Fallmanagement

March 31, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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Schriftenreihe des Jobcenters Nürnberg-Stadt Band 7: Beschäftigungsorientiertes Fallmanagement Ein Leitfaden für Arbeitsvermittlung, Fallmanagement und Netzwerkeinrichtungen

Verbesserung

Beratung

Vertrauen aufbauen

Ziele finden Zusammenarbeit

Impressum Herausgeberin:

Jobcenter Nürnberg-Stadt, Geschäftsführung

Texte:

Jutta Angerer, Daniela Baumann, Bernd Braun, Birgit Buchfink, Gudrun Frank, Nadine Freund, Christina Glocke, Maria Hausladen, Sylvia Kandl, Daniela Kardaus, Jobst-Bernd Krebs, Elke Lacusteanu-König, Claudine Schmidt, Kay Schmidt, Renate Schneller, Jasmin Strauß, Melanie Thumann, Sandra Uhsemann, Isabell Unger

Fotos:

Lothar Schreinert, Daniela Kardaus, Gudrun Frank Paul Müller, Christina Glocke

Layout:

Daniela Baumann, Bernd Braun, Gudrun Frank, Thomas Geiger, Christina Glocke, Jasmin Strauß, Isabell Unger

Auflage:

500

Rechte:

Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit Quellenangabe gestattet

Stand:

Februar 2012

Verantwortung ist keine Last auf unseren Schultern, sie ist die Antwort des Herzens auf den Zustand der Gesellschaft. Dolores Lachapele Kulturforscherin

Christina Glocke

Liebe Leserinnen und Leser, vor Ihnen liegt ein weiterer Band der Schriftenreihe des Jobcenters Nürnberg-Stadt „beschäftigungsorientiertes Fallmanagement“. Wir freuen uns diese Broschüre als Handbuch für die Beschäftigten des Jobcenters Nürnberg-Stadt (JCN) und die Nürnberger Netzwerkorganisationen präsentieren zu können. Inhaltlich werden Sie durch neun Punkte geführt, die zunächst einen Überblick über Historie, Struktur und Entwicklung des beschäftigungsorientierten Fallmanagements (bFM) im Jobcenter geben. In den folgenden Abschnitten werden Sie unter anderem über Zielgruppen, Prozessschritte in der Beratung, die Netzwerkarbeit und Entwicklungsmöglichkeiten der Fachkräfte im Fallmanagement informiert. Abschließend zeigen wir Perspektiven auf wie das beschäftigungsorientierte Fallmanagement im Jobcenter Nürnberg-Stadt weiterentwickelt werden kann. Als 2005 mit der Hartz IV-Reform auch das Fallmanagement Einzug in die ARGE Nürnberg hielt, waren wir 24 Beschäftigte jeweils zwei Fallmanagementfachkräfte im Tandem von Stadt und Agentur in einem Team von 20 Beschäftigen. Außer der Teamanbindung gab es weder fachliche noch organisatorische Strukturen. Das damalige Fachkonzept von Siglinde Borke-Petrovic und Prof. Dr. Rainer Göckler war Vorlage aber nicht Gesetz. Im Laufe der Wandlung von ARGE zu Jobcenter Nürnberg-Stadt haben die inzwischen mehr als 40 FM-Fachkräfte mit höchster Unterstützung der beiden Geschäftsführungen Herrn Friedrich anfangs und nachfolgend Herrn Rückel intensive und engagierte Aufbauarbeit geleistet, Konzepttreue hergestellt und Rahmenbedingungen geschaffen, die die Arbeit im Fallmanagement professionell gestalten. Die Kundinnen und Kunden erfreuen sich einer fachkompetenten, sozialstabilisierenden und beschäftigungsorientierten Beratung. Die Lotsenfunktion im Fallmanagement wird durch kontinuierliche Netzwerkpflege und Kooperationsvereinbarungen mit den hilfreichen Fachdiensten optimal in ihrer Vielfalt genutzt und stetig ausgebaut. Zu den seit 2005 geschaffenen Strukturen zählen ein regelmäßiges Fachinformations- und Austauschforum für alle Fallmangerinnen, der Facharbeitskreis Fallmanagement, das Angebot von interner und externer spezifischer Qualifizierung, das Netzwerkmanagement, die kollegiale Beratung sowie Supervision. Für viele Menschen bedeutet die Betreuung im Fallmanagement eine letzte Chance, um vielleicht doch noch in Arbeit zu kommen. Im Fallmanagement muss die Frage nach Wollen und Können gestellt werden. Durch Stabilisierung und geschmeidigen Umgang mit Widerständen versuchen die Beraterinnen zusammen mit den Kunden eine Perspektive zu entwickeln, die sie zumindest in eine menschenwürdige Alltagsstruktur bringen, damit sie nicht völlig in die Devianz abdriften. In größter Schwierigkeit ist der Auftrag jedoch zu erfüllen, wenn verschiedene Zielsetzungen aufeinander treffen. Einerseits die passiven Leistungen gesenkt werden sollen und andererseits alle

Mittel recht sein müssen, um Menschen vor Sucht, psychischer und körperlicher Verwahrlosung, Kriminalität, Haft und Obdachlosigkeit zu bewahren. Diese Spannung gilt es im Fallmanagement stets auszuhalten, entgegenzuwirken und eine Balance zu finden, um den Menschen in dieser Situation im Arbeits- und Gesellschaftsleben nicht gänzlich die Würde zu nehmen und vor völliger Armut und Ausgrenzung zu schützen. Armut in Deutschland geht auch in Zeiten guter Konjunktur nicht zurück. Etwa zwölf Millionen Menschen sind hierzulande armutsgefährdet. Das sind 14,5 Prozent der Bevölkerung, das entspricht etwa jedem siebten Bürger. Das teilte der Paritätische Wohlfahrtsverband in seinem Armutsberichts 2011 mit. In der Studie des Paritätischen orientiert sich der Gesamtverband an der Definition von Armut, die in der EU üblich ist. 2010 lag demnach die Grenze zur Armut für einen SingleHaushalt bei 826 Euro monatlich, für Familien mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren bei 1735 Euro. In der EU wird von "strenger Armut" gesprochen, wenn sich das verfügbare Einkommen auf unter 40 Prozent des Durchschnittseinkommens beläuft. Bei weniger als 50 Prozent geht man von Armut aus, die 60 Prozent gelten als Schwelle zur "Armutsgefährdung".1 In Nürnberg besitzen lt. Amt für Existenzsicherung über 34.600 Menschen den NürnbergPass, davon ca.13 000 Kinder. Aufgrund dieser Angaben kann man davon ausgehen, dass jedes 3. Kind in Nürnberg in Armut lebt.

Armut ist die schlimmste Form von Gewalt Mahatma Gandhi

Abschließend gilt allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Fallmanagement, den Mitgliedern des Facharbeitskreises Fallmangement, sowie den Autorinnen und Autoren herzlicher Dank für die engagierte Ausarbeitung jedes einzelnen Beitrags und die kreative Gestaltung der Broschüre.

Christina Glocke Stab Fallmanagement

1

vgl. Paritätische Wohlfahrtsverband /Armutsbericht 2011

Dr. Rainer Göckler Grußwort Ich erinnere mich an eine meiner ersten Schulungen in der ARGE Nürnberg in der Frühphase des SGB II. Eine kritische Gruppe, überwiegend aus der NoA, die wohl nicht viel erwartete von einer Behörde wie dem JobCenter. Ich will es nicht auf die Schulung zurückführen, doch am Ende wurde der klare Wunsch geäußert, dem Aufbau und dem Gedanken des beschäftigungsorientierten Fallmanagements durch klare Stellungnahmen und Parteinahme mehr Gewicht zu verleihen, auch außerhalb der regionalen Zuständigkeit. Die hier vorliegende Schrift zeigt, dass der vielfach geäußerten Annahme, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Grundsicherung fremdgesteuert arbeiten, weil sie durch Zielvorgaben und Vorgesetzte geführt werden, die ihnen das Denken und Verantworten abnehmen, im Nürnberger JobCenter eine klare Absage erteilt wird. Es sind keine ‚fremdgesteuerten blutleeren Verwalter‘, die sich daran gemacht haben, der Umsetzung des beschäftigungsorientierten Fallmanagements Inhalt und Gestalt zu geben – im Gegenteil. Die Ausführungen orientieren sich am Fachkonzept der Bundesagentur für Arbeit und verweisen auf die fachlichen Standards, die für Case Management grundsätzlich gelten. Das beschäftigungsorientierte Fallmanagement benötigt in den Strukturen der Organisation einen Freiraum, der fachliche Arbeit auf den unterschiedlichen Ebenen der Vernetzung und in den unterschiedlichen lebensweltlichen Deutungen der Menschen ermöglicht und durch die Führung legitimiert und unterstützt wird. Was im Management des Falles zu tun ist, ist das Ergebnis einer Bedarfsfeststellung und Aushandlung zwischen FallmanagerIn und Betroffenen unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Hilfsangebote und wirtschaftlichen Möglichkeiten. Der Blick des/der beschäftigungsorientierten FallmanagersIn wendet sich der Bedarfssituation zu und idealiter wird in kooperativer Weise herausgearbeitet, was belastet und was trägt, wo Hindernisse aus dem Weg zu räumen sind, wo professioneller Support geleistet und vernetzt werden muss und wo man auf die Stärken/Ressourcen des Klienten und seiner sozialen Umwelt vertrauen und diese auch einfordern darf. „Case Management als Fallmanagement zu etablieren“ schreibt Pantucek (2007), „ist immer ein Kampf gegen die Ordnung des Sozial- und Gesundheitswesens nach der Logik der Institutionen, der Versuch, für je diesen Klienten / diese Klientin die Unterstützung nach der Logik des Falls zu organisieren. Und das, obwohl alles dagegen spricht, dass das gelingen kann. Case Management ist Sisyphusarbeit.“ Die neueren Untersuchungen zur Beratung und Vermittlung in der Grundsicherung zeigen, dass der Logik des Falles viel zu wenig Platz vor administrativbürokratischen Handlungsmustern eingeräumt wird. Da ist es sicherlich hilfreich, diese „Sisyphusarbeit“ zunächst einmal zu strukturieren und in seiner Umsetzungsvielfalt zugänglich zu machen. Der Leitfaden greift dabei durchaus forschungs- und praxisrelevante Themenfelder auf:

1. Die Forschung zur Umsetzung des Case Managements hat immer wieder gezeigt, dass erfolgreiches Case Management nur dann ermöglicht wird, wenn es durchgängig von der Führung mitgetragen wird und in den Organisationsstrukturen präsent ist. Die hier erkennbaren fachlichen Arbeitsstrukturen lassen ein durchdachtes und organisationsgetragenes Konzept erwarten, mit Unterstützung der Führungskräfte und mit engagiertem und geschultem Personal. Deutlich wird, dass Qualifizierung keine punktuelle und einmalige Angelegenheit ist. Sie ist durchgängiger Auftrag an die Leitung und Selbstverpflichtung der Fachkräfte. 2. Die FallmanagerInnen selbst skizzieren hier ihre Arbeit. Keine Fremdsteuerung sondern das Interesse, interne und externe Partner mit dem Verfahren und der regionalen Philosophie der Umsetzung vertraut zu machen. Keine Weisung von „oben“, sondern „Bottom Up – Verantwortung“, die wahrgenommen wird. Die Fachkräfte zeigen hier, dass auch in behördlichen Kontexten Innovationen und Engagement möglich sind, trotz oder gerade wegen der vielen organisationsinternen Hemmnisse bei der Umsetzung. 3. Die Ausführungen zeigen zudem, dass mit dem Fallmanagementgedanken auch neue Formen von Beratung und Betreuung Einzug halten. Dem sturen Bürokratenvorurteil wird eine Absage erteilt, flexible und individuell zugeschnittene Hilfen werden erarbeitet und ausprobiert. Motivierende Gesprächsführung als eine Leitmethode der Beratung wird verankert. Das von Kuhnert &Kastner (2006) entwickelte Betreuungskonzept der stabilisierenden Gruppen galt bis heute nur außerhalb der Behördenstruktur bei freien Trägern für umsetzbar. Hier zeigen Fallmanager und Fallmanagerinnen, was auch innerhalb von Behörden geleistet werden kann. Es ist gut, dass „Soziale Arbeit“ nicht außen vor bleibt, sondern Eingang findet in den Beratungs- und Betreuungsalltag. Die AutorenInnen und die Führungskräfte zeigen mit dieser Schrift, dass sie sich des Fallmanagements in der Beschäftigungsförderung annehmen. Schade, dass die Bundesregierung diesem Beispiel nicht gefolgt ist und Fallmanagement als feste Aufgabe für die umsetzenden JobCenter im Gesetz verankert hat. Niemand erwartet Wunder, aber dass sie vor Ort an einer adäquaten Umsetzung arbeiten macht Mut auch für verzagte KollegenInnen in anderen Regionen. Es geht etwas, wenn sie es nur wollen! Fallsicht und Organisationssicht sind zunächst einmal sehr unterschiedliche Blickwinkel, die nicht per se zusammenpassen. Case Management ist die notwendige sozialpolitisch getragene Gegenkraft gegen rein administrative Logiken. Dieser Widerspruch kann nur in den Organisationen aufgelöst werden, nicht gegen sie oder durch Vorgaben von außen. Gelingt dies, würden es vor allem diejenigen erfahren, die ansonsten zu häufig aus dem Blickwinkel geraten: die Klienten oder Kunden, für die das Konzept des Case Managements ja entwickelt wurde. Ihnen eine gelingende Umsetzung und weiterhin Kraft und Mut für die Aufgabe. Ihr

Inhaltsverzeichnis 0. Einleitung: Fallmanagement im SGB II.............................................................................. 1 1. Beschäftigungsorientiertes Fallmanagement in Nürnberg – ein Überblick ......................... 3 1.1.

Historischer Abriss .................................................................................................. 3

1.2.

Einbindung des Fallmanagements in die Struktur des Jobcenters ........................... 3

1.3.

Stabstelle Fallmanagement ..................................................................................... 4

1.4.

Facharbeitskreis Fallmanagement........................................................................... 5

1.5.

Fallmanagement-Tag .............................................................................................. 6

1.6.

Fachliche Unterstützung und Fortbildungen ............................................................ 6

2. Zielgruppen ....................................................................................................................... 7 2.1.

Allgemeine Zielgruppe............................................................................................. 7

2.2.

Spezielle Zielgruppen .............................................................................................. 7

2.2.1.

Integrationszentrum REHA/SB ......................................................................... 8

2.2.2.

Dienstleistungszentrum U25............................................................................. 9

2.2.3.

Kompetenzzentrum Pakt 50 ............................................................................15

3. Prozessschritte im Fallmanagement ................................................................................18 3.1.

Fallzugang .............................................................................................................18

3.2.

Erstberatung...........................................................................................................19

3.3.

Assessment............................................................................................................19

3.4.

Integrationsplanung und Eingliederungsvereinbarung ............................................19

3.5.

Fall- und Leistungssteuerung .................................................................................20

3.6.

Fallabgang .............................................................................................................20

4. Beratungsansätze in der Praxis .......................................................................................22 4.1.

Kontaktdichte und Rahmenbedingungen ................................................................22

4.2.

Fallkonferenzen, Fallbesprechungen und kollegiale Beratung ................................22

4.3.

Motivierende Gesprächsführung als „Schlüssel“-Gesprächstechnik .......................24

5. Netzwerke........................................................................................................................27 5.1.

Zusammenarbeit mit Fachdiensten ........................................................................27

5.2.

Übersicht der lokalen Kooperationspartner .............................................................28

6. Instrumente und neue Methoden .....................................................................................29 6.1.

Allgemeine Instrument der Arbeitsvermittlung ........................................................29

6.2.

Spezielle Instrumente für Fallmanagementkunden .................................................29

6.2.1.

ISA - Individuelle Stabilisierung und Aktivierung ..............................................29

6.2.2.

Bürgerservice für Fallmanagementkunden ......................................................31

6.2.3.

GUSTO - Gemeinsam Unterstützen STabilisieren und Orientieren .................32 I

7. Datenschutz .....................................................................................................................36 8. Entwicklungsmöglichkeiten für die Fachkräfte im Fallmanagement ..................................38 8.1.

Supervision ............................................................................................................38

8.2.

Kollegiale Beratung ................................................................................................38

8.3.

Internes Fortbildungsprogramm..............................................................................38

8.4.

Zertifizierung der FM-Fachkräfte ............................................................................39

9. Perspektiven, Nachhaltigkeit und Weiterentwicklung mit Blick auf das Menschenbild im SGB II ..............................................................................................................................40 Literaturverzeichnis ..............................................................................................................43 Anlagenverzeichnis ..............................................................................................................44 A

Berufsethische Prinzipien des DBSH .........................................................................45

B

Flyer ..........................................................................................................................48

C

Praxisbeispiel U25 .....................................................................................................49

D

Formblatt Einleitung berufliche Reha .........................................................................51

E

FM-Kriterien ...............................................................................................................56

F

FM-Formblatt Fallanalyse und Hilfeplanung ...............................................................62

G

Erfolgsgeschichte im bFM ..........................................................................................66

H

Fachliteratur ...............................................................................................................67

„Die letzte Seite“ ...................................................................................................................68

II

0.

Einleitung: Fallmanagement im SGB II

Mit der Hartz-IV-Reform wurde 2005 die Sozial- und die Arbeitslosenhilfe zum Arbeitslosengeld II zusammengelegt. In diesem damit neu geschaffenen Sozialgesetzbuch II (SGB II) gilt der Grundsatz des Förderns und Forderns. Aufgrund der heterogenen Zusammensetzung der Leistungsberechtigten, von keinem bis weitergehendem Beratungs- und Betreuungsbedarf, waren die bisherigen Ansätze zur Integration in Arbeit jedoch nicht mehr ausreichend. Obwohl im Gesetzestext nur von persönlichen Ansprechpartnern die Rede ist, wird im Reformkonzept von 2002 erstmals in diesem Zusammenhang von Fallmanagern gesprochen, die „in einem JobCenter, welches für alle individuellen und strukturellen Probleme des Arbeitsmarktes als einheitliche lokale Anlaufstelle fungieren soll, Leistungsempfänger mit weitergehendem Beratungs- und Betreuungsbedarf (Betreuungskunden) beraten und betreuen.“2 In der Gesetzesbegründung wird Fallmanagement u.a. als „Kernelement der neuen Leistung“ bezeichnet, „ein Verhältnis zwischen Fallmanagern und Leistungsempfängern von 1:75 wird angestrebt“.3 Somit wurde in der Arbeitsmarktpolitik eine neue Funktion geschaffen, die einem ganzheitlichen Ansatz folgt: Fallmanagement soll durch intensive Betreuung und eine verbesserte Betreuungsrelation zur schnellstmöglichen Überwindung der Hilfebedürftigkeit alle Einflussfaktoren, die die Integration in Arbeit betreffen, berücksichtigen und jede notwendige Unterstützung geben, die den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entsprechen.4 Fallmanagement ist nichts Neues, es leitet sich vom angelsächsischen Case Management (CM) ab. Case Management ist aus der sozialen Gemeinwesenarbeit zum Ende des 19. Jahrhunderts heraus entstanden und führte in den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts zu einer methodischen Neuorientierung der Sozialen Arbeit und des Gesundheitswesens. Neu ist jedoch, dass CM mit dem Fallmanagement nun auch Einzug in die Arbeitsmarktpolitik fand. Dies kam einem Paradigmenwechsel auf diesem Gebiet der Arbeitsmarktpolitik gleich. Fallmanagement hat eine Lotsen- und Steuerungsfunktion: Auf den Einzelfall bezogen müssen anhand der individuellen Stärken und Schwächen der Kundinnen und Kunden die Angebote von Trägern bedarfsgerecht kombiniert werden. Dies setzt Netzwerkarbeit voraus, die aufgrund konträrer Ziele von Netzwerkpartnern auch an Grenzen stoßen kann. Fallmanagement richtet sich nicht an alle Leistungsempfänger. Zielgruppe sind Arbeitslose mit multiplen Vermittlungshemmnissen, die unter anderem in ihrer persönlichen, familiären oder sozialen Situation begründet sind. Ziel des Fallmanagements ist es, dazu beizutragen, diesen Personenkreis in den Arbeitsmarkt zu integrieren, daher spricht man auch vom beschäftigungsorientierten Fallmanagement. „Diese Zielorientierung muss in der Ausgestaltung der einzelnen Prozessschritte des Fallmanagements berücksichtigt werden. Allerdings schließt die Orientierung am genannten Ziel nicht aus, dann – wenn es notwendig ist – „Umwege“ zu gehen, zunächst Teilziele wie z.B. Entschuldung, Drogenfreiheit oder Qualifizierung zu realisieren.“5

2

Rainer Göckler, Beschäftigungsorientiertes Fallmanagement, Walhalla Fachverlag, Regensburg 2009, S. 13 3 BT-DS 15/1516, S. 5, 44 4 vgl. Göckler, 2009, S. 13 5 http://www.deutscher-verein.de/05-empfehlungen/pdf/20040301.pdf

1

Trotz der nach wie vor fehlenden namentlichen Verankerung des Fallmanagements im Gesetz wurde mit der Geschäftsanweisung Nr. 01/2010 vom 13.01.2010 zuletzt die bundesweite Nutzung des Fallmanagements auf dem Gebiet des SGB II verbindlich geregelt. Für die ursprünglich in anderen Bereichen ausgebildeten Fachkräfte (z.B. Sozialpädagogen/innen, Verwaltungswirte/innen u. ä.) erfolgt die Fortbildung zum zertifizierten Fallmanager über die Deutsche Gesellschaft für Care- und Casemanagement (DGCC) und die Bundesagentur für Arbeit (BA). Es liegen die ethischen Grundsätze des Deutschen Verbandes für Soziale Arbeit (DBSH) – siehe Anlage A – zugrunde, die auf dem humanistischen Menschenbild basieren. Seit 2006 existiert außerdem ein dreijähriger, grundständiger Bachelor-Studiengang Beschäftigungsorientierte Beratung und Fallmanagement an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit (HdBA) in Mannheim, in dem die Studierenden die Spezialisierung Fallmanagement wählen können. Nicht zu vernachlässigen ist, dass der Grundsatz des Förderns und Forderns die Arbeit im Fallmanagement in ein Spannungsverhältnis versetzt. Zum einen gilt es, die Kunden zur Beseitigung ihrer Vermittlungshemmnisse ganzheitlich zu unterstützen. Zum anderen aber sind der gesetzliche Rahmen und die geschäftspolitischen Ziele zu berücksichtigen. So gilt es, das Spannungsverhältnis durch professionelle Kunstfertigkeit der Fachkräfte und durch professionelle Rahmenbedingungen und Standards zu lösen. In den nun folgenden Kapiteln werden die wesentlichen Themen des Fallmanagements näher beleuchtet. Dabei wird speziell auf die Umsetzung des beschäftigungsorientieren Fallmanagements in Nürnberg eingegangen.

2

1.

Beschäftigungsorientiertes Fallmanagement in Nürnberg – ein Überblick

Folgendes Kapitel gibt einen Überblick über die Entwicklung des beschäftigungsorientierten Fallmanagements in Nürnberg sowie über die vorhandenen Strukturen. 1.1. Historischer Abriss Das beschäftigungsorientierte Fallmanagement (bFM) ist seit 2005 ein fester Bestandteil der Betreuungsstruktur in der ARGE Nürnberg Stadt. Im Frühjahr 2005 nahmen in der ARGE Nürnberg 34 interne und 25 externe Fallmanagerinnen und Fallmanager (FM) ihre Arbeit auf. Die internen FM waren von Anfang an den einzelnen Teams an den Standorten zugeordnet (siehe nachfolgende Ausführungen). Die externen FM waren Mitarbeiter der NoA6 und wurden als externe Dienstleister einzelnen Teams zur Seite gestellt. Diese externen Kolleginnen und Kollegen hatten keinen Zugriff auf die Kundendaten und waren auch räumlich außerhalb der ARGE angesiedelt. Das Modell „externes Fallmanagement“ hat sich in der Praxis nicht bewährt, so dass der Vertrag mit der NoA Ende 2006 gekündigt wurde. Ein Teil der Kollegen wurde von der StadNürnberg übernommen und „auf Abruf“ der ARGE zugeordnet.

Facharbeitskreis Fallmanagement von 2007 bis 2011 1.2. Einbindung des Fallmanagements in die Struktur des Jobcenters Stellenplanmäßig arbeiten heute in jedem Team des Jobcenters zwei FM mit. Sie sind räumlich und strukturell in die Teams integriert und unterstehen der Dienst- und Fachaussicht der jeweiligen Teamleitung. Sie betreuen insgesamt 150 Bedarfsgemeinschaften (BG) aus dem Kundenstamm aus der Arbeitsvermittlung pro Team (75 BG bzw. 90 Personen pro FM). Die Zuweisungsdauer beträgt mindestens sechs Monate und soll in der Regel nicht länger als zwei Jahre andauern. Im laufenden Integrationsprozess wird dann alle sechs Monate überprüft, ob die Voraussetzungen für eine weitere Betreuung im FM vorliegen. Das Ergebnis der Prüfung wird in VerBIS dokumentiert.

6

Noris-Arbeit gemeinnützige Beschäftigungsgesellschaft der Stadt Nürnberg mbH., Fichtestraße 45, 90489 Nürnberg

3

Die fachliche Ausgestaltung und Weiterentwicklung des Arbeitsfeldes „beschäftigungsorientiertes Fallmanagement“ erfolgt im Facharbeitskreis Fallmanagements und den Fallmanagement-Tagen (vormals Workshops) an denen alle FM teilnehmen sollen.

Organigramm der operativen Bereichs im Jobcenter

1.3. Stabstelle Fallmanagement Die Stabstelle Fallmanagement wurde im Februar 2011 im Rahmen der Einbindung des bFM in den Führungsebenen des Jobcenters Nürnberg von der Geschäftsführung bestellt und in der Trägerversammlung der gemeinsamen Einrichtung festgeschrieben. Aufgaben der Stabstelle sind die direkte Verbindung zwischen der Geschäftsführung und derzeit 41 Fallmanagerinnen und Fallmanger und damit die Leitung des Facharbeitskreises Fallmanagement sowie die interne und externe Netzwerkarbeit - weitere Aufgaben, siehe nachfolgende Grafik.

Aufgaben der Stabstelle Fallmanagement

4

1.4. Facharbeitskreis Fallmanagement Der Facharbeitskreis Fallmanagement (FAK FM) ist das Bindeglied zwischen der Basis und der Geschäftsführung. Er ist nicht weisungsbefugt. Ziel des FAK FM ist es, Perspektiven zur sozialen und beruflichen Integration von Menschen zu entwickeln, die im Fallmanagement betreut werden. Er orientiert sich an den vielfältigen Aspekten des bFM und betreibt deren strukturelle Weiterentwicklung. Seine wesentlichen Aufgaben: Qualitätssicherung und Optimierung im Fallmanagement Entwicklung und Ausbau lokaler Netzwerkarbeit Erkennen von Handlungsbedarf zur adäquaten Unterstützung der Kundinnen und Kunden Entwicklung und Steuerung des erforderlichen Instrumenteneinsatzes Koordination und Entwicklung des FM-internen Qualifizierungsbedarfs Der FAK FM wurde 2007 durch die Geschäftsleitung eingesetzt. Damals setzte er sich aus zwei Leiterinnen und 11 Mitgliedern aus den Standorten und Sonderteams zusammen. Die Sprecherinnen wurden durch die Geschäftsleitung eingesetzt. Mittlerweile obliegt die Leitung der Stabstelle. Neue Mitglieder werden von den entsendenden Bereichen vorgeschlagen. Über die tatsächliche Aufnahme entscheidet der FAK FM. Der FAK FM trifft sich in der Regel jeden dritten Freitag eines Monats. Themenvorschläge können von allen FM über die FAK-Mitglieder eingebracht werden. Die Protokolle werden zeitnah in der ARGE-Ablage eingestellt und sind eine wichtige Informationsquelle für alle FM. Umfangreichere Aufgaben überträgt der FAK FM an Unterarbeitskreise (UAK), die sich aus FM der verschiedenen Standorte zusammensetzen. Aktuell bestehen folgende UAK: „Kriterien im bFM“, „Controlling“, „Methodenvielfalt“. Die Unterarbeitskreise dokumentieren ihre Ergebnisse und berichten regelmäßig dem FAK FM.

Einbindung des Facharbeitskreises FM mit UnterArbeitskreisen in das Jobcenter Organigramm 5

1.5. Fallmanagement-Tag Die Nürnberger FM führen selbstorganisierte Workshops durch. Der erste zweitägige Workshop fand im Juli 2009 erstmals in Muggendorf statt. Ziel dieses Workshops war es, die Kommunikationsstrukturen untereinander zu optimieren, Leitlinien des bFM weiterzuentwickeln und Arbeitspakte für das kommende Jahr zu schnüren. In den daran anschließenden halbtägigen Workshops wurden die Arbeitspakete konkretisiert sowie Ergebnisse vorgestellt und diskutiert. Seit 2011 wurden die Workshops in sogenannte Fallmanagement-Tage umbenannt, an denen alle FM-Fachkräfte teilnehmen. Es wurden vier halbtägige Veranstaltungen pro Jahr beschlossen. Der FM-Tag dient analog zum Vermittlertag in allen Bereichen der Information, der Diskussion über aktuelle Themen und Konzepte zur Weiterentwicklung des bFM. 1.6. Fachliche Unterstützung und Fortbildungen Alle FM haben die Möglichkeit regelmäßig an Gruppensupervision teilzunehmen. Zusätzlich finden an allen Standorten regelmäßig kollegiale Beratungen statt. Das Angebot sich berufsbegleitend nach der Deutschen Gesellschaft für Case- und Caremanagement (DGCC) zertifizieren zu lassen, steht allen FM offen und wird auch von der überwiegenden Mehrheit der Nürnberger Fallmanager genutzt. Das gleiche gilt für das interne Fortbildungsangebot, das jedes Jahr neu am aktuellen Bedarf ausgerichtet und in Absprache mit der Geschäftsleitung über den FAK-FM organisiert wird (vgl. Kapitel 8.3.)

Fachliche Unterstützung und Fortbildungen

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2. Zielgruppen Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die allgemeine Zielgruppe der Fallmanagementkunden sowie eine für Nürnberg spezifische Aufteilung in Sondergruppen. Diese Aufteilung in Sondergruppen orientiert sich an der grundsätzlichen Struktur des Jobcenters NürnbergStadt. 2.1. Allgemeine Zielgruppe Mit der Geschäftsanweisung SGB II Nr. 01 vom 25.02.2010 wurden unter anderem Kriterien für den Zugang zum Fallmanagement eingeführt. Zudem hat der Rechnungsprüfungsausschuss des Deutschen Bundestags das Bundesministerium für Arbeit und Soziales aufgefordert gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit und den kommunalen Partnern Mindestkriterien für die Aufnahme des beschäftigungsorientierten Fallmanagements zu beschreiben und als verbindliche Weisung für die damaligen ARGEn bzw. heutigen Jobcentern festzulegen. Das Ergebnis sind folgende Zuweisungskriterien: a) komplexe Profillage und b) mindestens drei Handlungsbedarfe in den Schlüsselgruppen „Rahmenbedingungen“ und/oder „Leistungsfähigkeit“ sowie c) positive Einschätzung, dass durch den Einsatz des Fallmanagements konkrete Integrationsfortschritte erzielt werden und so mittel- bis langfristig die Hilfebedürftigkeit verringert oder beseitigt wird Alle Leistungsempfänger, die diese Voraussetzungen erfüllen, sollen Zugang zum beschäftigungsorientierten Fallmanagement bekommen. 2.2. Spezielle Zielgruppen Das Jobcenter Nürnberg verfügt über sechs Standorte. So wird das Stadtgebiet in die drei Bereiche Nord, West und Süd eingeteilt. Eine Sonderposition stellt der Bereich Mitte dar. Wohnort unabhängig werden hier die Sondergruppen REHA/SB, U25 und Pakt 50 betreut. Diese Sondergruppen sind im Bereich Mitte zusammengefasst. In allen sechs Standorten ist Fallmanagement angesiedelt. Wie die Umsetzung des Fallmanagements in den Sondergruppen erfolgt wird im Folgenden erläutert.

Aufteilung der Bereiche des Jobcenters Nürnberg-Stadt

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2.2.1. Integrationszentrum REHA/SB Im Jobcenter Nürnberg-Stadt werden Personen, die sich im beruflichen Rehabilitationsverfahren befinden, sowie Schwerbehinderte gemeinsam mit ihren Angehörigen in zwei Sonderteams betreut. Da große Überschneidungen zwischen den beiden Gruppen bestehen, wird das bFM in den Teams REHA und SB hier gemeinsam dargestellt. Personen, die aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben können oder zur (Re-)Integration in den Arbeitsmarkt besondere Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben benötigen, können einen Antrag auf berufliche Rehabilitation stellen. Als Kostenträger kommen je nach Einzelfall Rentenversicherungsträger, Berufsgenossenschaften oder die Agentur für Arbeit in Frage. Rehabilitanden können, müssen aber nicht schwerbehindert sein, werden jedoch immer im Team REHA betreut. Dies gilt auch für U25. Als schwerbehindert gelten Personen ab einem Grad der Behinderung (GdB) von 50. Es gibt zudem die Möglichkeit der Gleichstellung ab einem GdB von 30. In jedem Fall sollten die Betroffenen Vor- und Nachteile eines SB-Ausweises oder einer Gleichstellung gut abwägen. Etwa die Hälfte der im SB-Team betreuten Menschen sind älter als 50 Jahre. Zu den beiden genannten Zielgruppen REHA und SB zählen Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Beeinträchtigungen, meist verbunden mit erheblichen Störungen in der Sozialkompetenz, einhergehend mit Langzeitarbeitslosigkeit, fehlenden Betreuungsmöglichkeiten für Kinder und Angehörige, Obdachlosigkeit, Straffälligkeit, Sprachdefiziten, Schulden, fehlender Schul- und Berufsausbildung, Suchtproblematik und/oder einem problematischen sozialen Umfeld. Den größten Anteil bilden Personen mit psychischer Erkrankung oder Suchterkrankung sowie mit Doppeldiagnosen, oftmals mit zusätzlichen körperlichen Problemen. Hinzu kommt in erheblich größerem Umfang als in den allgemeinen Bereichen des Jobcenters, dass sich die Betroffenen durch die i.d.R. langjährige Auseinandersetzung mit schweren Erkrankungen, oft gepaart mit dem Verlust von Lebensqualität und bisheriger Lebensplanungen, häufig in einer als hoffnungslos empfundenen Lebenssituation mit einer Fokussierung auf ihre Einschränkungen befinden. Die oftmals vielschichtigen Probleme erfordern auch entsprechend vielschichtige Lösungsansätze. Schwerpunkte im bFM sind daher: Mut machen, motivieren, Stärken gemeinsam (wieder-) entdecken, Ideen entwickeln, ausprobieren und umsetzen. Die Fallmanagerinnen verfügen über vertiefte Kenntnisse bzgl. des Reha- und Behindertenrechts und der besonderen Förderungsmöglichkeiten für behinderte Menschen. Neben einem umfassenden Assessment ist die Identifikation des bestehenden formellen Netzwerkes sowie des informellen Netzwerkes von herausragender Bedeutung. Die Fallmanager des Integrationszentrums REHA/SB nutzen vor diesem Hintergrund nicht nur intensiv die flankierenden Leistungen nach § 16a SGB II (Sozialpsychiatrischer Dienst, Sucht- und Schuldnerberatung usw.), sondern haben auch Kontakte zu den gesetzlichen Betreuern und Mitarbeitern von Fachdiensten und spezialisierten Einrichtungen (z.B. Betreutes Wohnen, Integrationsfirmen, Arbewe, Erpeka, Mudra, Berufsförderungswerk usw.), in Einzelfällen zudem zu Fachärzten, Therapeuten und Kliniken aufgebaut. Eine intensive Zusammenarbeit mit den Rehabilitationsträgern und dem Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit ist unabdingbar. Nicht selten ist es notwendig, die Kundinnen und Kunden im Fallmanagement zu Terminen zu begleiten, da sie bei Beratungsstellen u.ä. alleine „nicht ankommen“.

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Da die Beschäftigungs- und Vermittlungsfähigkeit oft erst mit Hilfe von arbeitsmarktpolitischen Förderprojekten stabilisiert und verbessert werden kann, erarbeiten die FM-Kräfte Konzepte für besondere Personengruppen und initiieren deren Umsetzung. Verschiedene Maßnahmen konnten so entwickelt werden: „Integrative Frauenförderung“ für Frauen aus REHA/SB mit Migrationshintergrund für Menschen im Substitutionsprogramm für alleinstehende Männer mit physischen und psychischen Problemen „NeuWege“ für Alltagscoaching der Rehabilitanden und Schwerbehinderten für gesundheitlich eingeschränkte Personen ab 40 Jahren, die eine berufliche Neuorientierung benötigen Arbeitsgelegenheiten des Berufsförderungswerks mit intensiver Standortbestimmung und Vermittlung in angemessene Beschäftigungen Qualifizierungen und Umschulungen werden bei Eignung in Berufsförderungswerken oder bei örtlichen Bildungsträgern realisiert. Im Einzelfall beenden Rente oder der Wechsel in die Grundsicherung den ALG II-Bezug. Im Anhang D ist ein Entscheidungsformblatt für die Einleitung eines beruflichen RehaVerfahrens zu finden.

2.2.2. Dienstleistungszentrum U25 Kundenstamm U25 allgemein Zur Zielgruppe U25 (Unter 25) gehören Jugendliche und junge Erwachsene vom 15. bis 25. Lebensjahr, einschließlich Schüler. Das räumlich eigenständige Dienstleistungszentrum (DLZ) U25 befindet sich in der Sandstr. 22/24 und gehört zum Standort Mitte. Im Jahr 2010 waren 6438 aller erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (eLB) der ARGE Nürnberg im Bereich U25 angesiedelt, das sind 17,7 % an der Gesamtheit. Die folgenden beiden Abbildungen geben einen Überblick über die Art der vorhandenen Schulbildung und Berufsausbildung dieses Kundenstamms.

Schulbildung

Das Gros der aktivierbaren Kunden hat mindestens einen Hauptschulabschluss. 87 % der aktivierbaren Kunden hat keine abgeschlossene Berufsausbildung. 9

Berufsausbildung

Neben den Leistungsabteilungen und der Arbeitsvermittlung sind im DLZ U25 derzeit sechs Mitarbeiter im Fallmanagement mit unterschiedlicher Stundenanzahl in insgesamt zwei Teams tätig. Eine Vollzeitkraft ist im Bereich U25 für 60 BG zuständig, in den Standorten für 90 BG. Die Entscheidung für die reduzierte Anzahl der zu betreuenden BG konnte damit begründet werden, dass sehr schnell deutlich wurde, dass es einen besonders intensiven Betreuungsaufwand erfordert, um vorhandene Defizite und Perspektivlosigkeit bei den jungen Menschen abzubauen und zu überwinden. Das grundsätzliche und übergeordnete Ziel des bFM ist ebenso wie in der Vermittlung die nachhaltige Integration in den 1. Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. FM bei U25 zielt mit dem Hilfeangebot in besonderer Weise darauf ab, vor der Vermittlung zuerst die Ausbildungsreife herzustellen. Entwicklungsphase der jungen Menschen – Der Übergang von der Kindheit zum Erwachsensein Das Spezifische an der zu betreuenden Altersgruppe ist, dass sie sich im Übergangsstadium von der Kindheit zum Erwachsenen befindet, in der so genannten Adoleszenz. Sie sind keine Kinder mehr, aber auch noch nicht wirklich erwachsen. Die Pubertät gilt als Teil dieser Adoleszenzphase. Die Anforderungen an Eigenverantwortung und Selbständigkeit steigen kontinuierlich. Neben enormen körperlichen Veränderungen mit ersten sexuellen Erfahrungen und dem Beginn der Strafmündigkeit mit dem 14. Lebensjahr ist die Entwicklung der eigenen sozialen und beruflichen Identität dafür kennzeichnend. Weitere Herausforderungen in dieser Phase sind u.a. Schulabschluss, berufliche Erstorientierung, Suche nach und Umgang mit Idolen, Auszug von zu Hause, das Verdienen eigenen Geldes, Führerschein, Partnerschaft, Familiengründung. Daneben haben junge Mensch diesen Alters einen „Strauß von Interessen“, die sie befriedigen wollen. Es versteht sich von selbst, dass derart große Herausforderungen eine hohe Krisenanfälligkeit und eine enorme emotionale Instabilität mit sich bringen. Der Weg ist noch wenig gefestigt und es besteht folglich eine überdurchschnittliche Anfälligkeit für Alkohol- und Drogenmissbrauch sowie für geistige und seelische Probleme. Es passiert in dieser Phase vieles zum ersten Mal, was nicht immer gut gelingt oder auch danebengeht. Bei einem Teil der jungen Menschen, bei denen der Umgang mit den vielen neuen Anforderungen nicht so gut gelungen ist und gegebenenfalls bereits Sozialisationsund Erziehungsdefizite vorliegen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie auf den Bezug von Arbeitslosengeld II angewiesen sind. 10

Offenbaren sich während der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld II entsprechende Vermittlungshemmnisse, bietet die intensive Betreuung im bFM die Chance für jungen Menschen, neue und andere Wege aufzuzeigen, um ihnen doch eine nachhaltige Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Für Kunden im bFM steht vor der Vermittlung die persönliche und soziale Stabilisierung, meist die schulische Nachqualifikation und berufliche Erstorientierung mit dem Erwerb von Basisqualifikationen im Vordergrund. Bei der beruflichen Erstorientierung gibt es Einiges zu bedenken:

Erstorientierung

FM soll u.a. auch einsetzen bevor es noch schlimmer wird und sich Vermittlungshemmnisse manifestieren. Es sollen Ausbildungsreife und Beschäftigungsfähigkeit als persönliche Kompetenz erreicht werden. In der Realität zeigt sich, dass ein Teil der U25-Kunden großen Unterstützungsbedarf auf dem Weg zur Zielerreichung hat. So waren im Jahr 2010 11 % aller erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (eHb) einem Unterstützungsprofil und 7,9 % einem Stabilisierungsprofil zugeordnet. Ein erheblicher Teil dieser Kunden wird im bFM betreut. Ein Fallbeispiel, das exemplarisch für Kunden im Fallmanagement U25 ist, befindet sich im Anhang C. Wie sich anhand des Fallbeispiels zeigt, bedarf es neben einzelnen, auf den Kunden abgestimmten Hilfen, ergänzender Angebote von Netzwerkpartnern und geeigneter Fördermaßnahmen, um soziale Stabilisierung und berufliche Integration voran zu bringen. Kooperationspartner im Haus und Netzwerkpartner Mehrere Kooperationspartner bieten im Haus ihre Unterstützungsangebote an. Ziel ist, den Jugendlichen effiziente und an ihrem individuellen Bedarf orientierte Unterstützung auf „kurzem Weg“, unter einem Dach, als flankierende Dienstleistung anzubieten. Im Einzelnen sind dies: Jugendschuldnerberatung ISKA AWO – Jugendmigrationsdienst Stadtmission – Jugendmigrationsdienst AWO – Jugend-Aktiv-Cafe Berufsberatung der Agentur für Arbeit Agentur Familie & Beruf Amt für Ausbildungsförderung der Stadt Nürnberg

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Die Einbindung regionaler Netzwerkpartner wie z.B. Allgemeiner Sozialdienst (ASD), Sozialpädagogischer Fachdienst (SPFD), Verbände der freien Wohlfahrtspflege, Industrie- und Handelskammer (IHK), Handwerkskammer und Berufsinformationszentrum (BIZ) bieten zusätzlich vielfältige Hilfen auf dem Weg zur Zielerreichung. Im Angebot der Netzwerkpartner im Bereich U25 nimmt die Zusammenarbeit mit dem Allgemeinen Sozialdienst als Träger der Jugendhilfe und die Berufsberatung eine herausgehobene Rolle ein. Das Alter und entsprechend vorliegende Vermittlungshemmnisse bringen es mit sich, dass eine intensive Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe, im Speziellen dem Allgemeinen Sozialdienst des Jugendamtes der Stadt Nürnberg, erforderlich und hilfreich ist. Viele der Kunden mit einem diesbezüglichen Unterstützungsbedarf werden im bFM betreut. Häufiger Anlass zur Kooperation mit dem ASD oder SPFD (Altersregelung ist zu beachten) ist die Prüfung der Auszugsnotwendigkeit aus dem elterlichen Haushalt nach § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II. Der Gesetzgeber ermöglicht den Auszug aus schwerwiegenden sozialen Gründen, die in der Familie vorliegen und die die berufliche Integration nachhaltig erschweren. Im Rahmen der Kooperationsvereinbarung ist geregelt, dass der zuständige Mitarbeiter des ASD oder SPFD zur o.g. Auszugsnotwendigkeit Stellung nehmen. Seitens des ASD wird dabei auch geprüft, ob Leistungen nach dem SGB VIII (Leistungen nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz) gewährt werden können. Es können Hilfen für Minderjährige und Hilfen für junge Volljährige (18 - 21 Jahre) beantragt werden. Die Berufsberatung gibt Hilfestellung bei der beruflichen Orientierung, weist bei vorliegenden Voraussetzungen in eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BvB) zu und nimmt auf Anfrage Stellung zur Ausbildungsreife und Berufseignung. Eine BvB ermöglicht den jungen Menschen berufliche Orientierung und den nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses. Die Vermittlung in Ausbildung liegt in der Verantwortung von Vermittlern und Fallmanagern des Jobcenters. Mit EQ, der sog. Einstiegsqualifizierung zur Vorbereitung/Anbahnung einer betrieblichen Ausbildung, können den Kunden, die normalerweise auf dem 1. Ausbildungsmarkt kaum eine Chance haben, die Möglichkeit geboten werden, doch eine Berufsausbildung zu absolvieren. Dies geschieht in Zusammenarbeit von Jobcenter und den Kammern. Es ist eine Tatsache, dass ein Teil der jungen Menschen keine Ausbildungsstelle findet, was für Kunden im FM in besonderer Weise gilt. Um dieser Problematik entgegen zu wirken, bietet das Jobcenter U25 eine Vielzahl von geförderten Ausbildungen sogenannte BaE, bei verschiedenen Trägern und in zahlreichen Berufsfeldern an. Sie werden sowohl integrativ, kooperativ, in Vollzeit und in Teilzeit angeboten. Voraussetzung zur Zuweisung ist eine Lernbeeinträchtigung und/oder soziale Benachteiligung, die Eignung und die Aussicht auf einen erfolgreichen Abschluss. Nachdem viele Kunden, die im bFM betreut werden, noch nicht ausbildungsreif oder beschäftigungsfähig sind, bedarf es vor der Zuweisung zu BaE, EQ oder dem Beginn eines Ausbildungsverhältnisses eines Unterstützungsangebotes durch Fördermaßnahmen wie etwa das der Jugendwerkstätten von AWO, NoA und SOS. Beratung, Netzwerkarbeit und erforderliche Qualifizierung sind dabei aufeinander abzustimmen. Maßnahmen, die sich für FM Kunden im Bereich U25 besonders eignen Schon im 2. Jahr des Bestehens der ARGE zeigte sich, dass die Förderangebote der etablierten U25 Maßnahmen wie z.B. die der Jugendwerkstätten für FM Kunden oft nicht genügen. Jeder dieser Menschen, in der Regel arbeitsmarktferne Kunden, benötigt ein noch individueller abgestimmtes Angebot an Unterstützung. 12

Ein hilfreiches Instrument zur schulischen Nachqualifikation ist die einjährige, zeitlich ans Schuljahr orientierte Maßnahme AQS (Arbeiten – Qualifizierung – Schulabschluss), die seit vielen Jahren von der NoA (Noris Arbeit) durchgeführt wird. Hier kann der EHA (einfache Hauptschulabschluss) und gegebenenfalls der Qualifizierende Hauptschulabschluss nachträglich erworben werden. In diesem Fall haben auch ehemalige Förderschüler die Möglichkeit, den EHA zu erwerben. Alle Maßnahme im Bereich U25 schließen sozialpädagogische Betreuung mit ein. Es wurden zwei spezielle Maßnahme i.R. einer AGH nach § 16 SGB II entwickelt: WeDoIt plus und Rampe e.V.. Diese Maßnahmen zeigen, dass sie neben vielen anderen Angeboten im Hinblick auf Stabilisierung, Qualifizierung und Vermittlung von jungen Menschen mit schwierigen Problemlagen gut geeignet sind, um Erfolge zu erzielen. WeDoIt plus: (We Do It) Kennzeichnend für diese Maßnahme, die vom SOS Berufsausbildungszentrum durchgeführt wird, ist der besonders niedrigschwellige, auf die individuelle Bedürfnislage und Leistungsfähigkeit der Kunden abgestimmte Ansatz. Die Maßnahme kann bis zu 36 Monate dauern. Eine Besonderheit der Maßnahme ist, dass es ein Beschäftigungsangebot für U25 und Ü50 Kundinnen und Kunden ist. Ü25-Kunden sind als sogenannte Senior-Coaches tätig und unterstützen die jungen Menschen neben hauptamtlichen Mitarbeitern (Sozialpädagoginnen, Fachanleitern, Lehrern) mit viel Engagement bei der psychosozialen Stabilisierung und beruflichen Integration. Insgesamt 45 Teilnehmer aus U25 werden durch vier Senior-Coaches intensiv betreut.

WeDoIt bietet gemeinnützige Dienstleistungen an und stellt eigene Produkte her. Das Angebotsspektrum besteht aus Dienstleistungen und Werkstattarbeit. Einsätze sind in den Bereichen Holz, Küche, Büro, PC, Fahrrad, Hausservice, Forst/Garten und Umgang mit Tieren (Pferden) möglich.

Teilnehmer bei der Arbeit

Mittlerweile wurde das Angebot mit Unterricht in den allgemein bildenden Fächern erweitert. Unterstützung kann sowohl bei der Alphabetisierung als auch bei der Vorbereitung auf den externen Hauptschulabschluss angeboten werden. Das täglich angebotene gemeinsame Frühstück fördert die Gruppenzugehörigkeit und wird gerne angenommen. WeDoIt plus – Bereich Umgang mit Tieren Umgang mit Tieren ist ein Teil des Maßnahmenangebots und wird hier beispielhaft beschrieben. Das Angebot richtet sich an Kunden mit einer Störung des Essverhaltens, bei denen dies neben anderen Problemen ein Vermittlungshemmnis darstellt und die daran etwas ändern wollen. Die im Okt. 2009 gestartete Maßnahme ist auf 5 Teilnehmer ausgerichtet und wird vom SOS-Berufsausbildungszentrum in Zusammenarbeit mit einem Reiterhof durchgeführt. Die jungen Menschen verbringen 2 Tage der Woche auf dem Reiterhof, zu dem sie mit einem Kleinbus hingebracht werden. Ziel ist eine Änderung des Ernährungsverhaltens, verbunden mit der Hoffnung auf Verbesserung der Integrationschancen. Unterstützt werden die Maßnahmeteilnehmer neben den Maßnahmebetreuern durch eine Ernährungsberaterin, Sporttherapeutin und Reitlehrerin. 13

Jedem Teilnehmer wird ein Schulpferd zugewiesen, um das er sich den ganzen Zeitraum des Projekts kümmert. Darüber hinaus können die Qualifizierungsangebote der Werkstätten des SOS-Berufsausbildungszentrums genutzt werden.

Auf dem Reiterhof

Rampe e.V. Rampe e.V. ist eine Anlaufstelle für junge Menschen aus der Obdachlosen- und und Punkerszene. Es ist eine Zielgruppe, die von der Gesellschaft kaum mehr erreicht werden kann und bei der sich Vermittlungshemmnisse multiplizieren wie z.B.: Drogenkonsum Obdachlosigkeit Essstörungen organische Erkrankungen Infektionen psychische Störungen, Ängste keine Tagesstruktur - man „lebt“ eher nachts Deren Lebensweise, die oft sehr selbstzerstörerisch ist, ist konträr zur Lebensform eines Großteils der Gesellschaft. In Zusammenarbeit mit dem Jobcenter U25 werden 20 AGH-Plätze (Arbeitsgelegenheiten) angeboten. AGH-Arbeitsprojekte werden von Rampe e.V. unter anderem in den Bereichen Küche, Baustellen, Wohnungsrenovierung, Verwaltung angeboten. Es ist leicht vorstellbar, dass es eines enormen Engagements, einer hohen Sensibilität, Geduld, Frustrationstoleranz und Netzwerkeinbindung bedarf, um einem Menschen dieser Zielgruppe zu motivieren, die individuelle Handlungsfähigkeit zu stärken und Leistung zu erbringen. Ein wesentliches Ziel der Maßnahme ist, das Gefühl des „Ausgegrenzt-seins“ in ein Gefühl des „Angenommen-seins“ zu wandeln. Fazit Intensive Betreuung im FM und spezielle Maßnahmen sind ein wichtiger Baustein für junge Kunden mit mehreren Vermittlungshemmnissen, um im Berufsleben Fuß zu fassen. Die bisherigen Erfahrungen im FM U25 zeigen, dass immer mehr junge Menschen so viele Probleme haben, dass sie vor der Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit unterstützende Angebote brauchen, um Ausbildungsreife und Beschäftigungsfähigkeit zu bewirken. Fallmanagement soll ihnen helfen, die Kluft zwischen Lebenswelt und Arbeitswelt zu schließen.

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2.2.3. Kompetenzzentrum Pakt 50 Es handelt sich um ein Projekt des Jobcenters Nürnberg-Stadt, unterstützt und gefördert durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Rahmen des Bundesprogrammes Perspektive 50plus.

Ziel des Projekts ist es, älteren Langzeitarbeitslosen mit multiplen Vermittlungshemmnissen in die Vermittlungsbemühungen verstärkt oder erstmalig mit einzubeziehen. Es geht darum, gerade jenen Älteren, die ganz besondere Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeitsmarkt haben, zu aktivieren und damit ihre Beschäftigungsfähigkeit und ihre Integrationschancen zu erhöhen. Um das Ziel der Integration in den ersten Arbeitsmarkt zu erreichen, gilt es zunächst die Vermittlungshemmnisse zu verringern bzw. zu beseitigen. Vermittlungshemmnisse können sein:

Wichtig ist es jedoch nicht nur den Blick auf die Schwächen zu richten, sondern sich auf die Stärken zu konzentrieren. Denn gerade ältere Menschen haben ausreichend Lebenserfahrung und berufliche Kompetenzen vorzuweisen, dessen sie sich jedoch oftmals nicht bewusst sind. Es wird vorwiegend eine Aussichtslosigkeit aufgrund des Alters und der Langzeitarbeitslosigkeit deutlich. Weiter leben viele vorwiegend in ihrer beruflichen Vergangenheit und weisen diesbezüglich häufig ein unrealistisches Bild ihrer Person auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf. So sind nicht nur die Beseitigung der Vermittlungshemmnisse sondern auch der Abbau von Resignation, der Aufbau von Motivation sowie die Herstellung einer realistischen beruflichen Einstellung schwerpunktmäßig zu erarbeiten. 15

Durch die Unterstützung der Mitarbeiter von Neue Wege 50plus soll den Teilnehmern bewusst werden, dass sie ihre Ziele bzw. Teilziele tatsächlich erreichen können. In Gruppenund Einzelgesprächen werden berufliche und persönliche Gegebenheiten sowie individuelle Wünsche und Möglichkeiten intensiv im Sinne der Ganzheitlichkeit besprochen. Durch aktivierende Gruppenarbeit sowie Gruppenaktivitäten außerhalb des Jobcenters werden soziale Kompetenzen aufgebaut, das „Wir-Gefühl“ sowie das Selbstbewusstsein gestärkt. Die Integrationsarbeit kann dabei in fünf wesentliche Prozessschritte zerlegt werden:

• Kennenlernen - Aufnahme 1.

2.

3.

4.

5.

• Zielvereinbarung - Profiling • Individueller Integrationsfahrplan • Beratung und Begleitung • Einzelberatung und Gruppenangebote • Nachsteuerung - Feedback • Anpassung der Ziele bzw. der Strategie • Nachhaltung • Nachbetreuung bei Vermittlung

Die verwendeten Strategien basieren auf dem ganzheitlichen Ansatz mit Elementen des Empowerments. Zusätzliche Beratungs- und Informationsangebote (Ärztlicher und Psychologischer Dienst, Gesundheitsprävention) und themenzentrierte Gruppenarbeit (u.a. Workshops) unterstützen die Herstellung der Beschäftigungsfähigkeit. Erfolgsfaktoren: individuelle und intensive Betreuung durch feste Bezugspersonen Häufigkeit des Kontaktes niedriger Betreuungsschlüssel Arbeit in Kleingruppen (Workshops) Kontakt auf Augenhöhe Wertschätzung Kundinnen als Experten ihrer jeweiligen Lebenslage ernstnehmen positive Grundhaltung – „eine Integration ist möglich“ auch kleine Schritte als Erfolg verstehen und werten schneller und unbürokratischer Zugang zu Fachdiensten Die Teilnehmer erarbeiten gemeinsam mit dem FM ihre persönlichen Teilziele. Dies erfolgt sowohl in Einzel- als auch in Kleingruppenarbeit. In Workshops, die von Mitarbeiter des Projekts erarbeitet wurden, erhalten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen die Möglichkeit, sich aktiv mit einzubinden und diese mitzugestalten. Da viele Anregungen der Kunden aus der Pilotphase im Jahr 2009 in die Workshop-Gestaltung für das Jahr 2010 mit aufgenommen wurden, konnte eine höhere Akzeptanz in den Arbeitsgruppen, bei der Auseinandersetzung mit dem Thema und des Projektes allgemein erzielt werden. Die Workshops selbst wurden zur Verbesserung und Stabilisierung der Beschäftigungsfähigkeit der Zielgruppe 50plus konzipiert. So werden zu folgenden Themen regelmäßig Work16

shops veranstaltet: Gesundheit, Stressbewältigung, Kommunikation, Berufsfelder, Zeitarbeit, Teilzeit, Umgang mit Geld, Einführung PC, Life-Long-Learning und Stilberatung. Durch die Einrichtung eines eigenen Bewerbungszimmers werden die Kundinnen bei der Erstellung ihrer Unterlagen unterstützt. So sollte am Ende jeder Teilnehmer in der Lage sein, die Bewerbungsunterlagen selbständig zu aktualisieren. Dabei werden folgende Zielvorstellungen verfolgt: erstellen und überprüfen von Bewerbungsunterlagen Suche nach passenden Stellenangeboten kurzfristige Reaktion auf Stellenangeboten erstellen von Bewerbungsfotos einscannen von Dokumenten (Arbeitszeugnisse) einüben von Vorstellungsgesprächen Die Kontakte zum Arbeitgeber finden entweder über die Direktvermittlung des Jobcenters oder über die Projektvermittlung statt. Dabei kann bei Bedarf der Erstkontakt zu Arbeitgebern hergestellt oder auch eine Begleitung zu Vorstellungsterminen erfolgen. Ein weiteres zentrales Thema im Projekt stellt der Gesundheitsaspekt dar. Viele Kunden weisen (teilweise massive) altersspezifische gesundheitliche Einschränkungen sowie berufsbedingte Einschränkungen auf. Die oben beschriebenen Zielgruppe wird anhand von Workshops zum Thema Gesundheit sensibilisiert und damit angeregt, sich mit ihrem Lebensstil auseinander zu setzen. Themengebiete hierzu sind beispielsweise Stressbewältigung, Ernährung, Bewegung, Alkohol- und Nikotinkonsum. In Kleingruppen wird das Thema Gesundheit diskutiert und eine eigene Definition des Begriffs erarbeitet. Durch aktive Bewegungsangebote wird die persönliche Sportlichkeit gefördert. Desweiteren werden gemeinsam verschiedene Atem- und Meditationstechniken eingeübt, die im Alltag ohne Hilfestellung ausgeführt werden können. Eine persönliche Überprüfungsmöglichkeit der eigenen Fortschritte wird durch ein sog. „Bewegungstagebuch“ gewährleistet. Zudem wird eine freiwillige Gesundheitsberatung angeboten, bei dem die verschiedenen Gesundheitsbereiche individuell besprochen werden und eine Änderungsmotivation bezüglich des Gesundheitsverhaltens erreicht werden soll.

Fallmanagement-Fachkräfte des Kompetenzzentrums Pakt 50

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3. Prozessschritte im Fallmanagement Nachdem zuvor ein Überblick auf die Entstehung und die Struktur des Fallmanagement sowie deren Zielgruppe gegeben wurde, soll in diesem Kapitel anhand der Prozessschritte das schematische Vorgehen innerhalb der Beratung im Fallmanagement verdeutlicht werden. Die Prozessschritte im Fallmanagement sind trotz unterschiedlicher Begrifflichkeiten mit den verschiedensten Vorgehensweisen in der sozialen Arbeit kompatibel. Im Folgenden werden die einzelnen Schritte beschrieben. Es ist darauf hinzuweisen, dass sie nicht klar voneinander abgrenzbar sind, oft ist der Übergang fließend. Seitens der BA wurde die Nutzung der Fallmanagementfunktionalitäten in VerBIS speziell für den Fallzugang und -abgang verbindlich festgelegt.

Fallzugang

Erstberatung

Assessment

Integrationsplan und Eingliederungsvereinbarung

Fall- und Leistungssteuerung

Fallabgang

Prozessschritte im Fallmanagement

Das Jobcenter Nürnberg-Stadt hat zur Beschreibung der Rahmenbedingungen des Fallmanagements und zur Ausgestaltung und Umsetzung der Prozessschritte „Kriterien für das beschäftigungsorientierte Fallmanagement“ entwickelt (vgl. Anhang E). Im Anschluss an jeden vorgestellten Prozessschritt wird auf die Nürnberger Kriterien auszugsweise hingewiesen. 3.1. Fallzugang Die Zugangskriterien zum Fallmanagement wurden mit der Geschäftsanweisung Nr. 01/2010 vom 13.01.2010 bundesweit verbindlich festgeschrieben. So stehen vor der Zuweisung zum Fallmanagement die persönlichen Ansprechpartner in der Pflicht spätestens alle sechs Monate bei jedem einzelnen Kunden den Bedarf an Fallmanagement zu prüfen. Der Bedarf ist dann gegeben, wenn a) eine komplexe Profillage mit mindestens 3 voneinander unabhängigen Handlungsbedarfen in den Schlüsselgruppen „Rahmenbedingungen“ und/oder „Leistungsfähigkeit“ gegeben ist und b) die Einschätzung vorliegt, dass die Betreuung im Fallmanagement zu konkreten Integrationsfortschritten mit dem Ziel der mittel- und langfristigen Beseitigung bzw. Verringerung des Hilfebedarfs durch Integration in Arbeit führt. Jedem Leistungsberechtigten soll bei festgestelltem Bedarf der Zugang zur Betreuung im Fallmanagement ermöglicht werden. Regelung Nürnberg: Für den Fall, dass trotz vorhandenen Bedarfs des Kunden an Fallmanagement, aber aus Kapazitätsgründen eine Zuweisung zum Fallmanagement nicht unmittelbar erfolgen kann, wurde in Nürnberg eine Kennzeichnung eingeführt, die jeder persönliche Ansprechpartner spätestens alle sechs Monate im Datensatz der Kunden aktualisiert. So ist in VerBIS bei der Kennung „MMFMj“ (MM steht für den aktuellen Monat) einzutragen, wenn die Kunden dem Fallmanagement zugewiesen werden sollen und „MMFMn“, wenn kein Bedarf an der Betreuung im Fallmanagement festgestellt wurde. Sobald die entsprechende Fallmanagementkraft einen freien Platz zur Verfügung hat, kann über die VerBIS-Filterfunktion nach der entsprechenden Kennung gesucht werden. 18

3.2. Erstberatung Hier geht es um die Schaffung eines Arbeitsbündnisses und die Entscheidung, ob Fallmanagement stattfinden soll. Die Entscheidung obliegt den Kunden bzw. letztendlich der Fallmanagementkraft. Die Erstzuweisung beträgt sechs Monate. Dann soll halbjährlich der weitere Bedarf geprüft und dokumentiert werden. Die maximale Betreuungszeit liegt in der Regel bei 24 Monaten. Durch dieses zeitlich begrenzte Angebot kann mehr oder weniger gewährt werden, dass alle Bedürftigen das Angebot des Fallmanagements nutzen können, ohne auf einer dauerhaften Warteliste stehen zu müssen. Ausgestaltung Nürnberg: Im Erstgespräch sollen die Rahmenbedingungen und Arbeitsweisen ausführlich erläutert werden. Hierzu gehören insbesondere Schweigepflicht, Datenschutz, gesetzliche Rahmenbedingungen, Netzwerkarbeit, begrenzte Dauer sowie die Notwendigkeit der aktiven Mitarbeit. 3.3. Assessment Im Assessment geht es um das Herausarbeiten der Stärken und Schwächen der Leistungsberechtigten sowie der Problemlagen, die einer Integration in Arbeit im Wege stehen. Diese Standortbestimmung soll der Strukturierung und anschließend der Aktivierung der Kunden dienen, um im nächsten Schritt Ziele definieren zu können. Dabei sind alle Einflussfaktoren zu berücksichtigen, die für die Integration in Arbeit hilfreich sein können. Es ist darauf zu achten, dass der Prozess seitens der Kunden sprachlich und kognitiv nachvollzogen werden kann und sie aktiv beteiligt sind. Hier spielen neben den in Kapitel 4.3. aufgeführten Gesprächstechniken der Ressourcen-, der Empowerment- sowie der Netzwerkansatz eine wichtige Rolle.7 VerBIS bietet im Profiling des 4-Phasen-Modells bzw. mit der Assessment-Funktionalität im FM-Tool die Möglichkeit, verschiedene Bereiche wie berufsbiografische Daten, die Leistungsfähigkeit sowie Rahmenbedingungen entsprechend zu vermerken. Dem Datenschutz ist entsprechend Rechnung zu tragen, vgl. hierzu Kapitel 7 „Datenschutz“. Nürnberger Kriterien: Bis vor der Einführung des 4-Phasen-Modells wurde für das Assessement ein speziell entwickelter Vordruck verwendet, der alle möglichen Lebensbereich umfasst hat (vgl. Anhang F). 3.4. Integrationsplanung und Eingliederungsvereinbarung Aus den strukturierten Erkenntnissen des Assessements leiten sich in einem weiteren Schritt Ziele ab. Um diese Ziele greifbarer zu machen, werden sie in Teilziele untergliedert. Dabei ist es wichtig, gemeinsam mit dem Kunden zu klären, wie diese (Teil-)Ziele erreicht werden können. Hierbei ist auf das vorhandene Leistungsangebot und Netzwerke zurückzugreifen. Die Integrationsplanung ist flexibel an die Kundenbedürfnisse anzupassen und mit einem Zeitplan sowie einer Zuständigkeitenregelung zu versehen. Nur so kann gemeinsam mit dem Kunden stringent an der Zielerreichung gearbeitet werden. Dabei ist zu beachten, dass der Integrationsplan sich ständig neu entwickeln kann, da sich das Tempo, aber auch die Aufgabenkomplexität an den Kundenbedürfnissen orientieren soll. Der Integrationsplan soll zu jeder Zeit transparent sein, hierfür empfiehlt sich die Dokumentation in VerBIS. Dies ermöglicht, den Integrationsplan den Kunden ausgedruckt als „Hausaufgabenblatt“ auszuhändigen. Wenn der Integrationsplan steht, also der Prozess abgebildet ist, folgt das schriftliche Vertragswerk dazu, die Eingliederungsvereinbarung, die nach §15 SGB II vorgeschrieben ist. 7

Göckler, 2009, S. 79-82

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Die Eingliederungsvereinbarung soll die notwendige Verbindlichkeit im Arbeitsbündnis darstellen, die bei Nichteinhaltung zu Sanktionen führen kann. „Inhalte der Eingliederungsvereinbarung sollten auf jeden Fall die sozialen und arbeitsmarktlichen Unterstützungsleistungen (…), die Leistungen der aktiven Arbeitsförderung (…) inklusive der eingebundenen Leistungen des SGB III sein. Darüber hinaus müssen die Verpflichtungen des Kunden klar und verständlich formuliert werden und dieser nachdrücklich und verständlich auf die Rechtsfolgen hingewiesen werden. (…) Die Eingliederungsvereinbarung als Vertrag findet nachhaltige Akzeptanz nur bei einer Win-Win-Situation. Für den Kunden und die Fallmanagerin heißt dies, auf eine Ausgewogenheit der qualitativen und quantitativen Aspekte der Eingliederungsvereinbarung zu achten.“8 Regelung Nürnberg: Seitens des Jobcenters Nürnberg-Stadt gibt es hier keine besondere Ausgestaltung. Die oben genannten Vorgaben und Empfehlungen spiegeln sich in den Kriterien wider. 3.5. Fall- und Leistungssteuerung Vorab sei darauf hingewiesen, dass in der Literatur nicht eindeutig zwischen Fall- und Leistungssteuerung unterschieden wird.9 Fallsteuerung im eigentlichen Sinn bezieht sich auf alle Aktivitäten in Bezug auf den Kundenbedarf. Fallsteuerung im weiteren Sinn beinhaltet die Leistungssteuerung am konkreten Fall (Mikroebene), in der Region (Mesoebene) und auf politischer Ebene (Makroebene): Mikroebene: Koordination, Überwachung und Evaluation aller vereinbarten Maßnahmen und Dienstleistungen im Bezug auf den Kundenbedarf Mesoebene: Strukturierung und Schaffung von Hilfsangeboten und Dienstleistungen im sozialräumlichen Netzwerk/Region Makroebene: Abstimmung der Rahmenbedingungen auf der politischen Ebene Der Aufgabenschwerpunkt der FM-Fachkräfte liegt somit in der Fall- und Leistungssteuerung vor allem auf der Mikro- und Mesoebene. In Bezug auf den Bedarf jedes einzelnen Kunden prüft und koordiniert die Fallmanagerin die vorhandenen Netzwerke, Maßnahmen und Dienstleistungen (Mikroebene) bzw. wirkt in vorhandenen Netzwerken mit, evaluiert diese und initiiert neue notwendige Netzwerke (Mesoebene). Das Wirken auf der Makroebene liegt meist in der Zuständigkeit einer hierarchisch höheren Position, kann jedoch durch den Fallmanager angeregt werden. 3.6. Fallabgang Mit Ablauf von sechs Monaten nach Zuweisung in das Fallmanagment sind die Gründe für dessen Fortführung sowie dessen prognostizierbare Erfolgsaussichten zu überprüfen und zu dokumentieren. Die Überprüfung soll alle sechs Monate wiederholt werden. Liegen die Voraussetzungen nicht mehr vor und kann die Einschätzung abgegeben werden, dass auch ohne die Betreuung im Fallmanagement Integrationsfortschritte erzielt werden können, soll ein Fallabgang erfolgen. Die Betreuung im Fallmanagement soll in der Regel nicht mehr als 24 Monate betragen. Der Fallabgang muss in VerBIS im entsprechenden Modul vermerkt werden, damit der notwendige Betreuerwechsel vom Fallmanagement zur Vermittlungsfachkraft erfolgen kann.

8

http://www.arbeitsagentur.de/zentraler-Content/A03-Berufsberatung/A033Erwerbspersonen/Publikationen/pdf/Fallmanagement-Fachkonzept.pdf, S. 26 ff. 9 vgl. Göckler, 2009, S. 105

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Die Einträge im Fallabgangsmodul sind im Gegensatz zu den regulären Fallmanagementvermerken nicht geschützt und unterliegen daher besonders dem Datenschutz. Nürnberger Kriterien: In den Kriterien wurde festgehalten, wie ein Fallabgangsvermerk aufgebaut sein sollte: Fazit bezugnehmend auf Zuweisungskriterien, ob der Handlungsbedarf reduziert werden konnte Kurzbeschreibung der durchgeführten Maßnahmen Handlungsempfehlung Empfehlung für Profillage Zusätzlich zu dieser Dokumentation wird in Nürnberg vom Fallmanagement an die Vermittlung eine warme Übergabe angestrebt. Diese kann in einem Zweiergespräch oder auch in einem Dreiergespräch gemeinsam mit den Kunden erfolgen. Sollte die Abgabe an einen anderen Standort erfolgen, ist auch eine telefonisch Übergabe möglich.

Beratungssituation

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4. Beratungsansätze in der Praxis Gerade im Fallmanagement stellt der spezifische und persönliche Interaktionsprozess zwischen Kunde und Fallmanager die entscheidende Grundlage dar, auf dem alle Prozessschritte, erarbeiteten Ziele und Planungen aufbauen bzw. deren erfolgreiche Umsetzung stark beeinflussen. Somit bildet auch im beschäftigungsorientierten Fallmanagement das persönliche Beratungsgespräch das wichtigste Instrument. Um dieses nachhaltig und wirkungsvoll gestalten zu können sind einerseits spezifische Rahmenbedingungen erforderlich, andererseits komplettieren erst team- und netzwerkbezogene Supportstrukturen eine fachliche Arbeit im bFM. Im folgenden Kapitel werden deshalb die im Jobcenter Nürnberg-Stadt vorgegebenen Rahmenbedingungen sowie unterstützende bzw. begleitende Instrumentarien dargestellt. Den Abschluss bildet ein Exkurs in die „Motivierende Gesprächsführung“ als Schlüsselgesprächsmethode im bFM. 4.1. Kontaktdichte und Rahmenbedingungen Von einer FM-Fachkraft werden in Vollzeit durchschnittlich 75 Bedarfsgemeinschaften betreut (außer im Bereich U25). Durch die geringere Anzahl der Kundinnen und Kunden im Vergleich zur Arbeitsvermittlung besteht mehr Zeit für die einzelne Person. Grundsätzlich besteht mindestens ein monatlicher Kontakt mit den Leistungsberechtigten, individuelle Abweichungen sind je nach Bedarf möglich. Um dem Ziel einer Integration in den Arbeitsmarkt näher zu kommen, sind oft viele kleine Entwicklungsfortschritte für die Kundinnen und Kunden erforderlich. Diese werden meist als „Hausaufgaben“ mitgegeben. Im Fallmanagement werden die Leistungsberechtigten i.d.R. maximal zwei Jahre betreut. Jeweils nach sechs Monaten wird überprüft, ob das Fallmanagement noch notwendig ist. Um eine vertrauensvolle Atmosphäre zu erreichen erfolgen die Beratungen in Einzelzimmern. Zu den Rahmenbedingungen gehören auch Fortbildungsmöglichkeiten, kollegiale Beratung und Supervision. Auf diese Punkte wird an anderer Stelle eingegangen. 4.2. Fallkonferenzen, Fallbesprechungen und kollegiale Beratung Team- und netzwerkbezogene Supportstrukturen werden für eine fachliche Arbeit im bFM zunehmend unverzichtbar. Eine zentrale Unterstützungsfunktion nimmt deshalb die Fallkonferenz ein. Fallkonferenzen führen dann alle am Fall beteiligten Fachkräfte zusammen, wenn im bFM-Prozess die Realisierung einer adäquaten Hilfe mit den bestehenden Möglichkeiten oder geforderten Aktivitäten nicht gelungen ist. Die Kundinnen bzw. Kunden sind dabei zu beteiligen. Die Konferenzen können bereits sinnvoll eingesetzt werden, wenn es im Rahmen des Assessments oder der Integrationsplanung zu Schwierigkeiten bei der Feststellung individueller Leistungsfähigkeit oder der Zielausrichtung der Integrationsplanung kommt. Noch bedeutsamer wird eine Fallkonferenz dann, wenn sich im Rahmen der Fall- und Leistungssteuerung abzeichnet, dass vereinbarte Ziele nicht erreicht werden bzw. Planungen immer wieder verändert werden müssen. Kommt man im Einzelgespräch mit der Kundin trotz gemeinsamer Anstrengungen den Ursachen der „Störungen“ nicht auf die Spur, ist interdisziplinäre Hilfestellung oft ein guter Weg, Sackgassen zu vermeiden und wieder offene Wege zu finden. Eine Fallkonferenz wird meist durch das fallführende Fallmanagement angeregt, die Initiative kann aber gleichfalls von der betroffenen Person oder einer Vertrauensperson sowie involvierten Einrichtungen bzw. Kooperationspartnern ausgehen, wenn das Einverständnis der Berechtigten vorliegt. Die Einladung und Koordination erfolgt durch das Fallmanagement im Idealfall innerhalb von 2-3 Wochen nach Anregung des Treffens. Zu den Qualitätsstandards im bFM gehört eine anschließende Ergebnisdokumentation. Die Fallkonferenz und eine anschließenden Dokumentation dienen u.a. 22

der Minimierung der Gefahr fehlerhafter Entscheidungen der Überprüfung und Absicherung getroffener Entscheidungen der Entwicklung möglicher Alternativen für die Zielplanung der Koordination der weiteren Vorgehensweise der wechselseitigen Information aller Beteiligten der Steigerung der fachlichen Kompetenzen (gelebte Interdisziplinarität) Im Idealfall stärken gemeinsame Überzeugungen der Runde die Willenskraft der einbezogenen Kunden und das Bewusstsein, nicht allein gelassen zu werden mit ihren akuten Bedarfen. Da die Durchführung einer Fallkonferenz sehr aufwendig und zeitintensiv ist, wird zur Klärung einer spezifischen Frage- oder Problemstellung oft die Fallbesprechung genutzt. Hier erfolgt der Austausch entweder zwischen den am Fall beteiligten Kooperationspartnern oder die FM-Fachkraft holt sich zusätzliche Informationen und Hilfestellungen von spezifischen Fachdiensten (z.B. dem PD) ein. Eine Beteiligung der Kunden ist nicht erforderlich, sein Einverständnis in den meisten Fällen aber sicherlich hilfreich. Fallbesprechungen finden oft telefonisch statt. Eine Dokumentation ist gleichfalls notwendig und sollte mindestens den Unterstützungsbedarf sowie verbindlich getroffene Absprachen mit kurzen Begründungen umfassen.

Fallbesprechung

Mit der kollegialen Beratung steht den Fallmanagerinnen ein weiteres, wirksames Verfahren zur Verfügung, durch eine breit abgesicherte Fallsteuerung sich und andere vor Überforderung zu schützen. Kollegiale Beratung dient dem unmittelbaren Nutzen der beteiligten Fachkräfte. Sie ist ein systematischer Klärungsprozess unter Kollegen, in dem nach einer vorgegebenen Gesprächsstruktur zu einem vorliegenden Sachverhalt („Problem“) gemeinsam Lösungsstrategien entwickelt werden. In einer Gruppe von ca. 4 bis 10 Personen werden mindestens zwei Rollen vergeben – Moderator und Fallgeber. Der Gesprächsablauf folgt einem vorgegebenen „Basis-Schema“: 1. Bericht der Fallgeber (knapper Überblick zum Sachverhalt mit Möglichkeit zu Verständnisfragen durch die Gruppe) 2. Formulierung der Schlüsselfrage durch die Fallgeber 3. Beratungsphase im Kollegenkreis (Fallgeber hört stumm zu) 4. Feedback der Fallgeber zu den Gruppenüberlegungen 5. Abschluss = Dank an die Gruppe Notwendige Fördervariablen, um den Erfolg von kollegialer Beratung zu festigen, sind ein Mindestmaß an gegenseitigem Vertrauen, eine Zusicherung unumstößlicher Vertraulichkeit, 23

das notwendige Bemühen aller Teilnehmerinnen um Unterstützung der Fallgeber mit der damit verbundenen Wertschätzung untereinander. Durch den Einsatz unterschiedlicher Methoden kann die kollegiale Beratung auf die Bedürfnisse der Fallgeberinnen zugeschnitten werden. Die vorgegebene Gesprächsstruktur bietet Sicherheit und ermöglicht ein einfaches Anwenden. Für die Teilnehmer der kollegialen Beratung bietet sie: Ideen für die Praxis und neue Perspektiven für eingefahrene Handlungsmuster Reflexion des Arbeitsstils und Überprüfung eigener Sichtweisen Anteilnahme, Unterstützung und Erleichterung in schwierigen Situationen Austausch über die Arbeitsbelastungen und –erleben der Kolleg/innen Übung in unterstützender und begleitender Beratung

Kollegiale Beratung

4.3. Motivierende Gesprächsführung als „Schlüssel“-Gesprächstechnik Allgemeine Grundlagen der Beratung, theoretische Beratungsansätze und Gesprächstechniken z. B. aus der lösungsorientierten Beratung sollen dem Fallmanager aus Studium und/oder Fortbildung wohlbekannt sein. Gerade Kunden des Fallmanagements verlangen aber auch nach einer speziellen Beratungstechnik. Als Beispiel für eine Methode, die im FM sehr nützlich ist, wird hier daher das Motivational Interviewing ausführlicher behandelt. Das Ziel der FM-Kundinnen ist meist die Beibehaltung des Status Quo, sowie die Beibehaltung der gewohnten Verhaltensweisen. Die Bedrohung der gewohnten Lebensweise kann bei FM-Kunden Alarm auslösen. Solange die Beziehungsebene positiv ist, können die jeweiligen Gesprächspartner ein Maximum der dargebotenen Information wahrnehmen. Wird diese negativ, setzt eine Denkblockade ein, der Mensch ist hier weniger in der Lage, zuzuhören und mitzudenken. Nun zahlt es sich aus, wenn zwischen der Beraterin und dem Kunden eine gute vertrauensvolle Beziehung aufgebaut wurde, weil nur so die Möglichkeit besteht, die Kundinnen überhaupt hin zu einer Veränderung motivieren zu können. Eine nachhaltige Verbesserung der Situation der Kunden kann aber nur dann erreicht werden, wenn die Kunden selbst genügend Motivation zur Verhaltensänderung aufbauen können. Mit der Beratungsmethode Motivational Interviewing (MI) steht ein Beratungsansatz zur Verfügung, der gezielt den Aufbau der Motivation zur Veränderung eines Verhaltens unterstützt. An jeder Stelle des FM-Prozesses kann ein Teil des Verfahrensablaufs der MI sinnvoll einfließen, um so erfolgreich die Veränderungsbereitschaft der Kunden aufzubauen, bzw. zu erhöhen. Es wird damit auf mehreren Ebenen angesetzt, effektiv die nötige Unterstützung 24

erschlossen und gleichzeitig die Selbstwirksamkeit und Veränderungsmotivation der Kunden gestärkt. Einbettung des MI in die FM-Prozesse: Fallzugang: Hier findet noch keine Kommunikation zwischen Kundin und FM statt, es kommt demnach noch keine MI zur Anwendung Erstgespräch und Assessment: Gerade in der Anfangsphase des bFM spielen die Grundsätze der MI eine entscheidende Rolle. Es ist wichtig, eine Atmosphäre der Akzeptanz und des Vertrauens entstehen zu lassen, in der z. B. die Kundin ihre Sorgen ausloten kann. In dieser Zeit sollte die Kundin die meiste Zeit reden, während der FM nur zuhört. In der MI geht es darum, den Kunden zu helfen, ihre eigenen Erfahrungen offen zu erforschen, einschließlich ihrer Ambivalenz. Geschickte MI umfasst spezielle Reaktionen auf das, was die Kunden erwidern, wenn man offene Fragen stellt. Der Hauptpunkt liegt hier in der Einschätzung der Bedeutung, was die Kundin oder der Kunde gesagt hat, welche Botschaft er mitteilen will. Aktives Zuhören ist eine Möglichkeit, das Verständnis der Mitteilung zu überprüfen, anstatt sie von vornherein für das einzig Richtige zu halten. Dadurch kann man weitere Aussagen der Kundinnen erhalten und so Change-Talk hervorrufen. Eine direkte Bestätigung durch die FM kann in Form von Anerkennung, Komplimenten und Verständnis vermittelnden Aussagen geschehen. Es geht darum, die Stärken und Bemühungen der Kunden wahrzunehmen und in angemessener Weise zu würdigen. Weitere Methoden, die hier eingesetzt werden sollten, sind das Zusammenfassen, der Gebrauch der Dringlichkeitsskala und der Entscheidungswaage, das Erwägen von Extremen, das Zurückblicken, das Vorausblicken und die Ergründung der Ziele und Werte der Kunden. In diesem Prozessschritt lernen die FM die Kunden kennen. Sie erfahren, was den Kundinnen wichtig ist. Hierauf kann weiter aufgebaut werden, um so den Veränderungsprozess in Gang zu bringen. Integrationsplanung: Wenn eine bestimmte Veränderung das Ziel ist, ist es wichtig, wie man auf die Aussagen des Kunden reagiert. Gibt es erst einmal ein klares Ziel, dann beinhaltet MI nicht nur das Hervorrufen von Change-talk, sondern auch eine bestimmte Weise der Reaktion hierauf. Die vier Basisstrategien kommen wieder zur Anwendung (Change-Talk entwickeln, reflektieren, zusammenfassen und bestätigen). Während im Prozess des Ziele-Findens ein zukünftiger Zustand im Mittelpunkt der Planungen steht, geht es bei der Integrationsplanung um den Mittel-/Ressourceneinsatz zur Zielerreichung. Handlungsabläufe werden überlegt, besprochen und festgelegt und die Bedingungen für eine erfolgreiche Integrationsplanung definiert. Monitoring und Re-Assessment: Ein Re-Assessment ist immer dann durchzuführen, wenn z. B. die Kundin in eine Widerstandshaltung verfällt. Widerstand ist wie ein Verkehrssignal, das dem FM mitteilt, aufzupassen, das Tempo zu verlangsamen oder anzuhalten. Als einfache Grundregel gilt hier immer: Widerstand nicht mit Widerstand begegnen. Nur wenn Einigkeit in allen Punkten besteht, kann zur Integrationsplanung zurückgekehrt werden. Zielvereinbarung und Umsetzung: Es stehen jetzt Fragen zur Zukunft der Kunden im Mittelpunkt (Was soll künftig anders sein, wie soll dies aussehen, was ist der Gewinn der Veränderung?). Es wird zusammen mit den Kundinnen ein Veränderungsplan (Integrationsplan) erstellt. Die Entwicklung dieses Plans ist ein Prozess gemeinsamer Entscheidungen und Verhandlungen, der das Bestimmen von Zielen, das Erwägen von Veränderungsmöglichkeiten, sowie das Hervorrufen von Selbstverpflichtung beinhaltet. Um eine Veränderung einzuleiten, ist der 1. Schritt, klare Ziele zu haben, die man erreichen will. Diese Zielsetzungen führen notwendigerweise zu einem 2. Schritt: Was unternimmt die Kundin oder der Kunde, um diese Ziele zu erreichen? Ein zentraler Fokus der MI ist es, auf die inneren Ressourcen und die vorhandene soziale Unterstützung der Kunden zurückzugreifen. Soweit möglich, sollte der Plan von der Kundin 25

selbst formuliert und ausgesprochen werden. Basierend auf den vorangegangenen Gesprächen fasst die FM den Plan zusammen, der zu den Zielen, Absichten und Grundsätzen der Kund/innen passt. Das Ziel ist die Zustimmung und die Annahme des Plans durch den einzelnen Menschen. Die Selbstverpflichtung für den Plan wird durch den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung verstärkt. Fallabgang: Die Beendigung des Hilfeprozesses wird im Regelfall in Absprache mit den einzelnen Menschen beschlossen, die in die Beratung im Fallmanagement kommen. Es ist wichtig, den Prozess richtig abzuschließen, da dieser auf den Aufbau einer Beziehung zwischen FM und Kunden gegründet ist, die angemessen beendet werden muss. Die Beendigung muss also rechtzeitig geplant werden. Die letzten Gespräche sollten vor allem einer ausführlichen Ergebnisevaluation dienen. Ziel ist es, zum Ende des Unterstützungsprozesses zukunftsweisende Handlungsperspektiven zu entwickeln und erste Schritte in diese Richtung vorzubereiten (z. B. Vermittlung an eine andere Institution zur Weiterbetreuung) Ergebnis: Durch MI kann wesentlich mehr bei diesem Beratungsklientel bewegt werden, als mit Druck, Vorwürfen und Zwang oder gar Sanktionen. Die MI ist relativ gut erlernbar, da sie fast immer nach dem gleichen Schema abläuft. Beherzigt man die Grundregeln (Empathie ausdrücken, die Autonomie der Menschen respektieren, aktiv zuhören, möglichst offene Fragen verwenden, Diskrepanzen entwickeln, Widerstand aufnehmen), kann in relativ kurzer Zeit ein guter Fortschritt erzielt werden. Die FM können das eigentliche Problem der Kunden schneller erkennen und wirkungsvoll angehen, da viele Reflexionen eine sofortige Rückmeldung Leistungsberechtigten bezüglich Ihrer Richtigkeit hervorrufen. Gleichwohl soll zum Schluss dennoch darauf hingewiesen werden, dass MI nicht das Allheilmittel ist, das immer den gewünschten Erfolg bringt. Nicht bei allen Kunde ist die Anwendung von MI geeignet. V.a. psychisch kranke Menschen stellen hier eine Ausnahme dar, weil diesem Personenkreis mitunter das eigene Problemverhalten oftmals gar nicht bewusst ist. Außerdem kann es unter vielen Rahmenbedingungen angebracht sein, zu belehren, klare Ratschläge anzubieten, Zwang auszuüben oder Entscheidungen für andere zu fällen. Letztendlich liegt es an den FM selbst, ein gewisses Gespür dafür zu entwickeln, wann und bei welchen Leistungsberechtigten die Methode des Motivational Interviewing sinnvoll eingesetzt werden kann, um so den größtmöglichen Erfolg zu erzielen.

Ergebnis einer Gruppenarbeit

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5. Netzwerke In der täglichen Arbeit übernimmt der FM die Lotsenfunktion für den Kunden. Hierbei ist es wichtig, dass dem FM vielfältige Netzwerkpartner zur Verfügung stehen. §16a SGBII regelt die „Verwirklichung einer ganzheitlichen und umfassenden Betreuung und Unterstützung bei der Eingliederung in Arbeit“ im Rahmen der kommunalen Leistungen. Diese sind: Betreuung minderjähriger oder behinderter Kinder oder die häusliche Pflege von Angehörigen Schuldnerberatung psychosoziale Betreuung Suchtberatung

5.1. Zusammenarbeit mit Fachdiensten Das primäre Netzwerk des Fallmanagements bestehen aus Fachdiensten und Dienstleistern, mit denen die Kunden und FM häufig in Kontakt stehen. Der enge Austausch und damit die Kenntnis über die genauen Verfahrensabläufe sind Grundlage für eine effektive und schnelle Handlungsweise. Um diese optimal zu nutzen, wurden durch das Jobcenter Kooperationsvereinbarungen getroffen, die für die gesamte Zusammenabreit und damit für einen gemeinsamen großen Kundenkreis genutzt werden können. Fachstellen wie der Ärztliche und Psychologische Dienst der Agentur für Arbeit, sowie eine direkte Einschaltung des Allgemeinen Sozialdienstes oder des Sozialpädagogischen Fachdienstes der Stadt Nürnberg können ebenso einbezogen werden wie z.B. die Sozialpsychiatrischen Dienste. Wichtig ist der enge Austausch mit den Kunden um passgenaue Angebote aus dem Netzwerk nutzen zu können. Im Laufe dieses Prozesses stellt sich häufig heraus, dass weitere Fachdienste zur Stabilisierung mit einbezogen werden müssen. Daher sind die lokalen Netzwerke in der täglichen Arbeit mit Kunden von hoher Relevanz.

Kooperationstreffen mit ASD/Jugendamt und FM des Jobcenter

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5.2. Übersicht der lokalen Kooperationspartner In Nürnberg gibt es eine Vielzahl an Beratungsstellen unterschiedlichster Bereiche. Wichtige Verbündete im lokalen Netzwerk sind die Stadt Nürnberg und deren Tochtergesellschaft NoA sowie das gesamte Spektrum der Wohlfahrtsverbände, die großen und kleinen Selbsthilfegruppe und gemeinnützigen Vereine. Weitere Kooperationsvereinbarungen bestehen mit Wohlfahrtsverbänden, da vor allem die Suchtberatungsstellen Mudra, Stadtmission, Caritas und Lilith e.V. seit 2005 gute Zusammenarbeit leisten. Die lokalen Netzwerke des Jobcenters Nürnberg werden vorwiegend durch das FM genutzt. Das Angebot der Netzwerkeinrichtungen in Nürnberg ist so umfangreich und vielseitig, dass eine fachliche Schulung der Fallmanager über die angebotenen Leistungen der verschiedenen Institutionen notwendig ist. Die Effektivität im Fallmanagement kann nur durch fundiertes Wissen über die einzelnen Angebote gewährleistet werden, um die Leistungsberechtigten innerhalb ihrer Stabilisierung der persönlichen, gesundheitlichen und beruflichen Situation, mit professionellen Unterstützungsangeboten weiter zu helfen. Eine Besonderheit in Nürnberg sind Arbeitskreise und Bündnisse mit lokalen Netzwerkpartnern. Hierzu gehören unter anderem der „Arbeitskreis Alleinerziehende“, der sich 4x im Jahr trifft und mit Teilnehmenden aus Beratungsstellen für Frauen mit Kindern Alleinerziehenden, Wohlfahrtsverbänden, Bündnis für Familie, Jobcenter und Agentur für Arbeit, sowie den beiden Beauftragten für Frauen und Chancengleichheit besetzt sind. Ein weiterer stadtweiter Arbeitskreis ist das „Netz gegen Armut“. Initiiert wurde dieser durch den Stab Armutsprävention im Amt für Existenzsicherung, der aus Teilnehmenden der Wohlfahrtsverbände, Jobcenter, Agentur für Arbeit, Bildungsträgern und eingetragenen Vereinen besteht. In beiden Arbeitskreisen werden wichtige Impulse und Forderungen in Politik und Gesellschaft gesetzt, die die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen der Ärmsten und Benachteiligten in unserer Gesellschaft zu verbessern suchen.

Netzwerkorganisationen und Kooperationspartner/innen

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6. Instrumente und neue Methoden Das wichtigste Instrument des bFM ist das persönliche Beratungsgespräch und die damit einhergehende individuelle und intensive Betreuung. Dieser Ansatz ermöglicht es den Fallmanagern, einen umfassenden Einblick in die Lebenssituation, die Lebensgeschichte und die Potentiale ihrer Kundinnen zu gewinnen. Gemeinsam mit dem Kunden wird ein Integrationsplan für zunächst sechs Monate erstellt. Dieser kann bei Bedarf um weitere sechs Monate bis zu maximal zwei Jahren verlängert werden. In diesem relativ kurzen Zeitraum Verhaltensmuster aufzubrechen, die sich oft über viele Jahre verfestigt haben und Veränderungen in Lebensbereichen anzustoßen, die auf den ersten Blick hoffnungslos erscheinen, ist eine Aufgabe, die wir mit der Einzelberatung alleine nicht erfolgreich lösen können. Zur Unterstützung unserer Beratungsarbeit stehen den dermöglichkeiten des SGB II i.V. mit dem SGB III zur speziell für FM-Kunden konzipierte Maßnahmen und vielfalt“ - neue Formen der Kommunikation im Umgang lungshemmnissen.

Fallmanagementkundinnen alle FörVerfügung. Zusätzlich brauchen wir - unter dem Stichwort „Methodenmit Menschen mit multiplen Vermitt-

6.1. Allgemeine Instrument der Arbeitsvermittlung Die Kundinnen können während der Fallmanagementbetreuung grundsätzlich an allen Maßnahmen des Jobcenters teilnehmen. Das Maßnahmenangebot ist breit gefächert. Bei einem Teil der Maßnahmen steht die soziale Stabilisierung im Mittelpunkt, wie etwa bei EMMA, einer Maßnahme für engagierte Alleinerziehende. Marktnähere FM-Kunden können an Maßnahmen teilnehmen, deren Ziel die Integration in den ersten Arbeitsmarkt ist. Hier ist vor Maßnahmeantritt abzuwägen, ob das Maßnahmeziel erreicht werden kann und die Teilnahme zu einem Integrationsfortschritt führt. FM-Kundinnen können auch zur Arbeitserprobung an Beschäftigungen des zweiten Arbeitsmarktes teilnehmen. Im Vordergrund steht jedoch die individuelle und intensive Zusammenarbeit zwischen den Kunden und ihren Fallmanagerinnen. Weiterentwicklung, Spezialisierung und Streben nach Effizienz bei der Maßnahmenplanung und -gestaltung führen dazu, dass der Anteil sozial integrativer Maßnahmen rückläufig ist. Kunden mit komplexer Profillage erfüllen meist nicht die Voraussetzungen für die Teilnahme an marktorientierten Maßnahmen. 6.2. Spezielle Instrumente für Fallmanagementkunden Neben den Instrumenten für alle Kunden des Jobcenters steht den Kunden des Fallmanagements eine Reihe von Maßnahmen zur Verfügung, die speziell auf die Bedürfnisse von einzelnen Zielgruppen des FM zugeschnitten sind. Zwei Maßnahmen werden hier exemplarisch ausgeführt: 6.2.1. ISA - Individuelle Stabilisierung und Aktivierung Zielgruppe und Zielsetzung ISA wendet sich an psychisch beeinträchtigte Kunden des Fallmanagements, die ihre Situation verändern wollen. Das Projekt ermöglicht es Menschen, die in einer Grauzone zwischen psychischer Gesundheit und psychischer Erkrankung leben, ihre Situation auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Zentrales Ziel ist es, Integrationsfortschritte zu erzielen. Kurzfristig sollen die Teilnehmer von den Anforderungen her auf eine aufbauende Markersatzmaßnahme vorbereitet werden. Mittelfristig soll die Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt werden.

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Trägerverbund Konzeptionell und organisatorisch wird ISA durch das Jobcenter und das Berufsförderungswerk Nürnberg (bfw) durchgeführt. Die praktische Umsetzung erfolgt in einem Trägerverbund mit den gemeinnützigen Beschäftigungsgesellschaften Chancen e.V. und Damus gGmbH. In diesem Trägerverbund können spezifische Ressourcen aller Partner gleichberechtigt eingebracht werden. Projektphasen Die drei Phasen der Maßnahme sind zeitlich flexibel und durchlässig gestaltet. Der Wechsel in eine andere Phase ist grundsätzlich möglich. Je nach der individuellen Leistungsfähigkeit können die Teilnehmerinnen z.B. die Phase II überspringen oder bei Überforderung von Phase III in Phase II zurückwechseln.

ISA Pilotprojekt zur individuellen Stabilisierung und Aktivierung psychisch beeinträchtigter Kunden/innen im beschäftigungsorientierten Fallmanagement FallmangerIn/ KoordinatorIn stellt Handlungsbedarf fest

Heranführung an Arbeit

Modul EAM

(Ermutigen,

Aktivieren, Motivieren)

Prüfung durch PD wird angefordert

Reha / EMR Kann Ergebnis sein, dann keine Projektteilnahme

und Klärung der persönlichen AusgangsSituation unter fachlicher Betreuung

Dauer, je nach Bedarf Individuell

„geeignete“ Kunden werden an die Kooperationspartner (Chancen e.V., Damus) „übergeben“, welche die Teilnehmer, ausgehend von deren individuellen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Möglichkeiten an Arbeit herangführen

Dauer: bis ca

8 Wochen, incl. Bewerbungstraining/ und Coaching im 14-tägigen Rhythmus

Integration in den Arbeitsmarkt bzw. „Eingliederung“ in bereits bestehende Maßnahmen wie z. B.: -AGH -Bürgerarbeit -Sonstiges

Stabilisierungsmodul: evtl. ist

ca. 8-wöchige bis zu 4 Wochen

Stabilisierung durch das BfW erforderlich. etl. weitere „Eignungsklärung“ durch „Externe“

Betreuung durch FallmanagerIn /bzw.KoordinatorIn im Tandem mit zuständigem/r Mitarbeiter/in, der jeweiligen Träger, während der gesamten Massnahmedauer

Ablaufschema ISA

Phase I: Ermutigen, Aktivieren und Motivieren Ziel dieser Phase ist die Klärung der persönlichen Ausgangssituation und der Leistungsfähigkeit, um einen individuellen Förderplan erstellen zu können. Während dieser Phase werden auch Schlüsselqualifikationen wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit thematisiert und mittels klarer Tagesstruktur trainiert (vier Wochen). Phase II: Stabilisierungsmodul – Fördern der sozialen Kompetenz im Rahmen betreuter Beschäftigung In der zweiten Phase erhalten die Teilnehmerinnen die Möglichkeit, im Rahmen eines betreuten Beschäftigungsverhältnisses an den Lernorten des Berufsförderungswerkes soziale Kompetenzen zu erwerben. Sie üben, sich in einem strukturierten Tagesablauf zu bewegen und erproben ihre Fähigkeiten im Zeit- und Selbstmanagement. Ziel ist es, im Rahmen von intensiv betreuter Beschäftigung die individuellen Stärken zu entwickeln, Selbstwertgefühl aufzubauen und die Konfliktfähigkeit zu fördern (acht Wochen). 30

Phase III: Heranführen an Arbeit – die Schnittstelle zur Arbeitswelt Die dritte Phase bietet den Teilnehmern die Möglichkeit, ihre individuelle Belastbarkeit und Arbeitsfähigkeit unter arbeitsweltnahen Bedingungen zu trainieren. Der Arbeitseinsatz findet in den Einrichtungen der Projektpartner Damus gGmbH und Chancen e.V. statt und wird fachlich und pädagogisch intensiv begleitet (8 Wochen). ISA wurde in den Jahren 2008 und 2010 insgesamt fünfmal mit jeweils 15 Teilnehmern durchgeführt. In der fünften Einheit wurde ISA durch die staatliche Fachhochschule in Nürnberg wissenschaftlich begleitet. Ein umfassender Ergebnisbericht liegt vor. 6.2.2. Bürgerservice für Fallmanagementkunden Dieses Angebot richtet sich an Kundinnen des Fallmanagements, die am Ende des Prozesses stehen und motiviert und fähig sind, eine Beschäftigung aufzunehmen. Da diesen Personen der erste Arbeitsmarkt häufig verschlossen bleibt, bietet der Bürgerservice eine Chance der längerfristigen Erprobung. Ziel ist es, die noch vorhandenen Hemmnisse abzubauen und auf eine dauerhafte Veränderung hinzuwirken. Um dies zu erreichen, ist eine intensive sozialpädagogische Betreuung in den ersten 12 Monaten vorgesehen. Dazu werden die Kunden in Gruppen zusammengefasst. Einmal pro Woche werden gemeinsame Aktivitäten durchgeführt. Für viele ist dies ein Durchbrechen der sozialen Isolation. Positive Erfahrungen in der Gruppe und persönliche Erfolgserlebnisse sind Garanten für einen erfolgreichen Prozess der Stabilisierung. Ziel des beschäftigungsorientierten Fallmanagements in Nürnberg ist es, nicht nur bekannte Wege zu gehen, sondern auch neue Wege zu entdecken, Bedarfe zu erkennen und Lücken zu schließen. Es ist wichtig, immer wieder abzuwägen, ob seitens des Jobcenters neue Maßnahmen entwickelt und angeboten werden können oder abzuklären, inwiefern Netzwerkpartnerschaften Lücken schließen können. Ein Beispiel dafür ist GUSTO.

Impressionen (entstanden während einer Maßnahme)

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6.2.3. GUSTO - Gemeinsam Unterstützen STabilisieren und Orientieren Die Arbeit mit stabilisierenden Gruppen als neue Methode im beschäftigungsorientierten Fallmanagement Im Jahr 2010 zeichnete es sich immer deutlicher ab, dass Kooperationsprojekte mit Trägern im bFM kaum noch zu finanzieren sind. 2011 wurden keine Maßnahmen mehr speziell für Kundinnen im Fallmanagement durchgeführt. Auch als Reaktion auf diese Entwicklung wurde im Facharbeitskreis Fallmanagement über neue Methoden im Fallmanagement nachgedacht. Neben der individuellen Einzelberatung ist dabei die Bedeutung der Arbeit mit Gruppen stärker in den Fokus gerückt. Die Arbeit mit Gruppen ist der Kerngedanken von GUSTO, der im folgenden Kapitel dargestellten neuen Methode im Fallmanagement. Warum GUSTO? GUSTO steht für eine neue Methode im bFM. Sie dient der Stabilisierung von Menschen, die infolge ihrer langen Arbeitslosigkeit und ihrer isolierten Lebensweise die Fähigkeit verloren haben, in Gruppen zu kommunizieren. Die Unterstützungsnetzwerke des bFM werden von ihnen nicht genutzt. Arbeitsversuche scheitern an ihrer unzureichenden Fähigkeit, sich in bestehende Strukturen zu integrieren und ihren Platz in einer Arbeitsgruppe zu finden. Die Fähigkeit, erfolgreich in Gruppen zu kommunizieren, kann in der Einzelberatung nur bedingt vermittel werden. Unter der Überschrift „Methodenvielfalt“ will daher das bFM in Nürnberg Methoden aus anderen Arbeitsbereichen - wie z. B. der sozialen Arbeit - aufgreifen und als neues Instrument für das bFM weiterentwickeln. GUSTO steht als erstes Beispiel für die Methodenvielfalt im Jobcenter Nürnberg-Stadt.

Flyer für GUSTO

Die Idee - nicht einsam, sondern gemeinsam Ziel von GUSTO ist es, Menschen, die alleine und isoliert leben, mit Angeboten der stabilisierenden Gruppenarbeit neue Erfahrungen zu ermöglichen. Im Jahr 2011 waren dies ausschließlich Frauen, ab 2012 soll GUSTO für Frauen und Männer angeboten werden. In strukturierten Lerneinheiten sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer: lernen, aufeinander zuzugehen und die eigenen Stärken zum Nutzen aller Gruppenmitglieder einzusetzen Netzwerkangebote des bFM nicht nur als Konsumangebot nutzen, sondern sich diese aktiv erschließen und Nutzen daraus schöpfen – für sich und für andere erfahren, wie im Gruppenverlauf entstehende Konflikte so gelöst werden können, dass alle gestärkt daraus hervorgehen

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Das Modellprojekt - der Aufbau Im Jahr 2011 wurde modellhaft in vier Bereichen jeweils eine GUSTO-Gruppe gebildet. Zielgruppe waren alleinlebende Frauen zwischen 25 und 49 Jahren, die im bFM betreut wurden. Die Gruppenleitung bestand aus jeweils zwei Personen. Es wurden für alle Gruppen gemeinsam acht Themenbereiche ausgewählt. Alle themengleichen Stabilisierungseinheiten wurden didaktisch unterschiedlich aufgebaut. Somit konnte vergleichend ausprobiert werden, welche Methoden wann besonders zielführend sind. Folgende Themenbereiche wurden ausgewählt: Als Gruppe zusammenkommen und eine Struktur finden Unterstützungsangebote kennenlernen und sich gegenseitig erschließen eigene Stärken bewusst machen und deren Wert erkennen eigene Ziele finden und darstellen der individuelle Weg zum Ziel Angebote und Methoden der Gesunderhaltung kennenlernen Selbstpräsentation (z.B. im Vorstellungsgespräch) Farb- und Stilberatung und die Bedeutung des ersten Eindrucks bei einem Arbeitgeber

GUSTO im Praxistest - die Ergebnisse Stimmen die Rahmenbedingungen, dann ist GUSTO eine neue Methode im Fallmanagement, bei er es nur Gewinnerinnen gibt: Im Gegensatz zu unseren Maßnahmenangeboten handelte es sich bei GUSTO um ein Gruppenangebot, das von Mitarbeitern des Jobcenters in Räumen des Jobcenters durchgeführt wurde. Bedenken wegen dieser räumlichen und personellen Nähe haben sich schnell als überflüssig erwiesen. Dort, wo es in den Gebäuden einen eigenen Multifunktionsraum gab, wurde dieser schnell als Gruppenraum angenommen. Die räumliche Anbindung der Gruppenangebote an das Jobcenter hat dazu geführt, dass die Teilnehmerinnen die Institution Jobcenter unter einem neuen Blickwinkel kennenlernen konnten. Zu den Gruppenterminen kamen sie gerne in „ihr“ Jobcenter um dort gemeinsam an einer Aktivität teilzunehmen, die sie ansonsten nie mit dem Jobcenter verknüpft hätten. Sie hatten die Möglichkeit „ihre“ Fallmanagerinnen in einer anderen Rolle kennen und schätzen zu lernen. Neben der räumlichen Anbindung war auch die personelle Anbindung eine große Stärke des Modellprojektes. Die Teilnehmerinnen waren Kundinnen der Gruppenleiter bzw. wurden von diesen vor Projektbeginn ins Fallmanagement übernommen. Im Projekt selber hatten die Fallmanager dann die Chance, neue Lernfelder zu schaffen, um Widerstände abzubauen und tragfähige Arbeitsbündnisse zu schließen. Gleichzeitig wurden die Teilnehmerinnen in Einzelgesprächen individuell betreut. Diese Kombination aus individueller Betreuung der Teilnehmerinnen im Fallmanagement und der Gruppenerfahrung während der GUSTO-Laufzeit hat wesentlich dazu beigetragen, dass bei den meisten Teilnehmerinnen beachtliche Integrationsfortschritte erzielt wurden. Die Hauptgewinnerinnen dieser neuen Methode waren die Teilnehmerinnen!

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Beispiel aus den Gruppenstunden Kompetenzbilanz:

Was kann ich persönlich, fachlich, sozial?

GUSTO im Praxistest - die Grenzen Die Arbeit mit stabilisierenden Gruppen als zusätzliche Regelaufgabe im Fallmanagement bedeutet einen zeitlichen und fachlichen Mehraufwand, der mit den vorhandenen Ressourcen im Jobcenter Nürnberg-Stadt nicht leistbar ist. Die Arbeit mit Gruppen stellt Anforderungen an die Gruppenleitungen, die nicht deckungsgleich sind mit den Anforderungen an eine Fallmanagerin. Sie erfordert Fähigkeiten und Kenntnisse, die nicht Bestandteil der Zertifizierung im Fallmanagement sind. Der hohe zeitliche Aufwand bedingt, dass Einzelgespräche mit anderen Kunden zu kurz kommen und wichtige weitere Aufgaben nicht erledigt werden können. GUSTO als neue Methode – vielfältig, aber nicht immer und überall Der Begriff „vielfältig“ bezieht sich auf die Teilnehmerinnen, die Gruppengrößen, die Zielsetzung und den zeitlichen Umfang neuer Gruppenangebote. GUSTO soll eine Bereicherung sein im Angebotsspektrum des bFM: als freiwillige, gleichwertige Methode im Fallmanagement, die an den individuellen Stärken der Fachkräfte vor Ort ansetzt und die verfügbaren räumlichen und zeitlichen Ressourcen berücksichtigt als Angebot für die verschiedensten Zielgruppen im Fallmanagement zu allen Themen der beruflichen Integration für Gruppen von unterschiedlicher Größe und Dauer.

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Neue Themen können sein: Spezielle Gruppenangebote zum Thema Ernährung, Bewegung und Entspannung in Kooperation mit Neue Wege 50 plus (Job fit) und dem Nutzen der Kompetenz unserer ausgebildeten Gesundheitsberaterinnen. Sprachgruppen für Menschen mit Migrationshintergrund, die ausreichend Sprachkurse besucht haben, im Lebensumfeld aber zu wenig Möglichkeiten haben, die deutsche Sprache praktisch zu üben. Gemeinsam bewerben in sozialen Netzwerken (Online-Communities à la Facebook): Netzwerke, über die Revolutionen ausgerufen und Massenveranstaltungen organisiert werden, sollten auch dazu genutzt werden können, eine Hausmeisterstelle zu finden. Eine Probezeit durchstehen: Gegenseitige Unterstützung beim (Wieder-)Eintritt ins Berufsleben im Rahmen der Nachbetreuung. Diese Liste kann beliebig fortgesetzt werden. Es liegt nun an der Phantasie und dem Engagement der Fallmanger vor Ort, aber noch viel wesentlicher an deren räumlichen, zeitlichen, fachlichen und finanziellen Möglichkeiten, diese neue Methode des bFM mit Leben zu füllen.

Beispiel aus den Gruppenstunden

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7. Datenschutz Beim Datenschutz geht es um den Schutz des Menschen vor einer Gefährdung durch nachteilige Folgen einer Erfassung, Speicherung und/oder Verwertung seiner personenbezogenen Daten. Grundlage für alle Datenschutzvorschriften ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger (laut Volkszählungsurteil des BVG vom 15.12.1983), das wiederum auf dem Schutz der Menschenwürde (Art. 1 GG) und dem Persönlichkeitsrecht (Art. 2 GG) basiert. Der Bürger muss grundsätzlich selbst bestimmen können, wer wann welche Informationen über ihn erhält und was mit diesen Informationen geschehen darf. Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind nur aufgrund eines Gesetzes möglich. In der täglichen Arbeit mit den Leistungsberechtigten müssen in diesem Zusammenhang u.a. die Zweckbindung der Datenverarbeitung und der Erforderlichkeitsgrundsatz beachtet werden: Hier greift der Sozialdatenschutz10: Laut § 67a SGB X ist das Erheben von Sozialdaten (Einzelangaben über die persönlichen oder sachlichen Verhältnisse der Person) nur dann zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle erforderlich ist. Die gesetzliche Aufgabe des SGB II ist die Eingliederung in Arbeit, somit muss die Erhebung der Daten hierfür erforderlich sein. Zum Katalog der zu erhebenden Daten vgl. § 51b SGB II sowie die Verordnung zur Erhebung der Daten nach § 51b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 12.08.2010. Die Kundinnen und Kunden müssen auf datenschutzrechtlich unzulässige Fragen nicht antworten und hierüber auch aufgeklärt werden. Sie müssen desweiteren transparent darüber informiert werden, welche ihrer Daten in welcher Form dokumentiert werden. Zu jeder Zeit haben sie ein Recht auf Auskunft über gespeicherte Daten. Im Fallmanagement (FM) geht es dabei häufig um besonders sensible Daten, z. B. bei vorliegender Suchtproblematik, Familienproblemen, Schulden o.ä., die zum Teil bereits von den Integrationsfachkräften (IFK) erhoben werden bzw. die zu einer Einschätzung führen, dass Vermittlungshemmnisse vorliegen, welche die Zuweisung ins Fallmanagement sinnvoll erscheinen lassen. Gerade aufgrund des besonderen, auf gegenseitigem Vertrauen basierenden Arbeitsbündnisses zwischen FM-Fachkräften und Leistungsberechtigten ist es notwendig, dass diese sensiblen Daten besonders geschützt sind. Dies kann in VerBIS durch die Nutzung des Fallmanagementtools erfolgen. In der aktuellen Geschäftsanweisung zum Fallmanagement wird die Nutzung des Fallmanagementtools für Fallzu- und Abgang verbindlich vorgeschrieben11. Hierzu existiert eine ausführliche „VerBIS-Arbeitshilfe Fallmanagement“, die stets in der aktuellen Fassung über die „1. Hilfe VerBIS“ verlinkt ist. Sinnvollerweise wird in Nürnberg das gesamte Tool genutzt; Assessment, Integrationsplanung und die Einträge zur Fallsteuerung werden somit in geschützten Bereichen dokumentiert, die nur die betreuenden FM-Fachkräfte und ihre Vertreter einsehen können. Dies ist auch so bei den Fallmanagement-Vermerken (allgemein und intern sowie Historienvermerke zu Assessment und Integrationsplanung), den Fallmanagement-Wiedervorlagen und bei den Fallmanagement-Dokumenten in der Dokumentenverwaltung. Auch der Zugriff auf die Eingliederungsvereinbarung ist – wie im 4PM – nur den Fallzuständigen und ihrer Vertretung möglich.

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vgl. §§ 67ff. SGB X vgl. Kapitel 3 Prozessschritte

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Insofern ist zu kritisieren, dass ausgerechnet der Vermerk zur Fallabgabe allgemein lesbar ist – es ist aus Datenschutzgründen somit unmöglich, darin für die die Betreuung übernehmende IFK kurz zu dokumentieren, welche Fortschritte bei welchen Vermittlungshemmnissen erreicht wurden. Daher wird in den FM-Kriterien eine „warme Übergabe“ empfohlen. Auch an Dritte dürfen nur solche Daten übermittelt werden, die für ihre Aufgabenerledigung konkret erforderlich sind. Hierzu wird im Regelfall eine unterschriebene Datenweitergabeerklärung der Kundinnen und Kunden benötigt. Zum Zweck der Zusammenarbeit mit Netzwerkpartnern, z. B. Suchtberatungsstellen, muss eine Schweigepflichtentbindung der Leistungsberechtigten vorliegen. Die Fachkräfte im Jobcenter und in den Netzwerkeinrichtungen dürfen somit vertrauliche Informationen, zu denen konkret eine Schweigepflichtentbindung/Datenweitergabeerklärung vorliegt, austauschen oder solche von Dritten einholen. Bei gemeinsamen Besprechungen von Fällen in der Kollegialen Beratung sollte der Datenschutz gewahrt bleiben, indem die Leistungsberechtigten anonymisiert oder pseudoanonymisiert werden.

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8. Entwicklungsmöglichkeiten für die Fachkräfte im Fallmanagement Um die fachliche, berufliche und persönliche Weiterentwicklung für die Fachkräfte im Fallmanagement zu fördern, können die Beschäftigten im Jobcenter Nürnberg-Stadt seit Anfang an der ARGE 2005 verschiedene Angebote, wie Supervision, seit 2008 die Kollegiale Beratung in Gruppen sowie die Einzelberatung wahrnehmen. Das interne Fortbildungsprogramm beinhaltet Infoveranstaltungen und Schulungen zu bestimmten Themen der Kooperationseinrichtungen, mit denen meist festgeschriebene Vereinbarungen getroffen sind. Seit 2008 besteht das Angebot als FM-Fachkraft im Jobcenter nach den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Care- und Casemanagement (DGCC) zertifiziert zu werden. 8.1. Supervision Die Definition von D. Keel beschreibt Supervision als eine Form der Beratung, die Einzelpersonen, einzelne Teams, Gruppen und Organisationen bei der Reflexion und Verbesserung ihres personalen, beruflichen oder sozialen Handelns begleitet. Fokus ist je nach Zielvereinbarung die Arbeitspraxis, die Rollen- und Beziehungsdynamik zwischen Supervisand und Klient, die Zusammenarbeit im Team bzw. in der Organisation des Supervisanden usw.. Supervision stammt aus dem sozialen Bereich und wird teilweise auch in der Wirtschaft angewendet. Die Reflexion fokussiert die Szenen auf das Verhalten und Innenleben der Beteiligten und Betroffenen; auf ihr Miteinander; auf ihre Aufgaben und Vorhaben und/oder auf das Verhältnis des supervidierten Systems zu über-, neben- oder untergeordneten Systemen. Auf der Basis der Reflexion kann der Supervisand Lernziele formulieren, die inner- oder außerhalb der Supervision verfolgt werden können.12 Im Jobcenter Nürnberg nehmen die FM-Fachkräfte der vier operativen Bereiche das Angebot der Supervision in Gruppen wahr, jeweils im Abstand von 2 Monaten werden bei zwei nach der Deutschen Gesellschaft für Supervision (DGSV) anerkannten Supervisorinnen zweistündige Sitzungen für insgesamt 41 Fallmangerinnen durchgeführt. Die Finanzierung ist durch die Zustimmung der Geschäftsführung von Anfang an abgedeckt. 8.2. Kollegiale Beratung Die Kollegiale Beratung ist ein Instrument der Verbesserung der beruflichen Kompetenz sowie der Kooperationsfähigkeit der Fachgruppe von einzelnen FM-Fachkräften mit dem gemeinsamen Arbeitsauftrag, auch Praxisberatung genannt. Die Praxisberatung beinhaltet einerseits den fallbezogenen Erfahrungsaustausch und die gemeinsame Wissensvermittlung, die sowohl fallbezogen eine neue Arbeitsweise Einzelner aber auch insgesamt lösungsorientierte Strategien der ganzen Gruppe anstrebt. Andrerseits dient die Kollegiale Beratung dem Informationsaustausch und der bereichsbezogenen Entscheidungsfindung, wenn es um neue Konzepte zur Weiterentwicklung des FM und passgenaue Maßnahmen für allgemeine und spezielle Zielgruppen im Fallmanagement geht. Die Teilnahme an der kollegialen Beratung ist außerdem Voraussetzung der Zertifizierung als Fallmanagerin. Die Fallmanagerinnen und Fallmanager im JCN haben 4 Gruppen in den jeweiligen Bereichen gebildet und nehmen regelmäßig 1x monatlich daran teil. 8.3. Internes Fortbildungsprogramm Das interne Fortbildungsprogramm besteht seit Anfang 2007 im Jobcenter Nürnberg und wird einerseits zu bestimmten Themen wie Schulden, Sucht, Kindeswohlgefährdung, Jugendhilfe, psychische Erkrankungen u.v.m angeboten. Es werden jedoch auch Netzwerkeinrichtungen besucht, Informationen über Arbeitsweisen und Kooperationsmodalitäten der jeweiligen Organisation eingeholt, die die Lotsenfunktion 12

vgl. David Keel, Qualität von Supervision, 2003

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der Fallmanagerinnen unterstützen und das Wissen über die vielfältigen Netzwerkeinrichtungen in der Stadt erweitern. Das interne Fortbildungsprogramm bringt den Fallmanagern die soziale Infrastruktur der Stadt näher, so dass viele Kunden im Fallmanagement je nach Schwere ihrer Lebenslage gezielt zu den problemspezifischen Netzwerkorganisationen vermittelt werden können. Im Durchschnitt findet ein Angebot des Fortbildungsprogramms im Monat statt. 8.4. Zertifizierung der FM-Fachkräfte Die Zertifizierung nach den Richtlinien der DGCC der Fallmanagerinnen und Fallmanager im Jobcenter Nürnberg-Stadt ist freiwillig. Die Zertifizierung wird von Anfang an von der Geschäftsführung gewollt und unterstützt. Die Kosten für die Qualifizierung werden vom Jobcenter getragen. In Nürnberg sind beinahe alle FM daran interessiert die Zertifizierung zu absolvieren. Als Voraussetzung gelten, die in der nachfolgenden Grafik angegebenen Qualifizierungsbausteine, die jeder Einzelne durchlaufen muss, um am Ende die Qualifikation zu erreichen. Einige FM im Jobcenter haben bereits durch das Studium an der Hochschule Mannheim, Studiengang Fallmanagement, die DGCC Zertifizierung erreicht. Wieder andere bringen durch ihr vorhergehendes Studium z. B. der Sozialpädagogik schon einen Großteil der Qualifikationsvoraussetzungen mit. Bisher ist ein Drittel der FM-Fachkräfte des Jobcenters Nürnberg-Stadt nach den DGCC Richtlinien zertifiziert.

Qualifizierung bFM

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BA intern: Dienststellen/Führungsakademie der BA/Zentrale Bildungsaufgaben/Bildungsangebote/ Bildungsangebote SGBIII/Bildungskatalog/Beratung und Integration/Fallmanagement

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9. Perspektiven, Nachhaltigkeit und Weiterentwicklung mit Blick auf das Menschenbild im SGB II „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt.“ (Art. 1 Satz 1 Grundgesetz) Dieses Menschenbild wurde bewusst dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vorangestellt. Es ist von grundlegender Wertentscheidung und unveränderbar. Menschenwürde meint den sozialen Wert eines jeden Menschen, unabhängig von Leistung, Eigenschaften und sozialem Status. Diese Menschenwürde beinhaltet auch, dass der Staat für das Existenzminimum eines jeden Menschen zu sorgen hat. Dabei soll er ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen. Das SGB II kennt erst seit 01.04.2011 ein Menschenbild. Mit den Prinzipien des Förderns und Forderns geht jedoch bereits die Agenda 2010 von souveränen Menschen aus, die ihren Marktwert kennen, ihr Leistungsvermögen einbringen und dafür eine angemessene Gegenleistung erhalten. Während das Grundgesetz den Leistungsschwachen in unserer Gesellschaft eine die Würde des Menschen erhaltende Grundsicherung zusichert, geht das SGB II von Adressaten aus, die in der Lage sind, sich den Regeln des Marktes zu unterwerfen.14 Im Vordergrund steht die Eigenverantwortung des Einzelnen. Mangelnde Eigenverantwortung wird zum „Grundübel“ von Langzeitarbeitslosigkeit. Der Grundsatz des Forderns soll dem entgegenwirken.15 Im Spannungsfeld dieser zunächst schwer zu vereinbarender Grundwerte sozialstaatlichen Handelns bewegt sich das bFM. Den Grundpfeilern des SGB II folgend ist das bFM verpflichtet, die ihm zur Verfügung stehenden Instrumente und Methoden zu nutzen, um Menschen zu befähigen, ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten. Dabei sprechen Fallmanagerinnen immer häufiger jene Menschen an, die den gesetzlichen Anforderungen des SGB II und den realen Anforderungen unserer Gesellschaftsordnung nicht (mehr) gewachsen sind. Auch diese Menschen mit multiplen Vermittlungshemmnissen dabei zu unterstützen, ihren Platz in unserer Gesellschaft zu finden, muss weiterhin ein Ziel der Weiterentwicklung des bFM in Nürnberg sein. Drei Bereiche werden die Weiterentwicklung des bFM in Nürnberg prägen: Arbeitslosigkeit und Gesundheit 50 Prozent aller Langzeitarbeitslosen weisen gesundheitliche Einschränkungen auf. Bezogen auf rein körperlichen Erkrankungen steigt das Krankheitsrisiko bei Arbeitslosen um bis zu 80 Prozent gegenüber Beschäftigten.16 Körperliche Beeinträchtigungen sind immer häufiger ein zentrales Vermittlungshemmnis. Für viele Langzeitarbeitslose haben sich körperliche Handicaps zum zentralen Lebensinhalt entwickelt und damit einen Stellenwert bekommen, der ihnen häufig nicht zusteht. Menschen können aber auch lernen, trotz ihrer Beeinträchtigungen ein aktives und selbstbestimmtes Leben zu führen. Auf die eigene Gesundheit zu achten, gesund zu bleiben und wieder gesund zu werden oder mit gesundheitlichen Einschränkungen aktiv zu sein, ist ein Thema des Fallmanagements. Noch mehr als bisher wird es Aufgabe werden, die Netzwerke im Gesundheitsbereich auszubauen und zu pflegen. Darüber hinaus gilt es, neue Methoden und passgenaue Maßnahmen zu entwickeln, die bei unseren Kundinnen verfestigte Denk- und Verhaltensmuster im Umgang mit der eigenen Gesundheit aufbrechen und eine neue Bewertung der eigenen Perspektiven einleiten. 14

vgl. Schriftenreihe der ARGE Nürnberg, Band 2: Leitbild, S. 11 ff. vgl. Schriftenreihe der ARGE Nürnberg, Band 2: Leitbild, Anhang 5 16 vgl. Schriftenreihe des Jobcenters Nürnberg-Stadt, Band 6: Gesundheit, S. 8 15

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Psychische Erkrankungen und seelische Folgen von Arbeitslosigkeit Die Zunahme psychischer Erkrankungen bei Beschäftigten zeigt sich in den Statistiken der Krankenkassen. Die Zunahme psychischer Beeinträchtigungen und Erkrankungen von Langzeitarbeitslosen erfahren Fallmanagerinnen in ihrer täglichen Praxis: Kundinnen leiden unter depressiven Verstimmungen, Antriebslosigkeit, Resignation, Schlafstörungen, Ängsten und vielem mehr. Immer häufiger weisen Berichte und Verhaltensweisen von Fallmanagementkunden auf massive psychische Erkrankungen hin, die einer therapeutischen Behandlung bedürfen. Ergänzend zu medizinisch-therapeutischen Maßnahmen wird es zukünftig noch mehr notwendig sein, für Fallmanagementkunden mit psychischen Beeinträchtigungen passgenaue Angebote zur Verbesserung der psychischen Stabilität zu entwickeln. Die Maßnahme ISA war ein erster Schritt in diese Richtung; die Erfahrungen und Erkenntnisse aus diesem Projekt müssen genutzt werden, um zusammen im Partnern neue Angebote zu installieren. Gleichzeitig gilt es nicht aus den Augen zu verlieren, dass einem Teil dieser Menschen der erste Arbeitsmarkt dauerhaft verschlossen bleiben wird; diesen Menschen muss nach Abschluss stabilisierender Maßnahmen eine andere Form der Beschäftigung und Teilhabe an unserer Gesellschaft möglich sein. Erfolgreich kommunizieren – eine zentrale Schlüsselqualifikation in unserer Gesellschaft Die Fähigkeit, mit anderen Menschen zu kommunizieren, Netzwerke aufzubauen, das Internet als Instrument der Kommunikation und Quelle des Wissens zu nutzen, sich in der Arbeitswelt konstruktiv zu integrieren – dies alles sind heute zentrale Voraussetzungen, um in unserer Gesellschaft erfolgreich zu agieren. Genau diese Fähigkeiten sind bei Kunden des Fallmanagements unzureichend oder gar nicht vorhanden. Die Lebenssituation von langzeitarbeitslosen Menschen ist häufig durch soziale Isolation geprägt. Die Fähigkeit, in Gruppen zu kommunizieren ist verloren gegangen. Da in der Einzelberatung kein umfassendes Kommunikationstraining möglich ist, wurde mit GUSTO die Arbeit mit stabilisierenden Gruppen als neue Methode installiert. Diesen Ansatz gilt es weiter auszubauen und mit neuen Ideen anzureichern. In betreuten Gruppen sollen Langzeitlose lernen, zusammen mit anderen ihre Leben besser zu organisieren, eigene Netzwerke aufzubauen, Ziele zu entwickeln und sich gegenseitig bei deren Umsetzung zu unterstützen. Das Internet und die sozialen Netzwerke dort sollen zunehmend als unterstützendes Werkzeug genutzt werden. Fallanagerinnen der Zukunft werden weiterhin Beraterinnen mit Lotsenfunktion sein. Sie werden aber auch Moderatorinnen zur Steuerung von Gruppenprozessen sein und Langzeitarbeitslose dabei unterstützen, sich eigenverantwortlich und erfolgreich an den Kommunikationsprozessen der Arbeitswelt und unserer Gesellschaft zu beteiligen. Fazit Den Grundsatz der Selbstverantwortung und Selbsthilfe als Grundgedanken des SGB II und das Menschenbild des Grundgesetzes miteinander in Einklang zu bringen, verlangt von den Jobcentern als ausführende Organisation, dass sie passgenaue Angebote auch für jene Hilfebedürftigen installieren, die in einem überschaubaren Zeitraum nicht in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden können. Das Betreuungskonzept des beschäftigungsorientierten Fallmanagement bietet vielfältige Methoden und passgenaue Maßnahmen für Kunden mit verfestigten Vermittlungshemmnissen. Für unsere Kundinnen ist Fallmanagement ein zeitlich begrenztes Angebot. Langfristig wirksam und somit wirklich nachhaltig können Entwicklungen, die in diesem Prozess angestoßen werden, nur dann sein, wenn sich den Menschen anschließend eine neue Lebensperspektive bietet. Die Anforderungen des Arbeitsmarktes haben sich verschärft, einfache Tätigkeiten im Helferbereich nehmen ab – eine Entwicklung, die dazu führt, dass immer mehr unserer Fallmanagementkunden sich nicht auf Dauer am Arbeitsmarkt behaupten können. Diesen Menschen dauerhaft eine Beschäftigung anzubieten, die an ihren indivi41

duellen Möglichkeiten ansetzt und dem Gemeinwohl nützt – das wäre die konsequente Weiterentwicklung eines Betreuungskonzeptes für Fallmanagementkunden des Jobcenters. Die Begrenzungen der Weiterentwicklung liegen in Nürnberg nicht im Engagement der beteiligten Fachkräfte oder der Organisation; sie sind vielmehr Ergebnis politischer Entscheidungen und Ressourcenverteilungen. Mit knappen Mitteln hohe fachliche Standards zu halten und neue Angebote dauerhaft zu installieren, wird die zentrale Herausforderung für das Fallmanagement und das gesamt Jobcenter in Nürnberg sein.

Auf dem richtigen Weg kommt uns das Ziel ein Stück weit entgegen

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1 Quelle: Grafik Werkstatt Bielefeld

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Literaturverzeichnis

ARGE Nürnberg, Schriftenreihe Band 2, Leitbild, Nürnberg 2009 ARGE Nürnberg, Schriftenreihe Band 3, Alleinerziehende im SBG II, Nürnberg 2009 BT-DS 15/1516 (http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/15/015/1501516.pdf, Stand 05.12.2011) Gerd Gehrmann, Klaus D. Müller, Aktivierende Soziale Arbeit mit nicht-motivierten Klienten, Hrsg., 3. aktuelle. Auflage, Walhalla Fachverlag Rainer Göckler, Beschäftigungsorientiertes Fallmanagement, Walhalla Fachverlag, Regensburg 2009 Jobcenter Nürnberg-Stadt, Schriftenreihe Band 5, Integrationsstrategien für Frauen im SGB II, Nürnberg 2011 Jobcenter Nürnberg-Stadt, Schriftenreihe Band 6, Gesundheit, Nürnberg 2011 Keel, David, Qualität von Supervision, K-Kommunikation, St. Gallen, 2003 Paritätische Wohlfahrtsverband, Von Verhärtungen und neuen Trends, Bericht zur regionalen Armutsentwicklung in Deutschland 2011, 2011 http://www.arbeitsagentur.de/zentraler-Content/A03-Berufsberatung/A033Erwerbspersonen/Publikationen/pdf/Fallmanagement-Fachkonzept.pdf, Stand 28.12.2011 http://www.baintern.de/nn_232204/Navigation/Dienststellen/051-FBA/ZentraleBildungsaufgaben/Bildungsangebote/Bildungsangebote-SGB-III-Bildungskatalog/beratungintegration/fallmanagement/Index.html, Stand 09.02.11 http://www.dbsh.de/html/prinzipien.html, Stand 15.10.2011 http://www.deutscher-verein.de/05-empfehlungen/pdf/20040301.pdf, Stand 15.10.11 http://www.dgcc.de http://www.arbeitsagentur.de/zentraler-Content/A03-Berufsberatung/A033Erwerbspersonen/Publikationen/pdf/Fallmanagement-Fachkonzept.pdf, Stand 28.12.2011

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Anlagenverzeichnis

A B C D E F G H

Berufsethische Prinzipien Flyer Praxisbeispiel U25 Formblatt Einleitung berufliches Rehaverfahren FM-Kriterien FM-Formblatt Fallanalyse Erfolgsgeschichten im bFM Fachliteratur

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A Berufsethische Prinzipien des DBSH Beschluss der Bundesmitgliederversammlung vom 21. - 23.11.97 in Göttingen Präambel Soziale Arbeit ist die Institution der beruflich geleisteten Solidarität mit Menschen, insbesondere mit Menschen in sozialen Notlagen. Die berufsethischen Prinzipien des DBSH sind für alle Mitglieder des DBSH verpflichtend und dienen damit der Überprüfung und Korrektur des beruflichen Handelns. Der DBSH greift hiermit das Grundsatzpapier der International Federation of Social Workers von 1994 auf und setzt es um. 1 Ausgangslage In jeder Gesellschaft entstehen soziale Probleme. Diese zu entdecken, sie mit ihren Ursachen und Bedingungen zu veröffentlichen und einer Lösung zuzuführen, ist der gesellschaftlich überantwortete Auftrag Sozialer Arbeit. Seine Grenzen sind bestimmt durch strukturelle, rechtliche und materielle Vorgaben. Beruflich geleistete Soziale Arbeit gründet jedoch letztlich in universellen Werten, wie sie etwa im Katalog der Menschenrechte oder den Persönlichkeitsrechten und dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes zum Ausdruck kommen. Diese Werte fordern die Mitglieder des DBSH auf, den gesellschaftlichen Auftrag der Sozialen Arbeit mit seinen Begrenzungen zu bewerten und gegebenenfalls zu optimieren. In der Würde der Person erfährt das Handeln der Mitglieder des DBSH seine unbedingte und allgemeine Orientierung. In der Solidarität und der Strukturellen Gerechtigkeit verpflichten sie sich auf Werte, die die Einbindung der Person in die Gesellschaft und ihren Schutz in der Gesellschaft sichern. 2 2.1

Allgemeine Grundsätze beruflichen Handelns Die Mitglieder des DBSH erbringen eine für die demokratische Gesellschaft unverzichtbare Dienstleistung. Sie üben Ihren Beruf unter Achtung ihrer beruflichen Werte aus. Die Dienstleistung kann von jedem Menschen unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Alter, Nationalität, Religion und Gesinnung in Anspruch genommen werden. Die Mitglieder des DBSH begegnen jeder Art von Diskriminierung, sei es aufgrund von politischer Überzeugung, nationaler Herkunft, Weltanschauung, Religion, Familienstand, Behinderungen, Alter, Geschlecht, sexueller Orientierung, Rasse, Farbe, oder irgendeiner anderen Neigung oder persönlichen Eigenschaft, eines Zustandes oder Status. Weder wirken sie bei solchen Diskriminierungen mit noch dulden oder erleichtern sie diese. 2.2 Die Mitglieder des DBSH ermöglichen, fördern und unterstützen durch ihr professionelles Handeln in solidarischer Weise - die Initiative der beteiligten Menschen, deren eigene Lösungen und ihre Mitwirkung - die Einbindung der beteiligten Menschen in ein Netz befriedigen-der und hilfreicher Beziehungen - bei den beteiligten Menschen Einstellungen und Fähigkeiten, mit denen sie zur Verbesserung der Welt beitragen können. 2.3 Die Mitglieder des DBSH haben den beruflichen Auftrag, die strukturell bedingten Ursachen sozialer Not zu entdecken, öffentlich zu machen und zu bekämpfen. 2.4 Die Fachlichkeit der Mitglieder des DBSH besteht in wissenschaftlich begründetem Handeln mit berufseigenen Verfahren. 2.5 Die Mitglieder des DBSH treten für die Verwirklichung der Rechte sozial Benachteiligter öffentlich ein. Sie sind gehalten, politische Prozesse in Gang zu bringen, mitzugestalten, sowie die hierfür benötigten Kräfte zu mobilisieren. 2.6 Die Mitglieder des DBSH erforschen soziale Not. Gestützt auf die Erkenntnisse der Sozialforschung machen sie öffentlich auf individuelle wie kollektive Problemlagen aufmerksam, verdeutlichen deren Ursachen und wirken auf Lösungen hin. Dabei arbeiten sie auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene mit den am Problem beteiligten Menschen zusammen. 2.7 Die Mitglieder des DBSH sollen aktiv in der Sozialplanung mit-wirken. 2.8 Die Mitglieder des DBSH wirken beim Beschaffen der für ihre Arbeit notwendigen Ressourcen mit. Mit zur Verfügung gestellten Ressourcen ist sorgfältig und wirtschaftlich umzugehen. 2.9 Die Mitglieder des DBSH dokumentieren die in Ausübung ihres Berufes gewonnenen Erkenntnisse und getroffenen Maßnahmen. Dies dient der Planung und Reflexion des Arbeitsprozesses. 2.10 Die Mitglieder des DBSH holen kollegiale Beratung ein, wenn die Situation zusätzliche Fachkompetenz erfordert. Dies erfolgt unter anderem durch berufsspezifische Supervision.

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2.11 Die Mitglieder des DBSH eignen sich die aktuellen fachspezifischen wissenschaftlichen Erkenntnisse an (Fortbildungspflicht). Darüber hinaus sind sie zu Innovation und Forschung bereit. 2.12 Die Mitglieder des DBSH missbrauchen ihre Stellung nicht zur eigenen Vorteilsnahme. 3 3.1

3.2

3.3 3.4 3.5

3.6

3.7

3.8

3.9

4 4.1

4.2

4.3 5 5.1 5.2

5.3

Verhalten gegenüber Klientel Die Mitglieder des DBSH achten die Privatsphäre und Lebenssituation der Klientel. Die Mitglieder des DBSH erkennen, respektieren und fördern die individuellen Ziele, die Verantwortung und Unterschiede der Klientel und setzen die Ressourcen der Dienststelle dafür ein. Die Mitglieder des DBSH informieren ihr Klientel über Art und Um-fang der verfügbaren Dienstleistungen sowie über Rechte, Verpflichtungen, Möglichkeiten und Risiken der sozialen Dienstleistungen und schließen darüber einen Kontrakt. Eine vorzeitige Beendigung dieses Kontraktes ist nur in Ausnahmefällen zulässig. Diese erfolgt wie die Verlängerung des Kontrakts, dessen Unterbrechung oder eine Vermittlung an andere Fachstellen ausschließlich im Benehmen mit der Klientel. Die Mitglieder des DBSH wahren in ihren beruflichen Beziehungen oder Verpflichtungen Rechte, Güter und Werte der Klientel. Die Mitglieder des DBSH nutzen ihre Beziehungen zur Klientel nicht zum ungerechtfertigten Vorteil. Sie gestalten ihre Beziehungen zur Klientel ausschließlich berufsbezogen. Die Mitglieder des DBSH respektieren die Lebenssituation und Unabhängigkeit der beteiligten Menschen, bemühen sich um Verständnis und führen die Dienstleistung im Rahmen eines Kontraktes gewissenhaft und zuverlässig aus. Die Mitglieder des DBSH sind verpflichtet, anvertraute persönliche Daten geheim zuhalten. Sie geben diese Daten nur weiter, wenn sie aus gesetzlichen Gründen offenbart werden müssen. Personen, deren Daten weitergegeben werden, sind darüber zu unterrichten. Die Mitglieder des DBSH erheben und speichern nur jene Daten und Fakten, die für die Durchführung und Rechenschaft über die Intervention nötig sind. Die Verpflichtung zur Geheimhaltung besteht auch nach Abschluss der beruflichen Beziehung. Die Mitglieder des DBSH ermöglichen der Klientel angemessenen Zugang zu allen sie betreffende Aufzeichnungen. Wenn Klientinnen/Klienten Zugang zu den Unterlagen erhalten, muss ausreichend Sorge dafür getragen sein, daß die der Verschwiegenheit unter-liegenden Informationen über Dritte geschützt sind. Diejenigen Mitglieder des DBSH, für die kein Zeugnisverweigerungsrecht besteht, bemühen sich um die Befreiung von der gesetzlichen Zeugnispflicht, wenn ihre Aussagen das Vertrauensverhältnis zur Klientel gefährden und dem keine ernstliche Gefährdung Dritter entgegensteht. Verhalten gegenüber Berufskolleginnen und Berufskollegen Kollegiales Verhalten für Mitglieder des DBSH bedeutet Wertschätzung und Anerkennung der Berufskolleginnen und -kollegen. Dies setzt die Identifikation mit dem eigenen Berufsstand voraus. In diesem Sinne sind Mitglieder des DBSH dazu verpflichtet, dem beruflichen Nachwuchs Traditionen des Berufsstandes zu erschließen. Kollegialität der Mitglieder im DBSH wird wirksam, - in der Anerkennung der Kolleginnen und Kollegen, die mit unterschiedlichen Aufgaben betraut sind, - im gegenseitigen Beistand bei der Ausübung des Berufs, - in der Absprache bei Hilfeprozessen, in denen bereits Berufskolleginnen und -kollegen tätig sind, - in der aktiven und kritischen Beteiligung an der Ausbildung des beruflichen Nachwuchses, - in der beruflichen Selbstorganisation. Kritik ist in geeigneter und verantwortlicher Form zu üben und zu nutzen. Verhalten gegenüber Angehörigen anderer Berufe Die Komplexität der Problemstellungen im sozialen Bereich macht das Zusammenwirken von Angehörigen unterschiedlicher Berufe unabdingbar. Die Mitglieder des DBSH vertreten gegenüber den Angehörigen anderer Berufe ihre spezifische Fachlichkeit und achten die Fachlichkeit anderer Berufe. Bei Konflikten zwischen unterschiedlichen fachlichen Standpunkten zeigen sie sich parteilich für das Wohl der Menschen, denen der Hilfeprozess dienen soll. Dabei berufen sie sich auf die Grundsätze dieser Berufsethik des DBSH. Die Mitglieder des DBSH schaffen und gestalten das interdisziplinäre Zusammenwirken. Dies erfordert insbesondere die eigene Arbeit transparent zu machen, zu begründen und nachvoll-

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5.4

6 6.1

6.2

6.3

6.4

7 7.1

7.2

7.3 7.4

ziehbar darzustellen; den spezifischen Beitrag der Sozialen Arbeit kenntlich zu machen und aktiv zu leisten; die Grenzen, die sich aus der Fachlichkeit und beruflichen Orientierung ergeben, zu wahren. Die Mitglieder des DBSH setzen sich mit Weisungen und Anforderungen auf der Basis der eigenen Fachlichkeit und der berufsethischen Prinzipien kritisch auseinander. Verhalten gegenüber Arbeitgeber/innen und Organisationen Die Mitglieder des DBSH überprüfen, ob die Zielsetzungen, Strate-gien und Maßnahmen möglicher Kooperationspartner/innen auf die Förderung der beruflichen Praxis gerichtet sind und im Einklang mit den "Berufsethischen Prinzipien des DBSH" stehen. Nur beim Vorliegen schwerwiegender Gründe kooperieren sie mit Institutionen und Organisationen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen. Die Mitglieder des DBSH überprüfen vor Abschluss eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses, ob der/die Arbeitgeber/in die Voraussetzungen zur Verwirklichung ihrer spezifischen Fachlichkeit bietet oder diese in einem angemessenen Zeitraum zu schaffen bereit ist. Nur in Ausnahmefällen gehen sie ein Arbeits- bzw. Dienstverhältnis ein, das diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Sie haben das Recht und die Pflicht, den/die Arbeitgeber/in schriftlich über schwer-wiegende Mängel oder Überforderungen zu informieren. Die Mitglieder des DBSH sind zu konstruktiver und innovativer Zusammenarbeit mit dem/der Arbeitgeber/in verpflichtet. Bei einem Konflikt suchen sie mit dem/der Arbeitgeber/in zuerst institutions-interne Möglichkeiten zur Beilegung. Das Erreichen der berufsspezifischen Ziele wird durch eigene fachliche Erfolgskriterien bestimmt. Verhalten in der Öffentlichkeit Die Mitglieder des DBSH stellen ihren Berufsstand als gesellschaftliche Kraft dar, die auf wissenschaftlicher Basis mit den ihr eigenen Mitteln und Möglichkeiten eine für die Gesellschaft notwendige und wertvolle Dienstleistung erbringt. Abwertungen des Berufsstandes treten sie entgegen. Die Mitglieder des DBSH machen ihren Auftrag, die Grundlagen und die Durchführung ihrer Arbeit sichtbar und transparent. Dabei stellen sie die Leistung ihres Berufsstandes in der Öffentlichkeit positiv dar und vertreten diesen nach außen. Die Mitglieder des DBSH treten der Ausgrenzung und Abwertung der Menschen entgegen, die die Dienstleistung in Anspruch nehmen. Die Mitglieder des DBSH fördern das Ansehen ihres Berufs.

8 Verfahrensregeln Der DBSH setzt eine Kommission ein, um angesichts des sozialen Wandels diese Prinzipien einer kontinuierlichen Revision und Aktualisierung zu unter-ziehen und um konkrete Verfahrensregeln zu erarbeiten. Quelle: http://www.dbsh.de/html/prinzipien.html, Stand 15.10.2011

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B Flyer

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C Praxisbeispiel U25 Ein 19-jähriger Kunde wurde im Oktober 2010 ins bFM übernommen. Bekannte Vermittlungshemmnisse: Förderschule ohne Abschluss 2007; keine Ausbildung und Arbeitserfahrung, Unzuverlässigkeit, gesetzliche Betreuung, schwierige Familiensituation, Auszugswunsch, Motivationsdefizite, 50 % Minderung der Erwerbsfähigkeit wg. Verhaltensstörung und Lernbehinderung, Versicherung an Eides Statt, Straftatbestände – mehrere Jugendgerichtsverhandlungen mit Beschluss zu Jugendarrest und Arbeitsauflagen. Die gesetzliche Betreuerin zog zu diesem Zeitpunkt auch die Unterbringung in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) in Erwägung, was nur über eine Wiederaufnahme des Reha-Verfahrens und mit Anerkennung eines Reha-Status möglich gewesen wäre. Bei Übernahme ins FM lebte der Kunde im mütterlichen Haushalt. Die Ehe der Eltern wurde vor Jahren geschieden, der Kunde blieb mit seinen 4 Geschwistern bei der Mutter. Diese war mit der Betreuung der Kinder und eigenen Problemen bald überfordert, so dass der Kunde schließlich in einer Wohngruppe betreut wurde. Die Unterbringung wurde vom Jugendamt veranlasst; vorangegangen waren mehrere Wohnungs- und Schulwechsel der Familie. Während der Schulzeit wurde beim Kunden ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit - Syndrom mit Hyperaktivität) festgestellt. Der Kunde nahm deshalb einige Jahre Medikamente ein. Nach der Beendigung der Förderschule kam er ins Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) und anschließend in eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BvB). In beiden Qualifizierungen konnte kein Hauptschulabschluss erreicht werden. Der Kunde fand nach Ende der Förderschule, des BVJ und des BvB keinen Ausbildungsbzw. Arbeitsplatz und war ohne eigenes Einkommen. Als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft bezog er Arbeitslosengeld II. In der durch die ARGE erfolgte Zuweisung in die niedrigschwellige Maßnahme „Jugendwerkstatt“ fiel der Kunde überwiegend negativ auf. Unzuverlässigkeit, Motivations- und Hygieneprobleme sowie unreifes Verhalten erschwerten den Umgang miteinander und behinderten Integrationsfortschritte. Nachdem der Kunde dem Erstgespräch bei der Fallmanagerin unentschuldigt fernblieb, er zu vorherigen Terminen beim persönlichen Ansprechpartner (pAp), die mit ihm und der Betreuerin vereinbart wurden, selten erschien, wurde ein unangemeldeter Hausbesuch veranlasst. Der Kunde öffnete nach mehrmaligem Klopfen gegen die Fensterscheibe, da er wegen seiner lauten Musik die Klingel nicht hören konnte. Er ließ die Fallmanagerin ein und das Erstgespräch fand statt. Nach diesem Hausbesuch nahm der Kunde die Termine beim Jobcenter (JC) weitgehend zuverlässig wahr. Zu den ersten Terminen kam er mit ca. 1 stündiger Verspätung, später pendelte es sich bei etwa 10 Min. Verspätung ein. Nachdem der K. keinen Schulabschluss und keine Berufserfahrung hat, war zu beraten und zu entscheiden, welche der zur Verfügung stehenden Fördermaßnahmen seinen Voraussetzungen und Bedürfnissen am ehesten gerecht werden kann. Zwischenzeitlich war zwischen dem JC U25 und REHA geklärt, dass eine Zuweisung in eine WfbM als Option ausscheidet. Der Kunde sprach sich zudem gegen diese Form der Betreuung aus.

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Die Hoffnung des Kunden auf Anstellung als Montagehelfer hatte sich zerschlagen. Als Berufswunsch gab er eine Ausbildung als Maler- und Lackierer an. Da der Kunde einen hohen Unterstützungs- und Förderbedarf hat, wurde er von der zuständigen Fallmanagerin nach einem Gespräch und nach Abstimmung mit der Betreuerin im Mai 2011 in die Maßnahme „WeDoIT“ zugewiesen. Der Kunde trat die Maßnahme vereinbarungsgemäß an und nimmt bis heute weitgehend zuverlässig teil. Ab und zu bleibt er für ein paar Tage weg, aus eigenem Antrieb setzte er die Maßnahme stets fort. Der K. bekräftigt immer wieder, dass es ihm in der Maßnahme gefällt und sie ihm weiter hilft. Notwendige Absprachen oder Gespräche zwischen den Sozialpädagoginnen der Maßnahme, dem Kunden, der gesetzlichen Betreuerin und der Fallmanagerin des JC erfolgen regelmäßig. Diese Maßnahme ist langfristig angelegt. Grundsätzlich sind Kunden, die über mehrere Monate zuverlässig an einer Fördermaßnahme teilnehmen oder arbeiten als geeignete Bewerber für eine geförderte Ausbildung, eine Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen (BaE) anzusehen. Der Kunde hat große Defizite im schulischen Lernen und hier hohen Unterstützungsbedarf. Eine Prüfung zur BaE Eignung durch das JC ist im Blickfeld. Alternativ wird die Arbeitsaufnahme im Helferbereich angestrebt. Grundsätzlich ist auch eine Berufsausbildung über REHA im Bereich des Möglichen, was zum gegebenen Zeitpunkt abzuklären ist. Der Kunde meldete wiederholt sein Bedürfnis nach einem Auszug aus dem mütterlichen Haushalt an. Nachdem die angegebene Begründung hinterfragt und als glaubhaft eingestuft werden konnte, wurde der ASD zwecks Prüfung der Auszugsnotwendigkeit aus schwerwiegenden sozialen Gründen eingeschaltet. Vor Eingang der Stellungnahme kam der Kunde als Folge von Veränderungen im familiären Bereich vorübergehend in einer Pension unter. Mit Unterstützung von Helfern konnte der Kunde vor wenigen Wochen eine 2 Zimmer Wohnung beziehen. Bisher kommt der Kunde mit dem Alleinleben gut zurecht, in der Maßnahme ist keine Verschlechterung seiner Mitwirkung und seines Verhaltens zu beobachten. Nachdem die Entwicklung des Kunden stetig voran ging und ein Großteil der Vermittlungshemmnisse behoben oder auf ein erträgliches Maß reduziert werden konnte, wurde der K. nun wieder an die Vermittlerin zurück gegeben.

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D Formblatt Einleitung berufliche Reha

Entscheidungsformblatt für die Einleitung eines beruflichen Reha-Verfahrens I.

Situationsanalyse 1.

Liegen körperliche Einschränkungen und/oder Krankheiten z.B. Allergien Krebserkrankung, Rückenprobleme, Schlaganfall, etc., vor? JA bitte erläutern

NEIN 2.

Liegt eine offensichtliche Behinderung (Rollstuhlfahrer, Blindheit, Gehörlosigkeit) vor? JA bitte erläutern

NEIN 3.

Wurde ein gesetzlicher Betreuer bestellt? JA Name und Betreuerausweis

NEIN 4.

Liegen psychische Auffälligkeiten vor? JA bitte erläutern

NEIN 5.

Liegen entsprechende Atteste und/oder Gutachten vor? JA bitte erläutern – von wem und von wann?

NEIN

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6.

Besteht der Verdacht auf eine Suchterkrankung z.B. wurde bereits Langzeittherapie absolviert?, Auffälligkeiten im Beratungsgespräch (Aggression, Unruhe, Alkoholgeruch) JA bitte erläutern

NEIN 7.

Liegt ein Bescheid des Versorgungsamtes wegen einer Behinderung vor? (Liegt ein Grad der Behinderung unter 50% vor?) JA bitte erläutern – Grad der Behinderung und aufgrund welcher Behinderung!

NEIN 8.

Könnte eine Lernbehinderung (Besuch einer Förderschule?) vorliegen? JA bitte erläutern

NEIN 9.

Wurde eine Ausbildung bereits in einer beschützten Einrichtung (Berufsförderungswerk, Berufsausbildungswerk etc.) absolviert? JA bitte erläutern – von wann bis wann!

NEIN 10. Ist aus den VerBISeinträgen erkennbar, dass bereits eine Aufnahme in einer Werkstatt für behinderte Menschen (z.B. arbewe) oder ERPEKA geplant oder erfolgt ist? JA bitte erläutern

Achtung: Wenn „ja“ besteht kein Leistungsanspruch nach dem SGB II und zwar ab Feststellung der Notwendigkeit für eine Aufna hme in eine Werkstatt oder die Aufnahme in die ERPEKA!! NEIN

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11. Hat sich in der Vergangenheit ein Unfall z.B. Arbeits-, Sport-, Autounfall mit längeren Krankheitszeiten ereignet? JA bitte erläutern – wann?

NEIN 12. Könnte eine Berufskrankheit z.B. Allergie beim Friseur vorliegen? JA bitte erläutern

NEIN 13.

Wurde ein Antrag auf Erwerbsminderungsrente abgelehnt und aus welchen Gründen? JA bitte erläutern – wann?

NEIN 14.

Fand eine medizinische Reha (Kur) statt? JA bitte erläutern – wann und liegt der Abschlussbericht vor?

NEIN Falls keine der vorgenannten Fragen bejaht w urde, liegen keine Indizien für ein berufliches Rehaverfahren vor!

II.

Rehabedarf 1.

Welche Tätigkeiten/welcher Beruf wurden/wurde zuletzt ausgeübt?

2.

Aus welchen Gründen wurde die letzte berufliche Tätigkeit aufgegeben?

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3.

Kann die letzte Tätigkeit trotz der aufgezeigten Einschränkungen noch vollständig ausgeübt werden?

Wenn diese Frage bejaht w ird, ist kein berufliches Rehaverfahren ei nzuleiten!

III.

4.

Welche Hilfen sind erforderlich?

5.

Sind technische oder sonstige Arbeitshilfen z.B. spezieller Bildschirm, orthopädischer Bürostuhl, Fahrdienst etc. erforderlich?

6.

Ist ein spezieller Unterstützungsbedarf z.B. Coaching wegen psychischer Erkrankung notwendig?

7.

Ist eine Umschulung notwendig?

Soziale Anamnese 1.

Besteht Motivation und Veränderungsbereitschaft?

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IV

2.

Besteht Krankheitseinsicht?

3.

Bestehen Auffälligkeiten/Vermittlungshemmnisse im sozialen Umfeld?

Entscheidung Es könnte ein spezieller Rehabedarf gegeben sein. NEIN – bitte erläutern

JA – bitte erläutern – und dann ärztlichen und/oder psychologischen Dienst einschalten!

Datum / Unterschrift / Org.Zeichen

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E FM-Kriterien Kriterien für das beschäftigungsorientierte Fallmanagement (bFM) im Jobcenter Nürnberg-Stadt I. Rahmenbedingungen im bFM II. Prozessschritte im bFM 1. Fallzugang 2. Erstberatung 3. Assessment 4. Integrationsplan 5. Eingliederungsvereinbarung 6. Fallsteuerung/ Monitoring 7. Fallabgang Thema

I. Rahmenbedingungen des bFM

Kriterien

Vereinbarungen

Anzahl der zu betreuenden BGs

Ü25 75 BGs - U25 50 Personen SB 75 BGs - Reha 75 BGs

Dauer / Zuweisung max. 24 Monate

Die Zuweisungsdauer beträgt mindestens 6 Monate und soll in der Regel nicht länger als zwei Jahre andauern. Im laufenden Integrationsprozess soll bei allen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit komplexer Profillage regelmäßig - spätestens alle sechs Monate - überprüft werden, ob die Voraussetzungen für eine Weiterbetreuung im Fallmanagement vorliegen. Das Ergebnis der Prüfung wird in VerBIS dokumentiert.

BG-Betreuung

Analog zur Arbeitsvermittlung wird die gesamte BG im bFM betreut. Die Betreuung der BGMitglieder findet individuell und bedarfsorientiert statt. (Bsp.: BG-Mitglieder mit geringem Förderbedarf werden in Bewerberbetreuung übernommen, aber nicht ins bFM)

keine Nebenbetreuung

FM übernimmt die gesamte Fallverantwortung, IFK als Nebenbetreuer/in ist auszutragen. Ausnahme: bei ALGI Bezug, Nebenbetreuung durch SGBIII

Mischfälle U25 / Ü25

Analog zur Arbeitsvermittlung wird U25 in U25 betreut; Ü25 in Ü25. Absprachen bei Bedarf.

Umzug innerhalb des Jobcenters

Analog zur Arbeitsvermittlung,

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Thema

Kriterien

Vereinbarungen Abgabe der ganzen BG

Abgabe Reha

Analog zur Arbeitsvermittlung, Abgabe der ganzen BG

Abgabe SB

Analog zur Arbeitsvermittlung, Abgabe der ganzen BG

Zusammenarbeit bFM/Leistung

FM gibt ihre/seine Empfehlung zur Umzugsnotwendigkeit ab. Die Empfehlung wird von der Leistung bei der Ausübung ihres Ermessens berücksichtigt. Bei Bedarf werden Fachdienste eingeschaltet. Reha: AV/FM entscheiden über rehabedingten Umzug FM gibt ihre/ seine Empfehlung zu Barauszahlungen/Vorschüssen. Die Empfehlung wird von der Leistung bei der Ausübung ihres Ermessens berücksichtigt.

Dokumentation

Der gesamte Prozess des bFM wird in VerBIS dokumentiert und im Rahmen der Fallmanagement-Funktionalitäten in VerBIS abgezeichnet (verbindliche Nutzung des FM-Tools). Eine parallele Dokumentation im Rahmen des 4-Phasen-Modells ist nicht notwendig.

Eingliederungsvereinbarung

Die EGV im bFM besteht aus dem individuellen Teil und den allgemeinen Textbausteinen. Der individuelle Teil ist unter folgenden Kriterien während des bFM abzuschließen - gemeinsam mit den Kund/innen - individuell auf ihre speziellen Problemlagen bezogen - lösungsorientiert, zielgerichtet und transparent

Koll. Beratung / Supervision

FMs nutzen das Angebot der kollegialen Beratung und der Supervision

Weiterbildung / Qualifizierung

Es besteht die Möglichkeit zur Zertifizierung und zur Weiterbildung. Die FMs bilden sich kontinuierlich weiter. Der jeweilige Bedarf wird

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Thema

Kriterien

Vereinbarungen mit der Geschäftsführung abgesprochen.

Netzwerkarbeit

Den FMs steht ein ausreichender Zeitraum zur Nutzung, Erweiterung und zum Ausbau von Netzwerken zur Verfügung. Netzwerkarbeit ist Öffentlichkeitsarbeit.

Workshop

2 ganze Tage und 2 x ½ Tag, GF, SOL, TL sind zu informieren.

Hausbesuche

Hausbesuche sind den Kund/innen gegenüber schriftlich anzukündigen und stellen für Kund/innen im bFM ein freiwilliges, zusätzliches Angebot dar. In VerBIS sind Ankündigung, Grund und Ziel des Hausbesuches zu dokumentieren. Hausbesuche sind zu zweit durchzuführen, die TL ist zu informieren.

Controlling/Fachaufsicht/Datenqualität

Controlling dient zur Systemsteuerung und Qualitätssicherung, darüber hinaus werden Daten zur Weiterentwicklung des bFM geliefert. Ergebnisse aus Controlling und Fachaufsicht werden über die Führungskräfte kommuniziert. Fachkräfte im Fallmanagement sichten ihren Kundenstamm mit Hilfe von Suchläufen. (siehe 1.Hilfe Verbis Arbeitshilfen, Suchläufe)

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Thema

Kriterien

Vereinbarungen

II. Prozessschritte im bFM 1. Fallzugang

Zugangskriterien

Für den Zugang in das beschäftigungsorientierte Fallmanagement sind die nachfolgenden Kriterien verbindlich: a.) Komplexe Profillage (Entwicklungsprofil, Stabilisierungsprofil oder Unterstützungsprofil) mit mindestens drei Handlungsbedarfen in den Schlüsselgruppen „Rahmenbedingungen“ und/oder „Leistungsfähigkeit“; b.) Einschätzung, dass die Betreuung im Fallmanagement zu konkreten Integrationsfortschritten mit dem Ziel der mittel- bis langfristigen Beseitigung bzw. Verringerung des Hilfebedarfs durch Integration in Beschäftigung führt. Kunden, bei denen diese Voraussetzungen erfüllt sind, sollen einen Zugang in das beschäftigungsorientierte Fallmanagement erhalten. Sofern kein Zugang erfolgt, sind die dafür maßgeblichen Gründe in VerBIS zu dokumentieren (z.B. die für das Fallmanagement erforderliche Mitwirkung wird vom eHb verweigert).

Fallübergabe

IFK (AV) dokumentiert die Gründe für die Fallübergabe ausführlich, teilt Ziele mit und weist Kund/innen per EGV zu. In der Regel findet eine „warme“ Übergabe statt, persönliches Zweier- oder Dreiergespräch Kund/in, IFK(AV), bFM; standortübergreifend telefonischer Austausch.

2. Erstberatung

Fallverantwortung

FM entscheidet ob eine Übernahme erfolgt, die Fallverantwortung liegt im bFM. Bei Nichtübernahme erfolgt Rückinfo an die IFK und Dokumentation in VerBIS

Freiwilligkeit

bFM ist für Kund/innen ein freiwilliges Angebot, IFK(AV) informiert Kund/in über bFM

Sanktionen

Über offene Sanktionen, MV/Verstoß gegen die EGV entscheidet die IFK(AV) vor der Übergabe ins bFM. Die Entscheidung kann vom FM nicht revidiert werden.

Erläuterung des FM

In der Regel wird im Erstgespräch die Methode des bFM nochmals ausführlich erläutert, hierzu gehören insbesondere die Punkte Schweigepflicht, Datenschutz, gesetzliche Rahmenbedingungen, Netzwerkarbeit, begrenzte Dauer, Notwendigkeit aktiver Mitarbeit. Im bFM-Erstgespräch wird über die Teilnahme am bFM entschieden. Fallzugang, ggf. Ablehnung, ist zu dokumentieren

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Klärung gegenseitiger Erwartungen

3. Assessment

Gegenseitige Erwartungen sind zu klären.

Krisen

Akute persönliche Krisen und Notfälle (z.B. Stromsperre) haben Vorrang vor strategisch geplantem Erstgespräch

Dokumentation

Fallzugang ist über VerBIS (verbindliche Nutzung FMTool) zu dokumentieren, bzw. die Ablehnung der Betreuung. Der Sozialdatenschutz wird eingehalten.

Analyse der Gesamtsituation

Im Assessment des bFM wird gemeinsam mit Kund/innen deren materielle, psychosoziale und berufliche Situation erfasst. Die hieraus resultierenden Ressourcen und Probleme dienen als Grundlage, um gemeinsame Lösungswege zu entwickeln. Die Erhebung der Daten darf nur unter Berücksichtigung des Sozialdatenschutzes erfolgen.

4. Integrationsplan

Zielentwicklung

Die Entwicklung von Zielen im Integrationsplan muss die Fähigkeiten und Ressourcen der Kund/innen, sowie deren individuelle Lebensumstände berücksichtigen. Eigene Vorstellungen und Ziele der Kund/innen müssen sich im Integrationsplan widerspiegeln.

5. Eingliederungsvereinbarung

verständliche Dokumentation

Die in der Integrationsplanung ausgehandelten Ziele sind verständlich dokumentiert.

Festlegung der Verantwortlichkeit

Wer für welche Aufgaben bis wann verantwortlich ist sowie der Zeitrahmen zur Erledigung ist eindeutig festgelegt.

Konsequenzen

Kund/innen sind über Konsequenzen bei Nichteinhaltung und Nichtmitwirkung zu informieren.

Aushandlungsprozess

Die in der EGV festgehaltenen Inhalte sind mit den Kund/innen in einem gemeinsamen Aushandlungsprozess entwickelt.

realistische und individuelle Ziele

Die zu erbringenden Leistungen sind realistisch, auf die spezielle Problemlage bezogen und stehen im Zusammenhang mit den individuellen Zielen.

Leistungen und Bemühungen

Die EGV beinhaltet, welche Leistungen die Kund/innen erhalten und welche Leistungen ihrerseits zu erbringen ist.

Dauer der EGV

Die EGV wird längstens auf 6 Monate abgeschlossen.

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6. Fallsteuerung/ Monitoring

Mindeststandard

Für alle Kund/innen muss eine gültige EGV vorliegen.

Begleitung und Steuerung des Prozesses

Die Leistungssteuerung erfolgt im bFM in der Regel durch: - Umsetzung der Eingliederungsvereinbarung - Begleitung und Steuerung des Prozesses nach individuellem Bedarf - Wertung der Teilergebnisse und Nachsteuerung

7. Fallabgang

Entwicklungs- und Unterstützungsmöglichkeiten ausgeschöpft/ Selbsthilfepotential erreicht

Selbsthilfepotential ist erreicht, wenn Kund/innen motiviert und bereit für die Arbeitsvermittlung sind. Eine intensive Betreuung steht nicht mehr im Vordergrund. Das persönliche und soziale Umfeld ist stabil.

Kein Arbeitsbündnis

- aktive Mitarbeit bleibt aus (z.B. Vorlage von Dauer AUBs) - keine Veränderungsbereitschaft (Abgabe nach 6 Monaten) - Verlängerung wird entweder von FM oder Kund/in oder beiden abgelehnt

Kein Integrationsfortschritt

Wenn Integrationsfortschritte trotz Bemühungen des bFM aufgrund der individuellen, gesundheitlichen und/oder persönlichen Problemlagen auf Dauer nicht erreichbar sind, trotz vorliegender Erwerbsfähigkeit. Bei Übernahme ins bFM wird von einer Mindestverweildauer von 6 Monaten ausgegangen.

Alg II – Bezug endet Max. Zuweisungszeitraum ist ausgenutzt (24 Monate) Dokumentation

Der Fallabgang ist in VerBIS zu dokumentieren. In der Regel findet eine „warme“ Übergabe statt. (persönliches Zweier- oder Dreiergespräch Kund/innen, IFK, FM; standortübergreifende Übergabe im telefonischen Austausch) Der Fallabgangsvermerk sollte folgendes beinhalten: -Fazit Bezug nehmend auf Zuweisungskriterien, ob Handlungsbedarf reduziert werden konnte - Handlungsempfehlung - Empfehlung für Profillage - Kurzbeschreibung der durchgeführten Maßnahmen Kund/innen können während laufender Maßnahmen an die IFK (AV) zurückgegeben werden.

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F FM-Formblatt Fallanalyse und Hilfeplanung

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G Erfolgsgeschichte im bFM

Quelle: Fränkischen Kurier am 07.03.2011

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H Fachliteratur

Folgende Literatur ist in der Bibliothek des Jobcenters Nürnberg-Stadt, Bereich Fallmanagement vorhanden: Titel

Autor, Verlag, Auflage

Beschäftigungsorientiertes Fallmanagement

Göckler, Rainer Walhalla Fachverlag, 2006 Göckler, Rainer Walhalla Fachverlag, 2009, 3. Auflage Faust, Volker Beck, 2007, 4. Auflage Conen, Marie-Luise, Cecchin, Gianfranco Carl-Auer, 2007 Langosch, Andreas Selbstverlag, Kiel 2007 Langosch, Andreas Selbstverlag, Kiel 2006 Kähler, Harro Reinhardt, München 2005 Löcherbach, Klug u.a. Reinhardt, 3. Auflage A. Hollederer Kolbe, Christian; Reis, Claus Fachhochschulverlag, 2008 Bamberger, Belitz, 3. Auflage Miller & Rollnick Lambertus, 3. unveränderte Auflage Prior, Carl-Auer, 2009, 8. Auflage Freise Wochenschauverlag, 2007, 2. Auflage Göckler, Rainer, dgvt-Verlag, 2009 Bohrke-Petrovic u.a. Bundesagentur für Arbeit, 2. Auflage Bayerische Verwaltungsschule (Hrsg.) Boorberg, 2. Auflage Hopfengärtner, emwe-Verlag Butterwegge, Campus Butterwegge, VS Verlag Flemming Hansen, DV Aktuellste Version zu finden in der ARGEAblage -> Armutsprävention in Nürnberg ausgearbeitet und digitalisiert vom Sozialamt Stab Armutsprävention Herr Norbert Kays

Beschäftigungsorientiertes Fallmanagement Seelische Störungen heute Wie kann ich Ihnen helfen, mich wieder loszuwerden? Die Empowerment-Maschine Ressourcen, Stärken, Möglichkeiten Soziale Arbeit in Zwangskontexten Case Management, Fall- und Systemsteuerung in der sozialen Arbeit Gesundheit von Arbeitslosen fördern Die praktische Umsetzung des Fallmanagements nach dem SGBII Lösungsorientierte Beratung Motivierende Gesprächsführung MiniMax-Interventionen Interkulturelle Soziale Arbeit Beratung im Sanktionskontext Interaktion zur Integration Bekämpfung der Schwarzarbeit Armut in der Großstadt Armut in einem Reichen Land Armut von Kindern mit Migrationshintergrund Standards in der Sozialen Arbeit Infopool Gut & Günstig + Info-Pool Rat und Tat: G&G Adressen von günstigen und kostenlosen Einkaufsmöglichkeiten R&T Adressen von Beratungsstellen und Einrichtungen nach Themenschwerpunkten Aktivierende Soziale Arbeit mit nicht-motivierten Klienten Armen Kindern Zukunft geben Handeln gegen Kinderarmut in Nürnberg

Gehrmann, Gerd; Müller, Klaus D., Hrsg., 3. akt. Auflage, Walhalla Fachverlag G. Hopfengärtner (Hrsg.)

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„Die letzte Seite“

Die letzte Seite gilt allen Beteiligten als Dank!

Von links nach rechts: Renate Schneller, Sandra Uhsemann, Daniela Baumann, Elke Lacusteanu-König, Bernd Braun, Christina Glocke, Claudine Schmidt, Kay Schmidt, Gudrun Frank, Maria Hausladen

Von links nach rechts: Isabell Unger, Daniela Kardaus, Sylvia Kandl, Jobst-Bernd Krebs, Jasmin Strauß, Birgit Buchfink Es fehlen: Jutta Angerer, Nadine Freund, Melanie Thumann

Man hilft den Menschen nicht, wenn man für sie tut, was sie selbst tun können. Abraham Lincoln 68

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