Diagnose: Testeritis

March 20, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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QUALITÄTSVERGLEICH

12 Punktuelle Leistungsfeststellung auf Knopfdruck macht keinen Sinn

Diagnose: Testeritis EIN KOMMENTAR VON ULRICH HERRMANN oll Schule betrieben werden, um bessere PISA-Rangplätze zu erreichen? Und nur in Kernfächern wie Deutsch und Mathematik? Wo bleiben die Lernfelder der reflexiven Selbsterfahrung und der kreativen Selbstdarstellung? Wozu Schule? „Keiner fragt und Lehrer antworten?“ Beim Nobelpreisträger-Treffen in Berlin sagte der taiwanesische Chemie-Preisträger von 1986, Akademie-Präsident Yuan Tseh Lee, die Kinder sollten zu Hause nicht nach ihren Schulnoten gefragt werden, sondern danach, ob sie eine gute Frage gestellt hätten. Richtig, hätte Albert Einstein ihm zugestimmt: Eine besondere Begabung habe er, Einstein, nicht gehabt, aber er habe sich seine Neugier nicht unterdrücken und seine einfachen Fragen nicht verleiden lassen. Wozu Schule? Sie soll durch Unterricht junge Menschen in vieler Hinsicht fördern und qualifizieren, erziehen und bilden. Das Kerngeschäft von Schule hat gleich mehrere gleichrangige Dimensionen: Kopf, Herz und Hand. Aus deren Geflecht ergeben sich für Kinder und junge Leute mit den unterschiedlichsten biographischen und kulturellen Hintergründen ganz unterschiedliche Anforderungen und Ansprüche, die man nicht über einen Leisten schlagen kann, nicht schlagen darf – es sei denn, Entmutigung, Auslese und Benachteiligung gelten mittlerweile als „normale“ Ziele unserer öffentlichen Schulen. Man sollte „den einen Leisten“ auch deshalb vergessen, weil die Schule keine Maschine ist: Gewollte Wirkungen und ungewollte Nebenwir-

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kungen, steuerbare Leistungen und unwägbare Langzeitfolgen vermengen sich; durch das Auswechseln des einen oder anderen „Werkzeugs“ oder Steuerungsprogramms kann man nicht einfach beliebig ganz andere „Produkte“ erzeugen. Diese Einsicht droht hinter technizistischen Input-Output-Floskeln unterzugehen. Alle zwei Jahre sollen PISA-Befunde erhoben werden; re-

gelmäßig soll zentral und bundesweit getestet werden. Hinter der „Qualitätsentwicklung“, wie sie die KMK nennt (mit einem eigenen Institut in Berlin), steckt in Wahrheit die einfache Diagnose: Testeritis. Was ist passiert? Haben die Lehrpläne und (zentrale) Prüfungen nicht immer schon schulische Mindeststandards formuliert und auch überprüft? Eben nicht: Von etwa einem Fünftel eines jeden Schüler-Jahrgangs werden sie in

Unsere Jubilare im Oktober

Die GEW gratuliert 70 Jahre Marianne Boehrs (Hannover) 26.10.1935 Heinrich Diekmann (Bramsche) 23.10.1935 Ernst-Jürgen Gladtfeld (Nordhorn) 1. Oktober 1935 Wilhelm Hellriegel (Harpstedt) 6. Oktober 1935 Karlheinz Kampa (Ebstorf) 31. Oktober 1935 Elisabeth Magiera (Großefehn) 11. Oktober 1935 Brigitte Mahler (Bülkau) 26. Oktober 1935

9-10/2005

Winfried Matzke (Rastede) 29. Oktober 1935 Helga Ohland (Bad Harzburg) 28. Oktober 1935 Siegfied Pawelzik (Bad Bentheim) 14. Oktober 1935 Jörn Siebert (Wolfsburg) 1. Oktober 1935 Hanshorst Wilharm (Rinteln) 1. Oktober 1935

75 Jahre Hans Bendrath (Nienburg) 8. Oktober 1930 Ilse Hashagen (Jever) 19. Oktober 1930

NIEDERSACHSEN

der schulischen Elementar- und Grundbildung nicht erreicht. Was ist zu tun? Kleinere Klassen, bessere Lehrer, modernerer Unterricht, also: Investitionen! Stattdessen: Leistungsstandards, im Falschwörterbuch der KMK auch als „Bildungsstandards“ bezeichnet. Ursprünglich sollten Bildungsstandards förderlichen Zielvereinbarungen für den einzelnen Schüler dienen, jetzt werden Schülerkompetenz und Schulerfolg mit Leistungsstandards willkürlich auf Termine und Inhalte von wenigen Schulfächern festgeschrieben! Yuan Tseh Lee nennt dies „mentales Klonen“, oder: die organisierte Verhinderung von Neuem in jungen Köpfen. Dagegen wenden sich vehement profilierte Vertreter der Entwicklungs- und Bildungspädagogik, nicht aus selbstgefälliger oder hinterwäldlerischer Bildungsbürgerlichkeit oder aus Abneigung gegen Leistungsanforderungen. Sie warnen vielmehr vor der Zerstörung moderner erfolgreicher Unterrichtskulturen. Sie warnen vor dem Irrtum, punktuelle Leistungsfeststellung auf Knopfdruck mache einen Sinn. Sie warnen vor der Beschränkung auf fachbezogene Lernleistungen und vor der Vernachlässigung des eigentlichen Sinnes nachhaltiger schulischer Lernund Bildungsarbeit: der Förderung von selbstverantwortlichen Arbeits- und Bildungsprozessen. In Bayern und Baden-Württemberg klagen Lehrer, Eltern und Schüler, dass die Testeritis die Lust und die Luft zum Lernen und Leisten abdreht. Schule soll neben der Vermittlung von fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten zum Eintritt in eine Berufsausbildung oder ein Studium an Hochschulen befähigen, zu selbstverantwortlicher Lebensführung anleiten, zu Respekt und Toleranz, zu sozialem und politischem Engagement in unserem Gemeinwesen ermutigen. Genau dies aber entzieht sich einer Erfolgskontrolle durch Leistungstests! Die Testeritis-Diagnose könnte sich deshalb rasch als eine System-Krankheit entpuppen. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Rundschau

Hansjürgen Huke (Otterndorf) 19. Oktober 1930 Helga Schwartz (Hildesheim) 19. Oktober 1930

80 Jahre Karl Heinz Bollmann (Hameln) 7. Oktober 1925 Udo Göken (Bassum) 31. Oktober 1925 Helmut Katzer (Dransfeld) 19. Oktober 1925 Gottfried Kraemer (Langenhagen) 27. Oktober 1925 Otto Petersen (Scharnhorst) 27. Oktober 1925

Ingeborg Peters (Nienhagen) 18. Oktober 1920 Ilse Prilop (Hannover) 13. Oktober 1920 Adolf Thoelke (Sehnde) 23. Oktober 1920

90 Jahre Heinz Dumke (Verden) 14. Oktober 1915 Lieselotte Veith (Celle) 10. Oktober 1915

92 Jahre Alfred Blum (Rotenburg) 17. Oktober 1913

93 Jahre

85 Jahre

Karl Goltdammer (Niviges) 16. Oktober 1912

Luise Fabig (Rethem) 1. Oktober 1920 Günter Lube (Salzgitter) 17. Oktober 1920

Oscar Conrad (Hannover) 30. Oktober 1911

94 Jahre

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