Hohe Polit-Prominenz zu Gast in Griesheim

March 17, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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Hohe Polit-Prominenz zu Gast in Griesheim

SPD-Parteivorsitzender Sigmar Gabriel besucht Gerhart-Hauptmann-Schule – Schüler stellen Fragen zu Jugend und Bildung Auf Einladung der SPD-Unterbezirksvorsitzenden Heike Hofmann war der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel am vergangenen Freitag an der Griesheimer Gerhart-Hauptmann-Schule zu Gast. In der 90-minütigen Dialogveranstaltung hatten die obersten Klassen jedes Schulzweigs die Möglichkeit, Fragen an den Parteivorsitzenden zum Thema Jugend und Bildung zu stellen. Derzeit ist Sigmar Gabriel in ganz Deutschland unterwegs, um im direkten Dialog mit den Bürgern Anregungen für das SPD-Wahlprogramm zu sammeln. In Griesheim standen die Themen Jugend und Bildung an oberster Stelle. Dazu hatten rund 100 Schüler Fragen vorbereitet, die sie dem SPD-Oberhaupt stellen konnten. Auch die SPD-Landtagsabgeordnete und Unterbezirksvorsitzende Heike Hofmann, Griesheims Bürgermeisterin Gabriele Winter und die Direktorin der Gerhart-Hauptmann-Schule, Brunhilde Muthmann, nahmen an der Diskussion teil. Gabriel zeigte sich bodenständig und redefreudig, beantwortete jede Frage ausführlich und allgemein verständlich. Es war ihm ein großes Anliegen, mit den Schülern, die die Zukunft der Region und des Landes gestalten werden, zu sprechen und machte sein Anliegen deutlich: „Als ich so alt war, wie ihr, so 15, 16, da war klar, dass man die Schule fertig macht und im Anschluss eine Ausbildung und einen festen Job bekommt. Heute ist das alles anders. Viele junge Menschen sind Vertreter der ‚Generation Praktikum’ und kriegen in ihrem Beruf zu wenig Kohle. Deshalb ist es ganz wichtig, sich mit den Themen Jugend und Bildung auseinanderzusetzen“, so der SPDParteivorsitzende. Schülerfrage: Herr Gabriel, was halten Sie von Inklusion? Sigmar Gabriel: Inklusion bedeutet ja, dass man behinderte Menschen in die Gesellschaft integrieren will. Wie ist das denn an eurer Schule? Sie ist bestimmt barrierefrei, so dass man zum Beispiel mit dem Rollstuhl überall hinkommt. Aber wie sieht es mit Unterricht in Gebärdensprache für Gehörlose aus? Vieles ist schwierig umzusetzen und wir beginnen erst, über Inklusion nachzudenken. Es wird immer behinderte Menschen geben, die niemals in der Industrie arbeiten können. Aber es gibt Werkstätten für Menschen mit Behinderung, die Aufträge von der Industrie bekommen.   Ein großes Tabuthema in der Gesellschaft ist Sexualität von Behinderten, das aber dennoch eine große Rolle spielt. Viele behinderte Menschen wollen auch eine Familie gründen. Die Gesellschaft hat die Behinderten vor längerer Zeit ausgegrenzt, sie wollte nichts damit zu tun haben. Jetzt soll es anders gemacht werden, jetzt wollen wir die-

se Menschen reinholen in die Gesellschaft. Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg. Schülerfrage: Wie soll die Bildungspolitik in Zukunft finanziert werden? Gabriel: Wir brauchen dringend mehr Ganztagsschulen in Deutschland. Doch woher sollen wir das Geld nehmen? Ich bin der Meinung, durch höhere Steuern, die wir von Menschen bekommen, die gut verdienen. Ich verdiene zum Beispiel ziemlich gut und bin damit einverstanden, wenn ich von meinem Gehalt mehr abgebe. Aber das Geld soll natürlich nicht ‚verdaddelt’ werden, sondern es soll direkt in der Bildung ankommen. Schülerfrage: Ist ein bundesweit einheitliches Abitur geplant? Gabriel: Es ist kein bundesweites Zentralabitur geplant, das halte ich auch nicht für sinnvoll. Es kann eigentlich nur schief gehen, denn die Schulen sind überall unterschiedlich. Ich sage ganz klar ‚Ja’ zu gleichen Abschlüssen, die im Land vergleichbar sind. Wie die Schulen dort hinkommen, ist ihre Sache. Aber vor einem bundesweit einheitlichen Schulsystem habe ich ein bisschen Schiss.   Wer sich von euch heute für einen technischen Beruf entscheidet, dem sage ich exzellente Berufschancen voraus. Vom KFZ-Mechatroniker bis zum Ingenieur – es fehlen sehr viele Fachkräfte in ganz Deutschland, technische Berufe werden in den nächsten Jahren überall gebraucht. Heike Hofmann: Wir wollen die Bildungspolitik nicht aus Wiesbaden diktieren, sondern wir wollen den Schulen vor Ort, wie der Gerhart-Hauptmann-Schule, mehr Freiheiten geben. Sie sollen zum Beispiel über ihre Lehrmittel und Lehrmaterial wie Laptops etc. selbst entscheiden. Gabriele Winter: Ich habe als Verwaltungsangestellte 24 Jahre im Hessischen Kultusministerium gearbeitet und merke eure Angst und Befürchtung, dass das hessische Abitur im Vergleich vielleicht schlechter da steht, als anderswo. Ich kann euch nur sagen, dass ich als Schülerin viel gelernt, aber nach dem Abitur auch Vieles wieder vergessen habe. Das Wichtigste an meiner eigenen Schulzeit war nicht nur der Unterricht, sondern eigentlich etwas anderes. Ich habe einen Einblick in das Leben bekommen und das Lernen gelernt. Davon profitiere ich heute in meinem

SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel (3. v. l.) beantwortete gemeinsam mit Griesheims Bürgermeisterin Gabriele Winter (l.), SPD-Landtagsabgeordnete Heike Hofmann (2. v. l.) und der GHS-Direktorin Brunhilde Muthmann (r.) alle Fragen der Schüler zu Jugend, Bildung, Finanzkrise und Benzinpreisen.han-foto Beruf immer noch. Schülerfrage: Warum werden ausländische Bildungsabschlüsse in Deutschland nicht oder nur selten anerkannt? Gabriel: Weil wir zu blöde sind. Das ist das Problem des Bildungsföderalismus. An dieser Stelle wäre ich für eine zentrale Stelle, die alles einheitlich regelt. Ich bin nicht dafür, dass man alles anerkennt, aber wenn eine ordentliche Ausbildung nachweisbar ist, dann bin ich für eine Anerkennung. Es gibt heute zum Beispiel in Kindergärten viele Erzieher und Erzieherinnen, die in ihrem Heimatland Ärzte oder Ingenieure waren, aber in Deutschland wird ihr Berufsbildung nicht anerkannt. Das ist schade. Schülerfrage: Worin unterscheidet sich die Bildungspolitik der SPD von der Bildungspolitik der CDU? Gabriel: Die SPD möchte, dass Bund und Länder in der Bildungspolitik enger zusammenarbeiten. Der Bund muss den Ländern Gelder geben, weil die Länder es allein nicht schaffen. Diese Gelder könnten über die Reichensteuer eingenommen werden. Außerdem sieht die SPD die Zukunft der Schule in der Ganztagsschule. Darin unterscheiden wir uns von der CDU, die sich gerade im Süden Deutschlands schon oftmals gegen dieses Modell gestellt hat.   Seit 40 Jahren führen die Bildungspolitiker einen ideologischen ‚Schulkrieg’. Die einen pochen weiterhin auf das dreigliedrige Schulsystem, die anderen wollen, dass die Schulzweige zusammenwachsen. Ich glaube, man muss diesen ‚Schulkrieg’ beenden. Was wir brauchen sind Leute vor Ort, zum Beispiel Kommunalpolitiker, die über schulische Themen entscheiden. Denn sie sind ganz nah dran am Geschehen und wissen am besten, was die Leute vor Ort brauchen. Hauptschu-

le und Realschule werden verschmelzen, das Gymnasium wird wachsen. Meiner Meinung nach wäre es wichtig, Sozialarbeiter stärker in die Schulen zu integrieren. Das Schulsystem in Skandinavien ist unter anderem deshalb so gut, weil es dort sehr viele Sozialarbeiter gibt, die an den Schulen die gleiche Stellung haben, wie Lehrer, und auch gleich bezahlt werden. Da gibt es keinen Unterschied. Der Lehrer macht den Unterricht und der Sozialarbeiter leitet am Nachmittag das Theaterprojekt. Es wäre schön, wenn das in Deutschland auch eines Tages so wäre. Schülerfrage: Was sagen Sie zur Trennung von Staat und Kirche und was halten Sie von Religionsunterricht bzw. Islamunterricht an Schulen? Gabriel: Deutschland ist kein laizistischer Staat, wie es zum Beispiel in Frankreich der Fall ist, und soll meiner Meinung nach auch keiner werden. Ich bin für Religionsunterricht an Schulen, auch für unterschiedliche Konfessionen. In einigen Gebieten startet schon Islamunterricht an Schulen. Die Schüler sollen Islamunterricht aber nur in deutscher Sprache und von Religionslehrern erhalten, die an deutschen Institutionen ausgebildet wurden.  Neben Bildungsthemen brannten den GHS-Schülern auch Fragen zur Staatsschuldenkrise im Euroraum sowie zu den kontinuierlich steigenden Benzinpreisen unter den Nägeln. Schülerfrage: Herr Gabriel, was sagen Sie zum Euro-Rettungsschirm? Gabriel: In Deutschland gibt es die Vorstellung, dass wir so viel Geld an die Griechen zahlen, weil wir so nett sind. Doch das stimmt nicht. Deutschland verdient sein Geld mit dem Export. 44 Prozent des Exports verkaufen wir in der Eurozone. Das bedeutet: Wenn die Menschen in der EU kein Geld mehr haben, um

unsere Produkte, zum Beispiel unsere Autos und Maschinen, zu kaufen, dann werden die Menschen in Deutschland arbeitslos. Man muss sich nur umschauen, wo es schon Kurzarbeit gibt. Man kann natürlich nicht einfach unvorstellbar große Mengen Geld in ein Fass ohne Boden werfen. Obwohl uns die Griechen beim Eintritt in die EU belogen und betrogen haben, sagen wir, dass wir jetzt helfen, denn Deutschland ist unmittelbar von der Krise betroffen. Es ist ganz klar, dass dieser Prozess noch sehr lange dauern wird.   Wir halten ganz klar fest an Europa, denn die EU ist die einzige Chance, vor allem in einigen Jahren für die junge Generation, in der Welt eine Stimme zu haben. Die Welt wird sich in den kommenden Jahren stark verändern. Schwellenländer wie China, Indien und Südamerika werden wirtschaftlich aufholen und an Macht gewinnen, wohingegen die Wirtschaftsmacht Europas stagniert. Wenn Europa in 27 Einzelländer zerfällt, können Sie sicher sein, dass ein chinesischer Präsident nicht bei 27 Staatschefs anrufen wird, um nach ihrer Meinung zu fragen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir so viel Geld in die Finanzkrise stecken, um der Rettung Europas eine Chance zu geben. Schülerfrage: Wieso steigen die Benzinpreise im Moment so stark an? Gabriel: Das liegt einerseits an den Spekulationen und dem Verhalten der Mineralölkonzerne und andererseits an der starken Nachfrage. Wir versuchen gesetzliche Regelungen zu finden, um Preisabsprachen des Konzerne entgegenzuwirken, aber das ist sehr schwierig. Da es immer weniger Öl, aber immer mehr Menschen gibt, wird der Preis zusätzlich in die Höhe getrieben. Ziel ist es deshalb, Motoren zu entwickeln, die wenig oder gar keinen Sprit brauchen, also zum Beispiel Elektroautos. han

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