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March 6, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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PferdeWoche

RUND UMS LEDER

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Die Entstehung eines handgemachten Masssattels

Harmonie zwischen zwei Wirbelsäulen Ein Sattel muss das optimale Zusammenspiel von Mensch und Tier ermöglichen. Doch wie erkennt man, ob der eigene Sattel richtig sitzt? Wann macht es Sinn, einen Masssattel anfertigen zu lassen? Und wie entsteht ein solcher? Die «PferdeWoche» besuchte die Sattlerei Röösli und begleitete die Sattelbauer bei diesem künstlerischen Handwerk. Melina Haefeli «Sitzt der Sattel gut, sitzt der Reiter besser.» Nach diesem Motto fertigt das Röösli-Team massgefertigte Sättel an, die weltweit ein Begriff sind. Die Referenzliste der Sattlerei Röösli spricht für den Erfolg ihres ehrwürdigen Handwerks. Mit ihren Sätteln gewannen namhafte Reiter an Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften sowie Weltcup-Finals viele Titel und Medaillen. Die Röösli-Sättel werden nach traditionellem Knowhow weitgehend von Hand

Ein Teil der Werkstatt in der Sattlerei Röösli im luzernischen Schachen.

hergestellt. «Nur mit Massarbeit kann eine harmonische Einheit zwischen Zwei- und Vierbeiner entstehen, die den Zauber des Reitens ausmacht und sportliche Erfolge ermöglicht», so Urs Röösli. Der gelernte Sattler übernahm vor zehn Jahren das Ge-

schäft seines Vaters Fredy. Fredy Röösli begann bereits 1965 mit der Produktion von Sätteln. Vorher absolvierte er die Berufslehre als Sattler/Tapezierer. Mittlerweile beschäftigt die Sattlerei neun Angestellte, davon fünf gelernte Sattler und zwei Lehrlinge. Ein Unikat nach persönlichen Massen Wie jeder Reiter habe auch jedes Pferd seine eigenen anatomischen Vorausset-

zungen, etwa bezüglich Sattellage und Schulterbeschaffenheit. Jeder RöösliSattel ist ein Unikat, gefertigt nach den persönlichen Massen von Pferd und Reiter, damit sich beide gleichermassen wohlfühlen. «Bereits bei jungen Pferden muss der Sattel optimal passen. Sie sind es sich nicht gewohnt, Sattel und Reiter zu tragen und sind noch nicht ideal bemuskelt. Daher muss man ihnen dies so angenehm wie möglich ge-

Urs Röösli beim Aufpolstern eines Sattelkissens. Mit der rechten Hand kontrolliert er stets, wo die Wolle hingelangt. Anschliessend muss das andere Kissen gleichermassen behandelt werden.

Fotos: Melina Haefeli

stalten», erklärt der Fachmann. Es lohnt sich also, schon früh einen Masssattel anfertigen zu lassen oder sich um einen einwandfrei sitzenden Stangensattel zu kümmern. «Es ist ein grosser Irrtum zu glauben, der Sattel müsse einem jungen Pferd noch nicht unbedingt passen, da es sich noch verändern wird», stellt der gelernte Sattler klar. Die Qual der Wahl Bei Röösli werden die grundlegenden Faktoren bereits beim ersten Anruf des Kunden ermittelt. «Reiten Sie Dressur, Springen oder Freizeit? Welche Rasse hat Ihr Pferd und wie alt ist es? Können Sie den Widerrist und die Oberlinie beschreiben? Wie sind Ihre Körpergrösse und Gewicht?» So ist Urs Röösli bei seinem anschliessenden Stallbesuch optimal vorbereitet und kann vorher entscheiden, welchen seiner Sättel er zum Probieren mitbringt. Er bietet vier Dressur-, zwei Spring- und zwei Freizeitmodelle an. Sie unterscheiden sich vor allem in ihren Vorzügen – wie nahe man am Pferd ist, welche Breite und Form

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die Kissen vorweisen oder wie der Schenkel liegt, um nur einige davon zu nennen. Das qualitativ hochwertige Material, der bequeme und weiche Sitz sowie bestmögliche Druckverteilung ist bei allen garantiert. Technische Daten generieren Vor Ort wird zuerst das Pferd ausgemessen. Anhand von Kurvenlinien wird die Form des Rückens ermittelt. Dies gibt Aufschluss darüber, wie der Sattelbaum gespannt wird, wie weit das Kopfeisen wird, wo der tiefste Punkt des Sattels liegt und wie gross die Kissen sein müs-

sen. Die individuelle Anpassung der Sattelbaumspannung ist einer der grossen Unterschiede zwischen einem Masssattel und einem ab der Stange. Beim Stangensattel kann nur die Weite des Kopfeisens sowie die Grösse der Sitzfläche individuell angepasst werden. Die Beugung des Sattelbaumes ist vorgegeben. Das macht es bei Pferden, die nicht über Durchschnittsmasse verfügen, schwierig, einen Sattel mit der korrekten Sattelbaumspannung zu finden. Natürlich wird auch der Reiter ausgemessen – er soll sich ja genauso wohl fühlen wie sein Vierbeiner.

Die Sattelkissen werden sorgfältig an den Sattel genäht.

Die Beckenstellung, der Schenkelschluss, die Ausmessung der Beine sowie die Haltung des Reiters im Sattel verraten dem Spezialisten, wie er die Pauschen und Sattelblätter anwinkeln muss und welche Grösse der Sitz hat. Nachdem die notwendigen Masse festgehalten sind, werden gemeinsam die mitgebrachten Modelle ausprobiert. «Meistens merkt der Kunde sehr schnell, auf welchem der Modelle er sich wohlfühlt, trotzdem überlasse ich ihm das gewünschte Modell noch eine Woche lang, um alle Zweifel auszuräumen.» Wenn alles unter

Dach und Fach ist, wird das wertvolle Stück mit Hilfe der vor Ort generierten technischen Daten in der Sattlerei im luzernischen Schachen hergestellt. Symmetrie und Sorgfalt von Anfang an Begonnen wird beim Sattelbaum. Die Sitzgrösse des Reiters, die Weite des Kopfeisens, die Spannung des Baumes und die Polsterung des Sitzes bestimmen den Sattelbaum. Dieses Holz-Stahlfeder-Konstrukt (Bild 1) wird mit Polyesterbändern bespannt (2). Diese Polyesterbänder ermöglichen eine ideale Einwirkung des Reitersitzes.

Es wird ein Latexgummi über die Bänder gelegt, welcher eine langjährige Federkraft garantiert (3). Ein Wollfilz überdeckt den Latexgummi, sodass Reibungen auf den Gummi verhindert werden und damit das Leder des Sitzes besser aufgezogen werden kann (4). Diese Arbeit erfordert Fingerspitzengefühl und Exaktheit. Die Rindshaut muss beim Überziehen genug gespannt werden, damit keine Falten entstehen, darf aber nicht zu viel straffen, weil sonst das Leder brechen könnte (5). Wenn der Sitz überzogen ist (6), werden die eben-

Die einzelnen Teile des Sitzes werden vorsichtig verarbeitet.

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RUND UMS LEDER Sitzt der Sattel?

Die drei Kopfeisen von Röösli: Für stark gebaute Pferde mit breitem Hals (grün); für durchschnittliche Warmblüter (rot); für feinere Pferde oder Vollblüter (gelb).

Ein Vollschalensitz verfügt über keinerlei Elastizität. Er wirkt wie eine Unterbrechung zwischen Reiter und Pferd. Ausserdem federt er weder Schläge für die Wirbelsäule des Menschen ab noch für jene des Tieres.

falls massgefertigten Sattelblätter und Strippen angenäht. Der Winkel und die Höhe der Pauschen sind wiederum individuell auf jeden Kunden zugeschnitten. Bei einem Stangensattel sind diese Teile Standard. Nach Rööslis Machart ist der obere Teil des Sattels nun fertig, es fehlen «nur» noch die Kissen. Sie nehmen aber im

gesamten Prozess einer Sattelherstellung sehr viel Arbeit in Anspruch.

Aufpolstern – eine pure Gefühlssache

Sattelkammer bald auf dem Widerrist aufliegt oder zu eng ist, wenn der Sattel vorne oder hinten zu tief liegt, wenn die Füllung der Kissen stark zusammenfiel oder nicht eben ist, muss der Sattel aufgepolstert werden. Urs Röösli macht es am liebsten unmittelbar nach dem Stallbesuch. Denn dann hat er noch genau im Kopf, wie der Pferderücken aussah und wie der Sattel darauf lag. «Wenn ich mit dieser Arbeit beginne, werde ich nicht gern gestört.» Ansonsten müsse er immer wieder von vorne beginnen und sich erneut in den spezifischen Fall hineinversetzen.

Im Laufe der Zeit verändert sich das heikle Material und auch das Pferd. Wenn der Sattel nicht mehr passt, muss eine Aufpolsterung vorgenommen werden. Um dies fachmännisch auszuführen, müssen die Kissen immer vollständig demontiert werden. Es ist eine knifflige Arbeit, erfordert gute Kenntnisse des Sattelbauers und ist reine Gefühlssache. Denn durch das Aufpolstern kann ein Sattel auch verschlechtert werden. Wenn das Pferd Druckstellen aufweist – eigentlich dürfte es gar nie so weit kommen –, wenn die

Viele Stunden Handarbeit Das passende Wollfilzkissen wird mit Leder überzogen, mit Wolle individuell aufgepolstert, gepresst und schliesslich aufgenäht. Auch hier gilt wieder absolute Symmetrie, Genauigkeit und Sorgfalt. Sie müs-

«Leider trauen sich die Reiter heutzutage immer weniger zu, den Sattel selbst zu überprüfen. Eine jährliche Kontrolle durch einen Fachmann finde ich gut, die Selbstkontrolle ist jedoch genauso wichtig», verdeutlicht Röösli und fährt fort: «Denn wenn man einen offenen Widerrist vorfindet oder das Pferd bereits unter einem Satteldruck leidet, hätte man schon viel früher reagieren müssen. Wenn einem das Tier wichtig ist, sollte man sich auch für sein Wohlbefinden interessieren.» Der Reiter solle zuerst auf das eigene Gefühl hören und sich während des Reitens folgende Fragen stellen: • Sitze ich am richtigen Ort? • Ist es mir grundsätzlich wohl im Sattel? • Oder muss ich mich nach vorne oder hinten beugen, um Einwirkung zu erlangen? • Wie läuft das Pferd? Geht es locker und gelöst?

• Kaut es sauber ab? • Oder verteidigt es sich bereits, wenn ich mit dem Sattel komme? Um weitere Missstände zu prüfen, drückt man den Sattel längs mit beiden Händen fest an den Bauch, um die Längselastizität des Baumes zu testen. Falls er gebrochen wäre, gibt er extrem nach. Auch das Kopfeisen sollte man kontrollieren. Hierzu drückt man die Pauschen gegeneinander. Das Kopfeisen muss fix sein, darf leicht federn, sollte aber nicht zu sehr nachgeben. Ein Vollschalensitz gibt gar nicht nach. Anschliessend bindet man das Pferd am besten im Stallgang an. Den Sattel legt man ohne Sattelunterlage auf den nackten Rücken seines Vierbeiners. Danach kontrolliert man mit etwas Distanz von der Seite, ob sich der Tiefpunkt des Sattels schön in der Mitte befindet und ob der Sattel nach wie vor hinter der Schulter liegt. Ausserdem

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muss Folgendes einer Kontrolle unterzogen werden: • Ist die Auflagefläche genügend gross? • Oder wippt er, wenn sich das Pferd etwas bewegt? • Besteht genügend Widerristfreiheit auch mit Reitergewicht? Es müssen zwei bis drei Finger Platz haben. • Ist die Kammer (Abstand zwischen den Kissen) genügend breit (sechs bis acht Zentimeter)? • Ist das Schweissbild nach dem Reiten regelmässig? Oder gibt es trockene Stellen? Achtung: Im Bereich der Sturzfeder, wo die Bügelriemen befestigt sind, besteht ein ungefähr handgrosser Fleck, der meistens trocken bleibt. Das ist normal, da hier keine Luft hinkommt. Wenn es jedoch in der Mitte trocken bleibt, ist dies kein gutes Zeichen. Im Zweifelsfall sollte man den Fachmann lieber früher als später fragen.

sen auf der gleichen Höhe und im gleichen Winkel aufgenäht werden. Sie sind massgeblich für einen gut passenden Sattel. Nun ist er fertig, der perfekte Sattel, bei dem jedes einzelne Stückchen massgeschneidert wurde. Mit Rööslis Einrichtung kostet dies in Tat und Wahrheit zwischen 30 und 40 Stunden Handarbeit. Der Sattel alleine bewirkt keine Wunder Es lohnt sich für Pferd wie auch Reiter, etwas in den Sattel zu investieren und viel Wert darauf zu legen. Nur so kann man harmonisches Zusammenwirken geniessen und die Gesundheit aufrechterhalten. Doch alleine der passende Sattel bewirkt keine Wunder. Wir Reiter müssen auch an unserer Reitweise arbeiten und nicht ausschliesslich die Fehler beim Material suchen. Denn: «Ergebnisse von Satteldruckmessungen haben ergeben, dass schlecht passende Sättel mit gut sitzenden Reitern bessere Werte erzeugen, als ein schlecht sitzender Reiter mit einem gut passenden Sattel», so der Innerschweizer Fachmann.

Diese Fläche muss sauber und ebenmässig sein. Kleinste Unebenheiten können Druckstellen hinterlassen – auch wenn die Kissen noch aufgenäht werden.

Ein Wollkissen (u.) ist elastisch und passt sich bis zu einem gewissen Grad dem Pferderücken an. An einem Gummikissen (o.) kann man nichts verändern (aufpolstern). Ausserdem ist es viel härter als ein Wollkissen und passt sich nicht an.

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