ERLEBNISPÄDAGOGIK

March 3, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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2016 | Ausgabe 35

VERNETZUNG Ausbildung auf Traditionsseglern

SEA-WATCH IM INTERVIEW Retten & Helfen im Mittelmeer

TECHNIK Abenteuer Werft

ERLEBNISPÄDAGOGIK Klasse an Bord – Summerschool und Segelndes Klassenzimmer

LIEBE VEREINSMITGLIEDER UND FREUNDE DER THOR HEYERDAHL

Der kleine Tampen Es war einmal ein kleiner Tampen, der hing ganz unschuldig an Deck und obwohl ihn anfangs noch nicht alle kannten, hatte er die Ruhe weg. Bis 42 Menschen aufs Schiff kamen und sich anschickten viele Manöver zu fahren. Schluss mit Ruhe und Abgeschiedenheit, der kleine Tampen wurde geholt und gefiert und so lauter Halsen manövriert.

Wieder können wir dank der kreativen und tatkräftigen Arbeit der Redaktion das Typhon in den Händen halten. Wie immer ist es in seiner Themenvielfalt ein Spiegelbild des lebendigen Treibens rund um unseren Verein und auf „unserer“ Thor!

Sail Training Union“ (GSTU e.V.) werden wir uns noch mehr als in der Vergangenheit zusammen mit Gleichgesinnten dafür stark machen, gemeinsame Interessen zu bündeln und gegenseitig von den unterschiedlichen Stärken der Vereine zu profitieren.

Es freut mich, dass diese Ausgabe ganz besonders gelungen darstellt, wie bunt und erlebnisreich gerade auch die Sommersaison auf der Thor Heyerdahl ist. Ob Ausbildungsreise, Familientörn oder landgestützte Fortbildungen – all das gehört mittlerweile zum festen Kern des Vereinslebens, auf das wir alle mit Recht stolz sein dürfen.

Der Bericht über die Schiffssicherheit auf Traditionsseglern zeigt, dass wir in der Gemeinschaft derjenigen, die an Bord die wichtige, mit Seefahrtstraditionen verknüpfte Jugendarbeit leisten, noch enger zusammenrücken und untereinander abgestimmt vorgehen müssen, um die Handlungsfähigkeit der Schiffe zu erhalten.

Das Typhon wirft dabei nicht nur einen Blick zurück, sondern gibt interessante Einblicke in Themenfelder, die wir auch in der kommenden Sommersaison und darüber hinaus angehen werden. Insbesondere die Anforderungen an die ehrenamtliche Stammbesatzung steigen in vielen Bereichen weiter an – sowohl im nautischen, technischen als auch im pädagogischen Bereich wird es daher – neben den lehrreichen Einsätzen an Bord – erweiterte Möglichkeiten geben, seine Fähigkeiten und Fertigkeiten zu verbessern. Beispielhaft seien hier nur die Fortbildungen auf kleineren Schiffen, wie der „Melpomene“ oder der „Nordstjernen“ genannt, mit denen wir künftig partnerschaftlich zusammenarbeiten wollen.

Ich möchte daher auch in diesem Jahr wieder ausdrücklich all denen danken, die der Thor Heyerdahl auf vielfältige Weise verbunden sind und uns unterstützen – sei es durch die aktive Arbeit an Bord, die Unterstützung durch die Vereinsmitgliedschaft oder gezielte Spenden zur Förderung unserer Arbeit.

Die Thor Heyerdahl ist – gemeinsam mit anderen größeren Sailtraining-Schiffen – auch Vorreiter bei schiffsübergreifenden Kooperationen. Als Gründungsmitglied der „German

Doch das war’s noch lange nicht! Wir holten fanatisch dicht den Besan um zu wenden und nicht mit allzu gerader Kurslinie zu enden… Aber auch das war nicht genug, denn wir hatten Feuer im Bug. Das Feuer konnten wir leider nicht stoppen, drum mussten wir in die Insel hoppen. Der FB-Törn war sehr schön, doch nun muss ich schlafen gehn.

Ihnen und Euch wünsche ich in diesem Sinne viel Spaß beim Lesen des Typhon und dem „Eintauchen“ in unseren Verein. Ahoi!

Michael Saitner 1. Vorsitzender

IMPRESSUM Herausgeber Segelschiff Thor Heyerdahl e.V. Wischhofstr. 1-3 24148 Kiel Tel: 0431-677757 Fax: 0431-678367 www.thor.heyerdahl.de [email protected]

Grafik / Layout Carmen Böll Druck v. Stern’sche Druckerei GmbH & Co. KG, Lüneburg Auflage 2.000

Redaktion Saskia Ulrich (v.i.S.d.P.) Svenja Patjens Phoebe Kürzer

Vielen Dank an Maximilian Ulrich und Jeroen de Boer für die grafische Unterstützung. Vielen Dank an alle Fotografen, die ihre Bilder zur Verfügung gestellt haben - insbesondere an Kai Regener für das Titelfoto.

Alexandra Andrae VORWORT III

VEREINSNACHRICHTEN DANKE! Das Projekt Thor Heyerdahl lebt von und mit den vielen Helfern, die an Bord und an Land den Verein und das Schiff mit Herz, Hand und Verstand ehrenamtlich unterstützen. Ohne die vielen Stunden und mitunter Jahre an Lebenszeit und Lebensenergie, die ihr damit unserem schwimmenden zweiten Zuhause schenkt, wäre das Projekt als solches nicht möglich. Dank gilt auch den vielen Firmen, Organisationen und Privatpersonen,

INHALT Vereinsleben

TYPHON Ausgabe 35 2016

Ausbildung

Erlebnispädagogik

Intensiver Blick auf die Navi während des FB-Törns Seite 12

Lernergebnisse während der SummerSeite 24 school 2015

10 Ausbildungstörn

20

die mit großzügigen finanziellen und materiellen Spenden das Projekt Thor Heyerdahl unterstützen. Allen, die uns in den vergangenen Jahren begleitet haben, möchten wir hiermit ganz herzlich danken und hoffen, auch in diesem Jahr wieder gemeinsam mit euch die Segel der Thor Heyerdahl setzen zu können!

REDAKTION Zum zweiten Mal in redaktioneller Neubesetzung dürfen wir euch das aktuelle Typhon präsentieren. Wir sind begeistert von den vielen wundervollen Texten und Fotos, die uns in den vergangenen Monaten erreicht haben. Schnell füllten sich die 50 Seiten, die nun vor euch liegen - mit euren Erinnerungen, Geschichten und Erlebnissen aus dem Segeljahr 2015. Wir als Typhon-Redaktion sind stolz auf die ganz persönliche Note, die unsere Vereinszeitung damit erhält, und möchten euch ein rie-

sengroßes DANKE für die Mitarbeit und Hingabe sagen! Für die kommende Ausgabe wünschen wir uns weiterhin so viele begeisterte Schreiberlinge, Ideen, Fotos, Kritik und Anregungen, die ihr uns bis zum 01.11.2016 wie gewohnt an typhon@ thor-heyerdahl.de schicken könnt.

Thor -Ehrenmitglied

IV

Vereinsnachrichten I

Viel Spaß beim Lesen wünschen euch Saskia, Svenja und Phoebe!

STAMMTREFFEN 2016 Zum diesjährigen Stammtreffen im Harz wurden wir von der Sonne geküsst. Während draußen die Pausenzeit zum Ski- und Schlittenfahren genutzt wurde, wurde der Sockenraum zum

Seite 8

Das

Kinderparadies mit Carrera-Rennbahn, Großbildleinwand und Maleratelier. Bei der fleißigen Ideenarbeit vermissten wir leider einige bekannte Gesichter, allen voran Heinz-Hermann.

8

Höhepunkt Expedition

Ehrenmitglied

Fortbildungstörn Land

14

Fortbildungstörn Land: Maschinisten-Modul

16

Familientörn

18

Kieler Woche

28

Hanse Sail

15

Fortbildungstörn See

31

Kindertag

19

46

Kneipen-Rezension

Vom Teilnehmer zur Deckshand

34

Wachführerfortbildung

“Große Freiheit”

48 Vereinsnachrichten Neuigkeiten aus dem Verein

IV VEREINSLEBEN

12

49

6 Abenteuer Werft

40 Als

38

Sicherheitsgurte

39

Sicherheitssignale

24

Summerschool

26

Summerschool I

30 Törn 32

Brendle Behnisch

Summerschool Science

Aus- und Fortbildungsangebote

Traditionssegler

Herbstwerftzeit

Segelndes Klassenzimmer – und warum man so etwas macht

auf der Melpomene

II

Technik

36

23

Segelndes Klassenzimmer

Thorler auf der Sea-

Watch

42 Als

Thorler auf der Nobile

43

Haikutter Nordstjernen

44

Heute ein König - auf der Royalrah der Sedov

Rubriken III

Vorwort

III

Impressum

33 AlumniKUS Vernetzung aller KUS-Generationen

47

Rätsel- und Malspaß

50 Törnplan INHALT V

Arbeitsplatz 2.0 – ganz gemütlich in luftiger Höhe Die Thor in der Werft - immer für einen Familienausflug gut

Die guten alten Malerarbeiten - immerhin an der frischen Luft und immer nah am Wasser

NEUE SICHTWEISEN AUF ALTBEKANNTE WERFTGESCHICKE - EINE HOMMAGE ZÄHNEPUTZEN GEGEN KARIES. IN DIE SCHULE GEHEN FÜR DAS GELD DANACH. ARBEITEN FÜR DIE RENTENVERSICHERUNG. FRAGWÜRDIGE HANDLUNGEN AUF DIE IMMER GLEICHBLEIBENDE GESELLSCHAFTSFRAGE DES ANGEBLICH SINNSTIFTENDEN „WOZU“? In diesem Kontext wagte ich mich zu fragen: Wozu begeben wir uns alle immer wieder freiwillig (!) in das Abenteuer Werft? Ja, wozu eigentlich? Wenn wir streichen, bis wir die psychedelische Wirkung von LSD in den Schatten gestellt sehen (keine Sorge – in Wirklichkeit tragen wir natürlich alle Atemschutz). Wenn Missgeschicke uns vergeblich den Kameramann irgendeiner zweitklassigen 6 TECHNIK

RTL-Spaßsendung suchen lassen – wer hält denn hier weiße Fußabdrücke auf dem Deck wirklich für stilbewusst? Wenn wir auf der Suche nach Wissen, das uns aus dem Laienstatus heben soll, einen ersten Eindruck über die Arbeitsstruktur des Bundestags erahnen: Viele geben lange Antworten – niemand weiß etwas. Wenn wir immerhin nicht gefedert, aber doch körperumspielend geteert enden: ein wunderbares Andenken zum mit nach Hause nehmen und nie wieder vergessen. Wenn die ein oder andere Aufgabe an ein Strafgefangenenlager denken lässt – mir fallen da spontan Bilgen oder wahlweise der Fäkatank ein… Und wenn der irrelange Leidensweg zu den Sanitäranlagen gesäumt ist von unzähligen Überwachungskameras, kommt mir meine letzte These

auch nicht mehr so absurd vor… WOZU? Aber in Wirklichkeit ist alles anders. Sollte der Schwarzmaler (auch so ein Berufsbild der Werft) erst einmal zum Schweigen gebracht sein – dann lieben wir ohne WOZU: Wir lieben Detlefs unschuldiges Dankeschön nach stundenlangem Zuhören in der Mitgliederversammlung. Wir lieben den geselligen Grillabend im Nieselregen, der uns Inspiration, lange Gespräche, freudiges Wiedersehen und neues Kennenlernen mitgebracht hat. Den Bauchmuskelkater vom nie abreißen wollenden Strom der Missgeschicke (-Geschichten) lieben wir auch. Ebenso das Nickerchen in der Frühlingssonne, wenn wir vor Zufriedenheit strotzen, weil wir einen geduldigen Lehrmeister gefunden haben – oder aber weil dieser gar nicht

vorhanden, wenn nicht mindestens verschwunden ist und wir durchs Selbermachen reihenweise Erkenntnisse (manchmal auch schmerzhafter Art) gewinnen. Schlechtbeleuchtete Spontanbesuche auf der Roald Amundsen brachten uns zum Staunen. Ach und der Haifisch – kürzlich von in Heerscharen einfallenden Dreckspatzen zur charaktervollsten Bar Europas, na gut, Kiels gekürt – der darf in diesem Liebesbrief sicher nicht fehlen. Nicht zu vergessen auch Marios lebhafter, im Wiehern untergehender Vortrag über den Thor-Umbau – den lieben wir immer noch und jedes Mal wieder! Und ganz nebenbei: Kopfüber auf der Rah hängen fördert die Durchblutung, kleine Unglücke und langes Streichen die Sozialkompetenz und der ganze Rest zumindest den Muskelaufbau… Wer sich dem „WIR“ dieser Ode nicht anschließen kann, der mag mich im Frühling gerne noch einmal um Rede und Antwort bitten!

Arbeiten am Schoner Entschädigung für’s frühmorgendliche Kaffeekochen

ANNIKA ESSIGKRUG, AMÉLIE GRÜNING & JAN BROCKMÜLLER 7

EHRENMITGLIED IM VEREIN THOR HEYERDAHL:

HEINZ-HERMANN HEIDE - MEHR ALS “EINER VON UNS”

DIE EHRENMITGLIEDSCHAFT IM VEREIN Thor Heyerdahl E.V. WIRD ALS AUSZEICHNUNG AN PERSONEN VERLIEHEN, DIE SICH DEM VEREIN IN BESONDEREM MASS VERDIENT MACHEN. Nach Klaus Herrling und Martin Kayenburg standen im abgelaufenen Vereinsjahr die Zeichen für die Ehrung eines dritten Ehrenmitgliedes. Als Ausdruck großer Wertschätzung und Anerkennung um die Verdienste rund um den Verein wurde HeinzHermann Heide im Rahmen der Mitgliederversammlung im April 2015 die Ehrenmitgliedschaft verliehen. Nach 30-jähriger, aktiver Vereinsmitgliedschaft und bester Bekannt- und Beliebtheit unter den Vereinsmitgliedern ist die gemeinsame Freude über die Ehrung groß. Der Hoteldirektor, Kammer 9-Bewohner und exklusiver PK-Gast: “Bestimmt hat noch keiner die Butter rausgestellt...”

„Gesucht: Ein spontaner Satz zu Heinz-Hermann!“ – Die unter der Stammbesatzung gesammelten Gedanken, Anekdoten und Erinnerungen zum frischgebackenen Ehrenmitglied sollen im Folgenden für sich sprechen.

“Vertrautheit, Kontinuität und Zuverlässigkeit”

Gute Seele des Vereins: “Heinz-Hermann ist Heinz-Hermann”

Mit Flens und festem Honig: Heinz-Hermann ist der Hüter des holden Plop

“Das Faktotum der Thor Heyerdahl” & “Der Kiel unter unserem Schiff”: Väterlicher Freund; Thor-Papa; Kuppler und Tröster; immer vor allen da, immer für alle da; als Heinzelmännchen stets im Dienst; Seebär und Vaterfigur, Raubein und Scherzkeks, Lehrer und Lausbub in einem großartigen Paket; ... er hat immer die Bedürfnisse aller im Blick und sorgt dafür, dass sich jeder willkommen und wie zuhause fühlt

8 VEREINSLEBEN

Heinz-Hermann Heide, unser neues Ehrenmitglied mit vielen Qualitäten – Hoteldirektor, Werftzeitkapitän und Vorstandsurgestein – aber eben auch noch viel mehr!

“Schiffs- und Vereinsinventar” & “Ein Mann mit seinen ganz eigenen kleinen und großen Traditionen”

Lieber Heinz-Hermann, an dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön an das heimliche Oberhaupt der vielen Gesichter unserer Thor-Familie. Alle freuen sich mit Dir! aus: Typhon Nr. 16, 1997, Seite 25 9

MEIN AUSBILDUNGSTÖRN ALS ICH ALS ABSOLUTER THOR HEYERDAHL-NEULING AUF DEM GELÄNDE DER HDW-WERFT ANKAM, TRAF ICH AM KAI EINE GRUPPE VON JONGLEUREN AN.

Einzeln oder zu zweit ließen sie neben ein paar bunten Bällen auch Zwiebeln durch die Luft fliegen, die sich nach dem einen oder anderen Aufprall auf dem Boden in halbe Zwiebeln und kleinere Bruchstücke zerlegten. Die Jongleure stellten sich als die letzten Teilnehmer der Werftzeit heraus, die später ein Teil der Mannschaft werden sollten. Am nächsten Morgen kamen zwei Boote mit hoher Geschwindigkeit auf die Thor Heyerdahl zu – das vordere Mitglied der ehrwürdigen Thor-Dinghi-Flottille, das hintere in charakteristisch blauweißer Farbe, die wenige Augenblicke später beide längsseits anlegten. „Ist die Frau mit der Strickmütze gerade mit dem Schlauchboot gefahren?“, wurde in bestimmtem Ton von einem Beamten der Küstenwache gefragt. „Sie wissen schon, dass hier eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 10kn gilt?“. Zum Glück ließ er sich mit einem freundlichen „Oh, da waren wir wohl etwas schnell...“ beschwichtigen und beließ es bei der Verwarnung für die Besatzung des RescueBoots. Im Anschluss an Vorträge über die Geschichte der Thor Heyerdahl und das KUS-Projekt kamen wir endlich zum ersten segelpraktischen Programmpunkt: Für viele war es das erste Mal, in das Rigg eines Segelschiffes aufzuentern. Eine großartige Erfahrung, wie jeder weiß, der die Welt schon einmal aus dieser Perspektive gesehen hat. Die neuen Klettergurte, nach dem Standard für Industriekletterer, vermittelten dabei das Gefühl, Wind und Wetter nicht schutzlos ausgeliefert zu sein. Die folgenden Tage verwöhnten uns mit optimalem Segelwetter. Bei beständigen Winden zwischen 4 und 6 Beaufort machte sich die Mannschaft mit den Aufgaben ihrer Wache vertraut; im späteren Fahrwachenbetrieb konnten auch Erfahrungen an den übrigen Segeln gesammelt werden. Nachts wurde als besondere Herausforderung die „Flüsterhalse“ trainiert: 10 AUSBILDUNG

Die Hälfte seines Lebens wartet der Seemann vergebens...

Warten auf die Abschlussfeier – Capitain’s Dinner

Es wirkt schon fast gespenstisch, wenn lediglich das leise Quietschen der Brassen zu hören ist, während die Fahrwache nach und nach die Segel für die Halse stellt. Höhepunkt des Ausbildungstörns war mit Sicherheit die Expedition. Die drei Wachen wurden vor der Insel Ærø in je einem Dinghi ausgesetzt, ausgestattet mit ein paar Enden Tauwerk, zwei Planen und einem passiven Beobachter aus den Reihen der Stammbesatzung, liebevoll „Kielschwein“ genannt. Mit viel Improvisationsgeschick und Kreativität wurde mit den vorhandenen Mitteln ein Rigg für die Überfahrt nach Avernakø gebaut. Nach unterschiedlich langer Bauzeit stachen alle Gruppen mit teilweise sehr anspruchsvollen Segelkonstruktionen in See, um die 4 Seemeilen zum vorgegebenen Ziel zurück zu legen. Das Wetter verwöhnte uns mit Sonne und angenehmen 3 Windstärken. Gut gelaunt segelten wir unserem Ziel entgegen. Die Fähre auf ihrer Route nach Søby registrierte unsere Nussschalen zum Glück rechtzeitig und wich großzügig aus. Ein Beamter der dänischen Küstenwache hingegen brachte mit seiner Bugwelle ein Dinghi in Bedrängnis, als er das Ziel der eigenartigen Wasserfahrzeuge erfragen wollte. Die Fotos, die er geschossen hat, schaffen es sicher in die Top 10 der größten Kuriositäten im Fotoalbum zum goldenen

Hier genießt der Redner die volle Aufmerksamkeit der Besatzung – die Blicke gehen von Skepsis, Erstaunen bis zum verzweifelten Häääa?! Dienstjubiläum. Doch dann drehte der Wind etwas und der Horizont verdunkelte sich gefährlich. Die erste Schauerböe nahmen alle drei Dinghis mit großer Souveränität. Etwaige Schäden an stehendem und laufendem Gut wurden rasch repariert und als das Ziel der Reise wieder aus der Regenfront auftauchte, waren wir dem Ufer merklich näher gekommen. Bei deutlich weniger Wind setzten wir frohen Mutes unsere Reise fort und auch eine zweite Schauerböe konnte den Booten keine nennenswerten Schäden zufügen. Während zwei Wachen das Ziel inzwischen erreicht hatten, dümpelte Wache 3, insgeheim auf die nächste helfende Böe

Gut gebrüllt! hoffend, immer noch langsam dem Ufer entgegen. Die Front schien jedoch ohne Windgeschenk an uns vorbei zu ziehen und so wurden letztlich doch die Paddel ausgepackt. Eine gute Entscheidung, denn endlich am Ufer angekommen, entlud sich die angestaute Energie in einem ausgewachsenen Sturm, den in solch einer Nussschale auf dem Wasser keiner hätte erleben wollen. Die Wachen 1 und 2 hatten aus ihren Dinghis bereits eine stabile Schutzhütte gebaut, als das dritte Boot bei dem Versuch, es an Land zu bringen, vom Wind umgeworfen und gegen die Böschung gedrückt wurde, wo es zum Glück sicher zum Liegen kam. Ein unter dem Boot eingeschlossenes Crew-

mitglied war unterdes recht dankbar für den trockenen Unterschlupf und nutzte die Zeit, um endlich einmal in Ruhe EMails zu checken. Am Lagerplatz wurde derweil unter widrigen Umständen ein Signalfeuer entzündet, das der THOR den Weg weisen sollte. Die Rauchentwicklung sorgte dabei für Probleme, als der Wind eine kräftige Portion durch eine Spalte in die Schutzhütte trieb und die dort versammelte Mannschaft hustend ins Freie trieb. Nach einer stärkenden Mahlzeit wurde eine Wind- und Regenpause für den Aufbruch zum wartenden Mutterschiff genutzt und die Erleichterung war groß, als auf halbem Weg das Rescue-Boot in heldenhafter Manier auf uns zu schoss, um uns rechtzeitig vor der nächsten Schlechtwetterfront zu unserer schwimmenden Heimat zu schleppen. Hier kam es zu einer letzten Kraftanstrengung, als die Vorleine den Fänger an Bord knapp verfehlte und das Dinghi mit Muskelkraft bei ruppigen 4-5 Windstärken vor der drohenden Abdrift bewahrt werden musste. Erschöpft, aber glücklich, die Herausforderung gemeistert zu haben, versammelte sich die Mannschaft statt wie geplant ums Lagerfeuer nun in der Messe (ohne Feuer) und wir ließen den Abend unter kräftigem Singen von Seemannsliedern ausklingen. In Erinnerung bleibt in jedem Fall die Einsicht, dass die Stärke

einer Wetterfront von außen nicht direkt ersichtlich ist und dass man sich auch nach zwei erfolgreich durchgestandenen Schauerböen nicht auf die dritte freuen sollte. Die praktischen Erfahrungen im Segeln mit dem Dinghi wurden am folgenden Tag direkt umgesetzt, als man bei der Rückfahrt vom „Run and dip“ ein Boot mit Segeln aus Handtüchern, sowie Masten und Schoten aus Fleisch und Blut auf die Thor Heyerdahl zusteuern sah. Die Organisation der Rückfahrt nach Kiel trat die Stammmannschaft an die Teilnehmer ab und übergab das Schiff in die Obhut eines demokratisch gewählten, auch ohne gesetzliche Frauenquote mehrheitlich weiblich besetzten, Führungsstabes. Leider drehte der Wind im Laufe der Nacht so ungünstig auf Südost, dass nur das Aufwecken der Maschinistin ein rechtzeitiges Erreichen des Zielpunktes ermöglichte. Den ganzen Morgen maschinten wir gegen den kräftigen Wind an und der Seegang bescherte den Fischen auf der Lee-Seite die wohl reichhaltigste Mahlzeit des Törns. Am Abend bekam dann auch die Mannschaft ihren Teil vom Kuchen: Mit einem festlichen 3-Gänge Captains-Dinner übertraf die Backschaft alle Erwartungen und die verschiedenen „kulturellen Beiträge“ sorgten allgemein für Heiterkeit. Bis spät in die Nacht wurde in der Messe gefeiert und gesungen, während in der Bibliothek die neuesten Bord-Gerüchte ausgetauscht wurden. Am letzten Tag hing der Abschied wie eine trübe Wolke über den letzten Arbeiten. So waren die einen in Gedanken schon an Land und die anderen suchten hoffnungsvoll weitere Aufgaben auf der Thor, um den Abschied doch noch eine Stunde hinauszuzögern. Das Schiff wurde herausgeputzt, die Segel wurden hafenfein gepackt und der Maschinist beschloss spontan noch einen Ölwechsel am Hilfsdiesel durchzuführen. Der „Urschrei“ am Kai in der Schwentine war die letzte alte Tradition, die an die neuen Thorler weitergegeben wurde. Für alle Teilnehmer waren die Tage auf der Thor Heyerdahl eine prägende Zeit mit starken Eindrücken, aber auch großen Herausforderungen. Florian Biebl & Andreas Etzien 11

Ausruhen nach einem schönen und interessanten, aber auch intensiven Wochenende

FORTBILDUNGSTÖRN LAND 2015 NUR VIER TAGE UND DIE ABSICHT MÖGLICHST VIEL WISSEN AN DEN MANN ZU BRINGEN: DER FORTBILDUNGSTÖRN-LAND. Auch dieses Jahr kam das Ausbildungsteam um Christian dieser Motivation durch einen persönlichen, modulorientierten Tagesablauf nach. Für seinen ganz eigenen „Stundenplan“ durfte jeder Teilnehmer schon Anfang April Wünsche äußern und die Vorfreude beginnen lassen… Als es dann so weit war, wurde in vier Kursen täglich über das ganze Schiff verteilt dem Wissensdurst der SeefahrerInnen nachgegangen. So finden wir – durch die anregende Lernlandschaft Thor streunend – Teilnehmer, die ihr Wissen in erster Hilfe auffrischen, andere, die sich der terrestrischen Navigation widmen und wieder andere, welche sich der handfesten Seemannschaft in Form von doppelter Bullenführung und verschiedenen Manöverabläufen zuwenden. Auch eine Gruppe zum Thema Erlebnispädagogik 12 AUSBILDUNG

gibt es auf unserem Streifzug. Ist sie bei den Reisen ein Kerngedanke, so tritt sie leider doch oft hinter den seemännischen Tätigkeiten zurück. Daher verabreichte dieses Modul vor allem wertvolle Tipps, wie Aspekte dieses Ansatzes in den Bordalltag einfließen können. Den Jugendlichen kann damit der Transfer von Törn-Erlebnissen auf den Alltag erleichtert werden – und das Abenteuer Thor wird nachhaltiger. Weiterwandelnd treffen wir in der Trockenlast auf die Proviantgruppe, über deren Köpfen Willi die Benutzung des vorlauten Ankerspills erläutert. Weiter durch den schmalen Gang landen wir in der Messe, wo fleißige Hände Segel flicken. Auf der Suche nach Frischluft steuern wir vorbei an reffenden Lehrlingen auf der Ladeluke, stecken den Kopf durch die Kombüsen-Bulleyes, hinter denen „Anleiten der Backschaft“ gelehrt wird, um schließlich unser Zwischenziel Mastgarten zu erreichen. Auch hier wird gelernt – die Frage, die man sich hier stellt, lautet, wie man eine Person aus dem Rigg ab-

birgt: Horst hing nun schon seit ca. 20 Minuten regungslos unter der Breitfockrah in 15 Metern Höhe. Da er nicht auf Rufe reagierte, durften wir davon ausgehen, dass Horst bewusstlos, zumindest aber hilflos war. Er war in den Falldämpfer seiner Bandschlinge gefallen – trotz dieser Abmilderung des Sturzes kann sein Zustand durch die eingeschränkte oder sogar nicht stattfindende Durchblutung der Beine und dem damit einhergehenden Blutstau erklärt werden. Wir erfuhren, dass es mit dem Bergen der Person nicht getan ist – besonders auf das zügige Abbergen kommt es an. Dass freies Hängen im Gurt nicht sehr bequem ist, habe ich schon erlebt – entscheidend ist aber vor allem ein Hängetrauma zu verhindern. Daher galt es jetzt: schnell und sicher abbergen! Ein Mix aus Seilwinde und Seilbremse mit einer langen Leine – das Höhenrettungsgerät – sollte uns dies ermöglichen. Das Gerät muss dazu über dem Verunfallten angebracht und dann die Leine an Horsts Gurt befestigt wer-

den. Insgesamt waren vier TeilnehmerInnen im Einsatz: Das Gerät erforderte zwei und auch unser Unfallopfer wollte betreut und mit der Leine versehen werden! Viel Kurbeln am Bergegerät löste Horsts Karabiner von der Rah und wir konnten ihn dank des Gerätes in angemessenem Tempo zurück zu uns holen. An Deck angekommen ist es elementar wichtig, dass der Verunfallte dort richtig behandelt wird. Aufgrund der aufrechten Zwangshaltung ist nun nach ca. 20 Minuten das Blut in die Beine abgesackt und hat giftige Stoffe gebildet. Der Gerettete muss nun in einer aufrechten Haltung leicht stehend oder sitzend gestützt werden. Durch die zu rasche Verteilung des sauerstoffarmen und belasteten Blutes kann es zu einem Schock und zu einem Bergetot kommen. Horst hat alles überlebt. Zum Glück – auch wenn Horst nur ein Dummy war… Sogar der letzte Abend war noch geprägt von der Vielschichtigkeit der Themengebiete. Ein sehr interessanter Vortrag über die Ostsee als Lebensraum für Tiere und Pflanzen ließ uns in Staunen über all das, was sich in unserem Gewässer tummelt. Nach so viel Wissensdurst durfte nun einmal der Hunger zum Zug kommen: Grillfleisch, Geflügel, Grillkäse – die Trilogie unseres abschließenden Gelages. Für diesen festlichen Abschluss eines wunderschönen Wochenendes steuerte die Backschaft ganze fünf (!) Salate bei – gut aufgepasst im Backschaftsmodul! Zusammenfassend kann ich sagen: Es ist erstaunlich, wie viel interessantes Wissen wir mit nach Hause nehmen konnte. Ein großes Dankeschön an das Ausbildungsteam und alle, die bei der Veranstaltung mitgewirkt haben. SASCHA GÖBEL & ANNIKA ESSIGKRUG

Mittagessen beim FB-Land: Die Backschaft versorgte uns mit hervorragendem Essen und am Samstagabend mit einem großen Buffet zum Grillabend

Zwischenzeitlich war es recht kalt – Aufwärmpause mit heißem Kakao

Modul „Erlebnispädagogik“: Wie lässt sich EP bei uns an Bord umsetzen? Wie kann man solche Elemente selbst bei kurzen Reisen einbringen?

Modul „Kollisionsverhütung mittels Radar“: Wie funktioniert ein Radar? Wie wird das Radar justiert? Wie kann es genutzt werden um Kollisionsgefahr zu erkennen? Welche weiteren Funktionen gibt es? 13

DAS MASCHINISTEN-MODUL WÄHREND DES FB-TÖRNS LAND

FORTBILDUNGSTÖRN SEE 2015

NEBEN DEN BEWÄHRTEN AUSBILDUNGSINHALTEN WÄHREND DES FB-TÖRNS LAND IM NAUTISCHEN GAB ES DIESES MAL EINEN SCHWERPUNKT IM TECHNISCHEN BEREICH FÜR MASCHINISTEN. Dazu wurden Bewerbungen für Maschinistenanwärter berücksichtigt, die auch von externen Schiffen eingegangen waren, um die Ausbildung der Maschinisten auf eine breitere Basis zu stellen. Dieser Lehrgang wurde von der Technikkommission eingeleitet und von Jens moderiert. Am ersten Kurs dieser Art nahmen an den verschiedenen Tagen etwa 8-11 Interessenten teil. Wir trafen uns in der Geschäftsstelle der Thor, dort hatten wir uns einen Tagungsraum eingerichtet. Die Vorstellungsrunde war schon interessant, da sich hier die unterschiedlichsten Voraussetzungen der Teilnehmer ergaben. Das betraf sowohl die Altersgruppe von 20-64 Jahren, als auch die Vorkenntnisse und Erfahrungen vom Studenten über Fachkraft und Meister bis hin zum Ingenieur, und alle mit der Vorstellung als Maschinist auf Traditionsseglern zu fahren. Die Tagesplanungen in diesem Kurs beinhalteten die Schwerpunkte der Bordelektrik. Wobei ein Maschinist nicht automatisch auch ein Elektriker ist und somit eigentlich auch nicht an den elektrischen Anlagen arbeiten darf, aber im Notfall muss er unter Anleitung eines Fachmannes die elektrische Sicherheit an Bord herstellen können. Dazu gab es nun ein Tagesprogramm. Da ging es um Sicherheitsregeln, Gefahrenlagen, Aufbau und Wirkungsweisen von Gleich- und Drehstrom, Wartung von E-Motoren und Generatoren, Landstromverbindungen, Beheben von Betriebsstörungen usw. Somit war es ein überwiegend theoretischer Lehrgang, doch zur Auflockerung waren auch einige praktische Inhalte vorgesehen. Zum Abschluss ist zu sagen, dass der Kurs von allen Teilnehmern als erfolgreiche Unternehmung beurteilt wurde und es für jeden Interessantes und Neues zu erfahren gab. Man war sich einig, diese Art der Ausbildung und den Erfahrungsaustausch weiterzuführen. und setzte viel Wert auf den Erfahrungsaustausch. HELMUT WILK 14 AUSBILDUNG

FEEDBACK DER TEILNEHMER: VON STILLEN MANÖVERN, RETTUNGSINSELN, REGIEBÜCHERN UND TREIBEISEN Die Halse Es ist still an Deck. Alles, was man hört, ist der Wind in den Segeln und die Wellen, die gegen das Schiff schlagen. Langsam dreht das Heck in den Wind, genau von achtern kommt er jetzt.

Und dann: eine Halse. Das Schiff ist weiterhin mit Stille erfüllt, aber es sausen Blicke über das ganze Deck und tausend Hände ziehen an den Tampen, schweres Atmen von der Schot. Das Segel wird schnell dicht geholt und dann „rund achtern“, das Heck geht durch den Wind, die Schot surrt und der Baum geht über das Schanzkleid. Jemand hebt Fäuste – fest und belegen – immer noch Stille, vereinzelt schnaufender Atem beim letzten Mal einfallen, dann wieder Blicke. Zufriedene Blicke und ein Lächeln auf den Lippen. Unser erstes stilles Manöver ist geschafft! Anonym

„Das stand so nicht im Regiebuch“ „Manöverhelfer sollten mit Verstand gefeuert werden.“ Anonym

Es sind noch Plätze frei für die Fort- und Ausbildungstörns in diesem Jahr! Im Törnplan auf der letzten Seite findet ihr Infos zu den Daten, nutzt die Chance und bewerbt euch über die MoEve! 15

Während sich die einen vom kunterbunten Treiben an Bord erholen...

EINMAL AUF DIE THOR MIT DER GANZEN FAMILIE NATÜRLICH HEISST DER FAMILIENTÖRN SO, WEIL MAN SEINE KINDER MITNEHMEN KANN. FÜR STAMM, DER WEGEN DER KINDER NUR NOCH SELTEN FÄHRT, IST ER ABER AUCH EIN TREFFEN MIT DER THOR-FAMILIE. EINES, DAS MEIST VIEL ZU SELTEN STATTFINDET. „Ist das wirklich unser Schiff?“ – und den Kopf in den Nacken gelegt gleich die nächste, noch viel wichtigere Frage: „Darf ich da wirklich rauf?“ Es war mühsam, meinen Sohn Tim davon abzuhalten, sofort auf den Mast zu klettern. Glücklicherweise kamen bald weitere Kinder an und nach kürzester Zeit saß die Truppe auf der Kaimauer und fütterte zum Warmwerden die Möwen. Nach und nach füllte sich das Schiff und war schließlich bis fast auf den letzten Platz voll. Ein Drittel der Teilnehmer waren Kinder, von fünf bis 14 Jahren war alles dabei, eine quirlige Truppe, bei der erst mal nicht ganz 16 VEREINSLEBEN

klar war, wie sie zu bändigen sein sollte. „Die Thor Heyerdahl ist ein großer, schwimmender Abenteuerspielplatz mit Klettergerüst für jedes Alter“ war eines der ersten Dinge, die Kapitän André nach dem ersten Signal K erklärte. Dank des Hinweises darauf, dass unter dem Ge-

Steven (12 Jahre): „Kochen muss man auch mal, irgendetwas schnipseln und schälen, Kartoffeln oder so. Das kann man aber auch an Deck machen, in der Sonne. Ich hätte jetzt nicht gedacht, dass es Spaß machen kann, in der Küche zu arbeiten, aber das tut es auch.“ rüst kein Sand, sondern Stahl und drum herum tiefes Wasser ist, hatten auch die jüngsten Kinder schnell verstanden, warum es Sicherheitsvorkehrungen und Regeln gibt. Sonst gab es nicht allzu viel

zu erklären, die meisten Teilnehmer des Familientörns kannten das Schiff und so segelten wir gleich am ersten Tag in die Nacht hinein bis nach Ærø. Selbst wenn man lange nicht an Bord war, trifft man doch auch nach Jahren noch immer auf das eine oder andere bekannte Gesicht und mit etwas Glück auf alte Freunde. Diese Reise glich fast schon einem Klassentreffen. Ich war nicht die einzige, die diese seltene Gelegenheit zum Segeln mit Kind nutzte. Stamm mit Kindern muss seine Ferien in der Regel ohne Familie verbringen, wenn er an Bord will. Es gibt sehr wenig Törns, zu denen man überhaupt Kinder mitbringen kann, und wenn sich doch einer findet, muss man schon sehr großes Glück haben, um an Bord noch ein weiteres Kind zu finden. Wer einmal mit Kind ohne Spielkameraden auf der Thor gewesen ist, weiß, dass niemand etwas davon hat. Deshalb ist der Andrang bei den Familientörns so groß, dass man regelmäßig aufs nächste Jahr

... toben sich die anderen noch aus!

vertröstet wird. Das lange Warten hat sich gelohnt. Selten habe ich eine so entspannte und schöne Reise erlebt wie diese. Wir hatten phantastisches Glück mit dem Wetter, kein Tropfen Regen und immer Wind aus der richtigen Richtung. Aber das war längst nicht alles. Alle waren entweder langjährige Heyerdahler oder aber durch die Erzählungen ihrer Liebsten heiß auf das Schiff und wild darauf zu segeln und mit anzupacken. Natürlich gab es Wach- und Backschaftspläne, aber eigentlich waren die überflüssig. Jeder spleißte sich da ein, wo gerade eine Hand gebraucht wurde. Das galt nicht nur für die Erwachsenen, sondern auch für die Kinder. Selten haben so viele Hände gleichzeitig (und im Zweifel völlig sinnlos) ein und denselben Tampen in der Hand gehalten. Selten sind in der Kombüse Pizzabrote mit mehr Hingabe und mit mehr Oregano bestreut worden. Alles kein Problem, Kapitän André nahm Schlangenlinien auf der Ostsee, kryptische Wetterbucheinträge und jede Art von Fragen mit ungeheurer Gelassenheit hin und hatte immer eine Idee im Hinterkopf, was für die Kinder noch spannend sein könnte. Zum Beispiel ein Lagerfeuer. Oder der Besuch eines holzbeinigen Piraten, der einen Schatz ver-

steckt hält. Drei Nächte, vier Tage, länger dauerte der Familientörn nicht, doch für die Kinder war er ein echtes Abenteuer. Jedes, wirklich jedes einzelne Kind war mindestens

Yannick (9 Jahre): „Wenn man da oben ist und bei Fahrt, macht‘s „wusch“. Das ist ein richtig geiles Gefühl. Da merkt man so: Das ist cool. Beim ersten Mal hatte ich richtig viel Angst. Aber wenn man da erst mal hoch war, also da hat man richtig Lust drauf. Dass man einfach dieses Meer rauschen hört. Und dieses Windzischen an den Ohren. Und dieses ganze Schiff von oben sieht. Das find ich einfach toll.“ einmal im Mast, hat das Schiff gesteuert, einen Wetterbucheintrag gemacht und den Wind im Gesicht genossen. Am dritten Tag waren sie von all den Erlebnissen, der frischen Luft und den Anstrengungen so erledigt, dass man überall auf dem Achterdeck über schlafende Kinder steigen musste. Für manchen mitreisenden

Stamm-Partner gab es ein echtes AhaErlebnis. „Endlich habe ich die zweite Liebe im Leben meines Mannes kennen gelernt“ schrieb die Frau eines Wachführers nach der Reise. Wem immer wir daheim von diesem verlängerten Wochenende erzählten, konnte kaum glauben, was er da hörte: „Abenteuerurlaub mit Kindern auf einem Großsegler? Sowas gibt es? Was für eine phantastische Idee! Wo kann man sich anmelden?“ Das war die einhellige Reaktion. Als Familie gemeinsam das Leben auf einem Segelschulschiff kennenlernen, das Herausforderungen und Abenteuer für jede Altersstufe bietet. Abgerundet mit Lagerfeuer, Stockbrot backen und Schatzsuche nach schokoladenhaltigen Goldbarren – könnte das nicht ein Konzept sein, das viele Eltern und Kinder anspricht? Vielleicht sogar eine echte Marktlücke? Diese Frage war auf der Reise immer wieder Thema, die von altgedientem Stamm mit Kindern zugegebenermaßen äußerst eigennützig gestellt wurde. Denn ausnahmslos alle Kinder fragten beim Abschied nur eines: „Wann fahren wir das nächste Mal mit der Thor?“

KATHARINA NICKOLEIT 17

SO SCHNELL KANN’S GEHEN: VOM TEILNEHMER ZUR DECKSHAND TÖRNS ALS TEILNEHMER AUF DER THOR HEYERDAHL ZU FAHREN HAT SPASS GEMACHT, ABER IRGENDWANN LIESS UNS DIE THOR NICHT MEHR LOS UND WIR WOLLTEN MEE(H)R.

Kieler Woche 2015 mit den Knurrhähnen

KIELER WOCHE 2015: DIE KNURRHÄHNE & BERICHT EINES KIWO-NEULINGS HEKTIK IN KIEL-HOLTENAU AM TIESSENKAI, TEILNEHMER UND EIN TEIL DER CREW GEHEN VON BORD. Schnell wird mit ein paar wenigen Händen KiWo Material, Getränke, Erbsensuppe und viel Proviant auf die Thor geladen und mit ein paar weniger Händen die Thor zum Anlegeplatz für den Knurrhähne-Abend verholt. Dann Tische aufstellen, Messe aufräumen, putzen, Catering entgegennehmen, Schnaps kalt stellen, unbedingt duschen gehen, Kombüsen-Einweisung für die Damen der Knurrhähne, lächeln und dann heißt es auf dem Hauptdeck auch schon „Herzlich Willkommen auf der Thor Heyerdahl, liebe Knurrhähne - wir wünschen euch einen schönen Abend!“ Für die ausgelassene Stimmung wird auf dem Hauptdeck – natürlich mit einem bezaubernden Lächeln – noch reichlich Fürst Bismarck verteilt und leere Biergläser fast unbemerkt schnell wieder gefüllt. Im Hintergrund hingegen wird weiter unauffällig schon für die KiWo vorgearbeitet. Material wird rausgesucht, angepasst, verschraubt, Proviant sortiert, verstaut, aufgeräumt, geputzt und dann heißt es auf dem Vordeck auch schon: „Puh, ich kann nicht mehr, den Rest machen wir morgen.“ MANDY HÖPPNER 18 VEREINSLEBEN

„DU WILLST WIRKLICH DIE KOMPLETTE KIWO FAHREN? MUTIG!“ SOLCHE UND ÄHNLICHE AUSSAGEN DURFTE ICH MIR BEREITS BEI DEM EINEN ODER ANDEREN TÖRN ZUVOR ANHÖREN. Zuerst dachte ich, das sei ein Spaß. Was sollte schon so anders sein, als bei anderen Törns? Doch nach einigen Berichten über schlechtes Wetter und harte Arbeit wurde mir schon etwas mulmig. War ich wirklich schon bereit dafür? Die Vorfreude aufs Segeln und auf neue und alte Bekannte war dann aber größer als die Unsicherheit. Der Abend vor dem ersten Tag der Kieler Woche war dann noch ziemlich entspannt, sodass ich dachte, es könne schon nichts schief gehen. Der erste KiWo-Törn schmiss mich dann aber sprichwörtlich ins kalte Wasser. Die Gäste waren mehr an Karaoke und spontanen Badeausflügen interessiert als am Segelsetzen. Doch von Tag zu Tag gewöhnte man sich immer mehr an die ungewohnten Umstände auf der Thor und wir wurden immer schneller im Service, Segelsetzen und Reinschiff, wodurch sich auch die eine oder andere Pause ermöglichte. Sogar das Wetter spielte ziemlich gut mit und wir brauchten öfter Sonnencreme als Ölzeug. Trotz der ganzen Anstrengungen, den Gästen alles so schön wie möglich zu ma-

chen, kam auch für uns der Spaß nicht zu kurz. Von Caipi-Runden, Live-Musik, Zaubertricks und Konzertbesuchen über den Betriebsausflug zum Trimaran, die Crewpartys auf der Oosterschelde und bei uns bis hin zur Piratenparty und leckeren Buffets war alles dabei. Besonders hervorzuheben ist natürlich unser Ausflug zum Trimaran Musandam. Zwar konnten wir leider nicht wie erwartet mitsegeln, jedoch war es trotzdem sehr interessant sich andere Schiffe anzusehen. Das Highlight der Woche war dann die Piratenparty oder vielmehr die Vorbereitung darauf. Dank Silikonschminke, Topflappen, Ringelshirts und Zahnschwarz sahen wir am Ende echt gefährlich aus. Nur die Crew der Joanna Saturna selbst hatte noch bessere Kostüme als wir. Insgesamt kann ich sagen, dass die Kieler Woche ganz anders ist als „normale“ Törns. Nach der Woche war ich dann doch ganz froh nach Hause zu fahren und schlafen zu können. Aber die Vorfreude auf die nächste KiWo ist schon geweckt. Ein großes Lob noch einmal an alle Beteiligten! Die Stimmung war die ganze Zeit extrem gut und ich kann nur jedem empfehlen diese Erfahrung einmal zu machen! Darauf erstmal einen Caipi *rühr rühr* *knartsch knartsch* – Prost! LISA-MARIE SCHLANGEN

Das Segeln, Bordleben, die Wachen und der ganze Thor Heyerdahl-Esprit hat es uns angetan. Nach ein paar Gesprächen mit dem Wachführer wurde der Entschluss getroffen – ein Ausbildungstörn muss her! Wir bewarben uns also für den AB-Törn advanced im Mai 2015 und erhielten schon bald die Zusage. Der AB-Törn, wir legen ab! Und los ging es. Wir haben uns zusammen mit 10 anderen in Wache 2 wiedergefunden. Wache von 4 Uhr bis 8 Uhr, das klingt nach wenig Schlaf und so war es dann auch… Die Crew hatte sich ein großes Programm vorgenommen und natürlich durchgezogen. Neben dem ständigen Wachdienst, vielen Referaten, all Hands, einer aufregenden Expi und natürlich Reinschiff wurden viele Sicherheitspunkte erklärt und teilweise auch praktisch trainiert. Unser schönster gemeinsamer Moment war der Sonnenaufgang nach einer stürmischen Nachtwache. Wir versuchten mit vereinten Kräften das Schonersegel zu packen, waren nass und müde, als der Geruch aus dem Fäkalientank uns in die Nase zog und zusätzlich zum flauen Gefühl im Magen beitrug. Da fragt man sich schon mal: „Warum mache ich das eigentlich?“ Und dann ging auf einmal die Sonne auf, das Segel hielt und wir kreischten aufgedreht, als die Wellen bis zum Deckshaus spritzten. „Darum machen wir es!“ Da waren wir uns einig! Bei einem Sundowner mit ein wenig Salsa auf dem Hauptdeck und einem anschließenden köstlichen Dinner in der geschmückten Messe kamen wir alle zur Ruhe und blickten gemeinsam auf zehn Tage AB-Törn zurück. Nun kam auch die Frage der Fragen: „Sehen wir uns auf der Thor als Stammmitglieder wieder?“ Einige sagten „Nein“, andere mit einem breiten Lächeln „Jaaa, natürlich!“ Für uns stand ebenfalls fest: Wir wollen dazu gehören!

Die Stammanfrage Zuhause angekommen wurde erstmal ausgeschlafen… Dann musste der Törnplan 2015 her, dazu der Urlaubsplan und schon ging die Mail mit Törnanfragen ans Büro. Schnell kam eine nette Mail zurück: Die Stammanfrage würde weitergeleitet und könne etwas dauern… Aber die Antwort kam! Der Referendartörn wird also der erste Törn als Stamm, genauer gesagt als Deckshand. Schnell wurde die frohe Botschaft mit anderen vom AB-Törn ausgetauscht und festgestellt, dass wir gemeinsam fahren werden. Der erste Törn als Stamm „Der Stamm soll am Sonntag, den 14.06.2015, bis 20 Uhr an Bord sein“. Zug wurde gebucht, Sachen gepackt und los ging es. Am Sonntagabend am Kieler Hauptbahnhof angekommen, ging es gemeinsam zum Seefischmarkt und da war sie – unsere Thor Heyerdahl. Noch etwas schüchtern wurde der Rest vom Stamm begrüßt. Unsere neuen Thor-Pullis ohne Teerflecken verrieten uns auf den ersten Blick als Neulinge. Wir wurden von allen freundlich aufgenommen und so mancher alte Hase stellte fest, dass er schon länger auf der Thor ist, als wir alt sind. „Und, wo schlafen wir?“ Natürlich im PK! Ehrfürchtig und mit großen Äuglein stolperten wir die Stufen zum sagenumwobenen PK hinab. Wir waren mächtig stolz, dass wir jetzt hier schlafen durften. Dann sind wir noch brav eine Tampenrunde gelaufen und haben erleichtert festgestellt, dass auch der erfahrene Teil vom Stamm nicht immer jeden Tampen auf Anhieb kennt.

Der nächste Morgen begann mit einem ausgiebigen Frühstück und einem kleinen Reinschiff. Im Laufe des Vormittags war die Crew dann komplett und wir trafen uns alle im Salon zur Stammbesprechung. Unsere erste Stammbesprechung! Und es gab Schokolade! Alle Positionen und Aufgaben wurden verteilt. Wir waren wie erwartet Deckshände. Und dann ging es los, Teilnehmer an Bord, Kojen verteilen, Ansprache vom Kapitän, Rettungsweste erklärt und Leinen los! Der Törn war leider etwas nass, aber dafür gab es ordentlich Wind zum Segeln. Die Teilnehmer lernten das Segeln mit der Thor Heyerdahl kennen und einige auch lieben. Wir konnten viel vom Gelernten anwenden und auch schon weitergeben. Noch vor einem Jahr hatten wir den Tampen-Dschungel für ein unlösbares Rätsel gehalten, jetzt erklären wir schon anderen, wie’s geht. Die eine und andere Situation hatte man in der Theorie mal besprochen und musste nun mit Teilnehmern das erste Mal in der Praxis umgesetzt werden. Da wird einem so manche Wissens- und Könnenslücke erst bewusst, wenn man etwas erklären muss oder die Teilnehmer detailliert nachfragen. Aber es wurde alles gemeistert und wieder eine Menge dazu gelernt, nicht zuletzt, weil unsere Wachführer und Copis uns die Gelegenheit gaben viel auszuprobieren. Erschöpft, aber glücklich zurück vom Törn, gab es noch ein großes Dankeschön von den Teilnehmern. Es war schön, Teilnehmer von Bord gehen zu sehen, die an dem Törn gewachsen waren und wichtige Erfahrungen für‘s Leben mitnehmen konnten. In einem ruhigen Moment im PK wurde dann nochmal das ein oder andere Fachliche geklärt, ein paar Häkchen im Ausbildungsnachweis gesetzt und vom WaFü abgezeichnet.

Bis bald, Thor Heyerdahl! Wir schätzen uns glücklich ein Teil dieser besonderen Gemeinschaft zu sein. Und mal sehen, ob sich der eine oder andere Teilnehmer hat anstecken lassen und sich für den nächsten AB-Törn bewirbt. VERA SIWON & MANDY HÖPPNER AUSBILDUNG 19

DAS SEGELNDE KLASSENZIMMER AM GYMNASIUM BLANKENESE „ALLE LEINEN LOS!“ HIESS ES AM 29. JUNI 2015 ERSTMALIG FÜR DAS PROJEKT „DAS SEGELNDE KLASSENZIMMER AM GYMNASIUM BLANKENESE“ AUF DER THOR HEYERDAHL. Für die 36 Zehntklässlerinnen und Zehntklässler (Durchschnittsalter 16 Jahre) des Hamburger Gymnasiums, deren 3 Lehrer und die 11-köpfige Stammbesatzung begann damit eine 21-tägige erlebnisreiche Reise vom Heimathafen Kiel nach Oslo und zurück nach Kiel. Da das „Segelnde Klassenzimmer“ als ein jährlich wiederkehrendes Projekt fest in den Jahresplan des Gymnasium Blankenese/Hamburg nach dem Erfolg des diesjährigen Pilotprojekts aufgenommen wurde und die Thor Heyerdahl mit gGmbH & Verein hier als dauerhafter Partner gewonnen werden konnte, wollen wir das

Da längs, Herr Käpt’n! 20 ERLEBNISPÄDAGOGIK

„Segelnde Klassenzimmer“ mit diesem Artikel näher vorstellen. Als das „Segelnde Klassenzimmer“ im Sommer 2015 aus der Schwentine ablegte, lagen schon mehr als 2 Jahre der Vorbereitung hinter uns. Als Vereins- und Stammbesatzungsmitglieder sind wir der Thor Heyerdahl schon mehr als 2 Jahrzehnte eng verbunden. Schon das Schuljahresprojekt „Das segelnde Klassenzimmer“ mit 4-monatiger Reise im Jahr 1998/99 (damals mit Schüler/-innen aus sieben Hamburger Gymnasien) haben wir gemeinsam organisiert und so kam für uns kein anderes Schiff in Frage – zu sehr schätzen wir die Möglichkeiten an Bord der Thor Heyerdahl. Das Projekt Das erlebnispädagogische Konzept der

Segelschiff Thor Heyerdahl

Thor Heyerdahl ist ein wesentliches Element der Projektreise und wird durch schulische Anforderungen im Sinne projektbezogenen Unterrichts, Vorträgen & Referaten erweitert. Das „Segelnde Klassenzimmer“ verfolgt das Ziel, die sozialen und personalen Kompetenzen der Schüler/-innen zu fördern und zu stärken, die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung zu wecken, schulisches Wissen mit allen Sinnen anders zu begreifen, im Team erfolgreich zu wirken, Grenzen zu erfahren und an Widerständen zu wachsen. Kurz: das Lernen mit Herz, Hand und Verstand sind die Eckpfeiler unseres Vorhabens. So berichtete die Schülerin Josephine Zabka in einem kurzen Text zu der Fragegestellung „Warum macht man so etwas?“ im Anschluss an die Reise knapp und prägnant: „Natürlich ist es anstrengend und

Das segelnde Klassenzimmer: Lernen mit Herz, Hand und Verstand man ist müde wie noch nie. Und ja, ich war seekrank. Trotzdem würde ich es sofort wieder machen. Und ich würde es jedem empfehlen, der interessiert ist. Wirklich jedem. Da gibt es kein „Ich kann das nicht“, denn jeder kann das schaffen und genau dafür ist das Projekt da. Man geht auf diesem Schiff an seine Grenzen und erlebt in nur drei Wochen eine prägende Erfahrung, die man zuhause in Jahren nicht erlebt.“ Die Schülerinnen und Schüler bewerben sich in der ersten Jahreshälfte der 9. Klasse für die Teilnahme am Projekt mit einem Motivationsschreiben und Lebenslauf. Mit Beginn der 10. Klassenstufe beschäftigen sich die Schüler-/innen im Wahlpflichtkurs mit der Thematik des »Outward Bound« im weitesten Sinne. Dabei stehen die Bereiche »Selbstverantwortetes Handeln« sowie »Ich als Individuum und doch immer Teil der Gruppe bzw. Teil der Gesellschaft« im Fokus. Die Lektüre von »Kon Tiki« (T. Heyerdahl), »Into the Wild« ( J. Krakauer), u.a. Texte bieten hierfür den Rahmen. Das Lebenswerk des Namensgebers des Schiffes und das weiterer Forscher/Expeditionsleiter (Amundsen, Nansen, Shackleton, Scott) werden beleuchtet. Ein Ver-

gleich zwischen Forschern damals und Extremsportlern heute wird gezogen. Zudem wird konkret auf die Fahrt mit dem Dreimast-Toppsegelschoner, das Leben an Bord und die Landprojekte (Dänemark/ Norwegen) vorbereitet. In dieser Vorbereitung ist die Mitarbeit der Stammbesatzung bereits erwünscht: Navigationsunterricht, Knotenkunde, Segeltheorie, KVR usw. fließt in Kooperation mit der Stammbesatzung in den Unterricht ein. Eine weitere Herausforderung für die Schülerinnen und Schüler, bevor die Reise in den letzten 3 Wochen vor den Sommerferien beginnen kann, liegt im Geldverdienen, denn 50% der Kosten sind von den Schülern selbst zu erbringen. In gemeinschaftlichen Aktivitäten wie z. B. Ordnerdienste bei Groß-Sportveranstaltungen wird nicht nur Geld für die Gemeinschaftskasse erwirtschaftet, sondern die Schülergruppe, die sich aus fünf 10. Klassen zusammensetzt, lernen sich außerhalb des Schulhofes kennen. Um jedem Schülern aber auch individuell ein Geldverdienen zu ermöglichen, wurde von Eltern eine Jobbörse eingerichtet: und so haben die Schüler mit Rasenmähen, Babysitten und Einkaufsdiensten innerhalb von 10 Monaten jeweils über 600

EUR für die Reise dazuverdient. Aus unserer Perspektive ein wesentlicher Aspekt: Die Schüler/-innen erarbeiten sich ihr „Segelndes Klassenzimmer auf der Thor Heyerdahl“ – und buchen nicht nur eine Reise aus dem Katalog. Um auch Schüler/-innen mit schwachem finanziellen Hintergrund eine Bewerbung zu ermöglichen, kann ein Zuschuss für die Teilnahme an der Reise beantragt werden, so dass die persönliche Finanzierung der Reise kein Kriterium in der Bewerbungsphase darstellt. Die Reiseroute Auf der ersten Etappe segeln wir von Kiel durch die Dänische Südsee nach Oslo. Inhaltlich beschäftigen wir uns auf diesem Reiseabschnitt mit der Vorbereitung auf die Exkursionen in Oslo (z. B. Vigeland-Park, Widerstandsmuseum, MunkMuseum) sowie im Schwerpunkt mit den Expeditionen und der Persönlichkeit Dr. Thor Heyerdahls und anderen Forschern und Entdeckern. Ausgewählte Leistungen werden von den Schüler/-innen dabei in englischer Sprache erbracht, während die Bordsprache sonst aber deutsch ist. In Oslo werden diese Themen mit einem Besuch im Kon-Tiki-Museum, Fram-Museum und den anderen in der Vorbereitung 21

Die kritischen Blicke der Stammbesatzung

Frau Herzberg, die Schulleiterin des Gymnasium Blankenese, schreibt in ihrem Vorwort zu einer Broschüre: „Euren Blog habe ich natürlich fast täglich verfolgt; spannend, wie ihr die Fahrt im Detail erlebt habt, lustig, wie ihr mit Problemen umgegangen seid, die an anderen Stellen haushoch gewesen wären. Ihr habt alle viel mitgenommen – das habt ihr mehr

als deutlich gemacht. Und damit gebt ihr auch denen recht, die verstanden haben, dass Schule mehr sein muss als messbare Wissensvermittlung: Ihr seid gereift als Persönlichkeiten und habt deshalb viel gelernt!“ Motivation für uns an und mit diesem Projekt weiterzuarbeiten. Wir freuen uns über Mitstreiter.

Kontakt: Das Segelnde Klassenzimmer am Gymnasium Blankenese Oesterleystraße 27 – 22587 Hamburg Tel.: 040-86628492 | E-Mail: [email protected] MARIANNE WULKOP & MATTHIAS RENTSCH

Baden im Oslofjord

behandelten Stätten abgerundet. Auch bei den Landexkursionen wünschen wir uns eine starke Einbindung der Stammbesatzung, da wir der Auffassung sind, dass eine solche Projektreise nicht an der Bordwand des Schiffes enden darf. Im vergangenen Jahr konnten wir Thor Heyerdahl jun. (auch schon 76 Jahre) begeistern, den Schüler/-innen des „Segelnden Klassenzimmers“ ein privates Interview zu geben – Unterricht hautnah in der ersten Reihe, die Kon Tiki seines Vaters im Hintergrund. Die seemännische und seglerische Ausbildung ist selbstverständlich ein weiterer Schwerpunkt dieses ersten Reiseabschnitts. Nach Auslaufen ist in den schwedischen Schären bzw. in der dänischen Südsee eine mehrtägige Schlauchboot-Expedition vorgesehen. Auf der Rückreise nach Kiel übernehmen die Schüler/-innen dann im Rahmen der Schiffsübergabe die Thor Heyerdahl. Die Stammbesatzung und Lehrer Die Stammbesatzung (Kapitän, Steuermann, Maschinist, Bootsmann, 4x Wachführer, 4x Copi, 2x Deckshands) sollte Erfahrung bei erlebnispädagogischen Rei22 ERLEBNISPÄDAGOGIK

sen auf der Thor Heyerdahl mitbringen und für die jeweilige Position qualifiziert sein. Da wir das „Segelnde Klassenzimmer“ als ganzheitliches Projekt verstehen, ist es wünschenswert eine durchgehende Stammbesatzung für die 21 Tage zu gewinnen. Unter Umständen ist aber ein Crewwechsel nach der ersten Etappe in Oslo möglich. Interessierte Stammbesatzung kann sich bis zum 15. Januar des jeweiligen Jahres in der Geschäftsstelle bewerben. Die begleitenden Lehrer kennen die Thor Heyerdahl und das Erlebnispädagogische Konzept zum Teil bereits durch die Teilnahme an einem Ausbildungstörn. Die jeweilige Projektleitung übernimmt den Unterricht im Wahlpflichtkurs und begleitet die Reise natürlich auch an Bord. Um eine gute Abstimmung zwischen Stammbesatzung und Lehrern zu ermöglichen und sich schon vor der Reise kennenzulernen, findet im Frühjahr ein eintägiges Vorbereitungstreffen in Hamburg statt. Wachsystem & Unterricht an Bord Die Schüler/-innen, Lehrer und Stammbesatzung werden in 4 Wachen mit jeweils

2 x 3 Stunden Wachzeit pro Tag eingeteilt. Damit verbleibt den Schüler/-innen Zeit, sich den schulischen Anforderungen stellen zu können. Unterricht im klassischen Sinne findet während der Reise jedoch nicht statt – Schwerpunkt ist das Erlebnispädagogische Konzept der Thor Heyerdahl und die eigenverantwortliche Arbeit (mit Unterstützung durch Lehrer und Stammbesatzung) an den zugewiesenen schulischen Inhalten. Hierzu gehören auch die Erstellung eines täglichen Blogs zum Nachlesen für die Eltern, Freunde und Interessierte zuhause, wie auch ein täglicher Nachrichtendienst und die Aufarbeitung der Wetterberichte und -karten. Die Umsetzung eines solchen Vorhabens bedarf einer qualifizierten und motivierten Stammbesatzung – denn jede Reise auf der Thor Heyerdahl kann nur mit einer solchen Stammbesatzung gelingen. In diesem Sinne freuen wir uns auf zahlreiche Bewerbungen für die kommenden Reisen mit dem „Segelnden Klassenzimmer“ des Gymnasium Blankenese auf der Thor Heyerdahl. Der Blog der Projektreise 2015 zum Nachlesen: http://gymblaplan.de/seklazi/2015/06/15/

“DAS SEGELNDE KLASSENZIMMER” UND WARUM MAN SO ETWAS MACHT NEIN, ICH BIN NOCH NIE IN MEINEM LEBEN GESEGELT. JA, ICH HATTE KEINE AHNUNG WAS MICH ERWARTET UND JA, ICH WEISS AUS ERFAHRUNG, DASS ICH ZUR ÜBELKEIT NEIGE. Zwischendurch dachte ich mir also natürlich: Ist es unter diesen Gegebenheiten nicht total verrückt, bei diesem Projekt mitzumachen? Warum begibt man sich mit 49 anderen mehr oder weniger gut bekannten Leuten für drei Wochen auf ein Schiff und überquert gemeinsam die Ostsee? Warum will man segeln, warum raus auf‘s Meer und raus aus dem Alltag? All das waren Fragen, die mir immer durch den Kopf gingen, sowohl vor als auch nach der Reise. Jetzt, danach kann ich sagen: Nein, es war nicht verrückt, es war die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe. Man geht auf diesem Schiff an seine Grenzen und erlebt etwas, macht in nur

drei Wochen prägende Erfahrungen, die man zuhause in Jahren nicht erlebt. Und ja, man lernt viel, auch wenn man das nicht gleich erwartet. Natürlich lernt man segeln und das Schiff kennen. Aber man lernt auch die Eigenschaften eines Teams kennen und lernt, was man selber für ein Team bedeutet. Man lernt, 50 Leute zu versorgen und was es heißt, solange auf engstem Raum zu leben. Man lernt den Lebensraum Meer kennen und neue Länder. Und ja, so seltsam es klingt, man lernt auch sich selber kennen und erfährt Dinge von sich, die man vorher nicht wusste. Sind das die Gründe, warum ich dabei war? Raus aus der Schule, weg von Zuhause, rauf auf‘s Schiff und rein ins Abenteuer? Wahrscheinlich schon. Irgendwie musste mein Bauchgefühl vorher gewusst haben, dass es das Richtige ist, mitzufahren. Und ich bin sehr glück-

lich darüber, dass dieses Gefühl damals stärker war als meine Ängste und Zweifel. Natürlich ist diese Reise total anstrengend und man ist müde wie noch nie. Und ja, ich war sehr seekrank. Trotzdem würde ich es wieder machen. Sofort. Denn all diese Sachen sind nichts im Vergleich dazu, was man erlebt. Ist es nicht verrückt dabei mitzumachen, habe ich mich gefragt. Nein, ist es nicht, habe ich gesagt, und das stimmt auch. Aber im Nachhinein denke ich schon, dass es irgendwie eine verrückte, aber vor allem tolle Zeit war. Wer kann schon von sich behaupten, so etwas getan zu haben? Für mich war das „Segelnde Klassenzimmer“ ein tolles Erlebnis und ich kann es nur weiterempfehlen. Hier gibt es kein „Ich kann das nicht“, denn dieses Projekt ist für alle da und ich denke, dass jeder das kann! JOSEFINE ZABKA 23

DIE KUS-SUMMERSCHOOL-REISEN AUF DER THOR HEYERDAHL RÜCKBLICK Nach der Grundsanierung der Thor Heyerdahl und Wiederinbetriebnahme im Jahre 2009 waren nach zwei Jahren Auszeit auch neue Ideen gefragt, um wieder genügend Teilnehmer für die Reisen auf der Thor zu bekommen – das war die Geburtsstunde der KUS-SummerschoolReisen. Seitdem haben sie sich an Bord der Thor Heyerdahl etabliert, fortentwickelt und erweitert. KUS-Summerschool bedeutet: zwei bis drei Wochen der Sommerferien an Bord eines traditionellen Segelschiffes verbringen, mit gleichgesinnten Menschen unterwegs sein, Segeln lernen, englischsprachige oder skandinavische Länder erkunden, mit Schlauchbooten oder an Land auf Exkursion gehen und dabei auch für die Schule lernen. Dies waren und sind die Grundgedanken der KUS-Summerschool-Reisen. Seit der Entstehung wurden die Reisen fortlaufend evaluiert, welches auch Veränderungen hinsichtlich der Dauer, den Inhalten als auch der Reiseroute mit sich brachte. So gibt es seit einigen Jahren zwei KUS-Summerschools mit dem unterrichtlichen Schwerpunkt auf der englischen Sprache und seit 2014 zusätzlich die KUS-Summerschool Science, wobei hier der unterrichtliche Schwerpunkt in den Bereichen Naturwissenschaft und Technik liegt. Die Konzepte für diese Reisen wurden von Detlef Soitzek (STH gGmbH) und Dr. Ruth Merk (FriederichAlexander-Universität Erlangen-Nürnberg) entwickelt und werden zurzeit von Universitätsmitarbeitern betreut. Veranstalter ist die STH gGmbH in Kooperation mit dem STH e.V. Entsprechend den erlebnispädagogischen Grundgedanken auf der Thor Heyerdahl liegt bei all diesen Reisen neben den verschiedenen schulischen Schwerpunkten der Fokus auf der Förderung personaler und sozialer Kompetenzen der Jugendlichen, z. B. die Entwicklung zur Selbstständigkeit und die Übernahme von Verantwortung. In der Praxis bedeutet dies, dass die Jugendlichen in allen Bereichen des Schiffsalltages an Bord der Thor Heyerdahl (Wache, Backschaft, Reinschiff) integriert sind, in den bereisten Ländern selbstständig geplante Exkursionen unternehmen und Abenteuer aus erster 24 ERLEBNISPÄDAGOGIK

Hand erleben dürfen. Der schulische Unterricht an Bord wird in kleinen Gruppen von jeweils 8-9 Teilnehmern durchgeführt. Dabei gestalten die Lehrkräfte ihren Gruppen- und Individualunterricht interaktiv, situationsbezogen und an den Bedürfnissen der Jugendlichen orientiert. In diesem Umfeld erleben die Schüler den Unterricht oftmals spielerisch sowie mit Spannung und Spaß. Von den englischsprachigen Summerschools berichten viele Schüler, dass die tägliche und kontinuierliche Konversation auf Englisch der ausschlaggebende Lernindikator war, bei der Summerschool Science dagegen der Unterricht in kleinen Lerngruppen sehr intensiv und vor allem die Projekte interessant und lehrreich waren. EINBLICK… … in die KUS-Summerschool Science. Wie schon erwähnt, ist diese seit 2014 mit an Bord. Aber was ist das genau? Nachfolgend soll ein kurzer Steckbrief aufklären. Steckbrief KUS-Summerschool Science Darf ich mich kurz vorstellen: Mein Name ist Summerschool Science. Ich bin weder der kleine Bruder noch die große Schwester meiner Namensvetter. Ich bin ich. Seit vorletztem Jahr darf ich hier auch mitsegeln – es ist einfach großartig! Beim Stamm bin ich heiß begehrt und berühmt bin ich wohl auch schon geworden, denn sogar die Kieler Forschungswerkstatt hat

schon von mir gehört und unterstützt mich mit tollen Materialien zum Experimentieren. Aber nun mal zu den Fakten: Ich bin 11 Tage lang, finde dieses Jahr vom 21. August – 1. September 2016 statt und mitfahren können maximal 32 SchülerInnen der 7., 8. und 9. Jahrgangsstufe aller Schularten. Fördern möchte ich meine Teilnehmer in einigen der sogenannten MINT-Fächern: Mathematik, Naturwissenschaft und Technik. Unterricht an Bord gibt’s auch, und zwar in Mathe, Physik oder Chemie. Dieser findet an Bord in kleinen Gruppen von 8-9 Teilnehmern – natürlich mit tollen Lehrern – statt. Spannend wird’s, wenn wir Lernstoff „erfahrbar“ machen. Dafür gibt es die Projekte mit dem Ansatz des forschenden Lernens. Letztes Jahr zum Beispiel war von Chemie („Wasser – Element des Lebens“) über Bio („Lebewesen im Wasser“) und Physik („Keine Angst vor Gegenwind?!“) oder Geographie („Wetterfrösche gesucht“) einiges bei mir los. Aber wir sind auch in die Bereiche von Technik und Seemannschaft eingetaucht. So gab es noch die Projekte „Wie hoch können eigentlich Nockenwellen werden?“ und „Wo bin ich? – Navigieren wie Kolumbus!“. Doch das ist noch längst nicht alles. Keine Angst, das Segeln kommt bei mir nicht zu kurz, und auf Expedition gehen wir sogar auch noch. Ihr könnt euch das nicht vorstellen? Dann zeige ich euch mal wie bei mir ein typischer Tag aussehen kann:

06:30 Run & Dip 07:30 Frühstück 08:10 Stammversammlung 08:30-09:30 Reinschiff 09:30-10:30 Individuelles Lernen (Unterricht in Mathe, Physik oder Chemie) 10:45-11:45 Forschendes Lernen (Projekte) 12:00 Mittag 13:30-18:00 Segeln 19:00 Abendessen Ab 20.00 Gemeinsame Unter- nehmungen wie Spiel, Musik, etc. Nachtwache

der Stammbesatzung soll nicht zu kurz kommen. So wird bei der Auswahl der Stammmannschaft Wert darauf gelegt, erfahrenere und weniger erfahrene Mitglieder mitzunehmen. Beispielsweise konnten in den letzten Jahren kleinere Trainingseinheiten in den Bereichen Manövrieren mit dem Rescue-Boat, Seekartenkorrektur, Navigation, oder natürlich auch im Rigg und in der Maschine angeboten werden. • Weiterhin soll bei allen KUS-Summerschool-Reisen eine Schlauchboot Expedition stattfinden, aufgrund der kürzeren Dauer zukünftig jedoch nur eine Expedition. Dabei heißt es: Natur pur, nur die

geplanten Vorräte zur Verfügung haben und die Herausforderung, mit der Gruppe gemeinsam den Weg zu bestreiten sowie selbstständig Probleme lösen. Die Erfahrungen aus den Expeditionen können dann auf das „Große“ im Schiffsalltag übertragen werden. • Bei der englischsprachigen KUS-Summerschool soll zum einen der Bezug zwischen den Unterrichtseinheiten und der Segelreise auf einem Traditionssegler verstärkt und die segel-theoretischen mit den unterrichtlichen Inhalten enger miteinander verknüpft werden. Zum anderen verändert sich die Tagesstruktur von einer Eingewöhnungsphase, in welcher ein Tagesablauf mit abendlichem Ankern vorgesehen ist, bis hin zu dem v.a. bei der Stammbesatzung begehrten Fahrwachenrhythmus bei Tag und Nacht. • Für die KUS-Summerschool Science können Biologie- und Chemielehrkräfte an einer Fortbildung zum Thema „Ökosystem Ostsee“ bei der Kieler Forschungswerkstatt teilnehmen. Die Idee ist es, in den naturwissenschaftlich orientierten Projekten den Fokus auf den Lebensraum „Ostsee“ zu legen und mehr darüber zu erfahren. Wir hoffen, dass die Neuerungen dazu beitragen, weiterhin erfolgreich diese Reisen durchzuführen, sodass alle Beteiligten schöne sowie erlebnis- und lehrreiche Zeiten an Bord verbringen können. DR. RUTH MERK & SONJA MÖSLANG

Weitere Informationen über mich findet ihr auf der Website der Thor Heyerdahl unter Summerschool Science, hier bin ich ebenfalls im Flyer-Format abgebildet. Oder ihr lernt mich einfach persönlich kennen. Ich freue mich auf euch! AUSBLICK Alle drei Summerschool-Reisen sind auch für die Saison 2016 vorgesehen, jedoch sind dabei einige Neuerungen geplant: • Es gibt eine Änderung in der Besatzungsstärke. Auf allen KUS-Summerschool-Reisen können 2016 zwei Stammpersonen mehr mitfahren. So können sich nun auch Deckshände dafür bewerben und weiter ausgebildet werden. • Lebenslanges Lernen: Die Ausbildung 25

SUMMERSCHOOL 1/2015

“GOOD MORNING GUYS”, IS HOW WE‘VE (34 STUDENTS) BEEN GREETED EVERY MORNING WHILE HAVING BREAKFAST DURING OUR THREE WEEK LONG SUMMER SCHOOL TRIP TO DENMARK AND NORWAY ON BOARD OF THE THOR HEYERDAHL. Our big adventure started on the 18th of July in Kiel and from there we set off for Denmark. While it took three days to reach Denmark, we got the opportunity to get to know not only our new roommates but also the crewmembers. Soon it was clear that we would have a memorable time together. Furthermore, they explained and elaborated us the upcoming challenges and of course our tasks on board. A safety instructor prepared us for the rig climbing and everyone got loaned their own harness. We spend a great time, for instance with packing and unpacking the sail, attending classes, enjoying happy hours, fulfilling our duties at the kitchen service and following our guard duties. Of course, we also had free time which everyone was free to organize for themselves. Some were reading or sleeping, others climbed in the rig or just relaxed in some other ways. In the afternoon of the 3rd day, the signal K went off because we arrived at the Harbor in Svenborg. Excitement took over. 26 ERLEBNISPÄDAGOGIK

We initiated the preparations to dock and before we realized what we‘ve been doing we were already docked on the pier with striked sails and a very good mood. After dinner we were allowed to stroll in small groups through the city, to prepare for the big exploration tour on the next day. The first night watch were split in two sessions. Everyone had a 90 minutes watch to do. In the morning, those who wanted could participate in a run & dip, a morning workout routine, so to say. The exploration tour coined the main event of the day. Our instructors gave us three tasks which we were supposed to solve. The first challenge was to trade an apple and an egg for something typically danish. The second one was to take a picture with all guards while achieving as much requirements as possible. Those were for instance the inclusion of a boy with a gap between the teeth or an older couple kissing. After solving those two tasks all guards met to solve the last and one together. To reproduce the body of the Thor with our own. It actually worked out pretty well. Upon the very successful rally we were allowed to conquer Svenborg on our own and many used the chance to buy ice cream. On the next day, it was time to set sail towards Norway. During that crossing we were not only able to experience the unbelievable feeling of sailing itself but

additionally experience it by night during the night watch. Furthermore we had our daily tasks to absolve. The opportunity to practice, for example to steer, to mark our position on the map and many others, were given us frequently. While some of us will be mostly remembering the good times while abroad, others will remember the slight uneasiness in their stomach as it was impossible to avoid the rougher currents. Hence, many spent their time on deck. Luckily, the not-so-fragile ones took care of them and in the blink of an eye the tumults eased. When we arrived at the harbor of Larvik everyone was back on their feet and we grew exited about the upcoming days. We really enjoyed those as we had the chance to visit two museums. One of them was the birthplace of the Thor Heyerdahl. This opportunity was also perfect to restock our candy stocks. The most striking event was our three days long expedition on a drinking water-lake with many little islands on which we camped. Every watch had a rubber boat to be able to paddle over the lake. If they were able to build a functional sail they could also sail to the islands. Each day we had to be on a different island but only one watch at a time was allowed to stay on. These tiny islands and the environment in itself around us were fascinating and stunning. At some point we found enormous

blueberry fields, which we of course pillaged. We were free to spend our time as we wanted to. As we had to take care of our supplies and our lodging, we had to build tents, collecting firewood, making a campfire and cooked meals that were in our food barrel, which we constructed before. FYI: Every watch was accompanied by two crewmembers, so there was always at least a pair of experienced hands. As the last night approached we were sad about leaving so soon but also excited to set sail again aboard the Thor. Back on board, we had to maintain the

of Warnemünde and the preparations for the dinner started. We decorated, cooked and some students and crewmembers planned an evening program. After everything was ready we sat on decorated tables with great meals and spend a wonderful last night with a fun program on board. As wonderful as the last eve was, days have to go by and the next one came faster than we‘d expected. One last time we enjoyed our breakfast together and as we docked at the Regina Maris the moment to say goodbye snuck upon us. It was

hard to believe that our journey had to end so soon. The tears that fell during our goodbyes showed us that we indeed experienced a really great and unforgettable time, on and off board. Time with magnificent people and places. A huge thank you Thor Heyerdahl, the crew, the people we met, for making this a journey that won‘t be forgotten and always remembered with a grin from ear to ear. JUSTINE WILKE (Übersetzung: Constanze Ulrich)

equipment that we brought along. In the evening, we visited, equipped with steaks and salad, the Seamen’s Club. They had Hot Dogs prepared for us, which we devoured with great pleasure. We already met some of the members as they were the ones who drove us to the lake. The eve proceeded joyous and full of laughter. Unfortunately time passed way to fast and we found ourselves on our way to Rostock. Before we realized it, the last evening approached, accompanied by the captain‘s dinner. We dropped the anchor in front 27

Fünfer-Päckchen: Jeden Morgen Organisation unter den Schiffsführern, wann, wer, mit wem anlegt... NACH ÜBER 20 JAHREN SIND WIR WIEDER DABEI: ROSTOCKER HANSE SAIL 2015.

Hanse Sail in Rostock 2015: Eine Perlenkette aus Schiffen

DAS EXPERIMENT: HANSE SAIL ROSTOCK - ODER AUCH “DIE PERLENKETTE DER SCHIFFE” ZUR 25. HANSE SAIL IN ROSTOCK WAR DIESMAL AUCH DIE THOR DABEI. Die Hanse Sail – ein großes Seglerevent wie die KiWo – hielt die engagierte Stamm-Crew zwei Tage inkl. Vor- und Nachbereitungszeit auf Trab. Obwohl die Tage genauso wie auf der KiWo durch getaktet waren, z.B. mit zwei Fahrten täglich, war die Atmosphäre eine völlig andere. Um auf das offene Meer zu kommen, benötigte die Thor gut eine Stunde durch das äußerst enge Fahrwasser; und im Dunklen kam erschwerend dazu, dass dieses kaum beleuchtet wurde. Das Bild, das sich beim gemeinsamen Fahren durch das Fahrwasser so vieler Traditionssegler Glied an Glied bot, war sowohl für die Gäste als auch für die Crew eine imponierende und beeindruckende Kulisse. Die Durchfahrten waren immer so büh28 VEREINSLEBEN

nengerecht, spannend und actionreich, dass einem teilweise der Atem wegblieb. Manch einen störte es, zwei lange Stunden in der Perlenkette der Schiffe verbringen zu müssen, anstatt die nun verlorene Segelzeit bei diesem Wetter, das an die Karibik erinnerte, genießen zu können. Jeden Abend erlebten alle auf dem offenen Meer einen malerischen, romantischen Sonnenuntergang – und drum herum all die großen und kleinen Segelschiffe.

Ein weiterer Unterschied zur KiWo war, dass aufgrund des relativ schmalen Fahrwassers das Treiben an Land wesentlich ausgiebiger und länger beobachtet werden konnte. Das Erlebnis in Rostock war eine überraschende und positive Erfahrung, auf die weiter aufgebaut werden sollte.

Für viele Segler gehört die Hanse Sail in Rostock zu den wichtigsten Events des Jahres. Da wollten wir mit unserer Thor doch mal vorbeischauen und prüfen, ob die Sail mit unserer KiWo zu vergleichen ist. Erste Parallelen konnten schnell gezogen werden. Ganz Rostock war auf den Beinen, viele bunte Bühnen mit vielseitigem Programm, Konzerte, Rummel und Buden mit Leckereien. Und unsere Thor war mitten drin im Trubel. Donnerstagmittag kam unsere Sail-Crew an Bord und hat sich schnell organisiert, so dass die Thor am frühen Abend für die Sail hergerichtet war. Wie auch bei der KiWo standen täglich 2 Fahrten auf dem Plan. Freitag 10 Uhr, blauer Himmel, Sonnenschein, 25°C, erwartungsvolle Gäste an Bord und los ging es! Aber hoppla, ir-

gendwie wollten alle gleichzeitig los und irgendwie galt dabei das Motto: „Frechheit siegt!“ und auch „Ätsch, ich bin schneller!“. Es stellte sich schnell heraus, das Schiffe mit mehr PS und Bugstrahlruder deutlich im Vorteil waren und dies komplett ausnutzten! Somit musste die Thor sich gemächlich reindrängeln und fuhr dann endlich durch den Rostocker Hafen… Nach einer sehr ausgedehnten Hafenfahrt – über einer Stunde – waren wir in Warnemünde angekommen und konnten endlich die Segel setzen. Aber die Stimmung der Gäste an Bord war leider sehr gedrückt. Wir stellten schnell fest, dass wir eher unbekannt waren und erstmal erzählen mussten, wer wir sind, woher wir kommen und was wir so machen. Aber das Interesse und leider auch der Wind hielten sich in Grenzen. Nach kurzer Zeit traten wir wieder die Hafenfahrt an und trafen erneut auf ein chaotisches Hafenbecken. Nach einem aktionenreichen und spannenden Anlegemanöver

verabschiedeten wir unsere Gäste und bereiteten den Abendtörn vor. Nun drängelten wir uns mit der Thorschon etwas hartnäckiger durch die Menge und waren pünktlich zum Sonnenuntergang am Rostocker Leuchtturm in Warnemünde. Uns bot sich ein romantischer Sonnenuntergang vor einer wunderschönen Kulisse voller Traditionssegler. Bei der Rückfahrt ging es dann heiß her. Unbeleuchtete umherirrende Tonnen, kleine Motorboote und andere Segler, die gegen sämtliche Schifffahrtsregeln verstießen, forderten unserer Crew volle Konzentration ab. Unsere Gäste hingegen fanden es sehr unterhaltsam das Getümmel von achtern zu beobachten und machten auch keinerlei Anstalten aufs Hauptdeck zu gehen. Am Ende des Tages fanden wir uns alle zu einem Gläschen Hopfenbrause und Limettenschorle zusammen und ließen den Tag etwas Revue passieren. Samstagmorgen starteten wir mit vollem Programm für die Gäste durch. Führungen, Segel setzen, aufentern ins Rigg, Dinghi fahren für die Kids. Dadurch war die Stimmung an Bord sehr gut und die Gäste konnten uns gut kennenlernen. Am Abend erweiterten wir den Service etwas; Wein und Sekt sowie der eine oder andere Schnaps machte die Feuerwerksfahrt für die Gäste noch etwas gemütlicher. Am Ende waren alle froh, dass die Fahrt ohne großen Schaden überstanden war. Dank einer super Zusammenarbeit der Crew konnte die Thor ohne Kratzer am Sonntag dann nach Norwegen durchstarten. MANDY HÖPPNER

Jede Anstrengung wurde mit einem fantastischen Sonnenuntergang belohnt

LUISA WUNDERER

Auch Traditionssegler versuchen geräuschvoll auf sich aufmerksam zu machen...

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PLAN C: VON ROSTOCK NACH KIEL

Flaute kann auch Spaß machen!

© Ann-Cathrin Rohrweber

DASS WIR HIER NICHT DIE EINZIGEN SIND, WURDE UNS SEHR SCHNELL KLAR GEMACHT: KEINE EINFAHRT INS HAFENGELÄNDE, AUCH NICHT MAL SCHNELL ZUM ENTLADEN; WO KÄMEN WIR DENN DA HIN!

einfach so davon gestohlen. Ein etwas komisches Gefühl: Zum ersten Mal Hanse Sail und dann einfach abgehauen! – Hinterher haben wir dann gesehen, dass sich die großen Schiffe schon vor uns „vom Acker“ gemacht hatten.

Auf den allgemeinen Busparkplatz kamen wir dann hin. Und wir waren nicht allein. Hanse Sail ist wohl doch ein größeres Ereignis – und Crewwechsel hatten auch die anderen Schiffe. Also machte sich nun eine mittlere Karawane auf, um vom Busparkplatz das nicht unerhebliche Gepäck durch das Gedränge zwischen den vielen Buden bis zum Schiff zu schleppen. Dort war das Wichtigste, das Gepäck schnellstmöglich wieder los zu werden; das Hafenfest wartete mit den vielen anderen Schiffen und eben auch jenen Buden und anderen Attraktionen. Dann endlich – um 14:00 Uhr – Begrüßung durch unseren Kapitän, Joachim Bach, Einteilung in Kammern und Wachen, Sicherheitseinweisung… Und dann: Der letzte Programmpunkt der Hanse Sail und damit auch für die Thor wäre die „Parade der Nationen“; das hieß, im – ziemlich engen – Stadthafen von der Seglermarina zum „Silo 4“ – also ins hintere Eck möglichst mit gesetzten Segeln, dort wenden und dann raus Richtung Warnemünde – und das mit einer unerfahrenen Teilnehmerschaft, die erst seit ein paar Stunden an Bord gekommen war und gerade versuchte, das Schiff zu erkunden!? – Joachim: „Nix da, wir fahren raus, bevor’s jemand merkt!“ – da haben wir uns also

Draußen haben wir zum ersten Mal Segel gesetzt und wieder geborgen. Vor Ahrenshoop sind wir dann vor Anker gegangen und haben die erste Nacht „am Haken“ verbracht, die Nachtwachen zur Einweisung in die Bordroutine (Sicherheitsrunde, Ankerpeilung, „Wettermachen“ nebst der Führung der zugehörigen Bücher) genutzt. Am nächsten Morgen wollten wir die Zeit für Manövertraining und einen gehörigen Schlag nach Nordosten nutzen (zunächst der Traum, nach Kopenhagen zu fahren, dann als „Plan B“ nach Rügen, um in den Boddengewässern unsere Expi durchzuführen), also kein Run & Dip, sondern direkt zum Frühstück und dann Ankerauf. Das Manövertraining haben wir noch hingekriegt, doch dann drehte der Wind – natürlich kam er genau von dort, wo wir eigentlich hin wollten. Aber mit Dieselwind gegen den echten Wind fahren, und das am zweiten Tag, kam überhaupt nicht in Frage. Also „Plan C“ – der war allerdings noch nicht geboren. Am Abend desselbigen Tages gingen wir vor Anker vor Warnemünde (schaut mal in die Seekarte, wie weit das von Ahrenshoop entfernt liegt). Am nächsten Tag voller Elan… haben wir erst mal „Plan C“ ausgearbeitet. OK, also: Wenn uns die Rügener nicht wollen, dann eben et-

30 ERLEBNISPÄDAGOGIK

was weiter westlich vor Wismar die Insel Poel; das Gebiet hinter der Insel und die Wismarbucht haben sich als ideales ExpiGebiet empfohlen. Jetzt brauchten wir nur noch dorthin zu fahren und die Seekarten... aber da war nichts – jedenfalls nichts durchgehendes, was man als ExpiSeekarte hätte verwenden können. Einzige Chance – und das taten wir dann auch: Die Seekarte vom Kartenplotter abfotografieren und ausdrucken. Nachdem das leidlich gelungen war, konnten wir „Plan C“ in die Tat umsetzen; und da es von unserem Ankerplatz nicht besonders weit war bis Poel, hatten wir eben noch einen Tag Manövertraining. Dann aber auf dem Weg bis zu unserem Ankerplatz liefen die Expi-Vorbereitungen auf Hochtouren. Am nächsten Tag war es dann nur noch eine kurze Strecke bis an die Nordspitze von Poel, wo die vier Wachen mit ihren Schlauchbooten ausgesetzt wurden und um die erste Naturschutzinsel herumpaddeln mussten. Erst hinter Poel durften wir überhaupt an Land. Jetzt ging es darum, zunächst einen geeigneten Landeplatz zu finden für Material für den Riggbau und/oder für das erste Nachtlager. Da der Nachmittag unaufhaltsam fortschritt, waren die Prioritäten wohl nicht so ganz eindeutig und jede Gruppe suchte eigentlich irgendwie nach beidem. Auf der Insel erwartete uns allerdings ein Sumpf mit Schwaden von Stechmücken, die Garantie für erlebnisreiche Nächte. Eine Wache zog es deswegen auch gleich vor, sich weiter in Richtung Inselinneres zurückzuziehen, um auf etwas festerem Grund erst mal das Nachtlager aufzuschlagen. Eine weitere Wache paddelte gleich weiter, bis sie ein festeres Stück Ufer gefunden hatte; die dritte schlug gleich den Weg auf’s Festland ein und landete im üppigen Schilfgürtel, wo sie ebenfalls von Mücken heimgesucht wurde. Wache vier wechselte nach der Sumpferfahrung auf der Insel doch noch einmal die Seite und fand am Festland ein Stück Hochufer mit einem schmalen Schilfgürtel, wo sich zwischen Schilf und Steilwand ein sehr geschütztes Plätzchen zum Zeltaufschlagen und Übernachten aufgetan hatte. Der nächste Tag war ein Expi-Traum: Erst mal ausschlafen! – Ausnahme: die Wache im Schilfgürtel. Sie verspürten einen unbezähmbaren Drang, früh aufzubrechen und den Tag

zum Strecke-Machen zu nutzen, d. h. eigentlich der Mückenplage zu entrinnen. Für die anderen Wachen ging’s etwas gemütlicher an: Frühstück, dann RiggbauFinish und Aufbruch; der Wind meinte es extrem gut mit uns – wenigstens bis zur Südspitze von Poel. Dann mussten wir nämlich zuerst unterhalb von Poel queren, um die Wismarbucht zu überqueren und nicht tiefer hineingetrieben zu werden – was nicht jeder Wache gelang. Wer’s rechtzeitig merkte und sich paddelnd einen entsprechenden Kurs vorhalten konnte, wurde mit einem Badenachmittag am Sandstrand von Hohen Wieschendorf Huk belohnt. Das nächste Nachtlager unter der Steilküste war nicht so gut windgeschützt und man war gut beraten, das Zelt sturmfest zu bauen. Eine Wache allerdings zog sich gleich hinter das Wäldchen auf den Golfplatz zurück, wo sie etwas geschützter nächtigen konnte. Nachdem man sich mit dem wilden Leben der Expi doch recht angefreundet hatte, hatten wir es nicht gar so eilig, wieder auf die Thor zurückzukehren. Aber wenn schon, dann mit Stolz geblähtem Expi-Segel und einem astreinen Anlegemanöver an die Thor. Nun kam der unschönste Teil der Expi: Aufräumen, ausspülen, entsanden, trocknen und alles wieder seefest stauen und laschen, denn der Wetterbericht hatte uns eine unruhige Nachtfahrt angekündigt.

Und so kam es auch: Nachdem wir zunächst noch mit halbem Wind ordentlich segeln konnten, drehte er – natürlich auf Nord, wo wir hin mussten – und frischte ordentlich auf. Nach einer ersten euphorischen Begrüßung der Wellen – solange wir noch segeln konnten – wurde es bald verdächtig still im Schiff, Zwieback und Tee wurden verteilt, zum Abendessen erschienen nicht mehr alle und auch die Wachen waren nicht mehr vollzählig angetreten. Um 2 Uhr nachts war es endlich soweit: Wir waren rund um Fehmarn und konnten auf westliche Kurse gehen und wieder unter Segel fahren. Bis zum Morgen hatte sich dann auch die Situation für die meisten Mägen wieder entspannt; das Frühstück schmeckte schon wieder und wir waren bereits im Großen Belt zügig unterwegs. Die Große Beltbrücke kam in Sicht und wurde immer größer. Diesmal aber fuhren wir nicht durch, sondern bogen in den Langelandsbelt ein, durch den Svendborgsund unter Segeln und gingen dann bis vor AErö vor Anker. Was nun kam, weiß jeder, der Joachim kennt, schon im Voraus: Mörkedyb nach Marstal – ein absolutes „Muss“. Der Anleger in Marstal: Ein echter „Joachim“ – Dreiteiler von den anliegenden Jachties kommentiert: Zuerst Spott: „Das kriegt der nie hin!“ – dann Panik, dass wir ihnen ihre „Joghurtbecher“ zerdrücken und schließ-

lich Bewunderung – eine Augenweide für jeden Seemann mit anschließendem Grillfest und Bordmusik – wer uns kennt, weiß Bescheid. Der letzte Teil der Reise: Schiffsübergabe bis Kiel Leuchtturm, dann Bordmesse und Captain’s Dinner mit Expi-Bericht und schließlich Einlaufen in Kiel – aber nicht ganz so, wie wir es uns vorgestellt hatten. Selbst nicht, wie Joachim es sich vorgestellt hatte, denn es gab wieder mal Wind – viel Wind und zwar genau von Osten – und drückte unsere Thor ganz fest an die Pier, so fest, dass nicht einmal Joachim mehr einen Trick drauf hatte. Wir brauchten zum ersten Mal Schlepperhilfe; der kam mit reichlich Verspätung, aber schließlich waren wir frei. Joachims Fazit: „Da hat er uns mal wieder unsere Grenzen aufgezeigt, dass eben doch nicht alles geht.“ Aber dann ging das, was wir schon nicht mehr geglaubt hatten: unsere Wahlmannschaft hatte uns alle mit viel Elan und Entschlossenheit durch die recht bewegte See zurück nach Kiel gebracht – die Schiffsübergabe war ein voller Erfolg! Allerdings war damit auch unsere Reise mit unserer traditionellen Bordmesse, Captain’s Dinner und Expi-Bericht schon fast zu Ende gebracht. Wie üblich fiel der Abschied nach einer so erlebnisreichen Reise doch recht schwer.

KINDERTAG DES VEREINS “TRAUERNDE KINDER SCHLESWIGHOLSTEIN E.V.”

Einen wunderschönen Ausflug bot der Verein Segelschiff Thor Heyerdahl e.V. den Kindern, Jugendlichen und Familien unseres Vereins mit einer Fahrt auf der Förde mit der Thor Heyerdahl am 20.

September 2015. Mit auf die Fahrt nahm jeder sein Päckchen Trauer, verwandelt wurde ein kleiner Teil davon für diesen Tag – so berichtet eine Mutter – durch guttuende

Gespräche, Möwengeschrei, Wind und Wellen. Die Kinder genossen das große Schiff, die vielen spannenden Aufgaben wie Segel setzen, ins Rigg klettern, das Ruder übernehmen oder die Thor Heyerdahl mit dem Schlauchboot umkreisen. Sogar bekocht wurden die Reisenden! Zum Schluss gab es die Möglichkeit, Sorgen und Wünsche in einer Flaschenpost dem Meer zu übergeben. Vielen Dank für diese wunderschöne Möglichkeit an den Verein Thor Heyerdahl! Beitrag auf der Website des Vereins “Trauernde Kinder SchleswigHolstein e.V.” 31

SUMMERSCHOOL SCIENCE 2015

ALUMNIKUS E.V.

„DAS FLÜSTERN DES WINDES, DAS RAUSCHEN DER SEE“: KIELSCHILKSEE – HØRUPHAV – GENNER BUCHT – HELNAES- ÆRØ NORD – FAABORG – ÆRØ SÜDSPITZE – LANGELAND SÜDSPITZE – BAGENKOP – KIEL Da lag sie, ruhig, als würde sie schlafen. In dem Moment, als wir sie sahen, konnten wir es nicht mehr erwarten, die Worte zu hören: „Willkommen auf der Thor Heyerdahl“ – denn damit begann unsere Reise. Spannend, voller Erfahrung und einfach viel zu kurz. Gerade erst an Bord gegangen und doch gefühlt schon zwei Monate da. Wir legten in den elf Tagen 203 Seemeilen zurück – größtenteils unter Segel, wobei das Wetter auch mitspielte: fast jeden Tag Sonnenschein und der Wind glücklicherweise immer aus der richtigen Richtung. Tag für Tag lernten wir das Schiff und die Mannschaft besser kennen. Wir wurden sofort überall eingebunden und konnten so den Alltag auf der Thor Heyerdahl kennen (und lieben) lernen. Sogar Nachtwachen durften wir gehen, was ganz schön spannend war. Ein besonderer Höhepunkt war das Besteigen des Riggs, denn von dort hat man einen tollen Ausblick und es war etwas Neues und Außergewöhnliches, die Segel zu packen. Jeden Tag hatten wir eine Stunde Unterricht in einem von uns gewählten naturwissenschaftlichen Fach und haben in unseren Projekten ein Themengebiet erforscht, wobei für jeden etwas passendes dabei war – vom Projekt „Navigation“ bis zu „Segelphysik“ gab es viele verschiedene, interessante Themen. Natürlich erarbeiteten wir letztere nicht nur zum Spaß, denn am Ende der Reise hat jede Projektgruppe einen Vortrag über die erarbeiteten Themen gehalten. Nachdem wir einige Tage auf dem Schiff verbracht, unsere Wachen besser kennengelernt und einige Vorträge von Detlef über den Bau der Thor und seine Expeditionen mit Thor Heyerdahl gehört hatten, waren wir an der Reihe: Wir mussten allerhand Vorbereitungen für unsere zweitägige Expedition mit dem Schlauchboot treffen. Wirklich viel Zeit hatten wir nicht. Schnell musste eine Packliste geschrieben werden, denn wir konnten nur 32 ERLEBNISPÄDAGOGIK

die wichtigsten Dinge mit an Bord nehmen, schließlich ist auf einem „Dinghi“ nicht besonders viel Platz. Was wohl am wichtigsten war, war die Liste für unsere Proviantmeisterin, denn wir wollten alle nicht verhungern! Danach noch schnell die gesamte Ausrüstung gecheckt und los ging es! Zwei Wachen mussten direkt von Bord an Land paddeln und die anderen zwei hatten das Glück, von der Thor verschleppt zu werden. Nachdem sich zwei Schlauchboote voll beladen an das Schiff gehängt hatten und noch ein Stück gezogen wurden, war auch für die restlichen zwei Wachen die Zeit gekommen, an Land zu paddeln – auch die schönste Reise ist irgendwann zu Ende. Wieder festen Boden unter den Füßen, bestand die Aufgabe darin, uns mit dem zuvor gesammelten Holz ein Rigg mit Masten zu bauen, damit wir die Seemeilen unter „Vollzeug“ zurücklegen konnten. Am nächsten Morgen ging es los und dann wurde unser Rigg auf die Probe gestellt, wobei alle Zweifel, ob wir überhaupt lebend auf der Insel Ærø ankommen würden, wie „vom Winde verweht waren“, da wir ziemlich viel Spaß hatten und die Stimmung allgemein gut war. Außerdem waren wir die Attraktion schlechthin für alle passierenden Boote. Zugegebenermaßen: Wir mussten schon ziemlich skurril ausgesehen haben mit unserem selbstgebauten Rigg samt Segel und unseren zahlreichen, blauen Müllsäcken, in welchen unsere Rucksäcke verstaut gewesen waren, damit nichts nass wurde. Noch an demselben Nachmittag kamen wir an unserem Ziel an und waren sehr stolz, dass wir es alle mit vereinten Kräften geschafft hatten, eine Distanz von ca. 7 Seemeilen zurückzulegen. Nachdem wir den wunderschönen Sternenhimmel noch eine Nacht bewundern

konnten, paddelten wir am nächsten Morgen zurück zum Schiff und waren heilfroh, alle anderen wieder zu sehen. Was aber alles übertroffen hat, war das Mittagessen, das der Stamm für uns vorbereitete, denn das war allererste Sahne. Wobei man allgemein sagen muss, dass das Essen an Bord wirklich sehr lecker war – jeder war begeistert und da musste man sich nicht mehr wundern, dass wir an einem Abend alle Mann neun Kilogramm Tortellini aßen. Noch am selben Tag war Landgang in Faaborg, aber davor musste natürlich alles hafenfein verstaut und gepackt sein. Nachdem wir noch einen Vormittag mehr an Land verbrachten, hieß es wieder „Leinen los“ und wir machten uns auf den Rückweg, wobei wir allmählich merkten, dass sich unsere Reise dem Ende zuneigte… Was wir alle sehr bedauerten, denn wir fühlten uns alle sehr wohl auf dem Schiff und auch in der sehr kurzen Zeit entwickelte sich das Schiff schon für die meisten zum zweiten Zuhause. Außerdem war das Gefühl der Freiheit einfach unglaublich, wenn man nur noch Meer am Horizont sah. Spätestens als wir das Segelsetzen selber anleiten durften, merkten wir, wieviel wir in der Zeit an Bord schon gelernt hatten. Ein schöner und genussvoller Abschluss bot uns das „Captain´s Dinner“ am letzten Abend, bei dem es ein besonderes Menü und kulturelle Beiträge gab. Nun endete unsere Reise auf der Thor Heyerdahl und wir mussten uns voneinander verabschieden. Wir waren nicht die einzigen, die sich versprachen sich an Bord wiederzusehen, denn „das Flüstern des Windes, das Rauschen der See schenken einem das Glück, einfach zu existieren“ (unbekannt). LEA FELGENTREU & ISABEL WALTER

WER IST ALUMNIKUS E.V.? Der 2013 gegründete Verein setzt sich aus den Gründungsmitgliedern, ehemaligen KUS-Teilnehmern, deren Familien und KUS-Betreuern zusammen. AlumniKUS e.V. hat sich zum Ziel gesetzt, allen potenziellen Teilnehmern des KUS-Projekts die Reise zu ermöglichen. Doch auch für die Vernetzung aller KUS-Generationen und das In-die-Welt-tragen der KUS-Idee setzen sich die 196 Mitglieder ein. Hierfür können alle Interessierten, die die Idee des Vereins fördern und unterstützen möchten, Mitglied werden. Alle arbeiten eng zusammen an den gemeinsamen oben genannten Zielen. Um den Bezug zu den KUS-Teilnehmern zu erhalten, ist im Vorstand des AlumniKUS e.V. auch immer ein Vertreter der KUS-Teilnehmer des laufenden Jahrgangs.

ZIEL 1: ERMÖGLICHUNG DER TEILNAHME AN KUS FÜR SCHÜLER/INNEN „Eine tolle Chance… aber leider ist das für unsere Familie nicht bezahlbar“ – ein Satz, der mich beim Schwärmen und Träumen von der möglichen Reise ganz schnell zurück in die Realität zerrte. Immer wieder dieser Satz, der einen dicken roten Strich durch die Rechnung zog. Eine „Rechnung“, die für viele Familien wie unsere schlicht und ergreifend zu viele Ziffern hatte. Doch da war etwas. Ein kleiner Hoffnungsschimmer, der innerhalb kurzer Zeit immer größer und größer wurde: Der Hoffnungsschimmer namens AlumniKUS e.V. Ganz nach dem Motto „Wer es nicht versucht, hat schon verloren“ bewarb ich mich neben KUS auch für ein Stipendium. Und erhielt neben der Zusage von KUS auch die Zusage für das Stipendium, sodass die eine oder andere Ziffer auf der großen Rechnung verblasste und ich tatsächlich die Chance hatte an der großen Reise teilzunehmen. (Aussage und Gedanken einer KUS-Teilnehmerin, welche namentlich nicht genannt werden möchte.) ZIEL 2: VERNETZUNG ALLER INTERESSIERTEN & EHEMALIGEN VON KUS Das zweite große Ziel von AlumniKUS ist der Erfahrungsaustausch aller Mitglieder, um die auf der Reise vermittelten Lerninhalte weiterzutragen. Neben dem Austausch soll dieses Netzwerk dazu dienen, Kontakte zu Personen und Firmen herzustellen, die bereit sind, das Projekt aktiv bzw. finanziell zu unterstützen, um bei-

spielsweise günstiges Ölzeug zu erhalten. ZIEL 3: VERBREITUNG DER PROJEKTIDEE AlumniKUS hat sich zum Ziel gesetzt, die Projektidee von KUS auf sehr vielfältige Art und Weise zu unterstützen und zu fördern. Außerdem soll die Idee des außerschulischen Lernens verbreitet werden. Durch Vorträge über Bildung, Erziehung sowie Lehrerfortbildungen gelangt die Idee des Projektes an die breite Öffentlichkeit.

UND WAS HAT ALUMNIKUS MIT DER THOR HEYERDAHL ZU TUN? Ganz einfach. Die Thor Heyerdahl ist 190 Tage im Jahr das Zuhause und Klassenzimmer von 34 Jugendlichen und 15 Erwachsenen. „Klassenzimmer unter Segeln“ und AlumniKUS sind aufeinander angewiesen und haben eine enge Verknüpfung, da beide Institutionen allen geeigneten Jugendlichen die Reise ermöglichen wollen. Dieses Ziel wird durch eine enge Zusammenarbeit erreicht. So konnten im KUSJahrgang 2015/16 vier Schülerinnen und Schülern durch ein Stipendium die Reise ermöglicht werden. Während die Thor HeyerdahlgGmbH und der Thor Heyerdahl e.V. sich um die Belange an Bord kümmern, z.B. Reisendurchführung und Ausbildung der Stammbesatzung, möchte der AlumniKUS e.V. Veranstaltungen und Treffen anbieten, die fernab von Bord stattfinden. Weitere Informationen gibt es unter: www.alumnikus.de

DR. RUTH MERK 33

2. WACHFÜHRERLEHRGANG AUF DER MELPOMENE ANKUNFT DER BESATZUNG UND SOFORTIGER START INS GESCHEHEN: Die erste Gruppe plante die Route zu unserem Zielhafen und übernahm die Schiffsführung, während die zweite Gruppe die Verpflegung für die nächsten Tage besorgte und nach dem Ablegen für die Segel verantwortlich war.

Wachführer lernen nie aus...

WACHFÜHRERFORTBILDUNG: VON DEN GEFAHREN EINES WOCHENENDTRIPS AUF DER ELBE DIESES WOCHENENDE SOLLTE UNS ALLEN IN MEHRERLEI HINSICHT NOCH LANGE IN ERINNERUNG BLEIBEN. Wir wagen zu behaupten, dass wir so viel für‘s Leben und für unsere Funktion als (werdende) Wachführer mitgenommen haben, wie es ein Theorieunterricht nie geschafft hätte. Am eigenen Leib konnten wir erfahren, wie es ist, im Kommando eines Segelschiffes zu sein, Entscheidungen zu fällen und für diese dann auch gerade zu stehen. Jeder war über einen bestimmten Reiseabschnitt für das Schiff verantwortlich, während unsere Ausbilder neben uns standen, das Ganze überwachten und hilfreiche Tipps gaben. Dafür, und dass wir heil zurückgekommen sind, möchten wir Axel und Kolja, unseren Ausbildern danken! Wir sind Johannes, Svenja, Sven, Max, Charlotte und Jenny und haben zusammen ein Wochenende auf dem zweimastigen Plattbodensegler Melpomene verbracht. Es war der erste Versuch, die Ausbildung der Thor Heyerdahl auszuweiten und Stammmitglieder seglerisch-praktisch fortzubilden, wenn unsere geliebte Thor gerade nicht 34 AUSBILDUNG

zur Hand ist. Wir möchten schon einmal so viel vorweg sagen: Es hat sich definitiv gelohnt und sollte weiter geführt werden! So trafen wir an einem sonnigen Freitagnachmittag in Finkenwerder an Bord der Melpomene ein und zumindest diejenigen, die das Schiff noch nicht kannten, gingen sofort auf eine Erkundungstour. Der Plan sah vor, das Schiff zu verproviantieren, den ersten Reiseabschnitt zu planen und schließlich auszuparken. Das klingt definitiv leichter als es war. Als diese erste Herausforderung gemeistert war und wir Frischwasser getankt hatten, sind wir die Elbe flussabwärts gesegelt – in den Sonnenuntergang hinein. So verbrachten wir einen ersten schönen gemeinsamen Abend unter Segeln. Der Samstagvormittag war durch einen Mangel an Wind bestimmt, was sich allerdings im Laufe des Tages noch ändern sollte. Für den Nachmittag war starker Wind vorhergesagt. Aus diesem Grund begannen wir nach dem Mittagessen, Segel zu reffen und uns Ölzeug anzuziehen. Wir wollten für den aufziehenden Sturm gut vorbereitet sein. Leider kam es dann doch anders als gedacht. Als der Wind auffrischte, verließen wir unsere geschützte

Bucht und segelten los. Plötzlich wurde der Regen so kräftig, dass unsere Sicht sehr stark eingeschränkt war. Da ertönte plötzlich von hinten ein lautes Typhon, wir drehten uns um und sahen ein großes blaues Containerschiff hinter uns. Sofort übernahm Kolja das Ruder und Axel startete die Maschine, sodass wir der Gefahr recht schnell entkommen konnten. Danach saß uns der Schock erstmal in den Gliedern, und als der Regen nachließ, segelten wir in einen kleinen Hafen. Wir haben anschließend die Situation und das, was wir daraus gelernt haben, mit unseren Ausbildern besprochen. Der restliche Tag verlief ruhig und wir segelten wieder ein Stück flussaufwärts. Am Abend lagen wir zwischen ein paar Elbinseln vor Anker, haben den Tag mit einem schönen Abendessen und dem Austausch von Thor-Erlebnissen gemeinsam ausklingen lassen. Der nächste Tag führte uns zurück nach Finkenwerder, da die Fortbildung sich ihrem Ende neigte. Für uns war es auf jeden Fall ein lehrreicher Törn, den wir so schnell nicht vergessen werden! JENNY WIEDEMANN & CHARLOTTE HAMMER

Zur Halbzeit des Törns wechselten die Gruppen ihre Positionen; jeder sollte in den Genuss kommen, als Schiffsführer aufblühen und seine Fertigkeiten, Ideen und Beobachtungen in die Praxis umsetzten und begreifen können. Jeder sollte diese Aufgaben durchleben, damit jedem bewusst würde, wie sich die einzelnen Rollen in der „Realität“ anfühlen.

Verantwortungsbewusster Schiffsjunge im Ausguck und auch als Rudergänger

Wir wurden begleitet von einem freundlichen, geduldigen, zufriedenen, hilfsbereiten, kommunikativen, wissbegierigen Schiffsjungen (8 Jahre alt), der sich auf der Melpomene erstaunlicherweise hervorragend auskannte. Ich habe mir ein paar Dinge erklären lassen: „Warum wird das Wasser so verdrängt?“ So kamen wir ins Gespräch auf dem Achterdeck und schauten ins Wasser. Wir erklärten uns die Welt, wie beispielsweise die Ruderanlage über die Zahnräder, die Gestänge und wieder Zahnräder zum Ruderblatt führte. Ich entdeckte die Melpomene aus einem neuen Blickwinkel, als mir vieles von dem freundlichen Schiffsjungen erzählt wurde. Als ich am Bug über den Anker stolperte, kam prompt die Erklärung. „Der Anker wird immer reingeholt, sonst verschrammt er uns das Schiff. Mit dem haben wir viel mehr Halt im Schlick, den anderen bekommt man nicht alleine rein. Die Ankerkette ist 40m lang. Damit wir nicht ins Fahrwasser gelangen, gibt es eine Blockierung.“

Positionsverbesserung bringt die Melpomene in Fahrt

Wir beobachteten eine Möwe, die gegen die Strömung „paddelte“. So verbrachten wir die Tage auf der Melpomene, lernten interessante Details kennen und hinterfragten physikalische, naturwissenschaftliche Ereignisse mit den Augen eines Achtjährigen. Saskia Ulrich

Oh, oh, ooh... auch Wachführer machen noch Fehler... 35

WERFTZEIT MIT VERLÄNGERUNG EIGENTLICH SOLLTE ES EINE RUHIGE WERFTZEIT WERDEN. ZWAR GAB ES WIE IMMER EINIGES ZU TUN, ABER ES WAR NICHTS AUSSERGEWÖHNLICHES DARUNTER. Den Stb. Fäkalientank hatten wir bereits vor zwei Jahren erfolgreich saniert. Dieselbe Aktion beim Bb. Tank durchzuführen konnte daher schon fast als „Routine“ angesehen werden. Ebenfalls wollten wir viele Wartungs- und Kontrollaufgaben durchführen. In der Navi stand der Austausch der eingesetzten Rechner für elektronische Seekarte und Satellitenkommunikation sowie die weitere Vernetzung der Geräte an. Größere Defekte an den technischen Anlagen des Schiffes waren nicht vorhanden. Die Breitfockrah sollte zur Kontrolle des Beschlags herunter und die Hauptmaschine hatte nach den entsprechenden Handbuchvorschriften bzw. gelaufenen Stunden eine Kontrolle bzw. Wartung verdient. Außerdem mussten die Bremsbeläge am Ankerspill getauscht werden. Alles war gut vorbereitet, die Abläufe für das Freilegen der Tanks, Spülung und Reinigung, Verholen zu HDW und Ausbau und Kran waren genau terminiert. Die Bramrah wurde ebenfalls über’s Wochenende soweit vorbereitet, dass wir Tank und Rah direkt nacheinander heraus- bzw. herabkranen konnten. Alles ging seinen gewohnten Gang; es wurde gestrichen und geflext, geputzt und gebohrt, der Tank bei HDW gesandstrahlt und aufgearbeitet. Die Ankerwinde wurde zerlegt. Nun ja, mit „Tauschen der Bremsbeläge“ war’s dann doch nicht getan – die alten Bremsbänder inkl. Stahl und Halterungen waren nicht mehr zu retten: viel Rost und zu wenig Stahl. Solcherlei Kleinigkeiten bringen einen „werfterfahrenen“ Thor Heyerdahler aber 36 TECHNIK

kaum aus der Ruhe. Bei der Wartung der Hauptmaschine wurde dann (in Anwesenheit zahlreicher Experten) ein Kolben für eine Kontrolle gezogen und ab diesem Moment wurde aus der „normalen“ eine „außergewöhnliche“ Werftzeit; Kolben, Laufbuchsen und Ringe sahen für die gelaufenen Stunden zwar sehr gut aus (von der Verkokung durch Überschmierung einmal abgesehen), das Pleuellager hingegen war in einem ziemlich schlimmen Zustand. Recht ungläubig wurde daraufhin ein zweites Pleuellager und ein Hauptlager geöffnet – mit katastrophalem Befund. Es war allen Beteiligten schnell klar: Das kann so nicht bleiben. Die Oberflächen waren stark riefig, hier war jede Menge Schmutz bzw. Metall durch die Lagerflächen gedrückt worden.
 Krisensitzung. Was essen. Krisensitzung Nr. 2. Telefonieren. Ersatzteilbeschaffung für einen Schiffsmotor der 1950er Jahre? Kein leichtes Unterfangen, wie wir feststellen mussten. Parallel dazu wurde die restliche Maschine zerlegt: Alle Kolben, alle Pleuel und im ersten Schritt 5 von 8 Hauptlagern

ausgebaut (3 Stück müssen im Motor verbleiben, damit die Kurbelwelle weiterhin sicher gehalten wird). „Na, wenn wir schon alles zerlegt haben, ...“ dann die Zeit nutzen! So wurden alle 6 Zylinderköpfe zur Überarbeitung zur Kieler Firma Wulff-Johansen verholt. Nachdem die Kurbelwelle komplett vermessen war, konnten wir – zusammen mit den Experten – aufatmen. Der Zustand wurde als ausreichend befunden, um nur mittels Polieren sowie dem Anfertigen neuer Lagerschalen erstmal weiterfahren zu können. Also haben wir mit jeweils 4-6 Personen und einer entsprechenden Maschine (vielen Dank an Wulf-Johansen für’s Leihen) sowie einem ausgefuchsten System alle Haupt und Pleuellager poliert. Es herrschte professionelle, angespannte Atmosphäre im Schichtbetrieb! Auch das Herstellen oder Überarbeiten der Lager konnte nach viel Telefoniererei endlich in Auftrag gegeben werden. Es waren dafür einige Transporte durch halb Deutschland erforderlich, die teilweise, um rechtzeitig um 8 Uhr da zu sein, nachts um 4 Uhr ab Kiel begannen (vielen Dank an der Stelle auch nochmal an

die Fahrer und Fahrerinnen!). Parallel dazu wurden – auch wieder in Nachtschichten, teilweise mit Schülerbeteiligung – alle Teile für den Wiedereinbau zerlegt, geprüft, gereinigt und sortiert. Eine unglaublich umfangreiche Arbeit mit hunderten Schrauben, Muttern, Gewinden, Metallteilen und Leitungen. Außerdem wurde der Originalölfilter auf einen Papierölfilter umgerüstet, um Fehlbedienung in diesem sensiblen Bereich für die Zukunft ausschließen zu können. Dazu mussten einige Rohrleitungen angepasst werden. Willi sah man nur noch mit Rohren unter dem Arm über die Werft flitzen. Heinz, ein ehemaliger Deutz-Monteur im Ruhestand, der uns dankenswerterweise unterstützte, nahm sich parallel dazu die Einspritzpumpe vor, an der auch einige Teile, die einen zu hohen Verschleiß aufwiesen, ersetzt wurden. Auch der Drehzahlregler wurde überholt. Trotz der hohen Arbeitslast und wenig Schlaf war die Stimmung im Maschinenraum größtenteils „heiter“ bis „plemplem“ – alle zogen an einem Strang! In nur 5 Tagen wurde die gesamte Maschine vom Grundlager bis zur Dieselleckölleitung wieder komplettiert und nach Vorschrift über langsame Drehzahlsteigerungen eingefahren. Die Arbeiten waren oft „just in time“ mit den ankommenden Ersatzteilen. Alle Teile, die nicht in Ordnung waren, wurden ausgetauscht. Dazu gibt es auch ein Video unter http:// content.munex.de/thor/video/ zu sehen. Nachdem auch Ankerwinde und Fäkalientank wieder angeschlossen waren, konnte die Thor nach der ausgiebigen Testfahrt mit 10 Tagen Verspätung die KUS-Reise antreten. Ende gut, alles gut? Naja – einige technischen Baustellen (u. a. Navi) mussten mal wieder zurückstecken. Es wurden unvor-

hergesehene Ausgaben im mittleren fünfstelligem Bereich durch die erforderlichen Ersatzteile generiert. Die Mitglieder des Thor Heyerdahl e.V. haben ehrenamtlich insgesamt 1.800 Mannstunden allein in die Überholung der Hauptmaschine investiert. Die Thor Heyerdahl segelt seit der Neuindienststellung 2009 mit neuem Rumpf sowie dem erst kürzlich getauschten Ruder im Vergleich zu früher ziemlich gut! Es wäre daher schön, wenn wir alle dieses Potenzial besser nutzen würden, um die Maschinenstunden weiter zu reduzieren! Segeln ist sowieso viel schöner! Maschinenfahrt ist nicht nur wegen der Dieselkosten (20-60l / Std. je nach Drehzahl), sondern eben auch aufgrund der Wartung und Instandhaltung sehr, sehr teuer. Änderungen und Ausblick Um die Bedienung zu erleichtern, haben

wir das Ölfiltersystem der Maschine von auswaschbaren Filtern auf Papierfilterpatronen umgebaut. Für eine bessere Schmierung beim Starten der Hauptmaschine wurde zusätzlich eine elektrische Vorschmierpumpe eingebaut. Diese kann ebenfalls bei Manöverfahrt (Maschine Stop, Umsteuern, warten, Maschine Start) zugeschaltet werden, um den Öldruck permanent aufrecht zu halten. Alle Arbeiten an der Hauptmaschine, die den Ölkreislauf nach Filter betreffen sowie den Filterwechsel, müssen im 4-Augenprinzip durchgeführt und dokumentiert werden. Das Handbuch sagt dazu: „Peinliche Sauberhaltung aller Teile des Motors, insbesondere der Kraftstoffbehälter, Schmierölfilter, Leitungen, Pumpen, Ventile und Auspuffsammelrohre ist die Voraussetzung für ein einwandfreies Arbeiten des Motors.“ Um bei Problemen in Zukunft besser gerüstet zu sein, haben wir nach der Werftzeit einen Ersatzmotor als Teilespender gesucht und gefunden. Der Motor wurde von der gGmbH mit Hilfe von Spendengeldern erworben und ist inzwischen von den Niederlanden nach Kiel verholt worden (vielen Dank an die Firma Krug in Kiel!). Eine Revision des Kurbeltriebes der Hauptmaschine wird in naher Zukunft nötig sein. Wir haben jetzt die Möglichkeit, dies in aller Ruhe mit Ersatzteilen aus dem erworbenen Motor vorzubereiten. Hierzu werden weitere Spenden nötig sein, Informationen und Unterlagen dazu sind über das Büro zu bekommen. Vielen Dank an: Heinz, Willi, Jens, Helmut, Franzi, Daniel, Joachim, Johannes, Steffi, Caro, Laura, Bernd, Michael und an alle, die wir vergessen haben! MARIO BREGULLA

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BENUTZUNG DER NEUEN SICHERHEITSGURTE

SICHERHEITSEINRICHTUNGEN AN BORD DER THOR HEYERDAHL

DAS GURTSYSTEM UND DIE SICHERHEITSEINRICHTUNG IM RIGG HABEN DIE AUFGABE, IM NOTFALL LEBEN ZU RETTEN.

AN BORD DER THOR HEYERDAHL BEFINDEN SICH VIELE WICHTIGE AUSRÜSTUNGSGEGENSTÄNDE FÜR UNSERE SICHERHEIT. ZWEI DAVON WERDEN IM FOLGENDEN VORGESTELLT.

Sie bedürfen eines sorgfältigen Umgangs sowie regelmäßiger Pflege und Wartung. Jede(r) BenutzerIn ist rechtlich dazu verpflichtet, vor, während und nach der Benutzung das Gurtsystem zu prüfen. Folgende Punkte sind dabei wichtig: 1. Ist der Gurt vollständig ausgerüstet? 1x Bandschlinge mit Karabiner + 1x Bandfalldämpfer mit 2 Karabinern 2. Sind Beschädigungen am Gurtband (mechanische Beschädigungen oder Farbe, Teer usw.) und Beschädigungen an Schnallen und Anschlagösen zu finden? 3. Sind die Karabiner funktionsfähig (schließen sie leichtgängig und vollständig)? Nicht einsatzfähige

GEBRAUCHSANWEISUNG >> SICHERHEITSGURTE SIND NICHT FÜR SCHIFFS-/WERFTARBEITEN
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