Die Umweltprüfer
March 30, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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Die Umweltprüfer Ob Ingenieure, Geografen oder Biologen: Wer Emissionen und Immissionen messen und beurteilen will, hat in der Industrie gute Chancen. | Sascha Stienen
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bgase, Abwässer, Lärm, Gestank, Gerüche, Feinstaub – Begriffe wie diese setzen bei gewöhnlichen Menschen eher unangenehme Assoziationen frei. Für Umweltgutachter, Emissions- und Immissionsexperten bedeuten sie Arbeit. Und die umfangreiche bundesdeutsche Gesetzgebung sorgt dafür, dass diese Arbeit auch nicht ausgeht. Im Gegenteil: Gerade in der Industrie und im Energiesektor sind Fachleute besonders gefragt. Das gilt für Umweltund Messtechniker, Verfahrens- und Maschinenbauingenieure, aber auch für Naturwissenschaftler, Physiker, Chemiker oder Geologen. Die Arbeitgeber können kleine Ingenieursbüros für technischen Umweltschutz sein, die entsprechenden Abteilungen in den Technischen Überwachungsvereinen oder aber Industrie- und Energiekonzerne, die selbst Mess- und Analysefachleute beschäftigen und Umweltmanagementsysteme betreiben.
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Gerade der Energiesektor gilt als Zukunftsbranche – und das nicht erst seit der Atomkatastrophe von Fukushima und der darauf hin geplanten bundesdeutschen Energiewende.
Universitäre Ausbildung Am Institut für Feuerungs- und Kraftwerkstechnik der Stuttgarter Universität werden zwar nicht explizit Umweltprüfer oder Umweltgutachter ausgebildet. Viele Absolventen der Umweltschutztechnik und der Verfahrenstechnik sowie Maschinenbauingenieure gehen jedoch nach dem Studium in diese Richtung, suchen eine Anstellung in großen Prüfunternehmen wie TÜV und Dekra oder werden selbstständige Gutachter. Das berichtet Professor Günter Baumbach, Leiter der Abteilung Reinhaltung der Luft im genannten Institut und Experte für Luftreinhaltung im Verein Deutscher Ingenieure (VDI).
Professor Baumbach weiß, dass gerade Absolventinnen und Absolventen mit einer fundierten Ausbildung im Messwesen gute Chancen in der Industrie haben. Im Stuttgarter Raum ergeben sich etwa gute Jobaussichten bei Automobilherstellern, Zulieferern oder bei großen Firmen wie Bosch, zum Beispiel als Abgasmesstechniker. Während die Umweltgesellschaften des Landes und Bundes seltener neue Umweltexperten brauchten, seien die Chancen in der Industrie viel größer. „Viele große Firmen haben mittlerweile Qualitätsmanagementsysteme für den Umweltbereich“, sagt Professor Baumbach. Die Unternehmen müssten spezielle ISO- und EU-Normen im Umweltbereich einhalten. Häufig beschäftigten sie dazu eigene Abteilungen und Labors, die sich selbst mit solchen Messungen befassen, wie man sie an der Universität lernen kann. Wichtig sei es, nach dem Bachelorstudium die Weichen zu stellen und im Masterstudium entsprechende Zusatzfächer zu belegen. Neben Umweltschutztechnikern und Verfahrenstechnikern haben laut Professor Baumbach auch Chemiker und Physiker gute Chancen auf Jobs im Bereich Umweltanalysen und -gutachten. „Wer sich in seinem Studium mit analytischer und physikalischer Chemie beschäftigt hat, der ist schon ziemlich gefragt.“ Messgerätehersteller könnten zudem ein attraktives Arbeitsfeld für Elektrotechniker sein, weil in den Geräten heute teilweise sehr viel Elektronik stecke. Gleiches gelte für Informatiker in Hinsicht auf IT-Anwendungen für Geräte im Messwesen. Studenten der Universität Stuttgart können mit dem Masterstudiengang „WASTE“ schon frühzeitig die Weichen für eine internationale Karriere im Umweltsektor stellen. WASTE setzt sich zusammen aus Air Quality Control, Solid Waste und Waste Water Process Engineering. Die Studenten können sich für eine von drei Fachrichtungen entscheiden: also Abfälle, Abwasser oder Luftreinhaltung. Für letztes Fachgebiet ist Professor Baumbach der Experte, nicht zuletzt
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wegen zahlreicher Fachveröffentlichungen und einer mittlerweile 30-jährigen Tätigkeit als Obmann messtechnischer Arbeitsgruppen für VDI-Richtlinien, europäische (EN) und internationale (ISO) Normen in der Kommission Reinhaltung der Luft des VDI und DIN. Professor Baumbach berichtet, dass viele seiner Studenten ihre Abschlussarbeiten in großen Unternehmen schreiben, um dort anschließend eine Anstellung zu finden. Das „ausführliche Vorstellungsgespräch“ von sechs Monaten sei eine beliebte Methode, einen Fuß in die Tür großer Konzerne zu bekommen. Bei einem kleineren Unternehmen sei der Einstieg dagegen nicht so leicht zu bewerkstelligen. Dagegen hätten die kleinen Um-
mentsystemen, die Prüfung von Biogasanlagen, Prüfungen von CO²-Emissionsberichten und CO²-Zuteilungsanträgen sowie Prüfungen von Treibhausgasminderungsprojekten nach dem Kyoto-Protokoll. Hinzu kommen Prüfungen des CO²Fußabdrucks von Unternehmen oder Organisationseinheiten, Produkten, Dienstleistungen, Veranstaltungen oder Gebäuden. Zu den internationalen KlimaschutzInstrumenten gehören unter anderem Projekte aus dem Bereich Clean Development Mechanism (CDM). CDM ist eine der flexiblen Maßnahmen des Kyoto-Protokolls zur Senkung der Treibhausgas-Emissionen. Dieses Arbeitsfeld ist international geprägt und wird von den
Schutz für den Umweltschützer: Helmpflicht gibt es auf diversen Arbeitsplätzen für Ingenieure, Naturwissenschaftler, Chemiker und Geologen. Foto: © Rainer Sturm/Pixelio
sehr gute Englischkenntnisse, ein persönliches Bekenntnis zum Klimaschutz sowie gute Grundlagenkenntnisse des relevanten Regelwerks. Reisebereitschaft sowie Berufserfahrungen in CDM-relevanten Branchen (Energie, produzierendes Gewerbe, petrochemische und chemische Industrie, Verkehrssysteme, Land- oder Forstwirtschaft) sind laut Krupp von Vorteil. Wer als Experte für TÜV NORD Cert im Bereich Umwelt- oder Energiemanagementsysteme tätig werden will, der braucht mehrjährige einschlägige Berufserfahrung in der relevanten Branche sowie im Zusammenhang mit dem entsprechenden Regelwerk. Die Fachabteilung Umwelt und Klimaschutz konkurriert mit den großen deutschen Zertifizierungsunternehmen, berichtet Eric Krupp. Kleine Unternehmen konzentrierten sich dagegen auf Auditierungen gemäß EMAS (European Management and Audit Scheme) sowie auf die Prüfung von CO²-Emissionsberichten sowie Zuteilungsanträgen im europäischen Emissionshandel. Dabei würden auch Auditoren eingesetzt, die eine persönliche Benennung zum Umweltgutachter haben oder als Sachverständige öffentlich bestellt und staatlich vereidigt sind. In diesem Segment finde
KLEINES GLOSSAR weltgutachter häufig ein großes Einsatzspektrum. „Je kleiner der Betrieb, desto vielfältiger ist häufig das Arbeitsfeld.“
TÜV NORD Die TÜV NORD CERT GmbH vereint unter dem Dach des Fachbereiches Umweltund Klimaschutz diverse Abteilungen wie Klimaschutz International, Klimaschutz Deutschland, integrierte Managementsysteme und Energie. Der Fachbereich bietet somit ein breites Spektrum an Betätigungsfeldern: Zertifizierungen im Rahmen von nationalen und internationalen Umwelt- und Energiemanage-
weltweit tätigen, großen Prüfunternehmen bearbeitet wie DNV, SGS, Bureau Veritas, aber auch von den Technischen Überwachungsvereinen TÜV NORD, TÜV Süd sowie TÜV Rheinland. Eric Krupp, Leiter Klimaschutz Deutschland bei der TÜV NORD CERT GmbH, berichtet, dass für eine Tätigkeit im CDM-Bereich unterschiedliche Qualifikationen hilfreich sind. „Hier arbeiten Ingenieure und Naturwissenschaftler verschiedener Fachrichtungen, Ökonomen, Agrarwissenschaftler, Forstwissenschaftler, Geografen oder Geologen.“ Wesentliche Voraussetzungen seien ein abgeschlossenes Hochschulstudium,
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Emission: Der Begriff bezeichnet das Ausströmen luftverunreinigender Stoffe in die Außenluft. Feinstaub: Als Feinstaub, Schwebstaub oder englisch „Particulate Matter“ (PM) bezeichnet man Teilchen in der Luft, die nicht sofort zu Boden sinken, sondern eine gewisse Zeit in der Atmosphäre verweilen. Immission: Dabei handelt es sich um das Einwirken von Luftverunreinigungen, Schadstoffen, Lärm, Strahlen und Ähnlichem auf Menschen, Tiere und Pflanzen.
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man auch kleinere Unternehmen oder Freiberufler, sagt Krupp.
Gute Karrierechancen haben Ingenieure und Naturwissenschaftler mit einschlägigem Vorwissen auch im Energiekonzern EnBW. Das berichtet Ricardo Plagemann, Referent für Sonderaufgaben im Unternehmensbereich Konzernumweltschutz. Seine Abteilung arbeitet dem EnBWTechnikvorstand zu und ist unter anderem für das konzernweite Umweltmanagementsystem zuständig. „Wir machen selbst keine Prüfungen, die werden in den operativen Kraftwerksgesellschaften durchgeführt“, sagt er. Kraftwerke hat der große Energiekonzern in allen Bereichen der Stromerzeugung: Kernenergie, Kohle und Gas, Erneuerbare Energien aus Wasser- und Windkraft sowie Photovoltaik. Plagemann erläutert, dass die Kraftwerksgesellschaften für die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Emissionsgrenzwerte zuständig sind. „Das ist ein großes Betätigungsfeld für Verfahrenstechniker oder Personen, die sich mit Umweltschutzprüfungen beschäftigen.“ Dabei handle es sich zum Teil um Labortätigkeiten sowie um Messungen und die anschließende Analyse und Auswertung. Bei EnBW haben laut Plagemann Verfahrenstechniker im Umweltschutzbereich „hervorragende Möglichkeiten“. Die Tätigkeiten in den jeweiligen Kraftwerksgesellschaften ergäben sich aus den gesetzlichen Vorgaben und Genehmigungsverfahren, zum Beispiel
LINKS Das internationale WASTE-Studienprogramme der Uni Stuttgart: http://www.waste.uni-stuttgart.de/ index.php?doc=/home.html Zahlreiche Informationen zum Thema bietet das Umweltbundesamt: http://www.umweltbundesamt.de/
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Energiekonzern EnBW
zur Einhaltung von Emissionswerten, aber auch bei der Abwasserreinhaltung oder dem Abfallmanagement. „Da gibt es eine Menge zu tun.“ In den Gesellschaften, mit denen Plagemanns Abteilung kooperiert, arbeiten neben Verfahrenstechnikern und Maschinenbauingenieuren auch Chemiker. Gute Chancen bieten sich im Bereich Erneuerbare Energien, so der Umweltschutz-Experte. „Wichtig ist dabei nur, dass man im Studium entsprechende Schwerpunkte setzt.“ Plagemann selbst hat in Bayreuth Geoökologie mit dem Schwerpunkt Hydrologie und Umweltchemie studiert. Eine zentrale Aufgabe des EnBW-Konzernumweltschutzes ist die Umsetzung des Umweltmanagementsystems gemäß ISO 14001. Darin sind die Rahmenanforderungen für die einzelnen Gesellschaften enthalten, deren Einhaltung durch Audits regelmäßig überprüft wird. „Wir sorgen für die Weiterentwicklung des Umweltmanagements und für den konzernweiten Wissenstransfer zum Thema Umweltschutz“, so Plagemann. Seine strategische Abteilung beobachtet zudem die Umweltgesetzgebung, um Auswirkungen auf die unternehmerische Tätigkeit von EnBW frühzeitig zu erkennen und an den Technikvorstand und die Gesellschaften zu kommunizieren. Wer im Umweltmanagement tätig werden
will, sollte laut Plagemann über entsprechendes Vorwissen verfügen, sich damit entweder im Studium beschäftigt haben oder über eine Zusatzqualifizierung verfügen. „Das kann ein wichtiger Pluspunkt sein, um bei EnBW im Umweltschutzbereich tätig werden zu können.“ Plagemann berichtet, dass Kraftwerksgenehmigungen mit einem enormen Aufwand verbunden seien, die eine interdisziplinäre Zusammenarbeit diverser Fachleute verlangten. Bei einem Kraftwerksneubau können zur Bearbeitung der genehmigungsrelevanten Anforderungen etwa Verfahrenstechniker, Maschinenbauingenieure, Chemiker, Meteorologen und Physiker dem Projektteam angehören. Um in diesem Bereich zu arbeiten, müsse man eine technisch-naturwissenschaftliche akademische Ausbildung genossen haben. Grundsätzlich hält Ricardo Plagemann Energie für eines der Zukunftsthemen unserer Gesellschaft. „Da ergeben sich immer wieder interessante und vielfältige Aufgaben, gerade unter UmweltschutzGesichtspunkten.“
Umweltmanagement bei RWE Im Energiekonzern RWE arbeiten viele technische Experten im Umweltschutzbereich, die sich zum Beispiel mit der
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Messung von Emissionen auskennen, aber auch mit Themen wie Gewässerschutz oder Abfallwirtschaft. Solche Experten im eigenen Haus zu haben, sei für einen Energiekonzern wie RWE unverzichtbar, sagt Dr. Hans-Peter Meurer, Mitarbeiter des Fachbereichs Umweltschutz/ Corporate Responsibility. Die umfangreiche bundesdeutsche Umweltgesetzgebung lege den Unternehmen eine Reihe von Pflichten auf, deren Erfüllung sichergestellt werden muss. So erfordere zum Beispiel der Betrieb der Rauchgasentschwefelungsanlagen in den Kraftwerken eine umfangreiche betriebliche Technik und eine entsprechende Wartung und Überwachung. Hinzu kommt, dass RWE auf Grund behördlicher und interner Vorgaben ein umfassendes Berichtswesen zu allen umweltrelevanten Fragen wie Emissionen, Schadstoffen, Abwasser und Abfall unterhält. „Dafür brauchen Sie Experten bei den einzelnen Anlagen, die in der Lage sind, die gesetzlichen Anforderungen umzusetzen.“ Die Mitarbeiter in
den Stabsstellen müssen über profunde Kenntnisse in den gesetzlichen Regelungen sowie zum Betrieb der Anlagen verfügen, sagt Dr. Meurer. „Das betrifft sämtliche Anlagen, die der Umweltgesetzgebung in irgendeiner Weise unterliegen. Da ist der Fachkräfte-Bedarf gegeben und wird es auch bleiben.“ Dr. Meurer berichtet, dass dies nicht nur für die Stromwirtschaft gelte, sondern zum Beispiel auch für die chemische und die Stahlindustrie. „Jeder, der gesetzlich als Betreiber von genehmigungspflichtigen Anlagen gilt, der hat entsprechende Fachleute zu stellen.“ Das können auch Naturwissenschaftler sein wie Chemiker und Physiker. Dr. Meurer ist selbst von Haus aus Physiker. Nach vielen Jahren im Qualitätsmanagement für den Entsorgungsbereich ist er nun Mitarbeiter der Stabsabteilung, die für das konzernweite Umweltmanagementsystem zuständig ist. „Wir verfolgen die Umsetzung unserer Anforderungen in allen Bereichen des Unternehmens.“ Auf der Basis des
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Ein Umweltprüfer im Portrait
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ie Arbeit liegt auf der Straße, man muss sich nur bücken“, meint Dr. Frank Dröscher, der seit 1998 ein Büro für Technischen Umweltschutz in Tübingen betreibt. Seine Schwerpunkte sind: Umweltgutachten, Genehmigungen, betrieblicher Umweltschutz. Zuvor war der gelernte Verfahrenstechniker zehn Jahre lang beim TÜV Südwest tätig. Die Arbeit als selbständiger Unternehmer bezeichnet der 53-Jährige als vielfältig und abwechslungsreich. Sie setze aber unternehmerisches Denken und geistige
Beweglichkeit voraus. „Man stellt sich immer wieder auf Marktfragen ein und entwickelt neue Produkte.“ Frank Dröscher studierte an der Uni Stuttgart Verfahrenstechnik. Nach dem Vordiplom ging er für zwei Auslandssemester ans Georgia Institute of Technology in Atlanta (USA), wo er den Master abschloss. Wieder in Stuttgart machte er sein Diplom und promovierte in fünf Jahren bei Professor Günter Baumbach vom Institut für Feuerungstechnik. In dieser Zeit hatte Dröscher Gelegenheit, mit
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Berichtswesens erstellt die Abteilung den Nachhaltigkeitsbericht, in dem der Umweltschutz einen wesentlichen Faktor darstellt. Umweltschutztechniker, Mess- und Verfahrenstechniker sowie Chemiker und Physiker finden im Umweltschutzmanagement bei RWE ebenfalls Beschäftigungsmöglichkeiten, sagt Dr. Meurer. „Die sind dann nicht mit dem Betrieb der Anlagen beschäftigt, sondern mit dem Umweltmanagementsystem und sorgen dafür, dass die Abläufe in den Gesellschaften des RWE-Konzerns umweltgerecht erfolgen.“ Die Stabsabteilung hat die Aufgabe, das Umweltmanagementsystem auf die Tochtergesellschaften herunter zu brechen. „Dafür brauchen wir Fachleute, die sich mit dem System auskennen.“ Dass Absolventen ihre Abschlussarbeit beim Unternehmen schreiben, um anschließend eventuell eine Stelle zu bekommen, bezeichnet Dr. Meurer als „gängige Praxis“. In dieser „verlängerten Bewerbungszeit“ könnten sich dann beide Seiten sehr gut kennen lernen.
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Seit 1998 betreibt Dr. Frank Dröscher ein Büro für Technischen Umweltschutz in Tübingen
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seinem Doktorvater an GTZ-Projekten zu arbeiten. Die Etablierung einer Umweltverwaltung für den EU-Kandidaten Zypern erwies sich als Glücksgriff, denn dort waren auch Mitarbeiter des TÜV Südwest tätig. Wenig später übernahm Dr. Dröscher die TÜV-Immissionsabteilung, eine Arbeitsgruppe, die sich mit Schadstoffmesungen und Ausbreitungsberechnungen befasste sowie mit der Zulassung neuer Baugebiete, Straßen und Industrieanlagen. So nahm Dröschers Abteilung etwa im Umkreis eines neuen Kohlekraftwerkes an über hundert Orten Messungen über ein ganzes Jahr vor. Nach zehn Jahren machte sich Dr. Dröscher selbstständig – nicht ganz freiwillig, denn die Umweltgesellschaft des TÜV Südwest wurde im Rahmen einer Fusion mit dem TÜV Süd geschlossen. „Manchmal liegt ein Stein nicht vergebens im Weg“, sagt der Tübinger. „Das hat mich veranlasst, selbst ein Unternehmen aufzubauen.“
„Vieles ist mit meiner Ausbildung möglich“, berichtet Dr. Dröscher. Unternehmerischer Erfolg setze aber die Bereitschaft voraus, sich auch in Sachen Know-how zu entwickeln. „Ins Projektmanagement bin ich hineingewachsen“, berichtet der Ingenieur, zum Beispiel beim Ausbau des Regionalflughafens Lübeck. Dort hat er die Verantwortung dafür, Gutachter für das Planfeststellungsverfahren und Juristen einzusetzen, die ihn in Fachfragen beraten. Zudem arbeitet Dr. Dröscher zurzeit in einem Genehmigungsverfahren für den Autohersteller Porsche, der sein Leipziger Montagewerk für Cayenne-
malayischen Kampfhühnern auf ihre jeweilige Umgebung. Nichts Menschliches bleibt dem Ingenieur dabei fremd, zum Beispiel die Streitlust: „Es gibt Menschen, die wegen drei Papageien ein großes Gerichtsverfahren austragen.“ Wegen der Vielfältigkeit liebt Frank Dröscher seinen Beruf. Die Tätigkeit in seinem Büro verlange die Bereitschaft, sich auf neue Herausforderungen einzulassen. „Das ist mehr als eine 08/15Routinetätigkeit, bei der man abends um 17 Uhr den Bleistift fallen lässt.“ Intellektuelle Beweglichkeit und die Bereitschaft, sich im Alltagsgeschäft wei-
Fünf Geografen arbeiten in seinem Büro Zunächst bot Dr. Dröscher in seinem Büro genau jene Dienstleistungen an, die er auch für den TÜV bearbeitet hatte: zum Beispiel Berechnungen der Luftschadstoffausbreitung. Ein volles Jahr Auslastung brachte das Planfeststellungsverfahren zum Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld. „Doch nach dieser Zeit hatte sich der Markt verlaufen, und wir standen plötzlich fast ohne Arbeit da.“ Dr. Dröscher musste feststellen, dass der Markt das Portfolio bestimmt. Weil sie nachgefragt wurden, bot das Büro nun auch Beurteilungen von Schallimmissionen. Seitdem hat sich das Angebot des kleinen Unternehmens mit heute sieben Mitarbeitern immer weiter verändert. „Die Marktlage ergibt, dass der Schwerpunkt des Unternehmens jedes Jahr ein bisschen anders aussieht.“ Ein weiteres Tätigkeitsfeld ist die Erstellung von immissionsrechtlichen Genehmigungsanträgen geworden.
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Nicht nur Schadstoffmessungen an Fabrikschornsteinen sind gefragt – der Markt bestimmt das Portfolio. Umweltprüfer können viele Aufgaben anbieten. Auch Quereinsteiger haben gute Chancen. Foto: © Fotobox/Pixelio
Rahmen zu einem Automobil-Vollwerk ausbauen will. Da geht es dann um die erforderliche Genehmigung für den Ausbau der Kapazität, unter anderem für die Einrichtung einer Lackiererei. Besondere Freude bereitet dem Unternehmer auch seine Tätigkeit als Gerichtsgutachter für Gerüche und Lärm. Dabei beschäftigt er sich dann zum Beispiel mit der Beurteilung von Holzfeuerungsanlagen, oder er untersucht die Auswirkungen von Karnickelzucht und
terzubilden, verlangt er auch von seinen Mitarbeitern. In seinem Büro arbeitet ein weiterer Umweltingenieur, aber es erledigen auch fünf Geografen die gleichen Aufgaben. „Daran kann man sehen, dass die technische Ausbildung allein nicht ausschlaggebend ist.“ Auch als Quereinsteiger bieten sich also Chancen. Trotzdem ist Dr. Dröscher dankbar, dass er genau seinen Ausbildungsweg gewählt hat: „Das hat das Fundament für meine heutige Arbeit gelegt.“
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