Editorial von Benji Wiebe Auf ein Wort von Heiko Prasse

March 26, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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DIE BRÜCKE

TÄUFERISCH-MENNONITISCHE GEMEINDEZEITSCHRIFT · NR. 6/2010

November / Dezember Jahrgang 2010 5 Euro

Als Gemeinde weiterkommen

2 inhalt

Umschau

Thema 4 Gemeinsam auf dem Weg sein

22 Gemeinsam alt

5 Gemeindeleben wie im Bilderbuch?

24 Neues von der Weltkonferenz

8 Sieben Gründe, warum Gemeinden schrumpfen

25 Ein stiller Blick nach vorne

11 Neues Gemeindezentrum für Sembach

28 Simbabwe – Wohin geht die Reise?

12 Wachstumspotenziale erkennen und fördern

29 Einander den Frieden erklären 31 Geschwister in Rumänien

14 Weiterkommen oder aufhören

32 Frieden für das Zelt der Völker?

16 Ein offenes Haus in Landau

26 60 Jahre Bienenberg

36 Zum Friedenszeugnis stehen

18 Startrainer gesucht

Rubriken

19 Wir bleiben am Ball

3 Auf ein Wort 21 Lyrik DIE BRÜCKE 1/2011 erscheint Anfang Januar 2011, mit dem Thema „Paulus“ Redaktionsschluss ist der 06.12.2010 DIE BRÜCKE 2/2011 erscheint Anfang März 2011, mit dem Thema „Sind Mennoniten unpolitisch?“ Redaktionsschluss ist der 01.02.2011

DIE BRÜCKE

TÄU F E R I S C H - M E N N O N I T I S C H E G E M E I N D E Z E I T S C H R I F T

Gegründet 1986 1974 bis 1985 »Mennonitische Blätter« und »Gemeinde Unterwegs« bis 1973 »Der Mennonit«

Herausgeberin: Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland K.d.ö.R. (AMG) Vorsitzender: Frieder Boller Bienenberg 86, CH-4410 Liestal Tel.: 0041 (0) 61 9067825 [email protected] Internet: www.mennoniten.de/bruecke.html © AMG 2010, Nachdruck nur mit vorheriger Genehmigung der Redaktion

DIE BRÜCKE

6 / 2010

Redaktion: Benji Wiebe Kastanienweg 19, 76297 Stutensee Tel. 07249 / 516344 -0 Fax -9 [email protected] BRÜCKE-Team: J. Jakob Fehr, Volker Haury, Heiko Prasse, Karen Rothenbusch, Wilfried Scheuvens, Oskar Wedel Korrektorat: Elke Foth, Hamburg Redaktions- und Anzeigenschluss der nächsten Ausgabe: 06.12.2010 Erscheint Anfang Januar 2011 Die Redaktion behält sich vor, Beiträge zu redigieren und gegebenenfalls zu kürzen. Lyrik-Seite: Oskar Wedel Neue Straße 14, 31559 Hohnhorst Fax: 0 5723 / 8 28 58 Chronik: Irmtraud Neufeld Weichselgasse 10, 32339 Espelkamp [email protected]

34 Rezensionen 38 Personen 42 Termine 47 Leserecho 48 Friedensfoto

Anzeigen: Florian Unger Frankenwaldstraße 11, 81549 München Tel. 089/ 12 50 66 23 + 01 74 / 2063463 [email protected] Layout: Benji Wiebe, Stutensee www.mennox.de

Abonnement: DIE BRÜCKE erscheint sechs Mal jährlich und kostet im Abonnement € 28,– (Förderabo € 39,–; ermäßigtes Abo € 15,–) einschließlich Versandkosten und 7% Mehrwert­steuer. Das Abonnement verlängert sich automatisch um je ein weiteres Kalenderjahr, wenn es nicht bis zum Ende des Jahres gekündigt wird.

Druck: Art + Image GmbH Dresdener Str. 4 32423 Minden

Bei Zahlung per Dauerauftrag und Rechnung bitte die neuen Preise beachten!

Vertrieb & Leserservice: Regina Ruge Wollgrasweg 3d, 22417 Hamburg Telefon/Fax 0 40 / 5 20 53 25 [email protected] Titelbild & Seite 3: © clipdealer.com - Ludger

Einzelpreis: € 5 Einzahlungen und Spenden an: Postbank Hamburg Konto Nr. 541 622-209, BLZ 200 100 20 IBAN: DE60 200 100 20 0541 622 209 BIC: PBNKDEFF

Nur ausdrücklich als solche gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung von Herausgeberin oder Redaktion wieder. Ansonsten sind die AutorInnen der Artikel bzw. die AuftraggeberInnen der Anzeigen für ihre Inhalte verantwortlich.

editorial | auf ein wort 3

Liebe Leserinnen und Leser,

C

hristen sind Menschen, die auf dem Weg sind, das lesen wir schon in der Apostelgeschichte, wo von den „Anhängern des neuen Weges“ die Rede ist. Jesus bezeichnet sich selbst als der Weg. Gemeinde ist eine Gemeinschaft von unterschiedlichen Menschen, die miteinander unterwegs sind. Als Mennoniten sehen wir uns in der Tradition der Täuferbewegung. Da steckt jede Menge Dynamik drin, solange die Bewegung auf das Ziel hin das Bestimmende bleibt – und nicht nur die Herkunft. Näher betrachtet gibt es aber auch Momente, wo man sich eher gegenseitig auf die Füße tritt, sich am vorwärtskommen hindert oder gar ganz stehen bleibt, statt weiterzukommen. Wer sich nicht bewegt, kann auch nichts bewegen. Manche Gemeinde merkt, dass sie nicht mehr vom Fleck kommt und sucht nach einer neuen Ausrichtung. Den einen hilft der Blick nach innen, zum Beispiel in Form einer Gemeindeanalyse, andere holen sich Beratung und Impulse von außen, und manchmal kann sogar das Ende einer Gemeinde der nächste Schritt auf dem Weg sein.

Für diese Ausgabe habe ich einige Menschen befragt, wie das Weiterkommen als Gemeinde aussehen kann. Deutlich wurde dabei, dass Weiterkommen ganz verschiedene Ausprägungen haben kann und sich ein Fortschritt gar nicht so leicht messen lässt. Aber auch mit Stolpersteinen und Gründen für das Schrumpfen von Gemeinden befassen sich unsere Autoren. Ich wünsche viel Freude, gute Gesprächsanregungen und Impulse zum Weiterkommen beim Lesen der neuen BRÜCKE

Benji Wiebe

Ich vergesse, was hinter mir liegt, und strecke mich nach dem aus, was vor mir ist. (Phil 3:13b)

E

infach vergessen zu können, was gewesen ist – das wünsche ich mir bei einigen meiner Erinnerungen. Wenn ich daran denke, wie ich enttäuscht wurde, gescheitert bin und an anderen Menschen schuldig wurde, klingt es sehr verlockend, was Paulus hier schreibt. Einfach ausblenden und nach vorne schauen, mit Freude und Mut vorwärts gehen können. Aber wie soll das gehen? Erinnerungen, die ich gerne vergessen würde, scheinen unauslöschlich in mein Gehirn eingeprägt, und kein Mittel der Welt scheint sie dauerhaft aus meinen Gedanken verbannen zu können. Und dann gibt es ja bei all dem, „was hinter mir liegt“, auch viele angenehme Erinnerungen. Es wäre schade, wenn ich sie vergessen würde! Sie machen mir Mut und lassen mich zielstrebig vorwärts gehen! Oder? Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, können mich auch positive Erinnerungen davon abhalten, mich „nach dem, was vor mir ist“ auszustrecken: Wenn ich wieder zurück will zur guten, alten Zeit und dabei das Ziel aus den Augen verliere. Wenn mich mein Weg durch die Wüste führt und ich mich nach der letzten Oase zurücksehne, statt mich auf das fruchtbare Land zu konzentrieren, das vor mir liegt. Auf dem Weg dorthin werde ich andere Oasen finden, die mir neue Kraft geben, von denen ich mich aber auch nicht zum Bleiben verleiten lassen darf. Wenn wir uns entschlossen haben, unsere Vergangenheit zu vergessen, bleibt die Frage: Wie? Welches Wundermittel ermöglicht es Paulus, so selbstbewusst zu schreiben: „Ich vergesse, was hinter mir liegt“? Die Umgebung des Verses zeigt uns tröstlicherweise: Auch Paulus erinnert sich an seine Vergangenheit, hat grade noch seinen früheren Eifer beschrieben, dessen Ausrichtung ihm heute – nach seinen eigenen Worten – wie Kot erscheint. Aber er lässt sich nicht von seiner Vergangenheit bestimmen, definiert sich selbst nicht über seine Geschichte, sondern richtet sich voll und ganz auf sein Ziel aus, auf welche Wege ihn das auch führen mag. Diesen Mut wünsche ich mir – und uns als Gemeinden – auch! Heiko Prasse Theologischer Mitarbeiter der Mennonitengemeinde Hasselbach

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4 als gemeinde weiterkommen

Gemeinsam auf dem Weg sein Simon Höfli über das Weiterkommen als Gemeinde.

I

n unserem Gemeindehaus in Owingen hängen viele verschiedene Bilder von Wegen und Straßen und es ist schon verrückt, wie viele verschiedene Wege es so gibt. Diese Bilder stehen für mich auch für die verschiedenen Gemeinden und ihre Möglichkeiten vor Ort. Schließlich eignet sich nicht jede Straße gleich für ein Rennen. Auf manchen Wegen sind so viele Hügel und Schlaglöcher, dass man froh ist,

pflegen. Seit Neustem darf ich sogar in unserem Fußballverein eine D-Jugendmannschaft mittrainieren. Wenn ich zu 100% angestellt wäre, würde das wahrscheinlich nicht gehen. Ich freue mich über diese Tür, die Gott aufgemacht hat. Ob weiterkommen messbar ist? Nun ja, bisher gab es keine Erweckung in unserem Dorf. Dennoch hilft es, mit offenen Augen genau hinzusehen und die Ohren auf Empfang zu stellen. Ich bin kein Typ, der ständig die Messlatte raus holt und Statistiken führt, aber wenn ich nach dem Gottesdienst noch über eine Stunde im Gemeindehaus bin und mit allen möglichen Leuten noch gute Gespräche führen darf, dann hat sich da etwas verändert, woran ich ein Weiterkommen feststellen kann. Oder wenn mir Eltern aus dem Ort Schlaglöcher auf dem Weg erzählen, wie seit Neustem ihr Junge Weiterkommen bedeutet für viele aber jeden Abend in der Bibel liest, dann auch Mission und die Frage, ob die hat sich etwas getan. Gemeinde wächst. Mit Sicherheit gehört das auch dazu. Und wieder diese Suchet der Stadt Bestes Schlaglöcher: Zeit und Kraft. Ich habe kein Rezept, aber einen Mir fällt da nur immer das Bild Wunsch, der mir am Herzen liegt. Ich von einer Katze ein, die ihren eigenen wünsche mir, dass wir wieder lernen Waldweg - Foto: pixelio.de - Oliver Mohr Schwanz jagt. Leider sieht es bei uns zu den Menschen zu gehen, und sie an einem Tag 100 km zurückzulegen. und auch in anderen Gemeinden oft nicht ständig zu uns holen wollen. Auch wenn unsere Wege als Gemein- nicht besser aus. Wir probieren den Manchmal muss dafür auch etwas den unterschiedlich aussehen, so Leuten Angebote zu machen, dass sterben von unserem Angebot, damit ist doch unser Ziel dasselbe – Jesus sie zu uns in die Gemeinden kom- wir Zeit dafür bekommen. Doch das, Christus. Auf ihn konzentrieren und men. Dazu brauchen wir Mitarbeiter was wir eigentlich anzubieten haben, fokussieren wir uns als Gemeinden. und Zeit. Und den Leuten, die wir ist kein Programm, sondern Jesus in Ihm ähnlicher zu werden und zu ihm erreichen wollen, geht es ähnlich mit uns. Es heißt ja nicht „Sucht das Beshin zu wachsen ist sowohl meine ihrer Zeit. So frage ich mich wieder, te für die Gemeinde“, sondern „Supersönliche als was würde Jesus chet der Stadt Bestes“. Ich wünsche auch die Heraustun? Er würde mir dafür immer mehr Mut, neue Zu viel Programm – forderung einer zu den Leuten Schritte zu wagen. Unterwegs sein zu wenig Beziehungen? hin Gemeinde. So gehen und mit Jesus, andere einladen mitzugegibt es zwei Framit ihnen Bezie- hen – das funktioniert nur da, wo ich gen, die mich immer wieder in Gang hungen leben. Doch dafür haben mich selbst mit anderen auf den Weg bringen: „Was hat Jesus gesagt?“ und wir oft keine Kapazität mehr frei. mache. „Was würde Jesus tun?“ Ich frage mich, ob wir nicht zu viel   Diese Fragen halte ich für ent- Programm haben und deswegen zu scheidend. Vielleicht hat man sogar wenig Zeit bleibt für Beziehungen.  auch Antworten darauf bekommen, Ich bin mir außerdem sicher, wenn wie nun ein konkreter Schritt sein wir Gott bitten und fragen, wird es kann, um die Gemeinde weiterzu- auch immer wieder neue Dinge gebringen, doch dann fehlt Zeit und ben, die uns weiterbringen. In unserer die nötige „Manpower“. Genau da Gemeinde bin ich nur zu 60% angeSimon Höfli sind wir bei einem Problem, was das stellt, dies ermöglicht mir vermehrt Owingen Weiterkommen schwierig macht. Kontakt und Beziehungen im Ort zu

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Wir als Gemeinde haben das auch immer wieder heftig zu spüren bekommen. So haben wir gemerkt, dass wir als Gemeinde das Miteinander wieder neu fördern müssten. Wir haben nach Lösungen gesucht und schließlich auch gefunden. Warum ein Extratermin? Warum sollten sich nur Einzelne treffen? Geht das nicht auch zusammen? Nun haben wir mit unseren Brunch-, Kreativ- sowie Grillgottesdiensten einen Rahmen gefunden, in dem wir uns näher kennen lernen und Gemeinschaft pflegen können. Auch die monatlichen Stehkaffees haben dazu beigetragen. Dies hat uns von innen heraus neu gestärkt und gefestigt und war ein wichtiger Prozess, der für uns mit dazu gehört um weiterzukommen.

als gemeinde weiterkommen 5

Gemeindeleben wie im Bilderbuch? Martin Schnegg über die erste Gemeinde in Jerusalem und was sie uns zu sagen hat.

D

ie meisten von uns haben ein ist. Hat Lukas hier nur die schönen Fotoalbum aus ihrer Kindheit Fotos ins Album geklebt und all die oder ein Familienalbum. In Schwierigkeiten und Probleme ausgeFotoalben sind meistens die schönen blendet? Beschreibt er uns hier seinen Momente des Lebens festgehalten, und Traum von Gemeinde? wenn man dann die Fotos anschaut, Wenn man die Apostelgeschichte kann man so richtig gut in den guten weiterliest, dann taucht auch das eine alten Zeiten schwelgen. Ach wie war oder andere Problem auf und es werdoch früher alles besser als heute… den Spannungen spürbar. In solchen Alben sind aber selten FoIch weiß nicht, wie es aussehen tos, die einen Ehestreit festhalten oder würde, wenn jemand beschriebe, wie davon, wie man sich schmollend in unsere Gemeinde in Meßkirch entseinem Zimmer einschließt. Erinnern standen ist und wie es am Anfang war. möchte man sich an die guten und Wahrscheinlich würde da auch vor alschönen Zeiten. So lem das Schöne und ähnlich wie das eben Ob die erste Gemeinde Tolle beschrieben Es würde beschriebene Famiwirklich so perfekt war? werden. drin vorkommen, lienalbum kommt wie Gott gewirkt hat mir das Bild der ersten Gemeinde in der Apostelge- und wie gut doch alles war. Ich glaube, dass Lukas sich sehr schichte 2 vor.: „42 Sie hielten an der Lehre der Apo- wohl bewusst war, dass auch in der stel fest und an der Gemeinschaft, am ersten Gemeinde nicht alles perfekt Brechen des Brotes und an den Gebeten. war, aber er blickt dankbar zurück und 43 Alle wurden von Furcht ergriffen; erinnert sich daran, was Gott alles in denn durch die Apostel geschahen viele dieser Gemeinde bewirkt hat… Wunder und Zeichen. 44 Und alle, die gläubig geworden wa- Als Gemeinde weiterkommen ren, bildeten eine Gemeinschaft und Keine Gemeinde ist perfekt. Auch wenn in unserer Gemeinde einiges hatten alles gemeinsam. 45 Sie verkauften Hab und Gut und gut oder einigermaßen gut läuft, so gaben davon allen, jedem so viel, wie gibt es auch Bereiche, wo es schlecht läuft, oder diplomatisch ausgedrückt, er nötig hatte. 46 Tag für Tag verharrten sie einmütig nicht so gut läuft. Wir haben zu wenig im Tempel, brachen in ihren Häusern Mitarbeiter, den Jugendhauskreis gibt’s das Brot und hielten miteinander Mahl nicht mehr, weil niemand da ist, um in Freude und Einfalt des Herzens. 47 Sie lobten Gott und waren beim ganzen Volk beliebt. Und der Herr fügte täglich ihrer Gemeinschaft die hinzu, die gerettet werden sollten.“

ihn zu leiten, die Finanzen sind knapp, die Räume zu klein, usw. Wenn man mit diesen Problemen im Hinterkopf die Entstehung der Jerusalemer Gemeinde betrachtet, könnte man bisschen neidisch werden…  Aber was bringt uns dieser Text, ist es einfach ein Blättern im Fotoalbum, ein Träumen von guten alten Zeiten, wo sowieso alles viel besser war? Ich glaube nicht. Ich glaube, dass dieser Text unseren Blick viel mehr auch nach vorne richten will. Die Beschreibung der ersten Gemeinde soll uns zum Träumen anregen. Lukas will uns hier ermutigen uns auf den Weg hin zur perfekten Gemeinde zu machen! Jetzt werdet ihr sagen, dass eine Gemeinde nie perfekt sein wird und es stimmt auch. Aber das „Idealbild“ von Gemeinde kann für uns eine Motivation sein, die uns antreibt, weiterzukommen. Es kann für uns ein Ziel sein, auf das es zuzugehen lohnt. Was macht die erste Gemeinde aus? Wenn man die Gemeinde in Jerusalem so betrachtet, dann gibt es vier wesentliche Faktoren, die beschrieben werden: Die Lehre der Apostel, Gemeinschaft, Brotbrechen und das gemeinsame Gebet.  Die Lehre der Apostel war ihnen wichtig, sie sehnten sich nach den Predigten und Hauskreisabenden,

Die perfekte Gemeinde Hört sich wirklich gut an, diese erste Gemeinde: Super Gemeinschaft, Zeichen und Wunder, gegenseitige Unterstützung, Einmütigkeit, Freude, lautere Herzen, Wohlwollen beim ganzen Volk und täglich neue Leute. Lukas kommt gar nicht mehr aus dem Schwärmen heraus! Wenn man das so liest, kann man sich schon fragen, ob diese erste Gemeinde wirklich so perfekt war oder ob es eher der Traum von Gemeinde DIE BRÜCKE

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Gemeinschaft Und dann ist da noch diese außer-

gewöhnliche Gemeinschaft, die be- untereinander werden die Menschen schrieben wird. Die ersten Christen sehen, dass ihr zu mir gehört!“ in Jerusalem waren täglich zusamIch weiß nicht, ob unser Umgang men, zum Beten, Predigten hören, miteinander in der Gemeinde so ist, Abendmahl feiern, aber auch einfach dass die Menschen im Ort sofort seso um Gemeinschaft zu haben. Diese hen, „so wie die miteinander umgehen, Gemeinschaft ging weit darüber hin- müssen die zu Jesus gehören“. aus, dass man sich zum Gottesdienst Aber ich wünsche mir, dass untraf. Gemeinschaft bedeutete für diese sere Gemeinschaft untereinander Menschen, dass sie ihre Besitztümer so stark und intensiv wird wie bei verkauften, um den dieser Jerusalemer Bedürftigen in der Gemeinde, nicht Die Vision dieser Gemeinde zu helfen. um ein WohlfühlBilderbuchgemeinde oder „Kuschelklub“ In dieser Gemeinschaft ging es jedem kann uns antreiben und zu werden, sondern gut, weil sich jeder um diese Liebe nach weiterbringen um jeden kümmeraußen abzustrahlen, te. Als Christen sind damit die Menschen wir Brüder und Schwestern und das in unserer Stadt förmlich angezogen waren für die ersten Christen keine werden von dieser Gemeinschaft. leeren Worte, man behandelte sich Gemeindezugehörigkeit wie in einer Familie. Vor einiger Zeit haben wir vier neue Einheit in der Vielfalt Personen offiziell in unsere GemeinAls ich Kind war, habe ich mich mit ei- defamilie aufgenommen. Diese Mennem meiner Brüder oft gestritten. Aber schen haben signalisiert, dass sie zur immer dann, wenn er in der Schule ge- Gemeinde gehören wollen, sie haben hänselt wurde, habe ich mich auf seine ihre Gemeindezugehörigkeit verbindSeite gestellt und versucht ihm zu hel- lich gemacht und sich so auch zur fen. Obwohl ich ihn zuhause oft nicht Gemeinde bekannt. Auch das ist ein leiden konnte, er war einfach mein wichtiger Aspekt dieser ersten GeBruder und es hat mich geschmerzt, meinde. Bei dieser ersten Gemeinde wenn es ihm nicht gut ging. war klar, Jesus und die Gemeinde sind  Genau so ist es auch in der Ge- zwei Dinge, die einfach zusammengemeinde. Wir sind eine Familie, in der hören. Wer sich für Jesus entscheidet, man sich gegenseitig hilft und sich un- der entscheidet sich automatisch für terstützt, auch dann, wenn man nicht seine Gemeinde. Paulus erklärt das im immer gleicher Meinung ist. 1. Korintherbrief mit dem Bild eines Wenn ich mir diese Gemeinschaft Körpers. Jeder einzelne Körperteil vorstelle, dann kommt mir Joh 13,34-35 ist unterschiedlich und hat andere in den Sinn. Dort sagt Jesus zu seinen Funktionen, aber nur als Ganzes ist Jüngern: „Liebt einander, wie auch der Körper funktionstüchtig. Genau ich euch geliebt habe. An dieser Liebe so ist jeder Christ anders und hat andere Gaben und Fähigkeiten, aber alle zusammen ergeben die Gemeinde. So wie die einzelnen Teile eines Körpers ohne den ganzen Leib nicht zu gebrauchen sind, so funktioniert auch das Christsein nur in und mit einer Gemeinde! Als Christen, als Gemeinde sind wir die Familie Gottes. Dieses Verständnis hat zu dieser starken Gemeinschaft geführt. Menschen machen Fehler Die Vision dieser Bilderbuchgemeinde, die Vision der perfekten Gemeinschaft kann uns antreiben und weiterbringen. Sie kann uns motivieren, Dinge anders und besser zu machen.

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Foto: pixelio.de - Sassi

bei denen sie Jesus besser kennenlernen konnten. Die Menschen blieben beharrlich dabei, sie saugten alles wie ein trockener Schwamm auf. Ich weiß nicht, wie viele von euch sich nach der sonntäglichen Predigt sehnen. Aber es war nicht irgendeine Lehre, sondern die Lehre der Apostel, für uns heute ganz einfach die Bibel. Die Bibel, die Lehre der Apostel, das Neue Testament ist von Aposteln geschrieben, ist auch für uns heute entscheidend, um Jesus immer besser zu kennen und nach seinem Willen leben zu können. Deshalb ist das Lesen in der Bibel keine lästige Pflicht der Christen, sondern Kraftquelle, Weisung für den Alltag und vieles mehr.  Weiter haben sie das Brot gebrochen. Mit Brotbrechen ist sicherlich das Abendmahl gemeint, dass sie zusammen gefeiert haben, aber darüber hinaus auch gemeinsame Mahlzeiten. Sie haben zusammen gegessen, sich gegenseitig zum Kaffeetrinken eingeladen und auch ab und zu zusammen eine Party gefeiert, und so die Gemeinschaft untereinander gestärkt.  Weiter haben sie täglich zusammen gebetet. Gebet ist sehr wichtig, und obwohl ich die Wichtigkeit des Gebetes kenne, gibt es bei mir auch Zeiten, in denen das Beten schwerfällt. Das Gebet ist etwas, das für uns im stillen Kämmerlein geschehen kann, aber auch als ganze Gemeinde wichtig ist. Ich glaube, dass Gebete wirklich viel bewirken. Es ist wichtig, dass wir als Gemeinde gemeinsam im Gebet vor Gott treten.

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Sie birgt aber auch eine Gefahr in sich. Bonhoeffer schreibt in seinem Buch „Gemeinsames Leben“: „Wer seinen Traum von christlicher Gemeinschaft mehr liebt als die christliche Gemeinschaft selbst, der wird zum Zerstörer jeder Christlichen Gemeinschaft, und ob er es persönlich noch so ehrlich, noch so ernsthaft und hingebend meinte“. Gemeinde, das ist nicht ein Gebäude oder eine Denomination, das sind Menschen. Menschen machen Fehler und sind nicht perfekt, so kann auch die Gemeinde nicht perfekt sein. Deshalb dürfen wir das Bild von Gemeinde aus der Apostelgeschichte nicht mehr lieben als unsere Gemeinde vor Ort. Wir dürfen es aber als Vorbild und als Ansporn nehmen, gemeinsam weiterzukommen. Faszinierend ist ja an der Gemeinde, dass so viele unterschiedliche Menschen zu einer Familie zusammengestellt werden. Uns verbindet nicht ein Hobby, ein Musik- oder Kleidungsstil, ein Beruf oder sonst irgendetwas. Uns verbindet Jesus Christus. Weil er für unsere Sünden gestorben und auferstanden ist und uns unendlich liebt. Durch ihn können wir Familie Gottes sein. Ich wünsche mir, dass es uns gelingt, Schritt für Schritt diesem biblischen Bild von Gemeinde näher zu kommen. Ich wünsche mir, dass wir als Mennonitengemeinde zu einer Gemeinschaft werden, in der man sich unterstützt, tröstet, sich gemeinsam freut und gemeinsam Spaß hat. Ein Ort, an dem man gemeinsam und füreinander betet und in der Bibel liest. Je mehr es uns gelingt, Gemeinde nach dem Vorbild von Apostelgeschichte 2 zu sein, desto mehr Anziehungskraft werden wir auch nach außen haben.

Martin Schnegg Meßkirch

Weiterkommen ... Assoziationen zum Thema von Martina Basso

Wie geht es weiter? Gemeinde muss sich bewegen und sich bewegen lassen. Wir müssen uns bewusst machen, dass wir etwas zu sagen haben, was wichtig ist. Damit dürfen wir nicht warten, bis die Leute zu uns kommen sondern müssen hingehen – es braucht eine GehStruktur anstelle der Komm-Strukturen.

Vor Ort? Wir kommen als Gemeinde Berlin weiter, wenn wir miteinander im Gespräch bleiben, uns austauschen und auch unausgegorene Ideen einander mitteilen. Wir versuchen eine Balance zu finden, zwischen den Bedürfnissen der Gemeinde und dem Auftrag, Gemeinde in Bewegung zu setzen. Da spielt das einander Mitteilen eine große Rolle.

Ist das messbar? Wenn in der Gemeinde eine offene Atmosphäre herrscht, eine Begeisterungsfähigkeit da ist, dann kommen wir weiter. Manchmal müssen wir auch innehalten, um zu schauen, wo wir stehen, um dann gemeinsam zu überlegen, wie wir weiterkommen.

Was wünschst du dir? Ich wünsche mir, dass es aufhört, nur auf die sinkenden Zahlen zu starren. Wenn wir global denken, sind wir Mennoniten eine wachsende Kirche. Wir sollten fröhlich und unverdrossen anerkennen, dass wir so wie wir sind ein flexibler Sauerteig sein können in der Ökumene. Wir haben Schätze und sollten mehr auf unsere Ressourcen schauen als auf die Defizite. Kirche braucht einen langen Atem und muss über das hinaussehen, was offensichtlich ist.

Martina Basso Berlin

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leserecho 47

Rechtssicherheit und würdiges Sterben Zu „Der Mensch im Konflikt mit men oder deren Unterlassung oder sich selbst“ in BRÜCKE 5/2010, S. 21. Beendigung (mit Patientenverfügung oder ohne) sind dramatische Grenzn seinem Kommentar zu Konflikten situationen. Sie machen uns Angst. an Anfang und Ende des Lebens Sie sind Folge der Weiterentwicklung geht es Knut Wiebe um eine bzw. seine von Medizin und Technik. Missbrauch Wertung des BGH-Urteils vom Juni droht und geschieht; aber schlimmer dieses Jahres, unter anderem um die noch: die Unsicherheit in diesen „Selektionsgefahr am Ende des Le- überwiegend juristischen aber auch bens“, um „Selbstjustiz versus Patien- ethischen Fragen zur Sterbehilfe, zu tenwillen“ und um „den Menschen als Körperverletzung, zu unterlassener Herrn über Leben und Tod“. Hilfeleistung etc. bringen doch regelIm Gegensatz zu Herrn Wiebe mäßig unerträgliche Situationen mit freue ich mich über das BGH-Urteil. sich, wie sie dem vom BGH zu entEs schafft mehr Rechtssicherheit und scheidenden Fall ebenfalls zugrunde mehr Klarheit für alle Betroffenen: liegen. Deshalb gibt mir das Urteil die Sterbenskranken, die Ärzte, die eher Zuversicht, dass meine diesbeKlinik- oder Einrichtungsträger, die züglichen Verfügungen auch befolgt Be-treuer oder Bevollmächtigen, auch werden (können) und dass ich die mir die Juristen. Solche Entscheidungen von anderen diesbezüglich übertrageüber lebensverlängernde Maßnah- nen Vollmachten ausüben kann, ohne Strafverfolgung fürchten zu müssen. Wie gut, dass durch das BGH-Urteil diese Furcht etwas kleiner geworden ist. Ganz persönlich: mir ist deutlich mehr bange vor dem Nicht-sterbendürfen als vor „dem Beseitigt-werden“. Im übrigen schenke ich einer BGHEntscheidung offenbar mehr Vertrauen als Herr Wiebe: sie mag an Stellen vielleicht „verhängnisvoll“ oder auch „wenig überzeugend“ sein, aber „nicht hinnehmbar“ geht mir zu weit. Und wenn von Herrn Wiebe der Bezug zur Menschenwürde und zum biblischen Menschenbild hergestellt wird, was ja

I

nahe liegt (für einen Kommentar diesen Inhalts in der BRÜCKE allemal), dann bitte ein bisschen konsequenter: über das Verständnis von Römer 14,8 setzen wir uns doch schon lange mit Selbstverständlichkeit hinweg, in dem wir Menschen dem Leben regelmäßig Eingriffe zumuten, eben auch solche, die ein natürliches Sterben schon fast zur Ausnahme gemacht haben. Dabei wünschen wir uns doch alle ein würdiges Sterben am Ende unseres Lebens. Das BGH-Urteil bringt uns diesem Wunsch etwas näher: es klärt zulässige passive Sterbehilfe und es stärkt die Bindungswirkung von Verfügungen. Ich finde das gut. Dieter Landes Königswinter

Die nächsten Nummern: DIE BRÜCKE 1/2011 erscheint Anfang Januar 2011, mit dem Thema „Paulus“ Redaktionsschluss ist der 06.12.2010 DIE BRÜCKE 2/2011 erscheint Anfang März 2011, mit dem Thema „Sind Mennoniten unpolitisch?“, Redaktionsschluss ist der 01.02.2011 Wir freuen uns über Leserbriefe, Berichte und Zusendungen für die Rubriken „Lyrik“ und „Friedensfoto“ Bitte schreiben Sie an: DIE BRÜCKE, Kastanienweg 19, 76297 Stutensee Tel.: 07249 516344 -0 Fax: -9 E-Mail: [email protected]

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Frieden istBegegnung Begegnung Frieden ist

Foto: privat

friedensfoto

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m Jahr 1993 war es mir vergönnt, eine Fahrt in die „Alte Heimat“ nach Westpreußen zu machen, unter der Leitung von Pastor Peter Foth und im Südbus in Begleitung von Werner Funck, damals Pastor in Friedelsheim und Kohlhof. Meine Brüder Heinz und Herman Quiring waren mit ihren Frauen auch dabei. Die Spannung in uns war groß, den heimatlichen Hof in Platenhof zu sehen und die uns noch von 1945 bis 1947 bekannten neuen Einwohner, bei denen wir in diesen Jahren lebten und arbeiteten, zu treffen.

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Zuerst trafen wir spielende Kinder auf unserem früheren Hof in unserem alten Sandkasten; das freute mich. Dann klopfte ich an ein Fenster und Janek Jaros öffnete uns die altvertraute Haustüre. Er erkannte uns als die Quiring-Geschwister, begrüßte uns nach polnischer Art mit dem Friedenskuss und legte zum Foto freundschaftlich die Hand auf meine Schulter. So entstand nach 46 Jahren dieses Friedensfoto. Irma Habegger-Quiring Worms-Ibersheim

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