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January 19, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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Don Giovanni

19.+21.5.06

Montforthaus

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Don Giovanni 19. + 21. Mai 2006 | 19.00 Uhr Montforthaus

Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) Il dissoluto punito o sia Il Don Giovanni (Der bestrafte Wüstling oder Don Giovanni) Dramma giocoso in due atti KV 527 Libretto von Lorenzo Da Ponte Prager Fassung 1787 Pause nach dem ersten Akt ca. 30 Minuten

Thomas Hengelbrock Musikalische Leitung und Regie Freo Majer Mitarbeit Regie Renato Uz Bühne Petra Weikert Kostüme Helga Utz Dramaturgie Roland Edrich Licht Walter Wimmer Technische Leitung Sybille Ridder, Annett Raditz Maske Katrin Wolff Regieassistenz Gabi Bartels Kostümassistenz Helena Langewitz Kostümhospitanz Gregory Fuller Inspizienz Isabelle Brock Lichtinspizienz Karin Dietrich Übertitelinspizienz Michael Behringer, Kasia Drogosz Korrepetition Michael Schetelich, Katharina Kierig Produktion

Georg Nigl Don Giovanni Svetlana Doneva Donna Anna Andreas Karasiak Don Ottavio Boris Petronje Commendatore Arpiné Rahdjian Donna Elvira Tiziano Bracci Leporello Manfred Bittner Masetto Katharina Persicke Zerlina Balthasar-Neumann-Chor Balthasar-Neumann-Ensemble Einführung Helga Utz Montforthaus, Graf-Rudolf-Saal 19 und 21. Mai, jeweils 18.00 Uhr

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Balthasar-Neumann-Chor Sopran

Alt

Bass

Heike Heilmann Sandrina Freundin Zerlinas

Julie Comparini Donna Betta dritte Ehefrau von Gazeno, Stiefmutter Zerlinas

Ralf Ernst Bastiano Martin Backhaus Camino zwei Freunde Masettos

Angela Froemer Gianotta Freundin Zerlinas, war früher mit Masetto zusammen

Tobias Schlierf Ombrino ursprünglich Fischer, nun Playboy und «Baywatcher»

Sibylle Schaible Lisetta ehemalige Dienerin Donna Annas Johanna Spörk Tisbea Badende, eine frühere «Bekannte» Don Giovannis Dorothee Wohlgemuth Chiarella ältere Schwester Masettos, noch immer unverheiratet

Mona Spägele Ximena Kellnerin, von Da Ponte um ihre Affäre mit Don Giovanni gebracht Tenor Mirko Heimerl Gazeno Zerlinas intriganter Vater Tilman Kögel Tiburzio Barkeeper Martin Post Masone Wirt, Kioskpächter

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Die hier aufgeführten Rollen sind zwar nicht in Da Pontes Libretto, aber als fester Teil der Stofftradition in vielen anderen Don-Juan-Bearbeitungen der Zeit zu finden.

Balthasar-Neumann-Ensemble Violine 1 Sebastian Hamann* Basma Abdel-Rahim Lisa Immer Monika Nußbächer Verena Schoneweg Fabian Wettstein Violine 2 Monika Bruggaier* Mechthild Blaumer Barbara Duven Thomas Fleck Verena Sommer Viola Friedemann Wollheim* Valentina Cieslar Claudia Hofert Dorle Sommer Violoncello Kamel Salah-Eldin* Melanie Beck Gesine Queyras

Kontrabass Andrew Ackermann Walter Bachkönig

Trompete Thibaud Robinne François Petit-Laurent

Hammerflügel Michael Behringer

Posaune Matthias Sprinz Cas Gevers Ralf Müller

Flöte Marc Hantai Yifen Chen Oboe Emma Davislim Alessandro Piqué Klarinette Alexander Bader Otto Kronthaler

Pauke Maarten van der Valk Mandoline Jean-Paul Bazin * = Stimmführer

Fagott Carles Cristobal Katrin Lazar Horn Franz Draxinger Thomas Hauschild

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Die Handlung Erster Akt Leporello wartet wieder einmal nächtens auf seinen Herrn, dem er das lustvolle und bequeme Leben neidet. Don Giovanni, immer auf der Jagd nach Frauen, hatte es auf Donna Anna, die Tochter des alten Commendatore, abgesehen und ist in ihre Gemächer eingedrungen; Leporello steht Schmiere. Doch diesmal nimmt das Abenteuer ein böses Ende: Giovanni stürzt aus dem Haus, verfolgt von Anna, die den Eindringling stellen will. Der Commendatore, aufgeschreckt von ihren Hilferufen, fordert den Unbekannten als Ehrenmann zum Duell. Giovanni will der Konfrontation ausweichen, doch der alte Mann besteht darauf und wird nach kurzem Kampf niedergestreckt. Unerkannt kann Giovanni mit Leporello entkommen.

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ganz Spanien, um ihn zu suchen. Doch Giovanni ist nicht von der gleichen Sehnsucht beseelt, kurzerhand schiebt er seinen Diener vor und ergreift die Flucht. Leporello scheint solche Situationen gewohnt zu sein; gekonnt demütigt er Elvira, indem er ihr die lange Liste von Giovannis Eroberungen vorträgt. Seine Technik kenne sie ja, fügt er süffisant hinzu. Auch Zerlina lässt sich von Giovanni beeindrucken. Sie ist jung und hübsch und feiert in einer bunten Gesellschaft Hochzeit; doch nur zu gern glaubt sie den Schmeicheleien Giovannis, ihr stünde Besseres zu als das Leben einer einfachen Bäuerin, er werde dafür sorgen! Doch Elvira, auf der Suche nach ihm, durchkreuzt seinen Plan, indem sie ihn als skrupellosen Verführer beschimpft. Zerlina kommen nun doch Bedenken.

Ottavio eilt zur Hilfe herbei, doch er kommt zu spät. Die völlig verstörte Anna nimmt ihrem Verlobten an der Leiche den Schwur ab, den Mord an ihrem geliebten Vater zu rächen.

Anna und Ottavio versuchen, der Spur des Mörders zu folgen und bitten ausgerechnet Giovanni als Edelmann um dessen Mithilfe. Giovanni sagt großmütig zu. Als aber Elvira hinzu kommt und ihn erneut als gewissenlosen Wüstling beschuldigt, wird es eng für ihn. Er stellt Elvira als verrückt hin und verzieht sich, so schnell es geht.

Giovanni hingegen hat sich rasch erholt. Ihn beschäftigt eine melancholische Schönheit, in der er aber alsbald seine Gemahlin Elvira erkennen muß. Als er sie nach drei Tagen Ehe verlassen hatte, begab sie sich auf Reisen durch

Plötzlich erinnert sich Anna: Kein anderer als dieser war der Unbekannte jener verhängnisvollen Nacht! Noch einmal steigen die Bilder des Mordes auf: Dramatisch erzählt sie Ottavio alle Einzelheiten der schrecklichen Begegnung. Er soll

von Giovanni das Blut des Vaters fordern. Doch restlos überzeugt ist Ottavio noch nicht. Leporello hat, ganz im Sinne Giovannis, in der Zwischenzeit Elvira vorläufig unschädlich gemacht, indem er sie ausgesperrt hat, und Masetto, den eifersüchtigen Bräutigam Zerlinas, abgelenkt. Aber es reicht ihm, er will sich von seinem Herrn lossagen, der das Leben eines Schurken führe. Doch als der ihn lobt und ihm sein Credo vorträgt, das darin besteht, «ohne Regeln» zu tanzen und die Mädchen zu verführen, geht er einträchtig mit ihm, um das Fest vorzubereiten und zu genießen. Masetto macht Zerlina bittere Vorwürfe, doch es gelingt ihr, ihn zu besänftigen: Auch nicht ihre Fingerspitze habe Giovanni berührt! Masetto lässt sich beruhigen, aber als Giovanni zum Fest ruft, bemerkt er die Erregung und Angst Zerlinas. Doch Masetto will die Wahrheit herausfinden. Giovanni betrachtet ihn einer Gegnerschaft als unwürdig und nötigt ihn zum Tanz. Ottavio, Elvira und Anna haben sich mittlerweile zusammengetan, um Giovanni zu stellen. Sie haben sich maskiert, und Leporello lädt sie zum Fest, wo Giovanni, der sie nicht erkennt, sie mit den Worten willkommen heißt: «Es ist für alle offen. Es lebe die Freiheit!»

Durch die Tanzmusik gellen plötzlich Schreie: Zerlina ruft um Hilfe. Die Masken eilen hinzu, doch Giovanni gelingt es, den Verdacht auf Leporello zu lenken. Zwar wird er von allen durchschaut, doch erhält der «Verbrecher» gewissermaßen Aufschub. Nur einen kurzen: Noch heute werde der Blitz der Rache auf sein Haupt niederfahren. Zweiter Akt Wieder will Leporello seinen Herrn verlassen, doch vier Dublonen ändern seinen Sinn. Allerdings unter einer Bedingung: Giovanni solle von den Weibern lassen. Ungläubig lacht Giovanni: Leporello hat nichts verstanden, die Frauen seien für ihn wichtiger als die Luft zum Atmen. Und, übrigens, er habe einen neuen Plan: Elviras Kammermädchen wolle er verführen, allerdings in Leporellos Kleidern, das mache sich besser. Elvira hält Zwiesprache mit ihrem Herzen: Immer noch regt sich ein Gefühl für den verbrecherischen Giovanni, der flugs Reue und Liebe heuchelt. Nur zu gern glaubt sie ihm, und Leporello in Giovannis Kleidern zieht sie mit sich. Die Luft ist rein für Giovannis süßes Ständchen, das dem Kammermädchen ins Herz dringen soll: Erhöre sie ihn nicht, gebe es nur den Tod.

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Aber wieder kommt es anders: Masetto hat sich mit seinen Freunden vorgenommen, Giovanni einen Denkzettel zu verpassen. Dieser nützt seine Verkleidung als Leporello, um mit Masetto scheinbar gemeinsame Sache gegen den «verfluchten Kavalier» zu machen. Er schickt die andern fort, ihn zu suchen, und der übertölpelte Masetto wird von Giovanni entwaffnet und verprügelt. Nun ist er doch sehr empfänglich für Zerlinas Tröstungen. Inzwischen ist Leporello Elviras Zärtlichkeitsbedürfnis ausgeliefert, sie hält ihn immer noch für Giovanni. Anna und Ottavio, dann auch Masetto und Zerlina hindern ihn an der Flucht und sind bereit, ihm den Todesstoß zu versetzen – da gibt er sich als Leporello zu erkennen. Doch es nützt ihm wenig, denn auch gegen Leporello liegt einiges vor: Er habe Masetto übel zugerichtet und Elvira betrogen, doch schließlich kann er sich verdrücken. Auch Ottavio ist nun von der Schändlichkeit Giovannis überzeugt und will «an zuständiger Stelle» um Hilfe bitten. Giovanni, auf der Flucht, weil wieder ein getäuschtes Mädchen um Hilfe geschrien hat, klettert über eine Mauer und findet Leporello. Der lässt sich nur begrenzt von den neuesten Geschichten seines Gebieters aufheitern, aber bald gibt es sowieso etwas Aufregenderes: Zufällig befindet man sich vor dem Grabmal des Commendatore, und die Statue beginnt 8

zu sprechen. Giovanni befiehlt dem angstbefallenen Leporello, sie zum Nachtmahl einzuladen. Die Statue nimmt an. Ottavio wird klar, dass Anna nicht so schnell in eine Ehe einwilligen wird. Sie kann an nichts anderes denken als an den Tod ihres Vaters. Leporello bedient Giovanni beim Abendessen, nicht ohne sich auch einige köstliche Bissen zu gönnen. Elvira versucht ein letztes Mal, Giovanni zur Abkehr von seinem liederlichen Leben zu bewegen. Nun erscheint die Statue des Commendatore und fordert Giovanni auf, zu bereuen. Doch Giovanni sieht dazu keinen Anlaß und fürchtet sich auch vor der Hölle nicht. Er nimmt die Gegeneinladung der Statue an und schlägt ein. Das ist sein Tod. Leporello berichtet verstört von Giovannis Ende. Anna vertröstet Ottavio um eine weiteres Jahr, Elvira geht ins Kloster, Zerlina und Masetto gehen nach Hause essen, und Leporello sucht sich im Wirtshaus einen neuen Herrn ...

Alles auf der Welt ist unbeständig, alles schwebt, man muß das Fliegen lieben. Annibal de Lortigue, 1570–1640

«Ihr führt das Leben eines Schurken» Anmerkungen zur Stoffgeschichte Die Figur des Don Juan ist älter als ihre Stoffgeschichte; der Typus des skrupellosen, unwiderstehlichen Frauenverführers mit der ständigen Lust an der Eroberung existiert bereits in prädonjuanesker Zeit – als Satyr und dionysischer Faun, als Bewohner der Städte Sodom und Gomorrha, als ewige Männerphantasie von «unendlicher Potenz ohne Konsequenz» (Jürgen Wertheimer). Don Juan ist so alt wie die Menschheit selbst und besitzt als Archetyp zeitlose Faszination. «Wie er ... so sind Tausende», heißt es in Molières Don-Juan-Komödie. Der beinahe vierhundert Jahre alte Don-Juan-Stoff ist einer der machtvollsten der Weltliteratur; er liegt in geschätzten dreitausend Versionen vor, hat es zu einigen Bibliographien und einem eigenen, voluminösen Wörterbuch gebracht (Pierre Brunel: Dictionnaire de Don Juan, Paris 1999). Trotz der Heterogenität der Bearbeitungen, die den Stoff als geschlossenen Sinnzusammenhang in Frage zu stellen scheinen, bleibt ein sich immer wieder regenerierendes Grundmuster der Figur durch die Jahrhunderte erhalten: In Don Juan verbindet sich Lust an Sexualität und Leben mit Zerstörungstrieb und tiefer Lebensangst – Angst vor dem göttlichen Gericht, vor bürgerlichen Moralkonventionen, vor den Frauen, vor der eigenen, inneren Natur. Innerhalb dieses 9

Rahmens entfaltet sich ein weites Spektrum von Projektionen und Deutungen: Don Juan erscheint als verlorener Sünder (Molina), als Wüstling (Da Ponte/Mozart), Intellektueller (Frisch), Zyniker (Molière, Balzac), Feudalist (Brecht), Titan (Bloch), Idealsucher (Hoffmann, Grabbe, von Horváth), Genie (Kierkegaard), absurder (Camus) oder nationaler Held (Ortega y Gasset), Dämon (Baudelaire, Verlaine, Rilke) oder Opfer (Shaw), als perverser Psychopath, verdeckter Homosexueller oder Sadist (Psychoanalyse, Sexualforschung), als Anti-Tristan, Bruder des Faust oder des Jedermann, als Blaubart, Dandy 10

oder Playboy. Seinen Anfang nahm alles mit Tirso de Molinas religiösem Drama El Burlador de Sevilla y Convidado de Piedra (erste bekannte Aufführung 1613, Erstdruck 1630). Don Juan betrügt dort mit leeren Versprechungen eine Frau nach der anderen; als er übermütig das steinerne Standbild eines von ihm im Duell getöteten Komturs zum Gastmahl einlädt, erscheint dieses tatsächlich. Bei der Gegeneinladung auf dem Friedhof trifft Don Juan die gerechte Strafe: indem er dem Standbild die Hand reicht, verbrennt ihn ein höllisches Feuer.

Bereits mit Molières fünfzig Jahre späterer Bearbeitung zeigt sich die Tendenz des Stoffes zur Metamorphose, Negierung, Parodie, denn der Franzose bildet den geistlosen spanischen Triebtäter um zu einem reflektierten, zynischen Libertin. In deutschen Theatern, sogar im Puppenspiel, war Don Juan fester Bestand des Repertoires. Meist stand jedoch die moralische Belehrung anhand seiner vielen Untaten im Vordergrund. Das 19. Jahrhundert verleiht Don Juan Seele, Gewissen und Intellekt, die immer stärker mit seinem inzwischen erotisch verfeinerten Trieb in Konflikt geraten und zur weltimma-

nenten Erlösung des innerlich gespaltenen bürgerlichen Helden führen – zu Reue, Umkehr oder Verdrängung. Das späte 19. Jahrhundert entwirft einen von der Lust desillusionierten, gealterten, von Skrupeln und Selbstekel geplagten Don Juan und kreiert zugleich – im Fin-de-siècle – das Modeideal des Donjuanismus als Lob der Untreue und des Dandytums. Die Don Juans des 20. Jahrhunderts sind ihrer Verführerrolle überdrüssig: Ödön von Horváths aus dem ersten Weltkrieg heimkehrender Don Juan sucht in allen Frauen die verlassene Braut, Max Frischs Don Juan liebt die Geometrie und nicht die Frauen. 11

Im Zeitalter totalisierter Sexualität schließlich scheint die traditionelle Erotomanie der Figur zu einem Ende gekommen; Peter Handke deutet in seiner Don-Juan-Erzählung des Jahres 2004 die Sexualbegegnung als von Moral und Trieb befreites Energiegesetz ohne erkennbaren Sinn: «Pikante Einzelheiten waren nicht zu erzählen. Ja, es gab sie gar nicht.» Wenn wir uns Don Giovanni von Mozart/Da Ponte nähern, so sind wir zunächst fasziniert von der Lebendigkeit der Figuren: Selbstverständlich und vertraut, wie von heute erscheinen uns die Szenen, in denen beispielsweise Zerlina ihren eifersüchtigen Masetto besänftigt oder Donna Elvira ihren treulosen Ehegatten anklagt. Jeder kennt das aus eigener bitterer oder lustiger Erfahrung: Für die anderen haben wir weise Ratschläge in Überfülle, die durchaus gut sind, aber für uns selbst sind wir blind und verkennen die simpelsten Situationen. Elvira rät erst Zerlina, dann Anna ganz souverän, Abstand von dem «Monster» zu halten, aber bei ihr selbst genügt ein halbes, deutlich geheucheltes «Ich bereue» des Scharlatans, um alle Erkenntnis über Bord zu werfen und sich erneut der Hoffnung des Ewiggeliebtseins hinzugeben. Wer lacht nicht bei Giovannis Philosophie «Wer einer treu ist, tut den anderen Unrecht», wen erheitert nicht Elviras Entsetzen angesichts der Liste der über 2000 Vorgängerinnen, wen beeindruckt nicht die Eleganz von Giovannis Leichtigkeit? 12

Bei tieferer Betrachtung der Figuren allerdings verschwimmen die Konturen und rutschen ins unendlich Ferne: Juan, der Mörder, der Vergewaltiger, der Verbrecher aus sozialer Kälte – der steht uns fern. Das moralische Gegenreformationsstück weisen wir von uns. Doch Mozarts Werk steht auf der Schneide. Zum einen scheinen die alten Typen noch durch – in Leporello der listige, gleichzeitig tölpelhafte Diener der commedia dell’arte, in Elvira die verführte Nonne, die ihr Heil nachmals in der Bigotterie sucht, in Ottavio der Jurist, der vor einer edelmütigen Tat erst bei zuständiger Stelle nachfrägt, zum andern sind die Figuren beeindruckend individuell durchpsychologisiert. Einerseits erscheint Mozart der Juan-Tradition verpflichtet, in der die Bestrafung des alle Gesetze mißachtenden Lüstlings im Vordergrund steht, andererseits legt er die Lunte der tiefenpsychologischen Figurendeutung, die mit E. T. A. Hoffmanns romantisierender Analyse zum ersten Mal eine Explosion herbeiführt und die dann in den Überlegungen von Kierkegaard und allen seinen interpretatorischen Nachfolgern weiterglüht. Wenngleich viele literarische Figuren im Laufe der Jahrhunderte ihre Gestalt wechseln und sich in verschiedene Richtungen entwickeln, so ist doch bei Juan auffällig, wie eng die Neufassungen mit der Identifikation des Deutenden mit Juan korrelieren und die Figur durch diese Vereinnahmung geschwächt wird. Diese Interpretatio-

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nen beeinflussen unser Bild von Mozarts Don Giovanni dahingehend, das wir das Brutale, das Verstörende und Zerstörende zugunsten einer heimeligeren Deutung («er taumelt von einer Frau zur anderen, immer auf der Suche nach der Richtigen») nicht mehr wahrnehmen. Diese Inszenierung will herausarbeiten, was das «Neue» an Mozarts Interpretation war, was die Zeitgenossen irritiert haben mochte, denen die Figur des großen Verführers vertraut war durch die vielen hundert Versionen seit Tirso de Molina. Der Stoff stellt mehr Fragen als er Antworten gibt – so moralisch er sich gibt, lässt er doch die Frage offen, warum das «Böse» faszinierend und das «Gute» langweilig ist. Gerade die moralische Mehrdeutigkeit setzt die Fantasie in Lauf und gibt dem Zuschauer die Möglichkeit, Grenzen zu überschreiten. Es kann aber nicht darum gehen, eine historisch «richtige» Szenerie zu bilden, selbstverständlich erschafft Mozarts Musik aktuelle Figuren. Der heutige Bezug von Mozarts Musik ergibt sich quasi von selbst, indem ein heutiger Mensch sie hört. Unsere Aufführung nimmt Mozarts Musik «beim Wort», belässt die Figuren in ihrem Kontext und arbeitet die Aktionen auf der Bühne plastisch heraus, wie von Mozart beschrieben, wobei sich Heiterkeit und seelische Düsternis die Waage halten. Die Feldkircher Produktion möchte Don Giovanni durchaus seine Gefährlichkeit lassen. Er ist ein 14

destruktiver Fremdkörper, der eine Brandspur durch die Gesellschaft zieht. Die Struktur ist archaisch: Ihn kaltzustellen erfordert Opfer wie in einem Western, schuldige wie den unbeliebten Komtur, unschuldige wie die wehrlose Donna Anna oder die risikofreudige Zerlina, halbschuldige wie die eitle Elvira, den gierigen Leporello oder den berechnenden Ottavio, aber Opfer allemal. Dass Mozart fraglos Partei ergreift für die Figur, die er gerade beschreibt, und die Moral, nach deren Gesetzen er sie gerade antreten lässt, mit dem ersten Ton wieder relativiert, das ist ein Wunder, das nachzuvollziehen wiederum nur der Kunst zusteht. Das ist eine der Unbegreiflichkeiten bei Mozart, das seine Linke nichts von dem Tun der Rechten weiß, beschreibt er eben noch die tödliche Zuspitzung im Gefühlschaos von Donna Anna, witzelt Leporello in der nächsten Sekunde über den realen Tod des Komturs, sodass verschwimmt, was man eben für unumstößlich genommen hat. Unvereinbare Haltungen stoßen aufeinander. Welch widersprüchlicher Kosmos steckt in den Minuten der ersten Szene, die von der humorigen Dienerklage in das tödliche Blutvergießen führt: Die nächtliche Stimmung, Auftritt und Charakterisierung von fünf Hauptfiguren, die soziale Spannung des Dienerverhältnisses, die missglückte Liebesnacht, der Geschlechterkampf zwischen Anna und Giovanni, das Vater-TochterVerhältnis, die Aktion des Duells, der Tod des

Komturs, die Flucht Giovannis, und das alles ohne Brüche, organisch führt eins ins andere, und schon nach dieser Szene wissen wir alles. Natürlich täuscht Mozart nur vor, uns alles zu erzählen, denn er benutzt unser Wissen nur, um uns tiefer und tiefer in die Widersprüchlichkeiten des Menschen zu lotsen, von denen seine Musik mehr weiß als sich beschreiben läßt. Thomas Hengelbrock / Helga Utz Ich kann dir meine Empfindung nicht erklären, es ist eine gewisse Leere – die mir halt wehe thut, – ein gewisses Sehnen, welches nie befriedigt wird, folglich nie aufhört – immer fortdauert, ja von tag zu tag wächst ... Mozart an Konstanze, 7. Juli 1791

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Variationen wichtige Fassungen des Stoffes vor Mozart/Da Ponte vor 1613 Tirso de Molina El burlador de Sevilla 1665 Molière Dom Juan 1734 Eustachio Bambini La pravità castigata 1738 Carlo Goldoni Il dissoluto ossia Don Giovanni Tenorio 1776 Vincenzo Righini Il convitato di pietra ossia Il dissoluto punito 1777 Giuseppe Calegaris Il convitato di pietra, Venedig 1783 Giacomo Tritto Il convitato di pietra, Neapel 1784 Gioacchino Albertini Il Don Giovanni, Venedig 1787 Vincenzo Fabrizi Il convitato di pietra, Rom 1787 Francesco Gardi Il nuovo convitato di pietra, Venedig 1787 Giovanni Bertati / Giuseppe Gazzaniga Don Giovanni ossia Il convitato di pietra, Venedig

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Don Juan Dies sind meine Stunden, die Stunden der Nacht ...

Tirso de Molina

Don Giovanni Du weißt, dass Frauen mich auf den ersten Blick immer beeindruckt haben, und du weißt, dass ich sie von Anfang an alle auf das Äußerste liebe, aber du weißt auch, dass ich sterben würde, wenn ich nicht oft wechselte. Francesco Gardi

Don Juan Was? willst du denn, dass man sich dauerhaft an die erste Schöne bindet, die uns einnimmt, dass man sich ihretwegen aus der Gesellschaft zurückzieht und für niemanden mehr Augen hat. [...] Nein, nein, die Beständigkeit taugt nur für Narren; alle Schönen haben das Recht, uns zu bezaubern, und der Vorteil, dass die eine uns als erste begegnet ist, darf doch nicht die anderen der gerechten Ansprüche berauben, die sie alle auf unser Herz haben. Molière

Don Juan [...] die Heuchelei ist ein Laster, das in Mode gekommen ist, und alle Laster, die in Mode kommen, gelten als Tugenden. Die Gestalt des wohlanständigen Mannes ist die beste aller Gestalten, die man gegenwärtig spielen kann und die Berufung zum Heuchler bietet wundersame Vorzüge. Es ist dies eine Kunst, deren Lügengebäude allzeit hoch geachtet wird; und selbst wenn man dahinter kommt, unternimmt man nichts dagegen. [...] Don Juan Hör zu. Wenn du mich weiter mit deinen törichten Moralpredigten behelligst, wenn du mir noch ein einziges Wort davon sagst, werde ich jemanden rufen, einen Ochsenziemer verlangen, dich von dreien oder vieren festhalten lassen und dich mit tausend Hieben schinden. Verstehst du mich richtig?

Don Carlos [...] wir sehen uns verpflichtet, mein Bruder und ich, wegen einer jener widrigen Angelegenheiten zu Felde zu ziehen, die die Edelleute dazu zwingen, sich selbst und ihr Geschlecht den strengen Anforderungen der Ehre zu opfern; denn schließlich ist dabei der schönste Erfolg verderbenbringend; lässt man nicht das Leben, ist man gezwungen, das Königreich zu verlassen. Das ist es, worin ich den Stand eines Edelmannes verderblich finde, dass er sich auf alle Klugheit und Ehrbarkeit seines Verhaltens ganz und gar nicht verlassen kann, dass er durch den Ehrenkodex zum Sklaven der Verfehlungen im Verhalten anderer wird, und dass er mit ansehen muss, wie sein Leben, seine Muße und sein Vermögen von der Laune des erstbesten Hitzkopfes abhängen, dem es in den Sinn kommt, ihn so zu beleidigen, dass ein ehrenwerter Mann daran zugrunde gehen muss. Molière

Scagnarelle Völlig richtig, gnädiger Herr, so richtig es nur geht. Ihr drückt Euch klar und deutlich aus; das ist das Gute an Euch, dass Ihr nicht versucht, Umschweife zu machen: Ihr sagt mit bewundernswerter Klarheit, wie es steht. [...]

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Donna Anna Ich habe meine Meinung geändert. Ich will mich nicht mehr umbringen. Auf eine letzte Probe stelle ich ihn heute Abend. Wenn er mir die Hand als Bräutigam nicht gibt, verabreiche ich ihm ein Gift, und dann werde ich gehen. So werde ich heldenhaft mich selbst und meinen Vater rächen. Commendatore Meine teure Tochter, es ist nötig, vor dem Schicksal ergeben die Stirn zu senken. Donna Anna Wir bestimmen unser Schicksal selbst. Der Himmel pflegt nicht, den Willen der Sterblichen zu bezwingen. Commendatore Man darf dem Vater nicht widersprechen. Ihr werdet die Braut des Don Ottavio sein. Wenn Euer Herz dem Bund nicht zustimmt, dann wird Euer Vater Euch einwilligen lassen, oder Ihr werdet seine Liebe zu harter Empörung und grausamem Hass verwandelt sehen. Dein Schicksal hängt völlig von meinem Willen ab, wer dies bestreitet, ist nicht weiter meine Tochter. Donna Anna Mein Vater kann tun und lassen, was er will, aber ich werde nicht zu der verhassten Trauung die Hand reichen. Francesco Gardi 18

Scagnarelle [...] doch vorsichtshalber sollst du ganz inter nos wissen, dass du in Don Juan, meinem Herrn, den größten Verbrecher vor dir hast, der je auf Erden geweilt hat, einen Tollwütigen, einen Hund, einen Barbaren, einen Häretiker, der weder an den Himmel glaubt (noch an Heilige, noch an Gott), noch an den Werwolf, der sein Leben wie ein wirklich seelenloses Tier verbringt, als genusssüchtiges Epikuräerschwein, als wahrer Sardanapal, der allen (christlichen) Vorhaltungen, die man ihm machen kann, seine Ohren verschließt und alles, was wir glauben, für Unfug hält. Molière

Doña Elvira Seid nicht überrascht, Don Juan, mich zu dieser Stunde und in dieser Aufmachung zu sehen. Ein zwingender Grund nötigt mich zu diesem Besuch, denn was ich Euch zu sagen habe, duldet nicht den geringsten Aufschub. Ich komme nicht hierher voll des Zorns, der vorhin aus mir herausbrach; im Vergleich zu heute morgen seht Ihr mich sehr verändert. Dies ist nicht mehr jene Doña Elvira, die heilige Eide gegen Euch schwor, und deren erzürnte Seele nur Drohungen ausstieß und nach Rache schnaubte. Der Himmel hat aus meiner Seele all jene unwürdige Liebesglut verbannt, die ich für Euch fühlte, allen Aufruhr der Leidenschaften einer verbrecherischen

Verbindung, all jene schändlichen Verzückungen einer irdischen und gemeinen Liebe; er hat in meinem Herzen nur eine Flamme für Euch zurückgelassen, die von jeder Anwandlung von Sinnlichkeit gereinigt ist, eine ganz geheiligte Zärtlichkeit, eine Liebe, die allem entsagt, die nicht für sich selbst handelt und sich nur um Euretwillen sorgt. Molière Elvira Tot ist in mir die Liebe, all mein Gefühl erloschen, eingekehrt ist nun der Friede in mein verwundetes Herz. Wenn Ihr das Leben ändert, bleib´ ich Euch ewig verbunden. Wie kurz sind beim Abschied die Stunden, bitter der Abschiedschmerz. Doch ihr höhnt und verspottet mich, verlacht mein Leiden; Ihr sucht Eure Grausamkeit an meiner Qual zu weiden. Doch nah ist der Donnerschlag, er trifft Euch ins Herz. Elviras letzte Arie bei Bertati/Gazzaniga

Max Slevogt: Das Champagnerlied, 1902 Der portugiesische Sänger Francisco d‘Andrade war lange Zeit der führende Don Giovanni. 19

Si fractus inlabatur orbis, Inpavidum ferient ruinae. (Und wenn der Erdkreis krachend einstürzt, werden die Trümmer einen Furchtlosen treffen.) Quintus Horatius Flaccus, aus: Carmina Liber III 3 Mozart – Da Ponte 1786 feierte Mozart mit seinem Figaro einen überwältigenden Erfolg in Prag. Ein Jahr später kam von dem dortigen Impresario Bondini deshalb auch der Auftrag für eine zweite Oper, die Mozart und Da Ponte zusammen schreiben sollten. Letzterer schlug den Don-Juan-Stoff vor, angeregt durch die Oper von Gazzaniga und Bertati, die er wahrscheinlich in Venedig gesehen hatte, und die er als Grundlage für sein Libretto benutzte. Die Uraufführung konnte man im Gräflich Nostitzschen Nationaltheater in Prag am 29. Oktober 1787 erleben – wieder als großen Erfolg. Lorenzo Da Ponte (1749–1838) Punktiertstich von M. Pekino

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Dramma giocoso – opera buffa Ausschließlich lustig geht es in Mozarts Don Giovanni nicht zu. Dennoch wurde das Stück von Mozart in sein Werkverzeichnis als opera buffa eingetragen, hingegen als dramma giocoso auf den Theaterzetteln und im Libretto angekündigt – vielleicht, weil es als ein «heiteres Drama» eben nicht nur Buffo-Elemente enthält (z. B. Verwechslungsspiele, Prügeleien und Leporello, den aus

der commedia dell´arte entliehenen, verfressenen Angsthasen), sondern sich auch bei der opera seria oder semiseria bedient (z. B. Racheschwüre; Figuren wie Donna Anna oder den Commendatore). Musik – Bezüge In der psychologischen Dramaturgie, die auf die einzelnen Figuren maßgeschneidert ist, erinnert die Musik im Don Giovanni an Mozarts Figaro. Die Stimmung ist aber eine andere; kaum eine Opera buffa fängt so dunkel an. Bei aller Fortschrittlichkeit in Harmonie und Melodik (z. B. beim Commendatore: Non si pasce) verankert Mozart die Musik aber auch auf vielfältige Weise in Gegenwart und Vergangenheit. So lässt er im Finale des ersten Aktes drei verschiedentaktige Tänze gleichzeitig erklingen (Deutscher Tanz, Menuetto, Kontratanz); Donna Anna nimmt die Musiksprache Gazzanigas auf, manchmal scheint auch Scarlatti nicht weit. Diese Anspielungen können auch sehr deutlich werden – Leporello singt auf die Melodie von Figaros Arie Non piu andrai die Worte: «Questa poi la conosco purtroppo» («Das kommt mir nur allzu bekannt vor.») – für das damalige Publikum ein doppelter Witz: In Prag 1786 und 1787 sang derselbe Sänger diese Rollen.

Mozart komponiert in Prag.

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Die erste Seite von Mozarts Don-Giovanni-Autograph. Viele Jahre war das Original im Besitz der Sängerin Pauline Viardot-Garcia, die dafür extra einen Schrein herstellen ließ.

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Prager Fassung – Wiener Fassung 1788, im Jahr nach der Uraufführung, sollte Don Giovanni auch in Wien auf die Bühne kommen. Hierzu wurde das Stück umgearbeitet und den neuen Sängern angepasst. So entfiel für Leporello und Don Ottavio je eine Arie (Ah pietà, signori miei und Il mio tesoro intanto); hinzu kam stattdessen eine Szene mit einem Duett Zerlina-Leporello (Per queste tue manine) und eine Arie für Donna Elvira (Mi tradì quell‘alma ingrata); Don Ottavio erhält im ersten Akt eine zusätzliche Arie (Dalla sua pace). Ob die gesamte Schlussszene in Wien überhaupt erklang, ist nicht sicher. Die meisten Inszenierungen verwenden heute eine Mischung aus Prager und Wiener Fassung. Montags den 29ten wurde von der italienischen Operngesellschaft die mit Sehnsucht erwartete Oper des Meisters Mozard Don Giovanni oder das steinerne Gastmahl gegeben. Kenner und Tonkünstler sagen, daß zu Prag noch nicht ihresgleichen aufgeführt worden. Hr. Mozard dirigierte selbst, und als er ins Orchester trat, wurde ihm ein dreymaliger Jubel gegeben, welches auch bei seinem Austritte aus demselben geschah. Die Oper ist übrigens äußerst schwer zu exequiren, und jeder bewundert dem ungeachtet die gute Vorstellung derselben nach so kurzer Studienzeit. Aus den Provinzialnachrichten, Wien 10. November 1787

Dieser Mann ist kein Hitzkopf. Dem ersten Wiener Don Ottavio, Francesco Morella, war «Il mio tesoro» zu hektisch; er scheiterte an den Kolloraturen und ließ sich „Dalla sua pace“ schreiben. (Figurine von Petra Weikert)

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Thomas Hengelbrock machte sich als Entdecker in Vergessenheit geratener Werke und mit Neuinterpretationen bekannten Repertoires einen Namen. Im Zentrum seiner Arbeit steht die intensive Auseinandersetzung mit einem Werk in seinem historischen Zusammenhang. Thomas Hengelbrock strebt – wie Balthasar Neumann mit der architektonischen Engführung von Bau, Malerei, Skulptur und Garten – eine Integration von Musik und anderen Künsten an. Er widmet sich nicht nur intensiv der Oper, sondern der Kombination unerwarteter und neuartiger Konzertprogramme sowie halbszenischer Projekte. Sein Repertoire umfasst das 16.–20. Jahrhundert, darüber hinaus bringt er zeitgenössische Werke zur Aufführung 24

und Auftragskompositionen zur Uraufführung. Thomas Hengelbrock begann seine Karriere als Geiger. Wichtige künstlerische Impulse erhielt er von Witold Lutoslawski, Maurizio Kagel und Antal Dorati sowie durch seine Mitwirkung in Nikolaus Harnoncourts Concentus musicus. Das Freiburger Barockorchester, das er mitbegründete, spielte bis 1997 unter seiner Leitung; mit den Amsterdamer Bachsolisten arbeitete er von 1988 bis 1991, und die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen wählte mit ihm 1995 erstmals einen festen künstlerischen Leiter. Als Dirigent folgt Thomas Hengelbrock den Einladungen zahlreicher renommierter Orchester und Opernhäuser. Von 2000 bis 2003 war er Musikdirektor der Volksoper Wien. Neben der musikalischen Leitung übernimmt er oftmals die szenische Umsetzung seiner Projekte. Seit 2001 ist er Künstlerischer Leiter des Feldkirch Festivals.

Thomas Hengelbrock gründete den BalthasarNeumann-Chor (1991) und das BalthasarNeumann-Ensemble (1995) als zwei professionelle Formationen aus Spitzenmusikern und jungen Gesangssolisten, die sich unter seiner künstlerischen Leitung in den vergangenen Jahren einen exzellenten Ruf erworben haben. Das Repertoire reicht vom Frühbarock bis zur Moderne und folgt einer historisch informierten Aufführungspraxis auf dem jeweils angemessenen Instrumentarium. Aus der engen und kontinuierlichen Zusammenarbeit beider Ensembles entstehen ungewöhnliche Konzertprogramme, halbszenische Projekte und Musiktheaterproduktionen. Der Schwerpunkt der Konzerttätigkeit liegt in der Aufführung selten gespielter, häufig nicht veröffentlichter Werke. In einer eigenen Konzertreihe beim Südwestrundfunk führen sie den Hörer unter dem Motto Abenteuer Musik auf unbekannten musikalischen Pfaden durch das 17. und 18. Jahrhundert. So kamen Werke Aus der Notenbibliothek von J. S. Bach zur Aufführung, die einen Einblick in Bachs Auseinandersetzung mit den Werken seiner Zeit offenbarten. In dieser Reihe wurde auch Antonio Lottis bedeutendes Requiem F-Dur erstmals wieder aufgeführt, das in einer preis-gekrönten CD-Einspielung vorliegt. Auf der Suche nach neuen Darstellungsformen konzipierte Thomas Hengelbrock für Ensemble und Chor szenische Projekte wie z. B. Italienische Karnevalsmusiken in Masken und Kostümen und 25

Metamorphosen der Melancholie, eine Hommage an englische Musiker und Dichter des 17. Jahrhunderts, die die Mitglieder beider Ensembles nicht nur auf dem Terrain der musikalischen, sondern auch der darstellerischen Interpretation fordert. Gemeinsam mit dem Schauspieler Graham F. Valentine präsentierten sie King Arthur mit der Musik von Henry Purcell und dem Drama von John Dryden in einer szenischen Realisation von Thomas Hengelbrock. Weitere Musiktheaterproduktionen führten die beiden Ensembles u. a. mit den Regisseuren Philippe Arlaud und Achim Freyer zusammen. Mit letzterem feierten sie Erfolge u. a. mit Monteverdis L’Orfeo bei den Wiener Festwochen sowie den Münchner Opernfestspielen und mit Joseph Haydns L’anima del filosofo bei den Schwetzinger Festspielen. Seit 1996 sind sie ständiger Gast bei den Schwetzinger Festspielen und zeigten dort u. a. in Koproduktion mit der Staatsoper Unter den Linden Francesco Cavallis La Didone und mit den Innsbrucker Festwochen die erstmalige Wiederaufführung von Giovanni Legrenzis La divisione del mondo. Zuletzt präsentierte das Ensemble dort Alessandro Scarlattis Telemaco in einer deutschen Erstaufführung. Seit 2001 sind sie ensembles in residence beim Feldkirch Festival, bei dem sie u. a. Monteverdis L’Orfeo, Schumanns Manfred und Beethovens Missa solemnis unter der Leitung von Thomas Hengelbrock aufführten. Das Balthasar-Neumann-Ensemble hat dort zudem eine Auftrags26

komposition von Johannes Harneit und ein Melodram von Jan Müller Wieland uraufgeführt. 2005 gaben Balthasar-Neumann-Chor und -Ensemble unter Thomas Hengelbrock ihr Debut an der Opéra National de Paris mit Glucks Orpheus, in einer vertanzten Fassung und unter der Regie von Pina Bausch. Bei dem diesjährigen Benefizkonzert des deutschen Bundespräsidenten, das erstmals außerhalb Berlins stattfand, spielten und sangen sie Bachs h-Moll Messe. Im Mozartjahr präsentieren sie neben Don Giovanni beim Feldkirch Festival Il re pastore bei den Salzburger Festspielen sowie beim Musikfest Bremen und beim Beethovenfest Bonn – beide Produktionen in der Regie von Thomas Hengelbrock. Namenspatron beider Ensembles ist Balthasar Neumann (1687–1753), der bedeutendste deutsche Architekt des Barock und Baumeister u. a. der Residenzen von Würzburg und Schönbornslust sowie der Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen.

Der in Wien geborene Georg Nigl ist einer der vielseitigsten Sänger der jüngeren Generation. Als ehemaliger Sopransolist der Wiener Sängerknaben in der Wiener Klassik zuhause, setzt er sich intensiv mit der Interpretation sowohl alter als auch neuer Musik auseinander. Seine außerordentliche Begabung als Schauspieler führte ihn noch während seiner Schulzeit an das Wiener Burgtheater. 1994 begann seine Zusammenarbeit mit Nikolaus Harnoncourt mit Aufführungen

bei den Wiener Festwochen (Haydns L’anima del filosofo, Schuberts Alfonso und Estrella) und später bei der Grazer Styriarte (Offenbachs La Grande Duchesse de Gerolstein, Carmen). Es folgten Einladungen zu Ensembles der Originalklang-Szene, u. a. von Christophe Coin, Thomas Hengelbrock, Jordi Savall sowie Giovanni Anzonini und Luca Pianca mit Il Giardino Armonico. Er wirkte als Interpret mozartscher Rollen an Bühnen in Frankreich, Deutschland, Schweiz, Italien und Österreich mit. Zu seinen wichtigsten Partien zählen Papageno, Don Alfonso (u. a. mit Thomas Hengelbrock bei den Sommerfestspielen Baden-Baden) und Don Giovanni (in der Inszenierung von Tobias Moretti 2002). Als Interpret zeitgenössischer Musik zählt er inzwischen zu den gefragtesten Sängern seines Fachs, was durch zahlreiche Ur- und Erstaufführungen dokumentiert wird, u. a. M. A. Turnages Greek (Jeunesse Festival), HK Grubers Gloria vom Jaxtberg (Wien modern), S. Sciarrinos Luci mie traditrici (Wiener Festwochen und Schwetzinger Festspiele), G. F. Haas’ Nacht und Die Schöne Wunde (Bregenzer Festspiele), L. Berios Un re in ascolto (Grand Théâtre de Genève, W. Mitterers Massacre (Wiener Festwochen, H. Goebbels’ Landschaften mit entfernten Verwandten (Grand Théâtre de Genève, Berliner Festwochen, Holland Festival) und O. Neuwirths Lost highway (steirischer herbst, Stadttheater Basel).

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Mit dem Lautenisten Luca Pianca und dem Pianisten Gerard Wyss gestaltete Georg Nigl Liederabende in Europa und den USA. Die schöne Magelone von Johannes Brahms führte er sowohl mit Sir Peter Ustinov als auch mit Anne Bennent auf. Großen Erfolg hatte er mit seiner eigenen Serie von Liederabenden am Wiener Konzerthaus, die den Spuren des Liedes durch fünf Jahrhunderte folgt. Zu den Höhepunkten der Saison 2005/2006 zählt bereits sein Debüt in der Titelpartie der neuen Oper Faustus von Pascal Dusapin an der Staatsoper Unter den Linden Berlin und am Opernhaus in Lyon (Regie: Peter Mussbach). Hinzu kommen u. a. Konzertauftritte an der Kölner Philharmonie, im Parco della Musica Rom, im Wiener Musikverein, bei den Bregenzer Festspielen und den Klangspuren Schwaz, sowie für die kommende Saison Einladungen zu den Salzburger Festspielen, dem Théâtre du Chatelet, der Opera de Lyon und dem Théâtre de la Monnaie. Svetlana Doneva wurde in Bulgarien geboren und studierte an der Staatlichen Akademie für Musik in Sofia. Danach folgten Meisterkurse u.a. bei Raina Kabaivanska, Anita Cerquetti, Alberta Valentini und Giusi Devinu in Italien. 2002–2003 war sie Stipendiatin am Internationalen Opernstudio der Oper Zürich. Zunächst debütierte sie u. a. am Opernhaus Sofia als Gretel (Humperdinck) und Gilda und in St. Zagora als Lucia (Donizetti), Mimi und Violetta. In der Saison 2002/03 war sie am Opernhaus Zürich als Cover 28

für Edita Gruberova in der Partie der Maria Stuarda in Donizettis gleichnamiger Oper engagiert. Im Mai 2003 gab sie ihr Rollendebüt am Opernhaus Zürich als Lady Billows in Brittens Albert Herring und als Anna Kennedy in Donizettis Maria Stuarda. Im September 2003 sang sie in Palma de Mallorca die Musetta in La Bohème sowie La Traviata in Barcelona. Als Traviata und Gilda (Rigoletto) gastierte sie auch in Rom. Als Lina in Verdis Stiffelio trat Svetlana Doneva in Biel und Solothurn auf, im Mai 2005 sang sie mit großem Erfolg die Traviata in Frankfurt und die Konstanze (Entführung aus dem Serail) in Aachen. Konzerte führten sie u. a. nach Spanien (Orffs Carmina Burana), Argentinien, Japan und Italien und mit der Graner Fest-Messe von Liszt nach Zürich und Basel. In der Tonhalle Zürich sang Svetlana Doneva das Requiem von Brahms. Künftige Pläne: Elisa in Il re pastore von Mozart unter Thomas Hengelbrock in Salzburg, Bremen und Bonn, Gilda in Rigoletto und La Traviata in Marseille, Donna Anna mit René Jacobs bei den Festspielen in Innsbruck, in Baden-Baden, Paris und Brüssel mit anschließender Einspielung für harmonia mundi, Traviata, Ginevra (Ariodante von Händel) und Konstanze an der Opera Frankfurt, Konzerte mit Frank Martins Maria-Tryptichon und dem Requiem von Mozart in Serbien, die Missa Solemnis in Basel, Haydns Solokantate Qual dubbio omai und die Harmonie-Messe in Zürich sowie Konzerte mit Arien von Händel mit dem Balthasar-Neumann-Ensemble.

Andreas Karasiak studierte Gesang bei Claudia Eder und Barockmusik bei René Jacobs und war Preisträger beim Bundeswettbewerb Gesang. Er war am Nationaltheater Mannheim engagiert als Tamino, Ferrando, Belmonte, Jaquino, Alfred (Die Fledermaus), Schwan (Carmina Burana), Testo (Combattimento di Tancredi e Clorinda) und Uriel (Die Schöpfung), gastierte in Stuttgart, Braunschweig, Oldenburg, Mainz, Kaiserslautern, Wiesbaden und Weimar und arbeitete mit Regisseuren wie Katharina Thalbach und George Tabori. 29

2003 gab er sein Debut am Theater Basel unter K. Junghänel und als Bazzotto in Bendas Il buon marito in Bilbao unter M. Haselböck. Er konzertierte unter Frühbeck de Burgos, Weil, Bernius, Creed, Rilling, Max, Cambreling, Leonhardt, Koopman, Herreweghe, Zinman u. v. a. sowie mit der Akademie für Alte Musik Berlin, Concerto Köln, dem Freiburger Barockorchester, dem Dresdner Kreuzchor, dem Thomanerchor Leipzig und dem Knabenchor Hannover. Dazu kommen Aufnahmen mit La Stagione Frankfurt, dem Orchestre des Champs Elysées, dem RIAS Kammerchor und dem Thomanerchor Leipzig. Er wirkte mit bei CDProduktionen unter B. Weil (Glucks L’innocenza giustificata) und C. Spering (Weihnachtsoratorium von Cartellieri), sang mit dem Théâtre Royal de la Monnaie in Melbourne (Telemaco in Monteverdis Il ritorno d’Ulisse in patria) und die Rolle des Marco Orazio in Cimarosas Gli Orazi e i Curiazi bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen. Engagements der Saison 2005/06 beinhalten Konzerte und Aufnahmen mit Ton Koopman und dem Amsterdam Baroque Orchestra, Scarlattis Weihnachtskantate Cinque profeti mit dem Deutschen Sinfonieorchester Berlin, Bachs Matthäuspassion unter Michel Corboz und die Rolle des Agenore in Mozarts Il re pastore unter Thomas Hengelbrock bei den Salzburger Festpielen, dem Musikfest Bremen und dem Beethovenfest Bonn.

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Boris Petronje wurde in Serbien geboren. Im Jahr 2002 schloss er sein Gesangsstudium bei Prof. Biserka Cvejic an der Hochschule für Musik, Belgrad ab. Er ist mehrfacher Preisträger an bedeutenden Gesangswettbewerbe seiner Heimat, errang beim Republikswettbewerb in Belgrad den ersten Sonderpreis, beim Bundeswettbewerb in Kotor den ersten Preis, einen Preis beim Wettbewerb des Sologesangs «Nikola Cvejic» sowie den Preis für die beste Interpretati-

on, zudem den Preis der Hochschule für Musik in Belgrad 2000/01 und den Preis für den aussichtsreichsten Opernsänger in der Saison 2001/02. Boris Petronje gewann auch das Preisstipendium des Fonds für Förderung der Vokalkunst bei Jugendlichen «Melania Bugarinovic» für die Jahre 1997, 1998 und 1999. Darüberhinaus trat er in vielen Konzerten, Musikfestspielen (BEMUS, NOMUS, BELEF, LEMEK, Mokranjac-Tage, u. a.) auf. Erste Berufserfahrung sammelte er im Opernhaus von Novi Sad seit 1997, wo er die Partien des Iwan (Die Fledermaus), des alten Zigeuners (Il Trovatore) und des Schließers (Tosca) verkörperte. 1999 wechselte Boris Petronje zum Opernhaus von Belgrad, wo er die Partien des Leone (Attila), des Oberpriesters (Nabucco), des Colline (La Bohème), des Mesner (Tosca), Sparafucile (Rigoletto) und Sarastro sang. 2003 besuchte er das Internationale Opernstudio am Opernhaus Zürich, wo er den Schließer (Tosca), einen Deputaten (Don Carlos), Sarastro, Macrobio in Rossinis La Pietra del Paragone und Billy (La Fanciulla del West) sang. Seit der Spielzeit 2004/05 ist Boris Petronje am Luzerner Theater engagiert, wo er in den Partien des Lautsprechers in Viktor Ullmanns Der Kaiser von Atlantis, Fürst Basil Basilowitsch (Der Graf von Luxemburg), Monterone (Rigoletto), Parson Alltalk und Simon in der schweizerischen Uraufführung von Scott Joplins Treemonisha, Don Basilio (Il Barbiere di Siviglia), Osmin (Entführung) und Fürst Gremin (Eugen Onegin) zu hören ist.

Geboren in Wien, studierte Arpiné Rahdjian zunächst Veterinärmedizin, ehe sie sich für die Sängerlaufbahn entschied. Sie schloss das Studium am Konservatorium der Stadt Wien 2002 mit Auszeichnung ab. Weitere Impulse vermittelten ihr Meisterklassen bei Patricia Wise, Olivera Miljakovic, Walter Berry und Christa Ludwig. Seit 2004 arbeitet sie regelmäßig und intensiv mit Mirella Freni. Im Juli 2002 gewann Arpiné Rahdjian beim Internationalen Hans-Gabor-Belvedere31

Wettbewerb nicht nur den 1. Preis in der Kategorie Operette, sondern auch weitere Spezialpreise, den Preis für die beste österreichische Sängerin sowie den Preis für die beste Bühnenpräsenz. Erste Engagements erhielt die junge Sängerin beim Wiener Festival «Klangbogen», bei den Wiener Festwochen, im Theater an der Wien, im Wiener Konzerthaus, im Wiener Musikverein, am Stadttheater Klagenfurt, am Landestheater Salzburg, im Bregenzer Festspielhaus und in Cleveland mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra. Sie nahm an Tourneen nach Japan, in die Schweiz, in die Tschechische Republik und nach Kanada teil. Im Juni 2005 gab sie ihr Debüt bei der Styriarte in Graz als Micaëla in Bizets Carmen (Dirigent: Nikolaus Harnoncourt / Inszenierung: Andrea Breth) und wurde von Publikum und Presse bejubelt. In dieser Spielzeit singt sie diese Partie auch an der Deutschen Staatsoper Unter den Linden in Berlin und in Hamburg. Sie wird ihr Debüt bei den Salzburger Festspielen 2006 in Mozarts Il re pastore unter Thomas Hengelbrock und anschließenden Koproduktionen mit dem Musikfest Bremen und dem Beethovenfest in Bonn feiern. Arpiné Rahdjians Repertoire umfasst derzeit u. a. Fiordiligi (Così fan tutte), Contessa (Le nozze di Figaro), Agathe (Der Freischütz), Gräfin Zedlau (Wiener Blut), Annina (Eine Nacht in Venedig), Liù (Turandot) und Micaëla (Carmen).

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Tiziano Bracci schloss sein Studium an der Internationalen Musikhochschule in Mailand ab und vervollständigt seine Ausbildung seit 2001 bei Aramayo Sandivari. 2004 war er an der Académie Europeenne de Musique in Aix-en-Provence, wo er bei Rachel Yakar und Edda Moser studierte. Bei wichtigen internationalen Wettbewerben gewann er z. B. den ersten Preis als Pietro Mongini in Ispra 2003, den dritten Preis beim Viotti-Wettbewerb in Vercelli 2004 und den ersten Preis beim Spiros-Argiris-Wettbewerb in Sarzana 2005. Tiziano Bracci debütierte 2004 am Teatro Coccia in Novara als Timur in Puccinis Turandot; weitere

Engagements führten zur Zusammenarbeit mit dem Orchestra Cantelli in Mailand bei Cimarosas L‘impresario in angustie und zur Teilnahme an dem Projekt «La scuola all´opera» am Teatro Donizetti in Bergamo, wo er den Sulpizio in Donizettis La figlia del reggimento sang. Am Teatro Massimo Bellini in Catania übernahm er die Rolle des Uberto in Paisiellos La serva padrona und sang in Cherubinis Il giocatore. Er arbeitete mit dem Orchestra Sinfonica Giuseppe Verdi in Mailand bei Dallapiccolas Volo di notte zusammen und war in Rossinis Petite Messe Solennelle beim Festival delle Nazioni in Città di Castello zu hören. Demnächst wird er am Teatro Verdi in Triest (Paisiellos Il mondo della luna) und am Teatro Bellini in Catania (als Masetto in Mozarts Don Giovanni) auf der Bühne stehen. Tiziano Bracci sang bereits unter Fabrizio Carminate, Romano Gandolfi, Kazushi Ono, Marcello Rota, Gianluca Martinenghi, Marco Zuccarini und Daniel Pacitti und ist auf der Weltersteinspielung von Antonio Giramos Partite sopra Fedele zu hören.

Der Bassbariton Manfred Bittner wurde in Weißenburg (Bayern) geboren und erhielt seine erste grundlegende musikalische Ausbildung bei den Regensburger Domspatzen. Er studierte an der Hochschule für Musik und Theater München und besuchte als Stipendiat des Deutschen Bühnenvereins gleichzeitig die Bayerische Theaterakademie «August Everding» und die dortige Opernschule. Anschließend absolvierte Manfred Bittner ein Meisterklassenstudium an der Musikhochschule Stuttgart und besuchte neben seinem Studium Meisterkurse (u. a. bei Kammersänger Andreas Schmidt und Thomas Quasthoff). Derzeit 33

wird er von Stefan Haselhoff betreut. Das umfangreiche, breitgefächerte Repertoire des Bassbaritons spannt einen Bogen von Werken des Mittelalters über Opern und Oratorien aus Barock, Klassik und Romantik bis hin zu Uraufführungen zeitgenössischer Musik. Zahlreiche Rundfunk- und CD-Aufnahmen ergänzen seine künstlerische Tätigkeit. Konzertreisen führten ihn durch ganz Europa, nach Australien, Japan und Südostasien. Regelmäßig arbeitet er mit renommierten Ensembles wie L’arpa festante, dem Freiburger Barockconsort, dem BalthasarNeumann-Chor und -Ensemble, Concerto Köln und der Hamburger Camerata sowie mit Dirigenten wie Thomas Hengelbrock, Philippe Herreweghe, René Jacobs, Frieder Bernius, Winfried Toll und Stephen Stubbs zusammen. Manfred Bittner gastierte unter anderem bei der Biennale für Neue Musik München, den Wiener Festwochen, den Berliner Festspielen und dem Europäischen Musikfest Stuttgart Katharina Persicke wurde in Göttingen geboren. Nach anfänglichen Gesangsstudien bei Walker Wyatt (Kassel) und Prof. Renate Faltin (Berlin) begann sie 1998 ihre Hochschulausbildung im Hauptfach Gesang. Bis 2003 studierte sie erfolgreich an der Hochschule für Musik «Carl Maria von Weber» in Dresden bei Prof. Christian Elßner. Ab dem Wintersemester 2003/04 wechselte sie zu der Freiburger Hochschule für Musik für ein Aufbaustudium zur 34

Gesangssolistin in der Klasse von Prof. Dorothea Wirtz, welches sie im Herbst 2005 mit Auszeichnung abschloss. Katharina Persicke nahm an Meisterkursen bei Brigitte Fassbaender und Peter Schreier teil. Von 2001 bis 2003 war sie Gast des Ensembles der Sächsischen Staatsoper Dresden in der Produktion Die lustigen Nibelungen von Oskar Straus. Danach folgte ein Gastvertrag am Stadttheater Freiburg in Gaetano Donizettis L´Elisir d’amore als Gianetta. Mit dieser Partie gastierte sie erneut im vergangenen Herbst am Oldenburgischen Staatstheater. 2003 war ˇ Katharina Persicke Finalistin des Dvorak-Liedwettbewerbes in Karlovy Vary (Karlsbad). Sie ist gefragte Solistin in den Bereichen Kirchenmusik (Hugo-Distler-Chor, Singakademie Dresden, Deutsch-Französischer Chor Freiburg, Philharmonisches Orchester Teplice, u. v. m.), Operette und Kammermusik (zahlreiche Liederabende in Dresden, Freiburg, Kassel und Umgebung). Sie war Solistin des Sorbischen Künstlerbundes ˇ ˇ dujo psez ˇ pola» in der Konzertreihe «Gazˇ wetsyk («Wenn der Wind über die Felder weht»). Es erfolgten mehrere Rundfunkproduktionen des SFB und RBB. Die Gächinger Kantorei Stuttgart unter der Leitung von Helmut Rilling lädt sie zur regelmäßigen Zusammenarbeit ein.

Neben seinem Studium der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft an der FU Berlin arbeitete Freo Majer als Dramaturg für freie Opernproduktionen und Festivals. Hinzu kamen Aufträge für Übersetzungen und Recherchen, u. a. für Random House. In seinem anschließenden Regiestudium an der Hochschule für Musik «Hanns Eisler» in Berlin belegte er im Nebenfach Jazzgesang. Er war freier Mitarbeiter bei DoRo Produktion Wien/Berlin und besuchte Meisterkurse bei Ruth Berghaus, Peter Konwitschny, Willy Decker und Christine Mielitz. Er war persönlicher Assistent und Hospitant bei Ruth Berghaus und Joachim Herz (u. a. an der Hamburgischen 35

Staatsoper, am Staatstheater Stuttgart, an der Oper Leipzig und am Teatro Comunale di Bologna). Während seiner Arbeit als Spielleiter am Bremer Theater war er Assistent u. a. bei Christof Loy, Alfred Kirchner, Konstanze Lauterbach und Hans Kresnik sowie Teilnehmer am Internationalen Forum Junger Bühnenangehöriger. Seit 2004 arbeitet er als freier Regisseur. Zu seinen Inszenierungen zählen: Brechts Hauspostille am Berliner Ensemble, Der Zar läßt sich photographieren/ Der Diktator von Weill und Krenek beim KurtWeill-Fest Dessau und Horrible Fax von Andreas Gryphius am Staatstheater Kassel. Am Bremer Theater zeichnete er verantwortlich für Jacques Offenbachs Abendwind, Karl Valentins Der Regen, die Fliege, Mariechen, Brittens The Rape of Lucretia und Solaris von Michael Obst. Für Leuchtende Liebe, Lachender Tod, eine Filmproduktion von arte, inszenierte er Szenen aus Richard Wagners Ring des Nibelungen. Zu seinen jüngsten Produktionen zählen Janaceks Das schlaue Füchslein und Mozarts Zauberflöte am Theater Kiel sowie Lortzings Wildschütz am Theater Heidelberg.

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Der gebürtige Salzburger Renato Uz studierte Bühne und Kostümbild am Mozarteum. Nach Stationen in Berlin, Bochum und Frankfurt wechselte er 1985 als Assistent an das Staatstheater Stuttgart, wo er u. a. unter Ivan Nagel, Rolf Glittenberg und Anna Viebrock arbeitete. Seit 1987 ist er als Bühnen- und Kostümbildner sowie als Schauspieler freiberuflich tätig. Eine enge Zusammenarbeit verbindet ihn mit Kurt Palm, für den er u. a. die Ausstattung für Johann Strauss’ Fledermaus in Dublin und Carl Maria

von Webers Freischütz in Linz sowie für verschiedene Stücke von Flann O’Brien entwarf. Desweiteren zeichnete er für die Ausstattung der legendären Nette Leit Show von Hermes Phettberg und Kurt Palm verantwortlich. In den letzten Jahren widmete er sich verstärkt dem Musiktheater, wo er u. a. Richard Strauss’ Ariadne auf Naxos und Kurt Weills Mahagonny ausstattete.

In Wilhelmshaven geboren, begann Petra Weikert bereits während ihres Studiums in Berlin als Bühnen- und Kostümbildnerin an verschiedenen Off-Theatern und freien Bühnen zu arbeiten. Seit 1993 ist sie als Assistentin und Mitarbeiterin von Achim Freyer an internationalen renommierten Opernhäusern tätig (Tristan und Isolde in Brüssel, Alceste bei den Wiener Festwochen, 37

Iphigenie an der Opèra de la Bastille Paris, h-Moll-Messe bei den Schwetzinger Festspielen, Salome und Verdis Messa da Requiem an der Deutschen Oper Berlin, La Damnation de Faust in Warschau und Los Angeles u. a.) Seit 1996 ist Petra Weikert als Technische Produktionsleiterin der Schwetzinger Festspiele tätig. 1997 hatte sie die technische Produktionsleitung des Regensburger Kultursommers inne. Als Bühnenund Kostümbildnerin arbeitete sie für mehrere internationale Theater- und Musikfestivals sowie für das Staatstheater Cottbus, das Theater Görlitz, das Stadttheater Bautzen und die Musikakademie Rheinsberg. Ihre Produktion Festa teatrale (Dirigent: Thomas Hengelbrock), in der sie neben der Ausstattung auch die Regie übernommen hatte, wurde 1999 von ZDF und 3Sat aufgezeichnet und u. a. bei ARTE gesendet. Zur Zeit arbeitet Petra Weikert als Bühnen- und Kostümbildnerin an einer szenischen Version der Brockes-Passion von Georg Friedrich Händel (Philharmonie Berlin, Frankfurt/Oder).

Bildnachweise Katrin Heyer Probenfotos Stefan Korn Thomas Hengelbrock Telemach Wiesinger Ensembles F. Messner-Rast Georg Nigl

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The Secret Agent

20.5.06

Altes Hallenbad

The Secret Agent Uraufführung Musiktheater von Simon Wills nach Joseph Conrad 20. Mai 2006 | 19.00 Uhr Altes Hallenbad

Simon Wills Libretto, Komposition, Musikalische Leitung Katrin Hiller Regie Irfan Önürmen Bühnenbild Harry Lifschitz Licht Peter Kajlinger Charles Verloc Barbara Ostertag Winnie Verloc Rafael Vazquez Inspector Heat Bernhard Landauer Professor Yehuda Almagor Stevie

Daisy Jopling Violine Daniela Ivanova Viola Orlando Jopling Violoncello Katy Gainham Flöte Peter Furniss Klarinette Hugh Webb Harfe Wolfgang Lindner Schlagwerk

The Secret Agent ist eine Auftragskomposition des Feldkirch Festivals. Einführung Simon Wills im Gespräch mit Michael Schetelich Altes Hallenbad, OG 18.00 Uhr

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Alle Skizzen in diesem Heft sind originale Entwürfe von Irfan Önürmen für diese Produktion.

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The Secret Agent The Merry Prologue I have many many names. The Verlocs’ Home What is going on in your head? Winnie Verloc beobachtet ihren Bruder Stevie, während der – wie jeden Tag – Kreise zeichnet. I hate your secrets. Charles Verloc, ihr Ehemann, kommt deprimiert aus dem Geschäft. Winnie beklagt sich über seinen Umgang und die Heimlichkeiten ihr gegenüber I must be careful. Inspektor Heat stattet den Verlocs einen ziemlich beunruhigenden Besuch ab. Charles verlässt das Haus und geht zu einem obskuren politischen Treffen. When the wind blows what will you do? Allein mit Winnie, versucht Heat sie zu verführen – ganz besonders erfolglos. Stevie geht mit einem Messer auf ihn los – niemand wird verletzt. He is a good man. – I have no choice. Nachdem Heat sie allein gelassen hat, versucht Winnie, Stevie zu beruhigen. Währenddessen erhält Charles einen neuen (geheimen) Auftrag.

The Street We want activity. Charles – tief gedemütigt von seinen Auftraggebern – hadert mit dem Befehl, die GreenwichSternwarte in die Luft zu jagen – doch leider braucht er das Geld. Der Professor fängt ihn ab und bietet ihm seine Unterstützung an. Round and round and round. Stevie hat Vorahnungen und versucht, sie zu artikulieren. Aber er kann es nicht. The Professor’s Parlour Blow them apart. Der Professor bastelt in größter Lust die Bombe und überzeugt Charles davon, sie von Stevie platzieren zu lassen. What are you about you weasel? Inspektor Heat – offensichtlich alle bespitzelnd – versucht, den Professor unter Druck zu setzen, aber leider entpuppt er sich als potentieller Selbstmordattentäter. The Verlocs’ Home Three islands in the same sea. Charles hat seinen Mantel Stevie geschenkt, Winnie näht ihre Adresse ein, damit er nicht verloren geht auf seiner Reise an die See. Sie ahnt nicht, dass er dort niemals ankommen wird. 5

plötzlich ist dann das Tor zur Geisteskrankheit aufgestoßen – da fallen dann natürlich wichtige Entscheidungen. Rainald Goetz 6

Public House Do you remember the trees? Charles erklärt Stevie eindringlich, was er zu tun hat und worauf er achten muss – der Professor, verkleidet als Prostituierte, versucht ihn abzulenken. Greenwich Die Bombe explodiert, Stevie stirbt. The Morgue He never knew what hit him. Inspektor Heat findet die Überreste des Mantels und schließt daraus, dass Charles das Attentat verübt hat und tot ist.

Trust me, I’m a policeman. Winnie lässt sich auf Heat ein, bevor er den toten Charles Verloc entdeckt. Er verlässt sie, um angeblich die gemeinsame Flucht vorzubereiten. Poor Tom’s a cold. Der Professor warnt Winnie vor Heat. He was beautiful and he loved me. Winnie, in großer Trauer, geht in den Tod. Finale Oh yes, it is a game. Half understood.

The Verlocs’ Home I don’t like your song. Heat besucht Winnie, um ihr von dem Anschlag zu berichten – und möglicherweise direkt die Lücke zu füllen. It couldn’t be helped. Charles kehrt zurück und versucht sich bei Winnie zu entschuldigen. Zu spät – in ihrer Trauer um ihren Bruder ersticht sie ihn.

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One cannot make an omelet without breaking eggs ... But it is amazing how many eggs one can break without making a decent omelet. Charles Issawi

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Jetzt folgt dem Sommer unserer Bitterkeit der Sommer unsrer Macht, die Sonne Yorks. Die Wolken alle, die einst hießen Tod, sind längst begraben schon im Meeresschoß: Auf unsrer Stirn der Lorbeerkranz des Siegs, ein Denkmal unsrer Macht der Waffenberg und unser Kriegsgeheul Triumphgeschrei. Der Marsch der Krieger weicht dem Tänzerschritt: Der Krieg streicht sich, statt auf stahlgezäumtem Pferd die Seelen unsrer Feinde zu erschrecken, sehr elegant ins Zimmer einer Dame: Dort spielt er Laute, ach, verführerisch. Doch ich, nicht ausgestattet mit solch Tricks nicht sehr geübt im Kokettiern für Spiegel; ich, roh gehauen, fein geschnitten nicht, unfähig, Huren tänzelnd zu hofieren, ich, dem das gute Gleichmaß grob verkürzt, den die Natur um Schönheit hart betrog, halbfertig ausgestoßen vor der Zeit, schnell abgenabelt in die Atemwelt, ein Auswurf, hinkend und so schief gebaut, daß Köter kläffen, hink ich dran vorbei, ja, ich kann diesem Friedenstralala kein Spaß entreißen, meinen Tag zu fülln, als in der Sonne meinen Schatten sehn, und breitzureden meinen Krüppelleib. Weil ich den Liebhaber nicht spielen kann, die Tage voll Geschwätz mir kürzend so, hab ich beschlossen, hier den Dreckskerl aufzuführn, zu hassen all die Scherze dieser Zeit:

Schädelbasislektion 1 Was du bist steht am Rand Anatomischer Tafeln. Dem Skelett an der Wand Was von Seele zu schwafeln Liegt gerad so verquer Wie im Rachen der Zeit (Kleinhirn hin, Stammhirn her) Diese Scheiß Sterblichkeit. Durs Grünbein

Monolog des Gloster aus Shakespeares Richard III. 9

«Once the rockets are up, who cares where they come down That‘s not my department,» says Wernher von Braun. Tom Lehrer

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How To Kill Under the parabola of a ball, a child turning into a man, I looked into the air too long. The ball fell in my hand, it sang in the closed fist: Open Open Behold a gift designed to kill. Now in my dial of glass appears the soldier who is going to die. He smiles, and moves about in ways his mother knows, habits of his. The wires touch his face: I cry NOW. Death, like a familiar, hears and look, has made a man of dust of a man of flesh. This sorcery I do. Being damned, I am amused to see the centre of love diffused and the wave of love travel into vacancy. How easy it is to make a ghost.

The revolutionary can have no friendship or attachment, except for those who have proved by their actions that they, like him, are dedicated to revolution. The degree of friendship, devotion and obligation toward such a comrade is determined solely by the degree of his usefulness to the cause of total revolutionary destruction. Sergei Nechayev

This is the way the world ends This is the way the world ends This is the way the world ends Not with a bang but a whimper. TS Eliot, in: The Hollow Men

The weightless mosquito touches her tiny shadow on the stone, and with how like, how infinite a lightness, man and shadow meet. They fuse. A shadow is a man when the mosquito death approaches. Keith Douglas

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Mr Verloc extended as much recognition to Stevie as a man not particularly fond of animals may give to his wife´s beloved cat Joseph Conrad, in: The Secret Agent

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Wie war es WIRKLICH? Von Bomben, Kreisen und Männern im Krieg von Simon Wills Es widerstrebt uns zu glauben, dass große Ereignisse simple Gründe haben können; noch weniger können wir akzeptieren, dass große Untaten das Werk der Schwachen oder Dummen sind. Dennoch lehrt die Geschichte, dass in vielen Fällen das Böse nicht nur banal, sondern zwecklos ist. Ich bin mir sicher, dass heute wieder irgendwo auf der Welt ein armer Teufel zum Opfer einer Zufallsbombe wird. Genauso sicher bin ich mir, dass nichts Wertvolles durch das so verursachte Leid erreicht wird. Vor vielen Jahren habe ich es knapp verpasst, von Terroristen in die Luft gejagt zu werden. Eine Bombe war vor einem Theater deponiert, zwei irische Nationalisten hofften, das Publikum beim Heimweg zu töten. Es wäre eine nutzlose Barbarei gewesen, hätten sie Erfolg gehabt; die Bombe ging jedoch zu früh los und vernichtete sie beide. Ich war nah genug, um die Erschütterung zu spüren und den Blitz zu sehen, aber es hat mich nichts getroffen, zumindest nicht meinen Körper. Später erfuhr ich, dass einer der Toten ein Kind von achtzehn Jahren war. The Secret Agent handelt nicht von diesen Bombenattentätern, oder irgendeiner anderen anarchistischen Bewegung. Es gibt hier keinen Nechayev, noch weniger einen Osama bin Laden oder einen Donald Rumsfeld. In der Tat

fehlt hier auch jeder politische Diskurs, der diesen Namen wert wäre: Es ist eine häusliche Tragödie, und die Figuren sind hauptsächlich wie wir, einfache und unvollkommene Leute, die zerstört werden durch ihren Mangel an Einfühlung, Mangel an Kommunikation, Mangel an Liebe. Es konnte nicht anders sein: Der Fanatiker, der denkt, man könne in den Himmel kommen, wenn man die Hölle auf Erden erzeugt, steht außerhalb meines Vorstellungsvermögens. Ich kann versuchen, mir den Weg einer einfachen, ungebildeten, jungen Person vom normalen Leben zu jener Vernichtung vorzustellen, deren Zeuge ich vor all den Jahren war; und dies war der Punkt, an dem ich meine Bearbeitung von Joseph Conrads Roman begann. Emotionale Reise und Konfrontation sind das eigentliche Geschäft der Oper. Als ich ein Kind war, trieb ich die Erwachsenen zur Verzweiflung mit meiner immer wiederkehrenden Frage: «Wie war es wirklich?» Das mache ich immer noch. Es ist das wichtigste, was ein Komponist fragen kann. Man kann nur ziemlich wenige Ereignisse in einem Musikdrama unterbringen, und der Prozess muss einen scharfen und engen Fokus auf die Erfahrung der Situation auf der Bühne haben: Musik handelt von Sachen, die zu genau für Worte sind, und Komplexität entspricht oft einer Verwässerung.

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Aus diesem Grund war Conrads Roman keine offensichtliche Wahl. Es ist ein trauriges Werk und war nie besonders populär. Es ist komplex, hat viele nur kurz auftretende Charaktere – selten gut beim genauen Blick durch das Opernglas –, und ein großer Teil des Buches besteht aus der Beschreibung der polizeilichen Ermittlung. Der herausforderndste Aspekt des Librettos war jedenfalls nicht die Weitschweifigkeit der Erzählung. Seine Form ist sehr literarisch und besetzt von innerem Dialog, aber die zentrale Katastrophe hat einen hinreichend opernhaften Charakter. Nein, was mich mich am meisten beschäftigte, war die Tatsache, dass zwei wichtige Figuren schweigen – weil sie Abtraktionen sind. Diese stellen «The Great Game» dar – wie Realpolitik im England des 19. Jahrhunderts genannt wurde – und sexuelle Veleugnung, die überall im Buch schmerzend aufschreit. Es ist eine schreckliche Logik hinter Winnies Vernichtung ihres Ehemannes als Erwiderung auf die Nachfrage nach körperlicher Bequemlichkeit. Realpolitik und Polizeiermittlung wurden bald als Ablenkungen von dem Hauptantrieb der Geschichte erkannt. Andere Lösungen wurden während des Eindampfens der ca. dreißig Charaktere der Geschichte auf lediglich fünf gefunden. Ich machte einige beträchtliche Änderungen, am wenigsten jedoch bei Verloc selbst: Er ist etwas leichter, komischer und sympatischer geworden. Man könnte glauben, dass er unter 14

anderen Umständen ein anständiges Leben hätte, und ich bin mir nicht sicher, ob dies auch für die Vorlage zutrifft. Der Professor hat sich von einer widerlichen Nummer zu einer Art diabolus ex machina entwickelt – mit etwas mehr von einem Sparafucile. Im Buch ist Winnie unbewusst, emotional verschlossen und in irgendeiner Weise verletzt. Dieser Aspekt ihres Charakters wurde in meiner Version beibehalten, indem ich sie im ersten Teil weitgehend schweigen lasse. Still aber anwesend ist sie und findet ihre Stimme erst vollständig, wenn die Vernichtung schon im Gange ist. Chief Inspector Heat ist weitgehend meine eigene Erfindung. Im Buch ist er ein methodischer, schwerfälliger, ziemlich uninspi-

rierter Mann mit einer gewissen Integrität. In der Oper ist er ein kleiner Dämon, besessen von Macht, ein unmoralischer Maulheld, der seine Menschenkenntnis missbraucht. Diese Veränderung war nötig, um die dramatische Spannung zu erhöhen und mir eine weitere Dimension für den musikalischen Wortschatz zur Verfügung zu stellen. Andere finden ihren Weg in die orchestralen Strukturen oder auf die Bühne. Der Terroristenboss Mr Vladimir (der nie zu sehen ist) hat ein Leitmotiv und wird ausführlich in Verlocs esprit d’escalier zitiert. Ich habe nie daran gedacht, einen Vokalpart für Stevie zu schreiben. Nach der Tat weiß ich nun, dass diese instinktive Entscheidung richtig war. Eine der Ironien unserer Version – bei Conrad nicht vorhanden – ist, dass der am offensichtlichsten beschädigte Charakter tatsächlich jener mit dem größten emotionalen Einblick ist. Alfred Hitchcock (der einen ziemlich erfolglosen Film aus dieser Geschichte gemacht hat) sagte die berühmten Worte: Im Kino erzählen die Bilder die Geschichte. Dialog ist nicht mehr als Athmosphäre. Ein wichtiger Rat für den Drehbuchschreiber: Ersetze «Bilder» durch «Musik» und es wird ebenso wahr für den Librettisten. Aus diesem Grund denke ich nicht, dass es wesentlich ist, dass das Libretto auf Englisch ist. Deutsch ist für mich eine spät erworbene Viertsprache, und obwohl ich es verstehe, tue ich es doch nicht in den Nuancen; sicherlich wäre für mich ein

Libretto mit der emotionalen Genauigkeit, die ich fordere, unmöglich gewesen. Aber ich denke, Hitchcocks Worte taugen für die Oper wie für den Film, wenn der Komponist seine Arbeit gut macht. Die Sorgfalt, mit der das Libretto gebaut wurde, bürdete der Musik formale Genauigkeit auf. Meine Komponisteninstinkte sind barock, womit ich meine, dass ich es vorziehe, eine deutliche Struktur vorzugeben, in der die eher ausdrucksvollen Elemente der Musik freies Spiel haben. Hieraus entspringt ganz selbstverständlich, dass jede der zwanzig kurzen Szenen der Oper aus einem Tanz oder einer anderen barocken Form dieser Art besteht – ein Kanontrio, die Sarabande des Professors, Heats Menuett. Während der Proben wies jemand darauf hin, wieviele Wiegenlieder in dem Stück sind – eine Tatsache, die ich etwas beunruhigend fand. Es verwundert vielleicht nicht, dass ein Komponist, der in der englischen Songtradition verwurzelt ist, so viele Arien einbaut. Die Oper teilt sich ganz natürlich in Nummern auf, aber es gibt auch eine übergeornete Form, die die mehr als 3500 Takte zusammenhält. In beiden Versionen der Geschichte zeichnet Stevie wie besessen Kreise (und wir sollten nicht vergessen, dass Dante die Hölle in Kreisen darstellt.). Musikalisch gesehen haben wir es auch mit einer Kreisform zu tun. Es handelt sich, mit 15

Abweichungen, um eine symphonische Entwicklung, deren Wiederholungen sich einem Palindrom nähern. Ich liebe Puzzles und Symbole in der Musik; es sind hervorragende Diener, aber armselige Meister, und es besteht immer die Gefahr, dass ein Leitmotiv für jedes Ereignis und jede Idee pedantisch wirkt. Ich war sehr standhaft, und obwohl es Leitmotive gibt, sind sie nur von geringer Anzahl und dreistem Charakter. Manche beschreiben Physisches. Charles Verloc hat eine schwermütige kleine Weise, und die Melodie, die Winnie zu den Worten «Oh Stevie, whatever shall I do with you» singt, bleibt an dem armen Jungen das ganz Stück hindurch hängen. Aber meist sind die Motive abstrakt. In dem Quartet for Two Voices hat Winnie die Stelle «he is a good man, Stevie», die oft wiederkehrt, normalerweise bei Gespött. Eine gleitende, aufsteigende Akkordfortschreitung, hauptsächlich verknüpft mit Verrat, wurde schamlos aus Die Brück am Tay (Ich komm vom Meer) entnommen, und ich hoffe, das Feldkirch Festival wird mir dieses kleine Auto-Plagiat vergeben. Sogar das Motiv der «tickenden Bombe», zuerst im Prolog zu hören, hat eine weitergehende Bedeutung, und als die Arbeit voranging, merkte ich, dass es überall dort in die Musik kriecht, wo ein Charakter sich gefühlsmäßig versteift, wo Mitgefühl ausbleibt. Es ist nicht überraschend, dass man es oft in Anwesenheit des Professors hört.

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Letztendlich sind es dennoch der Weg und das Gefühl, die zählen, nicht die Gedanken, durch die sie strukturiert sind. Das Jahr, das ich mit dem Schreiben dieses Stückes verbrachte, ist turbulent gewesen; das Leben mit diesen Figuren in diesem moralischen Universum war nicht immer einfach, und die Tatsache, dass ich gerade die Musik für die Bombenbauarie des Professors am 7. Juli schrieb, als die echten Bomben in London losgingen, hat mich aufs Äußerste bestürzt. Zu meiner großen Überraschung stelle ich fest, Hunger auf eine weitere Oper zu haben; und ich habe auch schon eine Geschichte dafür, die aufkam, als ich sah, wie die Bühne für The Secret Agent Gestalt annahm. Am Ende dieses Prozesses habe ich nun einen schärferen Blick des Mitleids auf unsere gegenseitigen Brutalitäten, aber ich begreife immer noch nicht, warum unsere politischen Führer, unserer heutigen Mr Vladimirs, uns so inbrünstig überzeugen sollten, dass wir im Krieg mit einer solchen Schimäre wie dem Terrorismus sind. Denn es ist, in den Worten des Professors, «keine Armee, sondern jemand Verkleidetes neben dir – ich könnte es sein.» Wie Clemenceau beobachtete: «Krieg ist zu wichtig, um ihn den Generälen zu überlassen.» Seine Prämisse war falsch (obwohl der Krieg sicherlich zu wichtig ist, um ihn den Politikern zu überlassen.) Krieg, so wie er ist, wird den Kleinen überlassen, den namenlose Geschöpfen, von denen Chief Inspector Heat singt:

The world is full of harmless people. Were we to admit it What need would there be for policemen?

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How many friendships have you known formed upon principles of virtue? Most friendships are formed by caprice or by chance, mere confederacies in vice or leagues in folly. Samuel Johnson

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II. Meditation Vergrab dein Gesicht in den Händen. Presse sie fest gegen Wangen und Stirn. Laß kein Licht mehr durch die Finger. Richte dich ein in den eigenen Vier Wänden Aus Jochbein, Schädel und Gehirn. Bleib so, der Kopf ist kein Zwinger. Kein Boden fängt auf und kein Dach. Oben sind, unten, rechts und links, Worte. Keins triffts ins Schwarze wie Ach. Vergiß, wo dich nichts kennt, die Orte, Meeresbucht, Stadtrand und Wald. Träum nicht, es sei denn vom Ende. Zwischen Himmel und Erde, kein Spalt Ist da, für dich kein Halt im Gelände, Nur Raum, der dich auslöscht, nur Zeit. Versuche dich nicht zu erinnern. Öffne die Augen, öffne sie weit. Was siehst du jetzt, wenn du dich drehst? Ist das die Dunkelheit im Innern? Ist das die Nacht, in die du gehst?

Ich bin Ophelia. Die der Fluss nicht behalten hat. Die Frau am Strick Die Frau mit den aufgeschnittenen Pulsadern Die Frau mit der Überdosis AUF DEN LIPPEN SCHNEE Die Frau mit dem Kopf im Gasherd. Gestern habe ich aufgehört mich zu töten. Ich bin allein mit meinen Brüsten meinen Schenkeln meinem Schoß. Ich zertrümmre die Werkzeuge meiner Gefangenschaft, den Stuhl, den Tisch, das Bett. Ich zerstöre das Schlachtfeld das mein Heim war. Ich reiße die Türen auf, damit der Wind herein kann und der Schrei der Welt. Ich zerschlage das Fenster. Mit meinen blutenden Händen zerreiße ich die Fotografien der Männer die ich geliebt habe und die mich gebraucht haben auf dem Bett auf dem Tisch auf dem Stuhl auf dem Boden. Ich lege Feuer an mein Gefängnis. Ich werfe meine Kleider in das Feuer. Ich grabe die Uhr aus meiner Brust die mein Herz war. Ich gehe auf die Straße, gekleidet in mein Blut. Heiner Müller

Durs Grünbein

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Depend upon it, sir, when a man knows he is to be hanged in a fortnight, it concentrates his mind wonderfully. Samuel Johnson

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Grausamer Selbstmord eines alten Manns in Innsbruck. . . . Ursache ungeklärt . . . Vielleicht aus Einsamkeit, Wie ein Experte glaubt, aus depressivem Frauenhaß, Hat letzten Donnerstag ein kinderloser Witwer Die weibliche Belegschaft einer Wäscherei schockiert. Daß Alter kaum vor Perversionen schützt, beweist Die eisige Gelassenheit, mit der der Mann am Morgen Zur Tat schritt. Einen welken Rosenstrauß im Arm, Betrat er das Geschäft, rief noch «Grüß Gott» und bat Um ein Glas Wasser für die Herztabletten. Kaum allein Verschwand er still im Nebenraum und legte seinen Kopf Zwischen die Rollen einer Wäschemangel. Das Geräusch

Chen Kaige (Chinesische Legende) Vor langer Zeit badeten zwei himmlische Prinzen in einer Wolke. Plötzlich fielen sie auf die Erde hinab. Der Kaiser sandte seine Soldaten aus, seinen Söhnen die Augen zu schließen. Er wollte vermeiden, dass sie das Böse auf Erden sähen. Den Soldaten gelang es nicht, die Prinzen unter den Menschen zu finden. Sie schlossen die Augen aller auf Erden.

Beschrieb ein Zeuge als das Knirschen einer Autopresse, Sämtliche Wände bis zum zweiten Stock durchdringend. Durs Grünbein

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Moral ganz was schwieriges hochinteressant eigentlich noch nicht richtig gelöst Rainald Goetz

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Simon Wills führt ein erstaunlich vielfältiges kreatives Leben Er ist Dirigent, Komponist, Autor und Filmproduzent. Seine weitreichenden Aktivitäten haben ihn in 46 Länder und auf jeden Kontinent geführt. Sein Kompositionsstil ist hochindividuell, wobei er bewusst außerhalb der modischen und dabei abgeschiedenen Mainstream-Avantgarde bleibt. Er ist geprägt von einem begeisterten Glauben an Klarheit und der Idee, dass ernsthafte, intellektuell entschiedene Musik nicht auf eine undurchsichtige Sprache oder gekünstelte Schwierigkeiten angewiesen sein darf. Dieser Zugang des Komponisten führt zu kraftvollen gestalterischen Spannungen in seinem Werk: Streng disziplinierte klassische Techniken, ein hochentwickelter Sinn für Melancholie und Zartheit, ausgeglichen durch die Faszination an der ironischen und herben Seite des Lebens. Vielleicht sind seine größten Erfolge deshalb im Musiktheater zu finden: Jiggery Pokery, eine moderne «Jonsonian Masque» war ein Skandalerfolg bei der Premiere in London 1999, und das widersprüchliche A Day Close to Summer, geschrieben für das Baden-Badener Festspielhaus 2003, sorgte für eine ausgedehnte Debatte. Die Musik wurde hoch gelobt. 2004 komponierte Simon Wills Die Brück am Tay, eine «Oper ohne Orchester» für das Feldkirch Festival. In dieser theatralischen Version von Fontanes Gedicht werden Sänger und Instrumentalsolisten hinter, über und zwischen den Zuhörern verteilt. Es war beim Publikum und bei der Kritik ein Erfolg, was

zu weiteren Aufführungen führte. In der Woche der Uraufführung von Bruck erlebte das Cheltenham International Festival auch die Premiere von Moro Lasso – songs for unseen singer. Das Jahr 2004 endete mit einem Höhepunkt, der Aufführung von Prelude and Fugue about Quem Pastores Laudavere durch die Berliner Philharmoniker. 2005 bestimmten zwei Werke die Kompositionsarbeit: Sinfonietta for Strings wurde auf Wunsch von Thomas Hengelbrock für die Südamerikatour des Balthasar-Neumann-Ensembles geschrieben. Es ist ein neoklassisches Werk mit einem ganz bewusst fröhlichen Chrakter und so in starkem Kontrast zu der Hauptaufgabe dieses Jahres: The Secret Agent. Wie viele Komponisten kam Simon Wills ans Dirigentenpult, damit seine Musik aufgeführt werden konnte. Dies begann mit einem raffinierten Konzert, das er für Christian Lindberg geschrieben hatte und dessen Uraufführung er in Stockholm leitete. Kurz danach fand er sich mit einem Dirigentenstab neben Gidon Kremer bei der Royal Festival Hall in London und bei Laurie Andersons Meltdown Festival. Er dirigierte auch das Chamber Orchestra of Europe bei seiner eigenen Ouverture Fourscore. Diese Seite seines Schaffens ist in letzter Zeit stetig gewachsen: Im letzten Jahr dirigierte er in Texas sein theatralisches A Breach of the Peace. Er fühlt eine besondere Nähe zu Schostakowitsch, Haydn und Kurt Weill, und seine beängstigenden Fähigkeiten 23

YOU SHOULD LIMIT THE NUMBER OF TIMES YOU ACT AGAINST YOUR NATURE. LIKE SLEEPING WITH PEOPLE YOU HATE. IT‘S INTERESTING TO TEST YOUR CAPABILITIES FOR A WHIILE BUT TOO MUCH WILL CAUSE DAMAGE. Jenny Holzer

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als Orchesterleiter sorgen immer wieder für Kommentare. Er hat eine ganze Reihe von Ensembles in Großbritannien, Europa und den USA geleitet, z. B. im November 2005 das Zyprische Staatsorchester auf Malta bei einem für ihn typischen, gemischten Programm (Haydn, Copland, Zelenka und C.P.E. Bach). Simon Wills plante ursprünglich eine Karriere als Lautenist, kehrte jedoch nach einer schweren Handverletzung zur Posaune zurück und begann zu komponieren. Da er einsah, dass ein guter Komponist vor allem ein praktischer Musiker sein muss, vermied er eine akademische Ausbildung. Er studierte Wirtschaftsgeschichte und lernte sein Musikhandwerk von innen, viele Jahre als erster Posaunist in führenden Orchestern, z. B. am Teatro Massimo in Palermo und beim London Symphony Orchestra. Während dieser Zeit arbeitete er eng mit Leonard Bernstein, Georg Solti, Claudio Abbado, Seiji Ozawa und eigentlich jedem bedeutenden Dirigenten zusammen. Dies führte auch zu Kontakten mit vielen zeitgenössischen Komponisten: u. a. Harrison Birtwistle, John Adams, Peter Eötvös, George Benjamin und Gyorgy Ligeti. 1985 wurde er von Peter Maxwell Davies in dessen Ensemble «The Fires of London» eingeladen. Von 1992 bis 1997 war er erster Posaunist des Chamber Orchestra of Europe. Claudio Abbado ermunterte ihn bei seiner Kompositionsarbeit und fragte ihn, ob er nicht eine Orchesterversion von einigen ProkofiewStücken machen können, die für einen Film der

Deutschen Grammophon Gesellschaft benötigt wurden. Abbado leitete das Chamber Orchestra of Europe und der Film gewann einen Emmy. In diesem Jahr hat Simon Wills bereits ein Hornkonzert für Tim Jones (London Symphony Orchestra) fertiggestellt, erhielt von der Holst Foundation einen Auftrag für ein Streichsextett und wird ein Gesangszyklus für Sopran und Orchester beginnen: Songs of Meeting and Farewell. Für den Sommer hofft er, die Arbeit an seiner dritten Symphonie aufnehmen zu können – und vielleicht ein bisschen auszuruhen. Katrin Hiller wurde in der Nähe von Hannover geboren. Sie studierte Soziologie und Germanistik in Hamburg, 1995–1999 Regie an der Folkwang-Hochschule in Essen. In dieser Zeit inszenierte sie u. a. Das kunstseidene Mädchen von Irmgard Keun und Was ihr wollt von William Shakespeare. Im Musiktheater arbeitete sie mit den Regisseuren Nicholas Broadhurst und Brian Michaels zusammen, u. a. bei den Schlossfestspielen Schwetzingen, und inszenierte sowohl Liedprogramme als auch Niccolo Piccinnis La Pescatrice, Frau Luna von Paul Lincke und Brundibár von Hans Krasá in Mühlheim/Ruhr. 1996 erhielt sie den Folkwang-Preis für darstellende Kunst. In der Folge assistierte Katrin Hiller am Burgtheater Wien bei Andrea Breth, Sven-Eric Bechtolf, Karin Beier und Declan Donellan und inszenierte dort 2000 Gier von Sarah Kane im 25

SOME DAYS YOU WAKE AND IMMEDIATELY START TO WORRY. NOTHING IN PARTICULAR IS WRONG, IT‘S JUST THE SUSPICION THAT FORCES ARE ALIGNING QUIETLY AND THERE WILL BE TROUBLE. Jenny Holzer

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Vestibül. Seitdem ist sie regelmäßig auch als Produktionsleiterin tätig, u. a. bei den Salzburger Festspielen, arbeitete als Co-Regisseurin mit Dimiter Gottscheff zusammen (Salome von Oscar Wilde, Burgtheater 2004), und nahm zweimal als Regisseurin an den Autorenwerkstatttagen am Burgtheater Wien teil. 2005 folgten die Inszenierung von Der Menschenfeind von Molière im Theater im Palais in Graz sowie die Projektarbeit Lieber 99 falsche Tode als zwei Stunden falsches Leben am Theater Neumarkt in Zürich, zuletzt inszenierte Katrin Hiller Das Geheimnis der Irma Vep von Charles Ludlam am Volkstheater Wien. Irfan Önürmen zählt zu den interessantesten türkischen Künstlern der jüngeren Generation. 1958 in Bursa geboren, studierte er Malerei an der Mimar Sinan Universität in Nese. Seit 1985 stellt er in Istanbul, Ankara sowie in Frankfurt, München und Wien aus. Seine oft schemenhaften, an die Malerei von Francis Bacon erinnernden Bilder greifen häufig Alltagsthemen seiner Umwelt auf. In letzter Zeit beschäftigte er sich unter Einbeziehung textiler Werkstoffe verstärkt mit Rauminstallationen. Irfan Önürmen lebt und arbeitet in Istanbul. Peter Kajlinger war von 1999 bis 2002 Ensemblemitglied der Staatsoper Stuttgart. Seine Ausbildung erhielt er an der Königlichen Opern-

schule in Stockholm. Erste Auftritte erfolgten am dortigen Opernstudio als Dr. Blind, Alidoro und Dancairo. Am Königlichen Hoftheater sang er 1989 den Leporello in Don Giovanni und Moralès in Carmen. Ferner gastierte er in der Titelpartie von Mozarts Schauspieldirektor, als Papageno, Leporello und als Figaro am Confidencen in Stockholm sowie in der Titelrolle von Salieris Falstaff am Drottningholmer Hoftheater. Er gastiert regelmäßig in Stockholm und anderen skandinavischen Opernhäusern sowie an verschiedenen Theatern in Deutschland. Als Konzertsänger widmet er sich besonders Werken schwedischer Komponisten, hat aber auch die Zyklen von Franz Schubert, Robert Schumann, Johannes Brahms, Hugo Wolf und Gustav Mahler mit großem Erfolg aufgeführt. Barbara Ostertag wurde in Freiburg im Breisgau geboren. Dort studierte sie zunächst Musikwissenschaft und anschließend Gesang. Dabei wurde sie unter anderem von Heidemarie Tiemann und Gerd Heinz betreut. Sie wirkte bei vielen Lied- und Opernproduktionen mit und war bereits während ihrer Ausbildung als Gast am Freiburger Theater tätig. Meisterkurse bei Kurt Moll, Anna Reynolds und Eugen Rabine runden ihre Ausbildung ab. Ihre sängerische Tätigkeit umfasst gleichermaßen die Bereiche Oper, Oratorium und Lied. 2002 war sie in der Schauspielproduktion Doktor Faustus am Freiburger 27

WHEN YOU EXPECT FAIR PLAY YOU CREATE AN INFECTIOUS BUBBLE OF MADNESS AROUND YOU Jenny Holzer

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Theater zu sehen. 2003⁄04 wirkte sie bei den vielbeachteten Produktionen King Arthur und Metamorphosen der Melancholie unter der Leitung von Thomas Hengelbrock als Solistin mit. Im Bereich Oratorium gilt ihre Aufmerksamkeit besonders den Werken des Barock und der Klassik. Darüber hinaus hat sie sich aber auch als Interpretin der Neuen Musik bekannt gemacht und u. a. mit dem Dirigenten Walter Nußbaum und verschiedenen Komponisten direkt zusammengearbeitet. Der gebürtige Spanier Rafael Vazquez studierte erst Rechtswissenschaft und arbeitete als Anwalt, bevor er sich der Musik widmete – er studierte Gesang in Spanien und Italien sowie an der Guildhall School of Music in London u. a. bei Susan McCulloch, Graham Clark und Jose Jimenez, bevor er 2005 am Studio der Flämischen Oper in Gent aufgenommen wurde. Er sang bisher in Produktionen der Guildhall School, sowie in Newcastle, im South Bank Centre sowie an der Royal Opera Covent Garden. Der Altist Bernhard Landauer ist gebürtiger Innsbrucker und lebt in Salzburg. Nach ersten Konzert- und Bühnenerfahrungen als Sopransolist der Wiltener Sängerknaben (Innsbruck) studierte er an der Wiener Musikhochschule Gesang bei Helene Karusso und Kurt Equiluz und bei KarlHeinz Jarius in Frankfurt. Neben der Aufführung

Alter Musik reizt ihn auch besonders die Interpretation von Literatur, die für einen Countertenor eher ungewöhnlich ist. So sang er u. a. Schuberts Schöne Müllerin und Winterreise, den Krämerspiegel von R. Strauss, Mozarts Requiem, L. Bernsteins Chichester Psalms oder die Three Latin Prayers von G. Scelsi. Opernproduktionen unter Regisseuren wie Ph. Arlaud, N. Brieger, N. Broadhurst, B. Fassbaender, A. Freyer und H. Kupfer führten ihn an die Berliner Staatsoper, zu den Bregenzer Festspielen, ans Essener AaltoTheater, die Oper Frankfurt, zu den Händel-Festspielen in Halle, den Innsbrucker Festwochen, den Schwetzinger Festspielen sowie an die Wiener Staatsoper und Volksoper. Mit großer Leidenschaft verkörperte er u. a. den Fjodor in Mussorgskys Boris Godunow, den Oberon in B. Brittens A Midsummer Night’s Dream, den Tolomeo in Händels Giulio Cesare und die Sorceress in Purcells Dido and Aeneas. Seine musikalischen Partner waren das Amsterdam Baroque Orchestra, Ton Koopman, René Clemencic, Cantus Cölln, Diego Fasolis, das Freiburger Barockorchester, Thomas Hengelbrock, René Jacobs, The King’s Consort, Bernhard Kontarsky, Oni Wytars, Erwin Ortner, das Ensemble Unicorn und Dominique Visse mit dem Ensemble «Clément Janequin». Seit 1998 unterrichtet Bernhard Landauer an der Abteilung für Alte Musik des Konservatoriums der Stadt Wien.

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BODIES LIE IN THE BRIGHT GRASS AND SOME ARE MURDERED AND SOME ARE PICKNICKING. Jenny Holzer

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Yehuda Almagor wurde 1959 in Haifa geboren und lebt heute in Arnsberg. Er studierte Schauspiel und Theater an der Universität in Tel Aviv und war an den renommierten Theatern Khan in Jerusalem und Cameri in Tel Aviv engagiert. Außerdem war er als Dozent für Schauspiel an der School For Visual Theatre in Jerusalem tätig, die neben traditionellem Schauspiel besondere Schwerpunkte auf Bühnenbild, Tanz und Bewegung, Arbeit mit Figuren und Masken sowie alternative Theaterformen legt. Seit Anfang der neunziger Jahre lebt und arbeitet Yehuda Almagor in Israel und Deutschland, wo er 1991 gemeinsam mit Ulla Almagor das Teatron Theater in Arnsberg gründete, das bei Festivals in Europa und den USA gastiert und Veranstalter des «Festivals der leisen Töne» ist. Mit der Produktion Der Zwerg, wurde Almagor zu zahlreichen internationalen Festivals eingeladen. Seine Arbeit umfasst Arbeiten u. a. für das Festival «Theaterformen», die Expo in Hannover und das Schauspielhaus Wien. Daisy Jopling wurde in England geboren. Im Alter von 14 Jahren spielte sie ihr Konzertdebüt in der Royal Albert Hall in London. Sie studierte am Royal College of Music bei Itzhak Rashkovsky und an der Guildhall School of Music and Drama bei David Takeno. In Transsilvanien arbeitete sie mit traditionellen ungarischen Volksmusikgeigern, und in Ghana verbrachte sie drei Monate, um

ihre Kenntnisse der «African Drums» zu erweitern. Sie spielte in London in vielen verschiedenen Kammermusikgruppen (z. B. Capricorn, Endymion, Matrix Ensemble) wie auch in der westafrikanischen Band «Dunni» und dem Chamber Orchestra of Europe. Sie war Konzertmeisterin bei einer Gesamtaufnahme von Griegs Werken für Streichorchester, und 1993 nahm sie Neil Gardners October für Violine und Orchester auf. 1994 kam sie nach Wien, um bei Boris Kuschnir Violine zu studieren. Sie trat unter anderem mit dem Wiener Kammerorchester und der Camerata Academia Salzburg auf und war Konzertmeisterin bei der «Reihe», dem Ensemble des 20. Jahrhunderts, und dem Ensemble Modern in Frankfurt. Im Mai 2003 wirkte sie als Konzertmeisterin in der Oper Massacre von Wolfgang Mitterer bei den Wiener Festwochen mit. Sie ist Teil des Streichtrios Triology, mit welchem sie die CDs Triology plays Ennio Morricone, Who Killed the Viola Player? und Around the World in 77 minutes einspielte. Zudem nahm sie That’s All Daisy Needs mit Wolfgang Muthspiel auf. Mit Triology spielte sie Tourneen auf der ganzen Welt, und zuletzt arrangierte sie Hans Zimmers Filmscore für Jim Brooks Film Spanglish und spielte ihn in Hollywood ein. Im Mai 2005 gab Triology ein Konzert gemeinsam mit Bobby Mc Ferrin in Mexico. Sie schrieb die Musik für die Dokumentation Wien, Gesicht einer Stadt; sie ist eine gefragte Solistin bei diversen Filmmusikaufnahmen, und 2001 hatte sie einen Soloauftritt mit eigenen Werken 31

THE BEGINNING OF THE WAR WILL BE SECRET. Jenny Holzer

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bei der Eröffnung des Wiener Stadtfestes sowie beim Donau-Festival. 2005 spielte sie im Duett mit Omara Portuondo bei der Eröffnung der Wiener Festwochen. Die Bratschistin Daniela Ivanova studierte in Sofia an der Musikakademie «Pantscho Vladigerov» und ging aus zahlreichen Musikwettbewerben als Preisträgerin hervor. 1999 begann sie ihr Studium an der Wiener Universität für Musik und ist seither bei renommierten Veranstaltungen als Solistin, Orchestermusikerin und Kammermusikerin aufgetreten. Nach seinem Abschluss im Fach Musik an der Cambridge University studierte Orlando Jopling bei Sir Colin Davis und George Hurst am RAM und bei Diego Masson in Dartington. Bei William Pleeth und Steven Isserlis wimete er sich gezielter dem Cellostudium. Seine Karriere führte ihn als Cellisten zum London Symphony Orchestra, dem Orchestra of the Age of Enlightenment und mehereren Ensembles in Wien und Schweden. Am National Opera Studio gewann er das erste Leonard Hancock Scholarship und stand seitdem am Pult verschiedener Ensembles: English Chamber Orchestra, London Mozart Players. Er dirigierte Figaro für die Savoy Opera, The Merry Widow für die Carl Rosa Company und La Scala di Seta für die Independent Opera. Er war Assistent von

Wyn Davies an der Scottish Opera und arbeitete mit Andre Previn bei A Streetcar Named Desire zusammen. Er ist musikalischer Leiter der Stanley Hall Opera, an der er Cosi fan tutte, Figaro, Don Pasquale, Falstaff sowie die erste professionelle Produktion in englischer Sprache von Rossinis früher komischer Oper La Pietra del Paragone dirigierte. Zudem gründete er die innovative Company Tête à Tête, die Die Fledermaus auf die Bühne brachte und Vivaldis verloren geglaubter Oper Orlando finto pazzo, deren Manuskript Bill Bankes-Jones in Turin gefunden hat, zur modernen Weltpremiere verhalf. Unter seinen Plänen für die Zukunft sind weitere Aufnahmen mit dem English Chamber Orchestra und Aufführungen von L´Italiana in algeri und vom Rosenkavalier an der Stanley Hall Opera. Katy Gainham studierte bei Kathryn Lukas and Edward Beckett and der Guildhall School of Music & Drama, gewann den Laurie Kennedy Memorial Prize und den Philip Jones Woodwind Prize. Nach ihrem Abschluss war sie «Countess of Munster»Stipendiatin und viele Jahre Mitglied von Live Music. Sie unternahm mehrere Reisen nach Südafrika und gab dort Workshops in Townships und in Schulen auf dem Land. Diese Arbeit beschreibt sie in ihrem Kapitel in dem Buch «The Reflective Conservatoire» (Ashgate, 2005). Sie arbeitete außerdem in pädagogischen Projekten für das Royal Opera House, ENO Baylis und 33

THE BREAKDOWN COMES WHEN YOU STOP CONTROLLING YOURSELF AND WANT THE RELEASE OF A BLOOBATH. Jenny Holzer

die English Touring Opera, sowohl in Großbritannien als auch in Italien. Sie veröffentlichte Fachartikel über Atmung und Flötenspiel. Ihre Begeisterung für das Thema war so groß, dass sie dafür den Kilimandscharo bestiegt und höhenkrank wurde. Sie hat einen Masterabschluss in Musikerziehung und Internationaler Entwicklung und unterrichtet nun auch selbst. Sie gab Soloabende in Großbritannien, Estland, Italien und Südafrika sowie Konzerte mit dem Feinstein Ensemble. Auf Aufnahmen spielt sie u. a. den Altflötenpart in Taverners Mary of Egypt bei der Aldeburgh Festival Opera. Sie ist Mitglied der English Touring Opera seit 1995 und spielt in vielen Ensembles für zeitgenössische Musik und Kammermusik wie dem Composers’ Ensemble, Lontano, Almeida Opera, Music Projects London, Birmingham Contemporary Music Group, Jane’s Minstrels und der Premiere Crew, sowie in führenden Orchestern wie dem City of Birmingham Symphony Orchestra, Royal Philharmonic Orchestra, Birmingham Royal Ballet und dem Orchestra of the Age of Enlightenment und unzähligen weiteren. Als Solist und Kammermusiker trat Peter Furniss in Großbritannien, Europa und Israel auf, u. a. mit Soloabenden in der Bridgewater Hall in Manchester und in Londons Purcell Room im Rahmen der Park Lane Group Series. Er spielte bei vielen Festivals, z. B. Vale of Glamorgan, 1st Festival of

Contemporary Music in Baku (Azerbaijan), Jerusalem’s Classical Winter und gab zwei Konzert in New York. Als Mitglied des European Wind Octet tourte er durch Europa. Er ist begeisterter Anhänger zeitgenössischer Musik und arbeitete mit einigen der darin führenden Ensembles zusammen: Lontano, Okeanos, Chroma, New Music Players, Uroboros Ensemble und Vallaeys Ensemble. Peter Furniss spielte eine CD mit Kammermusik von Mendelssohn ein (gemeinsam mit Dimitri Ashkenazy und Karl Andreas Kolly), eine CD mit amerikanischer Musik gemeinsam mit David Leiher Jones, u. a. mit Weltersteinspielungen von Werken von Richard Dudas und Michael Kaulkin und Stücken von Bernstein, James Cohn, Victor Babin and Robert Muczynski. Er ist Mitglied von Impropera, «der Welt einziger (und also auch bester) improvisierender Operntruppe», die bereits komplett spontane Opernaufführungen bei Festivals in ganz Europa und bei den World Impro Games in Helsinki gegeben hat. Peter Furniss lehrt seit 15 Jahren und ist zunehmend eingebunden als Komponist und Dirigent in einer Reihe innovativer Projekte. 2005 leitete er eine Aufführung seiner Farmyard Suite in der Norwich Cathedral mit dem DaCapo Chamber Orchestra and 720 Schulkindern aus Norfolk. Er spielt regelmäßig als Gast bei britischen Orchestern, u. a. bei der BBC Symphony, dem Scottish Chamber Orchestra und dem Royal Philharmonic Orchestra, aber auch in vielen Ensembles für Kammermusik und zeit35

IF YOU HAD BEHAVED NICELY THE COMMUNISTS WOULDN‘T EXIST. Jenny Holzer

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genössische Musik und natürlich auch mit seinem eigenen Vallaeys Ensemble. Er nahm teil an vielen Uraufführungen, u. a. mit Solowerken von Richard Dudas, Michael Kaulkin und Raul Rothblatt (Version für Soloklarinette des Trios für Cello, Socken und Unterwäsche), sowie Werken von Robin Holloway, Thomas Ades, Mark-Anthony Turnage, Elliott Carter, John Adams, Magnus Lindberg, Peter Eötvös, Simon Bainbridge, Peter Maxwell Davies, Diana Burrell, Paul Clark und anderen. Hugh Webb ist erster Harfenist des Philharmonia Orchestra und gastierte in dieser Funktion auch in allen führenden britschen Symphonieorchestern, sowohl bei Konzerten als auch bei Einspielungen. Er arbeitet sehr viel im Bereich der zeitgenössischen Musik; Komponisten wie Javier Alvarez, Robert Keeley, Paul Archbold und Ian Dearden haben Solowerke für ihn geschrieben, u. a. mit Unterstützung des Arts Council. Er spielte mit Ensembles wie: Lontano, Music Projects London, Avanti, Endymion Ensemble, Critical Band, London Sinfonietta, Matrix und The Composers’ Ensemble. Soloabende gab er beim Huddersfield Festival, beim Glasgow Computer Music Festival, beim Almeida Festival and an vielen Hochschulen und Universitäten. Jüngste Einspielungen umfassen das Konzert für Flöte, Oboe und Harfe (mit dem Academy of St. Martin’s Chamber Ensemble)

sowie die Fantasy Sonata von Arnold Bax , Kammermusik von Villa-Lobos und das komplette Sonatenwerk für Violine und Harfe von Louis Spohr. Er komponierte zudem eine Show für Kinder, basierend auf Hans Christian Andersens Schneekönigin. Wolfgang Lindner erfuhr seine musikalische Ausbildung am Mozarteum in Salzburg und an der Musikhochschule in München (mit Meisterklassendiplom bei Prof. Karl Peinkofer). Zusätzlich studierte er Komposition bei Wilhelm Killmayer und Herbert Willi. Er spielte an der Staatsoper München, im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, im Staatsorchester St. Gallen, im Symphonieorchester Vorarlberg, war Pauker im Kammerorchester Arpeggione und zehn Jahre Mitglied des «österreichischen Ensembles für neue Musik». Er betätigt sich als Jazzvibraphonist und in vielen kammermusikalischen Ensembles, nahm Teil an CD-Einspielungen und zahlreichen Tourneen im In- und Ausland, war 1. Preisträger beim ORF Salzburg für Interpretation neuer Musik und Gründer von «VorAllPercussion». Zur Zeit unterichtet er am Vorarlberger Landeskonservatorium und ist vor allem als Komponist tätig. Zu seine Werken gehören: Beziehungswesen für Saxophon und Klavier, 5 Annäherungen für Klavier Solo, 3 Lieder (Einwärts geworfen) nach Texten von Josef Hofman und ein Konzert für Vibraphon und Streichorchester. 37

Textauszüge Rainald Goetz: Festung, Katarakt, Frankfurt a. M. 1993. Chinesische Legende aus dem Film Die Weissagung (Life on a string), China, BRD, GB 1991, zitiert nach: Michael Lukas Moeller: Der Krieg, die Lust, der Frieden, die Macht, Reinbek bei Hamburg 1992. Jenny Holzer: Texte aus dem Katalog Jenny Holzer, Kuratorin Diane Waidman, New York 1989. Durs Grünbein: Grausamer Selbstmord aus: Die teuren Toten, 33 Epitaphe, Frankfurt a. M. 1994. – Schädelbasislektion 1 aus: Von der üblen Seite, Gedichte 1985–1991, Frankfurt a. M. 1994. – Trio für ein distanziertes Auge / III. Meditation aus: Nach den Satiren, Frankfurt a. M. 1999. Heiner Müller: Hamletmaschine/Ophelia aus: Theater heute, Dezember 1977. William Shakespeare: Richard III., aus dem Englischen von Thomas Brasch, Frankfurt 1986.

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Quellen Die Texte sind Originalbeiträge der Autoren. Änderungen vorbehalten! Festivalbüro: Palais Liechtenstein Schlossergasse 8, A-6800 Feldkirch T +43 5522-82943, F +43 5522-83166 [email protected] www.feldkirchfestival.at

Orchesterkonzert I Anfang und Ende

25.5.06

Montforthaus

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Orchesterkonzert I: Anfang und Ende 25. Mai 2006 | 19.00 Uhr Montforthaus

Wolgang Amadeus Mozart (1756–1791) Sinfonie Es-Dur KV 16 Molto Allegro Andante Presto Klarinettenkonzert A-Dur KV 622 Allegro Adagio Rondeau: Allegro

Sinfonie C-Dur «Jupiter» KV 551 Allegro vivace Andante cantabile Menuetto: Allegretto – Trio Molto allegro

Martin Fröst Klarinette Feldkirch-Festival-Orchester Trevor Pinnock Leitung

Einführung Trevor Pinnock und Martin Fröst im Gespräch mit Thomas Hengelbrock Montforthaus, Graf-Rudolf-Saal 18.00 Uhr

– Pause –

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Feldkirch-Festival-Orchester Violine 1 Gernot Süßmuth* Gregor Dierck Philip Goody Elfa Rún Kristinsdottir Anna Melkonian Petra Schwieger Lotta Suvanto Monika Tarcsay Violine 2 Monika Nußbächer* Johannes Fleischmann Christina Gallati Katarina Giegling Sarah Marie Immer Christina Oberhuber Veronika Spalt Angelika Treml Viola Wolfgang Rings* Peter Andritsch Katharina Hage Sonja Schindele Dorle Sommer Friedemann Wollheim

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Violoncello Reinhard Latzko* Maria Grün Davit Melkonian David Pennetzdorfer Michael Peternek Kontrabass Francisco Obieta* Markus Ess Stefan Preyer Walter Singer Flöte Karlheinz Schütz Christine Brandauer Oboe Thomas Höniger Wolfgang Plank Fagott Allen Smith Bernd Krabatsch Horn Franz Draxinger Manchev Veselin

Trompete Paolo Bacchin Christian Gruber Pauke Wolfgang Lindner * Stimmführer

Anfang und Ende oder: Vom Wunderkind zum Spätwerkmythos Mozart hätte sich wohl nicht als Komponist von Sinfonien bezeichnet. Er verstand sich in erster Linie als Vertreter der Oper als der Gattung mit dem höchsten Prestige. Daneben kannte man Mozart in Wien vor allem als Klaviervirtuosen und Solisten seiner eigenen Klavierkonzerte, außerdem als Komponisten von gedruckt vorliegender Kammermusik. Von seinen Sinfonien gingen zu Lebzeiten nur drei in Druck; dabei hatte Mozart schon als 17-Jähriger nicht weniger als 30 Exemplare dieser Gattung vorzuweisen: Stücke, von denen man weder einen hohen ästhetischen Anspruch noch formale Einzigartigkeit erwartete, sondern vor allem gepflegte Unterhaltung – und dass sie bei der «Plauderey» nicht störten. Mozart hat dieses bescheidene Soll stets übererfüllt. Den Erwartungen von Auftraggebern und Publikum zu entsprechen, genügte ihm nicht; nach Möglichkeit wollte er sie übertreffen. Seine Produktion richtete sich nach der Auftragslage bzw. dem jeweiligen Tagesbedarf, und so entstanden seine Sinfonien oft als Gelegenheitswerke – aber im besten Sinn des Wortes.

Jean Baptiste Delafosse: Leopold Mozart mit Tochter und Sohn in Paris (1763)

Eine erste Gelegenheit ergab sich in London, wo Leopold Mozart 1764 mit seinen Wunderkindern Marianne («Nannerl») und Wolfgang auf ihrer dreieinhalbjährigen Europareise Station machte. 5

Für das Reisegeld und den Lebensunterhalt sorgten die Auftritte der musizierenden Kinder, die u. a. mit verbundenen Augen oder auf mit Tüchern verdeckten Tasten spielten. Im Sommer 1764 aber wurde Leopold Mozart krank, und zwar «auf den Tod», wie sich Nannerl später erinnerte. Für vier Wochen musste der Rummel um die Kinder ruhen; jegliches Klavierspiel war streng untersagt. Wolfgang vertrieb sich die Zeit daher mit Komponieren. Das Ergebnis war die Sinfonie Es-Dur KV 16, allerdings nicht «mit allen Instrumenten, Trompeten und Pauken» – hier hat sich Nannerl im Rückblick wohl getäuscht, denn vor dem Klang der Trompete sollte sich ihr kleiner Bruder noch einige Jahre sehr fürchten. Besetzung und Umfang der Sinfonie entsprechen vielmehr den Londoner Gepflogenheiten; in den drei Sätzen wirken neben Streichern nur Oboen und Hörner mit. «Ermahne mich, daß ich dem Waldhorn etwas zu thun gebe», soll Wolfgang zu seiner Schwester gesagt haben. Man hat diese Äußerung mit dem langsamen Mittelsatz in Verbindung gebracht, wo nach einigen Takten im Horn das aus dem Finale der Jupiter-Sinfonie bekannte Vierton-Motiv erscheint; doch dazu später.

Jupiter-Sinfonie, Beginn des Hauptthemas (T. 1ff., Vl. I)

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Aus dieser ersten bekannten Orchesterpartitur Mozarts lässt sich ersehen, wie unfassbar viel der gerade achtjährige Wolfgang bereits gelernt hatte. Zwar muten die einzelnen Sätze mit ihren zahlreichen Wiederholungen und locker gereihten Einzelgliedern ein wenig wie ein Puzzle an, und die Architektur wirkt manchmal wie aus dem Baukasten; doch das Gesamtbild überzeugt, und das Gebäude hält. Wenn auch noch kein Geniestreich, so ist diese Sinfonie doch ein effektvolles Schaustück, das durchaus souverän wirkt – übrigens ganz im Gegensatz zum zugehörigen Manuskript. An ihm ist zweifelsfrei abzulesen, dass Wolfgang noch nicht allzu geübt im Umgang mit Tinte und Gänsekiel gewesen sein kann. Leopold hat nachträglich einige Korrekturen angebracht; über die Schulter geschaut hat er seinem Sohn beim Komponieren aber sicherlich nicht – sonst hätte er ihm wohl als erstes eine ordentlich zugeschnittene Feder in die Hand gedrückt.

Eine Seite aus der Sinfonie Es-Dur KV 16 (Andante)

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Wie Mozarts Manuskript zum Klarinettenkonzert A-Dur KV 622 aussah, wissen wir nicht; dass es verschollen ist, hat – wie so vieles an diesem Konzert – mit dem Klarinettisten Anton Stadler zu tun. Vermutlich hat Stadler das Stück bei Mozart in Auftrag gegeben, wenn es nicht gar ein Freundschaftsdienst seines Logen- und Kegelbruders war. Lukrativ war das Werk für Mozart jedenfalls nicht; vielmehr scheint ihm durch Stadler sogar finanzieller Schaden entstanden zu sein: Zur Prager Uraufführung am 16. Oktober 1791 fuhr der Solist mit von Mozart geliehenem Reisegeld (er stand bei ihm ohnehin schon hoch in der Kreide), um anschließend mit dem Konzert auf eine mehrjährige Bassettklarinette in A von Rudolf Tutz, versuchte Rekonstruktion von Stadlers Instrument

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Europatournee zu verschwinden. Mozarts Frau Constanze, anderthalb Monate später bereits Witwe, hat weder Geld noch Autograph jemals wiedergesehen; letzteres hat der Virtuose vermutlich unterwegs verpfänden müssen. Andererseits hätte es ohne Anton Stadler dieses Konzert überhaupt nicht gegeben (ebenso wie die zahlreichen anderen Werke und Partien für Klarinette oder Bassetthorn aus Mozarts Wiener Zeit). Mozarts Solokompositionen waren stets von der Vorstellung konkreter Interpreten und ihrer Instrumente inspiriert, ja geradezu auf diese zugeschnitten «wie ein gutgemachts kleid». Und Stadlers Klarinette war ein sehr spezielles Modell: Unten verfügte es über ein zusätzliches, nach vorne abgewinkeltes Rohrstück, wodurch sich der Tonumfang in der Tiefe um eine Terz erweitern ließ. Dieses Zwischending von Klarinette und Bassetthorn – heute «Bassettklarinette» genannt – erwies sich allerdings bald als Sackgasse in der rasanten Entwicklung dieser Instrumentenfamilie. Bereits in den frühesten Drucken des Mozart-Konzerts (ca. 1801) ist die Solostimme stets für normale A-Klarinette umgearbeitet; wie sie im Original ausgesehen hat, kann man zwar an einigen Stellen erschließen, oft aber nur vermuten – Gewissheit wird es erst geben, wenn das Autograph wieder auftaucht.

Um noch ausgiebiger mit dem Wechsel zwischen den so unterschiedlichen Klangfarben der Klarinette spielen zu können, machte Mozart natürlich von den zusätzlichen tiefen Tönen des sogenannten Chalumeau-Registers Gebrauch; die schrille oberste Oktave des Clarin-Registers («Clarinette» = «kleine, hohe Trompete») hat er dagegen weitgehend vermieden. So manche Sprünge müssen wegen der fehlenden Töne auf der A-Klarinette eine Oktave kleiner ausfallen, ganze Phrasen mitunter eine Oktave höher gespielt werden. Nahezu unverändert erhalten bleibt hingegen der intime, warme Charakter vor allem der mittleren Lage. Dem Musikschriftsteller und Mozart-Zeitgenossen C. F. D. Schubart erschien ihr süßer Klang als Ausdruck «in Liebe zerflossenen Gefühls – so ganz der Ton des empfindsamen Herzens». Vor allem der kantable Mittelsatz des Klarinettenkonzerts ist ganz von diesem speziellen Timbre geprägt. (Und zielsicher verwässert heute die Werbeindustrie seine emotionale Tiefe – u. a. für Bierreklame.)

der in Trugschlüssen und Pausen ausläuft, bevor im Schlussakkord die Klarinette alleine übrigbleibt. Kompositorische Zurücknahme, charakterliche Einheitlichkeit und die auch in einen sehr fröhlichen Ländler eingestreuten Moll-Episoden werden gern mit dem einerseits abgeklärten, andererseits wehmütigen Stil eines «Spätwerks» identifiziert, zumal es sich ja tatsächlich um eines der letzten Werke Mozarts handelt. Dabei geht es Mozart im Klarinettenkonzert um nichts anders als die optimale Präsentationsform für das gewählte Instrument (denn darum ging es ihm im Konzert letztlich immer). An seine Frau schreibt er, das Schlussrondo habe er bei «schwarzem koffé» und «einer herrlichen Pfeiffe toback» instrumentiert; für den gerade 35-Jährigen dürfte wohl nichts ferner gelegen haben als die Vermutung, er werde ein paar Wochen später einem «hitzigen Frieselfieber» erliegen.

Auch sonst setzt Mozart immer wieder auf kammermusikalische Intimität, und durchweg verlangt er eine eher verhaltene Virtuosität, keine Tour de force. Eine ausgedehnte Solokadenz ist nicht vorgesehen, trotz zahlreicher Fermaten in allen Sätzen – sie bilden immer wieder Punkte der Ruhe, manchmal auch der Ratlosigkeit und Wehmut. Exemplarisch hierfür kann wiederum der langsame Satz gelten, 9

Zwei Seiten (August 1788) aus Mozarts «Verzeichnüß aller meiner Werke»

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Wie schon der Beiname «Jupiter» nahelegt, ist auch die mythenumwittert, und in der Tat gibt Mozarts letzte Sinfonie einige Rätsel auf. Zusammen mit zwei Schwesterwerken (Es-Dur KV 543 und g-Moll KV 550) wurde sie im Sommer 1788 komponiert, die ganze Trias innerhalb von nur acht Wochen – angesichts der Komplexität jeder einzelnen Sinfonie eine unglaubliche Leistung. Um so merkwürdiger, dass weder ein äußerer Entstehungsanlass erkennbar noch eine Aufführung zu Mozarts Lebzeiten nachzuweisen ist. Wurden diese Werke als persönlicher Abschluss mit der Gattung und unüberbietbarer Gipfelpunkt konzipiert, als Kompositionen für eine reifere Nachwelt? Dieser romantischen Legende vom verkannten Genie steht eine viel erforschte und doch nur ansatzweise rekonstruierte Wirklichkeit gegenüber. 1788 war Mozart aus dem Wiener Zentrum in die Vorstadt umgezogen – um in Ruhe arbeiten zu können, aber auch aus Geldnot. Unter diesen Umständen wird er kaum gleich drei groß angelegte Werke ohne jede Aussicht auf Ertrag komponiert haben. In der g-Moll-Sinfonie hat Mozart nachträglich Klarinettenstimmen ergänzt; so etwas tut man nicht für die Schublade, wohl aber für ein bevorstehendes Konzert, bei dem befreundete Klarinettisten mitwirken. Vieles spricht zudem dafür, dass Mozart auf eine Drucklegung seiner Sinfonien beim Verleger Artaria spekulierte. Dort waren ein halbes Jahr zuvor

Joseph Haydns «Pariser Sinfonien» in zwei Dreiergruppen erschienen, die ersten drei ebenfalls in den Tonarten C-Dur, g-Moll und Es-Dur. Wollte Mozart den Werken seines hochgeschätzten Freundes eine kreative Antwort entgegensetzen, so wie er schon 1785 mit seinen «Haydn-Quartetten» dem Vorbild gehuldigt und es zugleich zu überbieten versucht hatte? Das jedenfalls würde den Kompendium-Charakter der drei Sinfonien erklären: Umgeben von einem Rahmen aus der langsamen Einleitung der Es-Dur-Sinfonie und der Coda der Jupiter-Sinfonie mit der berühmten Schlussfuge, entfaltet sich ein prächtiges Kaleidoskop von Charakteren und kompositorischen Möglichkeiten – die Trias als Mozarts musikalische Visitenkarte. Die Ideenfülle allein der C-Dur-Sinfonie scheint unermesslich. Auch für subtile Scherze ist Mozart hier zu haben: In den ersten Satz etwa integriert er als überzähliges Thema eine kurz zuvor komponierte Arienmelodie für eine Opera buffa (Text: «Ihr seid ein bisschen einfältig, mein lieber Pompeo») – und bestreitet mit ihr gleich die halbe Durchführung.

Melodie aus Mozarts Bass-Arietta «Un bacio di mano» KV 541

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Jupiter-Sinfonie, Beginn des Hauptthemas (T. 1ff., Vl. I)

Jupiter-Sinfonie, Fortführung des Hauptsatzes (T. 20ff., tutti)

Jupiter-Sinfonie, Überleitung zum Seitensatz (T. 56ff., Vl. I)

Jupiter-Sinfonie, Seitensatz mit Gegenstimme (T. 74ff., Vl. I, Ob., Fg.)

Jupiter-Sinfonie, Ausschnitt aus der Coda (T. 388ff., Streicher)

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Im dritten Satz lässt er die Bläser mit ihrem Soloauftritt zu früh, nämlich schon im Menuettteil einsetzen; das eigentlich dafür vorgesehene Trio wirkt daraufhin eher wie ein Echo, nimmt aber seinerseits wiederum im zweiten Teil das Hauptmotiv des Schlusssatzes vorweg. Mit diesen vier Anfangstönen des Finales zitiert Mozart nun nicht etwa seine erste Sinfonie; dass sie auch dort (und beileibe nicht nur dort) vorkommen, ist nur ein Zufall – wenn auch ein schöner. Stattdessen greift Mozart mit ihnen einen Cantus firmus aus dem «Gradus ad Parnassum» von Johann Joseph Fux auf, einer berühmten Kontrapunktlehre, mit der er auch seine Wiener Schüler unterrichtete. Folgerichtig präsentiert das Finale einen ganzen Katalog kontrapunktischer Techniken. Konzipiert ist es vom Ende her: Fünf Themen werden hier übereinander geschichtet und frei zwischen Ober- und Unterstimmen verschoben, ohne dass dabei Quintparallelen oder andere satztechnische Fehler passieren – ein Fugato im fünffachen Kontrapunkt.

Eine Seite aus der Sinfonie C-Dur KV 551 (Finale)

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Aus diesem Material gewinnt Mozart dann auch die vorangehenden Teile eines regulären Sonatensatzes, in dem es mitunter ebenso kontrapunktisch zugeht. Nie aber wirkt diese kleine «Kunst der Fuge» angestrengt, alles geht wie von selbst in einer Sphäre majestätischen Glanzes auf; insofern erscheint der später in London aufgekommene Beiname «Jupiter» glücklich gewählt. In der Rückschau sieht dies wie der krönende Abschluss eines sinfonischen Œuvres, wie ein unüberbietbarer kompositorischer Endpunkt aus – kaum auszudenken, wie Mozart danach noch weitere Sinfonien hätte schreiben können. Doch sicherlich wäre es bei nächster Gelegenheit dazu gekommen, zumal sich die Gattung gerade vom Stigma der Unterhaltungsmusik zu emanzipieren begann. Und Mozart hätte die Erwartungen wohl wieder übertroffen. Christian Schaper Mozart. Silberstiftzeichung von Johanna Dorothea Stock (1789)

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Trevor Pinnock erhielt seinen ersten Musikunterricht als Chorknabe an der Kathedrale von Canterbury. Von 1964-67 studierte er am Royal Collage of Music in London Orgel und Cembalo. Gemeinsam mit dem von ihm 1973 gegründeten und 30 Jahre lang von ihm geleiteten Ensemble The English Concert setzte er vor allem im Barock- und Klassikrepertoire neue Maßstäbe. Trevor Pinnock ist weltweit als führende Persönlichkeit auf dem Gebiet der historischen Aufführungspraxis bekannt. Darüber hinaus leitete er als Gastdirigent Orchester in der ganzen Welt, u. a. mehrfach die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen und das Freiburger Barockorchester sowie das Gewandhaus Orchester Leipzig und die Wiener Philharmoniker. 1990 dirigierte er die New Yorker Classical Band und leitet seit 1991 das National Arts Centre Orchestra Ottawa. Neben den Werken der Alten Musik spielte er u. a. auch Musik von Manuel de Falla, Roberto Gerhard und Frank Martin ein. Die Times nannte Pinnock «the complete musician».

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Der junge schwedische Klarinettist Martin Fröst hat im Sturm die internationale Musikszene erobert. Seit er 1997 den Nippon Music Award gewann, ist er als Solist mit bedeutenden Orchestern (u. a. Philharmonia Orchestra, BBC Symphony Orchestra, Chamber Orchestra of Europe) und auf den renommiertesten Bühnen aufgetreten. Als Kammermusikpartner arbeitete er u. a. mit Barbara Hendricks, Leif Ove Andsnes, Lars Anders Tomter sowie Christian Tetzlaff zusammen. Beim Feldkirch Festival begeisterte er 2002 gemeinsam mit Tanja Tetzlaff in Messiaens Quatuor pour la Fin du Temps sowie 2004 in Debussys Première rapsodie. In vielen seiner Solokonzerte kombiniert er das klassische Repertoire mit zeitgenössischen Werken sowie choreographischen und mimischen Elementen. Frösts Vielseitigkeit inspirierte bereits mehrere zeitgenössische Komponisten, u. a. Karin Rehnqvistin und Krzysztof Penderecki, dessen neues Konzert für fünf Klarinetten er zur Uraufführung brachte. Für seine Leistung in der Oper Der Rattenfänger an der Hildesheimer Oper kürte die Zeitschrift «Opernwelt» Martin Fröst zum Interpreten des Jahres; 2003 wurde er zudem mit dem ersten Borletti-Buitoni Trust Award ausgezeichnet. Zwei seiner CD-Aufnahmen wurden für den Grammy nominiert. Begeisterte Aufnahme fanden seine jüngsten Einspielungen mit Werken von Schumann sowie Mozarts Klarinettenkonzert und -quintett.

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Das Feldkirch-Festival-Orchester Die jeweils an ihrem Instrument Besten zusammenzuführen, herausragende Nachwuchskünstler und Musiker, die eigene Konzerte beim Feldkirch Festival gestalten, mit Spitzenmusikern aus Vorarlberg und renommierten Solisten und Musikern aus führenden Orchestern Europas zum gemeinsamen Musizieren zu bringen: Das war die Idee, die 2005 hinter der Gründung des Feldkirch-Festival-Orchesters stand. Auf Initiative von Thomas Hengelbrock bildete sich so ein Klangkörper, der gleichzeitig zentrale Anliegen des Feldkirch Festivals erfüllt: Dem Festival ein eigenes Orchester zu geben, dem Publikum dabei eine herausragende musikalische Qualität zu garantieren und vor allem Nachwuchsförderung in ihrer schönsten Form – dem aktiven Konzertieren – zu betreiben. Die jungen Künstler konnten auch international große Erfolge in Konzerten und Wettbewerben erzielen, sei es solistisch oder in Ensembles. Unter ihnen sind Studenten des Landeskonservatoriums für Vorarlberg, der Musikuniversität Wien, des Wiener Jeunesse Orchesters, des Attersee Institutes, der Orchesterakademie der Münchner Philharmoniker und der Musikhochschule Freiburg. Im Feldkirch-Festival-Orchesters treffen sie nun auf etablierte Profis, diese Jahr vor allem aus Italien, Österreich und Deutschland.

Konzertmeister ist in diesem Jahr Gernot Süßmuth, ehemaliges Mitglied des Petersen-Quartetts und nunmehr Konzertmeister der Staatskapelle Weimar und Professor an der dortigen Musikhochschule; als Solocellist konnte der langjährige Solocellist des SWR-Sinfonieorchesters und jetzige Professor der Wiener Musikuniversität Reinhard Latzko gewonnen werden. Neben den Dozenten des Landeskonservatoriums Feldkirch Francisco Obieta, Allen Smith und Wolfgang Lindner als drei führenden Vertretern Vorarlbergs spielen zudem mit: der Soloflötist der Wiener Symphoniker, der Solooboist des Radio-Symphonieorchesters Wien, Musiker der Staatsoper Berlin, des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, des Chamber Orchestra of Europe, des Mahler Chamber Orchestra, der Bamberger Symphoniker, des Balthasar-Neumann-Ensembles und einiger führender Kammerorchester. Der Kontinuität der Besetzung – ein Großteil der Musiker war bereits im letzten Jahr dabei – steht bewusst ein anregender Wechsel in der Leitung gegenüber: Für das erste Konzert 2005 konnte mit John Axelrod einer der führenden Vertreter der Neuen Musik gewonnen werden; in diesem Jahr werden Trevor Pinnock, einer der ganz Großen der Alten Musik, und Thomas Hengelbrock, der künstlerische Leiter des Festivals, am Pult stehen.

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Feldkirch-Festival-Orchester 2005

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Quellen Die Texte sind Originalbeiträge der Autoren. Änderungen vorbehalten! Festivalbüro: Palais Liechtenstein Schlossergasse 8, A-6800 Feldkirch T +43 5522-82943, F +43 5522-83166 [email protected] www.feldkirchfestival.at

Feldkirch Festival 2007

Himmel und Hölle 7.–17. Juni

Impressum Herausgeber Feldkirch-Festival Feldkircher Werbe- und Tourismus Ges.m.b.H. Geschäftsführung: Roland Loacker Redaktion Büro für Internationale Kulturprojekte: Jens Berger Gestaltung Stecher id Druck Hämmerle Druck

Notenausgabe Leihmaterial Bärenreiter Alkor-Edition Kassel Quellen Die Texte sind Originalbeiträge der Autoren. Änderungen vorbehalten! Festivalbüro: Palais Liechtenstein Schlossergasse 8, A-6800 Feldkirch T +43 5522-82943, F +43 5522-83166 [email protected] www.feldkirchfestival.at

Nachtmusik: Recital

27.5.06

Festsaal Konservatorium

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Nachtmusik: Recital 27. Mai 2006 | 19.00 Uhr Festsaal Konservatorium

Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791)

Franz Schubert (1797–1828)

Trio in B-Dur KV 502 Allegro Larghetto Allegretto

Klaviertrio in Es-Dur D 929 / op. 100 Allegro Andante con moto Scherzando – Allegro moderato Allegro moderato

Thierry Escaich (geb. 1964)

Trio Wanderer Jean-Marc Phillips-Varjabedian Violine Raphaël Pidoux Violoncello Vincent Coq Klavier

Einführung Anna Mika Vortragssaal im Konservatorium 18.00 Uhr

Trio «Lettres mêlées» Modéré Modéré Très vif – Pause –

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Früchte langer und mühsamer Arbeit «Du hast keinen Begriff davon, wie es unsereinem zu Mute ist, wenn er immer so einen Riesen hinter sich marschieren hört», klagte Johannes Brahms (1833–97) Anfang der 1870er Jahre dem Dirigenten Hermann Levi. Mit dem Riesen war Ludwig van Beethoven gemeint. Dessen symphonisches Schaffen wurde im 19. Jahrhundert als derart maßstabsetzend empfunden, dass sich von diesem Vorbild mancher kompositorische Nachfolger entmutigen ließ. So behauptete auch Brahms immer wieder, dass er selbst nie eine Symphonie schreiben wolle. Entgegen solcher Bekundungen aber beschäftigte ihn tatsächlich schon seit Mitte der 1850er Jahre die Idee eines eigenen großen symphonischen Werkes. Doch es sollte bis 1877 dauern, bis nach langem kompositorischem Ringen eine erste Symphonie des nunmehr 44-Jährigen erschien. Mit ihr gelang es Brahms, aus dem Schatten des «Riesen» herauszutreten. Ähnlich schwer wie Brahms tat sich Claude Debussy (1862–1918) bei der Komposition seiner Oper Pelléas und Mélisande. Immer wieder fürchtete er während des Entstehungsprozesses eine zu große stilistische Nähe zu seinem großen Vorbild Richard Wagner, von dessen Tristan er tief geprägt war. Acht Jahre sollte es dauern, bis Debussys Oper nach unzähligen Umarbeitungen endlich im Jahre 1902 zur Uraufführung kam. Beispiele wie diese ließen sich viele finden. Sie 4

zeigen die Ambivalenz musikalischer Vorbilder auf. Wecken diese einerseits den Drang zur Schaffung eigener Werke, können sie sich andererseits aber auch, wird ihr Einfluss übergroß, als hemmend erweisen. Vielfach reicht es dann nur noch zu epigonalen musikalischen Schöpfungen. Nur wenigen Komponisten gelingt es, aus einer solchen Schaffenskrise gestärkt hervorzugehen und durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Vorbild zu einer eigenen stilistischen Position zu gelangen. Die Werke des heutigen Abends sind jeweils Ergebnisse eines solchen künstlerischen Reifungsprozesses, der jedoch bei jedem der Komponisten unterschiedlich verlief. Für das kammermusikalische Schaffen von Wolfgang Amadeus Mozart und damit auch das Trio in B-Dur (KV 502) ist der Einfluss Joseph Haydns (1732–1809) von kaum zu unterschätzender Bedeutung. Haydn hatte mit seinen Aufsehen erregenden Streichquartetten op. 20 (1772) und op. 33 (1782) der Gattung wesentliche neue Impulse verliehen. Neu und unerhört war, dass der Komponist an die Stelle einer bisher weitgehend homophonen Satztechnik eine musikalische Textur treten ließ, bei der die vier Instrumente zu gleichberechtigten Trägern musikalischer Gedanken wurden. Aus einer rokokohaften musikalischen «conversation galante et amusante» wurde so das Ideal klassischer Kammermusik, das Goethe in seinem

berühmten Brief an Carl Friedrich Zelter anschaulich mit den Worten beschrieb, beim Streichquartett sei es, als höre man «vier vernünftige Leute sich unter einander unterhalten». Zum charakteristischen kompositorischen Mittel wurden für Haydn dabei zum einen die Verwendung barocker Kontrapunktik, zum anderen das Prinzip einer konsequenten thematischen Verarbeitung musikalischen Materials im Wechselspiel aller beteiligten Instrumente. Wie viele seiner Zeitgenossen war Mozart von Haydns neuer Satztechnik fasziniert. Wahrscheinlich schon 1781 hatten sich beide Komponisten auch persönlich in Wien kennen gelernt; schließlich nahmen beide mehrfach musizierend an Quartettabenden teil. Bei diesen Gelegenheiten mag sich auch die Möglichkeit des Meinungsaustausches über kompositionstechnische Fragen ergeben haben, doch ist über die Intensität ihres Verhältnisses nichts genaues bekannt. Auf jeden Fall aber fühlte sich Mozart herausgefordert, mit Haydns Streichquartetten zu wetteifern. So verfasste er in den Jahren 1782–85 selbst einen Zyklus von Quartetten, in denen er sich die Haydnsche Satztechnik aneignete.

Al mio caro Amico – Titelblatt der Joseph Haydn gewidmeten Streichquartette Mozarts

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Die Arbeit daran muss ihm außerordentlich schwer gefallen sein. Mozart selbst bezeichnete seine Quartette als «Früchte langer und mühsamer Arbeit», was die vielen Korrekturen in den Autographen sowie die zahlreichen Entwürfe und Fragmente jener Jahre bestätigen. Doch war sich Mozart der Qualität seiner Werke bewusst, denn er scheute sich nicht, diese seinem Vorbild Haydn zu widmen. Haydn wiederum äußerte bei einem der gemeinsamen Quartettabende im Jahre 1785 gegenüber Mozarts Vater: «ich sage ihnen vor gott, als ein ehrlicher Mann, ihr Sohn ist der größte Componist, den ich von Person und den Nahmen nach kenne; er hat geschmack und über das die größte Compositionswissenschaft.» Die neu gewonnenen satztechnischen Möglichkeiten übertrug Mozart schließlich auf andere kammermusikalische Gattungen, so auch auf das 1785 komponierte Klaviertrio KV 502. Wenngleich weniger kühn angewandt als in den Streichquartetten, wird doch das stilistisch Neue darin vor dem Hintergrund des frühen Mozartschen Divertimento à 3 (KV 254) ersichtlich: In jenem hatte er die Rolle des Cellos noch im Sinne barocker Generalbassmusik unterordnend auf die Unterstützung des Klavierbasses beschränkt. In KV 502 nun zeigt sich der Einfluss Haydns gleich zu Beginn des ersten Satzes: Ein kurzes Doppelschlag-Motiv, mit dem die Violine bei ihrem ersten Einsatz dem Hauptthema des Klaviers antwortet, rückt bereits nach wenigen Takten in den Mittelpunkt des 6

musikalischen Geschehens. Im Dialog mit dem Klavier wird es durchgeführt und, aufgelöst in Sechzehntelketten, weiterverarbeitet. Doch auch die Cellostimme gewinnt im Laufe des Satzes an Eigenständigkeit und Prägnanz, etwa wenn sie im Wechselspiel mit der Violine das Hauptthema des Satzes anstimmt. Dass Mozart auch in diesem Werk von seinem Vorbild Haydn profitierte, bedeutet jedoch nicht, dass er etwa angefangen hätte, in dessen Stil zu komponieren; vielmehr machte er sich nur die strukturbildenden Prinzipien seines Kollegen zu Nutze. Fritz Hennenberg hat in diesem Zusammenhang formuliert, «der Blick auf den anderen» habe dabei geholfen, «das Eigene zu entdecken». Als typisch Mozartisch kann etwa das unvermittelte Eintreten eines neuen Themas zu Beginn der Durchführung des ersten Satzes gelten, ebenso die langen kantablen Melodiebögen des zweiten Satzes. Im finalen Allegretto dann findet wieder die Haydnsche Satztechnik Anwendung, etwa wenn sich die drei Instrumente das erfrischende Hauptthema gegenseitig zuspielen. Über den Anlass der Entstehung von Mozarts Trio ist nichts konkretes bekannt. Allerdings gehört es zu den wenigen Kompositionen des Salzburgers, die überhaupt zu dessen Lebzeiten gedruckt wurden. Das Werk beeinflusste nun in umgekehrter Richtung wiederum die späten Trio-Kompositionen Joseph Haydns. Die Kompositionen Haydns und Mozarts hatten schließlich zur Folge, dass

Ausschnitt aus einem Brief Leopold Mozarts an seine Tochter vom 14. Februar 1785. Darin zitiert er die Aussage Haydns über Mozart: «ich sage ihnen vor gott, als ein ehrlicher Mann, ihr Sohn ist der größte Componist, den ich von Person und den Nahmen nach kenne; er hat geschmack und über das die größte Compositionswissenschaft.»

das Klaviertrio als kammermusikalische Gattung der Klassik fest etabliert war. Für Ludwig van Beethoven hatte diese Besetzung dann bereits eine so grundlegende Bedeutung, dass er mit ihr sein Opus 1 bestritt. Beethoven, der selbst eine Reihe bedeutender Klaviertrios schrieb, wurde schließlich für die nachfolgende Komponistengeneration nicht nur auf dem Feld der Symphonie zum beispiellosen Vorbild, sondern auch in der Kammermusik. Unter diesem Vorbild litt besonders auch Franz Schubert. Bekannt ist sein Ausspruch, er hoffe, «heimlich im Stillen» noch etwas aus sich machen zu können, «aber wer vermag nach Beethoven noch etwas zu machen?» Die Vielzahl von Werkfragmenten zeugt von dessen lebenslanger Unsicherheit, jenseits von seinem großen Vorbild einen eigenen kompositorischen Stil zu entwickeln. So sind schon allein zwei seiner vier Klaviertrios Fragmente geblieben. Zur zentralen Herausforderung wurde dabei für Schubert,

die von Beethoven zur Vollendung gebrachte formale Gestaltung des Sonatensatzes durch einen neuartigen strukturellen Aufbau zu überwinden. In seinem Klaviertrio Es-Dur (D 929 / op. 100) hat der Komponist für dieses Problem eine Lösung gefunden. Das Werk wurde, wie Arnold Feil formuliert hat, «das letzte Stück Wegs im Zeitalter Beethovens, ein erstes daraus hinaus». Zwar entspricht das Trio in seiner viersätzigen Anlage grundsätzlich dem für Beethoven typischen Aufbau. Dabei folgt auf einen Sonatensatz ein langsamer, melodisch geprägter zweiter Satz, dem sich ein tänzerisches Scherzo und ein virtuoses rondoartiges Finale anschließt. Doch wie Schubert die einzelnen Sätze konkret musikalisch gestaltet, ist neu. An Beethovenschen Dimensionen gemessen erscheinen sie formal stark ausgeweitet, sodass sie bisweilen den Charakter einer musikalischen Fantasie annehmen. 7

Um nun aber trotz der strukturellen wie zeitlichen Ausdehnung die innere Kontingenz des Werkes nicht zu gefährden, verbindet Schubert die einzelnen Sätze thematisch miteinander. Am deutlichsten wird dies im Zusammenhang mit dem trauermarschartigen Hauptthema des langsamen Satzes. Dieses zitiert der Komponist im Finalsatz zweimal im Cello, wobei er es vom ursprünglichen ruhigen 2/4-Takt in einen musikalisch flüssigeren 6/8-Verlauf integriert. Bei dem Thema, das als Schlüssel zu einem tieferen Verständnis des gesamten Werkes angesehen werden kann, handelt es sich um das schwedische Volkslied «Se solen sjunker» («Sieh die Sonne sinken»). Doch auch andere thematische Verbindungen gewährleisten den inneren Zusammenhalt des umfangreichen Werkes. So erklingt in allen vier Sätzen ein aus pochenden Tonrepetitionen bestehendes musikalisches Motiv, das sein erstes Auftreten als zweites Thema des Eingangssatzes hat. Im Scherzo erscheint es überdies sogar, durch die vorausgehende Zäsur einer Generalpause deutlich hervorgehoben, im selben charakteristischen Rhythmus wie im ersten Satz. Mit dem Vorbild Beethoven sind schließlich auch die Umstände der Uraufführung des Trios verbunden. Diese fand am 26. März 1828, auf den Tag ein Jahr nach Beethovens Tod, als erstes und einziges großes öffentliches Konzert des Komponisten mit ausschließlich eigenen Werken statt. 8

Karikatur «Die Feier von Schubert‘s 100. Geburtstag» (Ausschnitt). Erst im Himmel wird Schubert die erhoffte Anerkennung als Komponist zuteil (v.l.n.r.: Haydn, Beethoven, Mozart, Schubert).

Doch wenn das Konzert auch beim Publikum zu einem großen Erfolg wurde und Schubert daraufhin von der Leipziger Allgemeinen Musikalische Zeitung in die Nähe Beethovens gerückt wurde, hielt sich die mediale Aufmerksamkeit doch letztlich in Grenzen. Diese war im Frühjahr 1828 durch die spektakulären Auftritte Niccolò Paganinis in Wien weitgehend absorbiert, sodass Schubert auch dieses Werk letztlich nicht die – lebenslang erhoffte – ganz große öffentliche Anerkennung einbrachte. Immerhin aber bewirkte der Erfolg des Konzertes, dass das Trio als einziges von Schuberts Kammermusikwerken noch zu Lebzeiten des Komponisten gedruckt wurde. Einen anderen Weg der Auseinandersetzung mit den musikalischen Vorbildern wählt der französische Komponist Thierry Escaich (geb. 1964) in seinen «Lettres Mêlées» («Vermischten Briefe») aus dem Jahr 2003: In diesem Werk macht der renommierte Organist und Professor für Komposition am Pariser Conservatoire National Supérieur de Musique seine künstlerischen Einflüsse explizit zum Thema. Es handelt sich dabei um eine musikalische Hommage an die Komponisten Brahms, Bach und Bartok. Jedem dieser Vorbilder ist einer der drei Sätze gewidmet. Entsprechend der Vorstellung geschriebener Briefe wird das melodische und harmonische Material jeweils aus Anagrammen der Komponistennamen gebildet. Statt auf direkte musikalische Zitate der drei verehrten Komponisten zurückzugreifen, arbeitet

Escaich mit für deren Stil jeweils typischen Strukturprinzipien. Im ersten, Johannes Brahms gewidmeten Satz ist dies das Schwanken zwischen binärem und ternärem Rhythmus, aus dem sich eine charakteristische Instabilität ergibt. Escaich selbst äußert zu diesem Satz: «Es sind düsterlyrische Walzerfetzen, die sich gegen steifere und hartnäckigere Elemente durchzusetzen versuchen»; ein Kontrast, aus dem sich der «Eindruck von sich überlagernden Tempi und manchmal sogar Musiken» ergebe. Im zweiten Satz greift Escaich in Anlehnung an Johann Sebastian Bach auf die Tradition des kanonischen Satzes zurück. Cantusartige Figuren kehren dabei, entwickelt in verschiedenen sich überlagernden Geschwindigkeitsschichten, wieder. Der dritte Satz wiederum, eine Referenz an Béla Bartók, ist geprägt von prägnanten, bisweilen jazzartigen Rhythmen. Am Schluss des Werkes konfrontiert Escaich dann das harmonische, thematische und rhythmische Material aller Sätze des Triptychons auf virtuose Weise miteinander. Lässt er eines seiner musikalischen Vorbilder am Ende die Oberhand gewinnen? Der Komponist selbst dazu: «Die Verflechtung all dieser Elemente [...] reicht bis zum unaufhörlichen Gegeneinanderprallen der verschiedenen Themen und sogar zu deren vollen Integration». Das Werk ist dem Trio Wanderer gewidmet, von dem es am 27. März 2003 in Paris uraufgeführt wurde. Fabian Bien 9

Die Mitglieder des Trio Wanderer haben sich diesen Namen nicht ohne Grund gewählt, sondern zu Schuberts Ehren und aufgrund ihrer Geistesverwandtschaft mit der deutschen Romantik. Das Thema des «umherziehenden Wanderers» ist eines ihrer Leitmotive und als Anspielung auf das Leben eines Musikers zu verstehen, voll von «Reisen in sein Inneres» oder: im Rhythmus unablässiger Tourneen. Die jungen französischen Musiker treibt zudem ihr Forschergeist auf die musikalische Reise durch die Jahrhunderte – von Haydn bis Ravel und Copland. Aber die Gemeinsamkeit mit dem zurückgezogen lebenden Held der Romantik hört hier auf. Zum einen treten die drei Musiker selten alleine auf, denn ihre Freundschaft ist das A und O ihrer Darbietung: Ein Spiel mit außergewöhnlicher Sensibilität und fast telepatischer Harmonie. Zum anderen haben die drei Wanderer nichts vom Unglück des romantischen Helden geerbt: Von der Kritik bereits bei ihren ersten Vorstellungen gekrönt, wurden sie seither pausenlos mit Lobeshymnen überhäuft. Nach Studien an der nationalen Musikhochschule von Paris ergänzte das Trio seine Ausbildung bei János Starker, György Sebök, Dorothy Delay und Menahem Pressler, sowie bei den Mitgliedern des Amadeus-Quartetts. Es gewann große internationale Wettbewerbe wie die Fischoff Chamber Music Competition und den ARD-Wettbewerb in München und begann seine internationale Karriere mit der vollständigen Aufführung aller 10

Trios von Beethoven im Herkulessaal in München. Das 1998 von der Zeitschrift The Strad als «Wandering Stars» ausgezeichnete Trio Wanderer tritt seither auf den großen Podien der Welt auf: Philharmonie Berlin, Théâtre des Champs Elysées in Paris, Library of Congress in Washington, Scala in Mailand, Wigmore Hall in London, Kioi Hall in Tokyo sowie bei bedeutenden Festivals: Schleswig-Holstein, Rheingau, Roque d‘Anthéron, Stresa, Osaka, Salzburg. Es spielte u. a. mit Paul Meyer, Sir Yehudi Menuhin, Christopher Hogwood, Charles Dutoit oder James Conlon, und es wurde von berühmten Orchestern begleitet: der Philharmonie von Radio France, dem RadioSinfonieorchester Berlin, der Sinfonia Varsovia und dem Gürzenich-Orchester Köln. Neben zahlreichen Rundfunk- und CD-Aufnahmen der Trios von Mendelssohn, Dvorák und Smetana für Sony Classical hat das Trio Wanderer 1999 eine neue Zusammenarbeit mit Harmonia Mundi begonnen – mit den Trios von Chausson und Ravel, gefolgt von einer Aufzeichnung sämtlicher Trios von Schubert, dem Tripelkonzert von Beethoven, den letzten Trios von Hadyn, den Quintetten von Schubert und Hummel, den Trios von Schostakowitsch sowie den beiden Tripelkonzerte von Martinu. Das Trio Wanderer wurde von der Unternehmensstiftung Accenture als Patenkind gewählt und erhielt 2000 den «Victoires de la Musique» als beste Kammermusikgruppe des Jahres.

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Orchesterkonzert II Requiem

28.5.06

Montforthaus

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Orchesterkonzert II: Requiem 28. Mai 2006 | 19.00 Uhr Montforthaus

Dmitri Schostakowitsch (1906–1975) Kammersymphonie op. 110 a (= Streichquartett Nr. 8 op. 110, für Streichorchester bearbeitet von Rudolf Barschai) Largo Allegro molto Allegretto Largo Largo – Pause –

Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) Requiem d-Moll KV 626 Introitus: Requiem Kyrie Sequenz: Dies irae Tuba mirum Rex tremendae Recordare Confutatis Lacrymosa Offertorium: Domine Jesu Hostias Sanctus Benedictus Agnus Dei Communio: Lux aeterna

Heike Heilmann Sopran Truike van der Poel Mezzosopran Hans Jörg Mammel Tenor Marek Rzepka Bass Balthasar-Neumann-Chor Feldkirch-Festival-Orchester Thomas Hengelbrock Leitung

Einführung Thomas Seedorf Montforthaus, Graf-Rudolf-Saal 18.00 Uhr

3

Balthasar-Neumann-Chor Sopran Tanya Aspelmeier Anja Bittner Heike Heilmann Christine Oswald Katia Plaschka Sibylle Schaible Mona Spägele Johanna Spörk Dorothee Wohlgemuth Alt Julie Comparini Anne Desler Angela Froemer Dominika Hirschler Susanne Jäckh Susan Marquardt Susanne Otto Truike van der Poel Tenor Rolf Ehlers Nils Giebelhausen Tilman Kögel Hans Jörg Mammel Holger Nithack Martin Post Victor Schiering

4

Bass Manfred Bittner Ralf Ernst Tobias Müller-Kopp Michael Pannes Marek Rzepka Tobias Schlierf Andreas Werner Einstudierung Detlef Bratschke

Feldkirch-Festival-Orchester Violine 1 Gernot Süßmuth* Gregor Dierck Philip Goody Elfa Rún Kristinsdottir Anna Melkonian Petra Schwieger Lotta Suvanto Monika Tarcsay Violine 2 Monika Nußbächer* Johannes Fleischmann Christina Gallati Katarina Giegling Sarah Marie Immer Christina Oberhuber Veronika Spalt Angelika Treml Viola Wolfgang Rings* Peter Andritsch Katharina Hage Claudia Hofert Sonja Schindele Dorle Sommer

Violoncello Reinhard Latzko* Maria Grün Davit Melkonian David Pennetzdorfer Michael Peternek

Orgel Johannes Hämmerle

Kontrabass Francisco Obieta* Markus Ess Stefan Preyer Walter Singer

* Stimmführer

Pauke Wolfgang Lindner

Bassetthorn Otto Kronthaler Sebastian Kürzel Fagott Veit Scholz Maurizio Barigione Trompete Paolo Bacchin Christian Gruber Posaune Matthias Sprinz Henning Wiegräbe Ralf Müller

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Dieses Foto von Schostakowitsch entstand vermutlich 1962 in der Künstlergarderobe des Großen Saales in Moskau am Tag der Uraufführung seiner 13. Symphonie.

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Musik des Gedenkens von Schostakowitsch und Mozart «Am Tage seines Todes ließ er sich die Partitur an sein Bette bringen. ‚Hab ich es nicht vorhergesagt, daß ich dieß Requiem für mich schreibe?’ so sprach er, und sah noch einmal das Ganze mit nassen Augen aufmerksam durch.» (Franz Niemetschek: W. A. Mozarts Leben, 1808) «Ich dachte darüber nach, daß, sollte ich irgendwann einmal sterben, kaum jemand ein Werk schreiben wird, das meinem Andenken gewidmet ist. Deshalb habe ich beschlossen, selbst etwas Derartiges zu schreiben. Man könnte auf seinen Einband auch schreiben: ‚Gewidmet dem Andenken des Komponisten dieses Quartetts.’» (Dmitri Schostakowitsch an Issak Glikman, 17.2.1969) Es ist der Gedanke an den eigenen Tod, der zwei so unterschiedliche Werke wie das Requiem von Mozart und das Achte Streichquartett von Schostakowitsch miteinander verbindet. Dabei scheinen auf den ersten Blick Welten zwischen ihnen zu liegen: Mozarts Totenmesse entstand als Auftragswerk für einen anonymen Musikliebhaber, der sich später als Graf Franz WalseggStuppach erwies und gern Kompositionen anderer als die eigenen ausgab. Dass Mozart diesen Auftrag überhaupt annahm, lässt sich mit der

chronischen Geldnot seiner letzten Lebensjahre kaum ausreichend erklären. Und dass die Kirchenmusik «sein Lieblingsfach» gewesen sei, wie Mozarts erster Biograph Niemetschek behauptet, ist wohl eine postume Übertreibung zu Verklärungszwecken. Allerdings hatte sich Mozart gegen Ende seines Lebens wieder verstärkt der Sakralkunst zugewandt, seit Mai 1791 machte er sich sogar Hoffnungen auf die Domkapellmeisterstelle an St. Stephan. Messen und andere kirchenmusikalische Werke hatte er schon zuhauf komponiert, ein Requiem aber noch nicht; und so ist sein gegenüber seiner Frau Konstanze geäußertes «Verlangen sich in dieser Gattung auch einmal zu versuchen» auch als Hinweis darauf zu verstehen, dass er seinen Fundus eigener geistlicher Werke um ein wichtiges Stück zu ergänzen gedachte. Im Gegensatz zu Mozart, dem gläubigen Christen, war Schostakowitsch überzeugter Atheist, und ein katholisches Totenamt zu schreiben wäre ihm nie in den Sinn gekommen. Er war davon überzeugt, dass nicht die Seele des Künstlers, sondern nur sein Werk weiterlebt. Als das Achte Streichquartett im Sommer 1960 entstand, befand sich Schostakowitsch in einem Zustand zwischen Tod und Leben: Im November 1959 hatte man eine unheilbare Rückenmarkserkrankung bei ihm festgestellt, von der er sich existenziell zutiefst bedroht fühlte – 15 Jahre lang, bis zu seinem Tod im Jahr 1975, sollte sie ihn noch quälen. 7

Die Wirkung der erschütternden Diagnose wurde durch den erzwungenen Eintritt in die KPdSU im Frühjahr 1960 noch verstärkt; Schostakowitsch fühlte sich seelisch hingerichtet. Offiziell ist das Achte Streichquartett, parteikonform, «Dem Gedenken der Opfer von Faschismus und Krieg» gewidmet, doch eigentlich ist es ein Werk, das Schostakowitsch für und über sich selbst geschrieben hat – womit er der gedruckten Widmung im übrigen durchaus nicht widerspricht, war er selbst doch eines der prominentesten Opfer des stalinistischen Totalitarismus.

Die erste Seite des Streichquartetts Nr. 8 op 110 von D. Schostakowitsch.

8

Schon mit den ersten Tönen schreibt sich Schostakowitsch buchstäblich in sein Werk ein: Die Tonfolge D-Es-C-H, die das Cello anstimmt, ist ein musikalisches Monogramm für Dmitri SCHostakowitsch. Dieses Motiv durchzieht das ganze Werk und erlebt dabei mehrere Metamorphosen: Wie ein Bachsches Fugenthema erklingt es in den langsamen Rahmensätzen des fünfteiligen Quartetts, wie ein dramatischer Appell im heftigen zweiten Satz, im dritten wird es zum grotesken Tanz verzerrt, nur in Andeutungen erscheint es schließlich am Ende des vierten Satzes. Doch nicht nur durch seinen in Musik verwandelten Namen ist Schostakowitsch als Person in seinem Streichquartett präsent, sondern auch durch Zitate aus eigenen Werken, die zentrale Wendepunkte seines Lebens als Mensch und Künstler markieren. Mit der Ersten Symphonie, deren Eingangstakte zu Beginn des ersten Quartettssatzes zitiert werden, schloss Schostakowitsch sein Studium am Leningrader Konservatorium ab und errang zugleich seinen ersten großen Erfolg. Die Fünfte Symphonie, die gleichfalls im ersten Satz anklingt, war Schostakowitschs Reaktion auf die vernichtende und zeitweise sogar lebensbedrohende Kritik, die von höchster Stelle an seiner Oper Lady Macbeth von Mzensk geübt worden war. Die vermeintliche Unterordnung des Künstlers unter die Ideale des Sozialistischen Realismus, als die dieses Werk oft missverstanden

wurde, hat Schostakowitsch in vielen seiner Werke konterkariert, so etwa im Zweiten Klaviertrio, das deutliche Anleihen bei jüdischer Musik machte – in der Stalinära, in der Sympathie mit den Juden kaum weniger lebensgefährlich war als im Deutschen Reich, ein Akt des Widerstands, den Schostakowitsch geheim halten musste. Das Zitat aus dem Finale dieses Klaviertrios im zweiten Satz des Quartetts ist der ekstatische Höhepunkt des ganzen Werks. Sowohl das DSCH-Motiv wie die Zitate treten nicht als Fremdkörper hervor, sondern sind eingeschmolzen in die Musiksprache des Werks, die von dem komplexen Mit- und Ineinander verschiedener Stilschichten geprägt ist. Der Beginn evoziert Erinnerungen an Bachs Fugen im alten Stil, die Schostakowitsch seiner Tonsprache anverwandelt. Der zweite Satz steht für eine andere Seite von Schostakowitschs Musik, jene gesteigerte Expressivität, die aus geradezu aggressiver Motorik erwächst. Schostakowitschs Neigung zum Grotesken entspringt der dritte Satz, während der vierte Satz, dem ein russisches Revolutionslied zugrunde liegt, zum letzten Satz überleitet. Dass Schostakowitsch am Ende auf den Anfang des Werks zurückgreift, ist ein auch äußerlich leicht wahrnehmbarer Hinweis auf die wunderbare Geschlossenheit des Quartetts. Nicht nur in ihr manifestiert sich jene kompositorische Meisterschaft, die Schostakowitsch als sein wichtigstes Vermächtnis verstand.

Der Dirigent und Bratschist Rudolf Barschai (geboren 1924) war ein langjähriger Freund von Schostakowitsch. Seine Bearbeitung des Achten Streichquartetts ist von diesem noch persönlich autorisiert worden.

Anders als Schostakowitsch, der das Streichquartett zu seinem eigenen Gedenken nicht nur vollenden, sondern ihm noch sieben weitere bedeutende Quartette folgen lassen konnte, war es Mozart nicht vergönnt sein Requiem fertigzustellen. Als er in der Nacht zum 5. Dezember 1791 starb, lag nur der Eingangssatz fertig instrumentiert vor, von einigen anderen Sätzen waren zumindest die Vokal- und einige Instrumentalstimmen notiert, doch sind Sanctus, Agnus Dei und Communio unvertont geblieben. Da es sich bei dem Requiem um eine einträgliche Auftragskomposition handelte, sorgte Mozarts Witwe 9

Die erste Seite von Mozarts Requiem-Handschrift.

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dafür, dass das Werk vollendet wurde. Nachdem Mozarts Schüler Franz Jacob Freystädtler und Joseph Eybler ihre Ergänzungsversuche nach kurzer Zeit abgebrochen hatten, übernahm mit Franz Xaver Süßmayr ein weiterer Mozart-Schüler diese heikle Aufgabe. In seiner Vervollständigung wurde Mozarts Requiem berühmt und trotz offenkundiger Mängel wie der bisweilen ungeschickten Instrumentation oder der seltsamen Tonartendisposition der von ihm stammenden Teile ist Süßmayrs Fassung Mozart näher als alle späteren Komplettierungsversuche. Diese zeigen zwar zum Teil größere Einsicht in Mozarts stilistische Besonderheiten, können sich aber – anders als Süßmayr – nicht auf die persönliche Auseinandersetzung mit dem Komponisten über das zu vollendende Werk (wie immer diese auch ausgesehen haben mag) stützen. Als Mozarts Requiem im Jahr 1800 bei Breitkopf & Härtel im Erstdruck erschien, wusste fast niemand, dass die Totenmesse in der vorliegenden Gestalt gar nicht von Mozart stammte. Erst einige Jahre später entbrannte ein heftiger Streit über die Authentizität des Werks, dessen Siegeszug davon aber nicht aufzuhalten war. Das «furchtbarerhabene Requiem» (Niemetschek) wurde zum geradezu kultisch verehrten Vermächtnis des Komponisten. In seiner 1814 veröffentlichten Artikelserie über Alte und neue Kirchenmusik pries E. T. A. Hoffmann «das tiefe, überschwenglich herrliche ‚Requiem’ von

Mozart» sogar als Werk, «das den neuen Kirchenkomponisten als Muster gelten kann.» Spätere Generationen sahen in Mozart vor allem den Klassiker, Hoffmann hingegen galt er als romantischer Komponist, in dessen Musik und vor allem im Don Giovanni und im Requiem er den Geist seiner Epoche wiedererkannte – und das mit Recht, stellt Mozarts Opus ultimum doch weniger den krönenden Abschluss der klassischen Tradition als vielmehr einen nach vorn sich öffnenden stilistischen Neuanfang dar. In keinem Takt seiner Totenmesse erinnert Mozart an den Stil seiner frühen Messen, auch das Experimentieren mit Elementen barocker Sakralmusik, das für die gleichfalls Fragment gebliebene große c-Moll-Messe KV 427 so typisch ist, erscheint hier verwoben in eine ganz individuelle Musiksprache, die retrospektiv und neuartig zugleich ist. Vieles verweist zurück auf die von Hoffmann und vielen anderen Autoren immer wieder als besonders würdig charakterisierte Kirchenmusik älterer Zeit, der Gebrauch des gregorianischen «Tonus peregrinus» zu den Worten «Lux aeterna luceat eis» im Introitus ebenso wie das erste Thema der Kyrie-Fuge, mit dem Mozart einen u. a. über Händel vermittelten Topos aufgriff. Das Neue zeigt sich vor allem in drei Momenten: Mozart bemüht sich – anders als in der von virtuosen Solo- und Ensemblesätzen geprägten c-MollMesse – um einen genuinen Kirchenstil und vermeidet jede Nähe zur Musiksprache der Oper. 11

Die vier Solisten stellen sich im Tuba mirum zwar einzeln vor, vereinigen sich fortan aber fast ausnahmslos in dichten Ensemblesätzen. Das Vokale dominiert, auch in den Chorsätzen, das Orchester tritt begleitend in den Hintergrund – und erfüllt dennoch eine wichtige Aufgabe: Die Instrumente geben dem Gesang eine spezifische Färbung. Es ist nicht zuletzt das dunkel-warme Timbre der Bassetthörner und Posaunen, das Partien wie dem einleitenden Requiem aeternam oder dem Oro supplex-Abschnitt im Confutatis ihre unerhörte Eindringlichkeit verleiht. Erst seit einigen Jahren ist bekannt, dass Mozart sein Requiem tatsächlich für sich selbst komponiert hat. Nach dem Bericht der in Wien handschriftlich verbreiteten Zeitung Der heimliche Botschafter hatten Emanuel Schikaneder und andere Freunde und Kollegen am 10. Dezember 1791 ein Seelenamt für Mozart abhalten lassen, «wobey das Requiem, welches er in seiner letzten Krankheit komponirt hatte, exequirt wurde.» Mehr als der Introitus dürfte bei dieser Gelegenheit wohl nicht erklungen sein, doch dieser enthielt die wohl wichtigste Botschaft an den Verstorbenen: «Requiem aeternam dona eis Domine». Thomas Seedorf

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Auch Fragment geblieben: Mozart am Cembalo. Das Bild begann sein Schwager Joseph Lange ca. 1789. Mozarts Frau berichtete später, von allen Porträts sei dieses das authentischste.

Thomas Hengelbrock machte sich als Entdecker in Vergessenheit geratener Werke und mit Neuinterpretationen bekannten Repertoires einen Namen. Im Zentrum seiner Arbeit steht die intensive Auseinandersetzung mit einem Werk in seinem historischen Zusammenhang. Thomas Hengelbrock strebt – wie Balthasar Neumann mit der architektonischen Engführung von Bau, Malerei, Skulptur und Garten – eine Integration von Musik und anderen Künsten an. Er widmet sich nicht nur intensiv der Oper, sondern der Kombination unerwarteter und neuartiger Konzertprogramme sowie halbszenischer Projekte. Sein Repertoire umfasst das 16.–20. Jahrhundert, darüber hinaus bringt er zeitgenössische Werke zur Aufführung und Auftragskompositionen zur Uraufführung. Thomas Hengelbrock begann seine Karriere als Geiger. Wichtige künstlerische Impulse erhielt er \ von Witold Lutoslawski, Maurizio Kagel und Antal Dorati sowie durch seine Mitwirkung in Nikolaus Harnoncourts Concentus musicus. Das Freiburger Barockorchester, das er mitbegründete, spielte bis 1997 unter seiner Leitung; mit den Amsterdamer Bachsolisten arbeitete er von 1988 bis 1991, und die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen wählte mit ihm 1995 erstmals einen festen künstlerischen Leiter. Als Dirigent folgt Thomas Hengelbrock den Einladungen zahlreicher renommierter Orchester und Opernhäuser. Von 2000 bis 2003 war er Musikdirektor der Volksoper Wien. Neben der musikalischen Leitung übernimmt er oftmals die szenische

Umsetzung seiner Projekte. Seit 2001 ist er Künstlerischer Leiter des Feldkirch Festivals. Thomas Hengelbrock gründete mit dem Balthasar-Neumann-Chor 1991 eine professionelle Formation aus jungen Solisten. Im Mittelpunkt steht die Musik des 16.–18. Jahrhunderts, doch führt die musikalische Arbeit auch zur Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Werken, z. B. auf der musikalischen Zeitreise Vermächtnisse, bei der Werke von Perotin bis zu György Ligeti zu Gehör kommen. Unbekannte Kirchenmusik und die italienische Chormusik sind dem Chor ein besonderes Anliegen. In Musiktheaterproduktionen und szenischen Projekten mit dem Balthasar-NeumannEnsemble zeigt sich das außergewöhnliche schauspielerische Talent der einzelnen Chormitglieder. Höhepunkte waren die szenischen Aufführungen Italienische Karnevalsmusiken in Masken und Kostümen sowie Metamorphosen der Melancholie, eine Hommage an englische Künstler des 17. Jahrhunderts, und King Arthur (Henry Prucell und John Dryden). 1992 feierte der Chor seinen ersten internationalen Erfolg in Utrecht mit Purcells Dido and Aeneas mit dem Freiburger Barockorchester. Auf die Konzerte beim Resonanzen-Festival in Wien 1993 folgten bald Einladungen zu bedeutenden Festspielen, u. a. nach Paris, \ Prag, Jerusalem, Wroclaw und zum SchleswigHolstein-Musik-Festival.

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In Zusammenarbeit mit dem Regisseur Achim Freyer entstand 1996 für die Schwetzinger Festspiele und die Oper Bonn eine szenische Aufführung von Bachs h-Moll-Messe, die 2002 eine konzertante Wiederaufnahme fand. Die Solopartien wurden hierbei aus dem Chor besetzt, der das Werk auswendig sang. Die Presse lobte das stimmliche Potential des Chores und seine »Transparenz, Klarheit und leuchtende Spiritualität, die kaum zu überbieten sein dürfte“ (Mannheimer Morgen). Großen Anklang fanden die beiden Freyer-Inszenierungen: Claudio Monteverdis L’ Orfeo bei den Wiener Festwochen sowie den Münchner Opernfestspielen und Joseph Haydns L’ Anima del Filosofo bei den Schwetzinger Festspielen. Seit 1998 führt der Südwestrundfunk mit Balthasar-Neumann-Chor und -Ensemble eine eigene Konzertreihe unter dem Motto «Abenteuer Musik» durch. Unbekanntere Werke wie z. B. die Missa superba von Johann Kaspar Kerll oder die Missa sapientiae von Antonio Lotti wurden hier dem Publikum vorgestellt. In dieser Reihe wurde auch Antonio Lottis Requiem in F-Dur erstmals wieder aufgeführt, das inzwischen als preisgekrönte CD vorliegt. Balthasar-Neumann-Chor und -Ensemble gastierten 2001 mit Haydns Schöpfung auf den bekannten Festivals und spielten das Werk auf CD (bmg) ein. Mit Monteverdis Marienvesper wurde der Chor als ein Ensemble virtuoser Gesangsolisten auf mehreren Europatournee gefeiert. Seit 2001 14

sind Balthasar-Neumann-Chor und -Ensemble «ensembles in residence» beim Feldkirch Festival, wo sie 2002 Monteverdis L’Orfeo und Schumanns Manfred unter der Leitung von Thomas Hengelbrock, 2003 Beethovens Missa solemnis und Händels Messias aufführten. Im Festspielhaus Baden-Baden waren sie mit Purcells Dido and Aeneas in der Regie von Tatjana Gürbaca und unter der Leitung von Thomas Hengelbrock zu hören und zu sehen. Mit Klaus Maria Brandauer und Thomas Hengelbrock waren sie mit einem besonderen Weihnachtsprogramm zu hören. 2004 gingen sie u. a. mit romantischer Chormusik auf Europatournee. Im April 2006 gestalteten sie das Benefizkonzert des Bundespräsidenten mit Bachs h-Moll-Messe. Namenspatron des Ensembles ist Balthasar Neumann (1687–1753), der bedeutendste deutsche Architekt des Barock und u. a. Baumeister der Residenzen von Würzburg und Schönbornslust sowie der Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen.

Das Feldkirch-Festival-Orchester Die jeweils an ihrem Instrument Besten zusammenzuführen, herausragende Nachwuchskünstler und Musiker, die eigene Konzerte beim Feldkirch Festival gestalten, mit Spitzenmusikern aus Vorarlberg und renommierten Solisten und Musikern aus führenden Orchestern Europas zum gemeinsamen Musizieren zu bringen: Das war die Idee, die 2005 hinter der Gründung des Feldkirch-Festival-Orchesters stand. Auf Initiative von Thomas Hengelbrock bildete sich so ein Klangkörper, der gleichzeitig zentrale Anliegen des Feldkirch Festivals erfüllt: Dem Festival ein eigenes Orchester zu geben, dem Publikum dabei eine herausragende musikalische Qualität zu garantieren und vor allem Nachwuchsförderung in ihrer schönsten Form – dem aktiven Konzertieren – zu betreiben. Die jungen Künstler konnten auch international große Erfolge in Konzerten und Wettbewerben erzielen, sei es solistisch oder in Ensembles. Unter ihnen sind Studenten des Landeskonservatoriums für Vorarlberg, der Musikuniversität Wien, des Wiener Jeunesse Orchesters, des Attersee Institutes, der Orchesterakademie der Münchner Philharmoniker und der Musikhochschule Freiburg. Im Feldkirch-Festival-Orchesters treffen sie nun auf etablierte Profis, vor allem aus Italien, Österreich und Deutschland.

Konzertmeister ist in diesem Jahr Gernot Süßmuth, ehemaliges Mitglied des Petersen-Quartetts und nunmehr Konzertmeister der Staatskapelle Weimar und Professor an der dortigen Musikhochschule; als Solocellist konnte der langjährige Solocellist des SWR-Sinfonieorchesters und jetzige Professor der Wiener Musikuniversität Reinhard Latzko gewonnen werden. Neben den Dozenten des Landeskonservatoriums Feldkirch Francisco Obieta, Allen Smith und Wolfgang Lindner als drei führenden Vertretern Vorarlbergs spielen zudem mit: der Soloflötist der Wiener Symphoniker, der Solooboist des Radio-Symphonieorchesters Wien, Musiker der Staatsoper Berlin, des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, des Chamber Orchestra of Europe, des Mahler Chamber Orchestra, der Bamberger Symphoniker, des Balthasar-Neumann-Ensembles und einiger führender Kammerorchester. Der Kontinuität der Besetzung – ein Großteil der Musiker war bereits im letzten Jahr dabei – steht bewusst ein anregender Wechsel in der Leitung gegenüber: Für das erste Konzert 2005 konnte mit John Axelrod einer der führenden Vertreter der Neuen Musik gewonnen werden; in diesem Jahr werden Trevor Pinnock, einer der ganz Großen der Alten Musik, und Thomas Hengelbrock, der künstlerische Leiter des Festivals, am Pult stehen.

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Heike Heilmann stammt aus Wangen im Allgäu und erhielt an der JMS Württembergisches Allgäu und der Musikschule Ravensburg ihre erste musikalische Ausbildung bei Elisabeth Daiker. Sie gewann mehrfach den Ersten und Zweiten Bundespreis beim Wettbewerb Jugend musiziert. Nach dem Abitur studierte sie Gesang an der Staatlichen Hochschule für Musik Freiburg im Breisgau, unter anderem bei Prof. Markus Goritzki. Im Oktober 2002 begann sie ein Aufbaustudium mit Schwerpunkt Lied/Oratorium bei Prof. Heidrun Kordes an der Hochschule für Darstellende Kunst und Musik in Frankfurt am Main. Seit Oktober 2003 ist sie dort auch Mitglied der Opernklasse und wirkte unter anderem als Blondchen in Mozarts Entführung aus dem Serail und als Sophie Scholl in Die Weiße Rose von Udo Zimmermann mit. Neben ihrer regen solistischen Tätigkeit ist Heike Heilmann auch Mitglied in professionellen Ensembles, wie dem BalthasarNeumann-Chor unter der Leitung von Thomas Hengelbrock. In der Spielzeit 2004/05 war Heike Heilmann als Gast in mehreren Produktionen an der Oper Frankfurt engagiert.

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Truike van der Poel studierte zunächst Altphilologie, später Gesang in Den Haag und Chorleitung in Rotterdam. Bis 2001 war sie Lehrbeauftragte für Chorleitung an der Musikhochschule Hannover. Seit 1999 ist sie Schülerin von Michaela Krämer. Ihr solistisches Repertoire reicht vom frühen Barock über klassische Liederabende, Berlioz, Mahler, Schönberg, Bartók und Wolpe bis zu Kammermusik von Ustwolskaja, Ligeti, Spahlinger und Lachenmann. Neben dem barocken und klassischen Oratorienfach profilierte sie sich in der zeitgenössischen Musik – etwa mit einer Hauptrolle in Carola Bauckholts Kammeroper Stachel der Empfindlichkeit oder in C. J. Walters Angst und Ahnung. Auch Werke von Steffen Schleiermacher, Salvatore Sciarrino und Erik Oña brachte sie zur Uraufführung. Sie trat als Solistin auf in Nonos Il Canto Sospeso, mit dem Thürmchen Ensemble beim Warschauer Herbst 2005 und mit dem Deutschen Kammerchor in Heinz Holligers Dunkle Spiegel. Mit der Schola Heidelberg sang sie in zahlreichen Uraufführungen, Rundfunk- und CD-Aufnahmen, mit dem Balthasar-Neumann-Chor u. a. beim Bologna Festival, beim Bremer Musikfest und in der Kölner Philharmonie. Sie arbeitete mit dem Ensemble TrioLog, mit dem Kölner Violenconsort, dem Ensemble Resonanz, dem Schlagquartett Köln, dem Ensemble Avantgarde (Leipzig) und dem Ensemble L’ Itinéraire (Paris) zusammen. Neue CDs von ihr enthalten Werke von Erik Oña, Thomas Stiegler sowie eine Ersteinspielung dreier Lieder von René Leibowitz mit dem ensemble aisthesis.

Hans Jörg Mammel erhielt ersten Gesangsunterricht in seiner Geburtsstadt Stuttgart bei den Hymnus-Chorknaben. Er studierte Rechtswissenschaften in Freiburg und anschließend Gesang bei Werner Hollweg und Ingeborg Most. Er absolvierte Meisterkurse bei Barbara Schlick, Elisabeth Schwarzkopf und James Wagner sowie bei Reinhard Goebel für historische Aufführungspraxis und sang bei bedeutenden Festivals in Utrecht, Schwetzingen, Schleswig-Holstein, Jerusalem, Breslau, Brügge und Wien. Mit Thomas Hengelbrock, Sigiswald Kuijken, Ivan Fischer, Hans Zender, Philippe Herreweghe und Ivor Bolton wuchs eine wegweisende Zusammenarbeit. Er sang mit großem Erfolg den Orfeo (Monteverdi) in Island. Gastverträge führten ihn an die Städtischen Bühnen Freiburg und die Staatsoper «Unter den Linden» in Berlin. Er sang bei den Münchner Opernfestspielen und bei den Wiener Festwochen. Außerdem gilt sein Interesse neben den großen Liederzyklen der Romantik besonders den Komponisten der zweiten Berliner Liederschule. In Liederabenden stellt er dem Publikum unbekannte Werke z. B. von Zelter, Reichardt, Johann Abraham Peter Schulz oder Robert Franz vor. Viele dieser Werke spielte er auch auf CD ein. Große Aufmerksamkeit erregte er durch seine Interpretation von Franz Schuberts schöner Müllerin in der Fassung für Tenor und Gitarre, die ebenfalls als CD vorliegt.

Marek Rzepka wurde in Mikolow (Polen) geboren. Der gelernte Bergmann gewann 1989 beim Kolobrzeg-Festival den ersten Preis und begann darauf seine Gesangsausbildung in Krakau bei Adam Szybowski. 1993 wechselte er an die Dresdner Musikhochschule und setzte sein Studium bei Christian Elßner fort, das er 1998 mit Auszeichnung abschloss. Er setzte seine Studien bei Hans-Joachim Beyer fort, besuchte Meisterkurse bei Brigitte Fassbaender, Teresa Zylis-Gara, Peter Schreier, Thomas Quasthoff und Charles Spencer und arbeitet zur Zeit mit Rudolf Piernay. Sein Repertoire reicht von historischen bis zu zeitgenössischen Kompositionen. So sang er Mozarts Requiem in der Krakauer Philharmonie, die Matthäus-Passion von J. S. Bach mit dem Dresdner Kreuzchor, Maurizo Kagels Oper Aus Deutschland, konzertierte mit H. Rilling, A. Parrott, Steven Stubbs und Eduardo López Banzo, sowie regelmäßig mit dem Balthasar-Neumann-Ensemble unter T. Hengelbrock, u. a. als Rafael in der Schöpfung von Haydn und als Caronte in Monteverdis Orfeo. Er gastierte bei zahlreichen Festspielen (u. a. 2005 beim Boston Early Music Festival), gab Liederabende in Dresden, Freiburg, Hamburg, Krakau, Wien und Leipzig und wirkte bei CD-Produktionen und Rundfunkaufnahmen mit. 2001 erhielt er einen Lehrauftrag für Gesang an der Leipziger Musikhochschule. 2004 debütierte er am Théâtre La Monnaie in Brüssel in Monteverdis Il Ritorno D’Ulisse in Patria mit anschließenden Aufführungen in Frankreich, Luxemburg, New York und beim Melbourne Festival. 17

Die letzte Seite von Mozarts Requiem-Handschrift. Auf der Weltausstellung in Brüssel 1958 riss ein Unbekannter die rechte untere Ecke ab – mitsamt Mozarts vermeintlich letzten Worten: «Quam olim da capo».

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