\"Gewusst wie\" - Kunststoffe richtig lackieren Helga Stegen

March 15, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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SCHWERPUNKT: KUNSTSTOFF BESCHICHTEN

Gewusst wie Kunststoffe richtig lackieren Helga Stegen, Wuppertal Kunststoffe bestehen meistens aus mehreren Polymeren und enthalten Additive und Füllstoffe. Deshalb ist bei der Auswahl des Lacksystems große Sorgfalt notwendig. Aber auch die Vorbehandlung besitzt einen großen Einfluss auf die Güte des lackierten Kunststoffteils.

Kunststoff richtig lackieren bedeutet: Die lackierten Teile müssen gut aussehen, die Spezifikations- und Praxisanforderungen müssen erfüllt werden, der Preis für die Lackierung muss bezahlbar sein und die gesetzlichen Auflagen bezüglich der Umweltbelastungen müssen eingehalten werden. In der Automobilindustrie werden Kunststoffe aus den verschiedensten Gründen lackiert. Die Optik, die Haptik und die chemischen sowie mechanischen Eigenschaften sollen verbessert werden. Unlackierte Kunststoffe im Außenbereich, wie Stoßfänger, Rammschutzleisten und Außenspiegel kommen in der deutschen Automobilindustrie praktisch nicht mehr vor.

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Verbundsystem Kunststoff Lackierte Kunststoffe sind als ein Verbundsystem anzusehen; Lack und Kunststoff beeinflussen sich gegenseitig. Geeignete Lacke, in der Regel speziell für die Kunststofflackierung entwickelte Lacke, vermindern das Risiko des mechanischen und thermischen Versagens. Doch nicht nur bei der Auswahl des Lacksystems ist Sorgfalt notwendig, auch der Kunststoff, der Herstellungsprozess und die Vorbehandlung des Kunststoffteils haben entscheidenden Einfluss auf die Güte des lackierten Bauteils und auf dessen Funktionsfähigkeit (Bild 1). Die am häufigsten eingesetzten Kunststoffe (Bild 2) für lackierte Anbau- oder Karos-

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serieteile sind Thermoplaste (beispielsweise modifiziertes PP für Stoßfänger), Duroplaste wie SMC/BMC für Hecktüren und Kofferraumdeckel sowie Elastomere (beispielweise RRIM für Stoßfänger, Schweller und Kotflügel). Diese Auflistung zeigt, dass die heutigen Kunststoffe selten aus nur einer Komponente bestehen, sondern vielmehr Blends aus mehreren Polymeren sind, um das jeweilige Eigenschaftsniveau zu erfüllen. Außerdem enthalten diese Blends Additive und Füllstoffe. Additive gewährleisten eine sichere Verarbeitung und Anwendung sowie ein entsprechendes Aussehen. Gebräuchliche Additive sind Trennmittel, Lichtschutzmittel, Treibmittel und Antistatika. Migrierende Additive können bei lackierten Kunststoffteilen unter Umständen zu Verfärbungen, Benetzungs- und Haftungsproblemen führen (Bild 3). Füllstoffe hatten ursprünglich die Aufgabe, ein Produkt zu verbilligen, bis es gelang, mit ausgesuchten Füll- beziehungsweise Verstärkungsstoffen die physikalischen Eigenschaften gezielt zu verändern.

Faserverstärkte Kunststoffe Eine herausragende Stellung nehmen die faserförmigen Verstärkungsstoffe ein. Bei den faserförmigen Verstärkungsmaterialien werden zwei Gruppen unterschieden: die preislich günstigeren Textilglasfasern und Mineralfasern sowie die hochwertigeren und teureren Kohlenstoff- und

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Bild 1. Die Qualität von lackierten Kunststoffteilen wird von vielen Faktoren beeinflusst

Aramidfasern. Durch das Einbetten der Verstärkungsmaterialien in die Polymermatrix werden vor allem die mechanischen und thermischen Eigenschaften des Grundmaterials verbessert. Eine höhere Wärmeformbeständigkeit und eine geringere thermische Längenausdehnung werden häufig nur mit Verstärkungsmaterialien erreicht, während die Schlag- und Kerbschlagzähigkeit ohne entsprechende Korrekturmaßnahmen in den meisten Fällen reduziert werden. Dieser Nachteil kann durch die Zugabe elastifizierender Komponenten, wie Elastomere, wieder ausgeglichen werden. Beim Lackieren von verstärkten Kunststoffen können zusätzliche Schwierigkeiten auftreten. Organische Kunststoffe und anorganische Glasfasern verfügen über unterschiedliche thermische Ausdehnungskoeffizienten. Es kann zu Schrumpfeffekten kommen. Solange in den Oberflächen ungerichtete Kurzglasfasern, wie in PA-GF oder R-RIM, enthalten sind, kann das menschliche Auge keine Orientierung erkennen und deutet

den optischen Effekt als Unruhe oder Mikrorauigkeit. Faserverstärkte Kunststoffe zeigen nach dem Lackieren häufig schlechtere Oberflächen im Vergleich zu nicht faserverstärkten Kunststoffen. Die von der Automobilindustrie für Karosserie-Außenteile geforderte erstklassige Oberflächenqualität, die „Appearance“, wird nicht oder nicht ausreichend erreicht. Das heißt, die Mikrostruktur, die durch die Verstärkung mittels ungerichteter Kurzglasfasern hervorgerufen wird, wird durch das anschließende Lackierverfahren oft nur unzureichend abgedeckt und bleibt als Kurzwelligkeit (Wave Scan) sichtbar. Langglasfasern oder Glasgewebe führen zu Orientierungen der Fasern und sind als Muster deutlich sichtbar.

Die Haftfestigkeit ist entscheidend Der übliche Lackaufbau für Kunststoffanbauteile besteht aus Primern, den farbgebenden Basislacken und Zweikomponen-

Bild 2. Wichtige Kunststofftypen im Karosserieaußenbereich

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ten-Klarlacken. Primer und Basislacke sind heute zunehmend wasserverdünnbar. Die Klarlacke sind fast ausnahmslos zweikomponentige Polyurethan-Klarlacke, konventionell in organischen Lösemitteln gelöst. Wässrige, zweikomponentige Klarlacke werden zwar häufig beschrieben und untersucht, aber ein Großserieneinsatz ist bisher bei der Kunststofflackierung nicht realisiert worden. Beim Lackieren der unterschiedlichen Substrate ist neben der Vorbehandlung die Auswahl der richtigen Primer für die Lackhaftung entscheidend. Primer werden kunststoff- und anwendungsspezifisch entwickelt. Auf Grund der eingeschränkten Wärmeformbeständigkeit der meisten Thermoplaste werden hauptsächlich Zweikomponenten-Systeme eingesetzt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Kunststoffe für Automobilanbau- oder Karosserieteile in der Regel nicht leitfähig sind und für eine elektrostatische Applikation üblicherweise mit leitfähigen Grundierungen beschichtet werden müssen. Die Hauptvorteile der elektrostatischen Applikation sind der hohe Auftragswirkungsgrad und das größere Automatisierungspotenzial. Die Voraussetzung für eine gute Lackhaftung ist eine möglichst vollständige Benetzung der Oberfläche. Je polarer die Oberfläche ist, desto größer ist die freie Oberflächenenergie, die Oberflächenspannung, und desto eher ist eine ausreichende Haftung eines Lacksystems auf der Kunststoffoberfläche zu erwarten. Physikalisch gesehen, ist eine vollständige Benetzung dann gegeben, wenn die Oberflächenspannung des Lacks kleiner ist als die der zu benetzenden Oberfläche des Kunststoffteils. Trotzdem kann es auch bei einer vollständigen Benetzung zu gravierenden Haftungsstörungen kommen. Der Grund hierfür ist, dass die Benetzung zwar die Voraussetzung für die Haftung, nicht aber die Ursache ist. In der Praxis ist die Haftfestigkeit einer Lackierung dann gegeben, wenn die Spezifikationsanforderungen des Endabnehmers, in der Regel der Automobilindustrie, erfüllt werden und es zu keinen Feldreklamationen bezüglich der Enthaftung kommt. Zu den üblichen Haftungsprüfungen sind die Gitterschnittprüfung, unterschiedliche Kratzproben, Steinschlagund Dampfstrahlprüfungen zu zählen, wobei diese Prüfungen je nach Endab-

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nehmer nach unterschiedlichen Bedingungen, unter anderem nach vorheriger Feuchtwarmbelastung, Temperaturbelastung und Bewitterung, durchgeführt werden müssen. Bei einigen Kunststoffen kann die Zugabe von organischen Lösemitteln, die eine Anquellung bewirken, die Haftung unterstützen. Dabei darf es zu keiner Schädigung des Kunststoffs kommen. Bei Thermoplasten kann es durch Lösemitteleinwirkung zu einer Spannungsrisskorrosion kommen.

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Bild 3. Optische und haftungstechnische Probleme bei Lacken auf Kunststoffen können viele Ursachen haben

Haftungsprobleme ausschließen Im Allgemeinen begünstigt eine chemische Verwandtschaft zwischen dem Kunststoff und dem Lack die Haftung. Sucht man beispielsweise nach Rohstoffen für das Lackieren von Polyurethan, so hat man eine große Palette geeigneter Bindemittel zur Verfügung. Schwierig wird es, wenn man nach polyolefinischen Bindemitteln für das Lackieren von modifizierten Polypropylen sucht. Da ist die Auswahl sehr begrenzt. Sie beschränkt

sich im Wesentlichen auf die chlorierten Polyolefine. Mit chlorierten Polyolefinen kann man jedoch nicht auf allen modifizierten Polypropylentypen eine ausreichende Haftung erzielen. Beim Ändern der Kunststofftype kann es bei gleichbleibender Grundierung zu einem Haftungsverlust kommen. Selbst einwandfreie Haftungsergebnisse auf Versuchsplatten müssen unbedingt auf Formteilen aus dem Originalwerkzeug überprüft werden, da auch Spritzgussbe-

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dingungen und die eventuelle Zugabe von weiteren Additiven über Haftung oder Nichthaftung entscheiden können. Anfänglich wurde die Haftungsproblematik mit stark lösemittelhaltigen chlorierten Polyolefinen (Haftvermittler) gelöst. Die frühen CPO-Primer enthielten im verarbeitungsfertigem Zustand etwa 95 Prozent organische Lösemittel (in den USA und Japan gelöst in Toluol, in Europa gelöst in Xylol) und wurden mit 1 bis 3 µm Trockenfilmdicke aufgebracht. Die

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nachfolgenden Entwicklungen gingen in zwei Hauptrichtungen: ■ Das Reduzieren der Lösemittelemissionen und das Erhöhen der Trockenfilmdicken bei CPO-haltigen Primern durch Kombination mit anderen, besser pigmentierbaren Bindemitteln, ■ Entwicklung und Optimierung von Vorbehandlungsmethoden, die haftungsfördernde Primer überflüssig machen. Hier sind auch wasserverdünnbare Primer einsetzbar. Leider kann man dem lackierten Kunststoffteil nicht ansehen, ob die Lackhaftung ausreichend gut ist. Eine Aussage hierzu ist nur mit einer zerstörenden Haftungsprüfung möglich. Die geprüften Teile sind dann nicht mehr verkaufsfähig.

Fazit Bei der Auswahl der Lacksysteme ist nicht nur auf eine ausreichende Haftung zum Substrat zu achten, sondern es darf auch kein Kohäsionsversagen innerhalb

Metallic-Lackierung in einem Arbeitsgang Ein Metallic-Pulverlack, der in einem Arbeitsgang aufgetragen wird, verspricht Kosteneinsparungen. Der Lack kann in Standardanlagen im konventionellen elektrostatischen Applikationsverfahren auf alle metallischen Untergründe appliziert werden.

Mit „Delta Mono Metallic Pluss“ stellt Dörken einen Pulverlack vor, mit dem metallische Effekte in einem Arbeitsgang erzielt werden können. Laut Hersteller zeichnet sich die Beschichtung durch eine hohe Oberflächengüte, gute Gleiteffekte und Kratzbeständigkeit aus. Das Material eignet sich besonders für das Veredeln von Küchenanbauteilen, Möbelbeschlägen oder die stark beanspruchten Führungen von Schubladenauszügen.

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Viele dieser Teile wurden bisher auf Grund der hohen mechanischen Belastungen zweischichtig lackiert. Der Metallic-Lack kann in Standardanlagen im konventionellen elektrostatischen Applikationsverfahren auf alle metallischen Untergründe appliziert werden. Er wird je nach Objekt 5 bis 15 min lang bei einer Temperatur zwischen 180 und 200 °C eingebrannt. Er steht in 19 Gold- und Silbernuancen sowie in verschiedenen Glanzgraden zur Verfügung, darunter auch mit Chrom- und Eloxal-Effekten. Darüber hinaus werden auch spezielle Farbtonwünsche erfüllt. In mehr als einem Jahr Entwicklungsarbeit ist es gelungen sowohl die erforderlichen optischen als auch mechanischen Ansprüche zu erfüllen. Beim Herstellungsprozess wird bewusst vom klassischen Bonding abgewichen. Der Markteinführung gingen Testreihen voraus, in denen vor allem die Oberflächengüte der beschichteten Teile begutachtet wurde. Die ersten Praxistests im Alltagseinsatz hat das Material laut Dörken bereits mit Erfolg bestanden.

des Lacksystems auftreten. Werden beispielsweise Mischaufbauten mit Materialien verschiedener Lackhersteller eingesetzt, muss dieses durch entsprechende Prüfungen abgesichert werden. Lackierte Kunststoffteile sind Verbundsysteme. Änderungen im Kunststoff, im Herstellungsverfahren, in der Vorbehandlung, im Lackierverfahren und im Lacksystem müssen durch ausreichende Untersuchungen abgesichert werden.

Die Autorin dieses Beitrags Frau Helga Stegen ist seit 1979 im Unternehmen DuPont Performance Coatings, Wuppertal tätig. Sie ist als Laborleiterin in der Entwicklung von Spritzsystemen für Kunststoffe in der Automobilindustrie zuständig.

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