalen im Juli 1997 gestartete Pflegeeinrichtung ist auf Men­ schen mit einem zwar funktionsfähigen, aber schwer be­ einträchtigten Großhirn spezialisiert. »Unsere Aufgabe ist es, diesen Menschen, die angeblich ohne Bewusstsein, Orientierung und Wahrnehmung sind, Angebote zu ma­ chen, sie zu stimulieren und sie auf ihren kleinen Wegen in Richtung Wachheit und Normalität zu unterstützen«, beschreibt Dr. Herkenrath das Konzept von Haus Königs­ born, in dem derzeit 54 Bewohner leben.

drücken zu können, aber ohne sich erklären oder in Wor­ te fassen zu müssen. Bei Schwerbeeinträchtigen kann ich beispielsweise die Atmung aufgreifen. Atmung ist ein Zei­ chen von Leben und sie aufzunehmen ist ein sehr intimes Erlebnis«, erklärt Dr. Herkenrath seinen Ansatz und klickt auf ein Therapiedokument der siebzehnjährigen Heike. Heike reagiert wieder

Nach schweren Hirnblutungen musste Heike reanimiert werden und kam nach Königsborn im Vollbild des apalli­ schen Syndroms (Wachkoma). Außer einer gewissen Schreckhaftigkeit reagierte sie im Mai 2009 auf nichts. Die Aufzeichnung zeigt, wie Dr. Herkenrath Gesang und Töne an ihre Atmung anpasst und dann plötzlich eine Pause macht. Die Atmung der jungen Frau hält an. Nach den Definitionen des Syndroms dürften diese Menschen nicht das Ende einer Melodie erkennen. Denn Wahrneh­ mung und eine Intention des Handelns gehören zum Be­ wusstsein. Die nächste Aufzeichnung aus dem Juni desselben Jah­ res zeigt Heike im Rollstuhl aufrecht sitzend und den Kopf schief haltend. Bis zu diesem Tag hatte niemand er­ lebt, dass sie den Kopf aufrichten konnte. Als die Musik einsetzt, öffnen sich ihre Augen und sie richtet ihren Blick in Richtung des Therapeuten aus. Zufall oder nicht – nach einer kurzen Berührung durch Dr. Herkenrath hebt Heike den Kopf eigenständig und guckt ihn an. »Damit hat sie den wichtigsten Meilenstein in ihrer Entwicklung getan. Denn ohne eine Rückmeldung des be­ troffenen Menschen – ohne diesen Beweis – kann das Be­ wusstsein von den Ärzten nicht erkannt werden«, macht

Hören ist der erste und letzte Sinn

Untersuchungen bei Kindern im Mutterleib zeigen, dass das Hören der erste Sinn ist, den der Mensch entwickelt. Andere Studien und eeg-Ableitungen machen deutlich, dass dieser Sinn wohl auch vor dem Tod der letzte ist, der dem Menschen bleibt. Für die Musiktherapie ist somit der auditive Kanal besonders interessant, um Menschen im Wachkoma zu erreichen. »Hier im Haus beschallen wir die Menschen nicht, son­ dern versuchen, abgeleitet von der Nordoff-Robbins-Mu­ siktherapie, über Klang mit ihnen in Kommunikation und Interaktion zu kommen. Improvisation ist somit ge­ fragt, an der sich der Patient beteiligen kann, um sich aus­

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Seit Bestehen von Haus Königsborn konnten 13 Men­ Ansgar Herkenrath deutlich. Heute zeigt Heike Schmun­ zeln, Freude und auch Ablehnung bei Dingen, die ihr schen wieder nach Hause entlassen werden, von denen nicht gefallen. ­einige nun auf eigenen Füßen stehen. Nach Ansicht von Dr. Herkenrath schafft das keine Therapieform allein, Hans geht wieder arbeiten

»Wir im Haus Königsborn wollen die Menschen Reizen aussetzen, die Normalität widerspiegeln. Ihnen ermögli­ chen, normales Leben zu leben. Dazu gehören Einkaufen, Backen, Mahlzeiten zubereiten, Aromen anbieten genau­ so wie Restaurant-, Kino-, Konzert- und Kneipenbesuche oder in den Urlaub an die Nordsee zu fahren«, spiegelt Dr. Herkenrath die Angebote in der Pflegeeinrichtung ­wider. Anschließend zeigt er eine weitere Therapiesitzung mit Hans, dem verunfallten Tischlermeister. Er sitzt im Rollstuhl, kann nicht sprechen und gilt als halbseitig gelähmt. Hans bringt mit einer minimalen Daumenbewegung ein metallenes Instrument zum Klin­ gen. Seine Mimik sagt, er ist zufrieden, als der Ton er­ sondern nur, wenn der Mensch selbst sich entwickeln klingt. Die zweite Videodokumentation über Hans zeigt will, ist dieses Ziel gemeinsam mit 24-Stunden-Beglei­ ihn zwei Jahre später, kurz vor seiner Entlassung. Man tung und Hilfe möglich. Das Konzept von Haus Königsborn ist intensiv. Nicht zuletzt auch bezüglich der Kosten. 6400 Euro im Monat fallen für die Komplettbetreuung eines Bewohners an. Dafür erhalten sie eine 24-stündige therapeutische Pflege und sämtliche zur Verfügung stehenden Therapien, Frei­ zeitveranstaltungen und Angebote des normalen Lebens. Auch eine regelmäßige Angehörigenbetreuung findet statt. Bis auf Medikamente, die von den Krankenkassen übernommen werden, tragen in der Regel die Pflegever­ sicherungen und Sozialämter die Kosten. Nach Berufsun­ fällen sind die Berufsgenossenschaften, nach Verkehrs­ unfällen die Haftpflichtversicherungen als Kostenträger eingebunden. Nur selten werden die Kosten von Angehö­ rigen als Selbstzahler übernommen. Eine neue Zukunft schaffen

muss zweimal hinsehen, um zu erkennen, dass es sich um denselben jungen Mann handelt. Doch er ist es. Hans kann wieder sprechen, ist zwar an den Rollstuhl gefesselt, kann aber mit dem Daumen, mit dem er zuvor nur müh­ sam das Instrument erklingen lassen konnte, den Joy­ stick des Rollis zielgenau steuern. Er geht regelmäßig ei­ ner Arbeit in einer Einrichtung nach, lebt sein – anderes – Leben heute wieder mit denselben Freunden und in einer betreuten Wohneinheit, wenige Meter von seinem Eltern­ haus entfernt.

Zuschüsse erhält die Pflegeeinrichtung nicht, sie trägt sich selbst. Nicht zuletzt durch intensive Öffentlichkeits­ arbeit. Im Jahr 2004 hat Ansgar Herkenrath deshalb auch in seiner Dissertation am Lehrstuhl für Qualitative For­ schung in der Medizin an der Universität Witten / Her­ decke zum Thema »Begegnung mit dem Bewusst-Sein von Menschen im Wachkoma« promoviert und seine ein­ drucksvollen therapiebegleitenden Videodokumentatio­ nen veröffentlicht. Die Warteliste für einen Platz im Haus Königsborn ist lang.

Alles kann – nichts muss

»Entwicklungen versprechen wir nie, aber wir setzen alles daran, unsere Bewohner zu erreichen und ihnen in ihrem Leben Normalität anzubieten. Hier muss niemand eine Entwicklung ableisten. Diese Menschen dürfen in dieser Lebensform leben, so sein, wie sie sind. Es sind keine ster­ benden Menschen. Die Nahrung, die sie erhalten, zwingt sie nicht zu leben. Auch bei ihnen beobachten wir, dass ihr Leben zu Ende geht, sie sich zurückziehen und ster­ ben«, erklärt der diplomierte Musiktherapeut.

Burga Torges ist Mitarbeiterin im Fachgebiet Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des MDS. [email protected]

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Schlagzeugspieler im Labor

Trommeln für die Wissenschaft G E R Ä U S C H E Z U E R Z E U G E N , indem man mit einem Gegenstand auf einen anderen schlägt, dazu waren bereits unsere steinzeitlichen Vorfahren imstande. Die weiterentwickelte Form, das Schlagzeug spielen, wurde jetzt von englischen und deutschen Wissenschaftlern erforscht. Dabei fanden sie heraus, dass Profi-»Drummer« körperlich teilweise mehr beansprucht werden als Fußballspieler, und wollen diesen und weitere Aspekte für die Therapie nutzen.

Die Scheinwerfer blenden, das Publikum kreischt vor Ek­ stase, die Bässe lassen die ganze Halle beben. Bereits nach 30 Minuten ist das zweite T-Shirt tropfnass ge­ schwitzt, aber die Show hat gerade erst begonnen. Beim Rockkonzert treffen viele Faktoren aufeinander, die sich auf den menschlichen Körper extrem auswirken. Die Mit­ glieder der Band verausgaben sich. Einer unter ihnen leis­ tet besondere Schwerstarbeit: der Schlagzeuger. Das durchgehende, teilweise extrem schnelle, kräftige Schla­ gen der Trommeln und die sehr komplexe Fuß-Hand-­ Koordination stellen eine große Herausforderung dar und müssen trainiert werden. Eine Forschertruppe aus England nahm sich dieses Phänomens an – und einen der berühmtesten Rockdrummer als Untersuchungsobjekt: Clem Burke, den Schlagzeuger der us-amerikanischen Band Blondie. Schlagzeilen machte besonders das Ergeb­ nis der Studie, in der die Forscher herausfanden, dass Burkes Pulsfrequenz bei einem Blondie-Konzert höhere Werte erreichte als die des portugiesischen Fußballstars Cristiano Ronaldo beim Spiel.

»Jugend musiziert«-Wettbewerben teilgenommen und ist ins bBayerische Landesjugendorchester eingetreten. Der 25-Jährige studiert an der Universität der Künste in Berlin und spielt an der Philharmonie in Chemnitz. Sowohl für sein Studium als auch für die Konzerte sitzt er fast täglich bis zu sechs Stunden hinter den Trommeln. Zum Aus­ gleich geht der Student regelmäßig joggen. »Mir persön­ lich hilft das sehr, weil ich mich beweglicher fühle«, sagt Björn Stang. »In unserem Beruf ist es sehr wichtig, fit zu sein. Schon leichte Schmerzen im Arm können einen sehr stark einschränken.« Für die Forscher um Peter Wright ließ Stang als einer der ersten Probanden die zahlreichen

Von England nach Deutschland

Peter Wright, Professor für Sportmedizin an der Techni­ schen Universität Chemnitz, stammt selbst aus England und arbeitet eng mit der University of Gloucestershire zu­ sammen, die an dem Projekt beteiligt war. Die Untersu­ chungen faszinierten ihn so sehr, dass er selbst be­ schloss, mit einigen Kollegen auf dem Gebiet des Schlag­ zeugens zu forschen. Dass ein Schlagzeugspieler über 50-jähriger Mann wie Clem Burke derartig hohe Pulsfre­ leisten Schwerstarbeit quenzen erreicht, hat für Peter Wright zwei besonders interessante Aspekte: »Zum einen ist diese Erkenntnis arbeitsmedizinisch interessant«, stellt er fest. »Profi-Drummer benötigen eine sehr gute Fitness und Ausdauer, um ihren Beruf ausüben zu kön­ nen. Zum anderen ist es gerade für ältere Schlagzeugspie­ ler wichtig, auch neben den Proben regelmäßig zu trainie­ ren.« Trommeln für die Wissenschaft

Björn Stang hat bereits mit vier Jahren angefangen, Schlagzeug zu spielen. Während der Schulzeit hat er an

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Untersuchungen während des Spielens über sich erge­ hen. »Neben den Aspekten, die bereits in England im Fokus standen, wie die kardiovaskuläre Auswirkung, hat uns auch die kognitive Beanspruchung durch das Drummen interessiert«, berichtet Peter Wright. »Wir wollten heraus­ finden, ob auch die Konzentrations- und Aufmerksam­ keitsleistung durch das Spielen gefördert wird.« So luden die Chemnitzer Wissenschaftler 15 Profi- und Amateur­ schlagzeuger ins Labor, schlossen sie an Atemmasken an, maßen ihre Laktatwerte und den Puls, führten LaufbandTests durch und untersuchten die kognitiven Aktivitäten z. B. durch Gedächtnistests.

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TITELTHEM A: MUSIK & GESUNDHEIT Jazz für den Kopf, Heavy-Metal für den Körper

Das Chemnitzer Forschungsteam interessierte sich auch für die unterschiedliche Beanspruchung der verschiede­ nen Musikstile. »Besonders die Jazz-Schlagzeuger benöti­ gen eine große Koordinationsgabe bei ihrer Arbeit, da es sich um einen technisch sehr anspruchsvollen Musikstil handelt«, erklärt Wright. »Heavy-Metal-Drummer hinge­ gen werden körperlich stark beansprucht und verbrau­ chen beim Spielen besonders viele Kalorien.« Drumming als Therapie?

Die Ergebnisse der englischen und der Chemnitzer Wis­ senschaftler werden nun auf verschiedene medizinische Bereiche übertragen. »Wir sind dabei, den Nutzen für Pa­ tienten mit Depressionen, Kinder mit Verhaltensauffäl­ ligkeiten oder auch Pflegebedürftige zu untersuchen.« Da nicht für jeden Probanden ein ganzes Drumset, wie es Rockbands auf der Bühne nutzen, aufgebaut werden kann, hat sich das Forscher-Team eine praktikablere Lö­ sung überlegt. So trommeln die Teilnehmer mit Drum­ sticks auf großen Bällen. »Wir haben uns einen Fit­ nesstrend aus den usa zum Vorbild genommen. Das Bäl­ le-Trommeln stellt sowohl für die Ausdauer als auch für die Konzentration eine ganz ähnliche Herausforderung dar, wie das richtige Schlagzeugspielen.« Die ersten Untersuchungsreihen haben die Chemnit­ zer Forscher mit Kindern durchgeführt, die unter einer Lese- oder Rechtschreibschwäche leiden oder verhaltens­ auffällig sind. Sie nahmen regelmäßig am Drumming teil.



»Die motorischen Leistungen der Kinder steigerten sich durch das Training um 30%«, berichtet Wright. »Bei kon­ ventionellen Turn- bzw. Sportinterventionen ergibt sich dagegen gerade einmal eine Steigerung von durchschnitt­ lich 4,9%. Sowohl die Eltern als auch die Lehrer berichte­ ten von positiven Effekten auf die Konzentrations- und Aufmerksamkeitsleistung.« Golden Beats

Unter dem Titel »Golden Beats« haben die Sportwissen­ schaftler im Rahmen einer einmonatigen LängsschnittStudie die physiologischen und kognitiven Effekte bei ­demenzkranken Heimbewohnern untersucht. »Hier konn­ ten wir feststellen, dass sich einige alltagsmotorische Ab­ läufe, wie zum Beispiel das Aufstehen, verbessert hatten«, berichtet Wright. »Auch die Konzentration hat sich ver­ bessert. Und das Wichtigste: Die Heimbewohner hatten so viel Spaß daran, dass wir nun regelmäßig in den Hei­ men zu Gast sind«, freut sich der Sportmediziner. Friederike Geisler Weitere Informationen über das Chemnitzer Projekt unter www.thedrumbeat.de

Wenn Musizieren krank macht »O ihr Menschen […] wie unrecht thut ihr mir / […] bedenket nur daß seit 6 jahren ein heilloser / Zustand mich befallen […] wollte / ich auch Zuweilen mich einmal über alles das hinaussetzen, / o wie hart wurde ich dur[ch] die verdoppelte trauerige / Erfahrung meines schlechten Gehör‘s dann Zurück- / gestoßen«. So beschrieb der erst einunddreißigjährige Beethoven 1802 im Heilgenstädter Testament seine zunehmende Schwerhörigkeit, die schließlich zur Ertaubung führte.

Dennoch: Musizieren macht primär Freude und ist ge­ sund – erst durch die hohen Anforderungen der Speziali­ sierung und des leistungsbezogenen Musizierens treten gesundheitliche Risiken mit auf den Plan. Dabei sind Mu­

siker nicht per se krank. Sie sind aber – ähnlich wie Sport­ ler – spezifischen Belastungen und Risiken für körperli­ che und psychische Beeinträchtigungen ausgesetzt. Des­ halb ist eine gesundheitliche Betreuung und Behandlung von Musikern durch spezialisierte Ärzte bzw. Therapeu­ ten – »Musikermedizinern« – erforderlich. In der Regel sind Ärzte mit musikermedizinischem Schwerpunkt selbst praktizierende Musiker oder an Musik Interessier­ te und somit gewissermaßen »zweisprachig« kompetent in den Begrifflichkeiten der Musik und der Medizin. Über die Hälfte der Musiker leidet unter Beschwerden

Das Fach »Musikermedizin« hat sich in den letzten Jahren als neue Spezialisierung zur Behandlung von musikerspe­ zifischen Erkrankungen etabliert. Seit Ende der 1980er

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Jahre wurde durch verschiedene epidemiologische Erhe­ bungen bekannt, dass bis zu zwei Drittel der Berufsmu­ siker unter musikerspezifischen Beschwerden leiden. Die häufigsten von den Musikern genannten Probleme be­ treffen den Stütz- und Bewegungsapparat wie z. B. Seh­ nenscheidenentzündungen oder Rückenschmerzen bei Geigern, aber auch psychische Belastungen wie z. B. die Auftrittsangst als pathologische Ausprägung des Lam­ penfiebers sind allgemein bei Musikern alles andere als selten. Durch laute Musik induzierte Schwerhörigkeiten sind ebenfalls ein nicht zu vernachlässigendes Problem. Als Risikofaktoren für die Entstehung von Gesund­ heitsproblemen bei Musikern werden – neben wenig zu be­ »No pain, no gain«: Musiker spielen häufig trotz einflussenden Faktoren wie Ge­ schlecht und körperlichen kons­ Schmerzen weiter titutiven Merkmalen – hauptsäch­ lich Faktoren angesehen, die man beeinflussen kann, wie ungünstige Übepraxis, mangelhafte Qualität von Spiel­ haltung und Spielbewegung, überzogene Leistungser­ wartungen angesichts eines hohen Schwierigkeitsgrades der gespielten Literatur, belastende ergonomische und psychologische Bedingungen am Arbeitsplatz sowie eine fatalistische Einstellung zur Gesundheit. Nach Anfängen der modernen Musikermedizin in den USA und der Einrichtung eines ersten Lehrstuhls in Han­ nover gründete sich bereits vor zwei Jahrzehnten eine ei­ gene deutsche Fachgesellschaft, die Deutsche Gesell­ schaft für Musikphysiologie und Musikermedizin (www. dgfmm.org). Heute zählt die dgfmm etwa 400 Mitglieder. Hier findet der Austausch unter den in der Breite des Ge­ sundheitssystems in Praxen und Kliniken tätigen Ärzten sowie allen in der Behandlung von Musikern therapeu­ tisch tätigen Berufsgruppen statt. Weltweit wurden mehrere nationale Fachgesellschaf­ ten, so in den usa, in Großbritannien, Frankreich, der Schweiz, Neuseeland, Taiwan und aktuell in Österreich, gegründet. Musikermedizin: ­S chwerpunktsetzung innerhalb einer Fachrichtung

Entsprechend der Vielzahl der möglichen Beschwerden und betroffenen Organsysteme ist die Musikermedizin ein »breites« Gebiet, das Fragestellungen aus den ver­ schiedenen Facharztgebieten wie Orthopädie, Psychoso­ matik, Neurologie, der hno-Heilkunde bzw. Phoniatrie u. a. umfasst. Generell können Musiker aller Instrumen­ tengruppen und selbstverständlich auch Sänger betrof­ fen sein. Die Mehrzahl der erkrankten Musiker weist überlastungsbedingte Symptome auf, die durch Scho­ nung, adäquate Therapie und ggf. Abstellen der auslösen­ den schädigenden Mechanismen gut und erfolgreich be­ handelt werden können. In die Diagnostik und Behand­ lung von Musikern sind je nach Beschwerden häufig sehr unterschiedliche medizinische Fachgebiete involviert. Neben diesen Fachärzten werden auch Berufsgruppen wie Physiotherapeuten (einschl. Körpermethodikern) und Stimmtherapeuten einbezogen. Die Behandlungen werden demzufolge in der Regel im

Rahmen der gesetzlichen und privaten Krankenversiche­ rung abgerechnet. Störungen, welche die Kriterien zur Anerkennung als Berufskrankheit erfüllen würden, lie­ gen nur sehr selten vor. Selbst bei der »Lärmschwerhörig­ keit« (bk 2301) kommt es in der täglichen Praxis vielfach zu Ablehnungen seitens der Versicherungsträger, was wiederum Einspruchs- und Sozialgerichtsverfahren zur Folge hat, die sich oft über Jahre hinziehen – für die be­ troffenen Musiker stets eine äußerst unbefriedigende Si­ tuation. Das Gebiet der Musikermedizin bildet keinen eigenen Facharzt, sondern besteht in einer Schwerpunktsetzung innerhalb einer bestehenden Facharztrichtung. Bislang gibt es kein formales Curriculum zur Weiterbildung im Bereich Musikermedizin. Auch Beethoven könnte durch moderne Medizin geholfen werden

Würde Ludwig van Beethoven heute leben, müsste er sich mit seiner Schwerhörigkeit nicht mehr verstecken oder sich von den Menschen »zurückgestoßen« fühlen und den Rest seiner Tage in Taubheit zubringen, da man heutzu­

tage Schwerhörigkeiten schon viel früher und genauer ­diagnostizieren und in vielen Fällen – je nach Ätiologie – mit geeigneten Operationen oder Hörhilfen auch erfolg­ reich behandeln kann.

Buchtipp: C. Spahn, B. Richter, E. Altenmüller [Hg.]: MusikerMedizin. Diagnostik, Therapie und Prävention von musikerspezifischen Erkrankungen. Stuttgart: Schattauer 2011.

Prof. Dr. Bernhard Richter Freiburger Institut für Musikermedizin Musikhochschule Freiburg und Universitätsklinikum Freiburg.  bernhard.richter@ uniklinik-freiburg.de

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Vorschlag für Instrument zur Erfassung von Lebensqualität bei Menschen mit Demenz 

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A N N A K O L B E C K , G U T A C H T E R I N B E I M M D K B E R L I N - B R A N D E N B U R G , ist nahe daran aufzugeben. Sie versucht, die demenzkranke Dame zum Mitkommen zu bewegen, um mit der Qualitätsprüfung fortzufahren. Vergeblich. Der begleitenden Pflegefachkraft kommt die rettende Idee: »Meine Kollegin weiß, wie es geht.« Schwester Katrin kommt, breitet ihre Arme aus und singt »Am Brunnen vor dem Tore«. Lächelnd begleitet die alte Dame die Pflegekraft in ihr Zimmer.

Interaktionen wie dieser begegnen mdk-GutachterInnen allenthalben bei Qualitätsprüfungen. »Dieses Beispiel hat mir gezeigt, dass auch eingeschränkt kommunikations­ fähige Menschen in der Lage sind, über ihr Wohlbefinden und ihre Lebensqualität Auskunft zu geben«, bewertet Anna Kolbeck diese Situation rückblickend. Die erfahre­ ne Qualitätsprüferin ist eine von neun mdk-Gutachterin­ nen, die sich an der Entwicklung des Instruments hildemdk beteiligen und es praktisch erprobt haben. Das Instrument HILDE

hilde steht für »Heidelberger Instrument zur Erfassung der Lebensqualität Demenzkranker«. Das Instrument wurde am Institut für Gerontologie der Universität Hei­ delberg unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Kruse in den Jahren 2003 bis 2009 gemeinsam mit Pflegenden aus der Praxis entwickelt. Mit ihm können Pflegende ihre eige­ nen pflegerischen Maßnahmen im Hinblick auf das Wohl­ befinden des Bewohners einschätzen und prüfen. Dieses Instrument nutzt die noch vorhandenen Fähigkeiten selbst schwer demenzkranker Menschen, nämlich ihr emotio­ nales Ausdrucksverhalten, um HILDE nutzt das emotionale ihr Wohlbefinden im Sinne er­ lebter Lebensqualität einschät­ Ausdrucksverhalten zen zu können. Das große Ver­ von Menschen mit Demenz dienst von hilde liegt darin, zu zeigen, dass selbst Menschen mit schweren dementiellen Beeinträchtigungen durchaus noch Aussagekompetenzen besitzen, die genutzt werden können, um anhand struktu­ rierter und standardisierter Kriterien eine Beurteilung ih­ res subjektiven Befindens vornehmen zu können. Damit liegt der Fokus in der Pflege des demenzkranken Men­ schen nicht mehr nur auf seinen krankheitsbedingten Defiziten, sondern auf seinen erhaltenen Ressourcen und Kompetenzen. Wie kann Lebensqualität bei Menschen mit Demenz durch den MDK erfasst werden?

Bei Menschen mit Demenz stellt die Selbstauskunft zu ihrer Lebensqualität eine große Herausforderung dar, denn sie leiden unter einer Vielzahl von kognitiven Ein­ schränkungen, die eine Befragung zu ihrer Lebensquali­ tät nur schwer zulässt. Das gilt vor allem für die späten Er­ krankungsphasen. Demenzkranke verfügen dann fast gar nicht mehr über die Fähigkeit, sich verbal mitzuteilen. Gleichwohl sollen aber die Bedürfnisse des Menschen mit Demenz bei der Pflege und Betreuung berücksichtigt werden. Denn nur dann kann die Lebensqualität positiv beeinflusst werden. Die Pflegenden stehen also vor der Herausforderung, das subjektive Befinden des Demenz­ kranken anhand geeigneter Verfahren zu ermitteln, um daraus geeignete Maßnahmen ableiten zu können. Gleichzeitig steht der mdk vor der Aufgabe, die Eig­ nung dieser Maßnahmen im Rahmen seiner Prüfung be­ urteilen zu müssen. Angesichts dieser Schwierigkeiten werden bisher nur Bewohnerinnen und Bewohner zu ih­ rer Lebensqualität befragt, die selbst auskunftsfähig sind. Das heißt: Die Lebensqualität von zwei Dritteln der Be­ wohner von Pflegeheimen kann nicht erfasst werden, da sie an einer Demenzerkrankung leiden. Das Projekt

Neuere Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass auch Menschen mit Demenz noch über Potenziale verfügen, die für eine Beurteilung ihres Wohlbefindens genutzt werden können. Gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Ge­ rontologie der Universität Heidelberg und dem For­ schungsschwerpunkt »Lebensgestaltung im Alter« an der Berner Fachhochschule hat der MDS deshalb mit Unter­ stützung aus der mdk-Gemeinschaft einen ersten Vor­ schlag für ein Instrument entwickelt, mit dem im Rah­ men von mdk-Qualitätsprüfungen die Erfassung der Le­ bensqualität bei Menschen mit Demenz ermöglicht wer­ den soll. Gefördert wurde das Projekt vom Bundesminis­ terium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Der Erhalt und die Förderung des Wohlbefindens bzw. der Das Instrument Lebensqualität des pflegebedürftigen Menschen ist ein Laut hilde ist Lebensqualität mehrdimensional über wesentliches Ziel jeglichen pflegerischen Handelns. Damit medizinisch-pflegerische, soziale und emotionale Aspek­ ist Lebensqualität auch die relevante Zielgröße, wenn es te definiert. Das gemeinsam mit erfahrenen mdk-Quali­ um die Bewertung der Qualität der pflegerischen Versor­ tätsprüfern entwickelte Erhebungsinstrument besteht gung geht. Der Begriff der Lebensqualität stellt dabei auf aus drei Modulen: die subjektive Sicht des Pflegebedürftigen bei der Bewer­ – der Befragung von Heimbewohnern mit Demenz; tung seiner aktuellen Lebensumstände ab (Selbstauskunft). – der Beobachtung von Bewohnern mit Demenz;

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– e inem Instrument zur Erfassung des atmosphärischen ration mit einer Bezugspflegekraft das »Merkblatt Emoti­ Eindrucks in einer stationären Pflegeeinrichtung. onalität« aus hilde ausgefüllt. Dieses Merkblatt unter­ Das Befragungsmodul nimmt die folgenden Dimensio­ stützt die Prüfer bei der Beobachtung und Einschätzung nen von Lebensqualität (lq-Dimensionen) in den Fokus: der allgemeinen Gefühlswelt und einzelner Stimmungs­ lagen der jeweiligen Bewohner. Es enthält allgemeine, – körperliches Wohlbefinden; aber auch sehr individuelle mimische, gestische oder ver­ – soziales Bezugssystem; bale Kennzeichen. Vorgesehen ist, dass die Gutachter drei – Interaktion Bewohner – Pflegefachkräfte; – Aktivitäten (selbstständig und angeleitet); Bewohner für jeweils 30 Minuten in unterschiedlichen Si­ – Sicherheit und Gemütlichkeit des Bewohnerzimmers; tuationen beobachten. Die Situation selbst sowie die Be­ – Privatheit. obachtungen zum mimischen Ausdrucksverhalten wer­ Es werden keine Einstellungen abgefragt, sondern die den im Abstand von jeweils fünf Minuten dokumentiert, lq-Dimensionen werden in den konkreten Erfahrungs­ um so ein zuverlässiges Bild der emotionalen Befindlich­ alltag des Bewohners übertragen. Der für Lebensqualität keit im Sinne erlebter Lebensqualität zu gewährleisten. Der dritte Teil des Instruments ist ein Fragebogen, der wichtige Aspekt der Privatheit wird beispielsweise über das die Gesamtatmosphäre der Pflegeeinrichtung aus Per­ Zwei Drittel aller Item »Haben Sie auch gerne ein­ spektive des Prüfers anhand folgender zehn Kriterien ab­ Pflegeheimbewohner sind mal Ihre Ruhe?« abgefragt. Um bildet: Geruch, Empfang, Geräuschpegel, Ausstattung der Menschen mit Demenz Überforderung des Bewohners Räumlichkeiten, Sauberkeit, Personal, Erscheinungsbild zu vermeiden, sind alle Fragen kurz und prägnant formu­ der Bewohner, Ess- und Tischkultur, Anreichen des Essens liert. Das Instrument sieht außerdem vor, dass die indivi­ und Interaktion der Pflegeperson(en) mit dem Bewohner. duelle Bedeutsamkeit des jeweiligen lq-Aspektes abge­ Insgesamt haben die Projektbeteiligten die zentrale Bedeutung der Interaktion zwischen Bewohner und Pfle­ fragt wird. Das zweite Modul des Instruments, die Beobachtung von gepersonal bzw. Personal für die erlebte Lebensqualität Bewohnern mit Demenz durch den Prüfer, ist als teilneh­ betont und bei der Entwicklung des Instruments in allen mende Beobachtung konzipiert. Dabei beobachten die drei Bereichen umgesetzt. Prüfer vor allem die Interaktion zwischen demenzkran­ kem Bewohner und dem Pflegepersonal. Denn gerade die Der Praxistest Interaktion, d. h. die Kommunikation, die jeden Tag statt­ Von Juni bis Dezember 2010 wurde das Instrument einem findet, prägt den Lebensalltag schwer demenzkranker ersten Praxistest unterzogen und im Rahmen der regulä­ ­Bewohner eines Pflegeheims. Gelungene Interaktion ist ren mdk-Qualitätsprüfungen bei 42 Bewohnern mit De­ menz aus insgesamt 17 Einrichtungen angewandt. 28 Be­ demnach ein wichtiger Faktor für ihr Wohlbefinden. Um die Besonderheiten des emotionalen Ausdrucks­ wohner konnten durch die Prüfer befragt werden. Hier verhaltens der jeweiligen Bewohner möglichst gut und zeigte sich jedoch schnell, dass die Bewohner aufgrund ­sicher zu erkennen, wird vor jeder Beobachtung in Koope­ der Komplexität des Verfahrens überfordert waren. Nur

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MDK | WISSEN UND STANDPUNK TE selten wurde die Befragung vollständig durchgeführt. Die durchschnittliche Befragungszeit lag bei ca. 35 Minuten. Aufgrund dieser Schwierigkeiten wurde der Praxistest zunächst unterbrochen und das Befragungsmodul ver­ kürzt und vereinfacht. Bei der Fortsetzung des Praxistests in 17 weiteren Einrichtungen konnten 43 Bewohner an der Befragung teilnehmen. Dabei konnten sie durchschnitt­ lich 49 der nun 50 Items beantworten. Die Befragungszeit verkürzte sich von vormals 35 auf jetzt 19 Minuten. Die Bewohner-Beobachtungen fanden am häufigsten beim Mittagessen statt. Die Beobachtungssituationen wurden von den Prüfexperten sehr detailliert beschrie­ ben, selbst wenn die Beobachtungen abgebrochen wer­ den mussten: »Pflegepersonal wirkt immer wieder freund­ lich und motivierend auf den Pflegebedürftigen ein und lässt dem verlangsamten Pflegebedürftigen auch genü­ gend Zeit für Reaktionen.« Anhand des Beispiels wird deutlich, dass allein aus den Beschreibungen der Situati­ onen gelungene Interaktionen zwischen Pflegepersonal und Pflegeperson sichtbar gemacht werden können. Gleichzeitig können die Beschreibungen dazu dienen, Verbesserungspotenziale abzuleiten und in die Praxis der Versorgung zu tragen. Als sinnvolle Ergänzung der bisherigen ­Q ualitätsprüfungen geeignet

Demenzkranke – das konnte der erste Praxistest zeigen – können in frühen Stadien der Erkrankung zu ihrem Wohl­



befinden befragt werden und sind auch bei fortgeschritte­ nen Demenzstadien noch in der Lage, durch Mimik, Aus­ druck und Verhalten mitzuteilen, wie sie sich fühlen. Die­ se Potenziale können durch ein angemessenes Verfahren im Rahmen der mdk-Qualitätsprüfung sinnvoll genutzt werden. Im Fokus muss dabei die Interaktion zwischen Pflegeperson und dem demenzkranken Bewohner stehen. Nach Einschätzung aller am Projekt beteiligten Prüfer stößt diese Perspektive auch bei den Einrichtungen durchweg auf positive Resonanz. Mit hilde-mdk liegt nun ein erster Entwurf für ein In­ strument vor, mit dem Lebensqualität von demenzkran­ ken Heimbewohnern abgebildet werden kann. Das Ver­ fahren kann damit eine sinnvolle Ergänzung zur Quali­ tätsprüfung des mdk darstellen. Außerdem besteht die Chance einer konstruktiven Verbindung zwischen bera­ tungsorientiertem Prüfansatz des mdk und der Pflege­ praxis einer Einrichtung. In einem nächsten Schritt müsste in einer größer angelegten Studie geprüft werden, wie das Instrument in sinnvoller Weise in den Gesamtka­ non der mdk-Qualitätsprüfung integriert werden kann.

Dr. Andrea Kimmel ist

Bernhard Fleer ist

Mitarbeiterin im Fach-

Mitarbeiter im Fachgebiet

gebiet »Qualitäts­

»Pflegerische Versorgung«

management Pflege«

des M DS .

des MDS.

b. f l e e r @ m ds - ev. de

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Weiterentwicklung der MDK-Qualitätsprüfungen:

Weichen jetzt stellen A U S B A U D E R E X T E R N E N Q U A L I T Ä T S S I C H E R U N G in Pflegeeinrichtungen ist Ziel des am 1. Juli 2008 in Kraft getretenen Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes. Seither haben die MDK über 30 000 Prüfungen durchgeführt und damit ein im Gesundheitssystem einmaliges Projekt erfolgreich umgesetzt. Wohin die MDK-Qualitätsprüfungen entwickelt werden müssen – über Transparenzvereinbarungen und Pflegenoten hinaus –, war Thema einer Tagung am 19. Mai in Berlin.

Nie wurde so viel über Qualität und ihre Messung in der Pflege diskutiert wie heute. Dass dies auch in Zukunft so bleiben wird, davon ist Dr. Peter Pick, Geschäftsführer des mds, überzeugt. »Qualitätssicherung und Qualitäts­ prüfungen in der Pflege werden weiterhin einen hohen Stellenwert haben – zum Schutz der Pflegebedürftigen und zur Verbesserung der Pflegequalität. Deshalb müssen schon jetzt die Weichen für eine mittelfristige Weiterent­ wicklung der mdk-Qualitätsprüfungen gestellt werden«, sagte er zur Eröffnung der Veranstaltung. »Impulse erwar­ ten wir zum einen von den Ergebnissen des vom Gesund­ heits- und Seniorenministerium geförderten Indikato­ renprojekts. Die vorgeschlagenen pflegewissenschaftlich fundierten Ergebnisindikatoren sollen für die interne Qualitätsentwicklung und die externe Qualitätsprüfung gleichermaßen genutzt werden können und den Quali­ tätsvergleich zwischen Einrichtungen ermöglichen. Aber:

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Ergebnisindikatoren auf der Basis von Selbsterhebungen der Einrichtungen können auch in Zukunft die mdk-Prü­ fung nicht ersetzen«, betonte Pick. Darüber hinaus werde eine Weiterentwicklung der mdk-Prüfungen die aktuelle pflegewissenschaftliche Dis­ kussion – etwa über freiheitsentziehende Maßnahmen oder den Umgang mit herausforderndem Verhalten von Menschen mit Demenz – einbeziehen. Und drittens wer­ de die Erfassung der Lebensqualität von Pflegebedürfti­ gen künftig eine wichtigere Rolle spielen. Insbesondere für Menschen mit Demenz fehlt es bisher an geeigneten Erhebungsinstrumenten. Der mds hat in einem gemein­ samen Projekt mit dem Institut für Gerontologie an der Universität Heidelberg ein Instrument entwickelt, das ge­ eignet ist, diese Lücke zu schließen (siehe Beitrag S. 14 dieser Ausgabe).

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Interne und externe Qualitätssicherung stärker verknüpfen

»Internationale Erfahrungen zeigen, dass nur eine sinn­ volle Verknüpfung von interner und externer Qualitätssi­ cherung erfolgreich sein kann«, so Jürgen Brüggemann, Fachgebietsleiter »Qualitätsmanagement« beim mds. »Deshalb wollen wir auf der Grundlage der Vorschläge aus dem Projekt Entwicklung und Erprobung von Instrumen­ ten zur Beurteilung der Ergebnisqualität in der stationä­ ren Altenhilfe das Verhältnis von interner und externer Qualitätssicherung neu ausrichten.« Sinnvoll sei es, die Versorgungsqualität noch stärker in den Mittelpunkt der Qualitätsbewertungen zu stellen. Bei einem neu gestuften Prüfablauf müsse dann nicht immer das ganze Prüfpaket abgearbeitet werden. Denkbar sei, ggf. auf einen Teil der Prüfung von Prozessen und Quali­ tätsmanagement zu verzichten, wenn in der Versorgungs­ qualität keine Probleme festgestellt werden. Bei Defiziten in der Versorgungsqualität brauche man aber tieferge­ hende Informationen über die Organisation der Einrich­ tungen, um Impulse für Qualitätsverbesserungen geben zu können. »Deshalb kann man auch in Zukunft bei der mdk-Prüfung nicht auf die Erhebung von Merkmalen der Prozess- und Strukturqualität verzichten«, sagte Brügge­ mann. Wie gut ist gut genug?

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Indikatorenprojekt: Einrichtungen sollen Indikatoren selbst erheben

Für Pflegeheime wurden schließlich fünf Bereiche identi­ fiziert, von denen jeder mehrere Indikatoren umfasst. Er­ halt und Förderung von Selbstständigkeit, Schutz vor ge­ sundheitlichen Schädigungen und Belastungen, Unter­ stützung bei spezifischen Bedarfslagen, Wohnen und (hauswirtschaftliche) Versorgung sowie Tagesgestaltung und soziale Beziehung. Konzeptionell setzt der Projekt­ vorschlag von ipw und isg auf eine Vollerhebung aller Be­ wohner und Bewohnerinnen einer Einrichtung. Die Da­ tenerhebung muss deshalb durch die Einrichtung selbst erfolgen. Ein solches Vorgehen in den rund 11 500 deutschen Pflegeheimen flächendeckend umzusetzen, ist ein ehr­ geiziges Programm und wirft eine Reihe von Fragen auf: Gibt es in den Einrichtungen die fachlichen Vorausset­ zungen und die Bereitschaft zur Nutzung von Einschät­ zungsinstrumenten? Wer stellt sicher, dass die Einrich­ tungen die Instrumente gleich anwenden? Und was soll geschehen, wenn Einrichtungen keine Daten liefern? Explizit warb Wingenfeld deshalb für ein neues Zu­ sammenspiel zwischen internem Qualitätsmanagement und externen Prüfungen: »Eine reine Selbstevaluation wä­ re nicht zu befürworten. Wir brauchen einen externen Partner.« Claus Bölicke verdeutlichte für die Bundesar­ beitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege (bagfw) die weitreichenden Erwartungen in das Indikatorenpro­ jekt. Die bagfw möchte die vergleichende Darstellung von Prüfergebnissen auf neue Füße stellen und setzt da­ bei auf interne Erhebungen der Einrichtungen auf der Grundlage der Ergebnisindikatoren, während die externe Qualitätsprüfung durch den mdk auf wenige Stichproben reduziert werden soll.

Über die Frage, was geeignete Kriterien zur Bewertung der Qualität sind, wie diese Qualität erhoben werden kann und wie die Ergebnisse für eine vergleichende Darstel­ lung bewertet werden können, wird seit der Entwicklung der Transparenzvereinbarungen kontrovers diskutiert. Als Beitrag zur Versachlichung der Qualitätsdiskussion möchte Dr. Klaus Wingenfeld vom Institut für Pflegewis­ senschaften der Universität (ipw) Bielefeld die Ergebnis­ se des Indikatorenprojekts verstanden wissen. Dieses Pflegenoten werden verbessert und haben Bestand Projekt hat das ipw gemeinsam mit dem Institut für Sozi­ Gernot Kiefer, Vorstand des gkv-Spitzenverbandes, alforschung und Gesellschaftspolitik (isg), Köln, durch­ sprach sich allerdings gegen eine komplett neue Quali­ geführt. Die in diesem Projekt untersuchten Indikatoren tätsberichterstattung aus. Stattdessen solle das bestehen­ sollen in erster Linie für das interne Qualitätsmanage­ de System weiterentwickelt werden. Bezogen auf das jetzt ment genutzt werden können, sie sollen aber nach Mög­ vorgesehene Schiedsstellenverfahren äußerte Kiefer die lichkeit auch für die externe Qualitätssicherung verwert­ Befürchtung, dass sich die bekannten Konfliktlinien auch bar sein. hier fortsetzen würden. »Wie groß eine Stichprobe sein »Pflegeergebnisse sind durch Pflege bewirkte Verände­ soll, kann man nicht am Verhandlungstisch entscheiden. rungen von Gesundheitszustand, Verhalten und Erleben Wir haben eine große Verantwortung, dass Pflegebedürf­ von Pflegebedürftigen«, sagte Wingenfeld. Demzufolge tige und Angehörige auch verlässliche und sichere Infor­ könnten nur diejenigen Aspekte als Pflegeergebnisse gel­ mationen erwarten dürfen und fordern deshalb die Richt­ ten, auf die Einrichtungen bzw. deren Mitarbeiter maß­ linienkompetenz für die Weiterentwicklung der Pflegegeblichen Einfluss haben. »Da es keine absoluten Maß­ Transparenzvereinbarungen.« stäbe gibt, sind Abweichungen von durchschnittlichen Kiefer ist überzeugt: »Auch in ein paar Jahren wird es Ergebnissen ein zentraler Bezugspunkt«, so Wingenfeld. noch Pflegenoten geben, aber sie werden noch zuverläs­ Zudem dürften Einrichtungen, die besonders viele Be­ siger Auskunft und verlässlicher Orientierung geben.« wohner mit stark ausgeprägten Gesundheitsproblemen versorgen, nicht benachteiligt werden, forderte er. Um Christiane Grote dies auszuschließen, sei eine Risikoadjustierung erforder­ lich. Über den im Projekt vorgeschlagenen Weg der Risi­ koadjustierung (Differenzierung zwischen Personen mit und ohne kognitive Einschränkungen) wird allerdings durchaus auch kritisch diskutiert.

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Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden

Innovative Methoden mit Unsicherheitspotenzial N I C H T - M E D I K A M E N T Ö S E N E U E U N T E R S U C H U N G S - U N D B E H A N D L U N G S M E T H O D E N können im Krankenhaus zulasten der GKV erbracht werden, wenn sie nicht durch den Gemeinsamen Bundesausschuss von der Versorgung ­ausgeschlossen wurden. Dies soll Innovationen gezielt erleichtern. Doch zum Zeitpunkt der Einführung liegen meistens keine oder kaum Daten über ihren Nutzen oder Schaden vor. Eine bedenkliche Lücke für den Patientenschutz.

Unter Untersuchungs- und Behandlungsmethoden wer­ Innovationsfreundliche Regelungen für NUB im den diagnostische und therapeutische Verfahren verstan­ stationären Sektor den, die nicht primär einer Arzneimitteltherapie entspre­ Für Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden chen. Im Rahmen einer Untersuchungs- und Behand­ (nub), auch wenn sie den Einsatz von Medizinprodukten lungsmethode können auch Arzneimittel, vor allem aber beinhalten, gelten keine entsprechenden gesetzlichen Medizinprodukte, zum Einsatz kommen. Untersuchungs- Vorgaben. Da ein Zulassungsverfahren im eigentlichen und Behandlungsmethode oder Arzneimittel / Medizin­ Sinne für nub fehlt, sind die Vorgaben hinsichtlich ihrer produkt? In dieser Unterscheidung liegt eine der wesent­ Aufnahme in den Leistungskatalog der gkv andere als bei lichen Abgrenzungen, aus der sich unterschiedliche Re­ Arzneimitteln. Gesetzlich vorgesehen ist ein Unterschied hinsichtlich gelungen für Untersuchungs- und Behandlungsmetho­ den einerseits und Arzneimittel andererseits ergeben. der Erstattung zwischen dem ambulanten (vertragsärztli­ Dies betrifft sowohl gesetzliche Regelungen als auch Re­ chen) und dem stationären Bereich. Im ambulanten Be­ gelungen innerhalb der Selbstverwaltung. reich gilt der sogenannte Erlaubnisvorbehalt, d. h. eine nub kann nur nach Beratung durch den g-ba in den Leis­ Strenge Regeln für Arzneimittel und Medizinprodukte tungskatalog aufgenommen werden. Im Rahmen der g-baArzneimittel unterliegen in Deutschland den strengen Beratung soll auch das Nutzen- und Schadenpotenzial Auflagen des Arzneimittelgesetzes (amg). Bis zum soge­ neuer Methoden geprüft werden. Dabei geht es vor allem nannten Conterganfall sah das amg lediglich eine Regis­ um die Frage, ob die Leistungen dem anerkannten Stand trierung von Arzneimitteln vor. Später wurde ihre Zulas­ der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. sung Pflicht, in deren Rahmen die Qualität, Wirksamkeit Im stationären Bereich gilt seit zehn Jahren eine Er­ und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels nachgewiesen werden muss. Die Zulassung ist Voraussetzung, um ein Arzneimittel in Verkehr bringen zu dürfen, also in der Ver­ NUB-Erprobung durch den G-BA sorgung von Patientinnen und Patienten einzusetzen. In der Folge gehören zugelassene Arzneimittel grundsätz­ Der G - B A soll nicht-medikamentöse Untersuchungs- und lich (Ausnahmen bestehen auch hier) zum Leistungskata­ Behandlungsmethoden, deren Nutzen noch nicht mit hinreilog der gesetzlichen Krankenversicherung. chender Evidenz belegt ist und die ein innovatives Potenzial Anders bei Medizinprodukten: Hier bestehen Regelun­ versprechen, künftig zeitlich begrenzt unter Aussetzung des gen für ihre Registrierung und Zertifizierung, nach neue­ Bewertungsverfahrens erproben können. So sieht es der ren Vorgaben für bestimmte Medizinprodukte (in Abhän­ Arbeitsentwurf des Versorgungsgesetzes vor, den das gigkeit von ihrer Risikoklasse) auch Vorgaben hinsicht­ Bundesgesundheitsministerium am 27. Mai vorgestellt hat. lich einer klinischen Prüfung. Diese Regelungen lassen Während der Erprobungsphase sollen die Krankenkassen die allerdings vieles unbestimmt und sind in ihren Anforde­ Kosten der innovativen Verfahren bezahlen. An der Erprobung rungen nicht mit denen bei Arzneimitteln vergleichbar. sollen auch Vertragsärzte teilnehmen können. Damit würde Dies kommt u. a. dadurch zum Ausdruck, dass in Deutsch­ das Prinzip Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt aus dem stationäland Medizinprodukte in Verkehr gebracht werden, die in ren Sektor auf den ambulanten Bereich ausgedehnt werden. den usa keine Zulassung erhalten haben, da dort Bedin­ Die Finanzierung der wissenschaftlichen Begleitung und gungen gelten (zumindest für mp mit Risikopotenzial), Auswertung der Erprobung soll über den Systemzuschlag die denen für Arzneimittel vergleichbar sind. Allerdings nach § 139c S G B V erfolgen, mit dem die Hersteller beteiligt mehren sich sogar in den usa in der letzten Zeit Stimmen, werden. die ein noch strengeres Zulassungsverfahren fordern, um  Elke Grünhagen Schaden von Patienten abwenden zu können.

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laubnis mit Verbotsvorbehalt, nach der eine Leistung grundsätzlich zulasten der gkv erbracht werden darf, es sei denn, der g-ba hat sie nach Beratung aus dem Leis­ tungskatalog ausgeschlossen. Auf diese Weise soll die Einführung von Innovationen gezielt erleichtert werden, ohne dass langwierige Beratungsverfahren dem entge­ genstehen. Kontroverse: Innovationserleichterung versus Patientenschutz

Als zentrales Problem stellt sich also eine überwiegend mangelhafte und unübersichtliche Datenlage zum Zeit­ punkt der Einführung einer nub dar. Es fehlt in diesem Bereich nach wie vor an einer Kultur – dies gilt insbeson­ dere für diagnostische Verfahren –, nach der für nub zü­ gig aussagekräftige Studienergebnisse erzeugt werden. Bei einer frühen Bewertung durch den mdk oder auch das iqwig bleibt so meist nur die Aussage, dass eine Nutzen­ bewertung nicht möglich ist. Um einen dem Contergan vergleichbaren Fall zu vermeiden, müssen daher neue Wege gefunden werden, um eine Bewertung der Verfah­ ren zu ermöglichen.

Grundsätzlich ist das Ziel der Innovationserleichterung verständlich und nachvollziehbar, allerdings führt diese Regelung dazu, dass nub, die noch nicht im g-ba beraten wurden, in der stationären Versorgung angewendet wer­ Vorschlag: Innovationszentren den dürfen, ohne dass über ihr Nutzen- und Schadenpo­ zur Evaluation von NUB tenzial ausreichende Kenntnisse vorliegen. Im Sinne des Von zentralen Akteuren des g-ba – insbesondere vom Patientenschutzes eine bedenkliche Lücke, im Sinne des gkv-Spitzenverband – wird vorgeschlagen, die Erprobung Innovationstransfers die Inkaufnahme der resultieren­ neuer medizinischer Verfahren auf einzelne Innovations­ den Unsicherheit. zentren zu konzentrieren und so die Evaluation in guten, Die unterschiedliche Einschätzung der Regelung bie­ aussagekräftigen Studien zu ermöglichen. Durch ein sol­ tet Anlass für heftige Kontroversen. Die eine Sichtweise ches Vorgehen könnten erfolgreiche Innovationen stellt den »Verbraucherschutz« in den Vordergrund, die schneller im Versorgungssystem etabliert werden, wäh­ andere folgt der Maxime, dass Neuerung Fortschritt be­ rend nicht erfolgreiche Innovationen zügiger ausge­ deutet. Die unterschiedlichen Standpunkte können sich schlossen werden könnten. Durch die Verpflichtung zur auch auf die Formel bringen lassen: Medizinischer Fort­ Evaluation neuer medizinischer Verfahren könnten Ent­ schritt: Wettbewerb auf Kosten des Patientenwohls oder scheidungen des g-ba beschleunigt werden und gleich­ Patientenwohl als Wettbewerbsvorteil? zeitig bessere Entscheidungsgrundlagen für Kostenüber­ Die Kontroverse hat in den vergangenen Jahren an nahmen von Krankenkassen erzeugt werden. Schärfe gewonnen, da einerseits die Anforderungen an Die Umsetzbarkeit dieser Pläne wird sich wesentlich den »Nachweis« des allgemein anerkannten Stands der daran entscheiden, ob ein Modus der Finanzierung der medizinischen Erkenntnisse, also auch an die Prüfung Studien gefunden werden kann. Zudem wird es nötig sein, des Nutzen- und Schadenpotenzials, rigoroser geworden die Kontroverse über Patientenschutz versus Innovati­ sind; die Datenlage wird den Prinzipien der evidenzba­ onsglauben offen zu führen. sierten Medizin folgend evaluiert. Andererseits drängen Innovationen immer schneller in den Markt. Zudem ste­ hen sowohl Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte als auch Krankenkassen unter zunehmendem wirtschaft­ lichen Druck und versprechen sich von »Innovationen« durchaus wirtschaftliche Vorteile und Vorteile im Wettbe­ werb. Frühe Nutzen- / Schadenbewertung scheitert an fehlenden Daten

Verschärft wird die Diskussion noch durch den Aspekt, dass häufig hinter nub keine finanzstarken Unterneh­ men stehen, so dass die Finanzierung von Studien, die ei­ ne ausreichende Beurteilung des Nutzen- und Schaden­ potenzials einer neuen Methode erlauben würden, bisher weitgehend ungeklärt ist. In der Konsequenz bedeutet das momentan: Für die meisten nub, die in den Krankenhäusern eingeführt wer­ den, liegen unzureichende Daten vor, so dass Patienten unnötigen Risiken ausgesetzt werden. Das ist vor allem dann bedenklich, wenn für das entsprechende Krank­ heitsbild etablierte und gut geprüfte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden bestehen und sich die neuen Ver­ fahren eigentlich einem fairen Vergleich stellen müssten, um ihre Überlegenheit oder zumindest Nicht-Unterlegen­ heit unter Beweis zu stellen.

Dr. Monika Lelgemann leitet die SEG 7 »Methodenu n d Pro du k t b ewe r t u n g « b e i m M DS . m. l e l g e m an n @ m ds - ev. de

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Hauptstadtkongress

Von Piloten lernen S T R U K T U R I E R T E A B L Ä U F E , flache Hierarchien und eine intensive Personalauswahl – die Luftfahrt hat bei Sicherheits­ standards gegenüber der Medizin deutlich die Nase vorn. Davon konnten sich Mitte Mai zahlreiche Besucher des Hauptstadtkongresses in der Veranstaltung »Von Piloten lernen – Gelebtes Riskomanagement« überzeugen.

»Ist ein Arzt anwesend?« Diese Frage kann im Flugzeug im Notfall durchaus gestellt werden. Dass aber bei einem Ärzteforum nach einem Piloten gefragt wird, ist eher sel­ ten. Tagungsleiter Dr. Günther Jonitz, Präsident der Ärz­ tekammer Berlin, stellte auf dem Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit genau diese Frage. Vertreter des Gesundheitswesens und der Luftfahrt waren zusammen­ gekommen, um über einen möglichen Erfahrungsaus­ tausch zwischen den beiden Bereichen zu sprechen. Jörg Niemann, Leiter der Landesvertretung Nieder­ sachsen des Verbandes der Ersatzkassen, bezeichnete De­ fizite der Patientensicherheit als ein ernsthaftes Problem, »das wir in anderen Bereichen nicht akzeptieren würden«. Niemann sieht darin ein »Handlungsfeld, das angepackt werden muss«, zumal fehlende Patientensicherheit für das Gesundheitswesen teuer sei. Die kkh-Allianz hat tagtäglich mit den Kosten von Be­ handlungsfehlern zu tun. Um die Fehler zu vermeiden, hat die Krankenkasse zusammen mit dem MDK Nieder­ sachsen ein Patientensicherheitsprojekt gestartet. Auch Vertreter der Luftfahrt sind daran beteiligt. »Wie konnte der Pilot Chesley Sullenberger seinen A320 Anfang 2009 auf dem Hudson River landen und dabei alle Passagiere retten?«, fragte Ingo Kailuweit, Vorstandsvorsitzender der Krankenkasse. »Weil er gut trainiert war.« Das ist auch der Schwerpunkt des Projektes, bei dem die Ärzte und das Pflegepersonal unter anderem im Patientensimulator er­ leben, wie wichtig die Zusammenarbeit im Team und die richtige Anwendung von Checklisten sind. Soziale Kompetenz ist entscheidend

Auch die Eignung des Personals wird bei allen angehen­ den Piloten genau geprüft. Dr. Peter Hinz, Leitender Oberarzt am Uniklinikum Greifswald und Berufspilot, zeigte sich besonders von diesem Aspekt begeistert. »Wo­ her weiß man denn, ob ein Medizinstudent überhaupt ge­ eignet ist, Chirurg zu werden?« In der Luftfahrt wird nicht nur auf die technischen Fertigkeiten geachtet, sondern auch, ob ein Anwärter die entsprechende soziale Kompe­ tenz mitbringt. »Hierarchische Menschen oder solche, die nicht team­ fähig sind, haben im Cockpit nichts zu suchen«, sagte Dr. Viktor Oubaid, Luftfahrtpsychologe beim Deutschen Zen­ trum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Hamburg. Dr. Ou­ baid befasst sich seit Jahren mit der Ausbildung von Ver­ kehrspiloten. Untersuchungen von Zwischenfällen in der

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Luftfahrt haben ergeben, dass die sogenannten non-tech­ nical Skills zu den häufigsten Ursachen gehören. Um si­ cher fliegen zu können, legen die Airlines sehr viel Wert auf die soziale Kompetenz der Piloten. Beim Thema Sicherheit ist das ganze Team gefragt, ob Oberarzt oder Krankenschwester. Wichtig ist, dass alle an der Sicherheit mitarbeiten und sie nicht von oben herab angeordnet wird. »Hier werden nicht nur die Patienten, sondern auch das Personal geschützt«, sagt Hans Härting, Kapitän bei Austrian Airlines und Projektpartner. »Um ­eine neue Sicherheitskultur in den Krankenhäusern eta­ blieren zu können, müssen wir die Herzen der Mitarbeiter erreichen.« Projekt Patientensicherheit

In mehreren Modulen werden beim Projekt Patienten­ sicherheit die bestehenden Sicherheitsvorkehrungen im Krankenhaus geprüft. Anschließend werden die von der Luftfahrt inspirierten systematischen Sicherheitsstan­ dards auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse, wie Checklisten und Kommunikationsabläufe, in den Klinik­ alltag integriert. Erster Teilnehmer des Projektes ist das krh Klinikum Nordstadt in Hannover. Friederike Geisler

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Filme für Demenzkranke

Eintauchen in eine andere Welt S I E B E N J A H R E L A N G begleitete die Moderatorin und TV-Produzentin Sophie Rosentreter ihre demenzkranke Großmutter. Nach deren Tod beschloss die Enkelin, Filme speziell für Demenzkranke zu drehen. Diese werden nun in einigen Pflegeeinrichtungen bei demenzkranken Bewohnern mit beruhigender wie auch aktivierender Wirkung eingesetzt.

Erna Jordan schaut wie gebannt auf den Bildschirm. Zu sehen ist eine Ziege im Zoo. Die Einstellungen sind sehr lang und die Kamera geht so nah an die Ziege heran, dass der Zuschauer meinen könnte, er stehe wirklich neben dem Tier. Ganz langsam zoomt die Kamera auf das Fell der Ziege. Plötzlich steht Erna Jordan auf. Die schwer de­ menzkranke Pflegeheimbewohnerin, die durch normale Gespräche nahezu gar nicht mehr zu erreichen ist, geht zum Fernseher und streichelt die Ziege auf dem Bild­ schirm. Gedreht wurde der Film über die Tiere im Zoo von ­Sophie Rosentreter. Für verschiedene Fernsehsender stand die 35-Jährige bereits vor und hinter der Kamera. Durch das Schicksal ihrer eigenen Großmutter wandte sich das ehemalige Model von der Welt der Stars und Sternchen ab und dreht nun Filme für Demenzkranke. »Für mich war es ein sehr großer Schock, als meine Groß­ mutter erkrankte«, sagt Sophie Rosentreter. »Man weiß überhaupt nicht, was durch die Krankheit auf einen zu­ kommt, und noch weniger, wie man damit umzugehen hat.« Eintauchen in die Welt der Erinnerungen

Mithilfe von Pflegekräften, anderen Angehörigen und durch den Besuch verschiedener Pflegekurse setzte sich die TV-Moderatorin intensiv mit Filme für ein spezielles dem Thema Demenz auseinan­ der. »Das Wichtigste, was ich da­ Publikum mit ganz bei gelernt habe, war, dass man ­s peziellen Bedürfnissen diese Menschen nicht in unsere Welt zurückholen kann. Wir müssen in ihre eintauchen – in die Welt der Erinnerungen.« Mit der Unterstützung durch Dr. Jens Bruder, Mitbe­ gründer der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, drehte Sophie Rosentreter daraufhin ihren ersten Film für ein ganz spezielles Publikum mit ganz speziellen Bedürfnis­ sen. »Natürlich unterscheiden sich die Filme stark von dem, was man täglich im Fernsehen sieht. Es gibt keine richtige Handlung, die man verstehen muss, man kann je­ derzeit erneut einsteigen. Außerdem sind die Einstellun­ gen sehr lang und nah an den Objekten, so dass sich der Zuschauer sehr gut einfühlen kann.«

die Bewohner, die zuvor sehr unruhig waren, eine ganze Zeit lang friedlich vor dem Fernseher sitzen geblieben sind«, berichtet Constanze Urbach, ergotherapeutische Leiterin der Einrichtung. »Andere, die zuvor nur wenige Reaktionen gezeigt hatten, wurden durch den Film hinge­ gen aktiviert und äußerten ihre Wahrnehmung auch.« Zu den Filmen gibt es ein Beschäftigungspaket, das na­ hezu alle Sinne anregt. So können die Demenzkranken, während sie den Tierfilm schauen, beispielsweise das Fell eines Stofftieres fühlen oder Spielzeug-Vögel zwitschern lassen. Mithilfe eines Begleitbuches können die Lieder aus dem Film mitgesungen werden. »Natürlich können sich die Demenzkranken die Filme auch einfach nur an­ schauen«, sagt Sophie Rosentreter. »Die Wirkung ist je­ doch größer, wenn sie die Gegenstände gereicht bekom­ men, man gemeinsam singt oder über das Gezeigte spricht. Nicht nur im Pflegeheim, sondern gerade auch in der häuslichen Umgebung können die Filme viel Ruhe und Anregung bringen. So hat man die Möglichkeit, mit dem Großvater oder Großmutter einzutauchen in eine ganz andere Welt.« Mehr zum Filmprojekt von Sophie Rosentreter unter www.ilsesweitewelt.de

Filme bringen Ruhe

Getestet wurde der Prototyp im »Haus Ilse«, einer Einrich­ tung für schwer demenzkranke Bewohner in der Nähe von Hamburg. »Das Erstaunlichste war für mich, dass selbst

Friederike Geisler, Stabsstelle Kommuni­ kation beim MDK Niedersachsen. [email protected]

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Der nie endende Krieg

Die Geschichte von Agent Orange

D E R V I E T N A M - K R I E G E N D E T E 1 9 7 5 , vor über 35 Jahren. Das Entlaubungsgift mit dem Codenamen »Agent Orange« verbreitet bis heute noch verheerenden Schrecken. Die Folgen der Vergiftung durch das im Agent Orange enthaltene Dioxin zeigen sich selbst in den nächsten Generationen mit grotesken Formen. Und das nicht nur in Vietnam.

Heather Bowser ist die einzige Tochter des Vietnam-Vete­ ranen William (Bob) Allen Morris. Sie kam zwei Monate zu früh und mit schweren Missbildungen zur Welt. Ihr rechter Unterschenkel sowie ihr linker großer Zeh fehlen; sechs ihrer Finger sind gar nicht oder kaum ausgebildet. Nur neun Tage nach seiner Hochzeit mit Sharon wurde William, gerade erst 20 Jahre alt, zum Kriegsdienst nach Vietnam eingezogen. Er blieb dort von August 1968 bis April 1969. Nach seiner Rückkehr aus Vietnam fand er Ar­ beit als Stahlarbeiter. Sharon und er wollten nun eine Fa­ milie gründen. Doch es gab Schwierigkeiten. Die ersten zwei Schwangerschaften endeten in Fehlgeburten. End­ lich, die dritte Schwangerschaft schien normal zu verlau­ fen. Bis zur Frühgeburt von Heather und die für die Eltern schockierende Feststellung, dass ihre Tochter behindert ist. William: «Wenn ich gewusst hätte, dass ich meine zu­ künftigen Kinder mit nach Vietnam gebracht habe, wäre ich nie gegangen. Ich wäre nach Kanada geflohen, um dem Kriegsdienst zu entgehen.”

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Gefahr bewusst verschwiegen

Zwischen 1962 und 1971 sprühte das us-Militär fast 80 000 Liter Herbizide zur Entlaubung der Wälder und Dschungel und zur Zerstörung der Reisfelder in Vietnam, Ost-Laos und in Teilen Kambodschas. So sollten den nordvietnamesischen Soldaten und den Kämpfern des ­Vietcong die Deckung im dichtbelaubten Dschungel ge­ nommen und die Lebensmittelversorgung zerstört wer­ den. Agent Orange, benannt nach der orangefarbenen Bande der Fässer, in denen die Chemikalie gelagert wur­ de, war dabei das am meisten versprühte Gift. us-Bodentruppen, Lagerarbeitern und dem Flugperso­ nal von Hubschraubern und Flugzeugen, die das Gift ver­ sprühten, wurde erzählt, dass es harmlos sei für den Men­ schen, keine Gefahr. Jedoch zeigten sich die ersten Folgen schnell. Die Frauen der nach Hause gekommenen Viet­ nam-Soldaten hatten auffällig häufig Fehl- oder Frühge­ burten. Kinder kamen schwerstbehindert zur Welt. Die Veteranen litten und leiden unter Krebserkrankungen

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sämtlicher Art, Hautproblemen, Lymphknotentumoren (Hodgkin’s Lymphomia), Herzkrankheiten und Atembe­ schwerden. Die Liste der Leiden ist lang. William Allen Morris starb mit nur fünfzig Jahren an Herzversagen, nach vielen Jahren Krankheit. Bevölkerung leidet noch heute

Hauptleidtragender jedes Krieges ist stets die Zivilbevöl­ kerung. Im Falle des Vietnamkrieges gilt diese traurige Regel mit besonderer Härte. Das Foto von Nguyen Thi Ly, neun Jahre alt, ging um die Welt. Lys Gesicht ist verformt, die Augen stehen viel zu weit auseinander, ihr Brustkorb ist gekrümmt. Furchtbares Leiden ist zu erkennen. Lys Großvater hatte eine Dosis des Entlaubungsgiftes Agent Orange in seiner Heimatregion Da Nang abbekommen. Selbst in der zweiten Generation nach Ende des Krie­ ges kommen immer noch Babys mit schwersten Miss­ bildungen in Vietnam zur Welt, verursacht durch Agent Orange oder eines der anderen Gifte mit Namen wie Agent Blue oder Pink. Dioxin-verseuchte Muttermilch

Das vietnamesische Rote Kreuz berichtet, dass drei Mil­ lionen Vietnamesen bis heute gesundheitlich unter Agent Orange litten oder leiden, davon alleine 150 000 Kinder mit schwersten Behinderungen. Die Folgen sind vielfäl­ tig, von fehlenden Gliedmaßen, Lippen-Kiefer-Gaumen­ spalten, extra Fingern oder Zehen, Atembeschwerden bis zu einer hohen Quote von Down-Syndrom-Babys. Auch hier ist die Liste der Leiden fast endlos. Studien in den 70er Jahren zeigten einen extrem hohen Dioxingehalt in der Muttermilch südvietnamesischer Frauen. Fast 20% von Südvietnams Wäldern wurde während des Krieges mindestens einmal mit einem Entlaubungs­ gift besprüht. Geschätzte zehn Millionen Hektar Agrar­ land wurden systematisch zerstört. Beginnend im Okto­ ber 1962 wurde gezielt Agent Blue eingesetzt, um Reisfel­ der langfristig unfruchtbar zu machen. Ziel war es, den Kämpfern die Lebensmittelzufuhr abzuschneiden, aber die Folge war eine Hungersnot ohnegleichen in der viet­ namesischen Bevölkerung. Die­ ses führte zu einer Landflucht. Fast 80 000 Liter Herbizide Im Jahr 1971, zum Ende des versprühten die US-Streit­ Krieges, lebten über eineinhalb kräfte im Vietnamkrieg Millionen Flüchtlinge in Sai­ gons Armenvierteln, fast dreimal so viele wie vor dem Krieg. Die Folgen dieser «Völkerwanderung” sind selbst heute noch in der quirligen, völlig überfüllten Ho Chi Minh City (früheres Saigon) zu spüren.

1978 wurden mehrere Gerichtsverfahren gegen die Hersteller der Chemikalien angestrengt (ein Großteil der in Vietnam eingesetzten Herbizide wurde von der Mon­ santo Corporation und der Dow Chemical hergestellt). ­Eine Sammelklage wurde 1984 im vorgerichtlichen Ver­ fahren gelöst, insgesamt 180 Millionen us-Dollar wurden von Etwa 3 Millionen Vietnamesen den Herstellern gezahlt. Viele leiden bis heute unter den Vietnam-Veteranen waren je­ Folgen von Agent Orange doch mit der Entscheidung nicht zufrieden. Sie fühlten sich um das Gerichtsverfah­ ren betrogen. Die tatsächliche Auszahlung pro Veteran betrug maximal 12 000 us-Dollar, über zehn Jahre verteilt, und war mit dem Verlust von Ansprüchen auf andere staatliche Hilfen wie Lebensmittelmarken oder Staats­ pensionen verbunden. Erst 1991, sechzehn Jahre nach Ende des Vietnam­ krieges, wurde ein Gesetz im us-Kongress verabschiedet, der sogenannte Agent Orange Act. Bestimmte Krankhei­ ten der Kriegsveteranen wurden als Spätfolge des AgentOrange-Einsatzes anerkannt, und in der Folge wurden die Kosten der medizinischen Versorgung übernommen und Invalidenrenten gewährt. Jedoch kam diese Entschei­ dung für viele Kriegsheimkehrer zu spät. Sie erlagen be­ reits ihren Leiden. Eine Gruppe vietnamesischer Opfer strengte Anfang 2004 eine Sammelklage gegen die amerikanischen Her­ steller der in Vietnam versprühten Herbizide an. Die Kla­ ge wurde 2005 mit der Begründung abgewiesen, dass die usa keine chemische Kriegsführung in Vietnam führten, folglich nicht gegen internationales Recht verstoßen wur­ de. Endloses Leiden

Der Vietnamkrieg dauerte zwanzig lange Jahre, doch der Einsatz von Agent Orange und anderen Herbiziden scheint schier endloses Leiden bis heute und sogar noch in Zukunft zu verursachen. Paul Reutershan flog während seines Kriegsdienstes in Vietnam als Mitglied einer Hubschrauber-Mannschaft täglich durch Agent-Orange-Wolken. 1978, kurz vor sei­ nem Krebstod, nur 28 Jahre alt, sagte er während einer nbc Today Show die bemerkenswerten Worte: «Ich starb in Vietnam. Ich wusste es damals nur noch nicht.«

Kampf um Entschädigungszahlungen

Die vietnamesische Regierung gibt jährlich ca. 40 Millio­ nen us-Dollar für die Versorgung der Agent-Orange-Opfer aus. Die usa steuern gerade mal 2 Millionen dazu. Recht­ liche Verpflichtungen hierfür seitens der us-Regierung bestehen nicht. Selbst die US-Veteranen mussten lange um die Aner­ kennung ihrer Krankheiten als Folge des Agent-OrangeEinsatzes kämpfen. Amerika tat sich schwer damit.

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Bettina Garber ist freie Journalistin und lebt in New York

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HIV-infizierte Mütter schreiben für ihre Kinder

Memory Books I N D E N M E M O R Y B O O K S halten HIV-infizierte Mütter in Afrika fest, was sie ihren Kindern über ihren Tod hinaus hinter­ lassen wollen. Diese Bücher sind oft das einzige, was den Kindern von der Mutter bleibt, und ihr wertvollster Besitz. Die Filmemacherin Christa Graf hat sich dem Thema gewidmet und einen ergreifenden, preisgekrönten Film gedreht.

Der 10-jährige Dennis und seine drei Jahre jüngere Schwester Chrissi sitzen auf der Stufe vor dem Eingang ­ihres kleinen Backsteinhauses in Iganga, im Osten Ugan­ das, und blättern in einem Buch. Dennis hat es zusam­ men mit seiner Mutter geschrieben, die vor einem Jahr an Aids gestorben ist. Das Buch enthält viele Bilder von ­seiner Mutter, von ihm und seiner Schwester, dazu Ge­ schichten aus ihrem Leben: »Als Du geboren wurdest, Dennis, war Dein Großvater ganz verrückt nach Dir. Er war es, der Dir den Namen Dennis gab«, steht darin. Den­ nis’ Mutter berichtet in dem Buch davon, dass er als Klein­ kind Mangos über alles liebte. Und, dass er schon als Baby mit Kuhmilch gesäugt werden musste, damit er sich nicht mit dem Virus seiner Mutter ansteckt. Und auch über ihr eigenes Leiden an der hiv-Infektion schreibt sie. In den Memory Books halten die Mütter fest, wie ihre Kinder laufen gelernt haben, was sie gern gegessen ha­ ben, Informationen über den Vater und das Elternhaus. Die Bücher helfen den Kindern, sich früh mit dem Tod auseinanderzusetzen. »Die Mütter bereiten ihre Kinder da­ ­­rauf vor, dass sie bald auf sich gestellt sein werden«, er­ zählt die Münchener Filmautorin Christa Graf. Über den Bestseller-Autor Henning Mankell kam sie mit dem Thema in Berührung. »Sie hinterlassen ihnen Geschichten und Märchen, vermitteln Werte und Traditionen, schreiben über Kindheitserinnerungen und Zukunftswünsche.« Wenn die Kinder nach dem Tod ihrer Eltern im Wai­ senhaus, auf der Straße oder bei Verwandten leben, wer­ den die Bücher zu einem wichtigen Teil ihres Lebens. Die Hilfsorganisation National Community of Women Living with hiv/aids (nacwola) hilft den hiv-Infizierten beim Schreiben der Memory Books. In den meisten Fällen sind es Mütter, da die Männer oft zuerst sterben und die Bin­ dung zwischen Mutter und Kind stärker ist. Die Idee zu den Büchern entstand Anfang der neunziger Jahre in Eng­ land. hiv-infizierte afrikanische Auswanderer, die dort mit ihren Kindern lebten, wollten diesen vermitteln, wo sie herstammten, damit sie auch nach dem Tod ihrer El­ tern mit der Heimat verbunden bleiben.

Gebrochene kleine Seelen

Für Christa Graf und ihr Filmteam war es nicht einfach, die Schicksale der Mütter und ihrer Kinder mitzuerleben. »Man kommt sich ohnmächtig vor. Besonders wenn man erlebt, wie die Waisen in verkommenen ›Kinder-Haushal­ ten‹ leben. Um das Haus herum befinden sich die Gräber der Erwachsenen, und im Haus findet man gebrochene kleine Seelen.« Obwohl sich besonders die Regierung von Uganda um Aufklärung der Bevölkerung bemüht, sehen sich viele in ausweglosen Situationen. »Hinter all dem steht natürlich die unglaublich große Armut«, berichtet die Filmemacherin. »Wenn eine Frau ihre fünf Kinder al­ lein versorgen muss und es Tag für Tag gerade so schafft, sie am Leben zu erhalten, denkt sie natürlich nicht daran, was in fünf Jahren ist, sondern daran, ob morgen etwas zu essen da sein wird. So verkauft sie vielleicht ihren Körper und nimmt die Konsequenzen in Kauf.« Der Film über die Memory Books zeigt jedoch nicht nur die leidvollen Seiten Ugandas. »Viele haben aus dem Leid heraus eine unglaubliche Kraft entwickelt«, erzählt Chris­ ta Graf. »Das spiegelt sich auch in den Büchern wider.« So berichtet Dennis in dem Film: »Als wir daran geschrieben haben, hat Mama immer gesagt, dass das Buch uns ir­ gendwann einmal helfen würde. Heute weiß ich, was sie damit gemeint hat. Es hilft uns wirklich. Es hilft uns da­ bei, uns an all die guten Dinge zu erinnern, die sie für uns gemacht hat. Wenn ich Chrissi daraus vorlese, ist es, als würde sie zu uns sprechen.« Kindern die Wahrheit sagen

Die Mütter schreiben die Bücher mit ihren Kindern zu­ sammen, wodurch ein intensiver Kontakt entsteht. »Auf diese Weise sprechen sie über Dinge, über die sie sonst nie reden, auch über die Krankheit«, sagt Christa Graf. »Kindern die Wahrheit zu sagen, auch wenn sie noch so schrecklich ist, ist oft besser, als das Ganze zu verschlei­ ern. Sie spüren sowieso, dass etwas nicht stimmt.«

33 Millionen Menschen mit HIV »Aids ist nicht greifbar«

Bereits zwei Filme hat Christa Graf vor Memory Books in Afrika gedreht und das Leid vor Ort hautnah erlebt. »Aids wird in Afrika enorm verdrängt«, sagt die Journalistin. »Es ist eine Krankheit, die nicht greifbar ist. Man stirbt nicht an Aids, sondern an einer Erkrankung, die durch die Im­ munschwäche hervorgerufen wird. Die Menschen sind hilflos und wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen.«

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Nach offiziellen Angaben der Organisation UNAIDS leben weltweit über 33 Millionen Menschen mit dem HI-Virus. Die meisten davon, über 22 Millionen, in den südlichen Regionen Afrikas, zu denen auch Uganda gehört. Experten gehen jedoch von einer sehr großen Dunkelziffer aus. Et­ wa 40 000 HIV-infizierte Mütter in Afrika schreiben Memo­ ry Books für ihre Kinder.

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WEITBLICK

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Für die Kinder sind die Bücher besonders nach dem Tod ihrer Eltern meist das Wertvollste, was sie besitzen. Das Filmteam erlebte, wie sie die Bücher in Metallkisten aufbewahrten oder unter der Matratze versteckten. »Die Mütter bleiben den Kindern so nicht nur als jemand in Er­ innerung, der gelitten hat und gestorben ist, sondern auch als eine kümmernde Person, die mit viel Kraft für ­ihre Kinder da war«, sagt Graf. Christine hilft den Müttern beim Schreiben

Viele Frauen in Uganda können kaum lesen oder schrei­ ben. Andere Betroffene, die bereits Memory Books ver­ fasst haben, helfen ihnen beim Schreiben ihrer Bücher. In dem Film von Christa Graf erfahren wir von Christine, ei­ ner Krankenschwester, die vor vier Jahren erfuhr, dass sie sich infiziert hatte. Seitdem unterrichtet sie andere Müt­ ter darin, Memory Books zu schreiben. Sie weiß, wie wich­ tig es für Kinder ist, über ihre Herkunft Bescheid zu wis­ sen. Sie selbst hat für all ihre Kinder Memory Books ange­ fertigt. Darin erzählt sie alles über ihre Familie und ihre Vergangenheit und spricht auch offen über ihre Krank­ heit. »Auch den Müttern können die Bücher helfen«, be­ richtet die Filmautorin. »Sie erhalten auf diese Weise ein neues Selbstwertgefühl.«

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Hilfe für Dennis und Chrissi

Der Film »Memory Books« erntete weltweite Anerken­ nung und wurde mit internationalen Preisen gekürt. Die größte Auszeichnung erfuhr die Münchener Filmemache­ rin jedoch, als sie im September 2010 nach Uganda zu­ rückkehrte, um ihren Protagonisten den Film zu zeigen. »Ein französisches Ehepaar hatte die Dokumentation im Fernsehen gesehen. Die Geschichte um die beiden Wai­ sen Dennis und Chrissi berührte sie so sehr, dass sie sich spontan entschlossen, die Kinder zu suchen und ihnen zu helfen. So flogen sie 2009 nach Uganda. Dort bezahlten sie das Schulgeld für die Kinder, kauften ihnen Kleidung und eine neue Matratze. Dank ihrer Hilfe geht Chrissi nun auf eine Privatschule, Dennis besucht ein Internat in Iganga. Als ich wieder dort hinreiste, kam mir ein strah­ lender Dennis in Schuluniform entgegen. Auch Chrissi, die beim Filmdreh noch traumatisiert war, war wie aus­ gewechselt«, freut sich Christa Graf. »Ich erwarte von Dir, dass Du fleißig studierst und einen guten Abschluss machst«, schrieb Dennis’ Mutter in das Memory Book. Dieser Wunsch ist für den mittlerweile 13-Jährigen in Er­ füllung gegangen. Friederike Geisler

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Krankenhaushygienegesetz

Gesetzgeber sagt Keimen den Kampf an

M E H R E R E H U N D E R T T A U S E N D P A T I E N T E N I N D E U T S C H L A N D infizieren sich jedes Jahr bei einem Klinikaufenthalt oder in einer Arztpraxis. Die Zahlen schwanken je nach zitierter Quelle zwischen 400 000 und 600 000. Deshalb will die Bundesregierung die Hygiene in Kliniken und bei medizinischen Behandlungen durch ein Gesetz verbessern, das unter anderem die Bundesländer stärker in die Pflicht nimmt. Möglichst noch vor der Sommerpause soll es in Kraft treten.

Der größte Anteil dieser Infektionen ist sicher auch bei per­ fekter Behandlung unvermeidbar. Allerdings: Unbestritten ist unter Experten auch die Tatsache, dass mindestens 20% bis 30% dieser Infektionen unter optimalen Bedingungen Die Bundesländer hätten vermieden werden können. werden zum Handeln Vermeidbar wären also tragische verpflichtet Todesfälle, invalidisierende Krank­ ­heitsverläufe oder verzögerte Wundheilungen und viel Leid für die betroffenen Patienten und deren Angehörige. Und auch wenn die Bestimmung von wirtschaftlichen Schäden für das Gesundheitssystem immer vage bleiben muss, kann doch von Ausgaben von dreistelligen Millio­ nenbeträgen für die Behandlung vermeidbarer nosoko­ mialer Infektionen ausgegangen werden. Die Neuregelungen im Einzelnen

Da bislang nur sieben Bundesländer im Rahmen ihrer Krankenhausgesetzgebung Krankenhaushygieneverord­ nungen erlassen haben, sollen alle Länder durch den Ge­ setzentwurf verpflichtet werden, entsprechende Rechts­ verordnungen nicht nur für ihre Krankenhäuser, sondern auch für andere relevante medizinische Einrichtungen zu erlassen. Weiter sieht der Gesetzentwurf vor, am Robert Koch-In­ stitut eine »Kommission Antiinfektiva, Resistenz und

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Therapie« (Kommission art) einzurichten. Sie soll Emp­ fehlungen mit allgemeinen Grundsätzen für Diagnostik und antimikrobielle Therapie, insbesondere bei Infektio­ nen mit resistenten Krankheitserregern, erstellen. Dar­ über hinaus sollen die von der Kommission für Kranken­ haushygiene und Infektionsprävention (krinko) beim Robert Koch-Institut herausgegebenen Empfehlungen zur Infektionsvermeidung künftig für Ärztinnen und Ärz­ te verbindlichen Charakter erhalten. Bisher waren Daten zur Hygienequalität nicht Gegen­ stand der Qualitätsberichte, die Krankenhäuser alle zwei Jahre veröffentlichen müssen. Auch das soll sich ändern. Geht es nach den Plänen der Bundesregierung, dann wird der Gemeinsame Bundesausschuss (g-ba) verpflichtet, spätestens bis zum 31. Dezember 2012 in seinen Richtli­ nien zur Qualitätssicherung geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der Hygienequalität vorzugeben. Die Ergeb­ nisse sollen in geeigneter Weise in die Qualitätsberichte der Krankenhäuser aufgenommen werden, die außerdem ab dem Jahr 2013 jährlich zu veröffentlichen sind. Die Behandlung von keimbesiedelten Patienten im ambulanten Bereich scheiterte bislang oft an der fehlen­ den Vergütung entsprechender Maßnahmen. Dies soll durch die zunächst befristete Schaffung neuer Gebühren­ ordnungspositionen im Einheitlichen Bewertungsmaß­ stab (ebm) verbessert werden. Und schließlich ist eine be­

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lastbare Datenlage Grundlage für jegliche Maßnahmen gegen nosokomiale Erreger. Deshalb müssen Gesund­ heitsämter zukünftig alle Daten über Krankenhausinfek­ tionen an das Robert Koch-Institut weiterleiten. Grundsätzliche Zustimmung bei den Beteiligten

Die Reaktionen der gesundheitspolitischen Beteiligten auf die Zielsetzungen des Gesetzentwurfs sind grundsätz­ lich durchweg positiv. »Die Krankenhäuser begrüßen den vorgelegten Gesetzentwurf. Er ist hilfreich im Kampf ge­ gen Infektionen«, erklärte etwa Georg Baum, Hauptge­ schäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (dkg). Der unkritische Einsatz von Antibiotika fördere die Resistenzen der Infektionskeime. Zum wirksamen Abbau von Antibiotika-Resistenzen sei es erforderlich, dass die Medikation zwischen den Krankenhäusern und den niedergelassenen Ärzten abgestimmt werde. Dass die dkg außerdem vor einem zu­ sätzlichen Kostenschub von Krankenhäuser sollen € 500 Millionen warnt und ein Indikatoren zur Hygiene­ Krankenhaus-Sonderfinanzie­ qualität veröffentlichen rungsprogramm fordert, kommt für Kenner der gesundheitspolitischen Szene nicht über­ raschend. Auch der gkv-Spitzenverband begrüßt die geplanten Maßnahmen – und er weist darauf hin, dass den Kranken­ häusern im laufenden Jahr ohnehin € 2,2 Milliarden an zusätzlichen Mitteln zur Verfügung stehen. Außerdem würden die Mittel, die nicht für die Behandlung von In­ fektionen ausgegeben werden müssen, die Kosten für de­ ren Vermeidung leicht decken. Kritik äußerten Experten in einer öffentlichen Anhö­ rung des Gesundheitsausschusses am 9. Mai 2011. So be­ zweifelten die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushy­ giene, die Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventivmedizin und der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in einer ge­ ­meinsamen Stellungnahme die zugrunde gelegten Zah­ len. Sie gehen »von einer Mindestzahl von 700 000 noso­ komial erworbenen Infektionen pro Jahr« aus. Ebenso wi­ dersprachen sie den im Gesetzentwurf genannten Zahlen von schätzungsweise 7500 bis 15 000 Todesfällen pro Jahr. Nach ihrer Auffassung muss die Zahl der Todesfälle »nach oben korrigiert werden, wobei wahrscheinlich mit bis zu 30 000 Todesfällen pro Jahr zu rechnen ist«, heißt es dort. »Völlig an der Realität vorbei« geht nach Auffassung des Leiters der Krankenhaushygiene am Universitätskli­ nikum Essen, Prof. Walter Popp, die im Gesetzentwurf ge­ äußerte Erwartung, dass durch geeignete Maßnahmen 20 bis 30% der Krankenhausinfektionen zu vermeiden sind. Neuere Untersuchungen zeigten, dass bei konsequentem hygienischen Handeln bis zu 100% der Fälle vermieden werden können. Popp forderte deshalb, eine weiterge­ hende Zielsetzung in den Gesetzentwurf aufzunehmen.

Christiane Grote leitet das Fachgebiet »Presseund Öffentlichkeitsarbeit« des M D S . c. grote@mds- ev.de

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Hoffnung am Hygienehorizont? Ein Kommentar von Dr. Anette Busley, MDS Hygieneprobleme haben viele Ursachen: strukturelle Mängel wie veraltete Räumlichkeiten, zu wenig Einzelzimmer oder zu wenig kompetentes, weisungsbefugtes Hygienepersonal. Prozessuale Mängel wie unrationaler Einsatz von Antibiotika, schlechte Zusammenarbeit zwischen ambulantem und stationärem Sektor oder ungenügende Aufbereitung von Medizinprodukten. Ganz wesentliche Faktoren sind aber nach wie vor menschliches Fehlverhalten und Unwissenheit, wie viele Untersuchungen zum Thema immer wieder eindrücklich nachweisen. Problem erkannt, aber längst nicht gebannt! Klar ist: Das Problemfeld der nosokomialen Infektionen und der Hygienemängel ist wissenschaftlich bestens beleuchtet. Experimentell ist vielfach bewiesen, wie und zum Teil wie leicht sich wesentliche Verbesserungen herbeiführen lassen. Daneben gibt es die erforderlichen Sachmittel: z. B. verträg­­ liche Desinfektionslösungen, (Schnell-)Tests zur Erkennung von Problemkeimen oder räumliche Ressourcen zur Durchführung effektiver Isolationsmaßnahmen. Und: Es gibt bereits heute gesetzliche Möglichkeiten, weitreichende Vorschriften hinsichtlich der Hygiene und des Infektionsschutzes zu erlassen. Genug Geld ist vorhanden. Unser Gesundheitssystem kann es sich leisten, all die zum Teil horrenden Folgekosten eingetretener Infektionen zu tragen. Blieben diese aus – und sei es nur zu einem Teil –, stünde sehr viel Geld für die Finanzierung der vorbeugenden Maßnahmen zur Verfügung. Leider wurden aber bis heute alle diese Möglichkeiten nicht genutzt und müssen bzw. sollen jetzt durch bundesgesetz­ liche Regelungen erzwungen werden. Dienstanweisungen allein helfen nicht Auch wenn noch ein Zieldatum fehlt, werden irgendwann alle Bundesländer Krankenhaushygieneverordnungen erlassen haben – mit einigem Glück sogar ziemlich einheitlich. Es werden in den nächsten Jahren in allen Kliniken vermehrt hochqualifizierte Hygienefachkräfte einge­­­stellt werden. Ob diese aber erfolgreich handeln können, ist abhängig vom Rückhalt, den sie von der Klinikleitung erfahren. Die zukünftig bindenden Empfehlungen aus dem R K I zu Hygiene und Antibiotikatherapie werden mehr Beachtung finden als je zuvor. Vielleicht wird der eine oder andere Ordner in Krankenhäusern und Arztpraxen um ein Blatt ergänzt, vielleicht wird eine weitere Dienstanweisung erlassen. Die entscheidende Frage aber ist, ob der gelebte Arbeitsalltag im Krankenhaus oder im Verordnungsverhalten sich ändert! Hier ist der Gesetzgeber dann machtlos, das Gesetz ein papierener Tiger – es sei denn, es würde ein fürchterliches Kontroll- und Sanktionssystem etabliert. Im besten Falle aber gibt dieses Gesetz Anstoß zu einem Umdenken und einem Verhaltenswandel bei den vielen Einzelnen, die Hygiene im wahrsten Sinne des Wortes »in der Hand« haben – dann hätte es einen großen Erfolg! Dr. Annette Busley leitet das Fachgebiet »Stationäre Versorgung« des MDS

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Arzneimittelsicherheit in Pflegeheimen



Viele Medikamente – viele Probleme M E H R A L S 7 5 0   0 0 0 M E N S C H E N in Deutschland leben in einem Pflegeheim. Die meisten Bewohner sind multimorbide, leiden also an mehreren chronischen Erkrankungen gleichzeitig, und erhalten entsprechend viele Medikamente. Sie haben ein erhöhtes Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen. Aktuelle Ergebnisse zur Arzneimittelsicherheit in NRW-Pflegeheimen hat jetzt das Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen vorgestellt.

Im Durchschnitt erhalten die Bewohner in den unter­ suchten Heimen etwa sieben Dauermedikamente und zwei bis drei Bedarfsmedikamente pro Tag. Das ist ein Er­ gebnis der Untersuchung, die vom Landesinstitut für Ge­ sundheit und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen, kurz liga.nrw, in Zusammenarbeit mit den örtlichen Amtsapothekern durchgeführt worden ist. Arzneimittelrisiken für ältere Menschen

Doch die kombinierte Gabe von Präparaten birgt gerade bei älteren Menschen zahlreiche Risiken. Durch Erkran­ kungen und den physiologischen Alterungsprozess wie etwa das Nachlassen der Nierenfunktion werden Medika­ mente in einem längeren Zeitraum abgebaut als bei ei­ nem jungen Menschen. Hinzu kommen Risiken durch Wechselwirkungen verschiedener Präparate, potenziell ungeeignete Medikamente und Kontraindikationen. Stu­ dien haben gezeigt, dass bereits bei der Einnahme von mehr als fünf verschiedenen Arzneimitteln die Nebenwir­ kungsrate auf 25% ansteigt. Prof. Ulrich Jaehde, Leiter des Bereichs Klinische Phar­ mazie an der Universität Bonn, ist an einem Forschungs­ projekt zur Sicherheit von Arzneimitteltherapien in Altenund Pflegeheimen beteiligt, des­ sen erste Ergebnisse im Sommer Mehr Medikamente führen auch zu mehr unerwünschten veröffentlicht werden sollen. »In der Tendenz sehen wir, dass die Arzneimittelwirkungen Häufigkeit von unerwünschten Arzneimittelwirkungen ähnlich hoch ist wie in anderen Ländern, etwa in den usa. Interessant ist, dass die Hälfte dieser Fälle vermeidbar gewesen wäre.« Zentraler Medikamentenplan für klare Verantwortung

Bei der Qualität der Arzneimittelversorgung von Heimbe­ wohnern spielen aber auch äußere Faktoren eine wesent­ liche Rolle. Falsche Lagerung, Fehler beim Stellen der Me­ dikamente oder Dokumentationsfehler können ebenfalls zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen führen. Be­ reits 2002 hatte das liga.nrw in nrw-Pflegeheimen die Qualität der Arzneimittelversorgung untersucht. Es zeigte sich, dass unklare Verantwortlichkeiten und Kommuni­ kationsdefizite zwischen den Pflegekräften und behan­ delnden Ärzten häufig zu Fehlern bei der Medikation

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führten. Das kann gefährliche Folgen für die Heimbewoh­ ner haben. »Es müssen klare und überprüfbare Anweisungen exis­ tieren, wann welches Arzneimittel in welcher Dosierung gegeben werden soll. Mündliche Absprachen reichen nicht aus«, sagt Dr. Udo Putea­ nus, Leiter des Bereichs Sozial­ Medikamentenversorgung pharmazie im liga.nrw. »Ein spielt im Pflegeheim eine zentrales Dokument, in dem alle wichtige Rolle Medikamente des Patienten auf­ gelistet sind und in dem jede Änderung per Handzeichen durch den Arzt vermerkt ist, verringert die Fehleranfällig­ keit«, so Puteanus. Gerade wenn mehrere Ärzte den Pati­ enten behandeln, sei es unbedingt nötig, dass ein zentra­ ler Medikamentenplan existiere mit einem vollständigen Überblick über die Arzneimittel inklusive Selbst- und Be­ darfsmedikamente. Nur rund 70% der befragten Heime verfügten jedoch über solch einen zentralen Medikamen­ tenplan. Weniger Stellfehler bei Medikamenten

Bei der beträchtlichen Anzahl von Präparaten, die in ei­ nem Heim Tag für Tag bereitgestellt und verabreicht wer­ den müssen, liegt eine Fehlerquelle auch im Zusammen­ stellen der Arzneimittel für die Bewohner. 2002 ergab die Untersuchung des liga.nrw eine Fehlerquote von etwa 30% bei einer Prüfung von über 360 Stichproben. Im ver­ gangenen Jahr wurde das Projekt in ähnlicher Form wie­ derholt. Die Stellfehler sanken um rund die Hälfte und betrugen nur noch 16%. Im Zeitraum zwischen den beiden Untersuchungen hat sich auf dem Gebiet der Qualitätssicherung in Pflege­ heimen eine Menge getan. So sind zum Beispiel seit 2003 die Apotheken nach dem Apothekengesetz verpflichtet, bei der Arzneimittelversorgung von mehreren Bewoh­ nern mit den Heimträgern Versorgungsverträge abzu­ schließen. Viele Apotheken bieten den Heimen in diesem Rahmen auch Information und Beratung an. Seit 2009 wird im Rahmen der Qualitätsprüfungen durch den mdk in den Pflegeheimen die Arzneimittelversorgung intensi­ ver angeschaut. So wird zum Beispiel stichprobenartig untersucht, ob die Versorgung eines Heimbewohners mit Medikamenten auch den ärztlichen Anordnungen ent­

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spricht. »Die Erfahrungen zeigen, dass in den Pflegehei­ men das Bewusstsein dafür wach ist, dass die Medika­ mentensicherheit eine komplexe Aufgabe ist und sehr fehleranfällig sein kann«, betont Dr. Friedrich Schwegler, Grundsatzreferent für die Pflegeversicherung des mdk Nordrhein. Mehr Sicherheit durch Verblisterung?

Das Stellen der Medikamente braucht Zeit und Ruhe, häu­ fig Mangelware im Alltag eines Pflegeheims. Daher bieten einige Apotheken den Pflegeheimen den besonderen Ser­ vice des sogenannten »Verblisterns« an. Die Medikamen­ te werden für die einzelnen Pati­ enten per Maschine gestellt, ver­ Risiken durch unklare packt und geliefert – das tägliche Verantwortlichkeiten und oder wöchentliche Medikamen­ Kommunikationsdefizite tenstellen in den Heimen ent­ fällt weitgehend. Wurde das Verfahren zunächst hoch ge­ lobt, so macht sich bei den Experten Ernüchterung breit, denn auch das neue Verfahren hat einige Tücken. So kön­ nen beim Verblistern nicht alle Medikamente bereitge­ stellt werden. Tropfen oder Salben müssen weiter von den Pflegekräften vorbereitet werden. »Das führt zu einer un­ guten Mischung von Verantwortlichkeiten«, berichtet Schwegler. Auch Wolfgang Wilms, Leiter des Medizinischen Fach­ bereichs Pharmakologie des mdk Nordrhein, äußert Be­ denken gegen ein generelles Verblistern: »In der Regel werden die verblisterten Arzneimittel für eine Woche ge­ liefert. Doch was geschieht, wenn die Medikamente akut geändert werden müssen? Wie schnell kann darauf re­ agiert werden?« Bei den mdk-Qualitätsprüfungen wird auf diese Fragen geachtet: »Erhält ein Heim verblisterte Arzneimittel, fragen wir in der Regel nach, wie mit Pro­ blemfällen – zum Beispiel einem plötzlichen Medika­

mentenwechsel – umgegangen wird«, sagt Schwegler. Auch Jaehde von der Uni Bonn hält das Verblistern nicht für alle Patienten in Heimen für sinnvoll. »Es schadet viel­ leicht nicht, aber es bringt auch nicht den versprochenen Erfolg. Die Probleme werden nur verlagert.« Wesentlich sei das gute Zusammenspiel von Ärzten, Pflegekräften und Apothekern bei der Arzneimitteltherapie von Heim­ bewohnern. »Hier kommt es vor allem auch auf eine ge­ naue Beobachtung der Patienten an, um unerwünschte Nebenwirkungen zu erkennen. Durch das Stellen und die Beschäftigung mit den Medikamenten sind die Pflege­ kräfte enger in das Therapiegeschehen eingebunden als beim Verblistern«, so Jaehde. Daher wundert es auch nicht, dass Pflegekräfte der Ver­ blisterung von Arzneimitteln mehrheitlich skeptisch ge­ genüberstehen. Bei einer Befragung des liga.nrw hiel­ ten rund 63% der Pflegekräfte dieses Verfahren für nicht hilfreich. Stattdessen wünschten sich mehr Engagement und Information bei der Klärung möglicher Arzneimittel­ interaktionen und beim Umgang mit Medikamenten.

Dr. Barbara Marnach, Stabsbereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, MDK Nordrhein. [email protected]

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Organspende 



Zeit zu entscheiden

S I E W A R T E N V E R G E B L I C H A U F E I N N E U E S H E R Z , auf eine Lunge oder ein anderes Organ: Jedes Jahr sterben in Deutschland 1000 Menschen, weil sie kein Spenderorgan bekommen haben. Insgesamt stehen 12 000 Patienten auf ­Wartelisten, aber nur 4700 Transplantationen pro Jahr können gemacht werden. Mit dem Referentenentwurf zur Änderung des Transplantationsgesetzes hat die Bundesregierung im April die Neuregelung der Organspende eingeleitet.

Daten der Deutschen Stiftung Organtransplantation (dso) zeigen, dass die Zahl der postmortal gespendeten Organe zwischen 2002 (3169 Organe) und 2010 (4205) deutlich angestiegen ist. Zugleich ist aber der tatsächli­ che Bedarf im Laufe der Jahre größer geworden, und die Wartezeiten haben sich eher verlängert. In einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheit­ liche Aufklärung hatten im vergangenen Jahr zwar über 74 % der Bundesbürger ihre Bereitschaft erklärt, ein Or­ gan zu spenden. Aber nur 25 % der Befragten hatten tat­ sächlich einen Organspendeausweis ausgefüllt. Die De­ fizite sind offensichtlich, und das Thema wird in der Öffent­ Der Bedarf an Organen lichkeit zunehmend als Pro­ steigt stärker als die Zahl blem wahrgenommen. Dazu bei­ der Organspenden getragen hat auch im vergange­ nen Jahr die Entscheidung des Fraktionschefs der spd im Bundestag Frank-Walter Steinmeier, seiner schwerkran­ ken Frau eine Niere zu spenden. In Deutschland werden nicht genügend Organe ge­ spendet. Auf der Suche nach Lösungen rücken dabei zwei Problembereiche in den Fokus: Zum einen soll das seit 1997 geltende Transplantationsgesetz reformiert wer­­­den, zum anderen geht es darum, Abläufe mit Blick auf die Or­ ganspende besser und effizienter zu organisieren. »Organspende oder nicht. Diese Entscheidung sollte niemand seinen Angehörigen überlassen«, hat Steinmei­ er vor kurzem beim 128. Kongress der Deutschen Gesell­ schaft für Chirurgie (dgch) klargestellt. Damit hat der spd-Politiker auf ein Kernproblem des noch geltenden Transplantationsgesetzes aufmerksam gemacht. Weil viel zu wenig Bürger zu Lebzeiten erklären, ob sie nach ih­ rem Tod Organe spenden wollen, müssen in den aller­ meisten Fällen Angehörige die Entscheidung fällen. Organspende heute: erweiterte Zustimmungslösung

Eine Organspende in Deutschland ist bisher nur möglich, wenn zwei Ärzte unabhängig voneinander den Hirntod des potenziellen Spenders festgestellt haben. Diesen Ärz­ ten ist dann eine Beteiligung an Organentnahmen oder Transplantationen nicht erlaubt. Es muss darüber hinaus eine Zustimmung des Verstorbenen zur Organspende vor­ liegen. Ist eine solche nicht dokumentiert, werden bei der bisher geltenden »erweiterten Zustimmungslösung« die Angehörigen nach dem mutmaßlichen Willen des Ver­ storbenen gefragt und müssen eine Entscheidung tref­ fen. Genau das ist ein fundamentaler Teil des Problems: Die meisten Angehörigen sind unmittelbar nach dem Tod

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des Angehörigen extrem belastet und mit dieser Entschei­ dung oft völlig überfordert. Im Zweifel sind sie dann eher geneigt, eine Zustimmung zu verweigern. Die ganze Trag­ weite des Problems sei 1997, als das Gesetz auf den Weg gebracht wurde, noch nicht abzusehen gewesen, sagt Prof. Eckhard Nagel, Ärztlicher Direktor des Uniklini­ kums Essen. Nagel: »Wir müssen einen besseren Zeit­ punkt finden, einen, an dem jeder in der Lage ist, diese Entscheidung auch tatsächlich zu treffen.« Entscheidungslösung

Genau an diesem Punkt setzt eine von Politikern unter­ schiedlichster Couleur favorisierte Alternativlösung an. Mit Frank-Walter Steinmeier und dem Fraktionschef der Union im Bundestag Volker Kauder machen sich partei­ übergreifend zwei Spitzenpolitiker für die sogenannte Entscheidungslösung stark. Einmal im Leben soll jeder Bürger gefragt werden, ob er nach dem Hirntod Organe spenden würde. Die Antwort soll im Ausweis, im Pass oder Führerschein gespeichert werden. Vorher müssen sie nach diesem Modell umfassend und strukturiert über das Thema informiert werden. Die aok werde sich nach­ drücklich und intensiv für eine solche Entscheidungs­ lösung einsetzen, hatte bereits im Januar der stellvertre­ tende Vorstandschef des aok-Bundesverbandes Jürgen Graalmann klargestellt. Dieses Modell könnten die Kran­ kenkassen aktiv befürworten und auch dafür werben. Gegner des Modells halten die Pflicht zu einer Ent­ scheidung für nicht legitim. Dagegen setzen die Befür­ worter, dass die bisherige erweiterte Zustimmungslösung bereits heute Angehörige zwinge, im Todesfall eine posi­ tive oder negative Entscheidung zu treffen. Vor diesem Hintergrund sei es nur logisch, dass auch von jedem Bür­ ger selbst eine Entscheidung abverlangt werden könne. Die Befürworter der Entscheidungsoption sehen sich auch vom Europäischen Parlament unterstützt. Im Mai vergangenen Jahres hatten sich die eu-Mandatsträger da­ für ausgesprochen, dass die Mitgliedsstaaten »ernsthaft« die Option prüfen sollten, nach der bei Beantragung eines offiziellen Dokumentes eine Entscheidung für oder gegen die Organspende abverlangt wird. Widerspruchslösung

Das zweite, derzeit in Deutschland intensiv diskutierte Organspende-Modell ist die sogenannte Widerspruchslö­ sung. Wer keine Organentnahme nach seinem Tod will, soll dies zu Lebzeiten ausdrücklich erklären, so der Kern des Konzepts. Jeder Bürger, der nicht widerspricht,

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kommt als Organspender in Frage. Die Bundesländer Hessen und Bayern etwa machen sich ebenso für diese Lösung stark wie die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie. Das Modell wird »erweiterte Widerspruchslösung« ge­ nannt, denn es erlaubt immerhin, dass auch Angehörige einer Organentnahme widersprechen können – wenn sie sich am vermuteten Willen des Verstorbenen orientieren. Die »enge Widerspruchslösung«, eine noch schärfere Va­ riante, würde eine Interventionsmöglichkeit für Angehö­ rige gar nicht erst vorsehen. Reform des Transplantationsgesetzes

Ende April hat die Bundesregierung einen Referentenent­ wurf zur Änderung des Transplantationsgesetzes vorge­ legt. Darin werden eu-Richtlinien über Qualitäts- und Si­ cherheitsstandards für menschliche Organe umgesetzt, die zur Transplantation bestimmt sind. Außerdem sollen Organentnahme-Kliniken grundsätzlich verpflichtet wer­ den, künftig mindestens einen Transplantationsbeauf­ tragten zu berufen, um die Spendenbereitschaft zu ver­ bessern. Dieser Plan scheint parteiübergreifend konsens­ fähig. In der politischen Debatte haben Defizite und inef­ fiziente Strukturen bei der Organisation von Organspen­ den einen breiten Raum eingenommen. Vor allem die dso hat dringend Verbesserungen in Kliniken angemahnt. Diese hät­ In vielen Fällen müssen die ten endlich sicherzustellen, ­A nge­h örigen entscheiden dass mögliche Organspender in Zukunft nicht mehr übersehen werden. Fragen zur Widerspruchs- oder Entscheidungslösung allerdings werden im Referentenentwurf nicht behandelt und waren auch nicht Gegenstand von aktuellen Anhö­ rungen. Als sicher gilt dennoch, dass das Konzept der er­

weiterten Zustimmungslösung ausgedient hat und in ei­ ner Gesetzesnovelle ersetzt wird. Der politische Fahrplan sieht voraussichtlich so aus: Konkret festgelegt sind zwei öffentliche Anhörungen im Gesundheitsausschuss des Bundestags: Am 8. Juni geht es um medizinisch-technische Aspekte, am 29. Juni wer­ den ethisch-rechtliche Fragen des Transplantationsge­ setzes auf der Agenda stehen. Ein Eckpunktepapier der Koalition zur geplanten Gesetzesnovelle ist derzeit noch nicht in Sicht und wäre, wie aus dem Gesundheitsaus­ schuss verlautet, zum jetzigen Zeitpunkt eher eine Über­ raschung. Unklar bleibt auch, ob noch vor der parlamen­ tarischen Sommerpause ein Kabinettsentwurf vorliegen wird. Politische Streitpunkte sind im Übrigen nicht die ge­ planten strukturellen Verbesserungen beim Ablauf von Transplantationen. Die Herausforderung im Bundestag wird darin bestehen, die gegensätzlichen Konzepte Ent­ scheidungs- versus Widerspruchslösung unter einen Hut zu bekommen. Bei der Abstimmung ist davon auszuge­ hen, dass es keinen Fraktionszwang geben wird. Auf Entscheidungshilfe von außen werden die Abge­ ordneten im Zweifel nicht verzichten müssen: Christina Rau etwa, Frau des früheren Bundespräsidenten, hat sich als Schirmherrin des Bundesverbandes der Organtrans­ plantierten im Vorfeld klar positioniert: »Die freiwillige Organspende, die nicht auf einem fehlenden Wider­ spruch beruht, ist ein großherziges Geschenk der Nächs­ tenliebe.«

Christoph Fuhr ist Redakteur im Ressort Gesundheitspolitik bei der Ärzte Zeitung, Springer Medizin. [email protected]

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DIE POLITISCHE KOLUMNE



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Erste Bewährungsprobe für den Jungstar M I T T E N I N D E R L E G I S L A T U R P E R I O D E bekommt das Gesundheitsministerium einen neuen Chef. Aus Parteikalkül wechselt der neue FDP-Chef Philipp Rösler ins Wirtschaftsministerium. Seinem Nachfolger Daniel Bahr hinterlässt Rösler zwei Großbaustellen: die Umsetzung des Versorgungsgesetzes und die Reform der Pflegeversicherung. Bahr – mit 34 Jahren der bisher jüngste Bundesminister – muss nun beweisen, dass er diesem schwierigen Job gewachsen ist.

Der Vorgang ist schon einmalig: Da sägen führende Libe­ Anwalt der Versicherten rale über Monate am Stuhl des angeschlagenen Partei­ »Ich habe vor der neuen Aufgabe natürlich viel Respekt«, chefs Guido Westerwelle, bis dieser endlich freiwillig sagte Bahr kurz nach Amtsantritt dem Bonner »GeneralPlatz macht für Philipp Rösler. Doch ein Parteichef, der Anzeiger«. Und ergänzt selbstbewusst: »Mit der Beschei­ als Gesundheitsminister selten positive Schlagzeilen denheit, die die Rheinländer kennen, sage ich auch: Ich macht, ist der FDP-Spitze wohl zu gefährlich. Rösler wird bringe bei dem Thema viel Erfahrung mit.« Der Polit-Voll­ daher ins Wirtschaftsministerium manövriert, der bishe­ profi weiß, wie das Geschäft funktioniert. Das hat er gera­ rige Amtsinhaber Rainer Brüderle muss sich fortan mit de erst bei der Schließung der insolventen City bkk be­ dem Vorsitz der FDP-Bundestagsfraktion zufriedengeben. wiesen. Kaum machten Beschwerden die Runde, ältere Leidtragende der taktischen Machtspielchen sind die und kranke Mitglieder würden bei einigen Kassen abge­ Bürger. Auch wenn Bahr, bisher Staatssekretär im Ge­ wimmelt, präsentierte sich Bahr als knallharter Anwalt sundheitsministerium, das Haus kennt – es werden noch der Versicherten. Die Kassen dürften die Versicherten Monate vergehen, bis der neue Chef an die Reformen sei­ nicht wie Bittsteller behandeln, sondern müssten sie auf­ nes Vorgängers anknüpfen kann. Das Gleiche gilt auch für nehmen, erklärte er und drohte mit saftigen Sanktionen: »Das fängt bei Geldstrafen an und geht hin bis zur Abberu­ Rösler im Wirtschaftsministerium. fung von Kassenvorständen.« Vom Kritiker zum Hüter

Wer aber ist der Neue an der Spitze des Gesundheitsmi­ nisteriums? Bahr ist kein Unbekannter in der Gesund­ heitspolitik. Seit seinem Einzug in den Bundestag 2002 engagiert er sich in der Sozialpolitik – zunächst als pflege-, später als gesundheitspolitischer Sprecher der fdp-Frak­ tion. Akribisch arbeitete sich der Bankkaufmann und stu­ dierte Volkswirt in die komplizierte Materie ein und machte sich rasch mit seiner harschen Kritik an spd-Ge­ sundheitsministerin Ulla Schmidt einen Namen. Beson­ ders lautstark wetterte Bahr gegen den Gesundheitsfonds – egal, wann und wo man ihn am Handy erwischte. Der Fonds sei ein »Einfallstor für die Einheitskasse« und eine »gigantische Umverteilungsbehörde«. Das war 2008. Da­ mals rechnete der Nachwuchspolitiker sicher nicht da­ mit, schon bald selbst oberster Hüter des Fonds zu sein. Ein frecher Spruch machte den Gesundheits-Staatsse­ kretär schließlich bundesweit bekannt. Im Sommer 2010 stritten sich fdp und csu über Wochen über die Kopfpau­ schale. Als csu-Generalsekretär Alexander Dobrindt die Liberalen als »Gurkentruppe« beschimpfte, bescheinigte Bahr dem Bayern das Auftreten einer »Wildsau«. Ein Machtwort der Kanzlerin trennte schließlich die Streiten­ den. Solche Auftritte sind allerdings nicht Bahrs Stil. Er gilt als besonnen und pragmatisch. Als Staatssekretär hat er im Hintergrund für Rösler die Fäden gezogen – beide galten als eingespieltes Team.

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Der Niedergang der City BKK

Das Debakel um die City bkk ist die erste Bewährungs­ probe für den neuen Minister. Die Schließung der ange­ schlagenen Kasse dürfte Bahr aber kaum überraschen. Seit Monaten kursierten Gerüchte über eine bevorstehen­ de Pleite. Der City bkk – sie hatte zuletzt knapp 170 000 Mitglieder – wurde zum Verhängnis, dass ihre Versicher­ ten vor allem aus den Ballungsgebieten Berlin, Hamburg und Stuttgart kommen. Dort sind wegen Uni-Kliniken, Spezialisten und hoher Arzt­ dichte die Kosten besonders Trotz scharfer Kritik an der hoch. Der Gesundheitsfonds Politik anderer gilt Bahr als gleicht allerdings nur durch­ besonnen und pragmatisch schnittliche Ausgaben aus. Als die Finanznot die Kasse zwang, einen Zusatzbeitrag zu er­ heben, kündigten die jüngeren, meist gesünderen Versi­ cherten massenhaft – und verschärften damit die finanzi­ ellen Schwierigkeiten. Die City bkk bleibt sicher nicht die einzige Kasse, die dem Gesundheitsfonds zum Opfer fällt. Denn das Kassen­ sterben ist von der Politik gewollt. Ziel ist es, die Zahl der gesetzlichen Versicherungen von derzeit rund 150 dras­ tisch zu senken. Damit sollen die Verwaltungskosten re­ duziert und der Wettbewerb zwischen den Kassen ge­ stärkt werden. Das Problem: Der Gesundheitsfonds bietet keine fairen Wettbewerbsbedingungen. Versicherungen mit überproportional vielen Mitgliedern in Ballungsregi­ onen sind eindeutig im Nachteil – egal, wie erfolgreich

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DIE POLITISCHE KOLUMNE m d k forum 2/11



das Management arbeitet. Hätte beispielsweise eine Krankenkasse alle Versicherten der City BKK aufgenom­ men, wäre sie vermutlich selbst in Schieflage geraten. Dominoeffekt droht

Die Schließung der City bkk wird glimpflich über die Bühne gehen. Weitaus schwieriger wäre die Pleite einer großen Kasse mit mehreren Millionen Versicherten. Auf­ grund des Spardrucks hat keine Krankenkasse die Kapa­ zitäten, um innerhalb weniger Wochen hunderttausende Versicherte aufzunehmen. Hinzu kommt: Für die Kosten der Insolvenz haften zunächst die Kassen der gleichen Art – bei der City bkk also die anderen Betriebskrankenkas­ sen. Die Pleite einer großen Versicherung könnte aller­ dings weitere Kassen in Finanznot bringen – das Ergebnis wäre ein gefährlicher Dominoeffekt. Herausforderung Pflegereform

Nicht die Finanznot einzelner Kassen dürfte Bahr in den nächsten Monaten Kopfzerbrechen bereiten. Weit größer sind die Herausforderungen bei der Reform der Pflege­ versicherung. Sein Vorgänger hat sich bisher darauf be­ schränkt, eine umfangreiche Wunschliste für Verbesse­ rungen in der Pflege zusammen­ zustellen. Die entscheidende Pflegereform: Rösler hinterlässt Wunsch­l iste ohne Frage, wie dies finanziert wer­ den soll, hat Rösler bisher ele­ Finanzierungsvor­s chläge gant ausgeklammert. Bahr muss darauf eine Antwort geben. Inzwischen mehren sich die Hinweise, dass die Regierung das sensible Thema erst 2012 anpackt. Eines ist aber schon gewiss: Ohne kräftige Reibereien in der Koalition wird es keine Einigung geben. Zu unterschiedlich sind die Positionen. Während die fdp für eine private Zusatzversicherung kämpft, will die csu eine Rücklage im bisherigen System aufbauen. Bewährungsprobe im Haifischbecken

Ob Bahr sich in den vergangenen Tagen nicht häufiger ge­ fragt habe, ob dies nicht alles nur ein Traum sei, wollten Journalisten des »General-Anzeigers« wissen. Der Nach­ wuchs-Star antwortete gewohnt professionell. Ja, es sei ­alles sehr schnell gegangen. Und ergänzte: »Ich bin aber voller Tatendrang. Und ich habe den Vorteil zu wissen, worauf ich mich eingelassen habe.« Unbestritten: Der 34-Jährige kennt das Haifischbecken Gesundheitspolitik. Als Staatssekretär blieb er allerdings im Hintergrund, als Minister steht er künftig direkt in der Angriffslinie. Was das heißt, dürfte er spätestens erleben, wenn die Reform der Pflegeversicherung in die heiße Phase tritt. Die CSU wird dem Nachwuchs-Talent keinen schnellen Erfolg gönnen. Dann zeigt sich, was Bahr in seinen zwei Lehrjah­ ren unter Rösler gelernt hat. Vielleicht hat er sich aber auch das ein oder andere von Ulla Schmidt abgeschaut. Kaum jemand hat Kritik so souverän ignoriert wie die ExMinisterin.

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Steffen Habit ist Wirtschaftsredakteur beim Münchner Merkur.

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