Geschafts- bericht der Genossenschaft Migros Aare ..

May 2, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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201 .. Geschaftsbericht der Genossenschaft Migros Aare

2010

03 Vorwort Schönbühl, 1. April 2011

Rekordjahr bei der Migros Aare Liebe Genossenschafterinnen und Genossenschafter Liebe Kundinnen und Kunden Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Für die Migros Aare war 2010 ein anforderungsreiches Jahr, nicht zuletzt deshalb, weil die Verkaufspreise auf unserem Sortiment – verglichen mit 2009 – um drei Prozent günstiger waren, womit wir über 100 Millionen Franken an unsere Kundinnen und Kunden weitergeben konnten. Und dennoch: Es ist uns gelungen, den Rekordumsatz des Jahres 2009 noch einmal zu übertreffen. Wir dürfen deshalb ohne zu übertreiben behaupten, dass die Mitarbeitenden der Migros Aare 2010 die Herausforderungen sehr gut gemeistert und tolle Leistungen erzielt haben. Und: Als Genossenschaft sind wir einzig Ihnen verpflichtet, nicht einem Aktionariat. Typisch ist auch, dass die Migros Aare keine horrenden Saläre und überhaupt keine Boni für ihre obersten Kader bezahlt.

Viel Vergnügen beim Lesen dieser Gespräche. Last but not least bedanken wir uns bei Ihnen allen für das Vertrauen, das Sie der Migros Aare gegenüber immer wieder unter Beweis stellen. Wir wissen, dass dies nicht selbstverständlich ist.

Dr. iur. Max Meyer Präsident der Verwaltung

Beat Zahnd Geschäftsleiter

Wenn von der Migros Aare und von «wir» die Rede ist, dann sind die 11’729 Mitarbeitenden gemeint. Diesem fantastischen Team widmen wir den Geschäftsbericht 2010, jedenfalls den zweiten Teil, den wir immer als «Kür» bezeichnen (ohne natürlich die «Pflicht» im ersten Teil zu vernachlässigen). Die 28 Interviews stammen alle aus der «aare-info», unserer wöchentlich erscheinenden Personalzeitung. Eigentlich sind es gar keine Interviews, sondern Gespräche mit Mitarbeitenden, die Ihnen die vielen Facetten des Teams «Migros Aare» aufzeigen. Diese 28 Gespräche sind aber nur die Spitze des Eisbergs: Sehr viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagieren sich freiwillig und/oder ehrenamtlich für Mitmenschen, in vielen Sektoren des Alltags. Ihnen allen gebührt unsere Hochachtung. Diese Menschen leisten - wir finden den Ausdruck passend - Überwältigendes. Wir sind stolz, diese Leute in unseren Reihen zu wissen. Sie sind unser ganz eigenes «Ein M besser». In den Medien werden Unternehmen vor allem anhand von Umsatz- und Gewinnzahlen portraitiert. Diese Zahlen sind wichtig, daran werden wir öffentlich auch gemessen. Aber die Seele eines Unternehmens machen letztlich nicht die guten Zahlen aus, es sind die Menschen.

Inhaltsverzeichnis Geschäftsjahr 2010 Genossenschaftsrat Organigramm Verkaufsstellen Erfolgsrechnung Bilanz Bericht der Kontrollstelle Wertschöpfung Kennzahlen Interviews, Mitarbeitende im Portrait Impressum

04 08 10 12 22 24 29 30 31 33 147

04 .. Geschaftsjahr 2010 Januar

März

Die Migros spendet eine Million Franken an die Glückskette als Soforthilfe für die Opfer des verheerenden Erdbebens in Haiti. • 2010 wird es weitere Preissenkungen geben, das verspricht Migros-Marketingchef Oskar Sager im Gespräch mit dem «SonntagsBlick». • Die Live-Übertragungen aus der Metropolitan Opera in New York in den grossen Pathé-Kinosaal im Westside sind ein Renner: Nicht wenige Besucher ziehen diese Events dem Berner Stadttheater vor. • Das Sturmtief Daisy hinterlässt nicht nur in der Schweiz seine Spuren und lässt die Gemüsepreise in Rekordhöhen klettern. • Bettelbrief an die Leute des MigrosKulturprozents: «Ich möchte mein Wirken künftig in spirituelle Hände legen, in jene des Meisters und Erleuchteten, dafür benötige ich 1600 Franken, der Erleuchtete wird Sie in sein Gebet einschliessen.» • In Solothurn, in bester Bahnhofslage, öffnet die von Langendorf umgezogene Klubschule ihre Türen und findet damit grossen Anklang bei Stamm- und Neukunden.

Die Migros erhöht das Rentenalter für ihre Mitarbeitenden von 63 auf 64 Jahre, bleibt im Bereich der Renten und Sozialleistungen anerkanntermassen aber führend, nicht zuletzt, weil sie nach wie vor - als eine der wenigen Pensionskassen der Schweiz - am Leistungsprimat festhält. • Langendorf hat allen Grund zum Feiern: Nach einer langen Umbauphase in verschiedenen Etappen wird das Einkaufscenter Ladedorf als komplett neues Shoppingcenter gesamteröffnet. • Ende des Monats starten die Eisenbahn und die Kids-Cars am Spielparkfest auf dem Gurten in ihre neue Saison. • «Schwerstarbeit» für die helvetischen Hühner: 20 Prozent des jährlichen Absatzes von über 250 Millionen Eiern stehen vor Ostern in den Gestellen. • Das bisherige Zentrum Oberland in Thun wird nach 33 Jahren abgebrochen, um einem Neubau Platz zu machen; die bisherigen Geschäfte zügeln in einen neuen und zusätzlichen Trakt unmittelbar nebenan - just in diesen Tagen brechen zwei Schüler in den Migros-Markt ein, um Panini-Bilder von Fussball-Stars zu klauen.

Februar Die Migros baut ihr Angebot im Bereich Bio und «Aus der Region. Für die Region.» weiter aus, es sind jetzt 1’000 Bio- (mit neuem Logo) und über 2’000 AdR-Produkte in den Gestellen zu finden. • Nach 35 Jahren wird die viel zu klein gewordene Migros-Filiale in Gerlafingen durch einen Neubau abgelöst, die Freude der Gerlafingerinnen und der Gerlafinger ist gewaltig. • Grosser Augenblick für die Sportstadt Thun: Mit dem Spatenstich beginnt der Bau des neuen Stadions; das unmittelbar daneben gelegene Einkaufszentrum, das der Migros gehören wird, soll «Panorama-Center» heissen. • Die Ski-Cracks von morgen - vor einigen Jahren hat eine gewisse Lara Gut in ihrer Kategorie gewonnen - treffen sich zum grossen Finale des Grand Prix Migros in Schönried.

05 April Platz 1 aller zehn Migros-Genossenschaften: Die Migros Aare gibt an ihrer jährlich stattfindenden Medienkonferenz ein neues Rekordergebnis bekannt. • Start zum Tanzfestival «Steps», das vom Migros-Kulturprozent veranstaltet wird. • Das Flaggschiff macht seinem Namen wieder alle Ehre: Nach einem vierjährigen Umbau mit Investitionskosten von gegen 200 Millionen Franken wird in Schönbühl das Shoppyland gesamteröffnet. • Der Geschäftsbericht der Migros Aare erscheint in diesem Jahr als Kochbuch, unter die Ägide der Mutze Chuchi Bern. • Start der diesjährigen Migros-Kulturprozent-Classics, mit 27 Konzerten und zum Teil weltbekannten Orchestern und Solisten wie Mischa Maisky (Cello), Jean Yves Thibaudet (Klavier) oder Sir Eliot Gardiner mit seinem Orchestre Révolutionnaire et Romantique. • Der neueste K-Tipp-Preisvergleich beweist es: Die Migros hat die Preise der ausgesuchten Lebensmittel in den vergangenen vier Jahren um 15 Prozent gesenkt.

Mai

Juni

«Zumba», die Verschmelzung von Tanz und Fitness wird zur Sensation - sozusagen von 0 auf 100 - und begeistert bis Jahresende fast 2’000 Kundinnen und Kunden bei den Klubschulen der Migros Aare. • Multikulti in der Migros Christoffel im Bahnhof Bern: Mitarbeitende aus zwölf Nationen sorgen alle zwei Wochen abwechslungsweise für Exotisches aus ihrer Heimat im Kochtopf des Take-Away. • Wegen anhaltenden schlechten Wetters und Kälte fällt der Auftakt zur Grillsaison ins Wasser, mit dem Resultat, dass die Kotelett-Preise in den Keller fallen. • Die Migros steigt mit m-way und dem Vertrieb von Elektroautos und batteriebetriebenen Rollern in ein neues Geschäftsfeld ein. • Das Kulturbüro Bern feiert an der Rathausgasse 53 sein zehnjähriges Bestehen. • Unerwartete Sonntagsarbeit für das Personal: Bei einem Wassereinbruch in der Berner Marktgasse werden mehrere Läden unter Wasser gesetzt, auch der MigrosMarkt. • 25’000 Läuferinnen und Läufer walkten, joggten und rannten am diesjährigen Grand-Prix Bern mit, die Migros ist seit Jahren Hauptpartnerin des Anlasses.

Nach Schweiz-Spanien (1:0, JA, «wir» haben den späteren Weltmeister gebodigt, ha!) offeriert die Migros am nächsten Tag ihren Kundinnen und Kunden 10 Prozent Rabatt auf dem ganzen Sortiment aus Freude über den Sieg im ersten Spiel der Vorrunde an der Fussball-WM in Südafrika. • Rund 3’800 Zuschauerinnen und Zuschauer verfolgten die spannenden Wettkämpfe am Mittelländischen Schwingfest auf dem Gurten. • Die Migros informiert die Besucherinnen und Besucher des elften Bio-Marchés in Zofingen über ihr breites Sortiment an Bio-Produkten. • Reanimiert: Ein Migros-Verkaufswagen feiert an sechs grossen Schweizer Openair-Festivals sein Comeback, als grosser Kiosk mit umfangreichem Sortiment für die Fans. • Der zweite «Aus der Region. Für die Region.»-Meilensteinpreis der Migros Aare geht an den jungen Käser Marc Jakob aus Kyburg-Buchegg und dessen Rohmilchkäse «Graf von Buchegg». • In Niederbipp eröffnet der siebte VOI der Migros Aare, die mit diesem neuen Ladenformat einen kleinen Supermarkt für die Dorf- und Quartierbevölkerung realisiert hat.

06 .. Geschaftsjahr 2010 Juli

August

Am Wochenende vom 3./4. Juli wird IT-mässig ein eigentlicher Kraftakt abgeschlossen, die Integration des Globus-Konzerns ins SAP-Retail-System, unter Leitung der Migros Aare. • Eine ganz und gar ungewöhnliche Schulklasse in Oberwil-Lieli hat einen Migros-Supermarkt und kurz darauf sogar ein Migros-Restaurant mit viel Liebe, Fantasie und Herzblut im Schulzimmer nachgebaut. • Apropos Kinder: Viele leuchtende Augen gab’s an den wunderschön inszenierten Aufführungen «Die Kleine Meerjungfrau» der Oberländer Märlibühni in Thun, auch hier mit der Migros Aare als Hauptpartnerin. • Die neue Produktlinie «Migros Premium» wird mit vorerst 20 Artikeln eingeführt - bis Ende 2011 sollen 350 Produkte angeboten werden. • Eine Wohlfühloase «zmitzt ir Stadt Bärn» für täglich 3’500 Gäste: Das MigrosRestaurant in der Marktgasse wird neu eröffnet. • Am Gurtenfestival und am Heitere Open Air bereiten Lernende der Migros Aare in der neuen «alten» M-Lounge Non-alcoholic Cocktails zu. • 156 von 159 Lernenden der Migros Aare haben ihre Lehrabschlussprüfung erfolgreich bestanden und feiern dies mit einer grossen Schlussparty. • Am 24. Juli findet die Premiere «Einstein» von Livia Anne Richard als Freilichtinszenierung im «Park im Grünen» auf dem Gurten statt.

Seit Anfang Monat bündelt die gemeinsame Marke «Catering Services Migros» alle Aktivitäten der beiden bisherigen Segmente «Party Service» und «Event Catering». • Zum vierten Mal in Folge verzaubert ein Feuerwerk den Nachthimmel über dem Gurten. • Aus zwei wird eine Filiale: Im Zentrum Rössli finden Kundinnen und Kunden in Erlinsbach eine völlig neue Migros, mit wesentlich vergrösserter Fläche. • Das Huhn «Chocolate» ist zurück am TV, und mit ihm ihre neue Kumpanin, die Kuh «Muffin». • Für zehn Millionen Franken baut die Migros Aare den Laden und das Restaurant im Mühli-Märt in Lenzburg komplett um. • In den Filialen Köniz, Schwarzenburg, Chly Wabere und Belp werden als Pilotversuch Briefmarken verkauft. • Die Migros Aare ist auch an der 22. Berner Ausbildungsmesse BAM mit einem eigenen Stand vertreten, der durch Lernende betreut wird. • Es beginnen die Arbeiten für die Einführung der elektronischen Rechnungsbearbeitung («Workflow») im Rechnungswesen - die Migros Aare zeigt sich damit auch in der Administration als Schrittmacherin.

September Die Stadt Bern zeigt den Einsprechern gegen eine neue Migros am Berner Breitenrainplatz die Rote Karte und erteilt der Migros grünes Licht für den Neubau am Breitenrainplatz: Wir wären ja nicht in der Schweiz, würde das Urteil von den Einsprechern nicht an die nächsthöhere Instanz weitergezogen. • Glace-Streit: Die Migros muss die neu lancierte Jane&Mary’s Eiscreme umtaufen, da eine zu grosse Ähnlichkeit mit dem Erfolgsprodukt Ben + Jerry’s von Unilever (USA) besteht • Am Migros-Sprint-Final in Bern ist der Bundesplatz ganz in Kinderhand, die Sprintstars von morgen am Werk. • Sexy Shooting der Könizer Volleyballerinnen im Erlebnisbad Bernaqua im Westside: Praktisch ausnahmslos Männer versammeln sich hinter dem Fotografen, weil ein jeder doch live mit dabei gewesen sein will ... • 16 Mitglieder des Schweizer Bildhauer- und Steinmetzverbandes haben sogenannte «Ruhesteine» entworfen und zeigen diese aussergewöhnliche Ausstellung auf dem Berner Hausberg. • Die SCL Tigers aus Langnau haben ab dieser Saison mit «Aus der Region. Für die Region.» einen neuen Partner – ob sie deshalb wohl zum ersten Mal in ihrer Vereinsgeschichte die Play-Offs erreicht haben?

07 Oktober Das Shoppyland und OBI in Schönbühl müssen am 4. Oktober Parkgebühren einführen, nicht zuletzt auf Druck des Verkehrsclubs der Schweiz VCS, der seinerzeit offen damit gedroht hat, ansonsten das Baubewilligungsverfahren für den Umbau zu verzögern. • Auf dem Dach des OBI-Baumarktes in Schönbühl haben zum ersten Mal seltene Kiebitze erfolgreich gebrütet, dieses Evenement wird national von den Medien aufgenommen. • Westside wird mit dem zweiten Platz am «Prime Property Award Europe» für ökologische, nachhaltige und ökonomisch erfolgreiche Bauweise mit 10’000 Franken ausgezeichnet und spendet diesen Betrag dem Trägerverein für die offene Jugendarbeit zur Unterstützung der Jugendarbeit Bern-West. • Das Shoppi Tivoli in Spreitenbach ist nach einer umfassenden Sanierung und Erweiterung nicht mehr nur das erste, sondern auch das grösste Einkaufszentrum der Schweiz. • An einem neuen Standort - in der ehemaligen NYCO -, mit doppelter Verkaufsfläche und 20 neuen Arbeitsplätzen wird die Migros Kirchberg mit einer grossen Party eingeweiht, ausschliesslich für die Kirchberg-Mitarbeitenden mit ihren Familien: Statt Lachsbrötli und Cüpli und Ansprachen gibt es Hamburger, Popcorn, Clown Rosa und Entertainer «Mösiö Bonjour». • Die automatische Kommissionierungsanlage in der Logistik wird «operativ»: Sie erleichtert - im wahrsten Sinne des Wortes, weil die schweren Gebinde nicht mehr von Hand angefasst werden müssen - den Mitarbeitenden die Arbeit.

November Der Direktionsbereich Logistik/Produktion erreicht die International Food Standard IFS-Zertifizierung. • Zwei aussergewöhnliche Ereignisse rund um eine neuen Migros am Berner Breitenrainplatz: Zum einen besetzten junge Leute illegal ein leer stehendes Haus auf dem künftigen Areal (zeigen sich aber wenige Tage später einsichtig und akzeptieren eine Zwischennutzungsvereinbarung), zum anderen sammeln SVP und FDP und andere engagierte Kreise Unterschriften für eine Petition zugunsten des Provisoriums der Migros auf dem Kasernenareal – während der Bauphase am Breitenrainplatz. • 1952 wurde die Migros Hünibach mit einer Verkaufsfläche von 219 m2 eröffnet, Anfang November nun wird sie durch die neue Migros - schräg vis-à-vis - mit 962 m2 Verkaufsfläche abgelöst. • Zehnmal 500 Franken werden an diverse Institutionen gespendet; dies nach einer Mitarbeiterumfrage («Wem würden Sie spenden?») in der wöchentlich erscheinenden Mitarbeiterzeitung «aare-info» diese 5’000 Franken sind aber nur ein kleiner Teil der Spenden an Vereine und Institutionen durch die Migros Aare, der mit dem Kulturprozent eine weltweit einzigartige Möglichkeit zur Verfügung

steht. • In Niedergösgen eröffnen Regula und Bruno Hermann den achten VOI. • Nationalmannschafts-Goalie Marco Wölfli verkauft gemeinsam mit seinen YB-Teamkollegen im Shoppyland Schönbühl Plüschbären: Der Erlös kommt der Berner Sektion der Kinderkrebshilfe zugute. • Nach Hägendorf und Gerlafingen wird in Grenchen die dritte Outlet-Filiale der Migros Aare eröffnet, wo man echte Schnäppchen finden kann.

Dezember Die Migros Aare wird zertifiziert, sie erhält das Label «Friendly Workspace» für vorbildliche Arbeitgeberinnen. • Schon in den ersten Dezember-Tagen meldet der Gurten «Pulver gut» und stellt den Schalter für die beiden Kinderskilifte auf «On». • Die neue Tramlinie 8 nach Brünnen-Westside wird mit einem grossen Volksfest eingeweiht: Zehntausende lassen sich auf dem Gilberte-de-Courgenay-Platz von Polo Hofer, Büne Huber und anderen begeistern. • Die Initianten der Petition für ein Migros-Provisorium auf dem Kasernenareal nahe des Breitenrainplatzes (siehe November) übergeben der Stadtkanzlei insgesamt 2’652 Unterschriften. • Die Migros lanciert eine in ihrer Geschichte noch nie da gewesene Preisreduktionsaktion für über 2’250 Artikel: Damit gibt sie in dieser ersten Welle 150 Millionen Franken an die Kundinnen und Kunden zurück. • Die Lohnsumme für die 11’729 Mitarbeitenden wird um 1½ Prozent oder 6,5 Millionen Franken erhöht, zusätzlich erhalten die Mitarbeitenden eine Erfolgsprämie von 950 Franken. • Trotz eines Indexrückgangs um drei Prozent auf ihrem Sortiment - somit wurden die Produkte im Laufe des Jahres um 100 Millionen Franken vergünstigt - erzielt die Migros Aare mit 3,381 Milliarden Franken Umsatz ein Rekordergebnis.

08 Genossenschaftsrat Achermann Rosemarie PEKO Verkäuferin, Erlenweg 2, 4802 Brittnau Aeby Walter B/D Lehrlingsverantwortlicher, Postfach 39, 3252 Worben Agner Katharina D Kaufm. Angestellte, Höheweg 23, 3097 Liebefeld Anliker Urs Rudolf Heimleiter, Hangweg 6, 3047 Bremgarten Barbier Pia Christine D/KosA Drogistin, Haldenstrasse 38, 4950 Huttwil Bhend Adrian Vizepräsident/B/D Reallehrer, Underer Reueberg 10, 3257 Grossaffoltern Bläsi Hubert Lehrer/Inspektor, Weinbergstrasse 50, 2540 Grenchen Brönnimann Martin D Dienstchef, Goldiwilstrasse 14 M, 3600 Thun Büchi Conchita D Leiterin Rechnungswesen, Wydackerweg 10, 3054 Schüpfen Büchi Daniel Chef Transport/Computer Support, Plattenstrasse 18, 5712 Beinwil am See

Gherardi Luzia Ausbildung zur Kunsttherapeutin, Hüslerstrasse 24, 5453 Busslingen Gilgen Regine KosA Krankenpflegerin, Hubelweg 19, 3812 Wilderswil Guggisberg Renate Sachbearbeiterin, Birkenstrasse 7, 5442 Fislisbach Gysi Madeleine D/KosA Visiteuse, Aalmattenweg 20, 2560 Nidau Haas Stefan Ombudsstelle/QS, Innere Altachen 3, 4800 Zofingen Hächler Rolf Geschäftsführer, Untere Lenzstrasse 27, 5734 Reinach Haller Roland Bankangestellter, Bernardastrasse 16 B, 5442 Fislisbach Hänggi Kunz Rosmarie D Familienfrau/Hauswirtschaftslehrerin, Unterer Rainweg 4D, 3068 Utzigen Hauri Markus PEKO Metzger, Fahrstrasse 46, 4628 Wolfwil Hausmann Ernesto D Geschäftsführer, Pflanzerbachstrasse 86, 8967 Widen

Bühlmann Hans Peter D Abteilungsleiter Bildung, Baumgartenstrasse 8, 3800 Matten

Iberg Christina Hausfrau/Lehrerin, Brandackerstrasse 5, 5024 Küttigen

Cadosch Ruth Hochbauzeichnerin/Hausfrau, Gislifluestrasse 8, 5033 Buchs

Jordi Karin Hausfrau/Sekretärin, Oberdorfstrasse 37, 3510 Konolfingen

Chapuis Claudine Kaufm. Angestellte, Ländtestrasse 44, 2503 Biel

Kipfer Manfred Lehrer, Niederhornweg 15, 3702 Hondrich

Etique Bettina B/D Buchhalterin, Kloosweg 1, 2502 Biel

Kleubler Madeleine Lehrerin, Eigenmatt 35, 5082 Kaisten

Flückiger Ruth Sekretärin, Sonnenweg 14, 3052 Zollikofen

Küffer Martin Elektromechaniker, Narzissenweg 10, 3292 Busswil

Frei Jürg Lehrer, Zügliweg 24, 3806 Bönigen

Liebetrau Sybille Präsidentin KosA Hausfrau, Buchserstrasse 9, 5034 Suhr

09 Lüthi Christine Kaufm. Angestellte, Jurastrasse 22, 4522 Rüttenen

Stöcklin Susanne Kundenberaterin, Allmendstrasse 6, 3125 Toffen

Mathys Liliane Verkäuferin, Obermattstrasse 1, 5043 Holziken

Stöckli-Papritz Regula B Kaufm. Angestellte, Ahornweg 3, 4571 Lüterkofen

Merkle Käthi Sachbearbeiterin, Rüestelweg 4, 5073 Gipf-Oberfrick

Studer Beatrice D Lehrerin, Höhenweg 21, 2544 Bettlach

Meyer Marianne Marketing/Verkaufsleiterin, Farnstrasse 20, 5507 Mellingen

Studer Lydia Hausfrau/Kaufm. Angestellte, Holzstrasse 8, 5012 Schönenwerd

Minder Hansruedi Schulleiter, Stockmatt 901, 3154 Rüschegg

Sutter Hans Peter B/D Informatiker, Oberdorf 11, 3326 Krauchthal

Nussbaumer Jürg B Ingenieur HTL/Informatik/Projektleiter, Freienwilerstrasse 19, 5420 Ehrendingen

Thomi Eva D Geschäftsführerin, J.-H. Laubscherweg 16, 2503 Biel

Oppliger Erika KosA/PEKO Filialleiterin, Buchbergweg 2, 3414 Oberburg Oppliger Hans-Peter Koch, Seestrandweg 109, 3235 Erlach Rothenbühler Corinne D Sekundarlehrerin phil. hist., Hausmattweg 23, 3074 Muri

Weber Hansjörg Fahrdienstleiter, Juraweg 10, 5600 Lenzburg Wermuth Katrin HW-Lehrerin/Biobäuerin, Neuhaus 78, 3075 Rüfenacht Ziegler Karin Hausfrau/Therapeutin, Speerweg 8, 4552 Derendingen Zimmermann Norbert Qualitätssicherung, Alter Eggstutz 19, 3634 Thierachern

Ryser Jürg PEKO Teamleiter, Steinbille 2, 3323 Bäriswil Saez Roberto Marketing Manager, Weiherweg 29 A, 2562 Port Santini Roland Präsident/B/D Architekt, Birchstrasse 316, 5704 Egliswil Schenkel Thomas PEKO Disponent/Leiter Transport, Tumli 115, 3473 Alchenstorf Schoch Barbara MTRA/Fachfrau Radiologie, Starenweg 7, 3052 Zollikofen Schwab Ursula Hausfrau/Porzellanmalerin, Riedbrunnenstrasse 16, 5012 Schönenwerd Signer Gerda Gemeindeschreiberin, Steinerenweg 10 D, 2572 Sutz

Legende B D KosA PEKO

Büro Delegierte/r Kommission für soziale Anliegen Personalkommission

10 Organigramm Sitz der Genossenschaft Frischeplattform

3321 Schönbühl Industriestrasse 20 Telefon 058 565 81 11 Fax 058 565 95 22

Verwaltung Präsident Vizepräsident Personalvertreter

Max Meyer, Dr. iur., Bern Charlotte Froelicher, Bellach Ulrich Grünig, Sutz Peter Gurtner, Prof. Dr. rer. pol., Muri Markus Schilliger, Wettingen Karin Setz, Brugg Fredy Sidler, Dr. oec., Biel

Geschäftsleiter

Beat Zahnd

Stabsstellen Direktionssekretariat Kommunikation + Kulturelles Betrieb/Logistik Gesamtleitung Sekretariat Infrastruktur Logistik Support Produktion Fleisch Gekühlte Kommissionierung Transportlogistik Agrar/Nonfood Personelles/Ausbildung Gesamtleitung Sekretariat Personelles Lohnwesen Management Development/ Personalentwicklung Organisationsentwicklung Sozialberatung Sicherheitsdienst

Dora Streun Thomas Bornhauser

Simon Gelmi Manuela Schüpbach Markus Stirnimann Bruno Gerber Sergej Cadjenovic Ernst Härdi Heinz Kaderli Fritz Baumann Kurt Hachen

Martin Kessler Nicole Vonwil Urs Bucher Fritz von Gunten Sonja Dill Sergio De Maddalena Stefan Schenker Heinz Schibli

Finanzen/Informatik Gesamtleitung Sekretariat Controlling Finanzen Informatik

Sydney Peter Allanson, Dr. oec. HSG Margrit Donaubauer Daniel Rau Thomas Schmidlin Urs Furrer

Einkaufscenter und Immobilien Gesamtleitung Anton Gäumann Sekretariat Caroline Loeffel Finanzen & Controlling Boris Roncevic Leiter Centermanagement Peter Gosteli Leiter Marketing & Kommunikation Philipp Schlyja Leiter Gebäudemanagement Patrick Sahli Leiter Miet- und Immobilienmanagement Heinz Rüedi Leiter regionale Einkaufscenter Stephan Bielser • Centre Brügg, Brügg • Ladedorf, Langendorf • Lyssbachpark, Lyss • Müli-Märt, Lenzburg • Sälipark, Olten • Wynecenter, Buchs Centerleiter Westside, Bern-Brünnen Ludwig Nehls Centerleiter Shoppyland, Schönbühl Karl Gorsatt Centerleiter Gäupark, Egerkingen Benny Brückner Centerleiter Zentrum Oberland, Thun Daniel Schenk Bau + Expansion Gesamtleitung Hansueli Dür Sekretariat Sabine Vogelbacher Controlling Bernhard Schüpbach Leiter Bau + Technik Kurt Welsch Leiter Expansion Andreas Gyger Fachmarkt Gesamtleitung Sekretariat Controlling • Leiter Sparte Baumarkt • Leiter Sparte melectronics • Leiter Sparte Micasa • Leiter Sparte SportXX

Reto Sopranetti Dorothee Wewer Daniel Schweizer Thomas Meyer Philipp Wirz Sven Voser Markus Hodel

11 Marketing Supermarkt/Gastronomie Gesamtleitung Felix Meyer Sekretariat Barbara Rufer Beschaffung Supermarkt Marketing Kolonial Hanspeter Kohli Marketing Molkerei Walter Stegmann Marketing Fleisch Martin Schmitz Marketing Agrar+Blumen André Lustenberger Marketing Non Food Heinz Solenthaler Leiter Verkauf Supermarkt Walter Bloch Leiter Verkaufsregionen Supermarkt Walter Bloch Markus Baur Giuliano Gottardo Marcel Kaiser Stefan Kuhn Marcel Schär Markus Schilliger Heinz Locher Edgar Zettler Leiter Gastronomie Karl Neff Leiter Verkaufsregionen Gastronomie Martin Beyeler Daniel Wenger Stefan Brülhart Max Schlup Leiter Catering Services Hans-Ruedi Grünig Strat. Einkauf + Projekte Andreas Hopp Gurten - Park im Grünen, Wabern Hans Traffelet Leiter Marktbearbeitung Markus Loosli Leiterin Marktbearbeitung/Kommunikation Simone Frei Verkaufsförderung Martin Hürzeler Verkaufsstellenplanung Erich Hürlimann Verkaufstechnik Supermarkt Beat Niederer Verkaufstechnik Gastronomie Raymond Gärtner Qualitätsmanagement Manfred Kaiser Strategische Entwicklung Markus Schweizer Controlling Martin Graber Marketing Dienste Niklaus Rohrbach VOI Reto Leutwiler Kundenmanagement Chantal Kohler Flächenmanagement Daniel Kästli Kassenmanagement Reno Berner Eventmarketing AdR/Bio Rolf Bernhard

Klubschulen Gesamtleitung Finanzen Leiter Bereich Firmen Leiter Produktemanagement Sparte Management & Wirtschaft Sparte Informatik Sparte Wellness & Sparte Fitness Fachausbildung Sparte AfA/ASK Sparte Angebote für Firmen Sparte Bewegung, Entspannung & Tanz Sparte Gestaltung & Kultur Sparte Sprachen Leiter Verkauf Center Aarau Center Baden Center Bern (Marktgasse, Bahnhof, Wankdorf) Center Biel Center Olten Center Solothurn Center Rheinfelden Center Thun Center Wohlen Center Zofingen

Attila Kocsis Beat Bodenmann Peter Fluri Philipp Keller Ines Lauener Markus von Siebenthal Jonas Wüthrich Karin Menzi Christoph von Siebenthal Rainhardt Hähnel Isabelle Odermatt Claudia Pellegrini Hanspeter Spring Markus Schumacher Manfred Murbach Beatrice Brügger Peter Gander Markus Sägesser Esther Stucki Renate Eschbach Luciano Marioni Reinhard Zehnder Wanda Keller

Freizeit Gesamtleitung Jochen Müller Sekretariat Sandra Mumenthaler Leiter Sparte Fitness Markus Urscheler Fitnesspark Hamam Baden Gunther Kuster Fitnesspark, Hallenbad Oberhofen Willy Burri Fitnesspark Time-Out Ostermundigen Martin König Flower Power Aarau Sebastian Vitins Flower Power Biel Stéphanie Oberli Flower Power Olten Nadja Reinmann Flower Power Solothurn Dierk Reichle Golfpark Moossee Heinz Leuenberger Bernaqua Erlebnisbad & Spa Jürg Schüpbach

12 Verkaufsstellen M Migros-Läden

2504 Biel Schlösslistrasse 7 Beat Brotzer

«Bözingen» 058 567 68 30

5400 Baden Mellingerstrasse 142 Herbert Spiess

«Mellingerstrasse» 058 567 55 30

2504 Biel Schollstrasse 2 Michel Affolter

«Mett» 058 567 50 80

4710 Balsthal Goldgasse 13 Andreas Fritschi

«Balsthal» 058 567 55 80

3067 Boll Kernstrasse 9 Marco Zemp

«Boll» 058 567 69 80

8965 Berikon 1 Bellikonerstrasse 13 Rolf Küng

«Mutschellen» 058 567 93 50

3047 Bremgarten Kalchackerstrasse 9 Serge Abgottspon

«Kalchacker Märit» 058 567 31 50

3014 Bern Breitenrainplatz 37 Erika Oppliger

«Breitenrain» 058 567 60 80

3855 Brienz Hauptstrasse 51 Helene Bollhalder

«Brienz» 058 567 71 00

3011 Bern Christoffelunterführung Stefan Fiechter

«Christoffel Bern» 058 567 56 50

4552 Derendingen Untere Hauptstrasse 22 Andrea Meyer

«Derendingen» 058 567 74 00

3006 Bern Egghölzlistrasse 1/1a Hansueli Gasser

«Egghölzli» 058 567 58 90

5312 Döttingen Hauptstrasse 17 Margarete Oswald

«Döttingen» 058 567 74 50

3007 Bern Seftigenstrasse 1 Katja Krebs

«Eigerplatz» 058 567 61 50

5018 Erlinsbach Zentrum Rössli Sandro Ebneter

«Erlinsbach» 058 567 95 00

3018 Bern Mühledorfstrasse 15 Erika Bachmann

«Fellergut» 058 567 61 80

5615 Fahrwangen Hintergasse 12 Naim Avdyli

«Fahrwangen» 058 567 76 50

3005 Bern Thunstrasse 18 Tamara Pfander

«Kirchenfeld» 058 567 50 50

5442 Fislisbach Badenerstrasse 7d Hansruedi Frei

«Fislisbach» 058 567 30 00

3013 Bern Lorrainestrasse 23 Pia Schmid

«Lorraine» 058 567 62 00

5070 Frick Hauptstrasse 44 Thomas Nadler

«Frick» 058 567 76 80

3015 Bern Jupiterstrasse 15 David Liechti

«Murifeld» 058 567 65 00

4563 Gerlafingen Friedhofstrasse 1 Danijel Petrovic

«Gerlafingen» 058 567 77 30

3027 Bern Murtenstrasse 266 Andrea Graf

«Murtenstrasse» 058 567 65 30

5722 Gränichen Lindenplatz 2 Petra Brotzer

«Gränichen» 058 567 77 50

3018 Bern Bethlehemstrasse 110 Andrea Graf

«Stöckacker» 058 567 50 30

3073 Gümligen Turbenweg 2 Semihat Sadiki

«Gümligen» 058 567 79 00

4562 Biberist Hauptstrasse 21 Adrian Ryf

«Biberist» 058 567 46 00

3626 Hünibach Staatsstrasse 134 Daniela Moor

«Hünibach» 058 567 80 30

13 2563 Ipsach Dorfstrasse 1 Michael Rikart

«Ipsach» 058 567 36 00

5040 Schöftland Picardiestrasse 3 Barbara Rüegger

«Schöftland» 058 567 08 80

4303 Kaiseraugst Liebrütistrasse 39 Manuela Eiholzer

«Kaiseraugst» 058 567 33 00

5012 Schönenwerd C.F.-Ballystrasse 14 Jsabella Hürzeler

«Schönenwerd» 058 567 09 30

3422 Kirchberg Solothurnstrasse 17 Martin Zaugg

«Kirchberg» 058 567 52 50

3150 Schwarzenburg Freiburgstrasse 7 Marie-Louise Bürgy

«Schwarzenburg» 058 567 33 25

3510 Konolfingen Thunstrasse 21 Daniela Aeschlimann

«Konolfingen» 058 567 82 80

3095 Spiegel Chasseralstrasse 156 Fabienne Moser

«Spiegel» 058 567 51 30

4654 Lostorf Hauptstrasse 20 Juan Carlos Schoch

«Lostorf» 058 567 90 50

3612 Steffisburg Oberdorfstrasse 33 Beat Rüegsegger

«Steffisburg» 058 567 14 50

«Lupfig» 058 567 90 80

4332 Stein Schaffhauserstrasse 61 Christoph Schmid

«Stein» 058 567 59 01

5737 Menziken Sagiweg 8 Mike Tanner

«Menziken» 058 567 92 80

5034 Suhr Metzgergasse 1 André Brändli

«Suhr» 058 567 15 00

4313 Möhlin Hauptstrasse 81 Salvatore Cangeri

«Möhlin» 058 567 93 00

3604 Thun Frutigenstrasse 60 Bernhard Zingg

«Dürrenast» 058 567 16 80

3053 Münchenbuchsee Bernstrasse 14 Gianni Flumene

«Tanne» 058 567 51 50

4632 Trimbach Chäppeligasse 5 Ralph Dössegger

«Trimbach» 058 567 49 30

4853 Murgenthal Fahracker 1 Roland Wagner

«Murgenthal» 058 567 93 30

3661 Uetendorf Dorfstrasse 21 Reto Lüdi

«Uetendorf» 058 567 19 50

5630 Muri Kirchenfeldstrasse 8 Yusuf Bal

«Muri» 058 567 32 75

3427 Utzenstorf Hauptstrasse 29 Beat Wittwer

«Linde» 058 567 49 00

5432 Neuenhof Zürcherstrasse 115 Herbert Spiess

«Neuenhof» 058 567 58 81

5103 Wildegg Bruggerstrasse 11c Bruno Geier

«Wildegg» 058 567 50 00

5415 Nussbaumen Hertensteinstrasse Robert Räber

«Nussbaumen» 058 567 94 50

3812 Wilderswil Hauptstrasse Christina Zwahlen

«Wilderswil» 058 567 21 80

4702 Oensingen Mühlefeldstrasse 53 Mathias Wyss

«Oensingen» 058 567 95 30

5210 Windisch Bachmattstrasse 35 Silvia Räber

«Windisch» 058 567 22 01

4914 Roggwil Dorfstrasse 19 Severin Maibach

«Roggwil» 058 567 48 80

5436 Würenlos Autobahnraststätte A1 Stefan Zmoos

«Würenlos» 058 567 24 30

5242 Lupfig Zentrum Flachsacher Michael Zaugg

14 Verkaufsstellen 3052 Zollikofen Bernstrasse 103 Toni Semes

«Zollikofen» 058 567 26 00

3012 Bern Zähringerstrasse 43 Martin Ingold

«Zähringer» 058 567 66 50

4528 Zuchwil Hauptstrasse 60–62 Romana Pfister

«Zuchwil» 058 567 26 50

2503 Biel Brüggstrasse 5 Rudolf Wyss

«Madretsch» 058 567 31 00

2502 Biel Kanalgasse 36 + 38 Martin Gunzinger

«Biel Neumarkt» 058 567 69 00

MM Migros-Märkte

2502 Biel Bahnhofstrasse 15 Ernö Gaspar

«Bielerhof» 058 567 67 50

5000 Aarau Igelweid 18 Martin Gfeller

«Igelweid» 058 567 53 00

5620 Bremgarten Zufikerstrasse 2 Ernst Heiniger

«Bremgarten AG» 058 567 70 00

5400 Baden Bahnhofstrasse 40–42 Marcel Rohrer

«Baden-City» 058 567 54 00

3400 Burgdorf Lyssachstrasse 27 Marc Ryter

«Neumarkt» 058 567 47 30

5330 Bad Zurzach Promenadenstrasse 10 Mario di Gregorio

«Zurzach» 058 567 27 00

4622 Egerkingen Hausimollstrasse 1 Jörg Venetz

«Gäupark» 058 567 75 00

3123 Belp Neumattstrasse 4 Kurt Thöni

«Belp» 058 567 56 30

2540 Grenchen Freiestrasse 10 Hanspeter Steiner

«Grenchen» 058 567 78 00

3018 Bern Bottigenstrasse 9 Bernhard Zimmermann

«Bachmätteli» 058 567 37 00

3780 Gstaad Untergstaadstrasse 3 Hans Yamamori

«Gstaad» 058 567 46 80

3011 Bern Bahnhofplatz 10 Stefan Fiechter

«Bahnhof Bern» 058 567 56 50

3360 Herzogenbuchsee Bernstrasse 33 Monika Stutz

«Herzogenbuchsee» 058 567 79 30

3027 Bern Riedbachstrasse 10 Roger Wampfler

«Bethlehem» 058 567 60 00

3032 Hinterkappelen Kappelenring 2 Susanne Oppliger

«Hinterkappelen» 058 567 80 00

3011 Bern Bubenbergplatz 8 Markus Siegenthaler

«Bubenberg» 058 567 61 00

4950 Huttwil Bernstrasse 6 Marc Stucki

«Huttwil» 058 567 37 50

3006 Bern Giacomettistrasse 15 Thomas Neuhaus

«Freudenberg» 058 567 40 80

3800 Interlaken Rugenparkstrasse 1 Gottfried Balli

«Interlaken» 058 567 80 50

3027 Bern Gilberte-de-Courgenay-Platz 4 «Westside» Thomas Zangger 058 567 03 03

3063 Ittigen Talweg 6 Raphael Mühlethaler

«Ittigen» 058 567 82 00

3014 Bern Wankdorffeldstrasse 71 Marcel Weltert

3098 Köniz Bläuacker 10 Stephan Ryter

«Köniz» 058 567 58 01

«Winkelried» 058 567 40 50

15 4900 Langenthal Wiesenstrasse 28 Urs Leuenberger

«Langenthal» 058 567 32 25

8957 Spreitenbach Shopping-Center Rafael Fernandez

«Spreitenbach» 058 567 13 50

3550 Langnau Schlossstrasse 1a André Chevallaz

«Langnau» 058 567 87 30

3600 Thun Bälliz 2 Manuel Bayard

«Thun» 058 567 16 00

5600 Lenzburg Bachstrasse 15 Erwin Hildbrand

«Lenzburg» 058 567 89 00

5035 Unterentfelden Binzmattweg 8 Markus Bütikofer

«Unterentfelden» 058 567 20 00

3250 Lyss Steinweg 28 Hans-Ruedi Scherrer

«Lyss» 058 567 91 30

3084 Wabern Seftigenstrasse 368 Thomas Glaus

«Chly Wabere» 058 567 30 25

3860 Meiringen Bahnhofstrasse 1 Jonathan Zafrani

«Meiringen» 058 567 51 80

5430 Wettingen Landstrasse 69 Kurt Renold

«Wettingen» 058 567 20 50

«Münsingen» 058 567 36 25

5610 Wohlen Bahnhofstrasse 7 Angelo Castelli

«Wohlen» 058 567 23 00

2560 Nidau Lyssstrasse 15 Michael Blöchliger

«Nidau» 058 567 94 00

3076 Worb Richigenstrasse 1 Eduardo Marquez

«Worb» 058 567 45 00

4665 Oftringen Zürichstrasse 2 René Furter

«Oftringen» 058 567 95 80

4800 Zofingen Aarburgerstrasse 5 Martin Glauser

«Zofingen» 058 567 25 00

«Olten-Sälipark» 058 567 97 30

3770 Zweisimmen Saanenstrasse Monika Daepp

«Zweisimmen» 058 567 27 50

3110 Münsingen Bahnhofplatz 5 Rolf Hochstrasser

4600 Olten Louis Giroud-Strasse 20 Peter Schleiffer 4600 Olten Solothurnerstrasse 21 Daniela Zaugg

«Olten-Hammer» 058 567 96 50

3072 Ostermundigen Bernstrasse 114 Hanspeter Schürch

«Ostermundigen» 058 567 05 00

5734 Reinach Sandgasse 6 David Müller

«Reinach» 058 567 07 00

3011 Bern Marktgasse 46 Werner Kaderli

«Marktgasse» 058 567 63 00

«Rheinfelden» 058 567 08 00

2555 Brügg Erlenstrasse 40 Martin Huser

«Brügg Centre» 058 567 38 00

«Solothurn» 058 567 10 00

5200 Brugg Neumarkt 1 Matthias Wolf

«Brugg» 058 567 72 00

«Spiez» 058 567 10 50

5033 Buchs Wynecenter Kathrin Feller

«Buchs» 058 567 34 00

4310 Rheinfelden Lindenstrasse 3 Roland Meyer 4500 Solothurn Wengistrasse 13 Kurt Kohler 3700 Spiez Terminus Therese Stefan

MMM «Alles unter einem Dach»

16 Verkaufsstellen 4513 Langendorf Fabrikstrasse 6 Hans-Peter Scheidegger 3321 Schönbühl Industriestrasse 20 Robert Bühler 8957 Spreitenbach Tivoli Moritz Gyr 3604 Thun Talackerstrasse 62 Daniel Schenk

«Langendorf» 058 567 84 00

VOI Voi Läden

«Shoppyland» 058 565 87 00

3008 Bern Könizstrasse 60 Christoph Marte

«VOI-Fischermätteli» 058 567 47 10

«Tivoli» 058 567 12 00

3097 Bern-Liebefeld Hessstrasse 45 Christoph Marte

«VOI-Hessstrasse» 058 567 51 00

«Oberland» 058 567 17 00

2555 Brügg Hauptstrasse 17 Hugo Erismann

«VOI-Brügg» 058 567 47 00

4704 Niederbipp Wydenstrasse 9 Martin Läng

«VOI-Niederbipp» 058 567 57 60

5013 Niedergösgen Aarestrasse 49 Bruno Hermann

«VOI-Gösgen» 062 858 40 60

Migros Partner 5000 Aarau Buchserstrasse 71 Beat Hermann

«Aarau Buchserstrasse» 062 823 69 01

3818 Grindelwald Im Tuftli Rudolf Rölli

«VOI-Grindelwald» 058 567 47 20

5406 Baden-Rütihof Fislisbacherstrasse 4 Arthur Gärtner

«Rütihof» 056 493 22 93

5022 Rombach Bibersteinerstrasse 4 Claudio Furrer

«VOI-Rombach» 058 567 57 50

5413 Birmenstorf Bruggerstrasse 3 Arthur Gärtner

«Birmenstorf» 056 225 11 13

3380 Wangen a/A Vorstadt 14 Markus Baumann

«VOI-Wangen a/A» 058 567 48 50

5742 Kölliken Hauptstrasse 24 Markus Hermann

«Kölliken» 062 723 00 28

5745 Safenwil Eienstrasse 2 Markus Hermann

«Safenwil» 062 797 16 36

5703 Seon Unterdorfstrasse 6 Anna Vollenweider

«Seon» 062 775 45 40

Outlet Migros 4563 Gerlafingen Friedhofstrasse 1 Iris Mittner

«Outlet Gerlafingen» 058 567 77 80

2540 Grenchen Maienstrasse 6 Brigitte Raemy

«Outlet Grenchen» 058 567 28 00

4614 Hägendorf Industriestr. West 40/42 Iris Mittner

«Outlet Migros» 058 567 27 75

17 Fachmärkte SportXX

Fachmärkte Micasa

3011 Bern Marktgasse 28–32 Pascal Achermann

3014 Bern Wankdorffeldstrasse 90 Raphael Suter

«Wankdorf» 058 567 66 00

3027 Bern Gilberte-de-Courgenay-Platz 4 «Westside» Hanspeter Wüthrich 058 567 04 50

4513 Langendorf Fabrikstrasse 6 Beatrix Schiegg

«Langendorf» 058 567 84 70

2555 Brügg Erlenstrasse 40 Marcel Huber

«Centre Brügg» 058 567 39 20

4900 Langenthal Murgenthalstrasse 17 Martin Krüttli

«Rankmatte» 058 567 86 00

«Brugg» 058 567 73 00

3321 Schönbühl Gewerbestrasse 11 Ernst Ledermann

«Moosbühl» 058 567 42 00

5033 Buchs Bresteneggerstrasse 9b Dominic Watt

«Wynecenter Buchs» 058 567 33 90

4665 Oftringen Ackerweg 2 Franziska Pulver

«Oftringen» 058 567 44 00

4513 Langendorf Fabrikstrasse 6 Claudia Schneider

«Langendorf» 058 567 85 00

8957 Spreitenbach Shopping-Center Tivoli Andy Gobeli

«Tivoli» 058 567 13 20

4900 Langenthal Murgenthalstrasse 17 Pascal Nuspel

«Rankmatte» 058 567 87 00

3604 Thun Talackerstrasse 62 Maja Sekulic

«Oberland» 058 567 18 50

4665 Oftringen Ackerweg 2 Christian Schär

«Oftringen» 058 567 44 00

8957 Spreitenbach Shopping Center Tivoli Marc Busslinger

«Spreitenbach» 058 567 14 00

3321 Schönbühl Industriestrasse 20 Fritz Weibel

«Shoppyland» 058 565 88 22

3011 Bern Marktgasse 28–32 Kurt Grünig a.i.

«Marktgasse» 058 567 31 75

3604 Thun Talackerstrasse 62 Priska Tschanz

«Oberland» 058 567 18 80

3014 Bern Wankdorffeldstrasse 90 Alfred Pecka

«Wankdorf» 058 567 65 70

5430 Wettingen Landstrasse 99 Matthias Stocker

«Wettingen» 058 567 58 57

5620 Bremgarten Zufikerstrasse 2 Bruno Heggli

«Bremgarten» 058 567 70 50

5200 Brugg Neumarkt 1 Daniel Krapf a.i.

«Brugg» 058 567 72 70

2555 Brügg Erlenstrasse 40 Christian Tschachtli

«Centre Brügg» 058 567 38 70

5200 Brugg Neumarkt 1 Daniel Brack

«Marktgasse» 058 567 31 77

Fachmärkte Do it + Garden

18 Verkaufsstellen 5033 Buchs Bresteneggerstrasse 9B Alessandro Marra

«Buchs» 058 567 33 50

5033 Buchs Bresteneggstrasse 9b Florian Klaus

«Buchs» 058 567 33 80

3400 Burgdorf Postgasse 1 Martin Flückiger

«Gotthelf» 058 567 73 80

4622 Egerkingen Hausimollstrasse 1 Roland Meier

«Gäupark» 058 567 75 50

4513 Langendorf Fabrikstrasse 6 René Lanz

«Langendorf» 058 567 84 40

3800 Interlaken Rugenparkstrasse 1 Beat Spring

«Interlaken» 058 567 81 50

4900 Langenthal Murgenthalstrasse 17 Kurt Grünig

«M-Parc» 058 567 86 60

4513 Langendorf Fabrikstrasse 6 Jvan Garcia

«Langendorf» 058 567 85 30

3550 Langnau Bärenplatz 1 Thomas Bühlmann

«Bärenplatz» 058 567 88 80

4900 Langenthal Murgenthalstrasse 17 Hakan Ürün

«Langenthal» 058 567 86 30

«Olten» 058 567 99 00

3550 Langnau Schlossstrasse 1a Martin Beutler

«Langnau» 058 567 88 20

8957 Spreitenbach Shopping-Center Tivoli Daniel Kropf

«Tivoli» 058 567 12 70

5600 Lenzburg Bahnhofstrasse 5 Roger Peter

«Lenzburg» 058 567 90 00

3604 Thun Talackerstrasse 62 Gianclaudio Bächler

«Oberland» 058 567 18 20

3110 Münsingen Bahnhofplatz 5 Daniel Glücki

«Münsingen» 058 567 36 28

4665 Oftringen Ackerweg 2 Ulrich Woodtli

«Oftringen» 058 567 44 30

Fachmärkte Melectronics

4600 Olten Louis-Giroud-Strasse 25-26 Manuela Schneider

«Olten» 058 567 98 50

3011 Bern Marktgasse 46 Thomas Flückiger

«Marktgasse» 058 567 64 20

5734 Reinach Sandgasse 6 Daniel Jetzer

«Reinach» 058 567 07 40

3014 Bern Wankdorffeldstrasse 90 Daniela Trummer

«Wankdorf» 058 567 66 20

3321 Schönbühl Industriestrasse 20 Simon Weber

«Shoppyland» 058 565 87 06

3027 Bern Gilberte-de-Courgenay-Platz 4 «Westside» Bruno Luginbühl 058 567 04 60

8957 Spreitenbach Shopping-Center Tivoli Stefan Näf

«Tivoli» 058 567 13 00

2555 Brügg Erlenstrasse 40 Stefan Rüegg

«Centre Brügg» 058 567 38 60

3604 Thun Talackerstrasse 62 Matthias Hug

«Oberland» 058 567 19 00

5200 Brugg Neumarkt 1 Roman Hermann

«Brugg» 058 567 72 40

5430 Wettingen Landstrasse 99 Stefan Müller

«Wettingen» 058 567 58 55

4600 Olten Louis-Giroud-Strasse 25 Daniel Burri

19 3076 Worb Richigenstrasse 1 Bernhard Locher

«Worb» 058 567 45 50

Fachmärkte OBI

3011 Bern Bahnhofplatz 10 Martin Huber

«TA Bahnhof Bern» 058 567 57 00

3027 Bern Riedbachstrasse 10 Philipp Schär

«Bethlehem» 058 567 60 50

3018 Bern Bottigenstrasse 7 Ljence Tenev

«TA Bachmätteli» 058 567 37 20

3302 Moosseedorf Gewerbestrasse 1 Reinhardt Pigrosch

«Moosbühl» 058 567 41 11

3014 Bern Wankdorffeldstrasse 90 José Garcia

«Snacky Wankdorf» 058 567 65 50

4665 Oftringen Ackerweg 2 Hanspeter Som

«Oftringen» 058 567 43 00

3014 Bern Winkelriedstrasse 71–77 Gabriela Howald

«Winkelried» 058 567 40 70

3012 Bern Zähringerstrasse 43 Jakob Waltensbühl

«Zähringer» 058 567 67 00

MR Migros-Restaurants

3027 Bern Gilberte-de-Courgenay-Platz 4 «Westside» Angela Amstutz 058 567 04 70

5000 Aarau Igelweid 18 Rudolf Nagl

«Aarau-Igelweid» 058 567 53 50

2502 Biel Bahnhofstrasse 15 Gaby Scheurer

«TA-Bielerhof» 058 567 67 90

5400 Baden Bahnhofstrasse 42 Toni Ammann

«Baden-City» 058 567 54 80

2503 Biel Brüggstrasse 5 Reinhard Defranz

«Madretsch» 058 567 31 02

5400 Baden Bahnhofplatz Marco Schläfli

«TA Metro Shop» 058 567 55 50

2502 Biel Kanalgasse 36–38 Brigitte Wälte

«Biel» 058 567 69 50

5330 Bad Zurzach Promenadenstrasse 10 René Wirz

«Bad Zurzach» 058 567 27 30

2555 Brügg Erlenstrasse 40 Franz Wieland

«Brügg» 058 567 38 50

3011 Bern Marktgasse 46 Markus Röthlisberger

«Marktgasse» 058 567 64 00

5200 Brugg Alte Zürcherstrasse 15 Alex Sekey

«Brugg» 058 567 72 20

3014 Bern Breitenrainplatz 37 Brigitta Fahrni

«GM Breitenrain» 058 567 60 90

5033 Buchs Bresteneggstrasse 9b Werner Junker

«Buchs» 058 567 35 10

3011 Bern Bubenbergplatz 8 Amela Svraka

«TA Bubenberg» 058 567 61 30

5033 Buchs Bresteneggstrasse 9b Thomas Linsi

«Catering Service Buchs» 058 567 35 00

3006 Bern Giacomettistrasse 15 Soenanto Tjiptoadi

«Freudenberg» 058 567 40 90

3400 Burgdorf Lyssachstrasse 27 Esther Bigler

«Neumarkt Burgdorf» 058 567 48 00

20 Verkaufsstellen 4622 Egerkingen Hausimollstrasse 14 Urs Kleeb

«Gäupark» 058 567 76 30

4600 Olten Louis-Giroud-Strasse 20 Jürg Maibach

«Olten-Sälipark» 058 567 98 00

2540 Grenchen Freiestrasse 10 Stefan Schneider

«Grenchen» 058 567 78 50

3072 Ostermundigen Bernstrasse 114 Hans-Joschi Vejic

«Ostermundigen» 058 567 06 00

3800 Interlaken Rugenparkstrasse 1 Hans Stoller

«Interlaken» 058 567 81 30

4310 Rheinfelden Lindenstrasse 3 Beat Stirnimann

«Rheinfelden» 058 567 08 40

3510 Konolfingen Thunstrasse 7 Roland Schüpbach

«Konolfingen» 058 567 82 81

3321 Schönbühl Industriestrasse 20 Thomas Schär

«Shoppyland» 058 565 87 02

3098 Köniz Bläuacker 10 Philippe Heuberger

«Köniz» 058 567 58 03

3321 Schönbühl Industriestrasse 20 Hansruedi Grünig

«Catering Services Schönbühl» 058 565 88 57

«Langendorf» 058 567 84 20

3321 Schönbühl Industriestrasse 20 Franziska Lauener

«Personal-Rest. Aaregarte» 058 565 82 55

4900 Langenthal Murgenthalstrasse 17 Walter Wagner

«M-Parc» 058 567 85 80

4500 Solothurn Wengistrasse 12 André Hufschmid

«Solothurn» 058 567 10 40

4900 Langenthal Wiesenstrasse 28 Raimonda Schneider

«Langenthal» 058 567 32 60

3700 Spiez Terminus Toni Nyffenegger

«Terminus» 058 567 11 00

3550 Langnau Schlossstrasse 1a Walter Burri

«Langnau» 058 567 88 00

8957 Spreitenbach Shopping Center Tivoli Mario Bühler

«Tivoli» 058 567 12 50

5600 Lenzburg Bachstrasse 15 Anita Barmettler

«Lenzburg» 058 567 89 80

3604 Thun Talackerstrasse 62 Niklaus Krähenbühl

«Oberland» 058 567 18 00

3250 Lyss Bielstrasse 9 Manfred Gerstmayer

«Lyss» 058 567 92 00

3600 Thun Bälliz 2 Alex Reichen

«TA Thun» 058 567 16 50

3860 Meiringen Bahnhofstrasse 1 Matthias von Mühlenen

«Meiringen» 058 567 51 90

3084 Wabern Seftigenstrasse 368 Nicolas Dietl

«Chly Wabere» 058 567 30 27

3302 Moosseedorf Gewerbestrasse 11 Céline Chopard

«TA Schönbühl» 058 567 41 80

5430 Wettingen Landstrasse 69 Andrea Hassan

«Wettingen» 058 567 21 20

3110 Münsingen Bahnhofplatz 5 Martin Previdoli

«Münsingen» 058 567 36 26

5610 Wohlen Bahnhofstrasse 7 Heidi Castelli

«Wohlen» 058 567 23 30

4665 Oftringen Ackerweg 2 Yildirim Kan

«TA OBI Oftringen» 058 567 44 20

3076 Worb Richigenstrasse 1 Barbara Walke

«Worb» 058 567 45 70

4513 Langendorf Fabrikstrasse 6 Markus Härdi

21 4800 Zofingen Aarburgerstrasse 5 Hans-R. De Maddalena

«Zofingen» 058 567 25 50

Freizeit 5000 Aarau Rohrerstrasse 78 062 823 03 20

«FlowerPower Fitness & Wellness»

5400 Baden Brown Boveri Platz 1 058 568 03 80

«Fitnesspark Hamam Baden»

«Klubschule Aarau»

3027 Bern Riedbachstrasse 98 031 556 95 95

«Bernaqua Erlebnisbad & Spa»

«Klubschule Baden»

2504 Biel Chemin du Coin 8 032 322 66 33

«FlowerPower Fitness & Wellness»

«Klubschule Bern»

3053 Münchenbuchsee Lyssstrasse 50 031 868 50 50

«Klubschule Biel»

3653 Oberhofen Staatsstrasse 34 033 244 00 11

«Fitnesspark Hallenbad Oberhofen»

«Klubschule Olten»

4600 Olten Industriestrasse 78 062 296 77 22

«FlowerPower Fitness & Wellness»

4500 Solothurn Dornacherstrasse 26 058 568 96 00

«Klubschule Solothurn»

3072 Ostermundigen Bernstrasse 114 058 568 41 11

«Fitnesspark Time-Out Ostermundigen»

4310 Rheinfelden Fledermausgasse 6 058 568 95 00

«Klubschule Rheinfelden»

4500 Solothurn Perron 1/Dornacherstr. 28 032 622 77 50

«FlowerPower Fitness & Wellness»

3600 Thun Bernstrasse 1a 058 568 94 64

«Klubschule Thun»

5610 Wohlen Bahnhofstrasse 9 058 568 94 44

«Klubschule Wohlen»

«Park im Grünen»

4800 Zofingen Hintere Hauptgasse 3 058 568 93 93

«Klubschule Zofingen»

3084 Wabern Gurten Kulm 031 970 33 33

Klubschulen 5000 Aarau Bleichemattstrasse 42 058 568 98 00 5400 Baden Nordhaus 3 058 568 97 97 3011 Bern Marktgasse 46 058 568 95 95 2500 Biel 3 Unionsgasse 13 058 568 96 96 4600 Olten Louis Giroud-Strasse 25 058 568 94 94

«Golfpark Moossee»

«Gurten – Park im Grünen»

22 Erfolgsrechnung Erfolgsrechnung (in TFR)

2010

2009

3’031’958 37’405 159’667 27’363 37’626 54’127 3’348’147

3’037’271 33’770 160’606 25’075 36’409 44’078 3’337’208

64’874 3’413’021

65’363 3’402’572

-2’317’535 -552’073 -67’600 -37’660 -61’190 -32’003 -21’579 -62’852 -3’152’492

-2’325’008 -558’392 -67’135 -36’300 -63’209 -29’615 -20’085 -57’071 -3’156’815

4)

-239’449

-226’931

EBIT (Ergebnis vor Zinsen und Steuern)

21’080

18’825

Nettoerlöse • Detailhandel • Grosshandel • Gastro/Hotel • Freizeit/Fitness • Bildung/Kultur • Dienstleistungen Nettoerlöse ohne MwSt Sonstige Erträge • Andere betriebliche Erträge 1) Total betrieblicher Ertrag Betrieblicher Aufwand • Waren- und Dienstleistungsaufwand • Personalaufwand 2) • Mietaufwand • Anlagenunterhalt • Energie und Verbrauchsmaterial • Werbeaufwand • Verwaltungsaufwand • Übriger Betriebsaufwand 3) Total betrieblicher Aufwand • Abschreibungen auf Sach- und Finanzanlagen

• +/- Finanzergebnis • +/- Ausserordentliches Ergebnis

5) 6)

-13’839 1’428

-11’665 2’048

Gewinn vor Steuer

8’669

9’209

• - Steuern Gewinn

-2’260

-2’931

6’410

6’278

23 Anmerkungen zur Erfolgsrechnung (in TFR)

2010

2009

1) Andere betriebliche Erträge • Aktivierte Eigenleistungen • Andere betriebliche Erträge

64’874 1’276 63’599

65’363 1’816 63’547

2) Personalaufwand • Löhne und Gehälter • Sozialversicherungen • Personalvorsorgeeinrichtungen • Sonstiges

552’073 439’496 48’680 47’142 16’756

558’392 446’478 47’362 48’164 16’387

3) Übriger Betriebsaufwand • Übriger betrieblicher Aufwand • Gebühren und Abgaben

62’852 53’280 9’572

57’071 48’485 8’586

4) Abschreibungen auf Sach- und Finanzanlagen Die Genossenschaft Migros Aare hat die Aktiven und Passiven ihrer Tochtergesellschaft Gäu Park AG per 1. 1. 10 zu Buchwerten übernommen (Vermögensübertragung FusG Art. 69ff). In der Folge wurde die Gäu Park AG liquidiert. Zum Ausgleich der Differenz zwischen Beteiligungsbuchwert und buchmässigem Eigenkapital von TCHF 81’295 hat die Genossenschaft Migros Aare auf ihren bisherigen Liegenschaften eine Auflösung von stillen Reserven in gleicher Höhe vorgenommen. 5) Finanzergebnis • Finanzertrag • Finanzaufwand 6) Ausserordentliches Ergebnis • Gewinn aus Veräusserung von Anlagevermögen • Verlust aus Veräusserung von Anlagevermögen

-13’839 14’694 -28’533 1’428 1’428 -

-11’665 17’910 -29’575 2’048 2’073 -25

24 Bilanz Aktiven per 31. Dezember 2010 vor Gewinnverwendung (in TFR)

2010

2009

Umlaufvermögen • Flüssige Mittel • Kurzfristige Forderungen - gegenüber Unternehmen des Konzerns - aus Lieferungen/Leistungen gegenüber Dritten - Sonstige gegenüber Dritten • Warenvorräte • Aktive Rechnungsabgrenzung 7)

37’411

38’122

45’967 18’179 2’610 100’000 1’597

55’779 11’712 6’679 100’000 1’366

Total Umlaufvermögen

205’765

213’658

430’217 2’407

448’887 2’679

14’015 613

103’365 613

Anlagevermögen Finanzanlagen • Langfristige Forderungen - gegenüber Unternehmen des Konzerns - gegenüber Dritten • Beteiligungen - an Unternehmen des Konzerns - an Dritten Sachanlagen • Grundstücke und Bauten • Technische Anlagen und Maschinen • Betriebseinrichtungen • Anlagen im Bau Total Anlagevermögen

730’878 30’000 - 64’385

528’566 29’513 487 159’917

1’272’515

1’274’028

Bilanzsumme

1’478’280

1’487’686

25 Passiven per 31. Dezember 2010 vor Gewinnverwendung (in TFR)

2010

2009

Fremdkapital Kurzfristiges Fremdkapital • Kurzfristige Verbindlichkeiten - gegenüber Unternehmen des Konzerns - aus Lieferungen und Leistungen gegenüber Dritten - Sonstige gegenüber Dritten • Personal- und M-Partizipationskonten • Passive Rechnungsabgrenzung 8) Langfristiges Fremdkapital • Langfristige Verbindlichkeiten - gegenüber Unternehmen des Konzerns - gegenüber Dritten 9) • Baukredite/Hypotheken - bei Unternehmen des Konzerns - bei Dritten • Langfristige Rückstellungen 10) Total Fremdkapital Eigenkapital • Genossenschaftskapital • Gesetzliche Reserven • Andere Reserven 11) • Bilanzgewinn

82’605 113’752 72’426 41’852 46’480

65’213 101’099 61’712 38’722 40’894

862’700 7’958

927’700 7’753

1’650 12’330 34’529

1’650 12’330 35’114

1’276’281

1’292’185

4’767 3’196 187’311 6’725

4’679 3’196 180’811 6’816

Total Eigenkapital

201’999

195’501

Bilanzsumme

1’478’280

1’487’686

26 Anmerkungen zur Bilanz Anmerkungen zur Bilanz 2010 (in TFR)

2010

2009

7) Aktive Rechnungsabgrenzung • Vorausbezahlte Aufwendungen • Übrige Aufwendungen

1’597 1’560 38

1’366 1’354 12

8) Passive Rechnungsabgrenzung • Klubschulerträge • Freizeitanlagen • Mieten • Übrige Abgrenzungen

46’480 10’527 5’176 - 30’776

40’894 11’127 4’505 40 25’223

9) Langfristige Verbindlichkeiten gegenüber Dritten • Sonstiges

7’958 7’958

7’753 7’753

10) Langfristige Rückstellungen • AHV-Ersatzrente • Sonstige langfristige Rückstellungen 11) Andere Reserven • Freiwillige Reserven

34’529 34’013 516

35’114 34’449 665

187’311 187’311

180’811 180’811

27 Anhang (in TFR)

2010

2009

864’824 2’085’323

941’996 2’121’536

29’864

29’355

• Eigentumsbeschränkungen für eigene Verpflichtungen - Bilanzwert - Verpfändung, Zessionen, Eigentumsvorbehalte - Pfandbestellungen Beanspruchung

191’817 - 13’980

148’747 13’980

• Verbindlichkeiten gegenüber Vorsorgeeinrichtungen

9’309

9’353

Grundsätze der Rechnungslegung Die Rechnungslegung erfolgt nach den Vorschriften des schweizerischen Aktienrechts. Informationen zur Bilanz • Brandversicherungswerte - Mobilien - Immobilien • Bürgschaften, Garantieverpflichtungen, Pfandbestellungen zu Gunsten Dritter aufgrund der Vorjahresabschlüsse

28 Anhang Beteiligungen Firma / Sitz • Migros-Genossenschafts-Bund, Zürich • Time-Out, Moosseedorf • Shoppyland, Shoppy, Moosseedorf • Shopping-Center Brünnen AG, Bern • Voi AG, Moosseedorf • Neue Brünnen AG, Bern • FlowerPower Fitness & Wellness AG, Moosseedorf • Migros Vita AG, Gossau • LFS AG, Moosseedorf • cha chà AG, Moosseedorf

Zweck Grosshandel Namensschutz Namensschutz Liegenschaftsverwaltung Detailhandel Betrieb des Freizeit- und Einkaufszentrums Westside Fitnesscenter Wohlbefinden und Gesundheit Gastronomielizenzen Gastronomiebetrieb

Gesamtkapital (in TFR)

Anteil in %

15’000 100 100 918 100

19,7 100 100 100 100

1’000 1’000 2’400 200 1’000

100 100 25 34 100

Risikomanagement: Die Genossenschaft Migros Aare verfügt über ein Risikomanagement. Die Verwaltung stellt sicher, dass die Risikobeurteilung zeitgerecht und angemessen erfolgt. Sie wird regelmässig durch die Geschäftsleitung über die Risikosituation der Unternehmung informiert. Anhand einer systematischen Risikoanalyse hat die Verwaltung und die Geschäftsleitung die für die Genossenschaft wesentlichen Risiken identifiziert und hinsichtlich Eintrittswahrscheinlichkeit und finanziellen Auswirkungen bewertet. Mit geeigneten, von der Verwaltung beschlossenen Massnahmen werden diese Risiken vermieden, vermindert oder überwälzt. Die selbst zu tragenden Risiken werden konsequent überwacht. Die Resultate der Risikobeurteilung berücksichtigt die Verwaltung angemessen in ihrer jährlichen Überprüfung der Geschäftsstrategie. Die Verwaltung hat die letzte Risikobeurteilung am 26.08.2010 vorgenommen und festgestellt, dass die Risiken durch Strategien, Prozesse und Systeme grundsätzlich gut abgedeckt sind. Es bestehen keine weiteren nach OR 663b ausweispflichtigen Sachverhalte.

Verwendung des Bilanzgewinns (in TFR)

2010

2009

316 6’410 6’725 6’500 225

538 6’278 6’816 6’500 316

1’711 10’179 365 2’563 92 279

1’562 10’892 378 1’906 161 209

Total

15’189

15’108

• ½ Prozent des massgebenden Umsatzes

15’948

15’980

Antrag der Verwaltung • Gewinnvortrag vom Vorjahr • Gewinn des laufenden Jahres • Bilanzgewinn zur Verfügung der Urabstimmung • Zuweisung an freiwillige Reserven • Vortrag auf die neue Rechnung Aufwendungen für kulturelle, soziale und wirtschaftspolitische Zwecke • Kulturelle Zwecke • Bildung • Soziales • Freizeit & Sport • Wirtschaftspolitische Zwecke • Anteilmässige Verwaltungskosten/Rückstellungen

29 Kontrollstelle Bericht Als Revisionsstelle haben wir die beiliegende Jahresrechnung der Genossenschaft Migros Aare, bestehend aus Erfolgsrechnung, Bilanz und Anhang, für das am 31. Dezember 2010 abgeschlossene Geschäftsjahr geprüft. Verantwortung der Verwaltung Die Verwaltung ist für die Aufstellung der Jahresrechnung in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften und den Statuten verantwortlich. Diese Verantwortung beinhaltet die Ausgestaltung, Implementierung und Aufrechterhaltung eines internen Kontrollsystems mit Bezug auf die Aufstellung einer Jahresrechnung, die frei von wesentlichen falschen Angaben als Folge von Verstössen oder Irrtümern ist. Darüber hinaus ist die Verwaltung für die Auswahl und die Anwendung sachgemässer Rechnungslegungsmethoden sowie die Vornahme angemessener Schätzungen verantwortlich. Verantwortung der Revisionsstelle Unsere Verantwortung ist es, aufgrund unserer Prüfung ein Prüfungsurteil über die Jahresrechnung abzugeben. Wir haben unsere Prüfung in Übereinstimmung mit dem schweizerischen Gesetz und den Schweizer Prüfungsstandards vorgenommen. Nach diesen Standards haben wir die Prüfung so zu planen und durchzuführen, dass wir hinreichende Sicherheit gewinnen, ob die Jahresrechnung frei von wesentlichen falschen Angaben ist. Eine Prüfung beinhaltet die Durchführung von Prüfungshandlungen zur Erlangung von Prüfungsnachweisen für die in der Jahresrechnung enthaltenen Wertansätze und sonstigen Angaben. Die Auswahl der Prüfungshandlungen liegt im pflichtgemässen Ermessen des Prüfers. Dies schliesst eine Beurteilung der Risiken wesentlicher falscher Angaben in der Jahresrechnung als Folge von Verstössen oder Irrtümern ein. Bei der Beurteilung dieser Risiken berücksichtigt der Prüfer das interne Kontrollsystem, soweit es für die Aufstellung der Jahresrechnung von Bedeutung ist, um die den Umständen entsprechenden Prüfungshandlungen festzulegen, nicht aber um ein Prüfungsurteil über die Wirksamkeit des internen Kontrollsystems abzugeben. Die Prüfung umfasst zudem die Beurteilung der Angemessenheit der angewandten Rechnungslegungsmethoden, der Plausibilität der vorgenommenen Schätzungen sowie eine Würdigung der Gesamtdarstellung der Jahresrechnung. Wir sind der Auffassung, dass die von uns erlangten Prüfungsnachweise eine ausreichende und angemessene Grundlage für unser Prüfungsurteil bilden. Prüfungsurteil Nach unserer Beurteilung entspricht die Jahresrechnung für das am 31. Dezember 2010 abgeschlossene Geschäftsjahr dem schweizerischen Gesetz und den Statuten.

Berichterstattung aufgrund weiterer gesetzlicher Vorschriften Wir bestätigen, dass wir die gesetzlichen Anforderungen an die Zulassung gemäss Revisionsaufsichtsgesetz (RAG) und die Unabhängigkeit (Art. 728 OR) erfüllen und keine mit unserer Unabhängigkeit nicht vereinbare Sachverhalte vorliegen. In Übereinstimmung mit Art. 728a Abs. 1 Ziff. 3 OR und dem Schweizer Prüfungsstandard 890 bestätigen wir, dass ein gemäss den Vorgaben der Verwaltung ausgestaltetes internes Kontrollsystem für die Aufstellung der Jahresrechnung existiert. Ferner bestätigen wir, dass der Antrag über die Verwendung des Bilanzgewinnes dem schweizerischen Gesetz und den Statuten entspricht und empfehlen, die vorliegende Jahresrechnung zu genehmigen.

Zürich, 12. Februar 2011 MITREVA Treuhand und Revision AG G. Federer Wenger

M. Hartmann

30 .. Wertschopfung Wertschöpfung (in TFR) Entstehung Unternehmungsleistung ./. Vorleistungen ./. Abschreibungen = Nettowertschöpfung Verteilung an Mitarbeiter an öffentliche Hand an Gesellschaft an Kreditgeber an Unternehmen

2010

%

2009

%

3’413’021 2’583’486 239’449 590’086

100 75,69 7,02 17,29

3’402’572 2’580’729 226’931 594’912

100 75,85 6,67 17,48

552’073 2’260 15’189 13’839 6’725 590’086

93,56 0,38 2,57 2,35 1,14 100

558’392 2’931 15’108 11’665 6’816 594’912

93,86 0,49 2,54 1,96 1,15 100

Wertschöpfung Die Wertschöpfungsrechnung wird nach den Richtlinien des Migros-Genossenschafts-Bundes erstellt. Die Nettowertschöpfung zeigt den in einem Jahr geschaffenen Wertzuwach. Im Geschäftsjahr 2010 verzeichnete die Genossenschaft Migros Aare eine Nettowertschöpfung von CHF 590,1 Mio. Dies ist gegenüber dem Vorjahr eine geringfügige, abschreibungsbedingte Abnahme von CHF -4,8 Mio. (-0,8%).

schaftspolitische Zwecke betragen CHF 15,2 Mio. (inkl. Verlustübernahme Klubschule und Betrieb «Stiftung Gurten - Park im Grünen»). Das halbe Prozent des massgebenden Umsatzes wurde um CHF -0,8 Mio. unterschritten.

Verteilung der Wertschöpfung Mitarbeiter: Der Anteil an die Mitarbeitenden ist im Vergleich zum Vorjahr um CHF -6,3 Mio auf CHF 552.1 Mio. gesunken. Dies entspricht 7’632 Vollzeitstellen (Durchschnitt, -169 zu Vorjahr, -2.2%). Die Löhne wurden im 2010 um 0,75% erhöht (CHF 2,3 Mio.). Zusätzlich enthalten im Anteil der Mitarbeiter sind Prämienauszahlungen in der Höhe von CHF 3,2 Mio.

Unternehmung: Der Anteil an die Unternehmung CHF 6,7 Mio. (-1,3%, inkl. Vorjahresgewinn-Vortrag)

Öffentliche Hand: Die vom Steuergesetz zulässigen Steuerabschreibungen wurden nicht ausgeschöpft. Trotzdem leistete die Genossenschaft Migros Aare eine Steuerabgabe von CHF 2,3 Mio. Gesellschaft: Die Statuten legen fest, dass mindestens ein halbes Prozent des Detailhandelsumsatzes für kulturelle, soziale und wirtschaftspolitische Zwecke aufgewendet werden muss. Über einen Vierjahreszeitraum betrachtet wird zum Jahresende ermittelt, ob zu viel oder zu wenig für das Kulturprozent ausgegeben wurde. Minderausgaben («zu wenig aufgewendete Beträge») werden im Eigenkapital als «Reserve Kulturprozent» ausgewiesen. Die Zuwendungen für kulturelle, soziale und wirt-

Kreditgeber: Der Anteil an die Kreditgeber ist im Vergleich zum Vorjahr um CHF 2,2 Mio. auf CHF 13,8 Mio. gestiegen, insbesondere durch die Integration der Gäu Park AG und den hohen Investitionen. beträgt

31 Kennzahlen Die wichtigsten Kennzahlen Nettoverkaufsumsatz ohne MwSt Mio. Fr. EBIT Mio. Fr. Gewinn Mio. Fr. Cash flow Mio. Fr. Free Cash flow Mio. Fr. Nettoinvestitionen Mio. Fr. Personalbestand (inkl. KS) Kopfzahlen Vollzeitstellen (inkl. KS) Anzahl Lernende Gewichtete Verkaufsfläche m2 Anzahl Genossenschafter Kopfzahlen

2010

2009

2008

2007

3’348,1 21,1 6,4 245,9 127,6 195,5 11’729 7’632 505 295’294 476’749

3’337,2 18,8 6,3 233,2 56,5 236,9 12’029 7’801 457 288’057 467’850

3’330,3 30,7 6,1 203,0 114,5 255,5 12’050 7’872 440 276’358 461’892

3181,9 15 5,8 198,8 -14,5 286 11’818 7’703 415 279’666 451’353

Umsatz pro Vollzeitstelle (TFR)

2006 3’137,1 4,6 5,7 202,1 180,1 111,7 12’069 7’854 371 280’568 442’098

Bruttoinvestitionen/Cash flow (Mio. Fr.) 439 423

428 296

413

256

399

202

199

203

2006

2007

2008

246

238 233 196

118

2006

2007

2008

2009

2010

Bruttoinvestition

Flächenproduktivität Detailhandel (Umsatz in Fr./m2)

11’886

11’740 11’428

11’200 11’036

2006

2007

2008

2009

2010

Cash flow

2009

2010

32 Umsatz Umsatzanteile nach Sparten Gastronomie, 5% Fachmarkt (FM), 11%

Dienstleistungen, 2% Freizeit/Klubschule, 2% Grosshandel, 1%

Supermarkt (SM), 79%

Umsatzanteile FM nach Vertriebstypen

Micasa, 15%

Do-it & Garden, 21% SportXX, 17%

Melectronics, 31% OBI, 16%

Umsatzanteile SM nach Vertriebstypen SM 4000, 25%

SM 700, 31%

SM 2000, 44% Umsatzanteile nach Warengruppen Bekleidung, 2% Haushalt/Hygiene/Kosmetik, 5% Electronik, 5% Haushalt, 8% Backwaren, 10% Früchte/Gemüse, 10%

Micasa, 2% Heimwerker, 2% Sport/Freizeit, 2% Kolonial, 24% Fleisch/Geflügel/Fisch, 17%

Milchprodukte/Eier, 13%

Mitarbeiter im Portrait

33

Dominik Ammann Marketing Support Fachmarkt, Schönbühl 34 Heinz Beuggert Lager Nonfood, Schönbühl 39 Therese Bolzli Marketing Blumen, Schönbühl 42 Stefanie Brand Migros Oensingen 46 Nicole Bürki Informatik, Schönbühl 49 Manuela Eiholzer Filialleiterin Migros Kaiseraugst 52 Dieter Fahrni Technischer Dienst, Schönbühl 57 Daria Flückiger Melectronics, Oftringen 64 Andy Friedrich Melectronics, Westside 68 Andrea Grepper Leiterin PR/Kommunikation, Westside 72 Monika Hager Hostess Betriebsführungen, Schönbühl 76 Karin Helsing Migros Fahrwangen 80 Maya Kelterborn Klubschule Bern 84 Jacqueline Klossner Bernaqua Erlebnisbad + SPA 89 Max Liechti Chauffeur, Schönbühl 94 Bianca Mboob-Streit Migros Lorraine 98 Walter Mischler Retourenlogistik, Schönbühl 102 Martina Niggli Sälipark Olten 106 Peter Rieder Migros Belp 111 Heinz Schibli Leiter Sicherheitsdienst, Schönbühl 115 Andreas Schmied Verkaufsstellenplanung, Schönbühl 119 Markus Siegenthaler Migros Bremgarten/BE 123 Nadine Steiner Melectronics Shoppyland 126 Peter Steiner SAP RCC, Schönbühl 130 Suresh Selvaratnam Agrar, Frischeplattform, Schönbühl 133 Nol Toplanaj Migos Würenlos 137 Marcel Tschui Nicht mehr Berufsaktiver 140 Marcel Zaugg Leiter Betriebsgarage, Schönbühl 143

"Ich sehe meinen Unfall nicht in erster Linie als .. Toffunfall."

Dominik Ammann

34

35 Dominik Ammann Marketing Support Fachmarkt, Schönbühl

Dominik Ammann, wann und wo haben Sie Ihre Ausbildung gemacht? Von 1998 bis 2000 habe ich eine Verkäuferlehre bei melectronics in der Berner Marktgasse absolviert, im Sommer 2000 abgeschlossen. Bis 2002 war ich weiterhin dort angestellt.

ein roter Ferrari, mit Spots entsprechend beleuchtet. In solchen Villen gab’s allerhand zu sehen, vor allem atemberaubende Wellness-Anlagen aus Naturstein, ganze Höhlen wurden da nachgebaut.

Und danach? Ich hatte den Wunsch, noch «dieses und jenes» kennenzulernen, weshalb ich überall ein bisschen gearbeitet habe, ein paar Monate als Bodenleger, als Innendekorateur, als Bauarbeiter, bis ich dann zum Zügelmann mutiert bin.

Und das andere Extrem? Das ist weniger schön, zum Beispiel Zwangsräumungen bei Randständigen. Ich erspare Ihnen Einzelheiten, wie es dort ausgesehen hat. Schlimm war einmal, als wir unter Polizeischutz eine alleinerziehende Mutter mit ihren Kindern sozusagen aus der Wohnung zwingen mussten, weil sie die Miete seit Langem nicht mehr bezahlt hatte. Ich habe mir überlegt, was wohl mit ihr und den Kindern jetzt passiert. Solche Sachen geben einem zu denken.

Bei wem? Bei einer Firma in Bern, Umzüge und Transporte. Mir hat diese Arbeit wirklich gefallen. Zuerst hatte ich während sechs Monaten eine temporäre Anstellung, ab Sommer 2003 war ich dann festangestellt. Weshalb hat Ihnen der Job als Zügelmann gefallen? (Kommt ins Schwärmen) Man ist das ganze Jahr unterwegs, in der ganzen Schweiz – und darüber hinaus. Für das Paul-KleeMuseum haben wir einmal einen Transport nach Köln gemacht, zur Art Cologne, der bedeutendsten Kunstmesse Deutschlands. Zudem bekommt man bei der täglichen Arbeit Räumlichkeiten zu sehen, die einem «Normalsterblichen» verschlossen bleiben. Zum Beispiel? Bundesratszimmer, da gibt es regelmässig etwas zu zügeln, vor allem natürlich, wenn der Departementsvorsteher wechselt. Bei einer solchen Gelegenheit habe ich eine Bundesrätin kennengelernt, weil wir 2003 ihr neues Büro einrichten mussten. Und? Wie haben Sie sie denn erlebt, seinerzeit, die besagte Bundesrätin? In der kurzen Zeit, da ich mit ihr Kontakt hatte, ist sie mir als eine sehr «Genaue» aufgefallen.

Am 30. Juni fuhr ich von Stettlen in Richtung Krauchthal und Ostermundigen, weil ich Kommissionen machen wollte. Bis wann waren Sie Zügelmann? Der letzte Arbeitstag war der 29. Juni 2007. Ein Freitag. Was geschah dann? Am Samstagmorgen, 30. Juni, fuhr ich von meinem Wohnort Stettlen mit meiner 600er-Honda CBR in Richtung Krauchthal und Ostermundigen, weil ich Kommissionen machen wollte.

Wäre ich ein Unanständiger – und das bin ich ja nicht -, würde ich salopp behaupten, Frau Ministerin stelle nicht bloss ihr Pult in den Mittelpunkt. (Schmunzelt) Da halte ich mich raus…

Wollte? Ja. Wollte. Es kam aber nicht mehr dazu, denn auf einer Strecke, die im «80er» liegt, passierte es: Vor mir zwei Autos, die mit knapp 40 km/h unterwegs waren. Weil die Strasse sehr übersichtlich und kein Gegenverkehr zu sehen war, habe ich das erste Auto vor mir überholt. Plötzlich aber bog das zweite Auto ohne Blinkzeichen links ab, in einen Feldweg, der nicht zu sehen war wegen eines hohen Maisfeldes. Beim Abbiegemanöver hat es mir die gesamte Strasse versperrt, ich bin ungebremst über die Motorhaube geflogen, Kopf voran ins Feld. Durch den Aufprall hat es meinen Körper derart zusammengestaucht, dass der siebte und achte Brustwirbel gebrochen sind, wie man mir später erklärte.

Was haben Sie sonst an Aussergewöhnlichem gesehen während dieser Zeit? Einmal waren wir in einer Luxusvilla, in der die gesamte Garage – Boden, Wände, Decke! – mit Samt ausgelegt war, mitten drin

Woran erinnern Sie sich noch? Ich war immer bei Bewusstsein. Der erste Gedanke: Ich hatte Schmerzen in der Bauchgegend und habe die Töffjacke geöffnet, um den Nierengurt und den Rückenpanzer zu öffnen, in der

Weshalb? Wir haben ihr Pult zum Beispiel genau in die Mitte des Raums stellen müssen, selbstverständlich mit dem Messband ausgemessen. Sie selber hat das nachgeprüft und festgestellt, dass das Pult nicht auf den Zentimeter genau in der Mitte stand, also mussten wir es um vier oder fünf Zentimeter schieben.

36 Hoffnung, dass der Schmerz dann nachlässt. Das war aber nicht der Fall. Dann kam der Augenblick, als ich gemerkt habe, dass ich meine Beine nicht mehr spüre.

ein ausgestelltes Objekt auf der Bahre beim Haupteingang lag. Das war wirklich kein Aufsteller, auch für meine Eltern nicht, aber es ging in einem ähnlichen Stil weiter.

Hat man sich um Sie gekümmert auf der Unfallstelle? Ja, die beiden Frauen, die im ersten Auto sassen, sind sofort gekommen, haben die Polizei angerufen.

Nämlich? Als ich endlich in mein Zimmer kam – wie gesagt, in Begleitung meiner Eltern – da hatte die Spitalmitarbeitende nur ein wirkliches Problem mit mir: «Was möchten Sie morgen essen?» Mir war das in jenem Moment so ziemlich egal, ihr aber nicht, weshalb sie darauf bestand, die entsprechende Karte ausfüllen zu können. Ich hatte aber keine Lust dazu, worauf mein Vater zu ihr meinte, sie solle doch irgendwas anstreichen, mir werde es ziemlich egal sein, was morgen serviert werde. Die ersten Stunden und Tage in Nottwil bleiben mir wirklich nicht in guter Erinnerung.

Und der Unfall verursachende Fahrer? Den habe ich nicht gesehen, er hat aber nicht Fahrerflucht begangen, stand wohl unter Schock. Ich selber habe versucht, meine Eltern mit dem Handy zu erreichen. Ohne Erfolg, weshalb ich es bei einer Schwester vesucht habe. Sie ist sofort gekommen. Und die Polizei? Die Polizei war schnell da, ebenso die Ambulanz – und knapp eine halbe Stunde nach dem Unfall schon der Heli der Rega. 45 Minuten nach dem Unfall war ich bereits im Inselspital. Sie haben das alles noch im Kopf, kein Blackout? Ich erinnere mich noch an alles, ausser den Aufprall mit dem Töff mit dem Auto. Erst nachdem man mir ein Mittel gespritzt hat, vor Ort, verflüchtigten sich gewisse Erinnerungen. Waren Sie sich an Ort und Stelle der Schwere Ihrer Verletzungen bewusst? Es gab einen Augenblick, da ich am Boden lag, als ich irgendwie einen Schalter umgelegt habe, «Jetzt bin ich gelähmt». Was passierte im Inselspital? Ich bin sofort operiert worden. In der Aufwachstation waren dann meine Eltern neben mir. Die erste Frage an meine Mutter: «Was ist mit dem Töff?» Sie hat ganz konkret darauf geantwortet, mir dann aber später gesagt, dass sie diese Frage wirklich irritiert hat, als ob es nichts Wichtigeres für mich gegeben habe, in diesem Augenblick. Wie lange waren Sie im Inselspital? Nur zwei Tage, dann wurde ich nach Nottwil überführt, ins Paraplegikerzentrum. Dort bin ich bis zum 21. Dezember geblieben, fast ein halbes Jahr lang.

Niemand wusste Bescheid, wohin man mich bringen soll, weshalb ich wie ein ausgestelltes Objekt auf der Bahre lag. Tage? Ja. Nur ein Beispiel: Obwohl ich im Inselspital «durchgeröntgt» wurde, wollte man in Nottwil eigene Bilder, was ich ja sogar noch verstehen kann. Aber die Prozedur dazu war ein Horror. Damit man in der «Röhre» optimale Bilder machen konnte, wurde ich auf eine steinharte Unterlage gelegt, die Schmerzen waren schier unerträglich. Man hat meine Mutter auch gebeten, in einem anderen Zimmer zu warten. Offenbar wollte man ihr das nicht zumuten. Hätte man Ihnen keine Schmerzmittel geben können? Vermutlich wäre das erst am nächsten Tag möglich gewesen, bei dieser Hierarchie: Telefon auf die Station, Arzt avisieren, Rückfrage bei der Schmerzklinik, Arzt konsultieren, und so weiter und so fort. Also wurde das ohne Betäubung durchgeführt.

Moment, Moment… Nicht so schnell. Wie war der erste Eindruck in Nottwil? Was möchten Sie hören? Wie es wirklich war oder wie es eigentlich hätte sein sollen?

Es kommt wohl der Tag, an dem das medizinische Personal vor lauter Administration und verordnete Absicherung keine Zeit mehr für seine eigentliche Aufgabe hat, aber das nur nebenbei. Sagen Sie, hat man bei Ihnen sonst noch Verletzungen festgestellt? Nein, alle haben gestaunt, dass sonst nichts gebrochen war, ich hatte lediglich Prellungen abbekommen.

Die Wahrheit. Ich wurde dort also von Sanitätern eingeliefert. Niemand wusste aber Bescheid, wohin man mich bringen soll, weshalb ich wie

Wie haben Sie die Reha erlebt? Es begann mit der Physiotherapie, mit dem Durchbiegen der Beine, um mit der Zeit eine gewisse Mobilität zu erreichen. Dann

37 Die heute wie aussieht? Ich wohne in einer 3½-Zimmer-Wohnung in Ostermundigen, die natürlich für einen Rollstuhl umgebaut wurde. Zwar ist noch nicht ganz alles fertig, aber ich komme zurecht. wurde das Bett aufgestellt, um den Kreislauf zu belasten. Zuerst nur minim, mit der Zeit immer höher. Dann kam der Tag, an dem ich erstmals am Bettrand sitzen konnte, kurze Zeit später ging’s erstmals in den Rollstuhl. Ich sage Ihnen, in dieser Zeit habe ich meinen Körper ganz neu kennengelernt. Was mir auffällt, Sie sind extrem sportlich gebaut, ein regelrechter «Kasten», dementsprechend fahren Sie auch zügig durch den Gang, man muss beinahe das Papier auf dem Pult festhalten… (Lacht) Nun übertreiben Sie nicht gleich… Nein, echt, ich staune immer wieder, wenn Sie mir entgegenkommen. Hat Ihre körperliche Fitness zur Reha beigetragen? Oh ja! Ich war zum Zeitpunkt des Unfalls körperlich und sportlich wirklich «zwäg», das hat enorm geholfen. Ich denke, dass meine Genesungszeit viel länger in Anspruch genommen hätte, wäre ich doppelt so schwer gewesen. Hat Sie der Unfall verändert? Ich meine, mental. Sicher. Ich habe gelernt, vorsichtig zu sein, dass einiges im Leben halt auch seine Zeit braucht, dass Ungeduld nichts bringt. Die geänderte Situation hat mich sicher ruhiger gemacht. Haben Ihnen die Ärzte eigentlich Hoffnungen gemacht, jemals wieder laufen zu können? Nein, man hat immer offen mit mir gesprochen. Aber so richtig realisiert habe ich das in den ersten Tagen nicht, nach zwei Wochen allerdings hatte ich seelisch dann ein wirkliches Tief. Und immer wieder die gleichen Fragen: Was jetzt? Weshalb ausgerechnet ich? All die Fragen halt, die nichts bringen. Da war natürlich auch die Frage nach einer künftigen Wohnung. Bis anhin hatte ich in einer WG gelebt, die nicht rollstuhlgängig war. Was nun? In jener Zeit war ich froh um die Unterstützung meiner Familie, meiner Eltern, meiner drei Schwestern. Wie lange bleiben Patienten im Durchschnitt im Paraplegikerzentrum? Paraplegiker ungefähr sechs Monate, Tetraplegiker acht Monate. Und da ist man die ganze Zeit in Nottwil? Nein, nach sechs Wochen konnte ich bereits nach Hause, übers Wochenende, zu meinen Eltern. Bei diesen Besuchen haben wir dann ausführlich über meine künftige Wohnsituation gesprochen.

Und wie steht es mit der Mobilität im «öffentlichen Raum»? Ich kann Auto fahren, mit einem umgebauten Honda Accord Kombi, wo ich problemlos sowohl meinen normalen Rollstuhl verstauen kann, als auch jenen, den ich fürs Basketball spielen verwende. Da ist jede Menge Platz vorhanden! Wie haben Sie den Wiedereinstieg ins Berufsleben geschafft? Die damalige Zügelfirma hat mir das ermöglicht, mit einem Bürojob, den ich natürlich zu Beginn nicht zu 100 Prozent erledigen konnte. Anfänglich ging das stundenweise, dann aber konnte ich im Laufe der Zeit kontinuierlich mehr Stunden im Büro verbringen. Bis Juni 2009 war ich dort beschäftigt. Weshalb der Wechsel? Ich werde meiner damaligen Arbeitgeberin immer dankbar sein, dass sie mir den Wiedereinstieg ermöglicht hat. Aber irgendwie war ich unglücklich, dort nicht mehr selber als Zügelmann wirken zu können. Und zudem hatte ich das Gefühl, nicht weiterzukommen. Also habe ich Christoph Uhlmann kontaktiert, Merchandiser melectronics, den ich von früher her kannte. Die Migros Aare hat mir ein Praktikum im Marketing FM ermöglicht, heute habe ich im Support eine Festanstellung, zu 70 Prozent.

Im nächsten Frühjahr beginne ich meine Ausbildung zum Marketing-Fachmann. Ambitionen? Sicher, ja! Im nächsten Frühjahr beginne ich meine Ausbildung zum Marketing-Fachmann. Hat sich Ihr Bekanntenkreis seit dem Unfall verändert? Zum Teil schon, ja. Ich denke, das ist normal. Mit einigen Kollegen habe ich keinen Kontakt mehr, aber vielleicht wäre das ja auch ohne Rollstuhl der Fall. Die wirklichen Freunde sind mir geblieben. Und Ihre Freundin? (Lacht) Zum Zeitpunkt des Unfalls hatte ich keine Freundin. Jetzt schon? Ja, wir haben uns in Nottwil kennengelernt.

38 Eine Paraplegikerin? Nein, Riccarda hat seinerzeit innerhalb ihrer Ausbildung ein Praktikum in Nottwil gemacht, ich war sozusagen ihr «Lernen am Objekt». Aus dieser Freundschaft ist eine Beziehung entstanden, seit letztem Sommer wohnen wir auch zusammen. Wenn Sie die Möglichkeit hätten, «Alltägliches» für Rollstuhlfahrer zu ändern, wo würden Sie ansetzen? Ouw! Wo soll ich anfangen? Bei jenen Behinderten-Toiletten, die auf einem Reissbrett entstanden und so gebaut sind, dass man die Türe nicht hinter sich zuziehen kann? Oder bei Eingängen in Gebäude, die mit dem Rollstuhl nicht zu schaffen sind, obwohl dann die Lifte rollstuhlgerecht wären? Bei den Durchgängen in Wohnsiedlungen, wo alle zehn Meter eine Doppelstufe kommt, was optisch bestimmt sehr schön aussieht? Es gäbe vieles, das sich ändern liesse, wenn man nur daran denken würde. Praxisbezogen. Sie haben für dieses Interview einen Beerenmixtee genommen. Allergisch auf Kaffee? (Schmunzelt) Nein, überhaupt nicht, aber Kaffee ist harntreibend… Worauf müssen Sie im Alltag sonst noch achten, was für uns Gehende normal ist? Ich muss auf Druckstellen aufpassen, das ist schwierig, weil ich meine Beine und das Gesäss ja nicht spüre. Ich darf sie nicht anschlagen, muss aufpassen, keine Schnittwunden zu bekommen, wegen der Infektionsgefahr. Im Winter gilt, sich warm anzuziehen, damit keine Frostbeulen entstehen. Da ist die Unterwäsche von Odlo gefordert. Auch auf Verbrennung muss ich aufpassen. Einmal habe ich mein Bein an einem Kugelgrill verbrannt, es aber erst gemerkt, als es so komisch roch… Haben Sie den Unfallverursacher jemals getroffen? Ja, er hat sich einmal bei mir gemeldet, kurz bevor ich Nottwil verlassen konnte. Es war eine komische Begegnung, weil er nicht einsehen wollte, dass er einen Fehler begangen hat, wobei es möglich ist, dass er in seiner Aufnahmefähigkeit leicht eingeschränkt ist. Tragen Sie ihm die Sache nach? Nein, jeder Mensch macht Fehler, wenn auch nicht immer so folgenschwere.

Was empfehlen Sie uns Gesunden, wenn wir Rollstuhlfahrer sehen, die sichtlich mit einem Hindernis kämpfen? Gehen Sie hin, fragen Sie, ob Sie helfen können! Und seien Sie nicht brüskiert oder entmutigt, wenn Ihnen ein gereiztes «Ich komme schon klar!» geantwortet wird. Es ist halt nicht immer einfach, im Alltag mit dem Rollstuhl klarzukommen. Aber allein die Geste, helfen zu wollen, ist sehr wertvoll.

Gibt es nicht ein Zitat, im Sinne von «Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied»? Ich arbeite daran… Was wünschen Sie sich für das kommende Jahr? Gibt es nicht ein Zitat, im Sinne von «Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied»? Ich arbeite daran, beruflich und privat. Und selbstverständlich hoffe ich, dass sich meine Situation stabilisiert und ich keine unangenehmen Überraschungen erlebe. Und ich werde dennoch die Hoffnung nie aufgeben, dass der Medizin eines Tages bahnbrechende Fortschritte auf dem Gebiet der Paraplegie gelingen. Habe ich etwas zu fragen vergessen, das Ihnen am Herzen liegt? (Sehr, sehr spontan) Ja! Ich möchte allen Töfffahrerinnen und Töfffahrern sagen: Frönt eurem, frönt unserem Hobby! Geniesst es! Ich sehe meinen Unfall nämlich nicht in erster Linie als Unfall mit dem Töff, denn das hätte mir vielleicht auch beim Putzen passieren können…

Heinz Beuggert

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"Thomas Gottschalk .. bekame einen Korb von mir."

40 Heinz Beuggert Lager Nonfood, Schönbühl

Eine Vorbemerkung zu meinem heutigen Interviewpartner. Die Welt des Heinz Beuggert ist keine stressige Welt voller Termine, er lebt nach der Philosophie «eis nach em andere». Dass er das in Schönbühl dank seiner Vorgesetzten Daniel Fischer und Simon Gelmi kann, ist eben auch «ein M besser». Heinz Beuggert, seit Jahren gehen wir beide ja einmal die Woche zusammen im Aaregarte essen, wir duzen uns, also wollen wir es auch in diesem Gespräch so halten. Ich muss morgen zwischen 10:00 Uhr und 11:00 Uhr in Disentis sein. Was gibt es für Verbindungen ab Bern Hauptbahnhof? Bern ab 06:32 Uhr nach Zürich, dort kommst du um 07:28 an, der Anschluss nach Chur fährt 07:37, wo du 08:52 ankommst. In Chur musst du umsteigen auf die RhB, die um 08:56 abfährt. In Disentis bist du dann um 10:11 Uhr. Sag mal, gibt es unterwegs nach Chur Bahnhöfe mit «komischen» Ortsnamen? Ilanz ist bekannt, aber du kommst auch in Castrisch, ValendasSagogn oder Trun vorbei. Und was war der 5. Oktober 2008 für ein Wochentag? (Wie aus der Pistole geschossen) Ein Sonntag! Stimmt. Ich finde es phänomenal, wie du das alles weisst, auch andere Sachen, bei denen ich bloss staune. Heute möchte ich das Gespräch aber auf das Bahnfahren beschränken. Was bedeutet dir das Bahnfahren? Es ist für mich die Möglichkeit, mich unabhängig zu bewegen, es ist ein grosses Stück Freiheit. Wie oft bist du denn unterwegs? Also sicher einmal jedes Wochenende, zum Teil allein, zum Teil mit Oliver oder mit Vreni, zeitweise sind wir zu dritt. Wir alle haben ein GA, können also dorthin, wo wir gerade Lust haben. Stichwort Spaghetti-Schiff, im vergangenen Sommer, was war damit? Das ist ein reguläres Kursschiff, das jeden Tag verkehrt, bis Beckenried, ab Luzern um 18:12 Uhr, retour ist es dann laut Fahrplan um 20:47 Uhr. Am Freitag/Samstag wird es zum Spaghetti-Schiff umfunktioniert. Das heisst? Zum Znacht gibt es eine Art Pasta-Party. Mit Spaghetti so viel man will und vier verschiedenen Saucen. Wir waren dieses Jahr sechs- oder siebenmal auf diesem Spaghetti-Schiff, das ist immer eine gute Sache. Wann musst du in Bern abfahren? Bern ab 17:00 Uhr, Luzern an genau eine Stunde später. In Luzern fährt der Zug um 21:00 zurück nach Bern.

Und auf diesem Schiff, da schaut ihr dann bloss aufs SpaghettiBuffet oder auch hinaus in die Landschaft? (Lacht) Ganz klar! Auch auf die Landschaft! Sag mal, du bist jetzt 52, seit wann Zug-Fan? Seit ich mich erinnern kann, seit bald 50 Jahren. Du kommst jeden Morgen zu uns ins Büro, meistens um 08:04 Uhr. Du erzählst uns jeweils, welche Züge am Vortag Verspätung hatten – und überhaupt, ob es Probleme auf dem Schienennetz gab. Woher hast du alle diese Infos? Vom Teletext, den ich jeden Abend schaue, wenn ich nach Hause komme. Auf Seite 486 werden die aktuellen Ankunftszeiten angegeben, auf Seite 487 die Störungen. Schau doch selber einmal nach, heute Nachmittag. (Der Redaktor hat das gemacht, stimmt genau, was Heinz Beuggert sagt.)

Es ist für mich die Möglichkeit, mich unabhängig zu bewegen, es ist ein grosses Stück Freiheit. Schaust Du auch am Morgen nach, bevor du zur Arbeit fährst? Nein, nur an Samstagen und Sonntagen, wenn wir Ausflüge machen. Es gibt ja diese «angefressenen» Bähnler, die jede Lok kennen. Du auch? Natürlich doch! Benedikt Weibel kennt sie bestimmt auch. Das ist der ehemalige Big Boss der SBB, den du ja einmal auf dem Gurten getroffen hast. Ja! Und du hast eine Foto von uns gemacht und in der «aareinfo» veröffentlicht. Auch von Herbert Bolliger und Beat Zahnd. Genau. Welches ist denn deine Lieblingslok? Der Rote Pfeil. Der in der Fachsprache sicher eine genaue Typenbezeichnung hat… Triebwagen RBe 2/4 202. 1938 erstmals eingesetzt. Woher weisst du das? Ich habe im Internet nachgeschaut. Schon mal damit gefahren? Nein. Nein? Nein, ich habe das verpasst.

41 Welches ist denn deine Lieblingsstrecke? Im Moment sicher Bern-Zürich. Ich finde es toll, wie schnell man von einem Stadtzentrum im anderen ist. Nicht einmal eine Stunde braucht man dazu! Und dann diese Geschwindigkeit im Grauholz-Tunnel!

Schmalspurbahn, das ist immer spannend, auch die Landschaft, wie fast überall in der Schweiz, vor allem, wenn schönes Wetter ist.

Und ein bisschen abseits der Hauptachse? Die Fahrt Albula-Bernina ist immer wieder schön, zu jeder Jahreszeit.

Hattest du schon unangenehme Erlebnisse, bei all deiner Reiserei? (Überlegt) Nein, eigentlich nicht…

Du übernachtest ja nie auswärts, fährst am Morgen weg, kommst am Abend wieder nach Hause zurück. Welches ist die weiteste Tagesreise, die du so gemacht hast? Nach Tirano und zurück.

Immer wieder nach Hause gekommen, am Abend? Ja.

Zeitlich heisst das? Abfahrt um 06:10 in Oberzollikofen, abends um 22:18 Uhr wieder dort.

Da du den Fahrplan auswendig kennst: Schon mal überlegt, dich bei «Wetten, dass?» zu melden? Uhhh! Nie! Thomas Gottschalk bekäme einen Korb! Nei, das wett ig nid.

Und was machst du in Tirano? Bleibst du gleich sitzen, um im gleichen Zug wieder zurückzufahren, da Tirano ja «Endstation der Schweiz» ist? (Lacht) Nenei! Das heisst, doch, ja, ich bin wirklich schon sitzen geblieben, aber das ist nicht immer möglich, weil man die Komposition wechseln muss. Wenn ich Zeit habe, gehe ich in Tirano etwas trinken.

Gibt es eigentlich Sachen, die du mit Bahnen, Schiffen oder Seilbahnen in der Schweiz noch nie gemacht hast? Ja, klar! Weil ich nicht sehr schnell laufen kann, meide ich Seilbahnen, die nicht anhalten, sondern nur langsam mit geöffneten Türen vorbeifahren. Meistens gibt es dort auch «es Drück», da reicht die Zeit zum Einsteigen nicht.

Was ist besonders, an dieser Strecke? Die beiden Kehrschleifen nach Bergün, das ist ein Erlebnis, sie wurden mit Stollen und Schächten in den Berg gebaut.

Und dann diese Geschwindigkeit im Grauholz-Tunnel!

Du hast ja gesagt, Bern-Zürich sei zurzeit deine Lieblingsstrecke. Wie oft bist du sie denn wohl gefahren, hin und/oder zurück? Ouw… Über tausend Mal? Jaja, das sicher.

Wenn dich jemand fragt, wohin er/sie soll, an einem schönen Sonntag, einfach so, was antwortest du? Versuchen Sie es doch einmal in Interlaken, da kann man mit SBB oder mit Schiff hin. Und zum Spazieren ist es dort schön, mit Blick auf die Berge.

Im Sommer, was machst du an einem schönen Sonntag am liebsten? Da gehe ich gerne auf ein Dampfschiff, aber auf kein bestimmtes, die sind alle schön, vor allem auf dem Vierwaldstättersee.

Und wo soll man in Interlaken essen, im Victoria-Jungfrau? Sicher nid! Das ist viel zu teuer. Ich gehe meistens zu McDonald’s, einen Hamburger essen.

Und im Winter? Nach Montreux gehe ich gerne, und von dort aus zurück via Brig, das Goms hinauf, zum Furkatunnel, mit der MGB.

So wie jetzt, da wir beide miteinander reden. (lacht)

MGB? Die Matterhorn-Gotthard-Bahn, die fährt bis nach Andermatt oder Göschenen. Je nach Zeit fahre ich via Luzern zurück nach Oberzollikofen; oder via Brünig, dort betreiben die SBB eine

PS: Der Wunsch von Heinz Beuggert, einmal im Roten Pfeil mitzufahren, ging kurz nach diesem Interview in Erfüllung.

Therese Bolzli

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"Sagen Sie einer .. kunstlichen Blume nie Plastikblume!"

43 Therese Bolzli Marketing Blumen, Schönbühl

Therese Bolzli, Sie arbeiten seit ungefähr zwei Jahren bei uns. Was haben Sie seinerzeit gelernt? Ich habe 1986 eine dreijährige Ausbildung als Gärtnerin absolviert, «Topfpflanzen und Schnittblumen». Gibt es denn bei der Ausbildung zur Gärtnerin sozusagen verschiedene Sektoren? Ja, insgesamt fünf, wenn dem heute noch so ist. Zum Beispiel «Stauden» – gemeint sind hier mehrjährige, nachwachsende – oder «Baumschulist». Und wo haben Sie Ihre Ausbildung gemacht? Ich habe in/um Bern keine Lehrstelle gefunden, weshalb ich als Frau seinerzeit nach Niederlenz fahren muste. Was heisst das, «als Frau»? Von Ihrem Wohnort aus wäre der Oeschberg doch näher … Stimmt! Heute ist das auch kein Thema mehr, aber während meiner Ausbildungszeit waren Männlein und Weiblein streng voneinander abgetrennt: Oeschberg für die Männer, Niederlenz wiederum war die «Gartenbauschule für Töchter» … So war das. Sozusagen Zucht und Ordnung. Wohin hat es Sie nach der «Stifti» verschlagen? Einige Monate blieb ich noch in Niederlenz – jetzt aber selber als Ausbildnerin -, danach wollte ich unbedingt Französisch lernen, also bin ich ins Welschland, nach La Croix sur Lutry, in der Waadt. Für 1½ Jahre (beginnt zu lachen). War das denn so lustig? Ja, wenn ich zurückdenke, aus zwei verschiedenen Gründen. Lassen Sie uns doch teilhaben … Wissen Sie, ich musste wirklich Franz lernen, ich hatte keine Ahnung, musste wirklich bei Lektion 1 beginnen, als Anfängerin: Je, tu, il …

Während meiner Ausbildungszeit waren Männlein und Weiblein streng voneinander getrennt. J’ai, je suis? Mais oui! Ich wusste gerade, wie sich «Bonjour Monsieur, Bonjour Madame» ausspricht, aber damit kommt man ja nicht gerade weit, im Alltag. Und weil die Romands selten bis gar nie Deutsch sprechen, selbst wenn sie könnten, musste ich schnellstmöglich Franz lernen. Hat dann auch ganz gut geklappt.

Und der zweite Grund? Die Franzosen! (Lacht weiter) Was war denn mit den Franzosen? Im Gartencenter in La Croix sur Lutry arbeiteten vor allem Franzosen … … mussten die auch anständig Franz lernen? Sicher niiid … Erstens haben sie vermutlich günstiger als die Schweizer gearbeitet und zum zweiten waren es Saisonniers, die man flexibel einsetzen konnte, auch ihnen war das recht. Item: Das waren Zeitgenossen. Stellen Sie sich vor: Diese Franzosen hatten schon das Gefühl, die Romands wären – im Vergleich zu ihnen selber – engstirnig, irgendwie verklemmt. Jetzt können Sie sich selber vorstellen, wie ich denen vorgekommen bin, als Landei aus der Deutschschweiz. Das wäre doch ein Grund für die Franzosen gewesen, dem angeblichen Landei auf die Sprünge zu helfen. Das haben sie auch ganz gut hingekriegt, aber erst nach der Arbeit, am Feierabend, da waren es die geselligen Franzosen, wie wir sie kennen: Un coup de vin et on fait la fête. Aber bei der Arbeit war Teamarbeit für sie ein Fremdwort, das habe ich ihnen auch dann und wann zu verstehen gegeben, aber das hat sie nicht gross gekümmert … Ils s’en foutaient? Genau! Das ist der richtige Ausdruck. Da konnte jemand in der Arbeit wirklich «versuufe», glauben Sie, nos chers français hätten da die Hand gereicht und einem Arbeit abgenommen? Chasch dänke! Jeder suchte sich möglichst «un coin traquille», eine ruhige Ecke, nur ja keinen Stress! Im Rückblick tönt das ja lustig, aber das war es nicht immer. Das kommt mir heute vor wie das Lied von Polo Hofer, «Travailler, c’est trop dur …» Was nach der Romandie? Ich habe zu Hause in Laupen ausgeholfen, bei einer Gärtnerei, die nach einem Hochwasser schlimm aussah. Nun, und dann hatte ich das Gefühl, ich müsse noch Englisch lernen, also bin ich nach England, in eine Ortschaft namens Petersborough, ungefähr drei Autostunden nördlich von London.

44 war einige Zeit bei der Interhydro in Allmendingen tätig, die auch Lieferant der Migros ist. In dieser Zeit habe ich die Ausbildung «Marketingplaner» bestanden. Bei der Interhydro war ich für die Textilpflanzen zuständig. Und für die Betreuung von Bau+Hobby von Coop.

War da auch «la fête», Party? Jein. Jein? Es ging allein ums … Saufen, wer am meisten vertragen konnte; sorry, wenn ich das so direkt sage. Aber das war definitiv nicht mein Ding. Wie haben Sie gewohnt? Very, very British, bei einer älteren Lady, die jedem Cliché einer Engländerin gerecht wurde. Ich habe in Petersborough in einem Garden Center gearbeitet, das war noch ganz interessant. Bevor wir auf Ihre heutige Arbeit zu sprechen kommen. Wie viele Jahre liegen zwischen dem Englandaufenthalt und der Migros Aare? (Überlegt …) Ehhh, 20 Jahre. Nein, nicht ganz, 19! Was war in dieser Zeit? Sie sind aber neugierig … Klar doch. Mich interessiert immer auch der Mensch, nicht bloss die Arbeitskollegin oder der –kollege. Also, dann halt. Ich habe eine Handelsschule gemacht und während dieser Zeit bei meinen Eltern gejobbt, an Samstagen, sie hatten eine Käserei, die es heute aber leider nicht mehr gibt. Und weil ich im Bereich Käse – aus den soeben erwähnten Gründen – Erfahrungen hatte, habe ich mich bei einem Käsehändler gemeldet, wo ich dann sieben Jahre administrativ tätig war, bei Baumann Käse in Zollikofen. Er ist Lieferant der Migros Aare. Blieb es beim Käse? Nein, nicht ganz. Nach einem Intermezzo im Bereich Informatik und einer Management-Ausbildung hat es mich zu meiner grossen Liebe zurückgezogen (schmunzelt), zu den Blumen. Ich

Sie haben mit Plastikblumen gehandelt? Sagen Sie einer künstlichen Blume nie Plastikblume! Vielleicht konnte man noch vor 20 Jahren so abschätzig urteilen, heute jedoch gibt es wunderschöne künstliche Blumen und Pflanzen, die ebenso wie die natürlichen einen bestimmten Zweck zu erfüllen haben. Ich war zu jener Zeit für den Einkauf auch zweimal in Hong Kong. Heute hat jeder Produzent dort seinen eigenen Showroom. Bei einer dieser Reisen hatte ich Gelegenheit, im angrenzenden China eine solche Fabrik für künstliche Blumen und Pflanzen zu besuchen. Wenn Sie sehen, unter welchen Bedingungen – verglichen mit uns! – diese Leute arbeiten müssen, dann ziehen Sie bloss noch den symbolischen Hut. Sagen Sie, vor der Migros Aare, da war doch was in Kehrsatz, in Chäsitz … Was Sie nicht alles wissen, woher denn?

Wenn Sie sehen, unter welchen Bedingungen diese Leute arbeiten müssen, dann ziehen Sie bloss noch den symbolischen Hut. Sagen wir es so: Ich bereite mich seriös auf meine Gesprächspartnerinnen und -partner vor, das bin ich ihnen schuldig, auch Ihnen. Also denn: Stichwort Kehrsatz. Das war die letzte Station vor der Migros. Ich hatte damals einfach Lust auf etwas Neues und habe mich auf die Stelle als Verantwortliche Marketing-Kommunikation gemeldet. Zu meinem Erstaunen bekam ich die Stelle bei Kilchenmann. Wie haben Sie die Zeit in Erinnerung? Als verrückte Zeit, aber hochinteressant. Ich hatte drei Bereiche zu betreuen: Unterhaltungselektronik, Telematik und Events. Die besondere Herausforderung dabei: Alle drei Bereiche ticken völlig anders: Zum einen die «Endkunden» in der UE, dann die Geschäftskundschaft «Telematik» und zum dritten die Event-Zielgruppe, das ist vergleichbar mit unserem Partydienst, der vor allem das Gelingen einer Veranstaltung sicherstellt, an den üblichen Bürozeiten vorbei …

45 Also drei verschiedene Hüte? Hüte? Das reicht nicht, je nach Kundengruppe und Mitarbeitenden musste man das ganze Gebiss auswechseln. Mit der Zeit wurde mir das alles zu trümmlig – zudem ist die Welt der «Schönen und Reichen», zu der logischerweise enge Beziehungen bestehen, nicht die meine. Deshalb bin ich wieder im Backstage-Bereich tätig, bei meiner Liebe.

Jede Woche wechseln wir unser Sortiment, natürlich nicht vollständig, aber kontinuierlich, da bleibt keine Zeit zum «Plöischle». Glücklich? Ja, und glücklich.

Weshalb nicht? Sie haben es vorhin selber gesagt, Orchideen sind ein Renner respektive waren es. Selbst Leute, die keine Ahnung von Blumen haben, liessen sich durch die günstigen Preise zum Kauf verlocken. So weit, so gut. Aber eben: Die Branche hat die Orchideen in letzter Zeit derart forciert, dass deren Zenith als «In-Pflanze» in Bezug auf die Massenverkäufe vorbei ist. In ein ähnliches Kapitel gehen die Minirosen. Und die Tulpen? Da liegt der Fall anders. Klar, im Frühjahr Tulpen, so weit das Auge reicht, dann aber gibt es einen langen Unterbruch, weshalb die Tulpen nie verleiden, zudem sind sie die Vorboten des Frühlings, sie sind keine Ganzjahresblumen. Was mir aufgefallen ist: Dieses Jahr hielten die Tulpen zu Hause extrem lange, es war eine wahre Freude. Danke für das Kompliment! Das haben wir heuer viel gehört, das hängt wahrscheinlich mit der Bündelung des Blumeneinkaufs auf einer neuen Lieferantenplattform zusammen.

Wir schreiben Mitte Mai. Was steht an, bei den Schnittblumen? Düreschnuufe …

Und was kommt in Ihrem Bereich als nächster Hit? (Schallendes Lachen) Wüsste ich das, würde ich mich als Prophetin betätigen und viel, viel Geld verdienen! Ehrlich gesagt, ich weiss es nicht.

Düreschnuufe? Ja, am vergangenen Sonntag war Muttertag, das heisst Grosskampftag für uns, vor allem für die Kolleginnen und Kollegen in den Läden. Deshalb ist Durchatmen angesagt, wenn auch bloss symbolisch (lacht), nichts von Beine hochlagern. Denken Sie daran: Jede Woche wechseln wir unser Sortiment, natürlich nicht vollständig, aber kontinuierlich, da bleibt keine Zeit zum «Plöischle». Kommt hinzu, dass nach dieser strengen Zeit Ferien angesagt sind, das heisst für uns: Andere Arbeiten betreuen und deren Erfolg sicherstellen.

Gibt es im Bereich Blumen innerhalb der Migros denn Tendenzen? Möglicherweise schon. Und es wird interessant sein, die Entwicklung zu verfolgen. Denn: Die Romands sprechen auf ganz andere Blumenkompositionen als wir Deutschschweizer an. Will heissen: Nationale Blumenaktionen zum totalen Erfolg zu verhelfen, ist extrem schwierig. Entweder hat man im Welschen Erfolg oder dann bei uns. Vielleicht gibt es diesbezüglich einmal Anpassungen, indem man zweiteilt. Wir sind gespannt!

Ich schätze, dass Sie vier Peaks haben: Valentinstag, Ostern, Muttertag, Dezember mit Advent und Weihnachten. Nicht schlecht, stimmt. Wollen Sie bei uns anfangen? Ouwouwou, lieber nicht, ich kann eine Tulpe kaum von einer Rose unterscheiden. Stichwort Dezember: Schon damit beschäftigt? Ja, gewiss, der Advent wirft seine Schatten bereits voraus, das Sortiment ist bereits definiert und vorbestellt, auch im Bereich «Zubehör», da viele dieser Artikel aus dem Fernen Osten kommen und deshalb rechtzeitig bestellt werden müssen. Wenn ich an die Renner der letzten Jahre denke, da sind die Orchideen nicht weit. Sind diese Pflanzen nach wie vor eine Boom-Branche. Nein, nicht mehr.

Die Romands sprechen auf ganz andere Blumenkompositionen als wir Deutschschweizer an.

"Wie lebt es sich denn mit einem fremden Herz?"

Stefanie Brand

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47 Stefanie Brand Migros Oensingen

Stefanie Brand, Sie sind erst 20 Jahre alt, haben aber bereits eine sehr eigene Lebensgeschichte zu erzählen. Sie sind mit einem Herzfehler auf die Welt gekommen. Wie und wann hat man das festgestellt? Zwei Tage nach meiner Geburt wurden in der Geburtsklinik ungewöhnliche Herzgeräusche durch den Kinderarzt festgestellt. Daraufhin wurde ich nach Bern «is Chinschpi» verlegt, ins Kinderspital. Was genau für ein Herzfehler ist das? Ist es Vererbung? In unserer Familie gibt es niemanden, der an einer Herzkrankheit leidet. Ich habe einen sehr komplexen Herzfehler, eigentlich sind es gleich mehrere. Jeder der Herzfehler «half» sozusagen dem anderen, so dass ich erst mit drei Jahren eine grössere Herzoperation benötigte. Vorher hatte ich allerdings mehrere Herzkatheteruntersuchungen. Sie wurden seit Ihrer Geburt bereits mehrmals am offenen Herzen operiert. Wann genau haben diese Operationen stattgefunden, in welchem Alter, wie muss man sich das als Nichtmediziner vorstellen? Ich hatte die Operationen als Kind. Die letzte, die ich wirklich bewusst erlebte, war in der Zeit, als ich die Oberstufe besuchte, bei den andern kann ich mich nur an gewisse Sachen erinnern und vor allem auch dann, wenn ich mit meiner Mutter darüber rede. Ich war jeweils eine bis zwei Wochen lang im Spital, je nach Eingriff. Die eigentlichen Herzoperationen dauerten bis zu mehreren Stunden, je nach Eingriff. Wie war das mit der Schule? Ich hatte das Glück, dass ich nie «Komplikationen gemacht habe», wie das in der Medizin so heisst (lacht). In die Schule durfte ich nach drei Wochen wieder gehen. Mein Arzt hat mir immer gesagt, dass man als Kind viel schneller wieder auf den Beinen ist, da man sich an Schmerzen – im Gegensatz zu erwachsenen Menschen – nicht mehr erinnern kann. Von den Operationen her werden Sie ja vermutlich eine grössere – wenn nicht sogar mehrere – Narben haben. Wie gross, wie gehen Sie damit um? Ich habe eine über den Brustkorb und eine zweite seitlich unter der Brust durch. Mit den Narben komme ich eigentlich ganz gut zurecht. Eigentlich? Ja, es gibt natürlich Ausnahmesituationen, wo ich mich darüber aufrege, zum Beispiel in der Badi, denn es ist ein unangenehmes Gefühl, wenn die Leute so doof schauen. Das macht mich zum Teil richtig wütend, denn mir ist lieber, wenn man mich direkt fragt, so kann ich direkt antworten, ohne «Was hett die dört äch gha?».

Müssen Sie wegen der Narben zur Kontrolle? (Lacht) Sie schreiben zwar gut, aber Medizin scheint weniger Ihr Fachgebiet zu sein… Ja, ich muss einmal im Jahr zur Kontrolle, aber doch nicht der Narben, sondern des Herzes wegen.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist es noch nicht möglich, diese Korrektur «für immer» zu machen. Weil ja bereits mehrere Operationen stattgefunden haben, die Frage eines medizinischen Laien, wie Sie soeben selber festgestellt haben: Kann man den Fehler nicht endgültig beheben, mit den Möglichkeiten der Medizin heute? Nein, leider nicht. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es noch nicht möglich, diese Korrektur «für immer» zu machen, da die betroffenen Teile verkalken. Immerhin machen mir die Fortschritte der Medizin Mut für die Zukunft, dass dies eines Tages in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird. Sie haben in einem Vorgespräch angedeutet, dass in einigen Jahren wieder eine Operation anstehen wird, da das eingesetzte künstliche Teil in Ihnen «kalkt». Geradeheraus gefragt: Hat man schon einmal die Möglichkeit einer Herztransplantation ins Auge gefasst? (Bestimmt) Nein! Und ich möchte das unter den heutigen Umständen auch gar nicht, denn ich habe gelernt, mit meinem Herzen umzugehen. Und zudem habe ich einen für eine Transplantation «zu kleinen» Herzfehler, der ja nicht soooo schlimm ist. Ganz abgesehen davon: Wie lebt es sich wohl mit einem fremden Herzen? Ich weiss es nicht. Verlassen wir die Medizin, kehren wir in Ihren Alltag zurück. Wie haben Sie Ihre Kindheit, Ihre Schulzeit in Erinnerung, mit diesem Herzfehler? Die Buben haben immer zu mir geschaut, weil ich vor der Operation schnell an meine Grenzen kam. Beim Turnen hatte ich beispielsweise schnell keine Energie mehr, so dass mich die Buben ins «Time Out» schickten, als Zuschauerin, so dass ich mich relativ rasch wieder erholen konnte. Interessanterweise haben das die Mädchen irgendwie nicht kapiert... Im Übrigen hatte ich eigentlich eine ganz normale Schulzeit und konnte auch ganz normal einen Beruf erlernen. Was haben Sie gelernt? Ich bin gelernte Floristin. Aber nicht nur das: Es war immer mein Traumberuf! Ich habe die Lehre von 2004 bis 2007 in einem

48 kleinen Blumengeschäft gemacht, bei Rust Blumen in Solothurn. Ich bin wirklich stolz auf mich, konnte ich die Ausbildung so gut durchziehen, trotz meines Herzfehlers. Was genau arbeiten Sie bei der Migros in Oensingen? Nur einmal dürfen Sie raten.

Ich bin gelernte Floristin. Aber nicht nur das: Es war immer mein Traumberuf! Floristin? Genau, in der Blumenabteilung. Und das (sagt es mit hörbarem Stolz) zu 100 Prozent! Erhalten Sie finanzielle Unterstützung durch die Krankenkasse, eventuell sogar durch die IV? Nein, denn ich bin ja 100 Prozent erwerbsfähig. Unterstützen soll man schliesslich nur jene, die es auch wirklich verdienen, weil sie nicht mehr voll einsatzfähig sind, auf welchem Beruf auch immer. Wie stark schränkt Sie Ihr Herz bei Alltäglichem heute ein? Im Moment bin ich nicht eingeschränkt, das passiert erst, wenn es meinem Herzen schlechter geht. Ich muss allerdings im Alltag schon gut aufpassen, da ich anfälliger auf Infekte bin. Aber meinen Körper kenne ich eigentlich ziemlich genau, weiss, was ich ihm zumuten kann. Sie haben Ihre Narben angedeutet. Was heisst das in der Sommersaison? Dürfen Sie mit diesen Narben denn überhaupt ins Wasser, zum Schwimmen? Ja, die Narben sind kein Problem, nur nach einer Ops dürfen sie ein bis zwei Jahre nicht an die Sonne. Ich muss sie auch ständig massieren, damit sie geschmeidig bleiben und nicht austrocknen. Wie geht Ihre Umwelt mit Stefanie Brand um? Nimmt man auf Sie Rücksicht, wenn man um Ihren Herzfehler weiss? Am allerliebsten ist mir, wenn man mich ganz normal behandelt, ich will keine Sonderrechte.

Und wie reagieren Sie andererseits, wenn Sie jemand körperlich überfordert, weil «das Herz» nicht mitmacht. Erklären Sie sich offen und geradeheraus? Klar! Es ist auch wichtig, dass die Leute um meinen Herzfehler wissen. So könnten sie richtig reagieren, sollte wirklich einmal etwas passieren. Und wie reagieren die Leute? Viele haben echt Angst um mich, was aber überhaupt nicht nötig ist: Einige haben Mitleid, was aber auch falsch ist. Alle aber sind sie erstaunt über meine Offenheit.

Viele haben echt Angst um mich, was aber überhaupt nicht nötig ist: Einige haben Mitleid, was aber auch falsch ist. Trotz und mit Ihrem Herzfehler: Was wäre ihr… Herzenswunsch? Später einmal gesunde Kinder und eine Reise nach Südafrika. Weshalb Südafrika? (Kommt ins Schwärmen) Das ist ein Traum, den ich schon lange in mir herumtrage... Ich möchte ganz einfach die Landschaft und das Leben dort kennenlernen und den Bruder meiner Grossmutter besuchen.

Nicole .. Burki

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"Nach dem Krieg begann der Krieg ums .. Uberleben."

50 Nicole Bürki Informatik, Schönbühl

Nicole Bürki, das «Bundeshaus» wird dann und wann als Irrenhaus betitelt, als Zirkus. Wie haben Sie «das Bundeshaus» denn erlebt? (Schmunzelt) Ganz ehrlich gesagt, als eine Art «Villa Wahnsinn …» Weshalb diese Eingangsfrage: Sie selber haben dort gearbeitet, von wann bis wann genau? Von 1998 bis 2008. Psssssst, wir sagen es nicht weiter: Stimmt das Cliché, dass Beamte im Allgemeinen etwas weniger «vif» sind als Mitarbeitende der Privatindustrie? Die 30-jährige Französin Aurélie Boullet hat dazu kürzlich ein Buch veröffentlicht, «Wie man 35 Stunden abarbeitet … in einem Monat», worauf sie umgehend aus dem Staatsdienst entlassen wurde. Typisch französische Verhältnisse? Ich denke schon, dass es in gewissen Berner Bundesämtern Abteilungen gibt, in denen der Leistungsdruck nicht allzu gross ist. Im eigentlichen Bundeshaus hingegen ist es anders.

Im Bundeshaus müssen Einsatzbereitschaft und die Flexibilität überdurchschnittlich gross sein.

meinem Job im Bundeshaus nachgehen zu können, habe ich die Gelegenheit erhalten, Führungskurse im VBS, dem Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport, zu besuchen. Sie haben dann einmal ins besagte Bundeshaus gewechselt. Weshalb? Nach der Zeit bei der Militärpflichtersatzverwaltung des Kantons Bern habe ich im Mai 1994 zum «Bund» ins Oberkriegskommissariat OKK gewechselt. Dort wurde ich als Assistentin des Oberkriegskommissärs angestellt. Durch die Armeereform «Armee 95» wurde meine Stelle jedoch gestrichen. Ich musste mir deshalb eine neue Stelle suchen, wurde fündig und Assistentin des Abteilungschefs «Versorgung» bei der Untergruppe Logistik. Dabei blieb es aber nicht … Nein, denn eines Tages musste dem Generalstabschef dringende Post ins Bundeshaus gebracht werden. Ich wurde dort von seiner Assistentin empfangen, wir haben zusammen gesprochen und sie hat mir angedeutet, dass die Stelle der Assistentin des Stv. Generalstabschefs frei ist. Sie hat mich ermuntert, mich doch zu bewerben.

Weshalb denn das? Man ist sehr nah am Geschehen dran, mit dem Bundesrat, dem Parlament. Dementsprechend müssen Einsatzbereitschaft und die Flexibilität überdurchschnittlich gross sein … Was Sie auch nicht vergessen dürfen: Fällt in der Privatwirtschaft ein Entscheid, so ist er definitiv, keine Diskussion, bei den Behörden und in der Politik hingegen ist alles beschwerdefähig, was zum Teil extrem mühsam, zeitaufwendig und entsprechend … ineffizient ist.

Was Sie dann getan haben. Ja. Nach dem anspruchsvollsten Vorstellungsgespräch, das ich je hatte …

So jetzt aber der Reihe nach, etwas strukturierter. Welche Ausbildung haben Sie gemacht? Vor langer Zeit «s’KV». Für meine erste Stelle nach der Ausbildung habe ich «gependelt», von meinem damaligen Wohnort im Berner Jura nach Bern. Dort hatte ich eine Anstellung bei der Achtung, es folgt ein Schachtelwort - Militärpflichtersatzverwaltung des Kantons Bern. Um

Und gleich noch eine Zwischenfrage: Wie wurden Sie durchleuchtet, gab’s eine Art Seelen-Striptease? Ich musste mich schon bei meiner Anstellung ins Oberkriegskommissariat einer Sicherheitsprüfung stellen. Für den Job im Bundeshaus wurde die Stufe der Prüfung einfach nochmals erhöht.

… wie muss man sich denn dieses Gespräch vorstellen? Der damalige Stellvertreter des Generalstabschefs war - und ist immer noch - ein Sprachgenie. Er wechselte mitten in den Sätzen die Sprache. Von Deutsch auf Französisch, dann auf Englisch und Italienisch.

Aber ich habe Sie vorhin unterbrochen: Nach dem Vorstellungsgespräch, da haben Sie die Stelle erhalten? Ja, zuerst als Assistentin des Stellvertretenden Generalstabschefs und -

51 ein paar Monate später - durch Zufall, als Assistentin des Generalstabschefs. Immer diese Zufälle … Was genau haben Sie dort gemacht, ohne dass Sie mit Aussagen gleich unsere nationale Sicherheit gefährden? (Lacht) Ich durfte die Doppelfunktion der Chefin der Stabsdienste des Chefs der Armee sowie der Assistentin des Chefs der Armee wahrnehmen. Von Christophe Keckeis? Von 1998 bis 2002 war es KKdt Hans-Ulrich Scherrer, von 2003 bis 2007 war es KKdt Christophe Keckeis, stimmt, ja. Da gab’s doch diesen Disput um ein Buch über/von Herrn Keckeis, aber lassen wir das. Das war ein Buch über die Reform «Armee XXI» und den ersten Chef der Armee. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

Als ich das erste Mal auf den Balkan ging, waren die Spuren des Krieges noch sehr gut sichtbar. So etwas hatte ich vorher noch nie gesehen. Was mich – und sicher auch die Leserinnen und Leser – vielmehr interessiert: Da gab’s doch – so weit ich mich richtig erinnere – auch einen gewissen Herrn Nef. Haben Sie mit ihm zusammengearbeitet? Wenn ja, was für ein Typ war er denn? Ja ich kenne Herrn Nef. Ich habe ein paar Monate, während seiner Einführungsphase, mit ihm zusammen gearbeitet. Es war zu diesem Zeitpunkt aber bereits klar, dass ich gleichzeitig mit Herrn Keckeis aufhören würde, obwohl ich hätte bleiben können. Sie waren in Ihrer Funktion auch auf dem Balkan. Stimmt, ich hatte das Privileg, einige Male auf dem Balkan unsere Truppen zu besuchen. Ich durfte im Dezember 2000 das letzte «Kontingent» der Schweizer Gelbmützen für ihre Weihnachtsfeier in Sarajewo besuchen. Das war mein erster Balkanbesuch. Ich kam sehr beeindruckt zurück. Ich durfte auch mehrmals Weihnachten mit den Soldatinnen und Soldaten der SWISSCOY im Kosovo feiern. Nie daran gedacht, selber dorthin in den Einsatz zu gehen? Doch! Es war tatsächlich vorgesehen, dass ich mich für das Winterkontingent 2005 für sieben Monate bei der SWISSCOY verpflichte. Aus privaten Gründen ist es dann anders gekommen.

Nun wäre ich ein schlechter Gesprächspartner, würde ich hier nicht nachhaken: Weshalb ist es denn anders gekommen? (Schmunzelt) Ich habe meinen Mann auf dem Militärflughafen Priština kennengelernt. Er war damals Offizier bei der SWISSCOY. Und es war geplant, dass er nach seinem Einsatz im Kosovo für sechs Monate nach Bosnien geht, ich im Anschluss zur SWISSCOY. Wir haben beide auf diese Einsätze verzichtet … (lacht) Wie haben Sie denn den Kosovo erlebt, was ist Ihnen in Erinnerung? Die Landschaften sind wunderschön. Als ich das erste Mal auf den Balkan ging, waren die Spuren des Krieges noch sehr gut sichtbar. So etwas hatte ich vorher noch nie gesehen. Inwiefern? Nur vor Ort, als unmittelbare Augenzeugin – wenn auch nach dem Krieg - kann man sich annähernd vorstellen, was die Zivilbevölkerung erlebt haben muss, auf welcher Seite auch immer. Und nach dem Krieg, da begann der Krieg ums eigene Überleben, der lange, lange Weg zu einer Art Normalität, die mit unserem Alltag noch lange nicht vergleichbar ist. Und es zeigte mir einmal mehr, dass man selbst solchen Situationen Positives für die eigene Persönlichkeitsentwicklung abgewinnen kann, indem man zum Beispiel merkt, dass vieles, das bei uns selbstverständlich ist, eben nicht selbstverständlich ist. Haben Sie auch vom Treffen mit den KFOR-Truppen profitiert? Ja. Die Treffen mit den Angehörigen der anderen Streitkräfte waren immer etwas sehr Spannendes, denn die KFOR ist ein «Mix» von 20 oder sogar von noch mehr Nationen. Die Zusammenarbeit ist sehr spannend. Auch die Kontakte mit den Schweizer Soldaten und Soldatinnen waren toll. Es sind Freundschaften entstanden, die immer noch bestehen. Zudem durfte ich ja dort meinen Mann kennenlernen … Weshalb dann ausgerechnet zur Migros Aare? Nach zehn Jahren im Bundeshaus – und nichts von SchoggiLeben – wollte ich wieder mehr Zeit «zum Leben» haben. Das heisst? Als klar wurde, dass die Amtszeit meines Chefs am 31. 12. 2007 zu Ende gehen würde, habe ich mich entschieden, den Dienst auf diesen Zeitpunkt hin zu quittieren, wenn ich gleich im militärischen Jargon bleiben darf. Herr Keckeis und ich sind beide am 28. 12. 2007 aus dem Bundeshaus mit unseren Schachteln «abgetreten». Ich durfte danach sechs Monate Überzeit und Ferien beziehen und habe per 1. 7. 2008 in einem Bundesamt im Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement eine 60 Prozent-Stelle angenommen. Nach zwei Jahren musste ich mich entscheiden, ob ich wieder eine anspruchsvollere Tätigkeit annehmen will oder nicht. Deshalb habe ich mich auf ein Stelleninserat der IT in der Migros Aare gemeldet und bin jetzt seit vergangenem 1. August in der Informatik tätig.

"So eine Kuh ist ein sehr sensibles Wesen."

Manuela Eiholzer

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53 Manuela Eiholzer Filialleiterin, Kaiseraugst

Manuela Eiholzer, bitte erklären Sie unseren Leserinnen und Lesern, wo sich denn die Rindermatt befindet ... Das ist eine Alp oberhalb von Bürglen im Kanton Uri. Sie ist die höchst gelegene Alp der Familie Gisler-Essig und liegt auf über 1900 Meter. Weshalb wir Sie ausgerechnet das fragen: Sie waren im vergangenen Sommer oben. Weshalb denn das? Ich habe einer ehemaligen Kollegin aus meiner Parallelklasse, die «dort hinauf» geheiratet hat, geholfen. Zum Beispiel beim Käsen. Zu den täglichen Arbeiten gehören jedoch auch das Kühe austreiben, das Misten, Melken, Unkraut jäten, Putzen, Kochen und Zäune ziehen. Wie kommen Sie denn dazu? (Seufzer) Ach, das ist eine lange Geschichte ... Und davon gibt es bestimmt eine Kurzversion ... Wenn Sie so wollen, ja: Als ich mit 34 Jahren den Detailhandelsabschluss nachholte, war ich Lernende in Liestal. Witzigerweise war meine ehemalige Schulkollegin von 1989 – Esther Roth – nun plötzlich meine Lehrmeisterin. In den folgenden zwei Jahren entwickelte sich eine tiefe Freundschaft zwischen uns. Als nun Esther immer wieder von ihren Ferienerlebnissen auf der Alp erzählte, machte mich das ganz schön neugierig. Dazu muss ich sagen, dass ich die Schweizer Berge sehr liebe und alles, was so kreucht und fleucht, mich brennend interessiert. (Lacht) Als ich dann merkte, dass die Älplerin eine Fricktalerin aus meiner ehemaligen Parallelklasse war, fragte ich sie, ob ich im Sommer zu ihr auf die Alp kommen dürfe. Hoppla! Wann waren Sie denn erstmals auf der Rindermatt? (Überlegt) Hmmm … Das muss vor vier Jahren gewesen sein, ja, 2006. Ich war ganz schön aufgeregt, denn ich hatte Luzia gut 15 Jahre nicht mehr gesehen. Luzia stammt ursprünglich aus Wil im Kanton Aargau. Nach der Detailhandelslehre und nach kurzen Tätigkeiten im Verkauf – und später auf der Raiffeisenbank – absolvierte Luzia die Bäuerinnenschule. Dort traf sie auf die Schwester ihres zukünftigen Mannes Kari. (Schmunzelt) Sie können noch folgen? Jaja, bis jetzt schon noch … Und eben diese Schwester vermittelte Luzia eine Stelle auf dem Weissenboden, bei Familie Gisler. Das erste Wochenende bei den Gislers wird Luzia wohl niemals vergessen.

Weshalb denn das? Die Wetterbedingungen am 7./8. Juli waren derart schlecht, es schneite an diesen Tagen stark. Luzia kamen ziemlich schnell Zweifel, ob dies der richtige Ort für sie sei, ausserdem plagte sie bereits das Heimweh. Das Mueti Gisler hat sich jedoch lieb um Luzia gekümmert … ja, und ein paar Monate später dann auch der Kari, wenn Sie wissen, was ich meine. Sicher doch. Spätere Heirat und so. Gut, sehr gut kombiniert! War ja auch extrem schwierig … Spontan: Was bleibt Ihnen als erster Eindruck, von dieser Rindermatt? Der beschwerliche Aufstieg, extrem schwierig zu erreichen. Dann, als ich das Haus zum ersten Mal sah, wurde es mir richtig warm ums Herz. Denn die Älplerin Luzia stand vor dem Haus und winkte uns schon von weitem zu. Als wir die Hütte erreicht hatten, wurden wir sehr herzlich empfangen und mit einem Sirup für den strengen Aufstieg belohnt.

Die Rindermatt ist eine reine Sommeralp, die nur während vier bis fünf Wochen im Jahr bewirtschaftet wird. Der Grund dafür ist die Boden- und Grasqualität. Beschreiben Sie uns doch diese Alp! Was man sicher wissen muss: Die Rindermatt ist eine reine Sommeralp, die nur während vier bis fünf Wochen im Jahr bewirtschaftet wird. Der Grund dafür ist die Boden- und Grasqualität. Damit die Alp auch in den kommenden Jahren genutzt werden kann, ist es wichtig, dass sich der Boden wieder regenerieren kann. Das heisst, die Alp braucht, salopp ausgedrückt, eine «Auszeit von den Kühen und Rindern». Und jetzt in die Details, bitte. Die Rindermatt ist schon seit 1977 im Besitz der Grossfamilie Gisler. Kari, der Mann von Luzia, war eines von neun Kindern und musste schon früh lernen, was Verantwortung übernehmen heisst. Bereits in der 2. Klasse schaute er mit seinem Bruder Hans nach den Rindern auf der Alp. Und der Vater? Sein Vater verliess am Morgen nach dem Melken die Hütte und stieg hinab auf den Weissenboden. Das ist die zweite Alp der Familie Gisler, zu Fuss in etwa 80 Minuten zu erreichen. Nun

54 waren die Buben auf sich selbst gestellt, denn der Vater kehrte erst zum Melken am Abend zurück. Die Hütte wurde mit einem offenen Feuer in der Küche beheizt. Jedes Kind hatte eine Kiste, in der es seine Kleider und Habseligkeiten verstauen musste. Eine Kiste? Ja, die Kiste schützte vor hungrigen Mäusen und vor Nässe. Bei starkem Regen wurde die Küche nämlich regelmässig überschwemmt. Heute ist das Haus zum Glück wetterfest! Es besteht aus einer kleinen Küche, der Käserei, einer Toilette und dem Stall. Dieser Stall beherbergt zurzeit 22 Kühe und sieben wirklich herzige Kälber. Direkt über dem Stall auf dem Dachboden befindet sich das Matratzenlager für die Gäste/Knechte und in einem kleinen Zimmer schlafen Luzia und Kari. Gekocht wird auf einem Herd, der mit Holz angefeuert werden muss. Darauf hat es drei Herdplatten. Zwei davon sind permanent mit grossen Wassertöpfen belegt. Wozu denn das? Das abgekochte, heisse Wasser wird zur Reinigung des Melkund Milchgeschirrs benötigt. Zusätzlich gibt es zwei Gaskochfelder. Die Küche wird übrigens immer noch mit Holz geheizt. Das Wasser kommt von der nahgelegenen Quelle. Duschen? (Lacht) Nein! Eine Dusche gibt es auf der Rindermatt nicht … Bei schönem Wetter – was jedoch selten der Fall ist -, habe ich mich auch schon im See hinter dem Haus gewaschen. Ansonsten müssen ein Waschlappen und die Zahnbürste zur Körperreinigung genügen. Der Strom für die Lampe und das Radio stammt von einer Autobatterie. Das Radio wird jedoch nur eingeschaltet, wenn die Wetterprognosen auf DRS1 gesendet werden. Dann allerdings hören alle gespannt zu, denn das Wetter in den Bergen ist oft unberechenbar! Wenn es wie in diesem Jahr im Sommer bis auf 2000 Meter hinunter schneit, sind die 22 Rinder, die die Familie betreut, ja auch betroffen … Nun also zu Ihrem Aufenthalt. Wie lange waren Sie im vergangenen Sommer oben? Leider wie immer viel zu kurz! Am 2. August bin ich mit meiner Freundin Manuela Kolb hinaufgekommen. Nach herrlichen, beeindruckenden fünf Tagen kehrten wir bereits wieder mit einem lachenden und einem weinenden Auge nach Hause zurück.

Weil der Luxus fehlt, eine Dusche zum Beispiel? (Energisch) Nein! Sicher nicht! Denn auch wenn es auf der Alp keinen Luxus gibt, so hat das einfache Leben auf der Alp durchaus seinen Reiz. Neben der Arbeit bleibt immer auch Zeit für einen Jass oder ein Brändi-Dog, das ist eine Art «Eile mit Weile» mit Jasskarten.

Eine Dusche gibt es auf der Rindermatt nicht … Meist müssen ein Waschlappen und die Zahnbürste zur Körperreinigung genügen. Kenne ich, ich verliere meistens, aber ich habe Sie unterbrochen, sorry … Die gemeinsamen Mahlzeiten in der Küche sind für mich stets besondere Momente. Das Essen wird immer mit viel Liebe zubereitet und schmeckt wirklich einmalig gut. Sitzen zehn oder mehr Personen am Tisch, geht es recht lustig zu und her. Dazu habe ich ein gutes Beispiel: Wie jedes Jahr ist das Schnarchen im Massenlager ein beliebtes Thema beim Mittagessen. Also wird gefragt, wer denn letzte Nacht wieder so laut geschnarcht hat. Schnell sind die Übeltäter gefunden: Gisela und natürlich meine Wenigkeit. «Ja!», meinte ich, «ihr alle könnt froh sein, dass ich nur geschnarcht habe, denn manchmal ticke ich im Schlaf wie eine Bombe, wird wenigstens behauptet.» Da fingen alle am Tisch an zu lachen und ich noch viel mehr. Alle schauten mich fragend an. Daraufhin sagte ich: «Na, da muss ich aufpassen, wenn ich das nächste Mal mit dem Flugzeug verreisen will, nicht dass mich die Flughafenpolizei entschärfen will und den Flughafen räumen lässt ...» Natürlich hatte der Chef am Tisch das letzte Wort, Kari: «Oje oje, die armen Leute, das stelle ich mir echt schwer vor!» Schnell eine Zwischenfrage: Die Rindermatt ist nur während vier bis fünf Wochen pro Jahr aktuell. Wo wohnen und arbeiten Ihre ehemalige Schulkollegin und ihr Mann Kari sonst? Der jeweilige Wohnsitz richtet sich ganz nach den zu erledigenden Arbeiten, dem Wetter und den Bedürfnissen der Tiere. Die Gislers führen einen Mehrstufenbetrieb mit vier «Heimete». So sind sie in Bürgeln-Dorf, im Naien auf 1450 Meter, sowie auf dem auf 1800 Meter hoch gelegenen Weissenboden – oder eben auf

55 Sondern? Zuerst musste ich der Kuh einen Klapps auf das Hinterteil geben. Da ich wohl ziemlich verwirrt schaute, führte er erklärend an: «Die Kuh mag es nicht, wenn du ihr einfach zwischen die Beine greifst.» Einen Moment dachte ich über das Gesagte nach und musste wirklich schmunzeln… Dann sagte ich zu Kari: «Ja klar, das verstehe ich. Ich schätze es ja auch, wenn man sich zuerst vorstellt und nicht einfach mit der Tür ins Haus kracht.» der Rindermatt zu Hause. In den Wintermonaten fährt Kari in den Skigebieten mit den Pistenfahrzeugen und hilft verletzten Personen, bis die Rega eintrifft. Luzia fertigt aus Filz wunderschöne Handarbeiten. Diese Handarbeiten werden an verschiedenen Dorfmärkten verkauft. Und was genau haben Sie auf der Rindermatt gemacht? Auf der Rindermatt sind die Arbeiten sehr interessant und abwechslungsreich. Immer am Abend wird besprochen, wer am nächsten Morgen für das Melken und das Kühe eintreiben verantwortlich ist. Ausserdem braucht es eine Person in der Küche, die Wasser kocht, um das Milchgeschirr zu waschen. Um 06:30 Uhr ist Tagwacht, das heisst, die Kühe werden von der Weide in den Stall gelotst. Jede Kuh hat eine blaue oder rote Nummer am Gesäss und im Stall ihren festen Platz zum Melken. 22 Kühe suchen ihr Plätzli. Ist doch eine Herausforderung, nicht? Ja sicher, bei 22 Kühen ist es schon eine Herausforderung, jede Kuh an ihren Platz zu bringen.

Der Älpler Kari kennt jedes Tier ganz genau. Keine Kuh ist wie die andere. Das heisst, jedes Tier wird individuell betreut. Weshalb ist das denn so wichtig, jede Kuh an ihrem Platz? Der Älpler Kari kennt jedes Tier ganz genau. Keine Kuh ist wie die andere. Das heisst, jedes Tier wird individuell betreut. Glauben Sie es oder auch nicht: So eine Kuh ist ein sehr sensibles Wesen. In den Jahren zuvor hatte ich Gelegenheit, erste Erfahrungen beim Melken zu machen. Damit die Kuh Milch geben kann, muss sie mit der Hand «gehantelt» werden, das heisst, bevor Kari oder Luzia die Melkmaschine bei der Kuh ansetzen kann, zieht man mit zwei Fingern am Euter, bis ein wenig Milch kommt. Bei meinen ersten Versuchen schaute der Chef recht kritisch zu und meinte: «Manuela, du darfst nicht gleich mit dem Hanteln beginnen.»

Was ist nach dem Melken? Oh Gott, das gibt ein längeres Interview, aber interessant ist es ja, nicht bloss für einen Städter. Und jene, die es nicht interessiert, sind gar nicht erst bis hier gekommen (lacht). Nach dem Melken gibt es so um halb neun Frühstück und den von mir schon heiss ersehnten Kaffee. Für das Morgenessen nehmen wir uns immer viel Zeit. Es gibt selbstgemachten Käse und selbstgemachte Butter. Das Brot hingegen kommt von der Migros in Bürglen. Luzia kauft immer mehrere Laiber vom Jowa-Ruchbrot, denn das ist über viele Tage haltbar. Nach dem Frühstück wird das Vieh wieder auf die Weide gebracht und der Stall sauber gemistet. Und parallel dazu das Melkgerät gereinigt? Ja, die Milchkannen und alle Melkutensilien werden zuerst kalt mit der Waschbürste gewaschen. Danach richte ich ein Gefäss mit 10 Liter kochendem Wasser und ungefähr 70 cl Calgonit. Die Wassertemperatur muss mindestens 40 Grad betragen, damit mögliche Keime absterben können. Luzia achtet peinlich genau darauf, dass die Hygienevorschriften genau eingehalten werden, denn ist das Milchgeschirr nicht wirklich sauber geputzt, so stimmt nachher auch die Käsequalität nicht. Stichwort Käse, «Chäse». Wie läuft das ab? Jeden zweiten Tag ist Luzia mit dem Käsen beschäftigt. Die frische Milch – zwischen vier- und fünfhundert Liter – wird in einen grossen Kessel geleert. Unter dem «Chessi» hat es einen Gasbrenner, dieser erhitzt die Milch auf 32 Grad. Danach wird eine Flüssigkeit zur Milch gegeben, das Käselab. Dieses Lab wird aus Kälbermagen synthetisch hergestellt und dient dazu, gute Bakterien zu fördern und schlechte abzutöten. Das elektrische Rührwerk läuft nun während 30 Minuten. Danach stellt Luzia das Rührwerk ab und schneidet die eingedickte Flüssigkeit mit der Harfe in kleine Stücke. Die Harfe ist ein mit Drähten bespanntes Werkzeug, das in jeder Käserei zum Einsatz kommt. Mit dem Finger (lacht) schaut nun Luzia ob die Konsistenz im Kessel stimmt. Angenommen, die Konsistenz im Kessel stimmt, was kommt danach? Die sogenannte Vorkäsezeit. Ohne Hitze dauert sie 25-40 Minuten. Danach wird dem angehenden Biokäse nochmals kräftig einge-

56 heizt. Die Brenntemperatur beträgt 39-50 Grad. So, und jetzt endlich kann auch ich wieder aktiv werden. Bei ca. 45-50 Grad ziehen wir die Käsemasse aus dem Kessel, sofort kommt sie in die Käseform, wo sie nach weiteren Arbeitsgängen – ich halte mich jetzt kurz – ein kleines, rundes Netz mit Nummer bekommt. So kann jederzeit nachgeschaut werden, woher der Käse stammt oder zu welcher Zeit er gefertigt wurde.

Seit ich das erste Mal auf der Rindermatt gewesen bin, fasziniert mich das einfache Leben auf der Alp. Diese Ruhe und Geborgenheit tut einfach gut. Gibt es oft Besuch auf der Rindermatt? Nein, denn diese Alp ist sehr abgelegen, aber auf jeden Fall kommen einmal pro Alpzeit die Milchkontrolleure! Das ist in unserem Fall ein Ehepaar, das Milchproben entnimmt, und zwar am Abend und am darauffolgenden Morgen. Diese Kontrolle wird genau nach Vorgabe durchgeführt. Wie in einem Labor wird jede Probe etikettiert und im mitgebrachten Koffer sorgsam verstaut. Ausserdem wird genau festgehalten, wie viel Milch die jeweilige Kuh beim Melken produziert hat. Ausserdem schaut die Milchkontrolle, ob die Hygienevorschriften eingehalten werden. Wanderer sind in dieser abgelegenen Gegend hingegen eher eine Seltenheit. In diesem Jahr allerdings hatten wir Besuch vom Nachbarn, der Grund dafür war eine verletzte Kuh. Stichwort Kühe, Rinder, Kälber. Ist eine Kuh wirklich «alles in einem»? Ja, und dank der geduldigen Erklärung von Kari kann ich Ihnen darüber genau Auskunft geben. Wenn eine Kuh kalbert, kommt logischerweise ein Kalb zur Welt. Wenn das Kälbli ein Jahr alt ist, nennt man es dann ein Rind. Das Rindli wird mit ungefähr zwei Jahren «stierig», geschlechtsreif. Damit weiteres Leben gezeugt werden kann, bekommt nun das Rindli Besuch vom Muni. Oder vom Tierarzt … Wenn es klappt, ist das Tier genau 9 Monate und 14 Tage trächtig. Ist das Tier guter Hoffnung, ist es nun offiziell eine Kuh. Alles klar? Einigermassen … Danke für die Nachhilfe. Andere Frage: Was für Käse wird auf der Rindermatt hergestellt, in welchen Mengen? Dieser Alpkäse ist aus Rohmilch hergestellt, vollfett und natürlich … bio. Aus 100 Litern Milch gewinnt man acht Kilogramm Käse. Pro Jahr produziert die Familie Gisler bis zu 2½ Tonnen Käse.

Und wo wird er gereift und gelagert, wie lange – und Schluss aller Ends wo verkauft? In der Migros Luzern als AdR, oder gar in der Migros Aare? Nein leider – noch? – nicht. Der Käse der Familie Gisler-Essig wird bis zum jetzigen Zeitpunkt nur an Privatpersonen verkauft. Luzia und Kari sind im Winter an verschiedenen Marktorten anzutreffen, zum Beispiel am Weihnachtsmarkt in Möhlin. Dort kennt man die Gislers und freut sich über den aromatischen Käse und die feine Bratbutter, die ebenfalls mit viel Liebe hergestellt wird. Und das Prozedere mit dem Heranreifen behalte ich für mich, nicht bloss aus Platzgründen! Übrigens: Gislers haben einen anerkannten Biobetrieb. In der Alpzeit betreuen sie sogar drei Biokühe aus Kaisten im Fricktal. Und 2011? Werden Sie auch wieder in die Innerschweiz fahren, während Ihrer Ferien? Ja das hoffe ich doch, ausser ... Ausser? Ausser, ich befände mich wieder in einer Weiterbildung, wie damals im Sommer 2009: Ich stand damals kurz vor den Abschlussprüfungen zur Detailhandelsspezialistin. Ansonsten gibt es nichts, was mich davon abhalten könnte, wieder auf die Alp zu gehen! Seit ich das erste Mal auf der Rindermatt gewesen bin, fasziniert mich das einfache Leben auf der Alp. Diese Ruhe und Geborgenheit tut einfach gut: Kein Fernseher, keine Zeitung, kein Telefon, das klingelt, dafür ehrliche, sinnvolle Arbeiten, wie zum Beispiel das «Chessi»-Putzen oder das Stallausmisten am Abend, nota bene, mit der Stirnlampe auf dem Kopf, damit der Stall auch sauber wird. Bei dieser Arbeit lasse ich dann so richtig meine Seele baumeln.

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Familie Fahrni

"Wir mussten im KZ Buchenwald .. Ubernachten."

58 Dieter Fahrni Technischer Dienst, Schönbühl

Dieter Fahrni, Sie sind in der ehemaligen DDR geboren. Erzählen Sie uns doch die Vorgeschichte dazu. Ich werde es versuchen: Die Familie meines Vaters ist in den dreissiger Jahren aus der Schweiz ausgewandert. Das heisst: Mein Grossvater und meine Grossmutter mit ihren Kindern. Eines dieser Kinder war mein Vater. Was war der Grund für das Auswandern? In den Dreissigern war es schwierig, in der Schweiz eine Arbeit zu finden. Mein Vater und seine Brüder waren grösstenteils Knechte – «Chnächte» – und die Familie sah keine Zukunft hierzulande, also ist sie nach Deutschland ausgewandert, und zwar in ein Gebiet nahe der damaligen polnischen Grenze. Mit der Bahn? Nein. Mit Ochsenkarren sind meine Grosseltern und ihre zwölf Kinder (!) nach Danzig ausgewandert, das heute zwar in Polen liegt – bekannt wurde es in den Achtzigern durch die Gründung der «Solidarnosc» rund um den damaligen Werftarbeiter und späteren polnischen Staatspräsidenten Lech Walesa -, damals aber noch zu Deutschland gehörte.

Was haben Sie damit angestellt? Wir haben alles mit nach Hause genommen, die Pistole haben wir unserem Vater abgegeben, aber die Munition haben wir zerlegt und das Schwarzpulver umgeschüttet. Die volle Patrone haben wir dann aus sicherer Entfernung mit Steinen beworfen, bis es geknallt hat. (Lacht) Zugegeben, so ganz vernünftig war das sicher nicht. Aber wir haben noch anderes angestellt.

Dort gab es Arbeit? Ja, in jener Gegend gab es damals grosse Gutsbetriebe, Ländereien, wo gute Melker gesucht waren, denn zu jener Zeit gab es ja noch keine Melkmaschinen (schmunzelt). Mein Vater war denn auch dort kein Knecht mehr, sondern ein anerkannter «Melkmeister». Meine Grosseltern zogen aber von einem Ort zum anderen, bis sie dann in Sachsen sesshaft wurden, wo mein Grossvater ein Gehilfengut geleitet hat.

Zum Beispiel? Zum Beispiel? Wir hatten über 300 Kühe, die jeden Tag gemolken werden mussten, von Hand! Unsere Eltern haben jeweils um 04:00 Uhr damit begonnen. Da können Sie sich vorstellen, wie gross die Stallungen waren. Und über diesen Stallungen, da gab es grosse Heu- und Strohlager. Von den Dachgiebeln sind wir jeweils ins Heu gesprungen, aus weit über fünf Meter Höhe, haben dabei allerhand Kapriolen gemacht. Ein Wunder, ist dabei nichts passiert. Und durch die Strohballen haben wir eigentliche Geheimstrassen gemacht, richtige Labyrinthe. Zu allem dazu haben wir dann in diesen Verstecken noch Kerzen in der Dunkelheit angezündet. Nicht auszudenken, was dabei hätte passieren können... (Das scheint Dieter Fahrni erst bei diesem Gespräch so richtig bewusst zu werden – Anmerkung des Fragenden.)

Und in Deutschland hat Ihr Vater auch Ihre Mutter kennengelernt? Ja, meine Mutter war eine Deutsche. Meine Geschwister und ich sind in Wilthen geboren, in Sachsen. In welcher Reihenfolge genau? Elisabeth 1945, Klaus 1946, Christian 1948, ich selber 1949, Peter als Nachzügler 1960. Welches sind denn die frühesten Erinnerungen, die Sie selber an diese Zeit haben? Ich meine, das war kurz nach dem Krieg, in einem Gebiet, das von der Sowjetunion besetzt war, korrekt? (Spontan) Wir haben eine tolle Kindheit verbracht, das ist sicher!

Schnell eine Zwischenfrage, da Sie Berndeutsch sprechen. Haben Sie als Kind zu Hause auch Dialekt gesprochen? (Schmunzelt) Nein, im wahrsten Sinne des Wortes: Unsere Muttersprache war/ist Sächsisch, mit Dialekt aus der Oberlausitz (Dieter Fahrni spricht das auch entsprechend aus). Und da fällt mir noch etwas ein, zu unserer Schulzeit.

Wie meinen Sie das? Wir haben unsere halbe Kindheit im Wald verbracht, haben dort gespielt, in Bächen mit den Händen (lacht) gefischt – und von Zeit zu Zeit sogar etwas gefangen! –, wir hatten damals alle Freiheiten, die Kinder nur haben können. Und einmal, da haben wir sogar vergessene Kriegsmunition gefunden, samt einer Pistole.

Ich bitte darum… Die DDR-Schülerinnen und -Schüler mussten unterschreiben, dass sie zu Hause kein West-Radio hören. Als Schweizer mussten wir da keine Unterschrift leisten und zu Hause haben wir ab und zu West-Berlin gehört, der Sender hiess… (überlegt kurz) «Deutscher Freiheitssender 904»! Ganz klar, dass unsere Klassenkameraden von uns immer wissen wollten, wie es denn

59 im Westen «so» sei, da wir ja jedes Jahr in die Schweiz in die Ferien fahren konnten. Wenn wir jeweils wieder in der DDR zurück waren, haben wir den Kindern Schoggi mitgebracht, das kannten sie damals nicht. War der grosse Guts… (Unterbricht die Frage) Mir kommt noch etwas in den Sinn! Bitte! Der Besitzer des Gutsbetriebs wohnte in einer Art Villa auch auf dem Grundstück. Er war vermögend und hatte – das wussten wir Buben – Beziehungen zum Westen. Er hatte auch einen grossen Hühnerstall. Dort haben wir ihm jeweils Eier geklaut und sie ihm gebracht, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen …

Wenn wir jeweils wieder in der DDR zurück waren, haben wir den Kindern Schoggi mitgebracht, das kannten sie damals nicht. Nämlich? (Lacht) Wir sagten ihm jeweils, wir hätten diese Eier irgendwo auf dem Hof gefunden. Er bedankte sich und gab uns dafür Kaugummi – Wrigleys-Plättchen, wie man sie noch heute kaufen kann -, dabei war das ja gelogen … Pfui, pfui … Sagen Sie, war der grosse Gutsbetrieb Ihrer Eltern, die dort angestellt waren, ausserhalb des Ortes? Nein! Mitten drin, gleich gegenüber findet sich noch heute die berühmte Produktionsstätte des Wilthener Weinbrandes. Die Wilthener Goldkrone ist die in Deutschland am meisten verkaufte Spirituose. Die Käufer der Goldkrone sind überwiegend Deutsche aus früheren Ostgebieten. Das mag auch daran liegen, dass die Wilthener Goldkrone zu DDR-Zeiten eines der beliebtesten Produkte im Osten war. Aber wir Buben haben nie einen Abstecher dorthin gemacht. Apropos Buben: Unsere Schwester, die Älteste von uns Geschwistern, hatte es nicht leicht mit uns Buben, ständig haben wir sie gehänselt und geplagt … Stichwort «ältere Schwester»: Was erzählt denn Elisabeth über diese Zeit, da sie noch einiges mehr als Sie erlebt hat? (Lacht) Ich bin doch nicht der Pressesprecher unserer Familie! Am besten fragen Sie Elisabeth gleich selber, so kommt das unverfälscht rüber. Das mache ich sehr gerne. (Ab jetzt findet das Gespräch mit Elisabeth Jenni-Fahrni statt, mit Dieter Fahrni werden wir uns

später nochmals unterhalten.) Elisabeth Jenni, soeben hat uns Dieter erzählt, wie es dazu gekommen ist, dass Sie in der späteren DDR geboren wurden. Was bleibt Ihnen von Ihrer Kindheit in den Fünfzigern in Erinnerung? Womit soll ich beginnen? Ich könnte Ihnen einen ganzen Nachmittag lang über jene Zeit erzählen, ohne dass Sie die Hälfte wüssten … Dann mache ich den Versuch, durch das Gespräch zu führen. Reden wir zuerst über Ihre Schulzeit … Ich habe alle acht Schuljahre in Wilthen absolviert. Jeden Morgen gab es da den Appell, obligatorisch. Was muss man sich darunter vorstellen? Der Schulleiter ist jeden Morgen zu uns gekommen und wir Kinder mussten uns in einer Art grossem U um ihn aufstellen. Er rief: «Junge Pioniere, seid bereit!» Wir mussten dann zackig, mit erhobenem Arm zurückrufen: «Immer bereit!» Die politische Indoktrination fand also bereits in der Schule statt? Ja, und sie war total. Das fing ja bereits mit der «Freien Deutschen Jugend» an, denn die Leute in der DDR waren alles andere als frei. So war es zum Beispiel auch selbstverständlich – nein, es war Pflicht! – als Kind der FDJ beizutreten, der «Freien Deutschen Jugend». Oder den «Jungen Pionieren», die beide unter den Fittichen des Staates standen. Überhaupt wurde in der DDR extrem Wert auf Kultur und Sport gelegt. Was im Sport zu den bekannten Auswüchsen im Bereich des systematischen und staatlich geförderten Dopings führte. Ja, die erfolgreichen Sportler waren für den Staat auch gewissermassen Devisengaranten. Verrückt, nicht? Die Partei, die SED … Die Sozialistische Einheits Partei, weil es ja nur diese im Arbeiterund Bauernstaat gab … … ja, die SED hat das mit den Kindern und Jugendlichen ganz

60 raffiniert gemacht, auf die Spielerische. So hatte man seine Zöglinge und späteren DDR-Bürger jederzeit im Griff und unter Kontrolle. Und Sie mussten diese Art von Erziehungslager mitmachen? Ja, aber eher passiv. Mein Vater sagte uns immer, wir seien schliesslich Schweizer und keine DDR-Bürger. Er hatte vermutlich auch Angst davor, dass wir plötzlich die Schweizer Staatsbürgerschaft verlieren könnten, wenn wir da an vorderster Front mitmarschiert wären. Apropos Schweizer Staatsbürgerschaft. Was hatten Sie für ein Verhältnis zur Schweiz, als Auslandschweizer? Dank der Pro Juventute konnten wir Kinder jedes Jahr in die Schweiz reisen, zu Verwandten oder zu uns fremden Familien, die bereit waren, ein Ferienkind aufzunehmen. Abfahrt war immer mit dem Zug in Berlin. Wir Kinder trugen grosse farbige Namentafeln um den Hals, damit man uns als Schweizer Kinder identifizieren konnte. Hatte Ihre Familie in der DDR denn Vorteile, als Schweizer? Wir waren sicher nicht benachteiligt, dass wir auch über Franken und Rappen verfügten, die in der DDR unbezahlbar waren. Nein, Nachteile hatten wir keine. (Spontan) Da kommt mir gerade in den Sinn, dass Auslandschweizer zu Weihnachten immer ein «Liebespäckli» aus der Heimat erhielten, mit Guetzli, mit Schoggi und anderen Köstlichkeiten, die man in der DDR schlicht nicht kannte. Damit konnten wir jeweils «Ware gegen Ware» mit Deutschen tauschen.

Ja, wir waren dort zu Besuch und die Gräuel der Nazis wurden uns schonungslos offenbart, in Details mag ich gar nicht gehen. Was ist Ihnen sonst aus Ihrer Jugend in Erinnerung geblieben? Die schrecklichen Kriegsfilme, die wir uns regelmässig anschauen mussten. Es war Pflicht für uns Schülerinnen und Schüler. Was genau für Filme? Es lief immer nach dem gleichen Schema ab: Der Westen ist böse, der Osten gut. Die Alliierten waren Kapitalisten, vor allem Imperialisten, schlecht, die Sowjets mit ihren Verbündeten Helden. Der Horror des Krieges wurde uns ständig auf brutalste Weise vor Augen geführt, immer mit den Sowjets und Stalin als Helden, dabei weiss man ja, was Joseph Stalin in der Sowjet-

union angerichtet hat. Die Propaganda war total, der Hass auf den Westen wurde ständig geschürt. Auch der heldenhafte Kampf von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in Berlin wurde immer wieder glorifiziert. Wie reagiert man als Mädchen auf all das? Zweimal konnte ich einfach nicht mehr, ich bin frühzeitig aus dem Kino gelaufen. Mein Lehrer hat mich deshalb getadelt – und nachsitzen musste ich zur Strafe auch. Das Schlimmste aber war der Besuch in Buchenwald. Im ehemaligen Konzentrationslager? Ja, wir waren dort zu Besuch und die Gräuel der Nazis wurden uns schonungslos offenbart, in Details mag ich gar nicht gehen, wir mussten sogar in Buchenwald übernachten. Wie sind Ihre Eltern damit umgegangen? Wir wussten natürlich, dass es im Westen nicht so schlimm war wie in der DDR indoktriniert, das half viel. Aber natürlich musste man aufpassen, dass man das nicht öffentlich sagte. Vor allem mein Grossvater hatte damit Mühe. Inwiefern? Die sowjetischen Truppen – die «heldenhaften Befreier der DDR» – waren überall. Wir hatten auf unserem Hof die Schweizer Fahne gehisst, und die sowjetischen Offiziere meinten zu uns immer «Schweiz gut Kamerad!». Kommt mir übrigens in den Sinn: Die Schweizer Fahne hatte noch eine andere Bedeutung. Nämlich? Viele Leute haben sie mit der Fahne des Roten Kreuzes verwechselt, was dazu führte, dass wir auch Anlaufstelle für Kranke und Hungernde waren. Es war unglaublich, dieses Elend: Viele Flüchtlinge haben auf unserem Hof das Hühnerfutter gegessen, so gross war ihr Hunger. Zu jener Zeit gab es ganze Flüchtlingsströme, weil die Sowjets ganze Landschaften umgesiedelt haben, die Vertriebenen aus Schlesien sind nur eine Bevölkerungsgruppe. Zurück zu den sowjetischen Offizieren. Weshalb waren die denn bei Ihnen? Die sowjetischen Offiziere aus der Gegend assen bei uns, auf Geheiss der Verwaltung, da wurde man gar nicht erst gefragt. Mehr noch: Man «besetzte» unseren grossen Hof ganz einfach, liess uns aber immerhin gewähren. Die meisten Offiziere waren hochanständig, begannen mit dem Essen immer erst nach uns. Ich weiss allerdings nicht, ob aus Höflichkeit oder ob sie Angst hatten, das Essen könnte vergiftet sein … Speziell mit einem Offizier hatte mein Grossvater jedoch Mühe, konnte sich nicht zurückhalten, ging immer wieder auf Konfrontation mit ihm und wurde dafür auch bestraft, indem der Russe ihn einmal mit den

61 Stiefeln traktierte, um ihn zur «Vernunft» zu bringen. Meine Grossmutter erzählte uns, schliesslich sei mein Grossvater an inneren Verletzungen gestorben, aber auch das durfte man nicht aussprechen. Den besagten Offizier haben wir danach nie mehr gesehen. Und meine Grossmutter ist nach dem Tod unseres Grossvaters 1945 wieder in die Schweiz zurückgekehrt. Haben Sie eigentlich eine Ausbildung gemacht, nach der Schule? Ich wollte Schneiderin lernen, aber das wurde mir verwehrt, weil wir Christen und nicht in der SED waren, aus den bereits erwähnten Gründen. Also haben die Sowjets kurzerhand «Njet!» gesagt, worauf ich in einer Weberei zu arbeiten begann. Meine Lehre als «Glattweber» beendete ich dort als Drittbeste von 150 Lernenden, ich bekam dafür eine Bronzemedaille, die ich noch heute habe. Dort, in dieser Fabrik, hätte ich bestimmt meinen Weg machen können, wäre nicht dieser schicksalhafte Tag gekommen. Der 13. August 1961? Ja, und damit der Beginn des Mauerbaus in Berlin. Das war der Wendepunkt für unsere Familie. Als Deutsche wusste unsere Mutter, dass damit auch die letzten Freiheiten im Waren- und Personenverkehr zugemauert wurden. Von diesem Tag an ging es nur noch darum, in die Schweiz zurückzukehren. Was dann offenbar auch geschehen ist. Ja, aber nicht wie Sie sich das vielleicht vorstellen, alle zusammen mit dem ganzen Haushalt. Sondern? Klaus war zu jener Zeit bereits in der Schweiz, in der Nähe von Zürich, in Ausbildung. Unser Vater, Dieter, Peter – damals erst 1½ jährig – und ich sind mit der Bahn nach Basel gereist, unter Obhut des Roten Kreuzes. Mit Peter bin ich zu meiner 1945 in die Heimat zurückgekehrten Grossmutter nach Yverdon … … wo man Französisch spricht … Genau, und ich konnte kein Französisch, wir besassen nichts, kein Geld, gar nichts, ich habe diese Zeit in sehr schlechter Erinnerung. Wissen Sie, dadurch, dass uns die DDR-Behörden in die Schweiz ziehen lassen mussten, haben sie uns schikaniert, wo es nur ging. Vor allem Devisen durften wir nicht zurücknehmen, die mussten wir bei unseren Verwandten in der DDR zurücklassen. Es hiess: «Sie wollen ja die DDR verlassen, also schauen Sie selber, wie Sie im Westen zurechtkommen …» Wohin sind Ihr Vater und Dieter? Ein Verwandter hatte gesehen, dass in Fraubrunnen auf einem Bauernhof eine Stelle als Melker frei war, bei einer Familie Marti. Mein Ätti und Dieter sind dann direkt dorthin, während meine Mutter mit Christian erst einige Monate später kam.

Weshalb das? Sie kümmerte sich um den ganzen Umzug, und das dauerte seine Zeit. Vieles musste sie in Wilthen zurücklassen, wurde schikaniert und durfte nur das Notwendigste mitnehmen. Immerhin: Als sie mit Christian in Fraubrunnen eintraf, 1962, da zügelten wir alle dorthin, so dass unsere Familie erstmals seit Langem wieder zusammen war, wir konnten im Stöckli wohnen. Übrigens (lacht): Herr Marti wurde später einmal der Schwiegervater eines gewissen Adolf Ogi …

Wissen Sie, dadurch, dass uns die DDR-Behörden in die Schweiz ziehen lassen mussten, haben sie uns schikaniert, wo es nur ging. Dieter Fahrni, Sie haben mir gesagt, dass der Bericht über Ihre Zeit in der DDR Ihre Geschwister und Sie «berührt» hat. Weshalb? Wissen Sie, dieser Bericht in der «aare-info» hat dazu geführt, dass wir wieder über gemeinsam Erlebtes diskutiert haben, denn nicht alle Fahrnis haben alle Einzelheiten unserer Jugend in Erinnerung. Beim Erzählen und beim Lesen haben wir uns dann plötzlich an «dieses oder jenes» erinnert, ein Wort ergab das andere. Deshalb haben wir uns so über das Gespräch vor allem mit Elisabeth gefreut. Sie waren und sind in der Tat eine aussergewöhnliche Familie, nicht bloss auf Grund der Tatsache, dass alle Fahrni-Geschwister bei der Migros arbeiten, resp. gearbeitet haben, bis zu ihrer Pensionierung, aber darauf werden wir noch zu sprechen kommen. Ja, da haben Sie recht, wir sind wohl wirklich keine durchschnittliche Schweizer Familie. Daran ist unsere Familiengeschichte schuld, mit unserer Jugend in Wilthen in der ehemaligen DDR, aber vor allem unsere Heimreise in die Schweiz 1962 hat uns geprägt. Weshalb? Wie Sie wissen, sind wir nicht «en famille» zurückgereist. Klaus war ja bereits in Ausbildung, in Dübendorf, mein Vater ist mit Klein-Peter – war er damals! –, mit Elisabeth und mit mir nach Basel gereist, von wo aus Elisabeth und Peter nach Yverdon zu Verwandten gegangen sind, Vater und ich nach Fraubrunnen. Unsere Mutter und Christian kamen dann erst einige Monate später, weil sie den Haushalt auflösen mussten. Vor allem diese Zeit des Getrennt-sein-Müssens hat ihre Spuren hinterlassen, entsprechend gross war unsere Freude, als wir alle gemeinsam dann ins Stöckli der Familie Marti einziehen konnten, endlich waren wir wieder eine grosse Familie. Diese Freude (diese

62 Freude zeigt sich beim Erzählen in seinen Augen), dieser Zusammenhalt klingt noch heute nach … Ich gehe den berühmten Schritt weiter und behaupte, diesen Zusammenhalt sehe man selbst auf der Foto, wo Sie alle zu sehen sind. Ja, das ist wohl so. Übrigens kommt mir – da wir miteinander reden – etwas in den Sinn, noch zur DDR. Nämlich? Fragen Sie mich nicht, weshalb mir das gerade jetzt einfällt. Aber ich erinnere mich, dass man seinerzeit bei Schuleintritt automatisch auf die Warteliste für einen Trabi gesetzt wurde, da die Wartezeit zwischen Bestellung und Auslieferung bis zu 26 Jahren dauerte. Das muss man sich vorstellen! Das führte dazu, dass auch ein mehrere Jahre alter Wagen auf dem Gebrauchtmarkt noch zum Neupreis wiederverkauft werden konnte … Unvorstellbar, stimmt. Dennoch schliessen wir das Kapitel DDR hiermit ab. Stichwort 1962: Die Fahrnis wohnen in Fraubrunnen, gehen zur Schule, absolvieren ihre Ausbildungen und kommen nadisna zur Migros, auch das ist ja ungewöhnlich … Und zum Teil haben wir ja auch unsere Frauen in der Migros … Pssst, nicht vorgreifen! Eines schön nach dem anderen. Wer unter Ihnen war der Erste in der Migros in Schönbühl? (Mit sichtlichem Stolz) Ich! Seit 1976. Aha. Und wie kam es dazu? Ich habe von 1967 bis 1969 meine Ausbildung als Käser gemacht, in Ersigen und in Bannwil. Ein Jahr lang war ich dann Salzer. Salzer? Ja, Salzer. Vornehmer könnte man das «Käsepfleger» nennen. Ich habe in jener Zeit aber bereits Probleme mit meinem Rücken bekommen, ausserdem war ich es leid, auch an Sonntagen arbeiten zu müssen, währenddem meine Brüder ausschlafen konnten … Was haben Sie in den Jahren bis 1976 gemacht? Vieles! Ich habe eine Zusatzausbildung bei der Elco gemacht – Ölfeuerungen –, habe Zeitungen vertragen, bei einem Sattler gearbeitet und noch einiges mehr. Womit wir uns 1976 nähern. Wie kam der Kontakt zur Migros zustande? Die Schwester meiner Frau ist die Frau von Rolf Humbel, der lange Zeit in Schönbühl im Technischen Dienst gearbeitet hat und 2003 pensioniert wurde. Rolf Humbel hat mir einmal

gesagt, ich solle doch einmal bei der Migros «cho luege», einfach so. Was ich dann auch getan habe. Bei wem? An einem Samstag bin ich zu Hans Minder, der den Direktionsbereich Betrieb geleitet hat, der hat mich dann an Beno Gilardoni verwiesen. Ich musste einen Fragebogen ausfüllen, da stand sinngemäss unter anderem «Haben Sie finanzielle Probleme?». Da habe ich geschrieben: «Ja, aber nur, wenn ich die Stelle nicht bekomme.» (Lacht laut) Aber den Job habe ich bekommen, im Verlad. Dort bin ich jetzt, seit 33 Jahren. Zwischenfrage, Stichwort Ehefrau Marianne, die ja auch in der Migros Schönbühl arbeitet. Haben Sie sie auch hier kennengelernt? Nein. Marianne war mein Schulschatz, seit 1963. Ich erinnere mich noch gut, wie ich sie jeweils nach Hause begleitet und ihre Schultasche getragen habe. Wir haben 1978 geheiratet, Marianne arbeitet aber erst seit knapp 15 Jahren im Reinigungsdienst in Schönbühl. Mit ihr bin ich übrigens einige Male in die DDR gefahren, um ihr Wilthen und Umgebung zu zeigen, samt aller Schikanen der DDR-Behörden, angefangen beim Zwangsumtausch bis hin zu den kontrollierten Fahrzeiten auf der Interzonen-Autobahn …

Ich erinnere mich, dass man seinerzeit bei Schuleintritt automatisch auf die Warteliste für einen Trabi gesetzt wurde. Oups, die DDR möchten wir der Geschichte überlassen … Zurück in die Schweiz, nach Schönbühl. Wer war in der Fahrni-Familie Nummer 2 in Schönbühl? Christian, der ja erst kürzlich und auf eigenen Wunsch frühzeitig pensioniert wurde. Er hat Metzger gelernt, war dann bei Hofer in Utzenstorf Bankmetzger, bis ich ihm 1978 vorgeschlagen habe, sich doch auch bei uns zu melden («Chumm doch o!»), was er getan hat. Er hat von Anfang an in der Metzgerei im Shoppyland gearbeitet, bis zu seiner Pension.

63 Ich rate mal, Klaus war dann der Dritte im Migros-Bunde? Gut geraten. Das war ja auch nicht besonders schwierig … Er hat Schlosser gelernt. Fragen Sie mich nicht mehr, unter welchen Umständen genau Christian und ich ihm vorgeschlagen haben, doch auch in die Migros zu kommen. Sicher ist einzig, dass dies 1979 der Fall war. Vor wenigen Wochen hat er deshalb sein «Dreissigstes» in Schönbühl gefeiert, im Technischen Dienst. Bei gleicher Gelegenheit hat er auch sein Pensionsalter erreicht.

Wenn ich mich nicht irre, ist er sogar einmal «schwarz» über die amerikanische Grenze nach Kanada. Wie auch Elisabeth pensioniert ist. Ja, wobei Sie mit dieser Bemerkung die Reihung durcheinander bringen.. Typisch ich. Aber bleiben wir dabei. Elisabeth ist 1987 in die Migros eingetreten. Sie hat zuerst beim legendären Hans Bösiger in Burgdorf gearbeitet, in der Gourmessa, später hat sie die Gourmessa in Konolfingen geleitet, bis sie ins Zentrum Oberland ging. Letztes Jahr wurde sie dann pensioniert. Wenn wir schon von Pensionierung reden, Sie sind 60. Noch drei Jahre? (Strahlt übers ganze Gesicht) Wenn es sich irgendwie machen lässt, nein, ich möchte auch vorher in Pension, ähnlich wie Christian. Womit noch Peter verbleibt, der in der Internen Post arbeitet. Genau. Unser Jüngster (schmunzelt) ist seit 1981 bei der Migros in Schönbühl, viele kennen ihn noch heute als ehemaligen Gärtner im Shoppyland, einmal wurde er in der M-INFO sogar «Mister Migros Bern». Vorher hat er alles Mögliche – und vor allem Unmögliche … – gemacht, war mehrmals in Amerika, ist herumgereist und, wenn ich mich nicht irre, sogar einmal «schwarz» über die amerikanische Grenze nach Kanada. Wie geht denn das? Da war was mit seinem Pass, entweder abgelaufen oder verloren oder «vernuuschet», ich weiss es nicht mehr genau, sicher ist bloss, dass er ohne Pass an der Grenze eingelaufen ist und

Schiss hatte, man würde ihn verhaften. Wie Peter uns erzählt hat, war der Zöllner in jenem Moment aber gerade mit Wichtigerem beschäftigt, nämlich mit dem Schälen einer Orange, so dass er ihn – ohne gross aufzuschauen – passieren liess. Haben wir damals gelacht, als er uns das erzählt hat. Vor der Internen Post, da war Pesche aber im «Aussendienst» des Shoppy, nicht wahr? Ja, er hat meines Wissens auch noch direkt oder indirekt mit der Legende «Beat Vögeli» zusammengearbeitet, dem unvergesslichen und tipptopp jodelnden «Wägeli-Maa» im Shoppyland. Jaja, der aber auch noch andere Seiten als bloss die Jodelnde hatte … Stimmt. Dem Beat hat es nichts ausgemacht – wenn er mal schlecht gelaunt war -, Kundinnen mit den Wägeli in voller Absicht in den Allerwertesten zu fahren und sie dann mit «Chasch nid ufpasse, du Chue?» anzuschreien. Weil der Mann aber ein Stadtbekannter war und man ihn mit allen Macken kannte, wurde ihm das üblicherweise verziehen. Von Zeit zu Zeit wurde er jedoch in die Personalabteilung zitiert, wo er jeweils einen gewaltigen ZS bekam, so dass er in dieser Beziehung über mehrere Monate Ruhe gab … Nun, das wäre es dann, zum Status quo Ihrer Familie. Oder haben Sie noch anderes in der Wundertüte? Zur Familie, wenn Sie so wollen, gehört auch Peters Frau Ruth, die er in der Migros kennengelernt hat und heute in der Migros Burgdorf arbeitet. Ich fass es nicht … Darf ich noch was sagen, mir ist gerade etwas eingefallen. Ich bitte darum. Sie haben uns doch zu Beginn als aussergewöhnliche Familie bezeichnet. Erstaunt also, dass Marianne und ich Drillinge haben, eineiige, die kürzlich 30 wurden? Das Aussergewöhnliche hat Tradition, bei Fahrnis.

"Wenn Sie die Backen aufblasen, wird der Baum .. machtiger!"

Daria .. Fluckiger

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65 Daria Flückiger Melectronics, Oftringen

Daria Flückiger, gehen wir gleich zur Sache: Sie möchten die Gebärdensprache studieren. Wie kommen Sie dazu? Auf diese Ausbildung bin ich aufmerksam geworden, weil mich die Gebärdensprache an sich fasziniert. Als ich einmal einen Kurs besuchte, wurde ich vom Kursleiter darüber informiert, dass es einen Studiengang als Gebärdensprachdolmetscher gibt: Also habe ich mich über das Ganze erkundigt. Mit welchem Resultat? Ich war von jenem Moment an überzeugt, dass «es» das ist, was ich zukünftig machen möchte. Gab es dazu ein spezielles Erlebnis? Ja, vor ungefähr zwei Jahren habe ich im Tram zwei Gehörlose beobachtet, wie sie sich mit den Händen unterhielten, selbstverständlich mit dem stummen Bewegen ihrer Lippen und der dazugehörenden Mimik.

Auf diese Ausbildung bin ich aufmerksam geworden, weil mich die Gebärdensprache an sich fasziniert. Das allein ist ja noch nichts Aussergewöhnliches, wir alle kennen diese Art sich auszudrücken, auch vom Fernsehen her. Bevor wir weiterfahren, einige grundsätzliche Fragen. Früher hiess es, jemand sei taubstumm und kommuniziere in der Taubstummensprache. Diese Ausdrücke hört man nicht mehr, man spricht von Gehörlosen, interessanterweise aber nicht von der Gehörlosen-, sondern von der Gebärdensprache. Weshalb diese Entwicklung? Man hat das neu definiert, nicht bloss medizinisch, denn wer taub ist, kann dies auch nur auf einem Ohr sein. Will heissen: Er hört dennoch. Gehörlose wiederum sind nicht automatisch stumm, sie können die Lautsprache trotzdem lernen. Deshalb sprechen wird heute von Gehörlosen. Es sind übrigens nicht nur Gehörlose, die diese Sprache benutzen. Sondern? Beim Tauchen wird auch über die Gebärdensprache kommuniziert. Säuglinge haben ja auch ihre Art von Handzeichen, mit denen sie sich ausdrücken. Weshalb der Wunsch, die Gebärdensprache zu erlernen? Mich hat diese Art der Verständigung fasziniert. Seit ich in Oftringen arbeite, hatte ich einige Male mit gehörlosen Kunden zu tun. In mir wuchs der Wunsch, «ihre» Sprache zu lernen.

Und das geht dann einfach so? (Lacht) Nein, schon nicht ganz. Um die Sprache zu studieren, muss man die Berufsmatur II im Sack haben, das ist eine der Bedingungen. Und die anderen Voraussetzungen? Um das eigentliche Studium beginnen zu können, muss man die Gebärdensprache beherrschen. Dafür muss ich noch einige Sprachkurse besuchen bis zum Antritt des Studiums. Es erwartet mich auch eine Aufnahmeprüfung, natürlich auf der Gebärdensprache basierend. Wo werden Sie die Sprache erlernen? Das Studium für Gebärdensprachdolmetscher werde ich in Zürich absolvieren. Diese Ausbildung dauert vier Jahre. Ich werde in dieser Zeit zwei Tage die Woche zur Schule gehen. Nach Abschluss des Lehrgangs werde ich eine Gebärdensprachdolmetscherin sein. Womit befasst sich dieser Beruf? Ich könnte danach für verschiedene Dinge «gebucht» werden (lacht) – «gebucht», ein komisches Wort, nicht? -, sei es, um Gespräche zwischen Hörenden und Gehörlosen zu übersetzen oder gar an einem Event mit gehörlosen Zuschauern die Reden simultan zu übersetzen. Es gibt diverse Firmen, die Dolmetscher vermitteln, so wie sie das auch für Dolmetscher für die chinesische Sprache tun. Ist die Gebärdensprache denn international, gibt es weltweit nur eine? (Schmunzelt) Das denken und fragen viele Leute! Nein überhaupt nicht. Jedes Land pflegt eine andere Sprache. Aber nicht nur das: Es gibt sogar verschiedene Dialekte, wie bei normalen Lautsprachen. Die Schweizer Gebärdensprache beinhaltet fünf verschiedene Dialekte, allerdings unterscheiden sich die Dialekte nur geringfügig. Viele Handbewegungen werden ähnlich ausgeführt, mit feinen Unterschieden, deshalb ist es dennoch möglich, sich miteinander zu unterhalten. Ein Zürcher kann sich also mühelos mit einem Berner unterhalten, in der Gebärdensprache. Wenn sie sich nicht verstehen wollen, so hätte das andere Gründe (schallendes Lachen).

66 Ich habe mir verschiedene Utensilien gekauft, hinter die ich mich immer wieder fleissig setze. Wie sieht es mit den Französisch und/oder Italienisch sprechenden Schweizern aus? Dort wird die französische oder die italienische Gebärdensprache ausgeübt. Die Verständigung wird also wieder schwieriger, wenn man sie nicht beherrscht. Inwieweit haben Sie sich denn schon mit der Gebärdensprache befasst? Bis jetzt erst durch ein Selbststudium. Ich habe mir verschiedene Utensilien gekauft, wie PC-Programme, Bücher und DVDs, hinter die ich mich immer wieder fleissig setze. Sagen Sie, wie wichtig ist das Zusammenspiel zwischen Lippen und Händen? Ist die eine Art der Hilfe ohne die andere überhaupt möglich? Es sind nicht die Lippen, die wichtig zu den Handbewegungen sind. Es ist die ganze Mimik. Ich würde jetzt behaupten, dass man die Gebärdensprache auch ohne Lippen versteht, niemals aber ohne Mimik, denn die Lippen verdeutlichen zwar das Wort, die Mimik aber gibt dem Wort Ausdrucksstärke und Form. Stellt man zum Beispiel mit den Händen einen Baum dar, ist es einfach ein ganz normaler Baum. Wenn man dazu aber die Backen aufbläst, wird er zu einem mächtigen Baum, zieht man die Backen ein, schrumpft er zusammen. Können sich ein Japaner und ein Amerikaner direkt unterhalten – oder braucht es hier die Hilfe einer Dolmetscherin? Nein, können sie nicht. Hier braucht es eine Dolmetscherin, die beide Gebärdensprachen im Griff hat. Das sind oft Gehörlose selber, welche noch eine Fremdsprache dazu erlernen und das dann beruflich ausüben. Wie viele Handzeichen gibt es in der schweizerdeutschen Gebärdensprache, wie werden sie verwendet? Im Prinzip gibt es für jedes Wort auch ein Handzeichen, allerdings nicht immer. «Ich fahre» wird zum Beispiel nicht immer gleich dargestellt. Es kommt immer noch drauf an, was

ich fahre, ob ein Velo oder ein Auto. Auch jeder Buchstabe hat ein Handzeichen. Zusätzlich gibt es auch noch für «Sch» und «Ch» je ein Zeichen. Wenn eine Gebärde nur mit einer Hand ausgeübt wird, dann wird das mit der rechten Hand gemacht. Bei Wörtern, die in der Gebärdensprache noch nicht vorkommen, wird mit Hilfe des Finger-ABC buchstabiert. Zum Beispiel Namen oder technische Fachausdrücke. Wann werden Sie Ihre Ausbildung beendet haben – und was für Pläne haben Sie? Wenn alles nach Plan verläuft, werde ich 2016 den Abschluss machen. Am liebsten möchte ich später mit gehörlosen Kindern arbeiten, ob bei der Betreuung oder der Schulung kann ich jetzt noch nicht sagen. Aber ich kann mir vorstellen, dass es für gehörlose Kinder schwer sein muss, mit hörenden Kindern aufzuwachsen, wenn die Akzeptanz fehlt. Unter Umständen werden sie auch ausgeschlossen. Kinder können in dieser Beziehung grausam sein. Was machen Sie, wenn Sie eine der Studienbedingungen nicht erfüllen? Haben Sie den berühmten Plan B? Ja, habe ich tatsächlich. Ich werde sicher die Gebärdensprachkurse besuchen, so dass ich diese Sprache trotzdem beherrsche. Ich werde mich dann sicher auch um eine Stelle bemühen, wo ich sie auch regelmässig nutzen kann, sei es zum Beispiel in einem Verkaufsgeschäft, das sich auf spezielle Produkte für Gehörlose spezialisiert hat. Aber wer weiss? Vielleicht gibt es irgendwann einmal bei der Migros eine Möglichkeit, vielleicht in den Klubschulen.

Ich würde jetzt behaupten, dass man die Gebärdensprache auch ohne Lippen versteht, niemals aber ohne Mimik. Ich erinnere mich vage an meine Jugend zurück, als ich voller Faszination eine Biografie von (oder über?) Helen Keller gelesen habe. Sagen Sie unseren Leserinnen und Lesern in wenigen Worten, was das Besondere an ihr war. Über Helen Keller habe ich auch schon einiges gehört und auch gelesen. Sie war nicht nur gehörlos, sondern dazu

67 auch noch blind, was das Ganze noch komplizierter macht. Die Gebärdensprache an sich konnte man bei ihr nicht anwenden, man musste ihr die Worte in die Hand buchstabieren, um sich verständlich zu machen. Hatten die Arbeit und die Begabung von Helen Keller in irgendeiner Weise Einfluss auf die Gebärdensprache? Nicht nur auf die Gebärdensprache. Sie öffnete auch anderen Menschen die Augen. Sie war und ist eine unschätzbare Hilfe für Eltern gehörloser oder taubblinder Kinder, die durch sie verstehen lernten, was im Kind vorgeht – und dass man das Kind trotz der Behinderung fordern und fördern muss. Helen Keller war ja ein sehr mühsames Kind, hat nur geschrien und Dinge zerstört, weil sie … unterfordert war. Ihr Charakter hat sich erst gebessert, als sie gefordert wurde, indem sie lernte, wie die Dinge hiessen und wie sie sich auch mitteilen konnte.

Die Gebärdensprache war und ist eine unschätzbare Hilfe für Eltern gehörloser oder taubblinder Kinder, die durch sie verstehen lernten, was im Kind vorgeht. Im Film «Children of a Lesser God» («Gottes vergessene Kinder»), wird ja eine Beziehung zwischen einem Gebärdensprachlehrer (William Hurt) und einer Schülerin gezeigt, gespielt von Marlee Matlin. Ist Marlee Matlin tatsächlich gehörlos? Leider habe ich diesen Film noch nie gesehen. Aber einen anderen, wobei ich mich nicht an den Titel erinnere. Es geht um ein Mädchen, das gehörlos ist, dies jedoch nicht in der Öffentlichkeit zeigt. Sie hat die Lautsprache gelernt und kann perfekt von den Lippen lesen und kann ihre Gehörlosigkeit problemlos verheimlichen. Es kommt, wie es kommen muss: Sie trifft eines Tages einen Jungen, der ihr sehr gefällt. Am Anfang geht alles gut, bis zum Moment, da offensichtlich ist, dass sie nichts hört. Nach einigen emotionalen Aufs und Abs finden die beiden zum Schluss dennoch zusammen. Welchen Einfluss hatte jener Film auf Sie? Ich denke, es ist noch heute schwer, sich in der Gesellschaft als Gehörloser zurechtzufinden. Oft bleibt einem nichts anderes übrig, als sich zu verstellen und sein Handicap zu verstecken. Leider haben viele Mensch Angst vor Dingen, die sie nicht kennen, und wenden sich deshalb ab, wenn sie gehörlosen Menschen gegenüberstehen.

Haben Sie eigene Erfahrungen damit gemacht. Leider, ja. Einmal war ich Zeugin in einem Laden, als vier Gehörlose etwas kaufen wollten, sich lauter als normal – oder was wir Hörenden als normal empfinden – unterhielten und der Verkäufer entnervt davonlief, mit der Feststellung, er habe es nicht nötig, sich anschreien zu lassen. Andere Verkäufer schauten der Sache zu, sahen, dass die Männer sich offensichtlich mit den Händen und in der Gebärdensprache unterhielten, aber keiner wäre zu ihnen gekommen. Ich fand das das Letzte, das Allerletzte! Sie haben sich dann «eingeschaltet»? Ja, ich ging auf die Truppe zu und fragte, ob ich helfen könne. Sie konnten Lippen lesen und schilderten ihr Problem. Leider führte dieser Laden den gesuchten Artikel nicht, so dass ich sie weiterschicken musste. Dieses Erlebnis ist auch ein Grund, weshalb ich die Gebärdensprache lernen möchte. Wissen Sie, in der Schule lernen wir Französisch, weil es eine Landessprache ist, wir lernen Italienisch, weil es eine Landessprache ist. Wir lernen Englisch, weil es eine Weltsprache ist. Dass die Gebärdensprache auch zu den Landessprachen gehört, interessiert allerdings nur sehr wenige.

Dass die Gebärdensprache auch zu den Landessprachen gehört, interessiert allerdings nur sehr wenige.

"Eeeeyyy! Aaaandy Vaaan Diamoooond!"

Andy Friedrich

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69 Andy Friedrich Melectronics, Westside

Andy Friedrich – oder soll ich eher mit Andy van Diamond sprechen, dem DJ? Ganz wie Sie wollen … Nun, da ich nur den Andy Friedrich kenne, bleibe ich bei Ihrem bürgerlichen Namen. Sie sind ein moderner Plattenleger. Woher der Impuls? Also, angefangen hat es in den 90er Jahren, als der Dance/Rave aufkam und ich mich mehr und mehr für diese Musik zu interessieren begann. Es war mal was Neues, neben all dem Heavy Metal, Pop oder dem Rap, was halt so zur Schulzeit gehört wurde. Und wo beginnt die Karriere des DJs? Als DJ angefangen hat es, als ich einmal bei einem damaligen Arbeitskollegen zu Hause war, der selber schon eine Zeit lang DJ war. Das hatte mich derart fasziniert, dass ich mir als Erstes ein Mischpult gekauft habe, es dem besagten Kollegen nachgemacht habe. Zum Glück bekam ich den Plattenspieler meiner Grossmutter … Ha! Genial! s’Grosi stand quasi Pate zu Beginn Ihrer DJ-Karriere? Jaja, lachen Sie nur, aber es war halt wirklich so. Sie benötigte ihren Plattenspieler – den mein Vater seinerzeit gekauft hatte – nicht mehr, also hat sie ihn mir geschenkt. Ich habe jedoch schnell gemerkt, dass sich damit nicht allzuviel anstellen liess, da bloss 33+45 Touren möglich waren.

Also, angefangen hat es in den 90er Jahren, als der Dance/Rave aufkam und ich mich mehr und mehr für diese Musik zu interessieren begann. Was sicher die nächste Investition nach sich zog… Genau, nämlich einen Technics MK II, das Mass aller Dinge. Besser gesagt, es waren gleich zwei, wobei zwischen den beiden Käufen einige Monate lagen, schliesslich waren die Dinger nicht gerade billig …

Was haben Sie damit angestellt? Na, was wohl? Geübt und geübt und geübt, bevor es vors Publikum ging. Und anschliessend? Die ersten Erfahrungen machte ich im Internet, obwohl die Verbindungen damals extrem laaangsaaam waren … Die gute alte analoge Zeit. Oh ja, zwischendurch hätte man einschlafen können. Item: Ich konnte rasch mit Leuten aus Deutschland Kontakt knüpfen, da gab es auch keine Verständigungsschwierigkeiten. Wo haben Sie denn DJ gespielt? Damals war ich ein reiner Radio- oder Internet-DJ, live auf Sendung, ohne aber mein Publikum zu sehen. Die «Galaxy Space Night» auf Radio RaBe war meine DJ-mässige Kinderstube, wo ich die ersten Klänge vor einem grösseren Publikum aussenden konnte, eine Zeit lang war ich sogar Co-Moderator. Zwischenfrage, spontan. Stichwort «Galaxy Space Night», kennen Sie DJ Franctone? Der spielt doch auch sphärische Musik … Persönlich kenne ich ihn nicht, aber ich weiss natürlich, dass er jeweils die «Spacenight» auf dem Gurten machte, aber das hat mit der Sendung nichts gemeinsam. Aber ich habe Sie unterbrochen. Ich aber wollte mehr als bloss das, nämlich eine eigene Radiosendung. Und? Kam es dazu? Ja, es war die erste Sendung auf dem deutschen Internet-Radio StayTuned.de! In jener Zeit ging die Post überhaupt mächtig ab, jeder wollte und konnte experimentieren, ich zum Beispiel auf UKW auf RaBe und RaSa. Im Internet via StayTuned.de, Cybrix Radio (Berlin), DJ Radio (Zürich), Against Silence (Baden-Württemberg), Trance.FM (Dortmund) sowie Jenny.FM. Heuer wird man auf Jenny.FM noch einiges von mir zu hören bekommen. Weiss man denn, wie viele Leute da zuhören, via Internet? Als praktizierender www.beatlesarama.com-Hörer habe ich mich das schon öfter gefragt … Das schwankt extrem. Auf einem kleineren Internet-Radio mögen es zwischen 50 bis 300 Zuhörende sein, das absolute Maximum waren einmal 80’000 Hörerinnen und Hörer, und das auf Radio RaBe! … das Alternativ-Radio in Bern, das wir übrigens – das nur nebenbei – kürzlich unterstützt haben, für ein Integrationsprogramm. Ihr «radiotechnisches» Highlight 2010? Dass ich beim Projekt «Radio Street Parade» mitmachen und

70 meine Musik spielen konnte, und das für die Grossregion Zürich sowie … weltweit auf www.streetparade.com, samt Angabe meiner Webpage. Als Stargast hatte ich MR. P!NK vor dem Mikrophon. Sonst lege ich im Kornhauskeller oder im Bierhübeli in Bern auf, in der Kupferschmiede Langnau, im Dukes oder Industrie45 in Zug, im Modus in Sissach.

Die ersten Erfahrungen machte ich im Internet, obwohl die Verbindungen damals extrem laaangsaaam waren … Wie halten Sie sich denn «technisch» auf dem neuesten Stand. Alles neu macht der Mai! Hä? Wie bitte? Meistens im Mai findet in Deutschland ein grosses DJ-Meeting statt, wo ich wenn immer möglich vorbeischaue. Da ist immer das Neueste an Technik zu bestaunen, ganz abgesehen davon, dass es immer fun ist, DJ-Kolleginnen und –Kollegen zu treffen. Erfahrungsaustausch. Und dann gibt es noch das monatlich erscheinende Magazin «Raveline», das ich regelmässig lese. Da hat’s auch immer Neues drin. Zu meiner Zeit – in den Sechzigern – da kam der Discjockey mit einem tragbaren Lenco-Plattenspieler angerauscht, und mit Singles wie «A Whiter Shade Of Pale», «When A Man Loves A Woman» oder «Ob-La-Di-Ob-La-Da». Läuft heute vermutlich ein bisschen anders … Oh ja! Klar. Wo soll ich anfangen? Am besten am Anfang. Am Anfang standen tatsächlich die Vinyl-LPs, heute greifen Notebook, CD und Traktor Scratch Pro ins Geschehen ein. Traktor Scratch Pro … Jaja, hat aber nichts mit der Landwirtschaft zu tun. Das ist vielmehr ein professionelles DJ-Programm mit passender Hardware. Weil man inzwischen nicht mehr jede Musik auf Vinyl bekommt, ist digitales Zeitalter angesagt, anfänglich

mit Plattenspielern und Laptop, die mit einem speziellen Programm und Timecodes Vinyls zu steuern sind. Zum Teil habe ich aber CDs mitgenommen und mich mittlerweile mit dem Mixen ab CD-Playern eingearbeitet. Mit der neuen PlayerGeneration von Pioneer, dem CDJ-800MK – oder neueren CDJ-900/CDJ-1000, CDJ-2000 – ist es auch nicht mehr so extrem schwierig, man ist somit auch flexibler und kann mehr mit der Musik spielen und arbeiten, als sich die ganze Zeit auf die Geschwindigkeit und den Beat zu konzentrieren. Wie kommen Sie denn an Ihren Rohstoff, an die Musik heran, heute? Früher ging man zum sogenannten Local Vinyl Dealer. Däm het me früecher eifach «Plattelade» gseit … Ich sehe, da reden zwei Musik-Generationen miteinander (lacht). In Bern gab es neben dem Oldies Shop – der hat auch die aktuelle Musik – den DJ Beat Recordstore, den Panthera, Number One, SchwarzMarktMusic und noch ein paar andere. Als es immer weniger wurden, half man sich via Web-Shops in Deutschland aus, wo es erst noch ein bisschen günstiger war. Und heute? Entweder kauft man sich die Musik auf einem CD-Sampler oder – seltener – auch mal als CD-Maxi, aber mehrheitlich kauft man sich die Musik online. Kaufen :o)? Ja, ausdrücklich: k.a.u.f.e.n. Es gibt diverse darauf spezialisierte Online-Shops, mit einer grossen und guten Auswahl, die auch noch Qualität zu einem guten Preis verkaufen. Bezahlte man früher pro LP, wo vielleicht nur ein Song drauf war, den man wollte, zwischen 12 und 18 Franken, so berappt man heute im Schnitt pro Lied zwischen 99 Cent und $ 2.49, so dass man echt bloss noch kauft, was man denn wirklich braucht.

Es gibt diverse Online-Shops, mit einer grossen und guten Auswahl, die auch noch Qualität zu einem guten Preis verkaufen. Ihr Lieblingsanbieter? Beatport.com. Wenn ich dort kein Glück habe, dann ist auch ExLibris eine gute Adresse, wobei deren Homepage nicht gerade benutzerfreundlich ist, da ist Verbesserungspotenzial vorhanden. Übrigens: Der tiefe Dollarkurs macht im Moment mächtig Spass!

71 Auf welche Musikrichtung haben Sie sich spezialisiert? Also, angefangen hat es mit Trance, mit fast allen Unterkategorien. Mittlerweile ist es fast mehr House, auch mit fast allen Unterkategorien. Aber für interessante Kombinationen bin ich immer zu haben.

Für einen DJ ist es wichtig, flexibel zu sein, damit er auf allen Hochzeiten tanzen kann, respektive mit allen Equipments arbeiten kann. Was für ein Equipment haben Sie zu Hause, der Ausdruck «Ausrüstung» dürfte ja auch passé sein … Im Homestudio benutze ich aktuell ein Mischpult der Marke Pioneer DJM-500. Es ist zwar nicht das ultramodernste, leistet mir aber noch sehr gute Dienste. Zudem habe ich, wie bereits erwähnt, zwei Technics MKII Plattenspieler mit DJ-Tonabnehmer von Ortofon, dazu ein gutes Notebook von melectronics – garantiert Freude! (schallendes Lachen) -, damit ich das Programm «Traktor Scratch Pro» benutzen kann. Das Neueste ist ein CD-Spieler von Pioneer, den CDJ-800MK2, damit ich mich mit allen drei Systemen mixtechnisch fit halten und auch meine Promotion-Mixes aufnehmen kann, die im kleinen Fankreis immer ihre Abnehmer finden werden. Schön. Ich habe den Faden längst verloren, aber Insider wissen jetzt Bescheid. Was für einen Wert haben denn Pioneer und Technics und Ortofon und so? Schnell zusammengerechnet: Knapp 5’000 Franken. Zu den Events transportiere ich allerdings nur die Musik, auf Vinyl, CD oder Laptop. Die Veranstalter stellen in den meistens Fällen die Hardware. Gerade deshalb ist es für einen DJ wichtig, flexibel zu sein, damit er auf allen Hochzeiten tanzen kann, respektive mit allen Equipments arbeiten kann. Auf Ihrer Homepage habe ich bemerkt, dass Sie schon mit Berühmtheiten – mit Celebrities – zusammen waren. Nämlich? Eines meiner Idole der ersten Stunde ist und bleibt DJ Tatana! Sie ist eine tolle Frau, mit der man sich auch mal backstage gut unterhalten kann. Von den «üblichen» House-DJs, mit denen ich schon zusammen am gleichen Event gespielt habe: Christopher S., DJ Scaloni, Mr.P!nk oder DJ Antoine. Aber auch die anderen, wie zum Beispiel DJ Flava und Brian Stevenson von «Musicstar», die mich schon mal in einer Mittagspause im Westside sahen, schrien «Eeeeyyy Aaaandy Vaaan Diamoooond!»

Erlebnisse, die DJ Andy van Diamond spontan in den Sinn kommen? Die lustigste Erfahrung war sicher an einem Event in Zug, als ich mich auf die Musik konzentrierte und plötzlich drei GoGoGirls vor dem DJ Pult standen … Wow! Die schlechteste Erfahrung war «früher einmal», als ich an einer Silvesterparty mit einem Kollegen spielen sollte, und es plötzlich Änderungen im LineUp gab, der den Zeitplan durcheinanderbrachte und er trocken meinte: «Die Leute kennen mich hier, und nun spiel nur ich!» Das war nicht gerade ein Superabend, und einen tollen Beginn ins Neujahr hatte ich eigentlich anders geplant.

Die lustigste Erfahrung war sicher an einem Event in Zug, als ich mich auf die Musik konzentrierte und plötzlich drei GoGo-Girls vor dem DJ Pult standen … Wow! Kurz vor der ersten Million, mit diesem Job? Hey! Ich bin längst an der zweiten! Nein, im Ernst: Für mich ist es in erster und zweiter Linie ein Hobby, Spass an der Freude. Wenn das Volk dann begeistert mitmacht, ist das Lohn genug. Das fägt! Da ich ja nicht die Aura eines DJ Antoine habe – und auch keinen direkten Zugang zur Boulevard- und Hochglanzpresse -, decken meine Auftritte – streng gerechnet – nicht mal meine Kosten, denn auch Abschreibungen auf den Geräten gehören ja dazu, sauber gerechnet. Aber wer weiss, vielleicht werde ich ja eines Tages so richtig entdeckt und berühmt (schmunzelt spitzbübisch)!

.. "Sie lugen und ich bezahle noch .. dafur!"

Andrea Grepper

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73 Andrea Grepper Leiterin PR/Kommunikation, Westside

Andrea Grepper, vor zehn Jahren kannte man Sie als Wetter-Fee auf SF1, seinerzeit noch als Andrea Bauer. Standen Sie schon damals auf dem Dach der Studios? Nur noch kurz … Die letzten drei Monate, bevor ich aufgehört habe. Davor hatten wir ein Studio! Sonst hätte ich das wohl kaum fünf Jahre durchgehalten (lacht). Haben Sie denn Meteorologie studiert? Wenn nicht, wer hat Ihnen «vorgeflüstert»? Nein, ich hab Germanistik und Publizistik studiert, hatte also vom Wetter nicht wirklich eine Ahnung, aber das ist eigentlich auch kein Problem: Es geht ja vor allem darum, die komplexen Wettervorgänge auf verständliche Weise dem Publikum näherzubringen. Zudem war immer ein Meteorologe dort, der mich «betreut» hat, meist Peter Pöschl oder Christoph Siegrist. Sie machten die Prognosen und mein Job war es, diese in Worte zu fassen. Klingt einfach, ist es aber bei weitem nicht! Gab es bei «Ihren» Prognosen auch mal einen GAU? Schneefall statt angesagtes Grillwetter? Ja, klar gab es das! Manchmal kommt halt ein Tief früher als erwartet oder der Föhn setzt sich länger durch. Bei einem so kleinen Land wie der Schweiz, das zudem noch so viele Berge hat, gibt das dann sehr schnell ein total anderes Wetter als prognostiziert.

Oh ja, dann hagelte es jeweils nicht nur draussen, sondern auch bei uns drinnen, nämlich wütende Mails. Mit entsprechendem Echo aus der Zuschauerschaft? Oh ja, dann hagelte es jeweils nicht nur draussen, sondern auch bei uns drinnen, nämlich wütende Mails von Gartenrestaurant-Wirten und Tourismus-Destinationen, das geht manchmal bis hin zu veritablen Drohungen, kein Witz! So nach dem Motto: «Wenn ich in meinem Job so lügen würde wie Sie, dann hätte man mir schon längst gekündigt – aber für Sie muss ich noch Gebühren bezahlen!!» Ich darf schnell rekapitulieren, denn als News-Moderatorin bei TeleBärn haben Sie noch viele Lesende in Erinnerung. Wie kamen Sie überhaupt zum TV? (Überlegt kurz) Hmmm … Das war kurz vor meinem Liz. Ich war damals – als Studi natürlich immer auf der Suche nach neuen Geldquellen – als Kandidatin im Montags-Quiz «Risiko» beim Schweizer Fernsehen. Die ganze Studio-Atmosphäre sagte mir

enorm zu. Ich dachte mir, «Das möchte ich auch!» Und so schrieb ich dem SF eine «Blind-Bewerbung». Tatsächlich brauchten sie jemanden fürs TAF, fürs Tagesfernsehen. Nach einem 3-tägigen Casting hatte ich den Job – und damit auch gleich ein Problem, denn mein erster Arbeitstag fiel auf den ersten LizPrüfungstag (lacht) … Aber irgendwie ging beides aneinander vorbei und ich war ziemlich stolz, als Einzige der 80 PhilI-Absolventen schon vor dem Uni-Abschluss eine Stelle zu haben! Und wie dann zu «Meteo»? Nach zwei Jahren TAF habe ich mit Andreas Moser («Netz Natur») eine 2-wöchige Live-Sendung im Wald gedreht. Während dieser Zeit rief mich Thomas Bucheli von der Meteo an und fragte, ob ich nicht Lust auf Meteo hätte … Ohne Casting? Oh doch! Thomas Bucheli meinte so ganz nebenbei, das Casting sei für den gleichen Abend vorgesehen. Mit Gummistiefeln und Outdoor-Jacke ging ich hin und hatte kurz darauf einen neuen Job! Weshalb haben Sie das Schweizer Fernsehen verlassen? Weil sich Nachwuchs ankündigte! Und weil ich wusste, dass ich nur ein Kind haben würde, war für mich klar, dass ich voll für dieses Kind da sein und die Baby-Zeit so richtig geniessen wollte. Und eben: Von 2005 bis 2008 gab es ein Wiedersehen auf TeleBärn. Weshalb der Wiedereinstieg? Als unsere Tochter zwei Jahre alt wurde, wuchs allmählich auch wieder der Wunsch, ein bisschen ausser Haus arbeiten zu können. Nach Zürich zu pendeln, kam aber nicht in Frage, und so schaute ich mich in Bern um. Das Angebot von TeleBärn kam eher überraschend, überzeugte mich aber und war mit vier bis sechs Einsätzen pro Monat perfekt für den Wiedereinstieg.

74 Wie sind Sie mit Ihrer Popularität zurechtgekommen, als TV-Frau ist man bekanntlich auch ein Stück weit «Öffentlichkeit» … Grundsätzlich sehr gut. Die Schweizer sind ja generell eher zurückhaltend und sprechen einen selten so direkt an. Die Erfahrungen, die ich gemacht habe, waren eigentlich immer sehr positiv und oft richtig «rührend». Und jetzt der Sprung ins Westside. Wie kam es dazu – weshalb hat Sie ausgerechnet Westside gereizt? Das kann ich Ihnen ganz genau sagen! Als ich am Eröffnungstag zum ersten Mal ins Westside kam und mit der Rolltreppe beim Nordkristall auf die erste Etage fuhr, packte es mich total! Ich war hin und weg, sozusagen «Liebe auf den ersten Blick». Ich dachte, «Wow, was für ein Unternehmen, das in einer doch eher schwierigen Zeit etwas so Neues, Ungewohntes, Aussergewöhnliches auf die Beine stellt!» Für ein solches Unternehmen wollte ich gerne arbeiten, und da ich mich eh schon länger mit dem Gedanken trug, etwas Neues zu machen, bewarb ich mich auch hier «blind» – und es hat geklappt! Als TV- und Medienfrau haben Sie die Seiten gewechselt. Wie kommen Sie mit den ehemaligen Kollegen der Medienzunft zurecht, speziell bei TeleBärn? Eigentlich hat sich an der Beziehung zu den ehemaligen Kollegen durch den Stellenwechsel rein menschlich nichts geändert, ich mag sie noch immer sehr! Und als Westside-Frau? Rein beruflich hätte ich natürlich gerne, sie würden ein bisschen mehr über uns berichten. Und zwar nicht nur dann, wenn etwas Negatives passiert, sondern auch über die vielen Events und Anlässe, die wir organisieren. Aber aus dieser Branche kommend, weiss ich auch, wie schwierig es ist, hier die Balance zu finden: Alle Unternehmen wollen natürlich, dass über ihre Veranstaltungen berichtet wird. Deshalb hilft dieses Wissen sehr: Mir ist klar, was es braucht, damit es einen Bericht wert ist – und das ist sicher ein Vorteil. Sehen Sie die Medienarbeit plötzlich mit anderen Augen, jetzt, da Sie News «lesen» und nicht «produzieren»? Ja ganz klar! Es war schon eine ziemliche Umstellung: Plötzlich bist du nicht mehr derjenige, der fragt, sondern der andere, der eine Antwort geben muss … Und im Nachhinein habe ich auch ein bisschen Erbarmen mit all den Interviewten Oho, weshalb denn das? Erst jetzt weiss ich, wie man sich in dieser Rolle wirklich fühlt … Und ja, ich gebe zu, ich habe mich in meiner WestsideZeit schon ab und zu über die Medien genervt! Aber – und das möchte ich betonen – meistens hab ich mich über sie gefreut.

Nun will ich ja kein Gefälligkeitsinterview mit Ihnen machen. Konkret jetzt zu Ihrer Arbeit in Westside, als Kommunikationsfrau. Wie geht es den Böden in Bernaqua? Ha! Also doch: Ich dachte mir schon, dass es so nett ja nicht weitergehen kann … Aber ich kann Sie beruhigen, den Böden geht es gut. Wir haben im Verlauf des letzten Jahres immer wieder Massnahmen getroffen, haben Handläufe montiert, Treppenplatten ausgewechselt, und inzwischen haben wir im Bereich der Reinigung und Nachbehandlung der Bodenplatten punkto Rutschfestigkeit grosse Fortschritte erzielt. Wir haben in den letzten Wochen massiv mehr Leute im Bernaqua, aber massiv weniger Zwischenfälle.

Rein beruflich hätte ich natürlich gerne, sie würden ein bisschen mehr über uns berichten. Und zwar nicht nur, wenn etwas Negatives passiert. Als Mitarbeitende werden wir ja immer nach dem Geschäftsgang von Westside gefragt. Sagen Sie es uns doch bitte, damit wir Ihre Infos aus erster Hand weitergeben können. Wie zufrieden ist man im Bernaqua? Man ist sogar sehr zufrieden! Eine halbe Million Besucher im ersten Jahr sprechen für sich, Tendenz weiterhin steigend, im Vergleich zum Vorjahr, da wir diese Zahlen jetzt endlich miteinander vergleichen können. Im Mai wurde das Bernaqua vom schweizerischen Tourismus Q-zertifiziert. Ein wichtiger Schritt für das Erlebnisbad, denn immer häufiger entscheiden sich Gäste für jene Angebote, die qualitativ hochstehende Leistungen erbringen und ihren Preis wert sind. Wie viele Jahresabo-Kundinnen und -Kunden benutzen das Gesamtangebot im Bernaqua? Rund 2’000, das ist doch eine fantastische Zahl! Und im vergangenen August ist Bernaqua Fitness mit dem Label QUALITOP ausgezeichnet worden. Dieses steht für gute Betreuung durch qualifiziertes Personal in einem vernünftigen Verhältnis zu den Geräten oder der Mitgliederzahl – und für ein ausreichendes Notfallkonzept. Die Pathé-Kinos sind mit über 40 Prozent Marktanteil auf dem Platz Bern ein Riesenhit. Worauf ist das zurückzuführen? Das hat mehrere Gründe: Einerseits sind es die modern ausgestatteten Kinosäle und die hohe Qualität der Projektoren, die faszinieren und viele Leute anziehen. Dann ist es sicher auch ein

75 Vorteil, dass man vor dem Kinobesuch noch einkaufen, die Einkäufe anschliessend in gekühlte Schliessfächer verstauen und das Gastroangebot nutzen kann. Diese Kombinationsmöglichkeiten, die grosse Auswahl an Filmen, die äusserst gute Erreichbarkeit - mit dem Auto kann man quasi vors Kino fahren und sehr günstig parkieren – sowie die Sicherheit im Westside, die man als Frau ganz besonders zu schätzen weiss, sprechen für einen Kinobesuch in den Cinémas Pathé. Apropos Pathé-Kinos. Es werden regelmässig auch Opern aus der Metropolitan Opera in New York übertragen. Ein atemberaubendes Erlebnis, wie «Carmen», mit der erst 34-jährigen Lettin Elina Garanca als vielleicht beste «Carmen» aller Zeiten in der Hauptrolle. Hat man denn überhaupt noch die Möglichkeit, an Tickets für einzelne Aufführungen heranzukommen? Die Aufführungen bis im Frühling 2011 sind restlos ausverkauft. Aber es wird weitere Übertragungen geben. Am besten, man abonniert den Pathé-Newsletter (http://www.pathe-bern.cine.ch/ home.php), dann kriegt man die Infos aus erster Hand und kann, sobald erhältlich, die Opern-Tickets buchen. Zudem wird es in diesem Bereich noch weitere Überraschungen geben! Also gilt auch hier «Draa bliibe!» Stichwort Holiday Inn. Wie sind die Hotelbetreiber zufrieden, mit ihrem ***-Hotel im Westen von Bern? Das Holiday Inn Bern Westside konnte das Budget hinsichtlich der Belegung im ersten Jahr erfüllen. Die Buchungen der Seminarinfrastruktur des Bookmark Meeting Centers haben die Erwartungen übertroffen. Rund 80 Prozent der Gäste sind Geschäftsleute, 20 Prozent Freizeitreisende. Geografisch kommen die Hotelbesucher vor allem aus der Schweiz, Deutschland und den Niederlanden. Im Juli und August nahmen zudem viele Touristen aus Japan das Hotelangebot in Anspruch. Insbesondere die attraktiven Freizeit-Packages, die zusammen mit dem Bernaqua geschnürt wurden, fanden grossen Zuspruch. Auch das Hotel profitiert also vom Gesamtprodukt Westside. Zur Gastronomie. Wie ist das Echo, zuerst einmal aus unseren eigenen Restaurants, dem MR und dem cha chã? Das Konzept «Positive Eating» von cha chã findet grossen Anklang: Rund 200’000 Besucher haben die thailändische Küche mit frischen Zutaten und schnellem Service bis heute genossen. Auch das Migros-Restaurant Westside hat mit seiner neuen Lounge-Zone viel Zuspruch erhalten. Die Familienzone wurde per Ende September vergrössert und das Lilibiggs-Tavolino bietet nun neu Kindergeburtstags-Partys an. Und die anderen Anbieter, Spiga, Starbucks & Co.? Insgesamt sehr gut! Das neue Konzept des Spiga hat sich bestens etabliert, und vor allem die oft wechselnde und der Saison angepasste Speisekarte erfreut sich grosser Beliebtheit.

Besonders erfolgreich erweist sich die Zusammenarbeit der Restaurants mit anderen Mietern wie Kino und Bad. Womit wir beim Kern des Westside angelangt wären. Wie sind die Mieter zufrieden? Dazu war ja äusserst Kontroverses zu lesen in den Medien. Man kann mit wirklich gutem Gewissen sagen, dass die Mieter insgesamt zufrieden bis sehr zufrieden sind, ganz besonders nach diesem umsatzstarken Dezember! Und, man muss es immer wieder erwähnen, und das sind sich die Mieter bewusst: Ein Center dieser Grösse an einem neuen Standort und mit einem ganz neuen Kombi-Angebot braucht einfach drei bis fünf Jahre, bis es sich etabliert hat. Wir haben das immer und immer wieder gesagt. Wir sind dann auch voll auf 5-Jahres-Kurs. Aber klar haben wir Verbesserungspotential, wir arbeiten auch daran! Was ist mit «Paul», dem französischen Beck? Da war ja zu lesen, dass das französische Mutterhaus entschieden habe, sich aus der Schweiz zu verabschieden … Ja, so war es tatsächlich einmal vorgesehen. Dann aber wurde ein neuer Franchisenehmer für die Schweiz gefunden und deshalb blieb uns Paul erhalten – zum Glück, denn der französische Patisseur ist im Westside äusserst beliebt! Stehen Mieterwechsel an? Bis zu diesem Zeitpunkt ist mir nichts bekannt. Aber irgendwann wird es den ersten Wechsel geben, das ist auch das Nomalste der Welt.

Wir sind dann auch voll auf 5-Jahres-Kurs. Nennen Sie uns doch einige Höhepunkte, die wir 2010 im Westside erwarten können. Auch im 2010 wird es im Westside vieles zu erleben geben. Lassen Sie sich ganz einfach überraschen! Und auch hier mein Rat: Den Newsletter abonnieren, dann wissen Sie immer als Erste, was im Westside läuft (http://www.westside.ch/Meta/Top/ Newsletter.aspx)!

"Welche von euch Hostessen ist noch zu haben?"

Monika Hager

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77 Monika Hager Hostess Betriebsführungen, Schönbühl

Monika Hager, seit wann führen Sie Gäste durch unsere Plattform? Ich führe die Gäste der Migros Aare seit Sommer 2002 durch die Frischeplattform und absolviere zwischen zwei und höchstens drei Führungen pro Woche. Dies ist ideal zu meinen anderen Aktivitäten. Die Führungen werden so auch nicht zur Routinesache. Zurzeit sind wir acht Frauen, die den Gästen «Schönbühl» zeigen. Welches war die Motivation, sich für diesen Job zu bewerben? (Ist ob der Frage sichtlich überrascht) Uhhh! Das ist lange her. Ich glaube, mich sprach einfach das Inserat an. Bei einem grossen Verlag war ich damals schon Hostess. Ich war der Meinung, der Job in Schönbühl sei dazu eine ideale Ergänzung. Und ich dachte, die Arbeit bei der Migros Aare finde ungefähr «in der gleichen Währung» wie beim Verlag/der Druckerei statt. Das war dann nicht der Fall? Weit gefehlt! Bei der Migros Aare muss man selber vor die Leute hinstehen und erklären, wie «der Karren» läuft. Das war beim Verlag nicht so ... Sondern? Dort war man bloss als Sicherheitsperson angestellt, die nur hinterher läuft, sozusagen als «Ufpasserli», damit sich niemand verläuft. Als ich den Unterschied zur Migros gemerkt habe, da war es bereits zu spät für einen Rückzug, Monika Hager bereits angestellt. Zum Glück, wie ich immer sage (lacht). Haben Sie es jemals bereut? Noch keinen Tag, nein!

Bei der Migros Aare muss man selber vor die Leute hinstehen und erklären, wie «der Karren» läuft. Wie war denn das Auswahlverfahren für die Hostessen? Eine Kollegin und ich waren Quereinsteigerinnen, soweit ich mich erinnere, wurden wir nicht subito angestellt, sondern kamen auf eine Art «Watch»-Liste und erst später zum Zug. Die genauen Gründe kennt wohl Barbara Siegenthaler. Also denn, fragen wir sie, da sie nur fünf Meter von mir entfernt sitzt: Barbara, wie war das damals, bei der Anstellung von Monika Hager? Weshalb erst im zweiten Anlauf? (Überlegt kurz) Wir hatten damals sehr viele Anmeldungen, weil wir sozusagen ein neues Team einstellen und einarbeiten

mussten. Ich habe bewusst nicht im ersten Anlauf alle Hostessen angestellt, sondern nur einen Teil, die «restlichen» Kolleginnen dann in Runde 2. Wenn ich mich richtig erinnere, wurde Monika Hager deshalb nicht sofort engagiert, weil ihre Bewerbung verspätet eingetroffen ist. Sie kam aber zuoberst auf die «Warteliste». Soso, Monika Hager, also Glück gehabt, aber das gehört den Tüchtigen, wie wir in Ihrem Fall heute wissen. Sagen Sie, bevor man Sie auf die Meute ein erstes Mal losliess – wie wurden Sie ausgebildet und von wem? Da ich Quereinsteigerin war, lief’s bei mir etwas anders. Die anderen Kolleginnen fingen im April an mit der Ausbildung, ich erst im Juni. Wir wurden von den bisherigen Hostessen ausführlich ausgebildet und von Barbara Siegenthaler. Sie halfen uns enorm, gaben Tipps und Tricks. Tricks? Was gibt es denn Trickiges auf einer Führung? Nun, zum Beispiel gute Ausreden parat haben, wenn einem ein Wort nicht mehr einfällt oder man schlichtweg vergessen hat, wie eine Maschine heisst. Was, wenn das Filmvideo mal nicht anspringt und man innerlich weiss Gott was alles zusammenflucht, äusserlich aber ein supercooles Lächeln draufhat, und eine Gelassenheit, die jeden Politiker vor Neid erblassen liesse? Was, wenn man in den Medien etwas nicht mitbekommen hat, das Migros betrifft? Ich stehe gar nicht gern allzu blond da, so eine verbale Trickkiste ist absolut hilfreich. Oder was tun, wenn einfach jemand während einer Führung «verloren» geht? Ist das denn schon passiert? Ja, die Frau ist durch einen Ausgang geflüchtet, nach draussen, zu den Lastwagen. Ihr war alles zu «kalt», nicht so, wie sie sich das vorgestellt hatte. Es war übrigens eine Walliserin, die sind doch sonst ganz pflegeleicht ... Sorry, ich habe Sie vorhin unterbrochen. Zurück zur Ausbildung. Einiges haben wir von Bruno Gerber gelernt – und lernen immer noch von ihm. Bruno Gerber, danke! Dann konnten wir noch einen Kommunikationskurs bei Thomas Ehhhh… nehmen, seinen Nachnamen habe ich vergessen (hirnt). Da ich es nicht war, muss es sich um Ausbildungsmann Thomas Mathys gehandelt haben. Genau, Mathys! Er hat uns einiges verraten, wie man zum Beispiel die Aufmerksamkeit der Leute hochhält – und auch sonst allerhand an Allgemeinwissen rund um die Migros Aare. Bevor Sie ein erstes Mal selber und solo geführt haben, haben Sie da sozusagen Test-Rundgänge absolviert? Ja, da fanden logischerweise etliche Testrundgänge statt, um sich «warmzulaufen», mit Verwandten und Bekannten, die

78 Versuchskaninchen spielen mussten, natürlich auch in Begleitung von bisherigen Hostessen. Da hab ich jeweils symbolisch Blut geschwitzt und geschlottert! Den Fremden konnte man ja erzählen, was man wollte (schallendes Lachen), die hätten das ja nicht bemerkt, aber die Kolleginnen halt schon. Aber eben, schliesslich ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Wir haben von diesen Probeläufen enorm profitiert.

Bei den Schulklassen ist es so, dass die Jüngeren am meisten interessiert sind. Bei den Älteren ist es die Pubertät, die im Wege steht. Was glauben Sie, hat man Ihnen das Lampenfieber angemerkt bei Ihrer ersten «richtigen Führung», oder haben Sie es den Leuten gleich selber gesagt? Ich denke schon, dass man mir das angemerkt hat, das leichte Zittern in der Stimme. Aber ich sagte gleich zu Beginn der Führung, dass ich eine blutige Anfängerin sei. Das finde ich heute noch besser, da haben die Leute auch mehr Verständnis,

wenn man plötzlich eine Sprech-Blockade hat oder nicht sofort eine Frage beantworten kann. Was hat sich in der Frischeplattform geändert, heute, im Vergleich zu damals? Einiges! Bei der Verpackung Agrar – den Früchten und Gemüsen – hat es nicht mehr so viele Maschinen, was rein optisch schade ist. Die Teilautomatisierung in der Kommissionierung Agrar – TAKA – ist zwar wesentlich effizienter und das Schleppen schwerer Kisten durch Mitarbeitende gehört der Vergangenheit an. Ob die Anlage für die Gäste aber ebenso «nachvollziehbar» ist, da bin ich mir nicht sicher. In der Kühlzone ist der Querbandsorter seit einigen Jahren in Betrieb, vorher wurde da noch mit Hubstaplern sortiert. Und in der Retourenlogistik hat es seit einiger Zeit eine grosse Gebindesortierungsmaschine sowie viele kleinere Maschinen, die Paletten oder Tainer zusammenstellen, zusammenlegen und vieles andere mehr. Beschreiben Sie uns doch, wie so eine Führung abläuft, zeitlich und organisatorisch. Meist sind wir Hostessen eine Viertelstunde vor Beginn im Sitzungszimmer und stellen Film, Beleuchtung und Storen auf «Start», anschliessend werden die Kaffeetassen oder die Schoggidrinks mit Gipfeli verteilt. Um 09:30 Uhr holen wir die Gruppe im Shoppy und begrüssen sie im K1/K2, den neuen Sitzungszimmern

79 nahe des Dachparkings. Wir stellen uns vor und erklären den Ablauf der Führung. Nach dem Info-Film laufen wir in Richtung Frischeplattform, jede Hostess mit ihrer Gruppe, idealerweise bestehend aus 10 bis 12 Leuten. Jede Führerin richtet ihren Ablauf so ein, dass wir einander nicht fantasielos hinterherlaufen. Nach Abschluss der eigentlichen Führung, die ungefähr 90 Minuten dauert, kommen wir wieder ins K1/K2 zurück, wo Fragen beantwortet werden. Dann verteilen wir die Erinnerungsgeschenke – eine Mug-Tasse mit Schoggi gefüllt – und verabschieden die Gäste. Was sind das für Leute, die sich für Führungen anmelden? Ach, das sind ganz unterschiedliche Gruppen, quer durch alle Bevölkerungsschichten. Die Lehrer sind dabei zum Teil ganz Spezielle … Das gehört erklärt! Bei den Schulklassen ist es so, dass die Jüngeren am meisten interessiert sind. Bei den Älteren ist es die Pubertät, die im Wege steht.

Eigentlich kommen wenig Fragen, weil viele der Gäste schlicht und einfach überwältigt sind. Das heisst? Womöglich interessieren sich die Achtklässler sogar für die Führung und was bei uns passiert, aber das darf «man» ja nicht zeigen, weil man sonst sofort mit «Schleimschleim» und als Streber bezeichnet wird. Also macht man auf cool, gibt sich desinteressiert, macht vielleicht sogar einen dummen Spruch in Richtung Hostess. Kommt doch immer gut an, bei den Teens. Ist doch lässig, eine Erwachsene «anzuzünden». Viele Lehrer lassen ihre Schülerinnen und Schüler da «machen», statt den Tarif durchzugeben und «Troublemakers» zurück auf Startfeld 1 ins K1/K2 zu schicken, um ein Exempel zu statuieren. Aber wir haben auch ganze feine Schulklassen, regelmässig, mit ebenso feinen Lehrerinnen oder Lehrern. Woher kommt der Unterschied? Ich glaube, es kommt sehr darauf an, wie man selber auf die Jugendlichen zugeht. Es kommt nämlich postwendend zurück, wenn die jungen Menschen spüren, dass man Schulklassen nicht so mag. Die Jungen sind sensitiv für solche Dinge. Eine positive Ausstrahlung ist da das halbe Leben, und ich denke, die Jugendlichen spüren, dass ich sie leben lasse, wie sie sind, aber ihnen am Anfang sage, wo die Grenzen sind. Das wird meist akzeptiert, sonst wiederhole ich mich, unmissverständlich, auch wenn der eine oder andere Lehrer da grosse Augen bekommt.

Haben Sie auch schon Führungen abgebrochen, weil man Ihnen nicht zuhören mochte oder die Sicherheitsvorschriften missachtet hat? Ich habe das zweimal angedroht, dann ging es «häbchläb». Kolleginnen ist das schon passiert. In solchen Fällen erhalten wir 100 Prozent Rückendeckung von unseren Chefs, weil diese wissen, dass Ausserordentliches vorgefallen sein muss, wenn es zu einem Abbruch kommt. Was sind die am meisten gestellten Fragen auf dem Rundgang? Bei Arbeitslosen und Immigranten: Ob wir eine Stelle frei hätten? Dann: Wer verdient wieviel? Macht Ihnen der Job als Führerin Spass? Weshalb ist die Migros-Farbe orange? Aber eigentlich kommen wenig Fragen, weil viele der Gäste schlicht und einfach überwältigt sind, was bei uns «backstage» abgeht, ich habe das Gefühl, es verschlage ihnen die Sprache, so wie mir, als ich das erste Mal überhaupt an einer Führung teilgenommen habe, in Schönbühl. Und welche Frage hat man Ihnen erstaunlicherweise noch nie gestellt? (Lacht herzhaft) Wer von den Hostessen ist denn noch zu haben? Antwort? Da müsste ich schon genauer nachfragen, das kann ich Ihnen wirklich nicht sofort beantworten. Welches sind denn Ihre Lieblingsgäste? Ich liebe Gäste, die mich geistig fordern und herausfordern! Mir macht es nichts aus, wenn ich die eine oder andere Frage nicht sofort beantworten kann, weil ich zuerst nachfragen muss. In solchen Situationen lernt man immer dazu. Dann und wann ist auch verbale Schlagfertigkeit gefragt, das macht Spass. Wie vorhin, bei der «noch nie gestellten Frage», die Sie blitzartig beantwortet haben. Zum Beispiel, ja. Welches war bisher die «exotischste» Gruppe? Jene, die mit Rollerskates auftauchten? Oder jener Zeitgenosse, der sein Handy «abnahm», als Beat Zahnd einen Vortrag hielt? Auch schon mal Promis durch das «Innenleben» von Schönbühl geführt? Ja, zum Beispiel jene Gruppe, die zum Schluss einen Vortrag von Beat Zahnd zu hören bekam, wie soeben beschrieben … Wirkliche VIPs sind für mich Leute, die es nicht nötig haben, speziell auf sich aufmerksam zu machen. Sie sind dann auch ganz Unkomplizierte. Und wem würden Sie die Zentrale denn gerne einmal zeigen? Barack Obama.

"Im Notfall sollte man die ABC-Regeln kennen ..."

Karin Helsing

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81 Karin Helsing Migros Fahrwangen

Karin Helsing, fallen wir gleich mit der Türe ins Haus. Sie studieren im zwölften Semester Medizin, stehen also kurz vor dem Staats-examen. Wie finden Sie da noch Zeit, in der Migros Fahrwangen Teilzeit zu arbeiten? Nun, an Wochenenden werden keine Vorlesungen und Praktika abgehalten ... So ist es durchaus möglich, am Samstag zu arbeiten, das Wochenende wird dann einfach etwas kürzer, aber es handelt sich ja meistens nur um jeden zweiten Samstag. Nun gäbe es ja noch andere Möglichkeiten, Geld zu verdienen, um das Studium mitzufinanzieren. Weshalb ausgerechnet die Migros? Und weshalb ausgerechnet Fahrwangen? Ja klar, wobei ich dazu sagen muss, dass die Migros nicht der einzige meiner Nebenjobs während meiner Studienzeit ist und war. Die Stelle bei der Migros ist aber sicher die längste. Das Ganze hatte schon in der Kantonsschule begonnen: Der damalige Filialleiter der Migros Fahrwangen suchte eine Samstagsaushilfe, und da die Mutter einer Kollegin dort arbeitete, wurden wir angefragt, ob wir uns den Job teilen möchten. Ja, so kam es, dass wir nun seit bald zehn Jahren uns den Job teilen. Meine Kollegin studiert in der Zwischenzeit Jura. So wechseln wir uns ab, Samstag für Samstag. Das klappt sehr gut, eine von uns steht jeweils am Samstagmorgen immer auf der Matte.

Mit medizinischen Fragen wird man als Medizinstudentin meist schon im ersten Studienjahr konfrontiert.

seit Gunther von Hagens «Körperwelten» ist ja auch das keine Sensation mehr. Meistens wird über andere Themen diskutiert, vielfach auch über Politik und Gesellschaft. Es bringt, so denke ich, auch einen frischen Wind in eine Filiale, wenn Leute von aussen, die sonst ganz einen anderen Alltag haben, ihre Ideen und Denkweisen einfliessen lassen. Und konnten Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen schon mal medizinische Tipps für ihren Alltag geben? Ja, das kommt schon manchmal vor, dass gewisse Leute bei mir Rat suchen. Mit medizinischen Fragen wird man als Medizinstudentin meist schon im ersten Studienjahr konfrontiert, wobei man dann meist nur sagen kann, dass sich diejenige Person doch bitte an den nächsten Arzt wenden soll, weil man selber einfach noch keine Ahnung hat. Ich gebe bei solchen Fragen immer gerne Auskunft, doch hüte ich mich natürlich davor, irgendwelche Ferndiagnosen zu stellen. Meist geht es den Leuten aber darum, sich zu informieren, und das finde ich gut. Wie steht es denn mit Tipps von Ihrer Kollegin, die Jura studiert: Sind die Leute der Migros Fahrwangen fast alles Hobby-Ärzte und -Juristen? Na ja, da müssten Sie sie schon selber fragen, aber ich habe ihr schon ans Herz gelegt, sich im Medizinrecht zu spezialisieren. Nur für den Fall der Fälle!

Bevor wir über Ihren zukünftigen Beruf reden: Eine angehende Akademikerin in der Migros. Wie kommen Ihre Kolleginnen und Kollegen mit der künftigen Frau Doktor zurecht? Ich weiss, man müsste sie fragen – aber Sie spüren das ja auch … Ich glaube, wir kommen sehr gut miteinander zurecht. Die Leute sind mir in den Jahren, in denen ich nun dort arbeite, doch ans Herz gewachsen. Ich fühle mich auch nicht wirklich als «Akademikerin», denn schliesslich lerne ich auch einfach einen Beruf, dessen Ausbildung eben etwas länger dauert.

Sagen Sie, ist diese «Durchmischung» nicht auch eine Chance für alle, ihren Horizont zu erweitern, für Sie zum Beispiel, indem Sie mit den ganz normalen Herausforderungen im Migros-Alltag konfrontiert werden? Wie gehen Sie mit Ihren M-Erfahrungen um? Für mich ist die Arbeit in nichtmedizinischen Bereichen sehr wichtig. Diese Arbeit holt mich jeweils wieder auf den Boden zurück. Es ist ein guter Ausgleich zu meiner sonst sehr kopflastigen Beschäftigung, und wenn ich mich, so wie jetzt, für Prüfungen vorbereite, ist es gut, in eine andere Welt einzutauchen. Da wird mir wieder bewusst, dass, auch wenn ich die nächste Prüfung «verhaue», das Leben trotzdem weitergeht und Samstag für Samstag dieselben Leute einkaufen kommen und wie jeden Samstag – Eisbergsalat kaufen!

Ich könnte mir vorstellen, dass durch Ihr Studium in einer ruhigen Minute – zum Beispiel in der Pause – Themen aufkommen, die über Aktionsplakate, die Regalpreisanschrift oder «Sackfrisch» hinausgehen … Es kommen vielfach angeregte Diskussionen zustande. Aber vom Studium fliesst da eher wenig ein. Natürlich hat es alle brennend interessiert, als wir Anatomieunterricht hatten, ob wir da auch an richtigen Leichen herumschneiden mussten/konnten, aber

Nun aber zu Ihrem Studium, zu Ihrem künftigen Beruf. Weshalb ausgerechnet Medizin? Stammen Sie aus einer Arztfamilie (obwohl ich im Twixtel keine solche finde – tja, das gehört eben zu anständigen Vorbereitungen)? Nein, ich stamme nicht aus einer Arztfamilie. Meine Mutter ist jedoch medizinische Praxisassistentin, und ich denke, dass sie in mir das Interesse an der Medizin geweckt hat. Die Anatomie und die physiologischen Abläufe in unserem Körper haben mich schon

82 immer interessiert, eigentlich allgemein die Naturwissenschaften. Aber auch die Psychologie und Sprachen ... Ja, und was gibt es für ein Studium, das alle diese Gebiete in sich vereinigt? Die Medizin ist ein sehr weitläufiges und vielseitiges Studium. Es gefällt mir auch, dass ich auch noch jetzt so viele Wege offen habe und mich noch nicht festlegen muss. Wo studieren Sie? Nach zwei Jahren an der Uni Fribourg habe ich an die Uni Basel gewechselt und studiere dort nun seit bald vier Jahren. Nun ist also demnächst das Staatsexamen fällig. Was kommt nachher, die Arbeit in einem Spital als Assistenzärztin? Ja, ich werde gleich nach dem Staatsexamen eine Stelle in der inneren Medizin antreten. Ich freue mich darauf, endlich Verantwortung zu übernehmen und privat völlig selbständig und finanziell unabhängig zu sein. Wenn ich richtig informiert bin, können Sie ja nach erfolgreich bestandenem Staatsexamen noch keine eigene Praxis eröffnen, sondern müssen dafür zuerst doktorieren. Wann können Sie das frühestens machen, auf welchem Weg? Es wäre, glaube ich, nicht sehr gesund für Patienten, wenn wir gleich nach dem Staatsexamen eine Praxis eröffnen dürften! Um selbständig als niedergelassener Arzt tätig zu sein, muss man sich nach dem Staatsexamen über etwa fünf bis sechs Jahre weiterbilden, das heisst in einer Klinik als Assistenzarzt arbeiten, um dann die jeweilige Facharztprüfung abzulegen. Danach darf man eine eigene Praxis eröffnen. Nach dem alten Studiengang ist es möglich, die Doktorarbeit in Medizin bereits während des Studiums zu schreiben. Diese Dissertation ist jedoch nicht zu vergleichen mit Arbeiten zum Erreichen der Doktorwürde in anderen Naturwissenschaften. Unsere Arbeit ist viel kleiner und nicht so zeitaufwendig wie in anderen naturwissenschaftlichen Fächern. Bei uns geht es mehr darum, diesen Titel zu haben, damit die Patienten einen auch «Doktor» nennen dürfen. (Lacht) Aber das machen sie ja sowieso. Die Doktorarbeit ist auch nicht Voraussetzung für die selbständige Tätigkeit. Daniel Vasella ist auch Arzt. Ist die Forschung in der Pharma für Sie eine Option? Nein, für mich wäre das keine Option, obwohl man zwischen Forschen und dem Arbeiten in einer Pharmafirma unterscheiden muss. Forschung gehört zum Arztberuf, denn ansonsten würden wir in 20 Jahren noch dieselben Fehler machen wie heute und gewissen Patienten mehr schaden als helfen. Es gibt also auch die Möglichkeit, den Arztberuf und die Forschung miteinander zu vereinigen und so zur Verbesserung von Therapien beizutragen. Dies kann ich mir sehr wohl vorstellen. Doch bei einer reinen Forschungsstelle würde mir der soziale Aspekt der Medizin fehlen. Wie man es auch dreht, die Medizin ist ein Geschäft. Auch ich

werde mein Geld einmal mit kranken Menschen verdienen. Doch es scheint mir ein wesentlicher Unterschied zu sein, ob dabei das Wohl des Patienten oder die Höhe des eigenen Bankkontos im Mittelpunkt steht. Karin Helsing, Dr. med. Wo sehen Sie sich 2020, beruflich? Vielleicht als Hausärztin in einer Gemeinschaftspraxis auf dem Land oder als Chirurgin unterwegs in der weiten Welt, die Zukunft wird den Weg weisen. Reden wir doch über Aktuelles, über das Desaster, das sich Gesundheitswesen nennt, und wohl eher einem Krankheitswesen gleicht. Stichwort Pflegepersonal. Längst wird nicht mehr darauf geachtet, ob eine junge Frau die Freude an der Pflege in sich trägt, eine Berufung hat, nein, nur noch Schulnoten sind gefragt, eine Matura muss her. Resultat: Ein Riesenmangel an eigenem Pflegefachpersonal. Ist die Begabung denn so unwichtig? Das stimmt nicht ganz: Um eine Ausbildung als diplomierte Pflegefachfrau oder diplomierter Pflegefachmann zu absolvieren muss man mindestens 18 Jahre alt sein und eine abgeschlossene Lehre oder die Matura vorweisen können. Es gibt auch die Lehre «Fachangestellte Gesundheit», die bereits Schulabgängern offensteht und nach deren Abschluss eine Diplomausbildung folgen kann. Doch leider sind diese Lehrstellen für die Fachangestellte Gesundheit nicht ausreichend vorhanden. Zudem verdient eine Pflegefachfrau in Ausbildung nur rund 1000 Franken im Monat. Dies kann auch ein Hindernis sein, wenn man bedenkt, dass diejenigen Frauen und Männer, die sich entschliessen, noch ein Diplom an die Berufslehre zu hängen, meist schon über 20 Jahre alt sind. Ich denke also, die Matura ist hier das geringste Hindernis.

Forschung gehört zum Arztberuf, denn ansonsten würden wir in 20 Jahren noch dieselben Fehler machen wie heute. Haben dann die fast «studierten» Pflegefachfrauen noch einige Jahre Praxis, dann ergibt sich in den Spitälern fast eine Konfliktsituation mit Ärztinnen und Ärzten. Wie gehen Sie selber damit um? Ich sehe das nicht so. Pflegefachpersonen und Ärzte sollten sich nicht als Konkurrenten ansehen, sondern als Team. Auch nach sechs Jahren Studium und noch mal rund sechs Jahren Facharztausbildung weiss man noch lange nicht alles und ist immer auf Leute angewiesen, die auf ihrem Gebiet Experten sind. Klar ist es letztlich der Arzt, der über die Therapie und das weitere Vorgehen eines Patienten entscheidet, und das Pflegepersonal ist in diesem Bereich für die Ausführung zuständig, wie zum Beispiel die

83 Wieso soll ein Spezialarzt mehr verdienen?

Verabreichung von Medikamenten. Ich bin nun keine gelernte Pflegefachfrau, doch diese haben durchaus ihren eigenen Kompetenzbereich. Zudem ist man als Assistenzarzt gleich nach dem Studium froh, wenn eine erfahrene Pflegefachperson auf der Station ist, die weiss, wie «der Laden läuft», und einem sagen kann, wo man das Formular für die Anmeldung zur radiologischen Untersuchung findet und wie die abgenommenen Blutproben nun den Weg ins Labor finden. Pflegefachpersonen haben einen anderen Bezug und Umgang zu der Institution Spital, da sie schon viel früher im Berufsleben Fuss fassen und dadurch praktischer veranlagt sind, wogegen wir als Ärzte mit viel theoretischem und etwas praktischem Wissen ins Berufsleben entlassen werden. Dies ist fast nicht zu verhindern, doch umso wichtiger ist die gute Zusammenarbeit, denn man kann sich so sehr gut ergänzen. Ich behaupte, niemand hat ein wirkliches Interesse daran, die Kostenexplosion im Gesundheitswesen einzudämmen: Die Forschung nicht, die Pharma nicht, die Spitäler nicht, die Ärzte nicht, die Krankenkassen nicht, die Patienten auch nicht, weil sie ja hohe Prämien zahlen und alle Dienstleistungen in Anspruch nehmen wollen, wenn sie mal krank sind. Von den Politikern will ich gar nicht erst reden, die wollen a priori wiedergewählt werden. Teilen Sie meine Ansicht? Wo müsste man ansetzen? Das kann man schon so ausdrücken, wobei es sich dabei nicht wirklich um eine «Kostenexplosion», sondern einfach um eine überproportionale Zunahme der Kosten handelt. Wenn sich diese in Zukunft so weiterentwickeln, ist uns allen bewusst, dass wir das irgendwann nicht mehr bezahlen können. Ihr persönliches Anliegen zum Thema? Dass sich für den einzelnen Patienten der Zugang zum Gesundheitssystem nicht verschlechtert. Um dies zu erreichen, sollten wir unbedingt die Hausärzte stärken, da diese eine gewisse Triagefunktion einnehmen, vieles selber erledigen können und erst noch am preisgünstigsten arbeiten.

Hoppla! (Lacht) Naja, das war nun etwas böse, aber ich sehe nicht ein, warum ein Spezialist zum Teil für dieselbe Dienstleistung ein Vielfaches mehr verdient. Ein Allgemeinmediziner hat schliesslich auch eine Facharztausbildung und ist mindestens so gut qualifiziert in seinen Tätigkeiten. Wieso soll dann ein Spezialarzt mehr verdienen? Zudem wird die Entwicklung zu grossen Zentrumsspitälern und zum Teil der Auflösung von kleinen peripheren Spitälern nicht aufzuhalten sein. Ob dies allerdings die Lösung auf das Problem sein wird, weiss ich auch nicht. Werden Greise ins Spital eingeliefert, werden sie gründlichst untersucht, mit allem, was die moderne Medizin zu bieten hat, anschliessend werden sie im Höchstalter zum Teil sogar noch operiert. Hat das alles mit dem Eid des Hippokrates zu tun – oder doch eher mit der Amortisation der Hightech-Geräte? Ich weiss, eine unanständige Frage, dennoch sei sie gestellt. Soviel ich weiss, widerspricht diese Handlung sicher nicht dem Eid des Hippokrates. Ich bin der Meinung, dass jeder, unabhängig des Alters, selbst entscheiden darf, welchen Eingriffen er sich unterziehen möchte. Meist sind es nämlich dann die Patienten selbst, die sich im hohen Alter heroischen Therapien nicht mehr unterziehen möchten. Als Ärztin biete ich dem Patienten jeweils die möglichen Therapieoptionen an, bespreche mit ihm deren Vor- und Nachteile, Risiken und Erfolgsaussichten. Nach diesen Informationen liegt die Entscheidung allein beim Patienten. Im Notfall und bei Bewusstlosigkeit des Patienten ist diese Entscheidung natürlich nicht sehr trivial. Aber nur anhand des Alters darf man auch da sicher nicht entscheiden. Sagen Sie, als künftige Ärztin: Konnten Sie in der Migros Fahrwangen schon mal Erste Hilfe leisten? Nein und ich hoffe auch nicht, dass dies notwendig sein wird. Schliesslich sollten aber alle wissen, wie man in einem Notfall reagieren muss. Nämlich? Ambulanz informieren und ABC-Regeln anwenden! Wem dies nun nichts mehr sagt, sollte sich beim nächsten Samariterverein vielleicht um einen Auffrischungskurs in Erster Hilfe informieren (schmunzelt).

"Ist das Streben nach unserem Lebensstandard .. gefahrlich?"

Maya Kelterbor

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85 Maya Kelterborn Klubschule, Bern

Maya Kelterborn, eigentlich müssten wir Sie ja als «Frau Doktor» ansprechen, denn … (Lacht) Lieber nicht! «Frau Dr. Kelterborn» ist meine Grossmutter! Damals war es ja noch ziemlich ungewöhnlich, dass eine Frau studierte und dann gar den Doktor machte. Heute ist das ja glücklicherweise nicht mehr so selten. Bevor ich es vergesse: Kelterborn. Sind Sie mit dem Schweizer Komponisten und Dirigenten Rudolf Kelterborn verwandt? Ein Urururururgrossvater, der aus Deutschland einwanderte, er hatte elf Kinder … Es gibt da zum Beispiel auch einen ehemaligen Stadtrat von Thun gleichen Namens. Rudolfs Vater war glaube ich ein Cousin meines Grossvaters. Oder ein Coucousin. Persönlich kenne ich ihn nicht, obwohl ich ihn natürlich schon gesehen und vor allem auch gehört habe. Vielleicht sollte ich wieder mal ein Konzert besuchen (schmunzelt). Anlässlich seines achtzigsten Geburtstages nächstes Jahr gibt es sicher einige Aufführungen. So, und jetzt wird es bereits schwierig für mich … Für mich dafür hoffentlich leichter … Vielleicht fragen Sie mich ja etwas, zu dem ich mehr sagen kann. Ich denke schon. Meine Unwissenheit auf jenem Gebiet, auf das ich mich jetzt wage, verstecke ich stinkfrech hinter der wunderbaren Ausrede, dass ich mich bewusst «bodenständig» mit Ihnen über China unterhalten möchte, damit unser Gespräch auch für unsere Leserinnen und Leser zum Genuss und nachvollziehbar wird. Das möchte ich auch! Das Schöne an der «aare-info» ist ja gerade, dass man versteht, was drin steht und es erst noch Spass macht. Hoppla, danke für das Kompliment! Ja, die «aare-info» soll bewusst nicht «hochgestochen» daherkommen. Also, soweit ich orientiert bin, da waren Sie Deutschlehrerin in China. Bevor wir dahin gehen: Welchen Ausbildungsweg haben Sie genommen? Nach der Matur – lang, lang ist’s her – habe ich die Ausbildung zur Primarlehrerin absolviert, um später in der Wahl eines Studienfachs nicht auf eine fürs höhere Lehramt sinnvolle Fächerkombination eingeschränkt zu sein (lacht). So im Sinne von «Deutsch und Geschichte»? Genau. Ich wollte etwas wirklich Fremdes lernen, und Sprachen faszinierten mich damals schon. Wie hängen Sprache und Denken zusammen? Bei uns ist die Logik wichtig: Wenn A, dann B. Zuerst dieses, danach jenes. Dazu

passt doch, dass wir beim Schreiben das, was wir hören, in akustische Einzelteile zerlegen, beziehungsweise alle Wörter aus 26 Buchstaben zusammensetzen. Die alten Chinesen hingegen erfanden für jeden Begriff, für jedes Wort ein eigenes Zeichen. Denken sie auch anders als wir? Oder kann man ohne Sprache denken? Von China wusste ich nichts, aber Sinologie schien die perfekte Wahl. Ergo haben Sie angefangen, Chinesisch zu studieren. Ja, und Deutsch natürlich auch. Nach zwei Jahren Studium war ich dann 1980 zum ersten Mal in China, zwei Monate. Und war tief beeindruckt. China war dabei, sich zu öffnen, und die Menschen bauten wirklich an ihrer Zukunft. Das war so anders, als ich die Schweiz damals erlebte, so festgefahren und behäbig. Da habe ich den Vorsatz gefasst, etwas – bitte verstehen Sie jetzt das Folgende nicht als hochnäsig oder eingebildet – zum Aufbau dieses Landes beizutragen.

Ich war tief beeindruckt. China war dabei, sich zu öffnen, und die Menschen bauten wirklich an ihrer Zukunft. Wie sind Sie das denn angegangen? Nun, was kann jemand, der nur reden kann? Ein bisschen besser Französisch lernen, um in China zwei Sprachen unterrichten zu können, denn der Kontakt nach aussen würde jetzt rasant wichtiger werden … So habe ich ein Semester in Frankreich absolviert, danach studierte ich in Hamburg weiter (beginnt zu lachen). Was belustig Sie daran? Ach, diese Zeit … WG, Pfingstmärsche, autofreie Sonntage, Demos gegen AKW, nächtelange Diskussionen ... Gehörte zu einem Studi wohl dazu, ich hatte auch so ein tolles «Stop FA-18»-T-Shirt, ohne studiert zu haben. Ja, das gehörte tatsächlich dazu, wohl auch als Gegengewicht neben einem Studienfach, bei dem man Dinge lernt, die sich am anderen Ende der Welt zugetragen haben, zu einer Zeit, als die Helvetier noch auf den Bäumen lebten. Ich habe aber nie bedauert, dieses Fach gewählt zu haben, zumal ich mit den Lehrenden grosses Glück hatte. Sinologie ist so vielseitig! Man lernt natürlich die Sprache – oder besser gesagt Sprachen, denn was heute gesprochen wird, unterscheidet sich von der alten Sprache stärker als Italienisch von Latein -, Literatur, Geschichte und Philosophie, moderne Politik und Kunstgeschichte, Geographie, Religionsgeschichte und, und, und … Ich muss allerdings

86 gestehen, dass ich von all den vielen Dingen nur sehr wenig weiss, oder nur von wenigen ein bisschen etwas verstehe ... Was war nach 1986? Nachdem ich 1986 das Studium endlich abgeschlossen hatte, wollte ich das China der Gegenwart kennenlernen und suchte deshalb Arbeit im Land der Mitte. Gefunden habe ich meine Stelle als Deutschlehrerin am Institut für Leichtindustrie in Tianjin, dann über den Freund des Bruders des Ex-Freundes einer chinesischen Kommilitonin. Eine lehrreiche Zeit, nehme ich an … Das können Sie laut sagen! Eigentlich habe ich zwar vor allem viel erlebt. Und so viel Herzlichkeit erfahren! Einmal sprach mich auf der Strasse ein junges Mädchen an. «Ich kenne dich!» Ich schaute sie an: Langer, dick wattierter Mantel, Kappe tief in die Stirn und das Gesicht hinter einem Mundschutz versteckt – keine Ahnung, wer sie war. «Ich habe dir doch letzte Woche Bleistifte verkauft im Warenhaus!», und stolz präsentierte sie mich ihren Freunden. Es war eine ganz spezielle Zeit, meine Klasse dort ist mir schnell ans Herz gewachsen. Da die Studenten aus ganz China kamen, waren wir alle «fern von zu Hause» und auch ausserhalb des Unterrichts oft zusammen. Das tat auch meinen Chinesischkenntnissen gut und vor allem dem, was man heute «interkulturelle Kommunikation» nennt. Wie würden Sie es denn nennen? Nun ja, was macht Kommunikation aus? Man muss wissen, in welcher Situation was für ein Verhalten erwartet wird. Tut oder sagt man etwas anderes, wird es lustig. Oder brenzlig. Meist habe ich Fettnäpfchen gesammelt – man sollte einem Vorgesetzten gegenüber auch auf Anfrage hin seine Meinung nicht äussern, ohne sich vorher nach seiner zu erkundigen – oder mich völlig überflüssigerweise aufgeregt. So empfand ich es beispielsweise als Ärgernis, dass mich der Portier des Gästehauses jedes Mal fragte, wohin ich gehe. Bis ich realisierte, dass man hier eben nicht «Auf Wiedersehen» sagt, sondern je nach Situation beispielsweise «Ruhst du dich aus?» oder eben «Wohin gehst du?». Ich konnte also schlicht «Ich gehe weg» antworten. (Schmunzelt.) Nun ja, jedenfalls liess er es durchgehen. Angestarrt werden, das war auch eine neue Erfahrung. Meist war die Aufmerksamkeit freundlich, und es ergaben sich Gespräche. Manchmal überwog aber die Fremdheit. Blonde Haare? Das muss man doch anfassen! Das ist heute natürlich anders. Ausländer gehören in den Städten dazu wie bei uns. Wie lange waren Sie in Tianjin? Insgesamt knapp drei Jahre. Nach einem guten Jahr habe ich an eine richtige Uni gewechselt, wo ich weitere eineinhalb Jahre

blieb. Mit einigen Studenten aus jener Klasse habe ich bis heute Kontakt. Ausserdem ist Tianjin eine sehr interessante Stadt. Knapp 200 km von Beijing entfernt war es eine der Städte, deren Hafen Ende des 19. Jahrhunderts den Kolonialmächten geöffnet wurde. 1976 wurde ein grosser Teil der Stadt durch ein Erdbeben zerstört, aber alte Häuser blieben stehen: Ein deutscher Bahnhof, eine französische Kirche und einige Strassenzüge mit Wohnhäusern wie in England. Nebst einigen Prachtbauten im Zentrum. Es wurde die ganze Zeit mächtig gebaut, sogar die Ausländer wurden «eingespannt» beim Strassenbau! Man merkt aber, dass der Bürgermeister von Tianjin ursprünglich Architekt war. In Beijing sehen viele Gegenden aus, als habe ein Riese ein paar Bauklötze verloren, während die neuen Quartiere in Tianjin immer ein kleines Zentrum mit Markt, Apotheke, Buchhandlung und Post bekamen. Ausserdem wurden in der Stadt Gasleitungen verlegt, so dass die kleinen Kohlekochstellen ersetzt wurden, was der Luft sichtbar gut tat. Als ich vor gut zehn Jahren wieder einmal in Tianjin war, erkannte ich sozusagen nichts wieder. Wenn ich richtig informiert bin, hat Sie der Aufstand auf dem Tiananmen-Platz in die Schweiz zurückgetrieben. Wie haben Sie die Zeit damals in China erlebt? Die Zeit vor diesem 4. Juni war total spannend. So viel Enthusiasmus! Viele Studenten meiner Uni waren in Beijing, die ihre Kommilitonen immer auf dem Laufenden hielten. Bemerkenswert waren die Medien: Eine Live-Übertragung eines Gespräches zwischen den Demonstranten und einem Präsidenten, der den Raum nach einiger Zeit wutentbrannt verlässt, würde es wohl nicht einmal hier geben.

Diese Bilder waren abscheulich und wurden im objektiven Westen nicht gezeigt, soviel ich weiss. Damit war dann aber Schluss, nicht wahr? Das änderte sich schlagartig ab dem 5. Juni 1989: Keine Gespräche mehr auf den Strassen, aber im Fernsehen immer wieder Bilder von Steine werfenden Demonstranten, zerstörten Panzern, verletzten und geschlachteten Soldaten. Diese Bilder waren abscheulich und wurden im objektiven Westen nicht gezeigt, soviel ich weiss. Dort sah man dafür Aufnahmen von verletzten Studenten, von Panzern, die über die Zelte rollten – heute noch über Internet in China nicht zu sehen. Mich beeindruckten vor allem zwei Dinge.

87 Nämlich? Erstens, dass der Deutschunterricht auf Wunsch der Studenten wieder aufgenommen wurde. Das war wenigstens etwas, an dem man sich halten konnte, etwas, das sich nicht verändert hatte. Zweitens meine Reaktion auf die Dauerberieselung der Medien. Obwohl ich mich doch für einen denkenden Menschen halte, obwohl ich wusste, dass die Bilder nur einen Teil der Geschichte erzählten, begann ich irgendwann zu zweifeln. Und verstehe, dass «die Chinesen» heute anders über den Aufstand denken als die Westler: Wer nicht dabei war, bekam hier wie dort etwas ganz Unterschiedliches zu sehen. Aber ich hatte immer geplant, im Sommer 89 zurückzukommen, das hat mit dem Aufstand nichts zu tun.

Punkto Gleichberechtigung könnten wir uns eine Scheibe abschneiden. Nicht nur wegen des Lohns. Und dann, in der Schweiz? Ich musste mir eine Arbeit suchen und habe diese in der Klubschule Bern gefunden. Eingestellt wurde ich als Deutschlehrerin für Intensivkurse und für die Verwaltung der Klubhauskonzerte, dann arbeitete ich als pädagogische Beraterin in Thun und leitete die Sprachabteilung in Bern. Inzwischen bin ich (lacht) in der Informatik gelandet und amte als «dargebotene Maus», wenn unser geliebtes SAP Campus nicht wie wir will. Haben Sie Chinesisch unterrichtet? Da meine Sprachkenntnisse etwas eingerostet sind, habe ich dieses Feld vor gut zehn Jahren den echten Chinesen überlassen. Aber jetzt gerade unterrichte ich eine Zweiergruppe «Chinois», denn die chinesische Lehrerin in Biel spricht kein Französisch. So weit also zu Maya Kelterborn als China-Kennerin. Ich bin sicher, dass die Leserinnen und Leser noch gerne einiges zu Ihren Erlebnissen in China wissen möchten. Was möchten Sie denn hören? Stimmen gewisse Clichés? Ja, ich habe mal geröstete Heuschrecken gegessen, auch Hund, aber keine Schlangen. Nein, Chinesen verwechseln L und R eigentlich nicht. Aber je nach Herkunft kann F und H oder N und L schwierig zu unterscheiden sein. Nein, nicht alle Chinesen essen täglich Reis, die Küche ist je nach Region sehr, sehr unterschiedlich. Aber ja, ein chinesischer Lehrer hat in Deutschland sehr gelitten, weil er weder Brot noch Kartoffeln essen

wollte. Nein, vor einigen Wochen habe ich einem chinesischen Bekannten Fondue vorgesetzt und es schmeckte ihm sehr! Ja, ich wurde oft nach meinem Lohn gefragt. Öfter jedoch nach dem Alter und wie viele Kinder ich hätte. JA! Inzwischen hat es sich aber herumgesprochen, dass Ausländer befremdet reagieren, wenn man sie mit solchen Fragen überfällt (lacht). Wie isst es sich denn, beim «Chinesen» in China? Einmal hatte ich an einem Stand eine Schale Nudeln gekauft. Sie schwammen in einer verlockend duftenden Suppe – aber es gab nur Stäbchen dazu. Ein Kunde sah meine Schwierigkeiten und machte es mir mit breitem Grinsen vor: Schale bis fast zum Mund heben, Nudeln packen und genüsslich einschlürfen. Es funktioniert! Zum Essen im Restaurant: In kleineren Lokalen war die Speisekarte – so überhaupt vorhanden – von Hand geschrieben, für mich unleserlich. Und sogar wenn ich es lesen konnte: Was stellen Sie sich unter «Bettlers Vergnügen» oder «Ameisen steigen auf den Baum» vor? Glücklicherweise sind Chinesen sowohl hilfsbereit als auch phantasievoll. Einmal beendete der Koch meine vergeblichen Versuche, der Kellnerin klar zu machen, dass mein Freund kein Fleisch essen wollte, indem er mir eine dicke Tomate unter die Nase hielt: «Willst du das?» Haben Sie auch Erfahrungen mit der chinesischen Medizin gemacht? Ja, denn ich habe Asthma, und das wurde in einer kohlebeheizten Industriestadt nicht besser. Also habe ich mich mit Akupunktur behandeln lassen. Ausserdem kamen Schröpfgläser zum Einsatz und dann die «Kräutermedizin»: Die ist nicht ganz vegetarisch! Einmal bekam ich einen 20 cm langen Tausendfüssler (getrocknet) zum Mitkochen. Gemahlene Grillenpanzer habe ich gegessen, ein in einer Kröte gekochtes Ei – dafür zogen meine Studenten auf Krötenfang, als wäre das ganz normal … Wie beurteilen Sie die Entwicklung in China, innenpolitisch? Die Werte haben sich verändert. Nach dem 4. Juni 1989 sagten meine Studenten plötzlich: «Vergessen wir die Ideologie, jetzt wollen wir erst einmal reich werden. Dem Tüchtigen gehört die Welt!» Wer etwas mehr Skrupel oder weniger gute Beziehungen hat, bleibt da allerdings leicht auf der Strecke, wie ein Deutschlehrer-Kollege von mir, der fast zerbrach, als seine Tochter in einer ausländischen Firma pro Monat mehr verdiente als er im Jahr. Dabei ist er ein hochgebildeter Mann mit ordentlicher Professur. Während 1980 alle wenig hatten und kaum jemand mehr, gibt es heute sehr Reiche neben mausarmen Menschen. Und jeder sieht, auf der Strasse oder im Fernsehen, was er nicht hat. Das macht eine Gesellschaft nicht stabiler. Sagen Sie, wie steht es eigentlich mit der Gleichberechtigung Mann/Frau? Punkto Gleichberechtigung könnten wir uns eine Scheibe abschneiden. Nicht nur wegen des Lohns. Es ist üblich, dass in

88 China beide Ehepartner arbeiten und sich daheim die Arbeit teilen: Männer kochen, putzen, bringen die Kinder zur Schule oder in die Kita und waschen, nota bene ohne Waschmaschine! Und bei aller Kritik darf man die Riesenschritte nicht vergessen, die China in den letzten 70 Jahren gemacht hat. Vom Ochsenpflug zur Rakete, vom Analphabetismus ins Internet, von der Leibeigenschaft zu ziemlich viel Freiheit in ziemlich vielen Bereichen. Wie lange dürfen die Appenzellerinnen schon abstimmen? Jaja, schon gut … Nobody is perfect. Seit 1990, durch einen Bundesgerichtsentscheid, denn bei der Landsgemeinde hatte eine Mehrheit der Männer den Frauen das Stimmrecht verweigert. Zurück nach China: Stichwort Menschenrechte. Hier polemisiere ich jetzt ein bisschen: Verletzen wir die Menschenrechte der Rätoromanen, weil sie nicht in ihrer Muttersprache studieren können? Weil sie ohne Kenntnis mindestens einer grösseren Landessprache keine gut bezahlte Stelle finden? Auf welcher Seite stehen unsere Sympathien, wenn im Baskenland eine Bombe explodiert? Xinjiang ist viel weiter weg, aber bei den Unruhen dort ist uns ganz klar: Die bösen zentralistischen Chinesen unterdrücken eine Minderheit. Hoppla, klare Worte, ungewohnte. Mein Bruder, der letzten Sommer mit mir in Urumqi war, fasste es so zusammen: Es ist nicht so einfach, wie es nach der Lektüre unserer Zeitungen scheint. Ich war entsetzt, als ich in Xinjiang realisierte, dass der Staat den SMS-Versand oder das Internet kappt. Einfach so. Dass Menschen willkürlich eingesperrt oder ohne Verhandlung festgehalten werden, finde ich nicht nur in China unentschuldbar. Aber: Kinder werden auf uigurisch unterrichtet und lernen Chinesisch als erste Fremdsprache. Es gibt schöne und gut besuchte Moscheen in Xinjiang. Die uigurischen Frauen tragen bunte Kleider, manche ein Kopftuch, andere nicht. Sie fahren Töff, essen im Strassenrestaurant, führen ein Geschäft, sind sichtbar und aktiv in der Gesellschaft. Wenn ich lese, wie es in anderen muslimischen Staaten aussieht, bin ich sehr froh, dass China sich dem entgegenstellt. Auch wenn ich es lieber sähe, es wählte andere Mittel dazu. Was ist denn von der «Masseneinwanderung von Chinesen nach Xinjiang» zu halten? Ich habe verschiedene Chinesen gefragt, wie lange sie schon in Xinjiang seien und warum sie kamen. «Nach der Überschwemmung – oder Dürre oder Erdbeben – in meinem Heimatdorf» war fast immer die Antwort, oder «bei uns gab es keine Arbeit». Die meisten kamen freiwillig, beziehungsweise liessen sich durch Anreize zum Umzug bewegen: Ein grösseres Stück Land, Beihilfe beim Hausbau, bessere Arbeitsmöglichkeiten als bisher. Aber spielen Sie mal Präsident: Ein Teil Ihres Landes ist zu dicht besiedelt, die Menschen finden schon ohne Natur-

katastrophe kaum mehr ein Auskommen. Ein anderer Teil des Landes ist fast leer und Sie brauchen dort Arbeitskräfte. Würden Sie nicht auch eine Umsiedlung forcieren? Maya Kelterborn, das ist schon beinahe unanständig, was Sie da mit mir veranstalten. Aber zu akzeptieren. Besteht denn für den Westen wirtschaftlich die «gelbe Gefahr»? Ich bin in die Klubschule gekommen, weil ich meine Arbeit hier mit dem allerbesten Gewissen tun kann: Den Teilnehmenden zu zeigen, was sie alles lernen können, wie sie persönlich weiterkommen, wie bereichernd das Lernen einer Sprache ist. Was gibt es Schöneres? Als ich 1980 in Beijing landete, erwartete ich, die «blauen Ameisen» in ihren Mao-Anzügen zu sehen, traf jedoch auf warmherzige, neugierige, vorsichtige, hoffnungsfrohe und fähige Menschen. Viele sind ausserordentlich tüchtig, fleissig und erfinderisch. Sie sind weniger verwöhnt als wir, und natürlich gibt es auch Schlitzohren. Sie wollen ein besseres Leben, streben nach unserem Lebensstandard. Ist das gefährlich? Ich weiss es nicht. Dennoch möchte ich weiterbohren: Viele Verkäufer von chinesischen Produkten behaupten, ihre Lieferanten in Bezug auf Arbeitsbedingungen zu überprüfen, fordern einen gewissen Standard. Ist das denn überhaupt möglich? Weht nicht ganz einfach ein anderer – ein positiver – Wind, wenn die ausländischen Delegationen in den Fabriken zu Besuch sind? Sehen Sie: Diese Aussage finde ich typisch. Wegen der Ausländer muss in einem chinesischen Betrieb sofort alles besser sein oder wenigstens aussehen. Sagt das etwas über chinesische Betriebe aus oder über unsere Selbstwahrnehmung? Habe ich nicht letzthin etwas von Swet-Shops in der Nähe von Frankreich gelesen? Wenn wir faire Arbeitsbedingungen verlangen, müssen wir als Konsumenten auch faire Preise für die Produkte bezahlen. In der Migros kann man mit wenig Geld hübsche Stofftierchen kaufen, made in China. Was verdient wohl die Arbeiterin, die sie genäht hat? Was empfehlen Sie der Migros in dieser Beziehung, die ja ein eigenes Büro in Hong Kong betreibt? Ich werde mich hüten, jemandem etwas zu empfehlen, der das sicher besser weiss als ich! Ich gehe davon aus, dass die Mitarbeiter des Büros nicht nur als offizielle Delegation in die Nähe ihrer Produktionsstätten gehen, sondern sich auch mit der «lokalen Bevölkerung» unterhalten, sich umhören, sich umsehen. Und ich bin sicher, dass sie zwar Dinge finden, die verbessert werden können oder müssen. Wo wäre das nicht der Fall? Sie werden aber auch vieles finden, was wirklich gut läuft. Denn: Auch den Chinesen ist bewusst, dass wir nur eine Welt haben. Gibt es doch eine alte Redensart, um kurzsichtiges Verhalten lächerlich zu machen: Nur der Allerdümmste verspielt den grossen Nutzen wegen des kleinen Vorteils!

Jacqueline Klossner

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.. "Plotzlich war ich zweifache Weltmeisterin!"

90 Jacqueline Klossner Bernaqua Erlebnisbad + SPA, Westside

Eine Vorbemerkung zu diesem Interview: Von einem Fitness-Kunden des Bernaqua – von Herrn B. – haben wir einen begeisternden Brief erhalten. Der Partner eines grossen Treuhandunternehmens hat eine lange Unfall- und Krankengeschichte. In seinem Brief schildert er uns, wie er dank Jacqueline Klossner als Personaltrainerin sozusagen «wieder zurück ins normale Leben» gefunden hat, Schritt für Schritt, im wahrsten Sinne des Wortes.

Aber klar, ich verstehe die Frage, Ihre Bedenken: Wenn ich mir nicht sicher bin, inwieweit ein Medikament dem Training eines Patienten hinderlich sein könnte, bitte ich ihn, mit seinem Arzt darüber zu reden. Ich will jedes Risiko zum vornherein ausschliessen.

Jacqueline Klossner, dieser Kunde, vom dem die Rede ist, Herr B., weshalb hat er Sie aufgesucht? Wie kam es dazu? Auf Grund seiner Krankengeschichte hat er sich für einen Personal Trainer entschieden. Das Westside hat er sich aus «nahe liegenden Gründen» ausgesucht – er wohnt in der Nähe –, worauf er mit Boris Caminada in Kontakt kam, dem Leiter des Bernaqua Fitness. Und Boris hat Herrn B. empfohlen, wenn schon, dann «die Beste» zu nehmen (lacht schallend), mich!

Wie haben Sie die Fortschritte von Herrn B. erlebt? Sie gehen mir aber ganz forsch zur Sache.

Ohne, dass wir direkt ins Medizinische abgleiten, und weil ich davon eh nichts verstehe: Was war sein grösstes Problem? Er hatte Schwierigkeiten mit seiner Balance, er hatte starke Gleichgewichtsstörungen, konnte nicht einmal mehr auf eine seiner vorher geliebten Wanderungen, weil er ständig stolperte. Wie haben Sie sich mit Herrn B. besprochen, was wurde abgemacht? Ich habe auch mit Herrn B. das gemacht, was wir immer machen, nämlich den «Ist»-Zustand analysiert. Das heisst? Wir müssen wissen, mit wem wir es zu tun haben, und das geht natürlich weit über die persönlichen Daten hinaus wie Adresse, Körpergrösse, Alter oder Gewicht. Wir messen beispielsweise den Umfang seiner Hüfte, seiner Taille, machen einen Krafttest mit ihm … … was ist das, Zementsäcke schleppen? (Lacht) Äuä! Kniebeugen, Klimmzüge, Liegestützen, dann messen wir Blutdruck, checken den Puls im Ruhezustand, messen das Körperfett, wollen allerhand wissen, zum Beispiel, ob er Raucher ist, ob er chronische Krankheiten hat, ob er Medikamente einnimmt – und noch einiges mehr. Halt! Stichwort Medis. Wie wollen Sie – als Nicht-Apothekerin oder -Ärztin – wissen, wofür ein Medi gut ist und wie es den Körper beeinflusst? Also, da kann man sich inzwischen extrem gut im Internet schlau machen, abgesehen davon, dass ich mir auch diesbezüglich in den letzten Jahren natürlich einiges an Wissen angeeignet habe.

Zurück zur Frage: Was wurde abgemacht, mit Herrn B.? Wir haben uns natürlich ganz intensiv über seine Beweggründe unterhalten, weshalb er denn einen Personal Trainer aufsucht. Und ich glaube, man kann seinen Wunsch in einem Wort zusammenfassen: Lebensqualität!

Ist halt so meine Art … Also beantworte ich die Frage sofort und komme dann erst auf einige wichtige Zwischenstationen zurück: Die Fortschritte von Herrn B. sind … unglaublich! Wirklich … unglaublich! Heute macht er Balance-Übungen wie ein Spitzensportler, auch im koordinativen Bereich, wenn er zum Beispiel auf einem Ball steht und ich ihm dann etwas zuwerfe – und er mir zurück. Es ist wirklich unglaublich!

Heute macht er BalanceÜbungen wie ein Spitzensportler, auch im koordinativen Bereich. Es ist unglaublich! Wie sind Sie im Fall von Herrn B. vorgegangen? Wie gesagt, er hatte Gleichgewichtsstörungen, und deshalb haben wir sozusagen bei null begonnen: «Versuchen Sie, auf einem Bein zu stehen.» Dann ging es weiter, Schritt für Schritt. Stehen Sie jetzt auf beiden Beinen? (Überlegt kurz, was die Frage soll, dann schallendes Gelächter) Sicher nid!! Ein nächster Schritt heisst immer Progression. Bei Herrn B. kam bei verschiedenen Übungen ein instabiler Untergrund dazu, zuerst habe ich ihn gehalten, mit der Zeit immer weniger, zum Schluss konnte er bei einer bestimmten Übung selber ausbalancieren. Wichtig dabei ist, dass man einen Teilnehmenden fordert, aber nicht überfordert. Das heisst? Eine Progression gibt es nur, wenn eine Übung «sitzt», wenn nicht, gehen wir eine Stufe zurück, damit der Teilnehmende auch wieder zu seinem Selbstvertrauen findet.

91 Reden Sie eigentlich mit Ihren Gästen – oder wie nennen Sie sie? Kunden? Kundinnen und Kunden. Ja, ich rede während des Kurses ständig mit ihnen. «Wie fühlst du dich?», ich checke ihren Puls, bin ständig bei und mit ihnen, sonst wäre ich ja kein Personal Trainer. Wie erleben Sie Herrn B. heute? Es ist fantastisch mit ihm, wir haben auch ein extremes Vertrauensverhältnis aufgebaut. Ich empfinde das nicht als ein normales Verhältnis Teilnehmer/Personal Trainer, es ist mehr wie ein … (denkt lange nach) nein, Vater-Tochter-Verhältnis ist der falsche Ausdruck, wir sind einander einfach sympathisch. Und darauf kommt es ja an, wenn man zusammen etwas erreichen will. Sagen wir es auch so: Sie können noch lange zu einer Coiffeuse gehen, die toll schneidet, Ihnen aber total unsympathisch ist – Sie werden sich nach einem anderen Coiffeur umsehen. Jacqueline Klossner, nun wollen wir nicht gerade bei «Adam & Eva» beginnen, deshalb direkt in medias res: Was für eine Ausbildung haben Sie eigentlich abgeschlossen? Ich bin ursprünglich Primarlehrerin, war am Lehrerseminar in der Länggasse Bern und dann in der Lerbermatt Köniz. Unterrichtet habe ich von 1985 bis 1997 in Schliern. Parallel dazu habe ich mich im Bereich Fitness engagiert, habe viele Kurse besucht und war dann in erstaunlich kurzer Zeit auf «nationalem» Niveau, auch dank der Ausbildung bei der Swiss Academy of Fitness & Sports SAFS. So ergab es sich, dass ich im Laufe der Jahre immer weniger «Schule» gab, mich aber immer mehr in der Fitness engagierte, vor allem im Raum Zürich, so dass ich dann in jene Gegend zügelte. Dort gebe ich heute auch Schule. Habe ich das richtig verstanden? Sie sind Primarlehrerin im Züribiet – und arbeiten gleichzeitig im Bernaqua? Wie geht denn das? Das ist eine längere Geschichte … … die sich bestimmt auch ganz kurz skizzieren lässt. Ich habe dort den Spagat gemacht. An erster Stelle standen Fitnesskurse, dazu bin ich auch wieder in den Lehrerberuf eingestiegen. Heute ist es so, dass ich Montag, Dienstag und Mittwochmorgen in Dietikon Schule gebe, am Mittwochnachmittag, Donnerstag und Freitag im Bernaqua bin.

heute Leiter des Direktionsbereichs Freizeit. Zurück zu Ihnen, Jacqueline Klossner. Boris hat mich in Zürich angerufen und mir angeboten, den Bereich Personal Trainer aufzubauen. Ich habe ihm dann gesagt, «Boris, du weisst aber schon, dass ich extra nach Zürich gezügelt bin …». Item, ein Wort hat das andere ergeben, nach reiflicher Überlegung habe ich sein Angebot angenommen. Und jetzt eben tanze ich auf zwei Hochzeiten, in Dietikon – in der Region gebe ich auch Fitnesskurse – und im Bernaqua. Sie haben sich, so wissen wir, auf verschiedenen Gebieten weitergebildet. Zum Beispiel? Oh Gott! Wir wollen hier doch nicht auf Hochleistungsschau machen, nicht wahr?

Gruppenkurse sind ideal für Leute, die etwas für ihr allgemeines Wohlbefinden tun wollen. Nein, nur ein bisschen backstage schauen … Henusode, wenn es denn sein muss … Ich besitze zum Beispiel den Eidgenössischen Fachausweis für Fitness, jener des Personal Trainers SPTV, bin Step Reebok Master Trainer, Les Milles Trainermanager, einfach auf dem höchsten Niveau, auf dem man in der Schweiz sein kann. Dazu kommt natürlich, dass man sich in der ganzen Fitnesswelt – vor allem den USA – umschauen muss, was sich gerade so tut, welche Entwicklungen angesagt sind. Diese muss man verfolgen und – wenn man sie als gut erachtet – sofort umsetzen, um auch hier das berühmte M besser zu sein. Das Stichwort ist längst gefallen. Was versteht man denn unter einem Personal Trainer? Zuerst einmal: Der Begriff ist nicht geschützt, auch Sie können sich Personal Trainer nennen.

Weshalb der Ruf nach Bern? Ouw! Auch das ist eine lange Geschichte! Ich kenne Boris Caminada seit vielen Jahren sehr gut, den Leiter Fitness im Bernaqua, noch zu Zeiten, als er zusammen mit Jochen Müller FlowerPower aufgebaut und geleitet hat.

Wo trennt sich dann der Spreu vom Weizen? Zum Glück gibt es den SPTV, den Schweizer Personal Trainer Verband, wo nur Leute aufgenommen werden, die auch einen Leistungsnachweis mitbringen. Kommt hinzu, dass Krankenkassen nur dann einen Teil von gewissen Therapien übernehmen, wenn der Patient bei einem Personal Trainer SPTV ist.

Zwischenbemerkung zum besseren Verständnis für unsere Leserinnen und Leser: Boris Caminada und Jochen Müller haben FlowerPower der Migros Aare übergeben, Jochen Müller ist

Und wie kann ein Personal Trainer helfen? Indem ich 1:1 beim Teilnehmenden bin, individuell, nur für ihn da. Das beginnt dadurch, dass wir zusammen seine Ziele fest-

92 legen, diese dann gemeinsam angehen und ich ihn während dieser Phase eng begleite, ihn coache, ihn überwache.

Geben Sie im Bernaqua auch Gruppenkurse? Ja, drei verschiedene, BodyPump, BodyCombat und rpm Cycling.

Das ist dann wohl der grosse Unterschied zu Gruppenkursen. Genau. Gruppenkurse sind ideal für Leute, die etwas für ihr allgemeines Wohlbefinden tun wollen, aber keine derart spezifischen Probleme wie Herr B. haben. In Gruppenkursen wäre er nie derart schnell auf ein vergleichbares Niveau gekommen.

Wunderbar. Erklären Sie mir Landei einmal, was ich unter BodyPump zu verstehen habe. BodyPump ist das ultimative Langhantel-Workout mit energiegeladener Musik. Stärkt Hauptmuskelgruppen, Knochen und Immunsystem und baut ausserdem Körperfett ab.

Bei Herrn B. ging es um einen empfindlich gestörten Gleichgewichtssinn. Ich nehme nicht an, dass dieses Problem ein alltägliches ist für eine Personal Trainerin. Welches sind denn die häufigsten Gründe, einen Personal Trainer aufzusuchen? Bei Frauen ist es eindeutig ein Gewichts- resp. ein Figurproblem, bei den Männern geht es um Beschwerden im Rücken – eventuell vom vielen Sitzen im Büro – oder in den Gelenken. Aber auch Männer kommen natürlich mit Gewichtssorgen.

BodyCombat? BodyCombat verbindet Elemente der Selbstverteidigung – Karate, Boxen, Thai Chi und andere – in einer motivierenden Choreographie. Hier trainiert man seine Schnelligkeit und Fitness.

Mit Sport allein kommt man den Kilos ja nicht bei … Nein, hier geht es darum, sich ein ganzheitliches Bild zu verschaffen, in Bezug auf Ernährung und Bewegung.

Weshalb denn das? Hier fühlt man die Geschwindigkeit des gelenkschonenden Indoor Cycling Programms auf der erlebnisreichsten Fahrt Ihres Lebens … (schmunzelt).

Im Sportlichen sind Sie ja ein Ass, aber Sie sind ja keine Ernährungsberaterin … Nein, das bin ich nicht, aber Ernährungscoach. Wie bei Medikamenten habe ich in den letzten Jahren sehr viel gelernt in Sachen Ernährung, auch durch Weiterbildungskurse. Ich habe also ein Basiswissen. Trennkost heisst also nicht am Morgen die Schoggi und am Nachmittag die Guetzli … (Lacht) Eher nicht, nein. Ich kann den Leuten wirklich Tipps geben, worauf sie achten sollen, was vernünftig ist und was nicht. Wichtig ist hier auch die Kontrolle, die Selbstkontrolle. Und wenn nach vier Wochen schon das eine oder andere Kilo weg ist, dann gibt das einen regelrechten Motivationsschub. Übrigens, noch wegen des Wissens: Ein guter Freund von mir ist Ernährungswissenschafter, der kann mir jeweils auch weiterhelfen. Und glauben Sie mir, ich bin mir nicht zu schade, Fachleute anzugehen, wenn ich selber nicht weiter weiss. Spielen die finanziellen Möglichkeiten des Kunden eigentlich eine Rolle für eine optimale Betreuung? Geradeheraus gefragt: Was kostet mich eine Privatstunde mit Jacqueline Klossner als Personal Trainerin? Bei mir nicht, ich bin ja Migros-Angestellte! Ich höre schon von Kollegen, die 250 Franken pro Stunde verlangen – und offenbar auch bekommen. Bei uns kommt es auf das Abo an, das jemand bucht. Eine Einzelstunde kostet 150 Franken, bei 12 Lektionen – das meistgebuchte Abo – reduziert sich die Stunde auf 135 Franken, bei 48 Lektionen, was dann aber eher selten ist, auf 105 Franken.

Und rpm Cycling? Verbrennt Fett, trainiert den Kreislauf und verbessert die Ausdauer. Sollten Sie mal machen!

Ach, wissen Sie, ich bin mehr der Outdoor-Typ, ich gehe joggen, betreibe Krafttraining auf dem Vita-Parcours … Tja, jedem das Seine, Hauptsache doch, man tut etwas für seine Fitness. Genau. Und jetzt Themenwechsel. Herr B. erwähnt in seinem Brief, dass Sie zweifache Weltmeisterin in Ihrer Figurenklasse sind. Zuerst einmal: Was ist das überhaupt? Eine sanfte Form von Bodybuilding.

Ich kann den Leuten wirklich Tipps geben, worauf sie achten sollen, was vernünftig ist und was nicht. Aha, Anabolika und Clenbuterol light? Pump you up? Falsch! Ganz falsch. Aber genau diese Exzesse im klassischen Bodybuilding haben zum eigentlichen Bodyforming geführt. Ich starte für die «Swiss Natural Bodybuilding Federation» SNBF, die ihrerseits dem Weltverband angeschlossen ist. Und was heisst das konkret? Ich gebe Ihnen ein einziges Beispiel, wie streng die Aufnahmebedingungen bei uns sind: Um bei der SNBF aufgenommen zu

93 werden, muss man sich einem Lügendetektor-Test unterziehen, von einer Fachfrau durchgeführt, die ihrerseits die Bewilligung hat, solche Tests durchzuführen. Damit will man sicherstellen, dass eine Athletin «sauber» ist. Und der optische Unterschied zum klassischen Bodybuilding? Ich nenne das klassische Bodybuilding Hardcore, weil es nur noch darum geht, sich als Muskelpaket zu präsentieren, ich denke nicht, dass ich in die Details muss, die Bilder dieser Leute sind Ihnen sicher bekannt. Beim Natural Bodybuilding geht es darum, den Körper ganzheitlich in seiner besten Form zu zeigen. Klar, mit austrainierten Muskeln, aber eben nicht aufgepumpten. Und wie präsentieren Sie sich dann der Jury? In sportlichen Posen, die Hardcore-Posen à la Arnold Schwarzenegger kennen wir nicht, hingegen müssen wir zum Beispiel auf dem Catwalk laufen, sportlich elegant. Wie ging das genau, mit Ihren beiden Weltmeister-Titeln? (Wirkt jetzt fast ein bisschen verlegen) Grundvoraussetzung ist der Schweizermeister-Titel, erst dann wird man zu den globalen Wettkämpfen zugelassen. 2006 war die WM in New York, im Martin Luther King College, in einer riesigen Aula. Beim Natural Bodybuilding gibt es verschiedene Kategorien, je nach Körpergrösse. Meine Kategorie habe ich gewonnen – und dann auch noch den WM-Titel im Vergleich mit den anderen Kategorien. Ich war also plötzlich Doppelweltmeisterin, Wahnsinn! Ich will ja nicht gerade behaupten, dass ich sämtliche Publikationen der Schweiz lese, aber doch einige überfliege. Weshalb habe ich Sie in den Medien verpasst? Sie haben mich überhaupt nicht verpasst, diese Titel haben – mit Ausnahme einer Reportage im «Berner Bär» – niemanden interessiert, im Gegensatz zum Hardcore-Bodybuilding. Ich bin von Pontius zu Pilatus gelaufen, symbolisch, niemand fand das interessant genug … Inwieweit spielen diese beiden Titel für Ihre Arbeit im Bernaqua eine Rolle? Sagen wir es so: Sie spielen eine Rolle, wenn ich Vorträge halte. Eine Doppel-Weltmeisterin ankündigen zu können, das hat halt schon Substanz für einen Veranstalter. Husch eine Frage zu New York 2006. Haben Sie nochmals an einer WM teilgenommen? Nein, denn ich wollte nicht nochmals das Gleiche machen. Wenn schon, dann etwas anderes. 2010 wäre es fast so weit gewesen, in einer neuen Kategorie, diese haben die Veranstalter dann aber kurzfristig abgesagt,

obwohl ich von meinem Training her voll auf Kurs war. Die Veranstalter haben mir gesagt, ich könne bei der «BikiniKategorie» mitmachen … Und das wollten Sie nicht, trotz perfekter Figur? (Schallendes Lachen) Nein, wirklich nicht! Schauen Sie, ich bin nicht mehr 20, und das würde ja peinlich, die ältere Frau inmitten der jungen Girls. Kommt noch etwas anderes hinzu … Nämlich? Doping ist bei uns tabu, nicht aber Silikon. Schon deshalb hätte ich keine Chancen gehabt. Sie trainieren professionell. Schlafen Sie sozusagen auch in einem Fitnesszentrum, Matratze am Boden? (Wieder dieses herrliche Lachen) Wenn Sie wüssten! Nein, wenn ich trainiere, dann in einem Fitness-Studio, zu Hause sieht es eher nach einem Kleiderladen aus. Ich liiiebe Kleider! Sagen Sie, wie oft trainieren Sie eigentlich sich selber? Täglich. Keine Motivationsprobleme, «hüt stinkts mir»? Überhaupt nicht, nein, nie. Wie lange dauert denn so ein Training? Das ist unterschiedlich, im Schnitt ungefähr 1½ Stunden pro Tag. Freitag ist Hardcore-Tag, da sind es drei Stunden. Wir führen dieses Gespräch an einem Freitagnachmittag … Und die drei Stunden stehen mir noch bevor. Doppelweltmeisterin. Villa in Gstaad, Yacht im Hafen von Monte Carlo, der Wintersitz auf Sanibel/Captiva, wo Sie der älteren Generation in Florida Kurse geben? (Kriegt fast einen Schreikrampf) So stellen Sie sich das vor, nicht wahr? Genau. Nichts dergleichen. Für meine NewYork-Reise habe ich 2006 ungefähr 10’000 Franken aufgewendet. Übrigens: Ich suche noch immer einen Sponsor. Denn ich würde wirklich zu gerne einmal in New York auf Einkaufstour, Fifth Avenue, mit einer Art Carte Blanche von Kreditkarte …

.. "Wir Schuler wurden oftmals geschlagen."

Max Liechti

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95 Max Liechti Chauffeur, Schönbühl

Max Liechti, wer Sie nicht kennt, weiss nicht, dass Sie schwerhörig sind. Wie stark sind Sie handicapiert? (Überlegt) Wie soll ich Ihnen das am besten erklären? Klar, ich könnte Ihnen jetzt medizinische Befunde zu erklären versuchen, aber ich denke, diese Zahlen und Analysen sind schwer nachvollziehbar. Sagen wir es deshalb so: Ich bin beidseitig gleichermassen eingeschränkt, es ist vermutlich am einfachsten so zu erklären, als wenn Sie Radio hören möchten, die Lautstärke aber eher einem Flüsterton gleichkommt. Seit wann haben Sie diese Behinderung? Seit meiner Kindheit, wobei medizinisch nicht ganz klar ist, ob bereits von Geburt an.

Die Kommunikation ist bei unserer Familie auch dadurch erschwert, dass meine Frau Margrit gehörlos ist. Wie muss man das verstehen? Ein Ereignis spielt möglicherweise eine entscheidende Rolle. Ich bin 1956 geboren, wir haben in einem Bauernhaus in Schwarzenegg gewohnt, oberhalb Steffisburg. Dieses Haus ist 1959 abgebrannt. Als man daran war, es wieder aufzubauen, bin ich von einem Gerüst gestürzt. Ein Bauarbeiter konnte den Sturz zwar noch abfedern, dennoch bin ich ziemlich hart mit dem Kopf aufgeschlagen. Im Spital stellte man keine sichtbaren Verletzungen fest, bat aber meine Mutter, darauf zu achten, ob sich nachträglich etwas feststellen lasse. Nach diesem Unfall fiel auf, dass ich nicht wie andere Kinder auf das Bellen von Hunden oder das Krähen eines «Güggels» reagierte. Vorher hat das niemand bewusst festgestellt, so dass unklar bleibt, seit wann ich diese Hörbehinderung habe. Haben Sie Geschwister? Ja, drei Brüder, und die «Brüetsche» sind gesund, nichts deutet also auf eine Erbkrankheit hin.

Sie lesen von den Lippen ab, wie lernt man das? Oder wie sagt man dem korrekt? Ja, das ist mir eine enorme Hilfe, vor allem, wenn mein Gesprächspartner und ich nicht allein sind. Wichtig dabei ist, dass wir sozusagen «von Angesicht zu Angesicht» sprechen, Augenkontakt haben und mein Vis-à-vis langsam spricht, dann hilft mir das enorm, natürlich auch «auf Distanz», wenn jemand mit mir kommuniziert, der weiss, dass ich ab den Lippen lese, uf Bärndütsch «vom Muu abläse». Das habe ich in der Sprachheilschule gelernt. Das Faszinierende bei Ihnen, Sie verstehen Dialekt. Wie lernt man das, da es doch verschiedene Dialekte gibt? Die gängigen Dialekte bereiten mir keine Schwierigkeiten, wenn es allerdings in Richtung Appezöll oder Oberwallisch geht, dann komme ich auch nicht immer mit (lacht). Hilfreich ist in jedem Fall die Gebärdensprache, wie man sie auch vom TV her kennt. Diese Gestik ist international, so dass auch ausländische Gehörlose in einem solchen Fall via Dolmetscher «mitdiskutieren» können. Matthias Mast, Chefredaktor des «Berner Bär», den Sie ja auch kennen, hat mir einmal gesagt, er würde Sie gerne an offizielle Empfänge mitnehmen, damit Sie Leuten aus Distanz «ab den Lippen» lesen und ihm sagen, was dort gerade so besprochen wird … Wie gefällt Ihnen die Idee? (Schmunzelt) Typisch Matthias Mast … Aber ich denke, wir lassen es bei der Idee bleiben. Man versteht Sie beim Sprechen sehr gut. Wie haben Sie sich da geschult? Müssen Sie heute noch immer ein «Training» machen, mit Sprachübungen? Meine besten Lehrer sind unsere beiden Söhne, Matthias (19), der in der Ausbildung zum Informatiker ist, und Lukas (17), der Schreiner lernt. Beide sind gesund und korrigieren mich, wenn sie etwas nicht verstanden haben. «Vater, du musst das anders aussprechen, damit man dich gut versteht, nämlich …» und dann folgt die erwähnte Nachhilfestunde. Die Kommunikation ist bei unserer Familie auch dadurch erschwert, dass meine Frau Margrit gehörlos ist. Aber eines muss ich Ihnen sagen … Nämlich? Dass ich stolz auf unsere Familie bin, dass wir uns trotz der Hörprobleme so gut verstehen. Ihr Stolz ehrt Sie, und diesen kann ich nachvollziehen. Zurück noch schnell zu Ihrer Frau: Wo haben Sie beide sich denn kennengelernt? Wir sind beide in die Sprachheilschule Münchenbuchsee gegangen, haben uns danach aber zehn Jahre aus den Augen verloren. Auf einem Ausflug nach Paris – der für Gehörlose

96 organisiert wurde – sind wir uns im Zug erstmals wieder begegnet, von Bern nach Paris, nach dieser langen Zeit. Und so ergab es sich dann, dass … Wann genau war das? (Überlegt) Uhh!! 1983?

Wissen Sie, heute bringt man den Behinderten viel mehr Verständnis entgegen als vor 40 Jahren. Aber, aber … Jede Wette, dass Ihre Frau das sehr genau weiss … (Lacht) Bestimmt, ja. Ist Ihre Frau berufstätig? Ja, das ist sie. Sie arbeitete früher als Spitalgehilfin, heute ist sie Raumpflegerin. Von Firmen wie Phonak weiss man, dass sie technisch hochentwickelte Hörgeräte herstellen. Tragen Sie eines? Ja, heute trage ich eines, weil ich um dieses Interview wusste. Es ist schon eine gewaltige Hilfe und eine Steigerung der Lebensqualität, in solchen Situationen. Während der Arbeit hingegen schalte ich es aus, wenn ich es überhaupt trage, denn das Gerät verstärkt alle Geräusche, so dass es einem eher «schturm» wird. Gehen wir zurück in Ihre Vergangenheit. Wie haben Sie die Zeit als Kind erlebt, in der Schule? Ich bin meinen Eltern sehr dankbar, dass ich in die Sprachheilschule nach Münchenbuchsee durfte, denn dadurch habe ich gelernt, aus meiner Hörbehinderung das Beste zu machen, mit der Sprach- und Grundausbildung. Wer weiss, was sonst aus mir geworden wäre. Möglicherweise wäre ich Knecht geblieben, mit fehlender Allgemeinbildung und einer unverständlichen Aussprache. Aber die Zeit in Münchenbuchsee war sehr, sehr hart. In welcher Beziehung? In jeder Beziehung, nicht bloss der Behinderung wegen. Wissen Sie, heute bringt man den Behinderten viel mehr Verständnis entgegen als vor 40 Jahren, sie sind zum grossen Teil in die Gesellschaft integriert, bei uns war das noch ganz anders. In welcher Beziehung denn? Ich weiss gar nicht, ob ich darüber sprechen will oder soll …

Machen Sie doch einmal einen Anfang, Sie können noch immer abbrechen oder ich streiche dann einiges, wenn ich das Gefühl habe, es sei unpassend. Ich versuche es, vor allem im Wissen, dass das alles 40 Jahre und mehr zurückliegt und dass die massgebliche Erzieherin nicht mehr lebt. Das tönt ziemlich beunruhigend. Wissen Sie, wir wurden vielfach geschlagen, meistens zu Unrecht, weil wir uns nicht richtig erklären konnten und missverstanden wurden. So wurden damals gewisse Missverständnisse gelöst. In der Sprachheilschule? Ja, wobei ich sagen muss, dass viele Erwachsene dort anständig zu uns waren, aber eben nicht alle. Einmal, als ich mich krank fühlte, hat man mich kurzerhand allein in ein abgedunkeltes Zimmer gesperrt, den ganzen Tag lang, ohne sich um mich zu kümmern. Ich kann Ihnen sagen, das vergisst man sein Leben lang nie (erzählt diese Erlebnisse mit einer augenfälligen Gefühlsschwankung). Nein, es waren keine schönen Jahre, vielleicht von den beiden letzten abgesehen, in der 8. und 9. Klasse, weil ich da körperlich stärker war und man mich deswegen wohl eher in Ruhe gelassen hat. Und dann als Jugendlicher, in der Ausbildung? Ich habe Müller gelernt, bei der Mühle Rotachen in Unterlangenegg, während dreier Jahre, danach bin ich noch vier Jahre geblieben. Einmal, da hatte ich einen gröberen Unfall, als mir ein 100 Kilogramm schwerer Mehlsack auf den Fuss gefallen ist und das Sprunggelenk arg verletzt hat. Ich hatte damals während langer Zeit starke Schmerzen, so dass ich befürchten musste, dass ich meinen Traumberuf nie werde ausüben können. Was war denn Ihr Traumberuf? Lastwagenchauffeur! Allein schon wegen meiner Hörbehinderung war das kein einfaches Unterfangen, aber noch zusätzlich mit einem kaputten Fuss, da hätte ich die Sache begraben können. Abgesehen davon, auch meine Eltern mochten nicht daran glauben, dass ich jemals hätte Lastwagenfahrer werden können. Zum Glück ist der Fuss langsam, aber sicher ausgeheilt. Sie aber haben Ihren Traum nie aufgegeben. Nein, nach meiner Zeit in der Mühle habe ich 1½ Jahre Nachtschicht gearbeitet, in Konolfingen, bei der damaligen Berner Milchgesellschaft. In dieser Zeit habe ich «tagsüber» meine Prüfung zum Lastwagenchauffeur gemacht, danach habe ich bei einem Transportunternehmen als Chauffeur angefangen. Dort bin ich vor allem für Denner gefahren, hatte aber auch Gelegenheit, ins Ausland zu fahren, nach Skandinavien.

97 Weshalb sind Sie dort weg? Die Arbeitsbedingungen waren auf die Länge unerträglich, Überstunden die Regel, ohne dass sie bezahlt worden wären. Es gehörte einfach dazu. Zu jener Zeit arbeitete mein Bruder bei der Migros. «Chumm doch zu üüs!», meinte er. Es tönte fast nach dem Paradies, was er mir erzählte: Eine faire Bezahlung, eine geregelte Arbeitszeit, gute Sozialleistungen. Also habe ich mich in Schönbühl beworben, 1982. Und so sind Sie Lastwagenfahrer bei der Migros geworden. (Wehrt ab) Nenei, eso schnäll isch es nid gange … Ich wurde als Staplerfahrer engagiert. Das ist ein Job, der vielfach unterschätzt wird und sehr viel Aufmerksamkeit erfordert. Es war auch für mich eine Herausforderung und etwas Neues. Übrigens hat mir Dieter Fahrni – wir konnten in den letzten Wochen ja einiges über ihn und seine Familie in der «aare-info» lesen – in dieser Zeit sehr viel geholfen, er war mir eine echte Lebenshilfe in Schönbühl. Aber mein Wunsch war es halt doch, wieder einmal hinter dem Steuer eines Lastwagens zu sitzen. Ich habe beim damaligen Vorgesetzten auch immer insistiert, aber da hiess es immer «Was wosch itz uf ene Laschtwage? Als Staplerfahrer hesch doch es greglets Läbe, ohni Räge oder Schnee uf de Strasse …» Ich mochte mich damit nicht abgeben, und zum Schluss bin ich wohl ziemlich laut geworden, so dass … So dass? So dass ich meinen Wunsch erfüllt bekam. Von nun an war ich offizieller Fahrer des … Schönbühl-Ghüderlastwagens, fuhr immer die Strecke Schönbühl-KVA-Schönbühl, mit Zwischenhalten im Wankdorf und im Zähringer, wo ich Abfall mitnahm. Aber irgendwann hatte ich das Gefühl, dass ich doch ein «richtiger» Migros-Lastwagenfahrer sein wollte; einer, der Food fährt, nicht Abfall. Also habe ich wieder «gegen oben» zu stüpfen begonnen. Mit Erfolg? (Lacht) Ja. Weil ein anderer Fahrer wegen Rückenproblemen den Job aufgeben musste, wurde ein «Cockpit» frei. Allerdings war es nicht gerade eine Weltreise, die ich zu Beginn fahren durfte. Mit Michael Sutter habe ich jahrelang die Route Riggisberg – damals noch zum Giro-Laden Grünig – und Fellergut abgewech-

selt. Mal er eine Woche, mal ich. Jetzt fährt es sich schon etwas abwechslungsreicher. Frage aller Fragen: Wie wird man als Hörbehinderter Lastwagenfahrer? Wissen Sie, ich bin ja nicht gehörlos, im Auto lasse ich durchaus das Radio laufen. In der Schweiz können Gehörlose auch nicht Lastwagen fahren, im Gegensatz zu anderen Ländern. Aber klar: Ich muss mich sicher viel mehr auf die Strasse konzentrieren, als wenn ich keine Hörbehinderung hätte. Offenbar mache ich das nicht schlecht, denn einen gröberen Unfall hatte ich noch nie. Hoffentlich bleibt es dabei. Zudem ist es so, dass ich alle zwei Jahre ins Inselspital muss, um mein Gehör prüfen zu lassen. Eine an sich blöde Frage, aber ich weiss nicht, wie ich Sie sonst stellen soll: Nehmen Sie am beruflichen Alltag teil? Ja, sicher. Mit den Routiniers unter den Chauffeuren ist es einfach für mich mit der Verständigung, denn sie wissen genau, wie sie mit mir reden müssen, auch mit Fritz Baumann und Thomas Schenkel vom Transport habe ich keine Probleme. Angewöhnungsschwierigkeiten gibt es bei neuen Kollegen, die mich komisch mustern, wenn ich etwas nicht verstehe oder missverstehe. Es ist eben schon so, dass man die Behinderung nicht sieht. Wenn sie dann von «Altgedienten» aufgeklärt werden – «dr Mäxu ghört nid guet …» -, so regelt sich das dann von selber, mit der Zeit.

Ich muss mich sicher viel mehr auf die Strasse konzentrieren, als wenn ich keine Hörbehinderung hätte. Sagen Sie, wenn Sie Wunschkonzert machen könnten: Was würden Sie sich wünschen, für Ihre Zukunft? Wissen Sie, ich bin sehr zufrieden, mit meinem Leben, mit und in meiner Familie.

"Ich erlebe Lustiges, mit meinem Namen..."

Bianca Mboob-Streit

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99 Bianca Mboob-Streit Migros Lorraine

Bianca Mboob, Ihr Name tönt nicht gerade danach, als ob Mürren oder Wengen Ihre Heimatorte wären. Woher kommen die Mboobs? Dieser Name kommt aus Gambia, dem kleinsten Land in Afrikas Westen. Gambia wird auch das «Lächeln Afrikas» genannt, wegen des Gambia-Rivers. Übrigens, mein lediger Name «Streit» kommt vom Belpberg. Wie kamen Sie denn auf den Gedanken – und wann genau! – nach Gambia zu reisen? Bei welcher Gelegenheit? Mit wem? Auslöser, wenn man dem so sagen darf, waren Freunde, die mich 1999 spontan aufgefordert haben, mit nach Gambia zu kommen. Ebenso spontan sagte ich dann zu. Wir haben zwei wunderschöne Wochen dort verbracht. Und wäre der Flug nicht derart teuer, ich würde jedes Jahr hinfliegen (lacht). So, und jetzt genauer: Wie haben Sie Ihren Mann kennengelernt, bei welcher Gelegenheit? Das ist noch ganz komisch ... Ich weiss, dass wir uns 1999 in Gambia begegnet sind, kann mich aber nicht sehr gut daran erinnern, im Gegensatz zu meinem Mann. 2001 haben wir uns dann nochmals getroffen, in Gambia, als ich mit Freunden unterwegs war. Mehr oder weniger per Zufall haben wir uns im Januar 2003 hier in der Schweiz wieder gesehen, daran erinnere ich mich hingegen sehr genau. Er hat mich auf Anhieb wiedererkannt. Da ergab es sich dann, dass wir uns sehr oft gesehen haben, zeitweise fast täglich, wir haben zusammen Ausflüge unternommen, übers Weekend, sind zusammen auch in den Ausgang, nach Zürich oder nach Lausanne. Er war (schmunzelt) übrigens von Anfang an überzeugt, dass wir beide zusammenpassen und auch heiraten.

Ich finde unser Kauderwelsch, das wir zusammen sprechen, genial, kreuz und quer durcheinander. Sie nicht? Sagen wir es doch so: Ich war da doch zurückhaltender. Aber Recht hat er behalten. Wie haben Sie sich in der ersten Zeit unterhalten, wie heute? Uf Schwyzerdütsch? Am Anfang nur Englisch. Jetzt ist es ein Mix aus English, Schriftdeutsch und Bärndütsch … Ich finde unser Kauderwelsch, das wir zusammen sprechen, genial, kreuz und quer durcheinander. Wenn uns jemand auf der Strasse oder in einem Lokal hört, dann ist ein Lächeln garantiert. Ist doch toll!

Wie hat seine Familie auf die weisse Frau reagiert, wie Ihre eigene Familie auf den Schwarzafrikaner? Das war nie ein Thema, weder in der Schweiz noch in Gambia. Sowohl meine wie auch seine Eltern meinen: Wenn unsere Kinder glücklich sind, sind wir es auch. Ich habe übrigens drei ältere Geschwister und die sind mit einer Französin, einer Brasilianerin und mit einem Italiener verheiratet. Bei meinem Mann sieht das nicht viel anders aus: Viele seiner Geschwister leben im Ausland, in den USA, in England, in Holland. Und Ihr eigenes Umfeld, Bekannte, Freunde? Wie haben sie reagiert? Meine Freunde wussten ja bereits, dass ich ein Flair für die Afrikaner habe, also war das keine Überraschung (beginnt zu schmunzeln). Ja, bitte? Nur meine «seinerzeitigen» Kolleginnen und Kollegen in der Migros Köniz – ich war damals in der Metzgerei angestellt – wussten von nichts. Ich ging als Ledige in die Ferien, kam als Verheiratete wieder. Wo haben Sie geheiratet, nach welcher Tradition? Wir haben uns in Zürich das Ja-Wort gegeben, weil es uns dort besser gefiel als in Bern. Der Zürisee gleich nebenan, was will man mehr? Wir werden aber auch noch traditionell heiraten, im Gambia. Wann, steht noch nicht fest, vielleicht klappt es nächstes Jahr. Ich hoffe es jedenfalls. Kinder? Bis jetzt hat mich mein Mann «nur» zur Stiefmutter gemacht. Er hat bereits einen Sohn aus erster Ehe in Amerika. Aziz ist jetzt 15.

100 Wie kommt dieser 15-Jährige denn zurecht, in dieser Schweiz, noch dazu in einer Lebensphase, da von Pubertät gesprochen wird? Falsch! Aziz lebt bei seinen Grosseltern in Gambia und geht auch dort zur Schule. Er ist ein sehr ruhiger Junge. Mein Mann ging letzten November für 3½ Monate nach Gambia, um auch etwas mehr Zeit mit ihm verbringen zu können. Diesen Sommer kommt Aziz eventuell zu uns in die Sommerferien. Wir würden uns sehr freuen, sollte dies klappen! Und zu seiner Pubertät: Das habe ich höchstens ob seinem Stimmbruch bemerkt, ansonsten ist Aziz, wie gesagt, ein sehr ruhiger junger Mann. Was möchte er dann machen, wenn er aus der Schule kommt? Und wo? Ich denke, etwas mit Elektronik. Er hat ein Händchen dafür, sei es im Umgang mit PCs, mit Unterhaltungselektronik allgemein, Satellitenschüsseln inklusive. Wo er seine Ausbildung machen wird? Das sehen wir dann schon … Sagen Sie, bevor ich es vergesse, was arbeitet Ihr Mann, Sulayman? Er war sechs Jahre bei Interdiscount in Jegenstorf, in der Logistik beschäftigt, heute hat er eine Anstellung – ebenfalls im Bereich der Logistik – bei der Toblerone-Fabrik in Brünnen. Zur Schule gegangen ist er in Gambia, dort dauert die obligatorische Schulzeit übrigens länger als in der Schweiz. Sulayman würde jedoch gerne eine Zusatzausbildung absolvieren, hier, denn schliesslich weiss man nie, was die Zukunft bringt. Da hätten wir eine zusätzliche Sicherheit. Wir Schweizer trauen uns ja zu, einen Bosnier allein von seinem Aussehen her von einem Skandinavier unterscheiden zu können. Bei Schwarzafrikanern wird es plötzlich schwierig. Die Nigerianer haben hierzulande nicht den besten Ruf – wird Ihr Mann als Gambier mit ihnen verwechselt und entsprechend angesprochen? (Schallendes Lachen) Was ist denn daran so lustig? Ich kann meistens nur sagen, dass es sich bei einem Schwarzen nicht um einen Gambier handelt, aber von wo jemand kommt, das ist sehr schwierig. Die Nigerianer kann ich zu 80–90 Prozent zuordnen. Um Ihre Frage zu beantworten: Nein, Sulayman wurde bis jetzt noch nicht mit einem Nigerianer verwechselt. Was interessant, aber nicht sehr lustig ist: Die meisten Nigerianer geben sich als Gambier aus, vor allem wenn sie etwas zu verbergen haben, Sie wissen bestimmt, was ich meine. Klar doch. Mein Schwager hat das selber erlebt. Er arbeitete als Polizeichef für den Präsidenten Yaya Jammeh. Er hatte sogar einmal ein Meeting mit dem ehemaligen

Bundesrat Christoph Blocher und seinem Team, um die Kooperation zwischen der Schweiz und Gambia in Bezug auf die falschen Identitäten zu klären. Er erzählte mir, dass fast jeder Afrikaner, der in der Schweiz im Gefängnis ist, behauptet, aus Gambia zu kommen, was natürlich nicht stimmt, denn sonst könnten die Herren mindestens eine der Landesprachen, was bei den allerwenigsten zutrifft.

Ich arbeite 100 Prozent, also muss er auch zu Hause mithelfen, schliesslich kann ich nicht den ganzen Tag zu Hause bleiben. Sie leben also in einer Multikulti-Ehe. Wo gibt es im Alltag zu Hause die grössten Unterschiede, wie werden Sie beide damit fertig? Wo geht es nicht anders als mit Kompromissen? Am meisten Probleme gibt es im Haushalt. In Gambia müssen die Männer nämlich fast nichts mithelfen, sie werden regelrecht verwöhnt, was die Situation nicht gerade einfacher macht für uns. Auf nach Gambia! Jaja, scho rächt … Die Männer dort werden sogar fast ausgelacht, wenn sie selber etwas kochen wollen oder sollen. Das ist meinem Mann und mir auch so ergangen, als er für mich etwas zubereitete. Für Sulayman ist klar: Ich arbeite 100 Prozent, also muss er auch zu Hause mithelfen, schliesslich kann ich nicht den ganzen Tag zu Hause bleiben wie die meisten Frauen in Gambia, die sich dafür dort um alles kümmern, angefangen bei der Erziehung der Kinder über die Küche bis hin zum eigentlichen Haushalt. Gibt es diebezüglich Tabus bei Mboobs? Ja! Die Wäsche. Darum kümmere ich mich von Anfang an, um nicht alles doppelt machen zu müssen. Eine «waschechte» Schweizerin mit Familienname Mboob. Schon Lustiges erlebt, wenn Sie den Namen für irgendwelche Formalitäten angeben müssen? Oh ja! Und wie! Das gibt immer etwas zu lachen. Mboob spricht man mit «u» aus und nicht mit «o», wie es im Namen steht. In Köniz wurde ich zum Teil

101 dung der Mädchen immer noch sehr stark verbreitet, weil Tradition, trotz weltweiter Proteste. In Gambia gibt es das zum Glück fast nicht mehr, und wenn, dann nur im Landesinnern, wo es praktisch keine Infrastruktur gibt und die Leute auch weniger gebildet sind. In dieser Beziehung gibt es also noch einiges an Aufklärungsarbeit! Wie halten Sie den Kontakt mit Sulaymans Familie in Gambia aufrecht? Per E-Mails? Nein, per Telefonkarte. Manchmal auch durch Facebook oder Skype, aber das alles ist relativ teuer.

mit «Bob» ausgerufen. Ich finde das immer sehr amüsant. Schwieriger wird es am Telefon, wenn der Gesprächspartner den Namen schreiben muss. Da wird zum Teil bis zu dreimal nachgefragt, ob man «Mboob» richtig verstanden hat. Was ist dann weit weniger lustig? Ich könnte Ihnen einiges erzählen, verzichte aber darauf, weil diese Leute es gar nicht verdienen, dass man sie beachtet. Störend ist für mich, wenn es nicht einmal Schweizer sind, die blöde Sprüche machen, sondern Ausländer. Sollen sie doch wieder nach Hause, wenn es sie stört, dass auch andere Ausländer hier wohnen dürfen. Was tragen Sie selber, was trägt Sulayman dazu bei, dass Vorurteile Fremden gegenüber im Alltag abgebaut werden? Sulayman kennt das eigentlich nicht, das mit den Vorurteilen. Er versucht auch, die Menschen so zu nehmen, wie sie sind. Ehrlich gesagt: Ich sollte mir da eine Scheibe davon abschneiden. Weshalb? Ich verstehe vieles nicht, was gewisse Leute so sagen oder machen, aber mein Mann mahnt mich immer zur Toleranz. Für uns Schweizer sind Schwarze meist einfach Schwarze, ungeachtet ihrer Nationalität. Gilt das auch für die Schwarzafrikaner? Oder gibt es da klare Abgrenzungen unter den einzelnen Nationalitäten? Ja, ich finde schon, dass es Unterschiede gibt, das scheint mir auch normal. Die meisten Nationen haben eine eigene Kultur, wie sie Schweden oder Schweizer auch haben. In Somalia ist zum Beispiel die Beschnei-

War Sulaymans Familie schon einmal in der Schweiz? Bis jetzt nur sein Bruder Musa. Eine Cousine lebt in Genf und arbeitet für die UNO. Und Ihre eigene Verwandtschaft? Schon im Gambia gewesen? Meine Schwester ist «vorgesehen», mit ihrem Mann und den Kindern. Einen definitiven Termin haben wir aber noch nicht. Meine Eltern planen keine Reise nach Gambia, sind aber immer sehr interessiert, was wir zu erzählen haben, schauen sich auch die Fotos an, die Sulayman und ich gemacht haben. Und Ihr Wunsch ganz generell, zur Integration in dieser Schweiz? Integration ist ein Muss. Wer hier leben will, sollte zumindest die schriftdeutsche Sprache erlernen und sprechen. Aber selbst dann werden gewisse Vorurteile bestehen bleiben, weil die Leute überall auf der Welt aus verschiedenen Kulturkreisen kommen, mit bestimmten Traditionen, die anderen fremd sind.

Sulayman kennt das eigentlich nicht, das mit den Vorurteilen. Er versucht auch, die Menschen so zu nehmen, wie sie sind.

"Wissen Sie, wie es ist, wenn Kinder nur mit den Augen sagen .. konnen?"

Walter Mischler

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103 Walter Mischler Retourenlogistik, Schönbühl

Walter Mischler, Sie bilden in Ihrer Freizeit Hilfshunde für motorisch Behinderte des Vereins «Le copain» aus. Wie kommen Sie dazu? Ich hatte als Elfjähriger einen schweren Schädelbruch, der einen Spitalaufenthalt von acht Wochen erforderte. Leider konnte ich danach nicht mehr sprechen und das Schreiben musste ich ebenfalls wieder lernen. Mit meiner damaligen Lehrerin und der Unterstützung des Epilepsie-Zentrums in Tschugg schaffte ich es, wieder gesund zu werden. Als dann unsere beiden Söhne gesund auf die Welt kamen, wollte ich den Menschen einfach aus Dankbarkeit etwas zurückgeben. Durch einen Lawineninstruktor lernte ich den Verein «Le copain» kennen und so nahm meine «Berufung» ihren Weg. Wann genau haben Sie mit der Ausbildung angefangen? Vor elf Jahren habe ich als Gastfamilie Hunde ausgebildet und seit neun Jahren bin ich Instruktor, ich überwache zusätzlich die Ausbildung bei den Gastfamilien. Was versteht man unter einer Gastfamilie, wie Sie dies soeben zweimal erwähnt haben? Eine Gastfamilie erklärt sich bereit, nach den strengen Anforderungen von «Le copain» einen jungen Hund zu sich zu nehmen und diesem – unter meiner Führung – während zwölf Monaten die Grundlagen seiner späteren Tätigkeit zu lehren. Es braucht einen grossen Einsatz seitens der Familie – und die Bereitschaft, viel mit dem Vierbeiner zu trainieren.

Es braucht einen grossen Einsatz seitens der Familie – und die Bereitschaft, viel mit dem Vierbeiner zu trainieren. Wie viele Hunde haben Sie denn bis jetzt ausgebildet. Bis jetzt habe ich zusammen mit meiner Frau acht Hunde ausgebildet, Golden Retriever und Labrador, zusätzlich 15 als Instruktor für Gastfamilien, wie soeben erwähnt. Dazu kommen jährlich Nachschulungen und Kontrollen über das Verhalten der Hunde. Klappt die Ausbildung in einer Gastfamilie nicht, so darf diese den Hund nicht behalten, was oft zu Diskussionen und manchmal auch zu Tränen führt, aber es gibt leider immer wieder Familien, die glauben, sie dürften den Hund dann einfach behalten, wenn er sich nicht für «Le copain» eignet, was aber nicht in Frage kommen kann. Ein ähnliches Interview haben Sie bereits vor zwei Jahren für die Denner-Mitarbeiterzeitung geführt, als Sie Leiter Disposition in der

Verteilzentrale Schmitten waren. Weshalb der Wechsel in die Migros Aare? Vergangenheit ist Vergangenheit, Geschichte Geschichte. Ich lebe mehr in der Gegenwart, beschäftige mich lieber mit der Zukunft. Seit dem 1. Oktober 2008 bin ich Mitglied des Teams «Retourenlogistik» in Schönbühl, darauf konzentriere ich mich, beruflich. Ist zu akzeptieren, also zurück zu den Gastfamilien. Welches Rüstzeug braucht eine solche Gastfamilie – und wie geht die Ausbildung vor sich? Absolute Hundeliebe ist oberstes Gebot, und zwar mit allen Vor- und Nachteilen wie nasses Fell, wie Hundegeruch, was halt so dazu gehört (schmunzelt). Deshalb «verleihe» ich meistens meinen eigenen Hund «Ischkia» für ein paar Probewochen, damit sich eine Familie auf den besten Freund des Menschen einstellen kann, noch völlig unverbindlich. Wie ist es denn, einen Hund 24 Stunden am Tag zu halten? Und: Ein «Le copain» muss bei der Gastfamilie in alle Zimmer dürfen. Auch ins Schlafzimmer? Auch ins Schlafzimmer. Doch damit nicht genug: Er darf dabei sogar auf dem Bett schlafen, um zu lernen, wie Alarm ausgelöst wird, wenn beim späteren Besitzer etwas nicht stimmt. (Beginnt zu lachen) Immerhin habe ich bis heute noch nie davon gehört, dass deswegen eine Ehe in die Brüche gegangen wäre … Husch zu «Ischkia», ein doch eher ungewöhnlicher Name für einen Hund. Woher der Name? «Ischkia» ist ein Name, der uns gefallen hat und der nach dem Stammbaum in Frage kam. Im Stammbaum gibt es nämlich immer gewisse Vorgaben, so auch bei «Ischkia», sie musste einen Namen mit «I» bekommen. Mit ihren bald 15 Jahren braucht man nur «Iiiiiii!» zu rufen – und sie weiss, wem es gilt. Nochmals zu den Gastfamilien, ich habe Sie ja unterbrochen … Eben, ich gebe «Ischkia» für ein bis zwei Wochen in die Gastfamilie zum «Pröbele». Erst nach diesem Test kommt ein Welpe im Alter von acht Wochen in die Gastfamilie und besucht während dieser Zeit wöchentlich mit «Klassenkameraden» ein intensives Training von zwei Stunden. Mit zwölf Monaten verlässt der Hund diese Gastfamilien und kommt während sechs Monaten zur intensiven Schulung ins Schweizerische Zentrum für die Ausbildung von Hilfshunden. Bei dieser Ausbildung bin ich ebenfalls engagiert. Hier lernt der Hund die 30 notwendigen Befehle in französischer Sprache. Das sind ganz kurze Schlagwörter, damit der Behinderte diese auch lernen und aussprechen kann.

104 Weshalb denn Franz? Ein Soldat, dem im Algerien-Krieg beide Arme amputiert werden mussten, hatte die Idee, einen «Le copain» auszubilden, der ihm täglich helfen konnte, das Leben einfacher zu gestalten. Die Blindenhund-Sprache ist Italienisch und die Sprache von «Le copain» Französisch. Was lernt der Hund dabei, en français? Der Hund lernt, Gegenstände aufzuheben oder zu bringen – zum Beispiel ein Telefon -, das Licht ein- und auszuschalten, Türen zu öffnen und zu schliessen, Hilfe zu holen oder an der MigrosKasse zu zahlen. Aus dem Kühlschrank kann er auch problemlos Flaschen «heranschleppen». Und wie geht das dann? Nehmen wir das Beispiel aus der Migros: Wenn der Behinderte mit dem Rollstuhl im Laden ist, so geht der Hund schön neben ihm, wenn nötig und möglich nimmt der Hund einen Artikel auf Kommando aus dem Gestell. Vor der Kasse sagt dann der Behinderte wiederum ein Kommando. Der Hund dreht sich und läuft rückwärts durch die Kasse, nimmt wenn nötig den Geldbeutel und auf ein weiteres Stichwort gibt der Hund das Portemonnaie der Kassiererin, die ihrerseits das nötige Geld herausnimmt und dem Hund den Beutel wieder zurück in den Mund steckt. Unser «copain» übergibt dann den Geldbeutel dem Behinderten. Was aber, wenn … Ich ahne, was jetzt kommt: Sie stellen sich das bildlich vor und glauben, alles sei «versabbert» … Können Sie Gedanken lesen? Nein, nicht gerade, aber ich kenne die Einwände inzwischen … Das alles ist kein Problem. Wissen Sie, wenn Ihnen ein «copain» ein Mödeli Anke holt, dann sehen Sie kaum einen Zahnabdruck auf der Packung. Irrtum vorbehalten, da gibt es in Sachen Fressen auch Spezielles. Ja, das stimmt. Er erhält sein Futter zur genau gleichen Zeit am genau gleichen Ort, nämlich um 06:30 und um 16:30 Uhr. Weshalb denn das? Die Behinderten werden grösstenteils von der Spitex oder anderen Menschen täglich zu bestimmten Zeiten gepflegt und verköstigt, deshalb ist dieser «Fressplan» zwingend. Die Pflegenden gehen teilweise mit dem Hund noch «Gassi». Merke: Wenn man dem Hund immer zur gleichen Zeit das Fressen gibt, kann man ihn auch immer zur gleichen Zeit «Gassi» führen. Wie geht es in der Ausbildung weiter? Die Haltung und die Ausbildung erfolgen in einer Wohnung oder einem Haus, damit das Tier auch später beim Behinderten

an diese Umgebung gewöhnt ist. Für den Hund darf es in der Wohnung keine verschlossenen Räume geben, er darf überall rein. Dank seiner gründlichen Ausbildung ist er «auswärts» ein unentbehrlicher Helfer für den Behinderten. Er begleitet die Behinderten überall hin und hat Zutritt zu allen öffentlichen Orten. Damit die Behinderten mit einem «copain» auch in Lebensmittelgeschäften wie der Migros einkaufen können, haben sie spezielle Ausweise, weil Hunde ja sonst nicht auf die Verkaufsflächen dürfen. Leider gibt es da und dort Probleme in den Geschäften, dabei sind diese Tiere hygienisch sauber, nur wissen das die Leute halt nicht.

Wissen Sie, wenn Ihnen ein «copain» ein Mödeli Anke holt, dann sehen Sie kaum einen Zahnabdruck auf der Packung. Können es auch nicht wissen … Ja, da mögen Sie recht haben. Mir ist, ich hätte schon gehört, wie diese speziell ausgebildeten Hunde gerufen werden, nämlich nicht mit «Waldi» oder «Bless» oder «Prinz» … Das stimmt. Es gibt Behinderte, die keine deutschen Vokale mehr

105 nie, wenn zum Beispiel Kinder im Rollstuhl sitzen, sich kaum bewegen und nicht sprechen können, aber mit ihren Augen «Danke!» sagen.

Dank seiner gründlichen Ausbildung ist er «auswärts» ein unentbehrlicher Helfer für den Behinderten.

aussprechen können, deshalb auch Namen wie «Iglu», «Ischia» oder «Western». Diese Namen lassen sich selbst mit geschlossenen Lippen aussprechen. Wie geht eigentlich die Übergabe eines Hundes an einen Behinderten vor sich? Nach der Ausbildung lernen sich der Hund und sein zukünftiges Frauchen oder Herrchen in einem zweiwöchigen Praktikum kennen. Während dieser Zeit kann sich das Zweigespann Mensch/ Hund einerseits finden, andererseits hat der Behinderte die Gelegenheit, den Umgang mit Hunden sowie die Arbeitsweise mit seinem neuen Begleiter zu lernen. Im Interview mit der Redaktorin der Denner-Mitarbeiterzeitung stellte sie fest, dass Sie beim Gespräch plötzliche nasse Augen hatten. Weshalb war dem so? Ich hatte damals gerade die Übergabe des Hilfshundes an die behinderte Person vor Augen. Die Gastfamilie persönlich übergibt nämlich das Tier seinem Frauchen oder Herrchen. «Mein» Hund sitzt also neben mir, ich gebe einen entsprechenden Befehl, und schon läuft er zu seiner zukünftigen Bezugsperson. Ein letzter treuer Hundeblick zurück, und dann ist eine sehr persönliche und intensive Tier-Mensch-Beziehung von einer Sekunde auf die andere abgeschlossen. Das ist ein sehr emotionaler Moment. Wie man Ihnen auch jetzt ansieht. Ja, ich schäme mich deswegen auch nicht. Die Hunde sind halt meine «copains». Und auch die Augen von Kindern vergesse ich

Jedes Hobby kostet. Wie sieht das bei Ihnen aus? Die Ausbildung eines Hundes kostet den Verein «Le copain» (www.lecopain.ch) ungefähr 25’000 Franken. Der Hund bleibt dabei immer rechtliches Eigentum des Vereins. Meine Frau und ich führen dieses Amt ehrenamtlich aus. Das Futter erhalten wir vom Produzenten gratis, der Behinderte muss es später dann aber selber bezahlen. Der Tierarzt stellt teilweise gar keine Rechnung oder nur symbolisch. Ich selber fahre im Jahr gegen 3’000 Kilometer und investiere rund 150 Stunden in die Ausbildung eines Hilfshundes, meine Frau wendet dafür ungefähr 100 Stunden auf. Ich hoffe sehr, dass ich auch im jetzigen Beruf die Ausbildung weiterführen kann. Bis jetzt haben wir uns im Team jedenfalls immer einigen können, und so gebe ich mit meiner Familie alles, um Menschen mit schweren Schicksalen das zu geben, was ich auch bekommen habe während meiner Spitalzeit: Liebe, Geborgenheit und die Gewissheit zu wissen, dass jemand da ist, wenn man Hilfe benötigt. Chapeau. Und dafür möchten wir Sie symbolisch honorieren, dem Verein «Le copain» werden wir in den nächsten Tagen 1’000 Franken für dieses Gespräch überweisen.

"Als seine ExPartnerin .. hatte es sich ausgeliebt..."

Martina Niggli

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107 Martina Niggli Migro Olten-Sälipark

Martina Niggli, damit wir Sie «einordnen» können. Sie arbeiten Teilzeit, werden demnächst 24 und studieren. Was denn genau – und wo, in welchem Semester? Ich befinde mich zur Zeit im 10. Semester an der Uni Basel. Dort habe ich nach drei Jahren Studium den Bachelorabschluss in Anglistik (Englisch) und Medienwissenschaften absolviert. Nachdem ich jedoch feststellen musste, dass ein direkter Berufseinstieg mit dem BA-Abschluss einer philosophischen Fakultät fast unmöglich ist, nahm ich sofort den Masterabschluss in denselben beiden Fächern in Angriff. Dafür gehen noch zwei weitere Jahre drauf, doch ein Masterabschluss erhöht die Chancen auf dem Arbeitsmarkt merklich. Verbleiben wir zuerst noch bei der Migros. Seit wann arbeiten Sie Teilzeit? Bei der Migros bin ich seit 4½ Jahren angestellt, angefangen als Ferienjob nach der Matur, dann Teilzeit (30-50 Prozent) neben dem Studium und zum Teil Vollzeit während der Semesterferien. Die Tatsache, dass ich mein Studium von Anfang an selber finanziere, selber finanzieren muss, hat mich wohl zu diesem Fleiss getrieben (lacht).

Mit meiner Rayonleiterin stehe ich stets in guter kommunikativer Absprache in Bezug auf meine Einsätze. Weshalb «muss»? Meine Eltern sind mit ihrer finanziellen Zurückhaltung dafür besorgt, dass ich nicht zu einer verwöhnten, realitätsfremden und arbeitsfaulen Uni-Absolventin mutiere. Was Ihren Eltern zu gelingen scheint. Respekt. Dennoch die Frage: Wie bringen Sie alles unter den berühmten einen Hut? Studium, Migros und Freizeit, in der Annahme, dass Sie Letzteres auch haben … Stimmt, das Handling mit Uni, Job, Prüfungen, Seminararbeiten schreiben und Hobbys ist eine organisatorische Meisterleistung, die eigentlich im Curriculum Vitae anerkannt werden sollte, im Lebenslauf (schmunzelt). Mit meiner Rayonleiterin stehe ich stets in guter kommunikativer Absprache in Bezug auf meine Einsätze, welche von Semester zu Semester ändern und einiges an Flexibilität von beiden Seiten benötigen. Vor jeder

Stundenplan-Planung graut es mir, doch bisher ist mir das Handling immer gut gelungen. Generell schätze ich die Tatsache, dass wir «Philosophen» den Stundenplan nach eigenem Gusto und Pensum einrichten können und nur wenigen Richtlinien unterstellt sind. So liegt problemlos eine Teilzeitstelle drin, die mir meine finanzielle Teil-Unabhängigkeit in einem jungen Alter ermöglicht. Sie studieren Medienwissenschaften und Anglistik. Bevor wir zu meinem eigenen «Betätigungsfeld» kommen, was verstehe ich denn unter Anglistik und wie genau ist dort das Studium aufgebaut? Ist zum Beispiel ein Sprachaufenthalt im Ausland Voraussetzung? Der Studiengang Anglistik beinhaltet die Lehre über a), die englische Sprache und b), die englische und die amerikanische Literatur. So quasi nebenbei lernt man die Geschichte von und das typische Leben in Grossbritannien und Amerika kennen. Das Grundstudium ist in zwei Bereiche aufgeteilt: Linguistik und Literatur, wobei man sich im dritten Semester – Aufbaustudium – für eine Richtung entscheiden muss. Dort absolviert man dann den Bachelorabschluss. Ich habe mich für Linguistik entschieden, da diese Wissenschaft geeigneter ist für eine Karriere. Englische Literatur geniesse ich im privaten Rahmen. Und im Masterstudium? Im Masterstudium lernt man wieder in beiden Bereichen und absolviert auch die Masterprüfung in beiden Richtungen. Dass wir im Anglistik-Studium die englische Sprache lernen, würde ich als eine Unwahrheit bezeichnen, denn bereits im ersten Semester werden jene ausgesiebt, welche die Sprache nicht genügend beherrschen. Nur zwei Semester lang dürfen wir von einer Art Sprachunterricht profitieren. Ich gehörte anfangs auch zu denen, die eher knapp waren in der Auswertung, doch habe ich meine Defizite mit harter Arbeit bald aufgeholt. Das Bestehen des uni-internen Proficiency-Exams gehört zu den Voraussetzungen, um überhaupt zum BA-Abschluss zugelassen zu werden. Sprachaufenthalte? Eine weitere allgemeine Verunsicherung ist der Sprachaufenthalt, denn nur die wenigsten bringen jenen in das Studium mit. Viele absolvieren während des Studiums ein Austauschsemester, doch auch für einen Uniabschluss gehört ein Aufenthalt im englischen Sprachraum nicht zur Voraussetzung. Bei den mündlichen Masterprüfungen merkt der Dozent lediglich, wer besser und flüssiger oder schlechter redet.

108 Wie war das bei Ihnen? Ich habe ein Austauschsemester quasi verschwitzt, denn es besteht aus einer enormen Planung bereits ein Jahr im Voraus. Da ich aber meinen Migros-Job hätte kündigen müssen und es ein sehr teures Semester geworden wäre, bevorzugte ich neun Wochen in Manchester im Sommer 2008 an einer Sprachschule auf eigene Faust. Dies war das teuerste Geschenk, das ich mir bisher gemacht habe (lacht). Die gesammelten Erfahrungen sind unbezahlbar. Und meinem Chef bin ich auf ewig dankbar, dass ich für diese knapp drei Monate keine Kündigung riskieren musste.

mich Regionales reizen. Für eine Frau wie mich wäre natürlich auch Journalismus bei einem Modemagazin ein Highlight (lacht). Mich beeindruckt generell, wie viel «allgemein gebildeter» man als Journalist wird, da man sich auch mit vielen Themen beschäftigt, die man sonst aus Desinteresse ignorieren würde. Weiter schätze ich abwechslungsreiche Arbeit und die Arbeit mit dem Internet. Und ich mag es, Menschen kennenzulernen. Oft sehe ich Menschen am Bahnhof oder verwirrte Kunden, sehe in ihre Augen und frage mich, was für eine Geschichte wohl hinter ihnen steckt.

Ich habe gehört, dass Sie daran sind, Ihre Masterarbeit zu schreiben. Ich greife vor: Was möchten Sie nach dem Studium arbeiten? Im Dezember werde ich meine Abschlussprüfungen haben und möchte später im Bereich Journalismus, Media Communications oder PR einsteigen, was jedoch ohne Erfahrungen sehr schwierig ist. Doch wie soll sich eine junge Studierende denn auch Erfahrungen holen? Dies ist eine weitere Problematik im Bezug auf Studium und Arbeit …

Ich warte ja nur auf den einen Arbeitgeber, der mir eine Chance gibt.

Womit Sie natürlich recht haben. Gestatten Sie mir aber einen Hinweis in eigener Sache, als kommunikatives Schlachtross, das mit den Jahren leicht ergraut ist: Zum Glück haben wir Älteren der Jugend noch die Erfahrung voraus, sonst wäre das Desaster total … Das kann man auch so sehen, jaja (schmunzelt) … Ich warte ja nur auf den einen Arbeitgeber, der mir eine Chance gibt. Beweisen muss ich mich selber, doch die Chance dazu sollte einem zumindest gegeben werden. Ältere dienen mir als Vorbild. Nehmen wir die beiden Betätigungsfelder auseinander. Journalismus. Welches Medium würde Sie denn reizen – und dort, welches Ressort? Weshalb? Printmedien sind mein Ding. Nach ein paar Erfahrungen im Tageszeitungs-Bereich muss ich sagen, dass der Druck dort gewaltig gross und das Zeitbudget gewaltig klein sind. Viel mehr reizen würde mich ein Wochenmagazin, wie z.B. das «Migros-Magazin», die «Schweizer Familie» oder der Beobachter, weil diese eine Vertiefung in ein Thema ermöglichen und alle Lebensbereiche abdecken, während man bei einer Tageszeitung nur ein Ressort betreut. Da würde

Haben Sie denn Beziehungen zum «Migros-Magazin», eine Art Vitamin B – oder soll ich unser heutiges Interview mal dem Chefredaktor zukommen lassen? Hätte ich dieses unkäufliche Vitamin, hätte ich wohl nicht den MA angehängt (lacht). Nein, Scherz. Ich habe mich bereits eigenständig um Gelegenheiten für Erfahrungen gekümmert. So spazierte ich vor einigen Monaten einfach beim «Zofinger Tagblatt» rein und wurde prompt vom stellvertretenden Redaktionschef einen Tag lang an einen Event – den LogisticsDay – mitgenommen. Darauf durfte ich einen grossen Artikel über diesen Tag schreiben, was eine Herausforderung war, da mein Wissen über Logistik- und Transportlösungen gleich null war. Aufgrund finanzieller Gründe lag eine Teilzeitanstellung beim ZT nicht drin, denn sogar das eigene Personal muss momentan Überstunden abbauen. Doch der Redaktionschef war zufrieden und der Kontakt ist schon mal hergestellt. Geschadet hat es nicht. Man weiss ja nie, ich bin offen für alle Chancen. Liebe Grüsse an Hans Schneeberger, Chefredaktor des «Migros-Magazins» (lacht). Hans Schneeberger erhält die «aare-info» jede Woche, falls er mal was abkupfern möchte, was er auch schon getan hat. Ich werde ihm unser Gespräch ans berühmte Herz legen … Sagen Sie, im Bereich Public Relations: Welche Branche interessiert Sie? Privatindustrie oder Amt? Da fehlen mir bisher jegliche konkreten Überlegungen, weil mir momentan so vieles Anderes durch den Kopf schwebt. Direkt in die Höhle der Löwin: Wie kommt bei Ihnen die Kommunikation der Migros an? Zuerst einmal marketingmässig, also die Werbung. Die Migros-Werbung finde ich sauglatt! So viel Innovation, Originalität und Kreativität sind nicht einfach so vorhanden,

109 offenes Geheimnis, dass Coop durchschnittlich teurer ist als der orange Riese. Ich kenne Coop zu wenig, um ihre Marketingund Unternehmensstrukturen beurteilen zu können. Nur so viel: ihre Werbung und der Slogan «Für mich … für dich» ist (lacht) auch genial!

Outsiders vergessen gern, wie viel Geld die Migros in Preisverbilligungen investiert.

sondern bedingen professionelle Arbeit durch kreative Genies. Das Schwierigste im Marketing wird wohl die Kreativität sein, welche nicht einfach erzwungen werden kann, sondern tagtäglich herausfordert. Und wie verkaufen wir uns in den symbolischen redaktionellen Spalten? Die Migros punktet durch das kommunizierte Nachhaltigkeitsdenken und die Kundenfreundlichkeit. Als Arbeitgeber geniesst die Migros einen beispielhaften Ruf durch die Einführung des GAV, durch sehr fortschrittliche, absichernde Sozialleistungen und durch die vielen motivierten Arbeitnehmer, welche sich nicht alle täuschen können.

Die Migros punktet durch das kommunizierte Nachhaltigkeitsdenken und die Kundenfreundlichkeit. Und jetzt der direkte Vergleich mit Coop. Was macht Coop besser als wir, denn die Medienschaffenden finden – oder suchen gar nicht erst? – bei der Nummer 2 nicht die grosse Angriffsfläche wie bei der Migros. Obwohl Coop letztes Jahr einen höheren Umsatzzuwachs einheimste als die Migros, vergessen Outsiders gern, wie viel Geld die Migros in Preisverbilligungen investiert und somit den Kunden direkt entlastet hat – auf eigene Kosten. Es ist ein

Meine persönliche Meinung: Es ist für Medienschaffende auch immer sexy, eine Story zum Thema «Nummer 2 jagt Nummer 1» zu schreiben, auch wenn die Realität über alles gesehen vielleicht gar nicht so sexy ist … Da mögen Sie sogar recht haben. Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Stichwort Masterarbeit. Welches Thema haben Sie gewählt? Mein Masterarbeit-Titel lautet: «Die Macht der Printmedien: Kommunikationsstrategien in der Rufmord-Affäre Roland Nef/ Samuel Schmid – eine Fallanalyse.» Mit diesem Thema kann ich mich problemlos die restliche Zeit bis zum Jahresende abkämpfen (lacht). Politische Skandale existieren nicht per se, sondern sind das Resultat von geschicktem Themenmanagement, einem Agenda-Setting mit bestimmtem Fokus und einer aktiv und bewusst gesteuerten Themenkarriere. Dies sind alles Aufgaben von Medien. Ohne ein Medium, kein Skandal. Genauer. Die Masterarbeit handelt von dem Einfluss der Medien, aus einem Fehlverhalten eines Beamten einen folgenschweren Skandal zu konstruieren, denn ein Skandal ist nicht, sondern wird gemacht durch a), Medien und, b), Publikum. Ich untersuche in der Arbeit, wie der «Blick» und die «NZZ» dabei vorgegangen sind. Ich wählte bewusst auf der einen Seite ein Elite-, auf der anderen Seite ein Boulevard-Blatt. Ich bediene mich dabei medienwissenschaftlicher Theorien und versuche diese Mechanismen in den Artikeln der Zeitungen wiederzufinden. Es geht weniger um die Kommunikationsfehler von Samuel Schmid oder Roland Nef, sondern darum, wie die beiden Medien zum Beispiel die Themenkarriere, die Phasen der Skandaluhr, die Episodierung und die Themenstrategien handhabten, um Nef und Schmid – lapidar gesagt – in die Pfanne zu hauen. Rufen Sie doch unseren Leserinnen und Lesern in Erinnerung, worum es genau ging, in dieser Affäre. In der Affäre Nef/Schmid spielt Roland Nef, ein erfolgreicher

110 Brigadier in der Schweizer Armee, die Hauptrolle. Obwohl er sich beruflich so weit korrekt verhalten hatte, passierte ihm privat ein Malheur, als seine damalige Freundin Lynn S. ihn im Herbst 2006 wegen Nötigung anklagte. Als sich Bundesrat Samuel Schmid im Frühsommer des Jahres 2007 auf die Suche nach einem geeigneten Armeechef machte, stiess er auf Roland Nef und schlug jenen öffentlich als neuen Armeechef vor.

Schmid informierte dabei nicht über das hängige Strafverfahren gegen Nef, obwohl er darüber im Wissen war. Hat er den Gesamtbundesrat über die Klage informiert? Schmid informierte dabei nicht über das hängige Strafverfahren gegen Nef, obwohl er darüber im Wissen war. Im April 2007, kurz nach dem öffentlichen Vorschlag Schmids zur Beförderung Nefs zum Armeechef, unterzeichnete die Ex-Freundin jedoch eine Desinteresse-Erklärung, worauf die Anzeige gegen Roland Nef fallengelassen wurde. Deshalb hielt es Bundesrat Schmid nun für noch weniger wichtig, die Öffentlichkeit über Roland Nefs private Gewaltexzesse zu informieren, obwohl ein Armeechef stets gewaltlos und als Vorbild handeln sollte. Was passierte dann? Kurz nach dem Fallenlassen der Anklage wurde Nef im Juni 2007 zum neuen Armeechef gewählt, was eine durchaus ehrenhafte Position im Schweizer Sicherheitssektor bedeutet. Erst ein Jahr später, am 13. Juli 2008, wurde die Geschichte publik, als die «SonntagsZeitung» den Skandal durch einen – noch – unbekannten Informanten medial aufdeckte. Darauf kamen Nef und Schmid bis heute unter Beschuss, und in der Startphase der Skandalisierung wurden noch weitere schockierende Details sowohl über Nefs Persönlichkeit als auch seine privaten Malheure aufgedeckt. Zum Beispiel? Unter anderem wurde Nef vorgeworfen, er hätte die erstaunliche Desinteresse-Erklärung seiner Ex-Freundin, welche zufälligerweise exakt zum richtigen Zeitpunkt für eine Beförderung unterschrieben wurde, erkauft. Vier Tage nach der Aufdeckung des privaten Fehlverhaltens von Roland Nef – am 17. Juli 2008 – ging jener auf einer öffentlichen Pressekonferenz in die Gegenoffensive und wurde bald darauf zum Rücktritt gebeten, weil er als «untragbar» galt.

Wo wurden Ihrer Meinung nach denn die grössten Kommunikationsfehler gemacht, wenn wir einmal das Auswahlverfahren auf der Suche nach dem Armeechef ausser Acht lassen? Im Bezug auf Schmids und Nefs Fehler: Als Skandalisierter ist man immer am kürzeren Hebel und wird selten das Richtige machen. Ich denke, als Armeechef hat Nef ein Vorbild zu sein in Sachen Gewalt, Machtausübung, Selbstbeherrschung und Toleranz. Dass gerade er privat diesen Erwartungen zuwider handelte, gibt der Veröffentlichung von Privatem eine gewisse Legitimation. Normalerweise gehört Privates in die Privatsphäre, doch in gewissen Branchen rutscht die Privatsphäre in eine heikle Schnittmenge mit dem öffentlichen Interesse. Wie ist der Stand heute, da wir dieses Interview führen? Von Herrn Schmid wissen wir, dass er pensioniert ist. Roland Nef scheint mir PR-mässig nicht extrem gut beraten worden zu sein, denn sein vermeintlicher Befreiungsschlag vor einigen Wochen auf «Tele Züri» wurde zum Rohrkrepierer. Was würden Sie Roland Nef raten, in der heutigen Situation, rein aus Ihrer Sicht? Hui, da bin ich zu wenig PR-Experte. In der Öffentlichkeit lebt es sich sehr schwer. Am besten fährt man wohl mit der Ehrlichkeit, und dass er sich rar macht, sich zurücknimmt aus der Öffentlichkeit für den Rest des Lebens. Jeder Mensch verdient eine zweite Chance, sagt man. Auch Roland Nef? Als neutrale Person meinte ich ja. Als seine Ex-Partnerin hätte es sich ausgeliebt (lacht).

Roland Nef scheint mir PR-mässig nicht extrem gut beraten worden zu sein.

PS: Martina Niggli arbeitet inzwischen (Frühjahr 2011) als Journalistin bei der DEJO-PRESS in Solothurn.

Peter Rieder

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"Nachts einem Flusspferd zu begegnen, ist nicht jedermanns Sache."

112 Peter Rieder Migros Belp

Peter Rieder, um allen auf die Sprünge zu helfen, denen Ihr Name bekannt vorkommt: Wir haben schon einmal zusammen ein «Interview der Woche» geführt, in der «aare-info». Verraten Sie den Lesenden zu welchem Thema? Ja, gerne. Es ging um meine Zeit in einem buddhistischen Kloster in Thailand. Stimmt, eine eindrückliche Geschichte, ich erinnere mich sehr gut. Was hatten Sie damals für Reaktionen? Mich haben natürlich vor allem jene Leute angesprochen, die mich kennen. Ihre Echos waren sehr gut, die meisten wollten noch mehr Details hören. Ich zweifle aber daran, dass deshalb jemand Mönch geworden ist (lacht) … Nun also ein weiteres Gespräch, dieses Mal zu Gorillas in Ruanda. Der Reihe nach: Woher das Interesse an diesen Tieren? Ich unternehme gerne Reisen, wo man Tiere sehen und auch beobachten kann. Darf ich Ihnen ein Beispiel geben? Ich bitte sogar darum. Ich war im Juni 2009 für zwei Wochen in den Black Hills, genau genommen, in einer kleinen, im Westernstil gebauten City namens Custer. Soso, Black Hills. Custer. Und wo finde ich das auf der Weltkarte? In South Dakota. Ich habe mir ein Holzhaus gemietet und bin mit dem Auto auf tägliche Ausflüge gegangen. Die Black Hills gelten als das «Heilige Land» der Lakota-Indianer, von denen ja der grossartige Film «Der mit dem Wolf tanzt» handelt und der auch in diesem und anderen Gebieten in South Dakota gedreht wurde. In den diversen Parks sieht man noch grosse Tierherden von Bisons, wilden Eseln, Wölfen und mit etwas Glück auch Bären. Nun, wenn wir schon dabei sind: Irrtum vorbehalten, waren Sie auch schon in Kenia und Tansania, um die Tiere auf ihrer Wanderung durch die Serengeti zu beobachten. Was bleibt Ihnen davon in Erinnerung? Ich war nicht bloss in der eigentlichen Serengeti, sondern auch an der Grenze zwischen Tansania und Kenia mit der imposanten Flussdurchquerung des Mara Rivers. Zu beobachten gibt’s da vor allem die riesengrossen Herden an Gnus, Zebras und Antilopen. Der Herde folgen die Raubkatzen. Raubkatzen. Ja, Raubkatzen. Löwen. Tiger? Tiger gab’s und gibt’s in Afrika nie.

Schade, da sind Sie nicht reingefallen, das war eine Fangfrage. Schlitzohr … Zu den Löwen: Da sind jeweils Hunderttausende von Gnus, Zebras und Antilopen unterwegs, wenn nicht sogar Millionen von Tieren, die alle nur ein Ziel haben: Überleben, auf dem Weg zu neuen Weidegründen, zu Wasser, es gibt ja ganz, ganz eindrückliche DOK-Filme dazu. Auf diesen Wanderungen, die aber Tausende von Kilometern gehen können, überleben nie alle Tiere, deshalb die Raubkatzen im Schlepptau. Zwischenfragen, zu Stichworten – Ngorongoro Krater, wie haben Sie den erlebt? Für mich – und ganz sicher auch für die dort lebenden Tiere – ist der Ngorongoro-Krater das Paradies, wie man es sich vorstellen könnte: Ganzjährig Wasser, so dass es genügend Nahrung hat, für die vielen Tiere, die hier leben. Also ein in sich geschlossenes Ökosystem, bei dem die Tiere nicht zu den langen Wanderungen zur Nahrungssuche gezwungen werden. In diesem Park sieht man eine Unmenge von Tieren, vor allem grosse Löwenrudel, bei der Anzahl an Huftieren ist das einfach zu erklären. Zum Glück wurden in letzter Zeit die Besucherzahlen limitiert, was dem Park und den Tieren zu Gute kommt. Lake Manyara, eine gewisse Sorte Löwen? Da Sie offenbar Bescheid wissen – waren Sie auch schon dort? Gut geraten, ja, als Reiseleiter, ist aber schon einige Jahre (…) her. Also: Was gibt es zu den Löwen in Lake Manyara zu sagen? (Schmunzelt) Ist das wieder eine Ihrer Fangfragen? Denn eigentlich beherbergt dieser Park recht wenige Löwen ... Doch diese Löwen sind die einzigen ihrer Art, die auf leicht zugängliche Akazienbäume klettern, was ja für Löwen nicht normal ist. Daher nennt man sie die Baumlöwen vom Lake Manyara. Keine Fangfrage. Die Löwen klettern angeblich in die Höhe, um speziell lästigen Mücken aus dem Weg zu gehen, die in Bodennähe herumschwirren … Wechseln wir jetzt aber nach Ruanda. Und bevor wir zu den Gorillas kommen. Ruanda gelangte 1994 vor allem durch den für uns unvorstellbaren Völkermord der Hutus an den Tutsis zu trauriger Berühmtheit. Haben Sie sich vor Ihrer Reise damit beschäftigt? Wie geht man damit um, in ein Land der verbrannten und blutgetränkten Erde zu reisen? Selbstverständlich habe ich mich über das Land informiert, vor der Reise, das mache ich übrigens vor jeder Reise. So habe ich mir vorher den Film «Hotel Ruanda» angesehen, der ja mit

113 dieser Thematik umgeht. Dieser Film handelt auch von einem Hotelmanager, der die vielen Verfolgten zu schützen versuchte. Übrigens existiert das Hotel noch und nennt sich heute «Hotel des Mille Collines». Was mir wichtig erscheint: Falls ein Land nach einem Natur- oder sonstigen Ereignis wieder relativ sicher ist, sollte man bei Interesse hinreisen, um den Einheimischen durch Devisenausgaben zu helfen. Bei einem Boykott leiden ja immer nur die Ärmsten. Damit wir uns ein zeitliches Bild Ihrer Reise machen können: Wann genau haben Sie Ruanda besucht? Vom 6. bis 20. November 2009, also zu jener Zeit, da die UNO zum Jahr des Gorillas aufgerufen hat. Zufall. Sie haben bereits von Ihrem Interesse an den Gorillas gesprochen. Wie kamen Sie auf die Gorillas? Durch den Film «Gorillas im Nebel», der über die Arbeit der amerikanischen Tierforscherin Dian Fossey berichtet. Im Film brillant von Sigourney Weaver gespielt, die für ihre Darstellung einen Golden Globe und eine Oscar-Nomination erhielt. Genau. Als ich den Film gesehen hatte, wusste ich sofort: Dorthin will ich auch!

Es ist schon einmalig, wenn man in der totalen Dunkelheit Löwen oder Hyänen oder Zebras hört … Nun bucht man eine Reise zu diesen Gorillas und nach Ruanda nicht einfach so wie man ein Bahnbillett Bern-Zürich löst, zumal es Restriktionen zum Besuch der Gorillas gibt. Wie haben Sie das angestellt? Das stimmt, pro Tag gibt es bloss 24 Permits zu den Gorillas, und das nicht mal für das ganze Jahr, sondern nur für acht Monate. Da gehört Glück dazu. Da in Ruanda vor allem der sanfte Tourismus gefördert wird, ist das Permit relativ teuer. Wie teuer? 500 US-Dollar pro Permit. Wo haben Sie gebucht? Bei Intrepid Travel/Dragomann Travel, die in Australien und in Kenia beheimatet sind. Es war eine Art Zeltsafari. Das heisst? Zeltsafaris nennen sich Reisen, wo man in einem umgebauten Truck – mit entsprechender Campingausrüstung – in der Gegend

herumgeführt wird. Übernachtet wird dann in den Zelten, inmitten der Nationalparks, the real African feeling! Und dabei hört man nachts wohl das eine oder andere Geräusch … Keinen Schiss gehabt? Jein. Vor allem nachts wurde es mir schon manchmal mulmig. Wann denn? Auf dem Gang zum Plumpsklo (lacht), da stand zum Beispiel einmal ein Flusspferd ganz in der Nähe. Und das ist nicht unbedingt das, was man mit «niedlich» zu bezeichnen pflegt. Aber ansonsten ist es schon einmalig, wenn man in der totalen Dunkelheit – hier kennt man keine Lichtverschmutzung! – Löwen oder Hyänen oder Zebras hört … Sagen Sie, wohin sind Sie genau geflogen, wie ging es dann weiter? Zuerst bin ich nach Nairobi geflogen, der Hauptstadt Kenias. Dann ging es weiter mit dem Truck nach Nakuru, berühmt für seine vielen Rosaflamingos und Pelikane. Danach sind wir über die Grenze nach Uganda, von dort aus nach Ruanda gefahren, für vier Tage. Der Retourweg verlief in umgekehrter Reihenfolge. Nun zu den Gorillas: Wo genau befindet sich ihr Lebensraum? Ich vermute eine Art Reservat. Korrekt? Ihren Lebensraum nennt man im weitesten Sinn das VirungaGebiet, im Nordwesten Ruandas. Die Gorillas sind im National Park zu finden. Auch Dian Fossey lebte dort für ihre Forschungsarbeiten. An den Hängen von mehreren erloschenen Vulkanen leben verschiedene Gorillagruppen, von denen man fünf besuchen kann. Wie viele Gorillas leben da? Im Virunga-Gebiet leben ungefähr 380 Gorillas, zusammengezählt sowohl auf ruandischem als auch auf kongolesischem Territorium. Weitere ungefähr 370 Gorillas finden sich in Uganda, vor allem im Bwindi Park. Es ist auch heute noch schwer, die korrekte Zahl zu ermitteln, aber diese Zahlen dürften dennoch ziemlich genau stimmen.

114 Wie hat sich die Population denn in den letzten Jahrzehnten entwickelt? In den letzten fast 100 Jahren sank die Zahl der Gorillas. Zuerst waren die Tiere – so unglaublich das heute tönen mag! – willkommene Trophäen für Grosswildjäger aus der Kolonialzeit, in der jüngeren Vergangenheit haben die Gorillas unter dem Bürgerkrieg gelitten.

Von Ruanda bin ich positiv überrascht, dass das Land nach diesen furchtbaren Ereignissen in den neunziger Jahren so schön ist. Wie ist denn das zu verstehen? Während des Bürgerkriegs dienten die Virunga-Wälder als Rückzugsgebiet der Verfolgten, die – durch Hunger getrieben – auch Gorillas jagten. Seit dem Ende des Bürgerkrieges stabilisiert sich die Population, obwohl sie noch immer vereinzelt durch Wilderer dezimiert wird. Aber ich muss sagen: Die Regierung ergreift alle möglichen Massnahmen, um das zu verhindern. Was ist das für ein Erlebnis, diesen Menschenaffen quasi vis-à-vis zu stehen? (Geradezu euphorisch) Es ist fast unbeschreiblich, es ist fantastisch, unglaublich! Man schaut den Gorillas zu und ist sprachlos. Man beobachtet sie still und leise, und allmählich wird man sich bewusst, weshalb man sie als Menschenaffen bezeichnet. Weshalb denn? Sie essen ähnlich, kommunizieren ähnlich, verändern ihre Gesichtszüge. Was auffallend war: Die Gorillas haben auch uns beobachtet. «Was denken sie sich wohl, bei unserem Ansehen?», das habe ich mich mehr als bloss einmal gefragt. Diese Gorillas in ihrer natürlichen Umgebung zu sehen, nicht im Zoo, das bleibt unvergesslich! Sie sprechen von ihrer natürlichen Umgebung. Wie findet man denn überhaupt dorthin? Eine Autobahn wird es ja kaum geben, mit grossem Parkplatz und einem Hinweisschild «To the Gorillas» … Zum Glück nicht! Bevor man zum «Meet and Greet» mit den Gorillas kommt, läuft man, je nach Aufenthaltsort der Tiere, stundenlang durch unwegsames Gelände, zum Teil auf allen Vieren, das ist alles andere als ein Spaziergang. Ist man dort einmal angelangt, signalisiert der Silberrücken, ob man denn willkommen ist. Silberrücken? Hiess der Guide so? (Lacht) Fangfrage?

Keine Fangfrage. Der Silberrücken – er hat wirklich silberne Haare auf seinem Rücken – ist das Familienoberhaupt einer Gorillafamilie, einzig er entscheidet, ob man willkommen ist oder nicht. Wir hatten Glück, er hatte nichts gegen unsere Gruppe. Wäre das Gegenteil der Fall gewesen – wie das durchaus vorkommen kann -, dann hätten wir aus Sicherheitsgründen den Rückzug antreten können … Was für besondere Erinnerungen haben Sie? Eine ganz besondere Erinnerung. Als ich filmte und fotografierte, habe ich einen kleinen Schwarzrücken hinter mir zuerst nicht bemerkt, erst als ich so ein komisches Atmen hinter mir hörte. Dieser freche kleine Gorilla beschnupperte mich überall, sicher vier Minuten lang. Als er damit fertig war, spazierte er rechts an mir vorbei, blieb plötzlich stehen und schaute mich lange – und wohl fragend – an, bevor er wieder zu den Seinen zog. Was für ein Erlebnis, so nahe bei einem Gorilla zu sein, ohne Angst zu haben! Und wie man sieht, ein friedliches Nebeneinander ist immer möglich, wenn man den anderen respektiert. Überlässt man diese Tiere mehr oder weniger ihrem Schicksal oder gibt es eine Beobachtungsstation, die die Arbeit von Dian Fossey weiterführt? Nein, zum Schutz gibt es, wie bereits angedeutet, Rangergruppen, die täglich auf ihre Touren gehen, um die Gorillas vor Wilderern und anderen dubiosen Gestalten zu schützen. Weiter gibt es mehrere Organisationen – unter anderem die Dian Fossey Foundation -, die finanzielle Mittel zum Schutze der Gorillas bereitstellen. Auch verschiedene Zoos, vor allem der Zoo Frankfurt, unterstützen den Schutz von Gorillas im Berg- oder Flachlandgebiet regelmässig mit Aktionen. Was sonst haben Sie von Ruanda gesehen, was für Eindrücke bleiben da zurück? Von Ruanda bin ich positiv überrascht, dass das Land nach diesen furchtbaren Ereignissen in den neunziger Jahren so schön ist: Saubere Strassen und Städte, gut ausgebaute Strassen und sehr, sehr freundliche Menschen. Ich fühlte mich noch nie so sicher in einer afrikanischen Stadt wie in Kigali oder in Ruhengeri. Übrigens gilt Ruanda als die kleine Schweiz von Afrika, eben wegen der Sauberkeit und der Lage mit den vielen hohen Bergen. Eines ist klar, nämlich dass ich irgendwann wieder dorthin zurückkehren werde, um das Land intensiver bereisen zu können. Zwangsläufige Schlussfrage: Was steht als Nächstes an? Dieses Jahr geht es nach Bangkok und nach Hong Kong, also nicht unbedingt typische Tierparadiese (lacht). 2011 ist dann wieder der Tierwelt gewidmet. Nur weiss ich noch nicht, wohin genau. Botswana, Namibia, oder doch wieder Tansania mit dem Ngorongoro-Krater?

Heinz Schibli

115

.. "Pobelnde, betrunkene junge Erwachsene nehmen in unseren .. Laden zu."

116 Heinz Schibli Leiter Sicherheitsdienst, Schönbühl

Heinz Schibli, beginnen wir ganz von vorne: Seit wann sind Sie bei der Migros als Chef Sicherheit? Ich bin am 1. März 1997 in die damalige Genossenschaft Aargau/Solothurn eingetreten. Nach dem Zusammenschluss mit der Migros Bern hiess es, den Arbeitsplatz zu wechseln, nach Schönbühl. Obwohl mich damals der lange Arbeitsweg geschockt hat, finde ich es heute sehr spannend, in diesem grossen Umfeld zu arbeiten. Was haben Sie für eine Ausbildung gemacht und – in Kurzform – was haben Sie vor Ihrer Migros-Zeit gemacht, in welchen Funktionen? (Schmunzelt) Ich habe eine Lehre als Lebensmittelverkäufer absolviert und durchlief anschliessend alle Stufen – bis zum Filialleiter. Danach wechselte ich zur Kantonspolizei Aargau. Die einjährige Ausbildung zum Kantonspolizisten war super. Diese Schule würde ich jederzeit wieder machen. Nach einigen Jahren Polizeiarbeit kehrte ich zurück zum Detailhandel und wurde Verkaufsleiter bei Coop Zürich. Diese Funktion ist bei uns mit dem Leiter einer Verkaufsregion zu vergleichen. Als die Stelle als Leiter Sicherheitsdienst bei der Migros Aargau/Solothurn ausgeschrieben wurde, bewarb ich mich. In dieser Funktion konnte ich Detailhandel und Sicherheit verbinden, was für mich genial war. Entsprechend meinen beruflichen Tätigkeiten habe ich auch die dazugehörenden Ausbildungen absolviert.

Ich habe eine Lehre als Lebensmittelverkäufer absolviert und durchlief anschliessend alle Stufen – bis zum Filialleiter. Wir kennen Sie als Leiter des Sicherheitsdienstes. Was genau sind denn Ihre Aufgaben und jene Ihres Teams? In unserer Abteilung haben wir drei Hauptaufgabengebiete: Safety, Security und das Inspektorat. Der Safetybereich umfasst alles, was mit Arbeitssicherheit zu tun hat. Für mich ist das ein sehr wichtiger Bereich. Das menschliche Leben ist das höchste zu schützende Gut. Wenn man Zahnweh hat, sind wohl alle froh, wenn es wieder weg ist. Wenn man aber durch einen Unfall, der hätte verhindert werden können, eine bleibende Behinderung hat, so ist man sein Leben lang handicapiert. Aus diesem Grund versuchen wir mit Ausbildungen, Prävention und Kontrollen die Gesundheit unserer Mitarbeitenden zu schützen. Was mich aber in diesem Bereich nachdenklich stimmt, ist die Bereitschaft zur

Gefährdung der eigenen Arbeitssicherheit. Manchmal bekomme ich das Gefühl, man gehe allzu leichtfertig damit um. Der Security-Bereich? Das ist definitiv der meist diskutierte Bereich, auch in der Öffentlichkeit. Der Detailhandel hat sich vor vielen kriminellen Einflüssen zu schützen: Laden-, Lieferantenoder Personaldiebstähle, Erpressungen, Überfälle, Vandalismus oder Einbrüche prägen das Bild. Man weiss, dass im gesamten schweizerischen Detailhandel täglich Waren im Wert von 4½ Millionen Franken (!!!) verschwinden. Da ist Handlungsbedarf zwingend, leider auch in der Migros Aare. Der dritte Bereich? Im Inspektoratsbereich befassen wir uns hauptsächlich mit dem Kassenbereich. Pro Kostenstelle sind jährlich zwei unangemeldete Tresorkontrollen und eine angemeldete Revision angesagt. Zudem gibt es einige Spezialkontrollen und sonstige Aufgaben zu erledigen. Obwohl dies nicht so spannend tönt, darf dieser Aufgabenbereich nicht unterschätzt werden. Durch den guten Geschäftsverlauf der Migros Aare wird auch viel Geld umgewälzt. Dieser Geldfluss ist genau geregelt, das ist kein Jekami mit Interpretationsspielraum. Die erwähnten Aufgaben bewältige ich mit einem Team von Ladendetektivinnen, Regionalleitungen und Sekretariat. Die Ladendetektivinnen und Regionalleitungen haben einen fest zugeteilten Filialkreis und das Sekretariat leistet wertvolle Hintergrundarbeit. Und Sie spielen den Paten, mit den Füssen auf dem Tisch? (Schallendes Lachen) Sicher doch! Ehrlich gesagt, das wäre mir nun echt zu langweilig. Mein Aufgabengebiet liegt im Hintergrund. Neben der Koordination befasse ich mich hauptsächlich mit sogenannt aussergewöhnlichen Ereignissen. Dies sind insbesondere Personaldiebstähle, organisierte Bandendiebstähle, Bedrohung durch Jugendliche, in unseren Filialen, das kommt leider zunehmend vor. Im Weiteren unterstütze und berate ich alle Personen, die einen Rat oder Hilfe in meinem Bereich suchen. Stichwort Team: Wie viele Mitarbeitende sind Ihnen unterstellt und was für Funktionen nehmen sie wahr? Unsere Abteilung umfasst 26 Ladendetektivinnen, 8 Regionalleitungen, 3 Mitarbeiterinnen im Sekretariat und meinen Stellvertreter. Mit mir arbeiten 39 Personen im SIDI. Die Laden-

117 detektivinnen haben einen Anstellungsgrad von 40  bis 100 Prozent und sind nur in den Filialen unterwegs. Die Regionalleitungen haben einen fest zugeteilten Filialkreis und bearbeiten die Gebiete Safety, Security und Inspektorat. Vorteil dieser Organisation ist, dass die Kostenstellenleitungen die gleiche Ansprechsperson in allen Bereichen haben, zudem erleichtert es die Arbeitsorganisation. Das Sekretariat wiederum leistet wertvolle Hintergrundarbeit. Neben den vielen Registrationen und Korrespondenzen erfordern das Alarmwesen und die Mutationen einen grossen Arbeitsaufwand. Unterstützt werde ich durch meinen Stellvertreter Jan Wisniewski, wir ergänzen uns super: Er ist im Finanzbereich und im Konzeptionellen stark, und ich bin eher der Frontmensch.

Es gibt gewisse Menschen, bei denen nützen alle Warnungen nichts, zumal sie das Gefühl haben, schlauer als alle anderen zu sein. Welches sind die häufigsten Arbeiten, die Sie angehen müssen, «draussen» in den Filialen? Es ist leider so: Wenn ich in den Filialen bin, ist es meistens in einer unangenehmen Angelegenheit, sprich wegen Personaldiebstahls. Schon mehrmals habe ich in der «aare-info» darüber berichtet. Es gibt gewisse Menschen, bei denen nützen alle Warnungen nichts, zumal sie das Gefühl haben, schlauer als alle anderen zu sein. Aber wir erwischen sie, früher oder später, weil ein Täter niemals aufhören kann, wenn ihm etwas gelingt. Je später er dann erwischt wird, umso gravierender sind die Konsequenzen, weil die Deliktsumme entsprechend hoch ist. Es lohnt sich einfach nicht! Wie oft muss ich das noch sagen? Was kommt sonst noch vor, in den Filialen? Die zweithäufigste Aufgabe ist die Unterstützung bei aussergewöhnlichen Ereignissen. Vor allem beschäftigen wir uns dann mit organisierten Diebesbanden, im Moment sind es Kosmetikdiebstähle im grossen Stil oder die «Jack Wolfskin»-Bande mit einer Deliktsumme von vielen Tausenden Franken. Das ist organisierte Kriminalität. Was Sie wissen müssen: Die «Wolfskin»-Bande haben wir unter Kontrolle, bei der Kosmetika wird uns das auch noch gelingen, weil wir wissen, wo ansetzen. Aber einfach sind solche Sachen nicht. Dann beschäftigen wir uns auch zunehmend mit betrunkenen, kiffenden und johlenden jungen Erwachsenen, die unsere Kundschaft anpöbeln und dem Vandalismus «huldigen». Diese Situation bekommen wir immer

in den Griff, wenn wir dort auftauchen. Aber sobald wir in einer Filiale Ruhe haben, fängt es anderswo in unserem Wirtschaftsgebiet an. Wie steht es mit dem «Tatort» Schönbühl? In der Frischeplattform bin ich mehrheitlich entlastet. Hier gibt es den Betriebsschutz, der mir einen grossen Teil der Arbeit abnimmt. Es gibt aber auch hier bestimmte Securityaufgaben zu erleidigen, die ich aber im Detail – eben aus Sicherheitsgründen – nicht erwähnen will. Einen Teil meiner Schönbühl-Zeit verbringe ich an Sitzungen. Welches sind die grössten Herausforderungen an die Leute im SIDI? Bei aussergewöhnlichen Situationen gilt es, die Ruhe und vor allem die Übersicht zu behalten, Fingerspitzengefühl ist gefragt. Bei den Ladendetektivinnen sind es meistens Drohungen oder leider – was auch schon vorgekommen ist – Gewalt, die eine besondere Herausforderung sind. Bei Untersuchungen im Personaldiebstahl ist es wichtig, so lange zuzuwarten, bis alle Beweise so sicher sind, dass wir keine Fehlentscheide treffen. Das wäre für alle fatal. Gut möglich, dass einige Leserinnen und Leser hier ein «chlepfiges» Gespräch mit dem «Boss Security» erwarten, das aber aus verschiedenen Gründen nicht möglich ist. Einerseits gilt der Datenschutz, andererseits wollen wir – da die «aare-info» auch ausserhalb der Migros Aare gelesen wird – keine Details verraten, die möglicherweise kontraproduktiv für Ihre Arbeit sein könnten. Deshalb die Frage: Wo wären Sie um eine noch engere Zusammenarbeit dankbar? Sie haben recht. Ich führe gerne «chlepfige» Gespräche, aber nur mündlich. Zudem muss ich wissen, mit wem ich rede und ihn auch gut kennen, ansonsten ist «Distanz» angesagt, nüchterne Sachlichkeit, ohne Emotionen. Ich denke, ich habe mit allen Stellen eine sehr gute Zusammenarbeit. Mit den externen Stellen wie Polizei, Untersuchungsbehörden und Gerichten klappt die Zusammenarbeit sehr gut. Dank meiner polizeilichen Tätigkeit und meiner Funktion als Präsident «Vereinigung für Sicherheit im Detailhandel – VSD» kann ich behaupten, ein gutes Netzwerk zu haben, und dementsprechend ist denn auch die Zusammenarbeit. Innerhalb der Migros funktioniert diese ebenfalls gut. Was mir hier noch fehlt – und ich dankbar wäre –, ist die schnellere Information.

118 Wir haben eine Alarm-zentrale, die rund um die Uhr besetzt ist. Teilweise erfahren wir von Ereignissen erst durch die BuschtroMMeln oder wenn ich durch Direktionsbereichsleiter gefragt werde, «Weisst du etwas davon?». Das ist schon manchmal peinlich und bedeutet für uns einen grösseren Aufwand, wenn wir Rapporte für die Versicherung oder Polizei erstellen müssen, wenn bereits alles gelaufen ist. Also bitte helfen Sie mit, die gute zu einer noch besseren Zusammenarbeit zu steigern!

Also bitte helfen Sie mit, die gute zu einer noch besseren Zusammenarbeit zu steigern! Was waren Einsätze bei der Migros, die Ihnen in Erinnerung bleiben? Es gibt viele gute, aber auch schlechte Einsätze, die mir in Erinnerung bleiben. Ich könnte darüber sicher ein Buch schreiben. Hervorheben möchte ich den Einsatz beim Sturm «Lothar» am 26. Dezember 1999. Die Fusion Migros Aargau/Solothurn und Migros Bern war noch in vollem Gange und innerhalb des SIDI hatten wir uns bald gefunden. Da ich noch in der örtlichen Feuerwehr war, wurde mittels Alarm aufgeboten. Mitten in der Feuerwehrarbeit läutete mein Natel und eine SIDI-Mitarbeiterin aus Bern meldete diverse Stromausfälle. Also verabschiedete ich mich vom Feuerwehreinsatz. Zuerst rief ich Anton Gäumann an und bat ihn nachzufragen, was genau los war. Als er mir einen ersten Lagebericht durchgab, entschieden wir beide, den gesamten SIDI aufzubieten, obwohl Stefanstag. Der Kanton Aargau war vom Stromausfall nicht betroffen, weshalb wir nach Suhr einrückten. Damals hatten wir noch ein Zweigbüro in der heutigen MVS. Mittels diversen Telefonaten verschafften wir uns einen Überblick, welche Filialen betroffen waren, um so eine Triage der Prioritäten zu machen. Was mich dabei fasziniert hat und bis heute in Erinnerung geblieben ist, war die gute Zusammenarbeit und die Bereitschaft innerhalb des SIDI, auch an einem Sonntag die Schnürsenkel zu schnüren, wenn ich dem so sagen darf. Auch die Zusammenarbeit über eine grosse Distanz mit Anton Gäumann war super. Er agierte im Bernbiet und wir aus der Ferne. Ich denke, wir alle haben aus «Lothar» viel gelernt, auch an Nachhaltigkeit. Wenn Sie zurückblicken auf Ihre Anfänge bei der Migros: Was hat sich im Laufe der Zeit am meisten verändert? Die Zusammenarbeit und Offenheit von vielen Stellen. Heute habe ich nicht mehr das Gefühl, dass man uns am liebsten sieht, wenn wir gehen. Früher war eher eine vorsichtige Ablehnung vorhanden. Wir werden heute eindeutig als Dienstleister angeschaut, man kommt auf uns zu und wir lösen das Problem gemeinsam.

Reden wir vom Verkauf: Wo gibt es Ihrer Meinung nach noch Verbesserungspotenzial? (Verchlüpft) Ouw! Das ist die schwierigste Frage bisher! Nicht zu beantworten. Aber hallo, weshalb denn das? Weil «top secret». Natürlich orten wir Verbesserungspotenzial, aber das besprechen wir jeweils unter vier Augen mit den Filialleitenden, nicht öffentlich, Herr Redaktor … Dann reden wir zum Abschluss noch kurz von Ihrem Privatleben. Können Sie abschalten und haben Sie gar noch Zeit für ein Hobby? Ich kann sehr gut abschalten, schaue aber auch, dass ich immer erreichbar bin, das bin ich unseren Leuten vom Beruf her schuldig. Alles ist eine Organisationssache. In der Freizeit bin ich in den Sommermonaten sehr viel in den Dolomiten unterwegs. Am Abend oder an den Wochenenden pedale ich mit meinem Bike durch die Wälder und hole so den sportlichen Ausgleich. Für das Gemüt sitze ich gerne am Feuer und grilliere. Wenn die Wintermonate kommen, wird es bei mir ruhiger und ich entspanne mich vor dem Chemineefeuer. Eben, das ist auch Genuss.

Ich kann sehr gut abschalten, schaue aber auch, dass ich immer erreichbar bin.

Andreas Schmied

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"Andere Unternehmen .. konnten sich ein Beispiel nehmen."

120 Andreas Schmied Verkaufsstellenplanung, Schönbühl

Andreas Schmied, die Foto, die wir auf dieser Seite sehen, stammt aus der Berner Zeitung BZ vom 7. Dezember 1984, sie hat also schon beinahe historischen Wert. Erinnern Sie sich noch an das Interview, das Jürg Wildberger und Hansjürg Zumstein seinerzeit mit Ihnen geführt haben? Ja, sicher doch! Es war jene Zeit, da die BZ von gewissen Kreisen als «Ultralinks» bezeichnet wurde, weil Journalisten – die beiden Herren sind heute schweizweit bekannt – plötzlich damit begannen, die Landwirtschaftspolitik zu hinterfragen. Sie selber waren im Gespräch ja auch nicht gerade das, was man zurückhaltend nennt … (Lacht) Ja, ich erinnere mich, gewisse Aussagen haben mir denn auch Kritik aus Landwirtschaftskreisen eingetragen. Aber sehen Sie, vor mehr als 25 Jahren war es keine Ausnahme, Rückstände von DDT in den Böden zu finden. Ich konnte die Analysen, die ich als M-Sano-Berater in Zusammenarbeit mit Fachleuten gemacht hatte, nicht totschweigen.

Wir hatten wirklich gegen sämtliche Vorurteile zu kämpfen, die es damals gegen ökologisch sinnvoll produzierte Lebensmittel überhaupt gab. Bevor wir darauf zu sprechen kommen. Im Interview sagten Sie damals: «Wir von der Migros sollten eigenständiger sein, wie einst Duttweiler.» Was haben Sie damit gemeint? Viele Konsumentinnen und Konsumenten waren damals der Meinung, dass man schöne Früchte und Gemüse nur mit der damals üblichen Anbauweise produzieren konnte oder dass Lebensmittel, die auf den ersten Blick nicht so schön aussahen, von minderer Qualität waren. Die Migros hat dann begonnen, auch schorfige Produkte zu verkaufen, mit dem Hinweis, die Äpfel und Kartoffeln stammten aus kontrollierten, umweltfreundlichen Betrieben. M-Sano war vor über 25 Jahren ganz eindeutig ein Vorläufer der integrierten Produktion, von AdR, von Bio. Und weshalb gibt es M-Sano heute nicht mehr? Auf der einen Seite war unsere Kommunikation nicht optimal – weil intern eben einige Leute nicht daran glauben mochten, dass M-Sano eine wirkliche Zukunft hat, andererseits ist zum Beispiel AdR eine tolle Weiterentwicklung jenes Programms. Das Gedankengut von M-Sano finde ich jedenfalls bei den neuen Labels.

Weshalb war denn die Kommunikation nicht optimal? Die Weiterentwicklung von M-Sano war zu sehr technisch. Es waren immer Agronomen, die die Kommunikation machten. Die Migros hat’s nicht geschafft, den Konsumenten den Wert von Migros-Sano plausibel zu verkaufen. Kann man sagen, dass die Migros als Pionierin mit M-Sano um Jahre zu früh war? Ja, das kann man durchaus so sehen. Wir hatten wirklich gegen sämtliche Vorurteile zu kämpfen, die es damals gegen ökologisch sinnvoll produzierte Lebensmittel überhaupt gab. (Lacht, schüttelt ungläubig den Kopf.) Zurück auf Startfeld 1. Kommen Sie selber aus einer Bauernfamilie? Ja, aus Ried bei Kerzers, im freiburgischen Seeland. Wir sind sechs Geschwister. Zwei meiner Brüder waren ebenfalls MigrosSano-Produzenten. Was haben Sie gelernt? In Stichworten: Lehrabschlussprüfung 1970 als Bauer, Berufsprüfung als Landwirt 1972, Studium als Ingenieur Agronom an der Fachhochschule 1978. Und danach was gemacht? Von 1978 bis 1980 war ich stellvertretender Chef «Frische» bei der EG in Burgdorf, danach zwei Jahre Einkäufer/Verkäufer bei der Hediger AG in Müntschemier. 1981 kam ich dann zur Migros Bern, vor fast 30 Jahren (schmunzelt dabei), ist eine ganze Zeit her. Stichworte zur Migros Karriere? 1981 bis 1989 M-Sano-Berater bei der Migros Bern, zuständig aber auch für den Kanton Freiburg. Halt, schnell! Zwischenfrage: Ungefähr 1987 waren wir beide mit dem legendären «Kassensturz»-Macher Hans Räz zum Zmittag. Erinnern Sie sich noch, worum es da ging? Sie nicht?

121 Doch, doch, mein Langzeitgedächtnis funktioniert noch bestens, ich will Ihres husch prüfen … Das war echt ein gutes Treffen. Abgesehen davon, dass wir viel über den Mechanismus der Sendung «Kassensturz» erfahren haben – der noch heute gültig ist! -, ging es um die Einführung einer neuen Kartoffelsorte in der Migros Bern, einer ökologisch sinnvollen, der Granola, die daraufhin, nach Ausstrahlung des Beitrags, zur Erfolgsstory wurde. Aber bereits zwei Jahre zuvor haben wir mit dem «Kassensturz» etwas gemacht, als es um das Abflammen der Kartoffelstauden ging, als Alternative zur chemischen Vernichtung.

Die elektrischen Impulse in einer bestimmten Gehirnregion gelangen nicht normal zu den Muskeln in den Beinen. Exakt so war es. Zurück in die Migros, ab 1989. 1990 bis 1992 war ich PGM Blumen/Pflanzen, anschliessend 13 Jahre Leiter Verkaufsregion, 2005 bis 2007 Merchandiser Kolonial, seit 2007 Mitarbeiter in der Verkaufsstellenplanung. Jetzt aber zum eigentlichen Grund dieses Gespräches. Wenn man Ihnen in Schönbühl begegnet, fällt auf, dass Sie sich verändert haben im Laufe der letzten Jahre, Sie sind offensichtlich behindert, körperlich. Worunter leiden Sie? Ich leide an einer «spastischen Spinalparalyse». Was muss sich ein Laie darunter vorstellen? Die elektrischen Impulse in einer bestimmten Gehirnregion gelangen nicht normal zu den Muskeln in den Beinen. Deshalb mein verkrampftes Laufen. Wann haben Sie das erstmals gespürt? Wenn ich mich richtig erinnere, war das ungefähr 1996. Beim Joggen habe ich erstmals gespürt, dass etwas nicht mehr genau so funktionierte wie bisher. Ich habe dann irgendwann meinen Arzt gefragt, der konnte sich damals aber keinen Reim darauf machen. Wann stand die Diagnose wirklich fest? Vor fünf Jahren abschliessend, in der Neurologie des Berner Inselspitals: Spastische Spinalparalyse. Wie muss man sich den Verlauf der Krankheit vorstellen? Die Krankheit verläuft individuell, sie kann innert drei Monaten zum Tod führen, wenn lebenswichtige Organe betroffen werden. Was bei mir klar nicht der Fall ist.

Jetzt, da die Diagnose zweifelsfrei feststeht: Gibt es Chancen einer Heilung? Sie wissen ja, die Hoffnung stirbt zuletzt! Mit Sicherheit weiss das niemand, selbst Spezialisten tappen da noch im Dunkeln, können keine verlässlichen Aussagen machen. Die Krankheit verläuft schleichend und, wie gesagt, sehr unterschiedlich. Es gibt Patienten, bei denen nach jahrelanger Therapie eine deutliche Verbesserung festgestellt werden konnte. Machen Sie eine solche Therapie? Ja, ich lasse mich nach einer alternativen Methode therapieren. Wenn alles weiterhin wie vorgesehen verläuft, sollte ich in ungefähr fünf Jahren wieder einigermassen normal laufen können. Übrigens hat das Migros-Magazin im vergangenen Februar das Thema aufgegriffen, ich hatte viele Reaktionen nach dem Bericht, weil offensichtlich ist, dass auch ich an dieser Krankheit leide. Es tut weh, Ihnen beim Laufen zuzuschauen. Sie selber, haben Sie Schmerzen? Nein, Schmerzen habe und hatte ich nie! Gibt es eine IG von Patienten, die an der spastischen Spinalparalyse leiden? Mir ist keine bekannt. Wie hat «die Migros» auf Ihre Krankheit reagiert? Ich muss den Verantwortlichen ein Kompliment machen, man hat sich all die Jahre immer vorbildlich um mich bemüht, auch die Versetzungen geplant und abgesprochen. Ich bin ja nicht der Einzige mit einer Behinderung, der bei der Migros Aare arbeitet. Andere Unternehmen könnten sich ein Beispiel nehmen – oder die Medien auch einmal diesen Aspekt von Verantwortung den Mitarbeitenden gegenüber aufnehmen.

Ich muss den Verantwortlichen ein Kompliment machen, man hat sich all die Jahre immer vorbildlich um mich bemüht.

122 Inwieweit behindert Sie die Krankheit an Ihrer heutigen Stelle? Am Telefon hört man ja nichts, glaubt, mit einem völlig Gesunden zu reden. Ich spüre keine Einschränkung an meinem heutigen Arbeitsplatz. Wer trägt eigentlich die Kosten für die Medis, die Sie bestimmt benötigen? (Lacht) Falsch! Ich habe noch nie Medikamente genommen. Die Visana kommt hingegen für meine Alternativ-Therapie auf, dort bin ich mit 4’000 Franken pro Jahr versichert. Sie wirken immer sehr gefasst auf mich. Sind Sie das wirklich? Keine «Auf und Ab-Tage», an denen Sie die Krankheit zum Teufel wünschen? Nein, ich verspüre keinen Hass auf die Krankheit, wenn Sie das meinen. Diese Behinderung wird mit der Zeit abklingen, allerdings muss ich dafür Geduld aufbringen. Wie gehen Sie damit um? Ganz normal, ich kenne wegen dieser Krankheit keine Tiefs. Das heisst aber auch nicht, dass ich in einem ständigen Hoch bin, ich fühle mich ganz normal, mental. Wie hat Ihre Familie auf Ihre Veränderung reagiert? Die Familie hat immer mit Mitgefühl – nicht Mitleid! – und Zuwendung reagiert, genau richtig. Ich habe drei Töchter zwischen 21 und 29, bin geschieden, lebe allerdings wieder in einer festen Beziehung.

sich zum Teil noch selber auferlegt haben und nicht begreifen können, dass nicht alle so wie sie selber sind. Haben sich denn diese digitalen Wachsfiguren vermehrt, in den letzten Jahren? Lassen Sie es mich so sagen: Vor lauter Tabellen, Zahlen und Vergleichsmöglichkeiten ab PC habe ich das Gefühl, dass gewisse Manager im Laufe der Zeit ihren Instinkt für das Kerngeschäft verlieren könnten. Wie ist das zu verstehen? Wann und wo kommt es heute denn noch vor, dass ein Geschäft «aus dem Bauch heraus» entschieden wird, allein auf gesundem Menschenverstand und auf Erfahrung basierend? Heute wird vielerorts analysiert und analysiert und hinterfragt und durchgerechnet und wieder analysiert, bis zum Moment, da womöglich jemand anderes – mit Bauchgefühl – damit auf dem Markt ist. «Dumm gegangen», sagt man(n) dann wohl dazu.

Wann und wo kommt es heute denn noch vor, dass ein Geschäft «aus dem Bauch heraus» entschieden wird?

Und in Schönbühl? Wie reagieren Kolleginnen und Kollegen, die Sie schon lange kennen? Genauso. Und das ist auch richtig so.

War denn früher alles besser? Aus der Erinnerung heraus war immer alles besser! (Lacht) Nein, sehen Sie, im Leben ist nicht alles kalkulierbar …

Wie Mitarbeitende, die Sie erst seit Kurzem kennen und sehen? Da ist es natürlich anders, denn sie kennen mich nur so, wie ich im Moment bin. Viele unter ihnen vermuten einen Invaliden und zeigen entsprechendes Mitleid. Auch mit diesem Interview möchte ich diesen Kolleginnen und Kollegen sagen: Sie brauchen kein Mitleid zu haben, wirklich nicht!

Ich bin 1:1 mit dem einverstanden, was Sie sagen, teile Ihre Auffassung. Beziehen wir uns doch auf unsere Migros, die in der Vergangenheit ja auch schon gezögert hat, ein Enfant terrible zu sein. «Wir sind viel grösser geworden, da ist einiges halt nicht mehr möglich, wie zu Zeiten von Duttweiler», hört man meistens, weil man keinen Pflasterstein mehr in die Loge des Bundeshauses werfen mag … Quatsch! Was hat denn Grösse mit Mut zu tun? Die Migros kann – und soll! – auch heute noch unbequem sein, kann einiges in Frage stellen und hat die Grösse (schmunzelt), um sich zu exponieren. Der grösste Pluspunkt ist nach wie vor das Vertrauen, das die Leute in die Migros haben, kein Politiker hat diesen Rückhalt in der Öffentlichkeit. Die Menschen erwarten geradezu von der Migros, dass sie sich dann und wann quer stellt, nicht einfach alles schluckt. Ganz nach dem Vorbild von Herrn Duttweiler. Das berühmte M besser, halt.

Gerade heraus gefragt: Werden Sie vorzeitig pensioniert? Offiziell haben Sie noch fünf Jahre zu leisten. Bis jetzt war das noch nie ein Thema. Ich selber bin ja auch bald 25 Jahre in Schönbühl tätig. Und einen Ihrer Sprüche von «damals» habe ich seither in meinen Sprachjargon übernommen, jenen der «digitalen Wachsfigur» … (Andreas Schmied schmunzelt) Jaja, lachen Sie nur … Los, hü! Was versteht man darunter? Das ist mein Ausdruck für «Erbslizähler», für Leute, die nicht aus einer bestimmten Rolle können, aus Sturheit, die sie

Das würde ich alles mitunterschreiben. Und dem gibt es nichts hinzuzufügen.

Markus Siegenthaler

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"Spiele gegen den SCB kommentiere ich ausgewogen."

124 Markus Siegenthaler Heute Filialleiter Migros Bubenberg, Bern

Markus Siegenthaler, husch eine Verständnisfrage, weil ich mir echt nicht mehr sicher bin: Im Geschäftsbericht 1999 der Migros Aare – eine Fotostory – hat ein Auszubildender namens Siegenthaler die Rolle des Semir gespielt. Waren Sie das? Nein, es war ein anderer Siegenthaler aus der Migros Aare, Stefan. Womit es gleich zur zweiten Verwechslung kommt: Dann sind Sie auch nicht jener Siegenthaler, der Moderator bei Radio BE1 ist. Nein, das ist auch der Stefan, ich stehe in Diensten von Radio NEO1. Das ich übrigens extrem gerne höre. Was ist das eigentlich für ein Sender, dieser NEO1? Das ist einfach nur das ehemalige «Radio Emme», das auf neue Beine gestellt und umbenannt wurde. Wir sind DAS Radio fürs ganze Emmental/Entlebuch – und darüber hinaus, dank der neuen Konzession. Alles klar, das also wäre geklärt. Noch eine Klärung gleich zu Beginn: In diesem Bericht werden wir nicht näher auf die SCL Tigers eingehen, die eine bewegte jüngere Vergangenheit haben, sondern uns auf den Radio-Reporter Markus Siegenthaler konzentrieren, der die Spiele jeweils live kommentiert, aus fast allen Stadien. Wie sind Sie überhaupt zum Job gekommen? Das geht auf die Playouts zurück, 2008. Ich habe mich schon immer fürs Kommentieren von Sportveranstaltungen interessiert. Zweimal durfte ich dann einmal still neben einem Radioreporter sitzen, um mitzuerleben, wie so was geht, beim dritten Spiel wurde ich solo ins kalte Wasser geworfen und nicht auf Eis gelegt (lacht) …

Ich habe mich schon immer fürs Kommentieren von Sportveranstaltungen interessiert. Erinnern Sie sich noch an jenes Spiel? Und ob! Die Tigers siegten in den Playouts zum ersten Mal seit 17 Jahren auswärts gegen Ambri. Mit diesem Sieg sicherten sie sich den Ligaerhalt. Am gleichen Tag schied der grosse SCB gegen Gottéron bei den Playoffs aus. Es war einer der schönsten Eishockeytage in meinem Leben (strahlt übers ganze Gesicht). Pfui, pfui, das ist aber nicht nett … Vielleicht haben Sie mich ja missverstanden, ich habe mich riesig ob unserem Ligaerhalt gefreut, das ist doch ein schöner Tag (mit spitzbübischem Schmunzeln)!

Ich darf mal raten: Emotional wird es ganz schön zur Sache gehen, wenn Sie reportieren. Das sehen Sie schon richtig. Dazu müssen Sie Folgendes verstehen: Radio NEO1 ist in Langnau zu Hause und emotional natürlich extrem mit den Tigers verbunden. Bei unseren Reportagen geht es darum, dass wir das Ambiente aus den Stadien auf jene Fans übertragen, die nicht selber dabei sein können.

Bei unseren Reportagen geht es darum, dass wir das Ambiente aus den Stadien auf jene Fans übertragen, die nicht selber dabei sein können. Die Objektivität bleibt also gewissermassen auf der Strecke? Nein, die Objektivität nicht. Wenn ein Gegner stark spielt, einen guten Spielzug zeigt, dann wird das auch entsprechend reportiert. Aber unser aller Herz schlägt einzig für die Tigers. Mein Auftrag ist es also, all jenen Tigersfans, die den Weg ins Stadion nicht gefunden haben, die Emotionen, die Freude, das Feuer, die Spannung oder eben auch die Enttäuschung, den Frust oder gar die Wut rüberzubringen. Auch bei den Derbys gegen den SCB oder den EHC Biel? (Lacht) Bingo! Nein, da sind wir angehalten, objektiv zu bleiben, ausgewogen, denn schliesslich wollen wir im Sendegebiet keine Hörerinnen und Hörer verlieren … Wie oft sind Sie im Einsatz? Letzte Saison waren es 19 Einsätze, dieses Jahr kommt es auf die Länge der schon beinahe traditionellen Playouts für die Tigers an. Dies zusammen und abwechslungsweise mit den Kultkommentatoren Päscu Müller und Pesche Minder. Ich sitze im Stadion – sei es in Langnau oder sonst wo in der Hockey-Schweiz – und werde vom Moderator aus dem Studio in Langnau etwa alle fünf bis acht Minuten live auf den Sender geschaltet, um zu erzählen, was passiert. Gibt es Stadien, wo Sie noch nie waren? Ja, in der Hertiehalle in Zug, weil es sich noch nie ergab. Und dann auch im Stadion St. Leonard nicht, in Freiburg. Dort will ich auch nicht hin, bin nicht gut auf Gottéron zu sprechen. Weshalb denn das nicht? Obschon ich Anfang der neunziger Jahre sehr viele Sympathien für diesen Verein hatte – Bykov+Khomutov, dazu die Tigers in der

125 Bei den Tigers ist man wohl noch ein bisschen mehr gefordert. Yes! Jeden Spieler muss man in- und auswendig kennen, innert kürzester Zeit. Es wäre bei der Übertragung fatal, wenn falsche Torschützen oder Passgeber gemeldet würden, das merken vor allem alle Doppelkonsumenten. Doppelkonsumenten? Ja, jene, die die Spiele auf dem Teleclub verfolgen, dazu aber den Kommentar auf Radio NEO1 einschalten.

1. Liga – schlug das in der Saison 1998/99 massiv um: Die Tigers traf es im Playout gegen eben dieses Gottéron, das unseren genialen Topstar Todd Elik mehrmals zum Ausrasten brachte. Diese unfaire Spielweise im Rücken der Schiedsrichter werde ich nie vergessen. Elik – so ist er halt, man kennt ihn nicht anders – liess sich leider immer wieder darauf ein und wurde so regelmässig aus dem Spiel genommen. Zum Glück sicherte er uns später in der Ligaqualifikation gegen Chur den Ligaerhalt mit einem Tor und sechs Assists im selben Spiel. Spätestens seit dann ist er die Kultfigur des Emmentals. Zwischen Gottéron und mir ist das Geschirr jedoch zerschlagen, die Spiele in der St.-Leonard-Halle schaue ich mir lieber in der Tigerskurve an. Wie hoch ist denn Ihr Aufwand, da Sie «nebenbei» noch einen anderen Job haben, als Leiter der Migros Kalchacker in Bremgarten/BE. Ich betreibe das als Hobby, kommentiere im Schnitt ein Spiel pro Woche und kann meine Planung hier in der Filiale sehr gut anpassen. Die Heimspiele würde ich ja eh besuchen, und bei den ungefähr zwölf Auswärtsspielen kann ich gut meinen freien Tag einplanen. Bei längeren Reisen – Davos oder Lugano – habe ich auch schon mit Ferientagen hantiert, damit ich gleich ein verlängertes Wochenende machen konnte. Dank eines gut eingespielten Teams im Kalchacker ist das möglich. Das ist gleichzeitig auch ein Dank an die ganze Equipe! Der Job eines Radioreporters tönt spannend, setzt wohl allerdings gewisse Fähigkeiten voraus. Oh ja, sonst macht man sich zum Gespött des Emmentals. Und darüber hinaus. Genau. Zurück zu den Fähigkeiten. Man muss die Liga kennen: Welche Spieler sind die Leistungsträger? Dazu sollte man allenfalls Anekdoten aus früheren Zeiten über sie kennen, aus ihren ehemaligen Vereinen, Statistikwerte, Formkurven und noch einiges mehr.

Wie merken Sie sich die Spieler? Mit der Zeit erkennt man die Spieler schon nur an der Art, wie sie sich auf dem Eis bewegen oder wie sie mit dem Stock umgehen, technisch. Ich wusste schon als 12-Jähriger, welcher Spieler welche Nummer trägt und wie die Typen unter dem Helm aussehen. Was für eine gute Reportage wichtig ist: Man muss den Bericht sozusagen nur für sich machen, für sich selber berichten.

Mit der Zeit erkennt man die Spieler schon nur an der Art, wie sie sich auf dem Eis bewegen oder wie sie mit dem Stock umgehen, technisch. Weshalb denn das? Ich darf mir gar nicht vorstellen, wie viele Leute meinen Worten kritisch zuhören, live, sonst käme ich grausam ins Stottern. Und das Wichtigste überhaupt, bei Ihrem Hobby? Man muss bis ganz tief ins Herz hinein ein Emmentaler sein! Denn trotz chronischem Erfolgsnachholbedarf ... Erfolgsnachholbedarf? Ein SCB-Fan würde wohl eher von Erfolglosigkeit reden … Wir sind aber nicht in der Postfinance-Arena, wir sind in der Ilfishalle, im Ämmital! Und wir Emmentaler sind stolz auf unsere Tigers, halten zu ihnen. Mode-Fans gibt es bei uns nicht. Einmal Tiger … … immer Tiger! Ich liebe Eishockey, «wöu Yshockey äbe e Läbesstil isch!», Ende dieser Reportage.

"Diese Foto setzt sich aus mehreren Aufnahmen zusammen."

adine teiner

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127 Nadine Steiner Melectronics, Shoppyland Schönbühl

Nadine Steiner, mit dieser Titelseite der Annabelle haben wir natürlich den Eyecatcher für dieses Interview. Bevor wir aber darüber zu sprechen kommen, möchte ich vorher einiges anderes von Ihnen wissen. (Lacht) Sie wollen es spannend machen für die Leserinnen und Leser?

Den Resultaten nach zu urteilen, haben Sie aber ganz schnell auf passenderes Material gewechselt. Ja, ich hatte auch Freude am Triathlon. Und offenbar war ich nicht ganz untalentiert, der Schwimmlehrer hatte also recht. Plötzlich fand ich mich im Kader wieder, durfte an den Europameisterschaften 2003 teilnehmen.

Genau. Erzählen Sie doch einmal von sich. Woher kommen Sie, wo die Schule absolviert? Ich bin in Gerolfingen aufgewachsen und dort …

Mit olympischen Träumen? Ja klar! Aber mein Körper war dagegen. Und mein Fehler war, dass ich damals nicht genügend hinhörte. So reihte sich Verletzung an Verletzung. Das Verrückte daran ist, dass man als Spitzensportlerin immer darauf bedacht ist, nach einer Verletzungspause möglichst schnell auf den «alten Stand» zu kommen, was halt nicht immer geht, in kurzer Zeit. Somit erhöht man das Risiko neuer Verletzungen.

Gerolfingen? Ja doch, Gerolfingen. Ein sehr schöner Ort am Bielersee, idyllisch, wie man sich ein Märli vorstellen könnte, «Es war einmal» … Aber das nur nebenbei. Ich bin dort auch zur Schule gegangen, schliesslich habe ich die Handelsschule in Biel absolviert und die Berufsmatur gemacht. Mein Praktikum habe ich beim Bundesamt für Sport in Magglingen machen können. Anschliessend war ich vier Monate in Italien.

Ja, ich hatte auch Freude am Triathlon. Und offenbar war ich nicht ganz untalentiert, der Schwimmlehrer hatte also recht. Wo genau? In Siena. Ich habe eine Affinität zu Sprachen, so dass ich Italienisch gelernt habe, später – wir schreiben 2005/2006 – habe ich wieder in Magglingen gearbeitet. Drehen wir vorher das Rad der Zeit zurück, ins Jahr 2002. Dort hat ein sportliches Kapitel in Ihrem Leben angefangen, korrekt? Stimmt, ja. Angefangen hat alles im Wasser, beim Schwimmen. Mein Schwimmlehrer meinte, ich hätte «noch die Figur» für den Triathlon. Mit der Figur allein ist es ja noch nicht ganz gemacht, nicht wahr? Scho nid, nei. Nach diesem Tipp war ich dann schon ganz neugierig … Also habe ich damit begonnen, neben dem Schwimmen auch mit dem Velo und den Laufschuhen zu trainieren (beginnt zu lachen). Was ist denn komisch daran? Wenn ich zurückdenke. Ganz zu Beginn hatte ich eher leichte Wanderschuhe an den Füssen – und ein altes Velo …

Zwischenfrage. Stichwort Olympia, Stichwort Brigitte McMahon, Olympiasiegerin 2004 in Sydney, die des Dopings angeklagt wurde. Was ist aus ihr geworden? Ich weiss es ehrlich nicht, ich habe nichts mehr von ihr gehört oder gelesen, in letzter Zeit. Ich hoffe einfach sehr, dass sie die Kurve kriegt, in ihrem Privatleben. Ich war schockiert, als ich von den Vorwürfen hörte. «Doch nicht Brigitte!», ging mir immer wieder durch den Kopf … Und wie alle Angeklagten hat sie lange Zeit ihre Unschuld beteuert. Ich kann und will darüber nicht urteilen. Ein Hammer waren auch die Anschuldigungen gegen Floyd Landis, den ehemaligen Tour de France-Sieger aus dem Phonak-Team. Da kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Mit Verlaub, mit Bananen und Reiskuchen fährt man doch keine vier Pässe bei über 30 Grad am Schatten … Logisch nicht, aber man hofft ja immer, dass die eigenen Idole sauber sind. Aber eben, sogar Alberto Contador steht im Zwielicht. Wenn wir schon dabei sind: Wie haben Sie Doping in Ihrem Umfeld erlebt? Zuerst müssten wir den Begriff «Doping» genauer definieren. Gehört Ventolin bereits dazu, das Jugendliche inhalieren, um besser atmen zu können, obwohl sie keine Beschwerden haben – oder zählt erst EPO dazu, Blutaustausch oder Gendoping oder der nicht-therapeutische Gebrauch von Zellen, Genen, genetischen Elementen mit der Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit zu steigern? Da bin ich überfragt … Nicht nur Sie. Sagen wir es einmal so: Eine Sportlerin, ein Sportler, die nach leistungssteigernden Mitteln suchen, die jenseits von Power-Riegeln liegen, haben keine Mühe, sie zu bekommen, auf welche Art auch immer.

128 Kommen wir wieder auf Sie zu sprechen. Wie war der Abschied vom Spitzensport? Schlimm. Ich brauchte die Hilfe einer Psychologin. Spitzensport ist eine Sucht, davon kommt man nicht von einem Tag auf den anderen los. Wie ging es dann weiter? Ich spielte schon immer mit dem Gedanken, Lehrerin zu werden. Vor ungefähr vier Jahren habe ich deshalb den Vorkurs an der PH gemacht, an der Pädagogischen Hochschule. Aber mit 21 hatte ich noch andere Ziele, wollte mich nicht gleich ins Studium stürzen. Zwischendurch habe ich bei McDonald’s gejobbt, bis ich dann einen Traum habe Realität werden lassen. Nämlich? Ich bin nach Australien. Weshalb Australien? Down under! Surfen. Schöne Strände. Interessantes Land. Vor allem wollte ich meine Englischkenntnisse verbessern. Ich habe dort mein Proficiency gemacht.

Ich bin zum Arzt, worauf meine Odyssee bei den Medizinern begann. Die meisten tippten auf eine Nervenkrankheit. Und offenbar auch eine Bekanntschaft gemacht, denn um diese Freundschaft ging es bei der Annabelle. Sie gaben an, nach Australien auswandern zu wollen, zu Ihrem Freund. (Errötet leicht) Jaja, das stimmt, nur kommt es im Leben nicht immer, wie man es plant. Dazu gibt es nämlich noch eine andere Geschichte, die mit in den Entscheid spielt. Ich bin an Borreliose erkrankt. Ein Zeckenbiss? Ja. Wie haben Sie das gemerkt? Eines Nachts, als ich von Australien zurück war, hatte ich plötzlich Herzschmerzen, diese Schmerzen strahlten bis ins Bein aus. Ich hatte Panik, wusste nicht was machen, also habe ich Ponstan geschluckt, in der Hoffnung, dass die Schmerzen nur vorübergehend sein würden. Ein Irrtum? Ja. Am Morgen bin ich mit einer Schwellung am Arm aufgewacht.

Ich ging zum Arzt, worauf meine Odyssee bei den Medizinern begann. Von einem Arzt zum nächsten, niemand konnte sagen, was mit mir los war. Die meisten tippten auf eine Nervenkrankheit. Als vier Wochen später auch andere Glieder angegriffen wurden, musste ich notfallmässig ins Inselspital. Dort gingen die Untersuchungen dann weiter, von Station zu Station. Mit welchem Resultat? Alle Tests, auf die ich untersucht wurde, waren negativ. Zum Schluss waren die Ärzte wirklich ratlos. Man entliess mich mit dem Hinweis, dass man das Blut noch einmal genau untersuchen wolle. Zu jener Zeit habe ich auch ein chinesisches Zentrum aufgesucht, weil man mit der konventionellen Schulmedizin nicht weiterkam. Was hat man Ihnen dort gesagt? Es ist unglaublich! Nach einer halben Stunde schon diagnostizierte der Arzt Borreliose. Ein Befund, der nur wenig später vom Inselspital bestätigt wurde, nach dem neuerlichen Blutuntersuch. Ich will hier ganz bewusst nicht unsere Medizin in Zweifel ziehen. Deshalb «nur» die Frage: Wie geht es Ihnen heute? Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Zeiten, da fühle ich mich recht gut. Diese Phasen wechseln sich mit weniger guten ab, wenn ich wieder müde bin, Kopfweh und Sehstörungen habe. Das schlägt aufs Gemüt. Wissen Sie, wenn ich müde werde, sozusagen von einer Minute auf die andere, dann gähne ich bloss noch, sehe die Dinge verschwommen, habe Kopfweh. Diese Borreliose ist eine heimtückische Krankheit. Wann wurden Sie denn von einer Zecke gebissen? Vor ungefähr zehn Jahren. Man vermutet, dass die Erreger seither passiv waren und die Krankheit während einer Phase, da das Immunsystem nicht 100 prozentig als Schutzschild diente,

129 ausgebrochen ist. Ich bin aber sehr froh, dass mir während meiner langen Krankheitsgeschichte wenigstens kein finanzieller Schaden entstanden ist, die Kosten wurden gedeckt.

Die Annabelle suchte 100 Frauen, die etwas in ihrem Leben verändern wollten. Wie lautet denn die Prognose für den weiteren Krankheitsverlauf? Das ist ungewiss. Es ist durchaus möglich, dass man diese Erreger vollständig aus dem Körper kriegt, aber auch dann können diese Müdigkeitsattacken zurückbleiben. Auch wenn ich den folgenden Themenwechsel nicht unbedingt angebracht finde, ich muss ihn machen. (Schmunzelt) Nur zu! Kürzlich habe ich bei einem Arzt eine Annabelle rumliegen sehen. Ich glaubte, Sie auf dem Cover zu erkennen, war mir aber gar nicht sicher. Jetzt weiss ich es. Ich meine, auf der Titelseite eines Frauen-Magazins: Der Traum Zehntausender von jungen Frauen, wie haben Sie das denn geschafft? Im «Freitag», der Wochenend-Spezialausgabe von «20 Minuten», war ein Wettbewerb ausgeschrieben. Die Annabelle suchte 100 Frauen, die etwas in ihrem Leben verändern wollten. Also habe ich mich beworben. Und? Was wollten Sie denn ändern? Nach Australien auswandern. Zu meinem Freund. Als äusserliches Zeichen habe ich mir eine neue Frisur zugelegt, mit gestreckten Haaren, wie eben auf dem Cover der Annabelle. Weshalb aber ausgerechnet Nadine Steiner auf dem Cover, wenn 100 Frauen in die «Kränze» kamen? Jene Ausgabe der Annabelle hatte 100 verschiedene Titelseiten, die schweizweit verteilt wurden. Nun ist aus dem vermeintlichen Auszug nach Australien doch nichts geworden, weshalb denn das? (Seufzer …) Also, drei Gründe: Erstens spielt diese Borreliose eine Rolle, die Angst vor einem grösseren Rückfall. Dann kommt hinzu, dass ich mich wirklich weiterbilden will, als künftige Oberstufenlehrerin, und drittens, aber das werden Sie ja wissen – jetzt tun Sie nicht so … Amors Pfeile. Stimmt.

Und das ist Ihre Privatsphäre, reden wir also zum Schluss von Ihrem bevorstehenden Studium als Sek-Lehrerin … Was reizt Sie daran, mit 24 Jahren nochmals 4½ Jahre die Schulbank zu drücken? Ich selber habe meine Schulzeit in guter Erinnerung. Und ich möchte mein Wissen jungen Menschen weitergeben, ich finde das spannend. Weniger spannend dürfen gewisse Exzesse sein, wie sie Lehrerinnen und Lehrer erleben … Was meinen Sie damit? Nun, freie Abende sind da offenbar selten, regelmässig ruft da eine Mutter oder ein Vater nach Hause an, um dem «Lehrkörper» die Meinung zu sagen, weil Fräulein Tochter oder Sohnemann angeblich benachteiligt wird … Ja, davon weiss ich, gehört wohl dazu. Und dass die Schulkommissionen in vielen Fällen auch nicht mehr das sind, was sie einmal waren … Ich lasse das einmal auf mich zukommen, schliesslich ändern sich die Zeiten immer wieder (schmunzelt). Sagen Sie, beinahe hätte ich es vergessen: Wie sind Sie eigentlich zum Melectronics gekommen? Ich habe bei McCafé gearbeitet, im Shoppy, Simon Weber, Leiter des Melectronics, hat mich sozusagen abgeworben… Werden Sie während Ihres Studiums weiter im Melectronics jobben? Sicher doch! Nochmals zum Cover der Annabelle: Wie kam das Bild zustande? Das war ein Erlebnis, wirklich!! Lassen Sie uns teilhaben. Das Shooting dauerte ungefähr zwei Stunden, unzählige Fotos wurden aufgenommen, in den verschiedensten Posen. Zum Schluss wurde dann eine Aufnahme sozusagen zusammengesetzt: Der rechte Arm von jener Foto, der Hals von einer anderen, fast eine Art Patchwork. Haben Sie Nachfolgeaufträge als Model erhalten nach dieser Publikation? Nein, jedenfalls bis jetzt nicht. Würden Sie eine Anfrage positiv beantworten? (Ganz freudig) Oh ja! Haben Sie einen Tipp? Einen Tipp nicht, aber eine Idee …

"Ich war Dauergast an den Gartenpartys von Christiaan Barnard."

Peter Steiner

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131 Peter Steiner SAP/RCC, Schönbühl

Hoppla, danke! Ich werde mir gleich neue Visitenkärtchen bestellen. Zu Ihnen zurück: Was haben Sie gegen den «Techniker» damals unternommen? Nach einer Zusatzausbildung am Westminster College in Oxford habe ich die Prüfungen … wiederholt. Dort habe ich mein erstes Zertifikat, das Certificate of Competency for Electrical Engineers, erhalten. An nostalgischen Tagen trage ich noch immer den College Blazer und die College Krawatte, denn schliesslich bin ich ja Mitglied des British Institute of Certified Engineers.

Eine Vorbemerkung zum heutigen Interview. Viele Leserinnen und Leser erfreuen sich an den Titelseiten des Peter Steiner, so auch vor vier Wochen, zum Start der Fussball-WM in Südafrika. Das folgende Gespräch mit Peter Steiner haben wir bereits am 2. Mai 2004 in der «aare-info» veröffentlicht. Weil es sich auch um Südafrika dreht, ganz und gar aussergewöhnlich und «zeitlos» ist, doppeln wir nach, kurz vor Abschluss der Fussball-WM. Sie werden sich nicht langweilen. Peter Steiner, Sie sind seit 2004 ein «Ausgezeichneter», ein «Zertifizierter». Wie verstehen wir das? Die Zertifizierung Nummer 1 habe ich mit Auszeichnung und Nummer 2 mit Schwein bestanden. Seither bin ich auch noch Certified Solution Consultant SAP für Retail Enterprise oder auf Deutsch zertifizierter SAP-Berater.

An nostalgischen Tagen trage ich noch immer den College Blazer und die College Krawatte. Haben Sie schon immer so viel Wert auf Zertifikate gelegt? Ja, seitdem ich mich, nach meinem Abschluss am Pythagoreum, darüber geärgert habe, dass wir Schweizer immer nur gewöhnliche Techniker waren, währendem sich unsere ausländischen Kollegen, mit exakt der gleichen Ausbildung, Ingenieur nennen durften (lacht spitzbübisch). Ihnen als Pressesprecher müsste es ja ähnlich ergehen … Weshalb denn das? In der Schweiz ist man Pressesprecher, in Deutschland immerhin Medienreferent und in den USA gar CPO. CPO? Chief Press Officer.

One step beyond: Ihre Arbeit am Kantonsspital in Basel. Wie hat es Sie dorthin verschlagen? Und was haben Sie dort genau gemacht? Das war meine erste Arbeitsstelle im technischen Dienst eines Universitätsspitals. Wenn ich nicht gerade im Militär war, sammelte ich dort erste Erfahrungen an der Herz-LungenMaschine. Das war, Irrtum vorbehalten, die Zeit, als in Kapstadt ein gewisser Christiaan Barnard Herzen zu transplantieren anfing. Das hat Sie offenbar interessiert. Ergo haben Sie was angestellt? Meine ganze Verwandtschaft war an der Hochzeit meiner Schwester versammelt. Eine perfekte Gelegenheit also, sich «en famille» von der Familie zu verabschieden (schmunzelt). Das heisst? Ich habe allen «Adieu!» gesagt, bin in mein Auto gestiegen und noch in jener Nacht nach Holland gefahren. Wozu nach Holland? Dort habe ich nach einem Frachterkapitän gesucht – und gefunden! – der meinen VW-Käfer und mich mit nach Kapstadt nimmt. Und mit dem Käfer sind Sie dann in Kapstadt direkt ins GrooteSchuur-Krankenhaus zu Christiaan Barnard gefahren? Chris, here I am? Nein, nicht ganz … Ins Groote-Schuur-Krankenhaus bin ich zwar gefahren, aber zuerst musste ich dort einige Monate lang medizinisches Gerät reparieren. Erst dann wurde Christiaan Barnard auf mich aufmerksam. Nun ja,

132 zugegeben, ein bisschen (lacht) nachgeholfen habe ich da schon … Aber von nun an sass ich als Kardiotechniker während der Operationen an der Herz-Lungen-Maschine. Wie haben Sie diese Transplantationen erlebt? Haben Sie sich bloss für das Medizinische interessiert oder auch für die Patienten, die ein neues Herz bekamen? Bei dieser Frage vergessen Sie etwas Wichtiges …

Aber von nun an sass ich als Kardiotechniker während der Operationen an der HerzLungen-Maschine. Nämlich? Die Spender! Für eine Herztransplantation braucht es nämlich immer zwei Maschinen. Meine ersten Sporen musste ich bei den Spendern abverdienen. Zur eigentlichen Frage: Nicht die Medizin interessierte mich, es war die Technik. Wissen Sie, wir reden von einer Zeit, da die Raumfahrt ihren Höhepunkt erreichte, es war eine Zeit, in der wir glaubten, technisch sei alles machbar. Heute erst weiss ich, wie überheblich das war. Die Empfänger habe ich jeweils in den Tagen der Vorbereitung und bei den Nachkontrollen am EKG kennengelernt. Was waren das für Menschen? Viele Transplant-Kandidaten waren Ausländer, auf der Suche nach einer letzten Chance. Sie waren froh über meine Sprachkenntnisse. Sie waren dankbar in einer für sie schwierigen Situation, fern ihrer Heimat, mit jemandem reden zu können. Dabei habe ich nicht bloss Menschen kennengelernt, sondern viel Menschliches erlebt. Unterstellung: Aus der Ferne habe ich Christiaan Barnard immer als penetranten Selbstdarsteller erlebt. Eine Fehleinschätzung? Ach, wissen Sie: Rein technisch waren 1970 unzählige Herzchirurgen weltweit in der Lage, eine Herztransplantation durchzuführen. Aber nur jemand mit dem Charakter eines Christiaan Barnard war selbstbewusst, kühn, forsch, mutig, um nicht zu sagen arrogant genug, diese Operation an einem Menschen durchzuführen, denn alle Erfahrungen in den Labors zeigten damals, dass die Erfolgschancen einer solchen Operation gering waren. Wie sind Sie mit dem Chef umgegangen? Wie er mit Ihnen? Weil damals eine medizinische Sensation, waren bei den Operationen fast immer Zuschauer dabei, und vor diesen konnte

und wollte sich Chris keine Blösse geben. Immer, wenn etwas schief lief, musste schnell ein Schuldiger her. Die Assistenzärzte waren zu nahe dran, die Schwestern fingen sofort zu weinen an, somit blieb ausser dem Anästhesisten nur ein Sündenbock übrig, der Schweizer mit dem Löcherkäsehirn. Sie. Genau. Ich. Chris war dann zufrieden, die Zuschauenden hatten ihren Schuldigen, und in der nächsten Pause gab es jeweils ein «Schwamm darüber». Das war’s? Natürlich waren das nicht gerade einfache Momente, aber Chris Barnard kompensierte das, indem er mich mit in seinem Glanz sonnen liess. Wie ist denn das zu verstehen? Ich durfte zum Beispiel seinen goldenen Mercedes fahren und war Dauergast an jeder seiner Gartenpartys (lacht laut)! Allein die Erlebnisse würden ein Buch füllen. Was hat Sie dann schliesslich zur Abreise aus Kapstadt veranlasst? Dr. Barnard litt an einer heimtückischen Krankheit, die ihm das Operieren jeden Tag ein wenig mehr verunmöglichte, bis es schliesslich nicht mehr ging. Er litt sehr darunter, die Stimmung im Team war entsprechend getrübt. Zum Schluss blieb ihm nichts mehr anderes übrig, als das Team aufzulösen.

Dr. Barnard litt an einer heimtückischen Krankheit, die ihm das Operieren jeden Tag ein wenig mehr verunmöglichte. Und nun, lieber Peter Steiner, respektieren wir Ihren Wunsch, nicht nach weiteren Höhepunkten in Ihrem Leben zu fragen, obwohl wir vermutlich damit eine Serie in der «aare-info» beginnen könnten …

Suresh Selvaratnam

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"Mama, wieso ist der Mann dort so dreckig?"

134 Suresh Selvaratnam Frischeplattform Agrar, Schönbühl

Suresh Selvaratnam, schau schau … es gibt Sie ja tatsächlich. (Sehr erstaunt) Sicher doch. Weshalb denn diese Bemerkung? Wir kennen uns ja, vom Sehen her, in der Frischezentrale. Um Sie aber korrekt anzureden, da habe ich in der Personalabteilung nach der Schreibweise Ihres Namens nachgefragt. Ja, und? Dort scheinen Sie unbekannt. In welcher Variante ich Ihren Namen buchstabiert habe, immer kam «Haben wir nicht!» zur Antwort. (Lacht) Jetzt können die Leute ja dieses Interview neben ihre PCs hängen, dann gibt es keinerlei Missverständnisse mehr.

Jetzt können die Leute ja dieses Interview neben ihre PCs hängen, dann gibt es keinerlei Missverständnisse mehr. Ich richte das aus. Und damit die Mitarbeitenden aus Schönbühl ein «Aha»-Erlebnis haben, sei gleich zu Beginn unseres Gesprächs verraten, dass Sie mit Usha verheiratet sind, die im «Aaregarte» arbeitet, unserem Mitarbeiter-Restaurant. Ja, das stimmt. Wir haben uns übrigens erst in der Schweiz kennengelernt. Usha wohnte damals noch in Olten. Heute wohnen wir in Moosseedorf und haben zwei Kinder, Tochter Mathumitha (15) und Sohn Adhsuthan (10). Beide sprechen übrigens lupenrein Bärndütsch. Stichwort «Schweiz». Seit wann sind Sie hier? Seit 1987, Usha ist ein Jahr später hierher gekommen.

Geflohen? Das ist sicher der einzig treffende Ausdruck. In der Schweiz wurde ja vor ungefähr einem halben Jahr von der sogenannten «Schlussoffensive» der Streitkräfte gegen die Tamil Tigers im Norden der Insel berichtet.

Unsere Familie musste sich der Verfolgung entziehen. Ich musste deshalb Pungudutivu verlassen. Worauf wir im Verlauf des Interviews noch zu sprechen kommen werden. Ja, das ist auch richtig und wichtig, damit man die Lage und das Leiden der Tamilen begreift. Die Tamilen sind auf Sri Lanka – dem früheren Ceylon – eine Minderheit und den regierenden Singhalesen seit jeher ein Dorn im Auge. Als ich nach der Schule mit dem Studieren begonnen habe, da eskalierten die politischen Differenzen zu Studentenunruhen. Sie können sich ja vorstellen, was das für uns Studierende hiess, zumal mein Vater und einige seiner Geschwister Lehrer und Professoren waren. Die Regierenden machten das, was Unterdrücker in solchen Fällen immer tun: Sie machen Jagd auf Studenten und Intellektuelle. Das war ja auch – mit verheerenden Konsequenzen – in Kambodscha der Fall. Unsere Familie musste sich der Verfolgung entziehen. Ich musste deshalb Pungudutivu verlassen, jenes Inseldorf, wo wir wohnhaft waren. Ich musste fliehen. Wohin? Zuerst nach Indien. Im Gegensatz zu heute wurden damals keine Flüchtlinge geduldet, die nicht sämtliche Papiere auf sich trugen, Pass inklusive. Ich hatte bloss Erspartes dabei und musste schauen, wohin ich reisen konnte. Wie ging es weiter? Mit einem Flugzeug konnte ich nach Italien flüchten. Von dort aus ging es per Zug in die Schweiz.

Und seit 1987 arbeiten Sie bei der Migros? Nein, erst seit dem 24. Oktober 1988. Während zwölf Jahren war ich in der Abpackerei Frischfleisch beschäftigt, anschliessend habe ich ins Agrar gewechselt.

Weshalb gerade in die Schweiz? Gute Frage. In der Schule haben wir davon erfahren, dass Henry Dunant das Rote Kreuz gegründet hat und sich die Zentrale des IKRK in Genf befindet, das hat uns beeindruckt. Auch, dass in Genf die UNO im Palais des Nations zu finden ist. In dieses Land hatte ich Vertrauen.

Blenden wir zuerst einige Jahre zurück, nach Sri Lanka. Weshalb sind Sie ausgereist? Ausgereist?

Und weshalb Bern? Das lag in der Natur der Sache, als Hauptstadt der Schweiz. Als ich in Bern angekommen bin, habe ich im Hauptbahnhof Bern

135 einen Tamilen angesprochen, ob er mir denn sagen könne, was ich zu tun hätte, damit ich in der Schweiz nichts Illegales tue. Er hat mir geraten, sofort die Fremdenpolizei aufzusuchen und dort meine Situation zu erklären. Das habe ich gemacht. Nie hatte ich bei den Behörden das Gefühl, lästig zu sein. Ich habe dann die Aufenthaltsgenehmigung mit Flüchtlingsstatus erhalten. Zeitsprung. Und heute? (Strahlt) Heute bin ich Schweizer, Bürger von Moosseedorf. Machen wir nochmals einen Zeitsprung zurück, ins Jahr 1987, als Sie in die Schweiz kamen. Was haben Sie aus jener Zeit noch in Erinnerung? Alles war sehr ungewohnt für mich, alles. Aber ich hatte keine andere Wahl, als mich hier anzupassen. Wie gross der Graben war, verdeutlicht wohl am besten die Frage eines Kindes an seine Mutter, als es mich sah: «Mama, wieso ist der Mann dort so dreckig?», nur weil ich eine andere Hautfarbe habe. Ich denke, wir Tamilen haben uns im Grossen und Ganzen wirklich Mühe gegeben mit der Integration, nicht zuletzt, weil wir den Schweizerinnen und Schweizern für die Aufnahme dankbar waren und sind. Sie hatten nie Probleme? Nicht wirklich, wenn man den Hintergrund meiner, unserer Flucht kannte. Wer uns nicht oder nur oberflächlich kannte, dem kam schnell einmal ein «Gang doch wieder dört häre, wott här cho bisch, wes dir hie nid passt» über die Lippen, wenn man etwas am Schweizer System in Frage stellte.

Ich denke, wir Tamilen haben uns im Grossen und Ganzen wirklich Mühe gegeben mit der Integration. Weshalb wir uns auch unterhalten: Sie haben mir vor einigen Monaten einmal gesagt, Sie hätten eine CD aufgenommen. Sind Sie bei den Tamilen eine «grosse Nummer»? (Wirkt plötzlich verlegen) Nein, nicht wirklich. Ich habe schon in der Schule gerne gesungen, seit ich in der Schweiz bin, musiziere ich mit Tamilen, ich organisiere Anlässe, moderiere da, singe auch.

Hoppla! So kenne ich Sie ja gar nicht, in Schönbühl scheinen Sie eher scheu. Ja, das mag schon so scheinen. Wo haben Sie denn die CD produziert? Aufgenommen haben wir den Gesang in Indien, produziert wurde die CD dieses Jahr in der Schweiz. Was ja nicht ganz billig ist … Das stimmt, ich habe an die 10’000 Franken dafür aufgewendet. Wie finanziert man das? Ich habe einen Kredit dafür aufgenommen, ganz normal, bei einer Schweizer Bank. Weil ich ja nicht weiss, wie viel mir der Verkauf der CDs einspielt, zahle ich den Kredit in Monatsraten ab, damit alles seine Richtigkeit hat. Ich habe gehört, dass Sie ein Benefizkonzert veranstaltet haben. Ausser Spesen nichts gewesen? Doch, es war ein grosser Erfolg! Nur, wissen Sie, den Profit, den wir daraus gemacht haben, der wurde dem Aumsakthy-Verein gespendet, einem Verein von Tamilen in der Schweiz, die ihrerseits Aufbauarbeit im Norden Sri Lankas unterstützen, durch Annai Illam, einer Institution, die sich armen Menschen annimmt, zum Beispiel Kriegsverletzten, die Prothesen benötigen und dafür kein Geld haben. Ich ziehe den symbolischen Hut. Respekt. Sagen Sie, was genau singen Sie für Lieder? Herzschmerz? Nein, es sind gesellschaftspolitische Lieder; Songs, für die ich zum Beispiel in Colombo direkt ins Gefängnis käme. Sie setzen sich mit den Ungerechtigkeiten auf Sri Lanka auseinander, sie erzählen von Verfolgung und Unterdrückung. Ich halte einmal dagegen, weil es ja immer zwei Parteien für einen Konflikt braucht. Die Liberation Tigers of Tamil Eelam LTTE – die Tamil Tigers – gelten als Terrorgruppe. (Energisch) Das stimmt nicht! Doch dazu muss man die Geschichte Sri Lankas kennen. Dann machen Sie mit uns doch eine Kurzreise durch die Zeit. Ceylon war lange Zeit eine Kolonie von verschiedenen europäischen Ländern, zum Schluss sogar Teil des British Empire. 1948 wurde Ceylon in die Unabhängigkeit entlassen. Das hauptsächliche Konfliktpotenzial zwischen Singhalesen und Tamilen stammt aus dieser Kolonialzeit.

136 Nein, es sind gesellschaftspolitische Lieder; Songs, für die ich zum Beispiel in Colombo direkt ins Gefängnis käme. Worauf ist das zurückzuführen? Damals wurden die Tamilen – eine Minderheit auf der Insel – als mehrheitlich schriftkundige Bevölkerungsgruppe bevorzugt als Verwaltungsbeamte herangezogen und deshalb von den Singhalesen mit der Kolonialmacht identifiziert. Mit der Unabhängigkeit wollten nationalistische Singhalesen diesen Machtvorsprung der Tamilen beseitigen. Tamil sollte ebenso wie Englisch aus den Amtsstuben und dem öffentlichen Leben verbannt werden; Sinhala sollte die allgemeine Sprache sein. Für die Mehrheit der Tamilen, die es zum grossen Teil nicht beherrschte, war das weder praktikabel noch akzeptabel. Es kam im Tamilengebiet zu Protesten, zuerst friedlichen, danach gewalttätigen. Darauf formierten sich auch die LTTE, die Befreiungstiger von Tamil Eelam. Nochmals: Die LTTE waren keine Terroristen! Die jetzt aber vom Militär vernichtet wurden. Ja, zumal auch ihr Anführer, General Prabhakaran getötet wurde. Nur zeigt sich seit diesem militärischen Schlag, dass es der Regierung in Colombo nicht nur um die LTTE ging, sondern um die Unterdrückung der Tamilen im Land. Wie ist das zu verstehen? Sie können sich vielleicht daran erinnern, dass während dieser mehrwöchigen Schlacht im Norden Sri Lankas praktisch keine Nachrichten in den Westen gelangten. Das stimmt, alles wurde zensuriert. Was man wusste, war, dass Zehntausende von Zivilisten sozusagen gefangen gehalten wurden. Und genau das ist auch heute noch der Fall, es sind über 250’000 Zivilisten, die man festhält. Weshalb lässt man diese Zivilisten jetzt nicht frei, wenn die LTTE doch

zerschlagen und unschädlich gemacht wurde? Die Welt schaut nicht einmal mehr hin, weil es ja kein militärischer Konflikt mehr ist, andere Krisenherde garantieren bessere News. Wir Tamilen im Ausland – nicht bloss in der Schweiz – sorgen uns um unsere Angehörigen, um unsere Freunde und Bekannten. Wir wissen nicht, was mit ihnen passiert ist. Weshalb lässt die Regierung die Zivilisten nicht frei? Jetzt beginnt im Norden Sri Lankas die Regenzeit, wir haben Angst, dass die Lage der Bevölkerung sich nochmals verschlechtern wird. Weshalb schaut die Welt tatenlos … weg? Ich kann Ihnen das nicht beantworten, verspreche Ihnen aber, dass ich diese Ausgabe der «aare-info» dem EDA von Frau Bundesrätin Calmy-Rey zukommen lassen werde. Vielleicht gibt es von der Pressestelle eine Antwort.* Bitte, ja, tun Sie das!

Jetzt beginnt im Norden Sri Lankas die Regenzeit, wir haben Angst, dass die Lage der Bevölkerung sich nochmals verschlechtern wird. Und noch etwas werden wir tun. Nämlich? Wir kaufen Ihnen 100 Ihrer CDs ab, die Tamilinnen und Tamilien – und natürlich auch alle anderen Mitarbeitenden! – gratis bei uns beziehen können, nämlich MIT INTERNER POST unter REDAKTION AARE-INFO, CD SURESH, SCHÖNBÜHL.

*PS: Von der Pressestelle des EDA haben wir tatsächlich eine Antwort erhalten.

Nol Toplanaj

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"Fairness ist doch keine Frage der.. Nationalitat."

138 Nol Toplanaj Migros Würenlos

Nol Toplanaj, Ihr Familienname tönt ja nicht gerade danach, als wären Sie Bürger von Wengen, obwohl Sie einen Berner Dialekt drauf haben … Da haben Sie sogar recht, Wengen ist tatsächlich nicht mein Bürgerort, auch Mürren nicht, obwohl beide Dörfer im Berner Oberland wunderschön sind. Aber ich flüstere Ihnen etwas: Bürgerort des Nol Toplanaj (mit hörbarem Stolz) ist Niedergösgen im Solothurnischen. Seit 2009. Bingo. 1:0 für Sie. Woher kommt der Name ursprünglich? (Mit offensichtlichem Spass) Es wäre doch nicht lustig, würde ich Ihnen das sofort verraten. Worauf tippen Sie?

Bürgerort des Nol Toplanaj ist Niedergösgen im Solothurnischen. Tibet? (Überrascht) Falsch. Eiskalt. Nepal? (Lacht) Nochmals falsch, Sie liegen um ungefähr 8’000 Kilometer daneben und sind der Erste, der mich vom Namen her aus dem Himalaya vermutet, als Yeti gar? Sicher niiid … Woher denn? Ist gar nicht so einfach, nicht wahr? Kleiner Tipp: Mein Name ist von einem Bischof abgeleitet. Ich passe, erkläre Bankrott. Fan Noli. Er war ein orthodoxer albanischer Bischof und Politiker. 1924 bekleidete er für kurze Zeit das Amt des albanischen Ministerpräsidenten. Insbesondere wirkte er an der Übersetzung der liturgischen Texte ins Albanische mit. Er tat sich aber auch als Übersetzer von Werken der Weltliteratur – zum Beispiel William Shakespeare – in seine Muttersprache hervor. Und Sie sind ein direkter Nachkomme? (Belustigt) Fan Noli war Bischof, der hatte keine Nachkommen, glaube ich wenigstens … Spass beiseite, ich bin 1979 im Kosovo geboren, das damals noch zu Jugoslawien gehörte. Neun Monate später bin ich in die Schweiz gekommen, mit meinen Eltern.

Nun wollen wir heute aber nicht «politisch» werden, auch nicht über Migration oder Integration reden, sondern schlicht und einfach «nur» über Fussball. Sofort! Gerne. Weiss ich doch … Man bereitet sich schliesslich anständig auf ein Gespräch vor, das ist man seinem Vis-à-vis schuldig. Also: Weshalb denn Ihre Vorliebe für den Fussball? Wo ich aufwuchs, hatten wir eine grosse Rasenfläche vor der Haustüre. Dort spielte ich vor allem mit meinen Geschwistern vor allem Fussball, «tschuttet» haben wir. Ich war auch beim Handball, Volleyball, Basketball und in der Leichtathletik aktiv, aber Fussball gefiel mir am besten. Wo haben Sie denn als Aktiver gespielt? Ich bin 1989 in die Juniorenabteilung des SC Schöftland eingetreten. Danach gab es bei Toplanajs eine «Züglete», seit 1996 bin ich Mitglied des FC Niedergösgen. Sie tschutten aber nicht bloss, sondern engagieren sich zusätzlich beim Verein. Womit genau? 2000 bis 2004 war ich Juniorenobmann, seit 2007 bin ich Spiko-Präsident. Und alle Jahre wieder organisiere ich mit meinen Vorstandskollegen unser Hallenturnier, das in der Neujahrswoche stattfindet. Womit beschäftigt sich denn ein Spiko-Präsident? Mit allem, was mit dem eigentlichen Spielbetrieb zu tun hat. Beispiel? Nach Erhalt der Spielpläne gilt es, die Spiele des Clubs so zu koordinieren, dass nicht auf einmal zwei eigene Mannschaften auf dem gleichen Spielfeld zur gleichen Zeit ihren Match austragen wollen. Es gehört auch dazu, darüber zu wachen, dass die Plätze anständig gezeichnet sind. Dann habe ich auch mit Spielertransfers zu tun, leite Aufgebote an die Trainer weiter, habe Administratives mit dem Verband zu tun. Und noch anderes auch … Damit aber offenbar noch nicht genug, Trainer sind Sie auch noch. Hat Ihr Tag denn 26 Stunden oder machen Sie das am 30. und 31. Februar? (Schmunzelt) Nein, 24 Stunden reichen vollkommen. Es läuft halt alles auf eine saubere Koordination hinaus. Und seitdem ich Vater geworden bin, trete ich als Trainer kürzer. Stichwort Trainer. Von 1999 bis 2006 habe ich diverse Juniorenmannschaften des FC Niedergösgen trainiert. Höhepunkt war unbestritten der

139 Gewinn des Aargauer Cupfinals in der Kategorie Junioren D. Zwischenzeitlich bin ich auch Betreuer der 2. Mannschaft des FCN, mit den Höhepunkten Aufstiege in die 4. und in die 3. Liga. Vollgas, nicht wahr? Schiri sind Sie nämlich auch noch, Schiedsrichter. (Wirkt jetzt fast verlegen …) Was Sie nicht alles wissen … Ja, stimmt. Wobei das keine einfache Sache war, die Tätigkeit als Schiri – auch an Samstagnachmittagen verfügbar – mit meiner Arbeit bei der Migros abzustimmen, aber ich habe das geschafft, auch dank dem Verständnis meiner Kolleginnen und Kollegen – und meines Chefs. Danke! Im Sommer 2008 habe ich den entsprechenden Kurs zum Schiedsrichter gemacht, seit Juni 2010 bin ich Schiedsrichter-Assistent in der Region Aargau. Reden wir von Schiris. Die grösste Herausforderung für Sie heute? Die wirkliche Herausforderung ist es, ein Spiel so zu leiten, dass ich als Schiedsrichter nach dem Spiel nicht das Hauptthema bin, im negativen Sinn … Klartext: Ich selber beobachte bei Teams aus dem ehemaligen Jugoslawien in unteren Ligen eine ungesunde Aggressivität auf dem Platz. Jetzt verallgemeinern Sie!

Beim Match selber kann der Schiedsrichter Einfluss nehmen, wenn er gleich zu Beginn den Tarif durchgibt. Schon möglich – aber man schaut beim Verband einfach weg, eben, mit der Bemerkung, «das sei eine Verallgemeinerung». Niemand will sich die Finger daran verbrennen. Aber ich gebe es gerne zu – es ist eine Verallgemeinerung. (Energisch) Stopp! Keiner, der mit Fussball zu tun hat, möchte eine ungesunde Aggressivität sehen. Keiner. Weder Verband noch Vorstand, Mitglieder, Spieler, Schiedsrichter oder Zuschauer. Bei solchen Vorfällen sind alle gefordert, das Übel an der Wurzel zu packen. Beim Match selber kann der Schiedsrichter Einfluss nehmen, wenn er gleich zu Beginn den Tarif durchgibt, unmissverständlich. Da ist Kommunikation mit den Spielern und Fingerspitzengefühl gefragt. Fairplay steht über allem, da spielt die Nationalität doch keine Rolle, darf es nicht!

Sollte man gewisse Teams, die aggressiv spielen, nicht einfach eine Saison lang in die symbolische Kühlbox stellen, damit sie wissen, was sich gehört? Wenn das so einfach wäre! Wieso nicht? Aber eben – ganze Teams zu sperren, da muss schon einiges zusammenkommen. Natürlich schaut der Verband genau(er) hin, wenn eine Mannschaft viele gelbe und rote Karten bekommt, aber meistens sind es Einzelspieler, die aggressiv sind. Nützen Karten und Strafen nicht – und wird der Verein nicht selber aktiv – dann kann der Verband diese Leute vom Spielbetrieb ausschliessen. Ihre Haltung zu Video-Beweisen bei Fussballspielen? Ich bin klar für die Torkamera, aber nur bei den Profis. Damit hat es sich aber auch. Weshalb denn das? Stellen Sie sich den Aufwand vor, wenn jede zweifelhafte Szene zuerst analysiert werden muss und erst danach entschieden wird! Fussball ist doch kein Jekami, wo jeder seiner Meinung nach zu Unrecht Gefoulte nach dem Video verlangen kann. Der Schiedsrichter muss das Spiel leiten, nicht die Spieler. Im Wissen, dass Fehler passieren können, damit haben wir Schiris zu leben. Glauben Sie, wir würden da fahrlässig handeln und uns über mögliche Fehler nicht aufregen? Wenn für jede Szene das Video als Beweis herhalten müsste, hätten wir kein Fussballspiel mehr, sondern eine Talkshow. Szene im WM-Final, wo der Holländer Nigel De Jong karatemässig seine Stollen dem Spanier Xabi Alonso in die Brust rammt. Kein Fall für eine Video-Konsultation? Eigentlich hat der Schiedsrichter in jener Szene alles richtig gemacht … Wie bitte!? Moment, ich bin noch nicht fertig … Als TV-Zuschauer ist es mir selbstverständlich ein Rätsel, weshalb er De Jong nur gelb und nicht rot gezeigt hat. Aber als Schiedsrichter hat man einen anderen Blickwinkel als die TV-Kamera. Kollege Howard Webb hat diese Szene von seinem Standort aus anders gesehen und erlebt – das zählt. Was einmal interessant wäre ist, das Spiel aus dem Blickwinkel des Schiedsrichters zu verfolgen, viele Szenen wären dann für den TV-Zuschauer ganz anders, und somit wohl auch seine Meinung … Gut möglich, dass die Zuschauer auf dem Sofa oder in der Beiz dann auf einmal ein grösseres Verständnis für die Schiedsrichter hätten, die ihre Entscheide innert Sekundenbruchteilen fällen müssen.

.. "Ich mochte hier nicht den Besserwisser spielen..."

Marcel Tschui

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141 Marcel Tschui Nicht mehr Berufsaktiver

Marcel Tschui, Sie sind nun wahrlich das, was man ein Urgestein nennt. Und zudem ein 68er der besonderen Art, weil sie dannzumal in die Migros Bern eingetreten sind. Wo und als was genau? Als ich aus dem Welschland zurückgekommen bin, 1968, da bin ich am 1. April als Verkäufer in die damalige Migros Bern eingetreten, in die Migros Waldegg in Ostermundigen. Filialleiter war damals Marcel Friedli, der mir sehr rasch beibrachte, wie man in der Migros zu arbeiten hat (lacht). Offenbar habe ich ziemlich schnell «geschnallt», was er von mir erwartete, denn rasch wurde ich als Filialleiter-Aspirant in die Berner Marktgasse vorgeschlagen, so ging das damals!

Jaja, an die dreieckigen Tetrapackungen der Milch und des Choco-Drinks erinnere ich mich sehr gut. Und dort war der legendäre Charly Klopfenstein Chef, nicht wahr? Nicht ganz, nein. Die alte Migros an der Mittelstrasse zügelte im November 1972 an den heutigen Standort in den Zähringer, im nachher leeren Laden in der Länggasse gab’s eine Zeit lang ein M-Studio. Charly war damals im Zähringer, wechselte erst später in die Marktgasse, zusammen mit sechs Kaderleuten. Im Gegenzug wechselte Herr Zimmermann mit sechs Kaderleuten von der Marktgasse in den Zähringer. Unter denen war auch ich, ganz kurz. Sie erinnern sich an Charly Klopfenstein? Klar doch, der hat mich nämlich 1961 zu Unrecht des Diebstahls in der Migros Mittelstrasse verdächtigt. Meine Mutter hat ihm aber gesagt, was Sache ist, worauf ich eine Tafel Schoggi erhielt … Haben wir beide gelacht, als ich dann später – 1986 – in die Migros Bern kam, aber das nur nebenbei. Zurück jetzt zu Ihnen. Wo und wann waren Sie denn erstmals Filialverantwortlicher? Woran erinnern Sie sich noch? An die sogenannten PicassoBrüste, weil die Milch damals dreieckig verpackt wurde, in kleine Pyramiden? An Prima, das Perly aus der Migros für 20 Rappen? Ende 1972 wurde mir die Verantwortung über die Migros in der Berner Lorraine anvertraut. Das war damals die zweitkleinste Filiale der Migros, nur die «Gurtenbahn» war noch kleiner, nicht viel grösser als ein Wohnzimmer.

Jaja, an die dreieckigen Tetrapackungen der Milch und des Choco-Drinks erinnere ich mich sehr gut, die Dinger waren überhaupt nicht praktisch, in keinerlei Beziehung. Und die Perly – und vier verschiedene Aromen -, um sich selber Limonade anzurühren, waren in jeder Filiale im Grundsortiment. Als Kinder haben wir das Pulver einfach so auf der Zunge zergehen lassen, ohne Wasser. (Lacht) Jaja, das waren noch Zeiten … Zum Schluss waren Sie während 18 Jahren Filialverantwortlicher der Migros Zähringer. Wann wurden Sie pensioniert – und wo kaufen Sie heute ein, in welchen Filialen? Nach verschiedenen Stationen in der Lorraine, in Gümligen, Belp und Bethlehem landete ich in der Filiale Zähringer, wo ich Marcel Friedli abgelöst habe. Pensioniert wurde ich im Oktober 2006, meine Einkäufe tätige ich heute in der Migros Westside, an der Murtenstrasse, in Bethlehem und logisch, im Zähringer. Wie erleben Sie die Migros heute, rein als ganz normaler Kunde? Für mich ist diese Migros nach wie vor ein vielseitiges Unternehmen, ein extrem lebendiges, auch wenn ich selber nicht mehr mittendrin stehe. Fantastisch finde ich zum Beispiel, dass Filialen an der Murtenstrasse und im Westside quasi Tür-an-Tür funktionieren und beide ihr Bestes geben. Toll! Wo hat diese Migros noch Verbesserungspotenzial, Ihrer Meinung nach? (Seufzer) Ach, wissen Sie, mit der Zeit verliert man als Pensionierter ein bisschen den direkten Draht, weshalb ich auch nicht Besserwisser spielen will, das liegt mir nicht, ich bin sicher, dass alle Mitarbeitenden ihr Bestes geben, so wie wir seinerzeit. Was mir gefällt, das ist der moderne visuelle Auftritt der Migros, die Dynamik des Unternehmens kommt so gut zur Geltung. Regelmässig müssen sich Mitarbeitende auf ihre Pension vorbereiten, die Migros bietet ja ihre Unterstützung dazu an – der Fragende hat auch schon so ein Angebot erhalten -, wie war das bei Ihnen? Wie haben Sie sich, sagen wir während des letzten Arbeitsjahres, auf «die Zeit danach» vorbereitet? Die Profis in der Migros Aare haben das sehr gut gemacht, mit ihren Tipps und Hinweisen auf die Zeit nach dem aktiven Berufsleben. Trotz aller Vorberei-

142 tungen darauf und trotz der Hilfe Dritter: Eine Pension ist eine sehr, sehr individuelle Sache, die ein jeder selber in Angriff nehmen muss, möglichst aktiv. Man muss sich damit auseinandersetzen, das ist ganz wichtig, weil sich einiges ändert …

Man sollte aktiv in die Pension gehen, mit klaren Vorstellungen, was man machen will, es nicht einfach darauf ankommen lassen. Würden Sie es heute – mit den Erfahrungen eines nicht mehr Berufsaktiven – anders machen, in Bezug auf die Vorbereitungen? Für mich hat es gestimmt, ich würde nichts anders machen. Was ist Ihrer Meinung nach das Wichtigste in den ersten zwölf Monaten einer Pension? Wie gesagt, man sollte aktiv in die Pension gehen, mit klaren Vorstellungen, was man machen will, es nicht einfach darauf ankommen lassen. Und worauf sollte man sich auf keinen Fall einlassen? Meinen, man müsse überall dabei sein, aus Angst, vielleicht etwas zu verpassen. Von den Pensionierten wird ja gesagt, sie hätten nie mehr Zeit … Geht das Ihnen auch so? Wollten Sie schon lange einmal jemanden anrufen, besuchen, haben es nicht geschafft? Das kommt dann eben davon, wenn man nicht «Nein» sagen kann, da kommt man in Zeitnot. Das chas ja würklech nid sy! Ich komme gut zurecht, fühle mich nicht gestresst, zur Zeit, da wir dieses Interview führen, habe ich mich entschlossen, einen Spanien-Aufenthalt spontan zu verlängern (lacht). Was füllt denn Ihre Zeit aus? Ich habe einen grossen Garten, der gepflegt werden will, ich sammle Pilze und ich fahre noch immer leidenschaftlich Töff. Zum Motorrad. Was für eine Maschine? Im Stil von «Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an» auf einer HD? Früher hatte ich nur schnelle Maschinen, heute – Sie haben gut geraten! – fahre ich eine Harley Heritage 1400, die mit 400 Kilogramm zwar extrem schwer ist, dafür aber gutmütig, so dass man gemütlich damit fahren kann … Wo sieht man Marcel Tschui denn so rumcruisen – und mit wem? Vor noch nicht allzu langer Zeit habe ich sie gemacht, die Route 66, von Chicago nach Los Angeles, auf dem legendären

Highway. Letztes Jahr waren wir auf Sardinien, mit dabei: mein Kollege Rudi Schödel. Verbinden Sie denn die Motorradausflüge mit dem Wandern in den Bergen oder sind das zwei völlig voneinander abgetrennte Aktivitäten? Wenn ich Töff fahre, fahre ich Töff, wenn ich wandere, dann wandere ich, das sind zwei verschiedene Sachen, die ich – jede für sich – geniesse.

Was mir gefällt, das ist der moderne visuelle Auftritt der Migros, die Dynamik des Unternehmens kommt so gut zur Geltung. Ihre Lieblingswanderroute, durchaus in der Mehrzahl, wenn es sich denn aufdrängt … Das Berner Oberland hat es mir angetan, die Gegend an der Lenk ist wunderschön. Und dort verbinde ich dann allerdings zwei Sachen … Nämlich? Wandern und Pilze sammeln.

Marcel Zaugg

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"1'300 Brumis stehen bei uns zu Hause rum."

144 Marcel Zaugg Leiter Betriebsgarage, Schönbühl

Marcel Zaugg, Lastwagen prägen Ihr Leben. Zuerst zum Beruflichen: Welche Ausbildungen haben Sie absolviert? In Stichworten: Lastwagenmechaniker bei der AOE/TAG Langnau von 1982 bis 1986, Automobildiagnostiker ebenfalls bei der AOE/TAG Langnau von 1990 bis 1992, zum Schluss die Meisterprüfung beim Strasseninspektorat Bern von 1996 bis 1998. Und wo haben Sie bisher gearbeitet? Als Lastwagenmechaniker bei der AOE/TAG in Langnau und beim Strasseninspektorat in Bern, seit 2000 bin ich bei der Migros in Schönbühl, die ersten sieben Monate als Lastwagenmechaniker, seither als Leiter unserer Betriebsgarage. Was für einen Aufgabenbereich decken Sie in der Betriebsgarage – wie man so schön sagt – ab? Wir stellen die Verfügbarkeit der Migros-Flotte sicher. Wir sind verantwortlich für Wartungen, Unterhalt und Reparaturen an Lastwagen, Personenwagen und Flurförderzeugen.

Ein Hauptauftrag ist sicher das jährliche Vorführen der schweren Fahrzeuge, der LKW, Auflieger und Anhänger. Hä? Wie bitte? Erklären Sie einem Bürogummi, was ein … wie hiess das doch gleich? Flurförderzeug? Genau. Was Cheibs ist denn das? (Lacht) Darunter verstehen wir Stapler, aber auch Deichselgeräte, mit denen Paletten verschoben werden können. Danke für die Nachhilfe. Aber ich habe Sie unterbrochen. Wir waren beim Aufgabenbereich der Betriebsgarage … Ein Hauptauftrag ist sicher das jährliche Vorführen der schweren Fahrzeuge, der LKW, Auflieger und Anhänger. Dann: Wir führen wöchentlich acht schwere Einheiten bei uns in Schönbühl im Diagnosecenter vor, wir halten einen Pikettdienst an 365 Tagen im Jahr aufrecht. Und das ganze Unfall- und Schadenwesen wird über uns abgewickelt. Sämtliche Treibstoffrechnungen der Migrol werden bei uns verarbeitet.

Wie viele Mitarbeitende stehen Ihnen dabei zur Seite? Für diese Aufträge stehen mir zwölf Mitarbeitende und zurzeit fünf Lernende zur Seite. Und was «unterhalten» denn diese 18 Leute in Zahlen? Wir sind für 43 Schlepper verantwortlich, für 44 Motorwagen, 4 Terminalschlepper, 154 Auflieger, 61 Anhänger, 200 Personenwagen und 280 Flurförderzeuge. Jetzt wissen Sie ja, was das sind … (schmunzelt) Was genau muss Ihre Equipe kontrollieren, reparieren? Beim jährlichen Vorführen überprüfen wir unter anderem die vom Gesetzgeber relevanten Prüfungen. Diese umfassen den Tachoprüfbericht, den Geschwindigkeitsbegrenzer und den Triponprüfbericht. Triponprüfbericht? Das Tripon sehen Sie bei jedem Lastwagen an der Windschutzscheibe. Es muss sichergestellt werden, dass die Kilometer, die das Fahrzeug absolviert, auch genau aufgezeichnet werden. Jeder Anhänger muss vom Fahrer auf dem Tripon erfasst werden. Mit dem Prüfbericht werden die Systeme überprüft und der Oberzolldirektion gemeldet, dass das Tripon nach den gesetzlichen Vorlagen einwandfrei funktioniert. Anhand der Daten, die im Tripon gespeichert werden, rechnet die Oberzolldirektion die Steuern ab. Aufgezeichnet werden die Kilometer mit oder ohne Anhänger/Auflieger. Es werden jeweils die Gesamtgewichte gespeichert. Ein leeres Fahrzeug bezahlt gleich viel Steuern wie ein beladenes. Gleichzeitig wird der Abgasausstoss berücksichtigt, dies wird in den Euroklassen

145 unterschieden. Der jetzt aktuelle «Euro 5» ist das Günstigste für die LSVA, die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe.

Es muss sichergestellt werden, dass die Kilometer, die das Fahrzeug absolviert, auch genau aufgezeichnet werden. Was gehört sonst noch überprüft? Das Bremsprüfprotokoll, die Licht- und Signalanlage sowie die Dichtheit des Antriebsstranges und der Nebenaggregate gehören ebenfalls dazu. Die Wartungen sämtlicher Fahrzeuge, die wir betreuen, werden nach Herstellervorschrift ausgeführt. So können wir eine hohe Verfügbarkeit und eine minimale Ausfallquote sicherstellen. Die Wartungsarbeiten umfassen nicht nur das Fahrzeug, sondern auch die Kühlanlage, die Hebebühne und den Aufbau. Sämtliche Fahrzeuge sind in einer Jahresplanung erfasst. Und jetzt zu Ihrem Hobby, das sich überhaupt nicht vom Beruflichen unterscheidet. Sie sammeln Modell-Lastwagen, das ist ja kein Geschäftsgeheimnis … Ich sammle seit ungefähr 30 Jahren Modell-Lastwagen der Firma Wiking im Massstab 1:87. Das ist ein Hersteller aus Berlin. Wenn das Herz für den richtigen Lastwagen schlägt, ist der Weg zur Sammelleidenschaft nicht weit. Weshalb gerade Wiking? Ehrlich gesagt, ich weiss es nicht, es ergab sich einfach so, und blieb im Laufe der Jahre unverändert.

Zur Mutter aller Fragen: Wie viele Modelle stehen denn bei Zauggs? Ungefähr 1’300 Stück. Wie bitte? (Lacht) Jaja, ich weiss schon, das ist wohl ein bisschen viel, aber als Sammler, da sammelt man halt. Basteln Sie die Lastwagen selber zusammen oder kaufen Sie sie sozusagen fixfertig? Nein, ich baue die Lastwagen nicht selber zusammen, ich kaufe sie fertig, direkt an Börsen oder über das Internet. Moment, husch … Sie haben viele Mini-Migros-Lastwagen, die 1:1 echt aussehen. Sind diese Migros-Modelle zu kaufen oder geben Sie den Lastern einen «Zaugg Finish» mit Migros-Schriftzügen? Das sind Modelle im Massstab 1:25 der Firma EMEK mit verschiedenen Schriftzügen der Migros Aare, sie kosten 80 Franken, solange Vorrat. Ich toppe die vorhergehende Mutter aller Fragen: Wo um Himmelsgotteswillen stehen denn die 1’300 Brumis herum? In Schönbühl, in meinem Büro, da stehen die Modelle mit Migros-Werbung. Zu Hause habe ich drei grosse Wandvitrinen, in denen ungefähr 300 Modelle Platz finden. Im Wohnzimmer stehen nochmals zwei Glasvitrinen in denen – wie soll es auch anders sein? – weitere Modelle zu bewundern sind. Nun kenne ich ja Ihre Frau, die ich als extrem gutmütig einschätze. Korrekt? Korrekt! Sie hat für meine Sammelleidenschaft Verständnis, weshalb ich zu Hause auch ein kleines Museum führen darf. Hase, auch an dieser Stelle: Danke!

Die Wartungen sämtlicher Fahrzeuge, die wir betreuen, werden nach Herstellervorschrift ausgeführt. Und wer staubt die Dinger regelmässig ab? Die Modelle müssen nicht abgestaubt werden. Sie sind entweder in einer Vitrine, hinter Glas oder in der Originalverpackung. Wenn ich Ihre Zahlen zusammenzähle, dann sind wir bei weitem noch nicht bei 1’300 angelangt. Wo lagern die anderen Lastwagen? Der Rest der Modelle lagert in einigen Offizierskoffern der Schweizer Armee. Buchstäblich atombombensicher.

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Wenn das Herz für den richtigen Lastwagen schlägt, ist der Weg zur Sammelleidenschaft nicht weit. Welches war denn Ihre Nummer 1, das erste Modell, das Sie gekauft haben? Besitzen Sie es noch? Das war ein MAN 12.170 mit der Katalognummer 422/1. Das Modell ist immer noch in meinem Besitz. Welches Modell zeigt denn den ältesten Lastwagen, was für ein Typ? Mercedes L 2500, WHITE und Ford. Der legendäre Ford-T, der erste Verkaufswagen der Migros, steht der auch bei Zauggs? Ja, der gehört selbstverständlich dazu.

Welches ist das wertvollste Modell, das Sie besitzen, im Wert von … Franken? Das ist ein Stromlinienbus von Fiat mit der Katalognummer 700/3. Wiking brachte das Modell 1948 auf den Markt. Der Wert liegt bei ungefähr drei- bis viertausend Franken. Für Sammler jeder Art gibt es immer einen «Wunsch», den man noch nicht besitzt. Wie ist das bei Ihnen? Welchen Laster möchten Sie unbedingt einmal selber besitzen, in Ihrem kleinen Museum? Den Saurer 4MH der Schweizer Armee, Serie 1, Baujahr 1946.

Nein, ich baue die Lastwagen nicht selber zusammen, ich kaufe sie fertig.

Impressum Redaktion Kommunikation + Kulturelles, Genossenschaft Migros Aare Interviews Thomas Bornhauser (Es wurden absichtlich keine Bildlegenden publiziert, die Erklärung zu den Fotos ergibt sich aus dem Text.) Visuelle Gestaltung Tanja Jegerlehner, sigelwerbung.ch, Büren zum Hof Druck Mastra Druck AG, Schönbühl

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