Der Herrgott ist mein Chef

March 28, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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Donnerstag, 30. Dezember 2010 / Nr. 302

Wodka-Bar Unser Mitarbeiter Andrew Jones macht derzeit ein Praktikum beim «Daily Star», Tageszeitung in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch. In vier Kolumnen erzählt er diese Woche von speziellen Erlebnissen.

Andrew Jones über Erlebnisse in Bangladesch

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eporter Pinaki schlägt mir vor, mich an ein indisches Kulturfestival mitzunehmen. Zuerst aber, sagt er, wolle er mir eine Bar zeigen. Eine Wodka-Bar. Ich sage zu. Das klingt spannend. Bangladesch ist ein muslimisches Land, Alkohol eigentlich verpönt.

BANGLADESCH In der Bar ist es stockdunkel. Nur hinter dem Tresen brennt eine Lampe, irgendwo hängt ein kleiner Fernseher, es läuft englischer Fussball. In der Dunkelheit finden wir schliesslich Pinakis Freunde. Wir trinken zwei Gläser Wodka aus der Region und naschen dazu Kichererbsen an einer scharfen Sauce. Keinen von Pinakis Freunden würde ich bei Tageslicht wieder erkennen, so finster ist es. Genau dies ist das Ziel. Niemand soll einen anderen Gast verpfeifen können. Der Kauf von Alkohol ist in Bangladesch verboten, ausser man ist Ausländer oder besitzt ein ärztliches Rezept. Pinaki wirkt etwas trotzig, als wir aus der Bar treten. Er gehört zur Minderheit der Hindus, die sich den Regeln der muslimischen Mehrheit anpassen muss. Jedenfalls hatte es im Wodka definitiv Alkohol. Pinaki und ich fläzen uns später in die roten Plüschsessel des Nationaltheaters und dösen zu den psychedelischen Sitar-Klängen eines indischen Meisters fast ein. [email protected]

HORROR

Von Frauen, die sich rächen Star-Horrorautor Stephen King hatte es immer schon mit Furcht einflössenden Frauen. Man denke etwa an seinen Erstling «Carrie» (verfilmt mit Sissy Spacek») oder an «Misery» (verfilmt mit Kathy Bates). In Kings neustem Buch haben die Frauen allerdings allen Grund, blutrünstig zu werden. In drei von vier Storys wird ihnen übel mitgespielt. Eine wird von ihrem Mann und ihrem Sohn ermordet, weil diese alleine über den Landbesitz verfügen wollen. Doch die Tote bringt jahrelanges Unheil über die Mörder. Eine andere Frau wird vergewaltigt und fast getötet. Statt den Täter anzuzeigen, nimmt sie das Recht selber in die Hand, was fatale Folgen hat. Eine dritte Frau entdeckt per Zufall, dass ihr langjähriger Ehegatte ein sadistischer Serienkiller ist. Was tut sie? Wie gewohnt spart Stephen King nicht mit brutalen Details. Gleichzeitig ist sein Horror recht einfallsreich. Viel Raum schenkt er zudem dem Innenleben seiner Hauptfiguren, die mit sich ringen und oft am Abgrund des Wahnsinns balancieren. Angenehm ist schliesslich die Länge der einzelnen Geschichten. Da ist man von King meist Ausufernderes gewohnt. a r e Stephen King: Zwischen Nacht und Dunkel. Heyne, 527 Seiten, Fr. 35.60.

Kultur

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«Der Herrgott ist mein Chef» SCHLAGER Er gehört zu den ganz Grossen des Schlagerbusiness. Doch der Partykracher DJ Ötzi beherrscht auch besinnlichere Töne. ANJA-MARIA STAMPFLI [email protected]

Als DJ Ötzi hat der Tiroler Gerry Friedle (39) 16 Millionen CDs verkauft und ist damit einer der erfolgreichsten Musiker im deutschsprachigen Raum. 2008 stellte der gelernte Koch mit dem Lied «Einen Stern (... der deinen Namen trägt)» einen Rekord auf: Der Song war 41 Wochen in den Top 10 der SingleCharts. Auf seinem neuen Album «Du und ich» zeigt sich der Partymacher von seiner nachdenklichen Seite.

renne nicht verbissen Erfolgen hinterher. Es funktioniert zwar nicht alles, was ich mache. Aber vieles. Was nicht funktioniert, das blende ich aus. Man darf nicht verzagen, wenn einem etwas nicht gelingt. Scheitern ist wichtig.»

Warum? DJ Ötzi: Ich bin erst bei Pflegeeltern, dann bei meiner Grossmutter aufgewachsen. Kurze Zeit war ich sogar obdachlos. Aber im Nachhinein muss ich sagen, dass diese Zeit wertvoll für mich war, weil ich mittlerweile mit schwierigen Situationen viel bes-

ser umgehen kann. Durch meine Vergangenheit habe ich Dankbarkeit und Demut gelernt. Man sollte sich immer selbst fragen: Was kann ich an mir selbst noch ändern oder verbessern? So macht das Leben Sinn. Auf dem neuen Album singen Sie viel von Liebe und Gefühl. DJ Ötzi: Das ist richtig. Bei jedem Lied habe ich mir vorgestellt, es wäre eine schwer zugängliche Frau, die ich erobern möchte. So sind die Stücke aufwendig und mit viel Emotionen entstanden. Was auf der neuen CD auch auffällt: Sie sind ein gläubiger Mensch. DJ Ötzi: Ja, ich bin ein gläubiger Mensch. Der Herrgott ist mein Chef, er ist grosszügig und liebenswert. Er gibt uns den Weg vor. Wir müssen diesen erkennen und ihn gehen. Ich bete viel, bin täglich im Gespräch mit Gott, gehe aber zurzeit nicht in die Kirche.

Rede ich jetzt mit DJ Ötzi oder Gerry Friedle? DJ Ötzi: Mit beiden. Es geht nicht ohne den einen oder den anderen. Auf dem neuen Album ist allerdings mehr von Gerry Friedle zu erfahren. Ich bin nicht nur der Stimmungsmacher, sondern möchte auch meine eigenen Gedanken und Gefühle aufzeigen. Es sind Geschichten aus meinem Leben, die ich in diesem Album verarbeitet habe.

«Am Alter können wir nichts ändern: Alt werden wir von selbst.» D J ÖT Z I

Auf Ihrer neuen CD ist auch ein Lied für Ihre achtjährige Tochter Lisa Marie. Die Familie bedeutet Ihnen offenbar viel? DJ Ötzi: Wenn ich zu Hause bin, bin ich für meine Frau und meine Tochter da. Ich bringe morgens die Kleine auch gerne mal in die Schule oder mache abends die Hausaufgaben mit ihr.

Mit Ihren Hits wie «Anton aus dem Tirol» haben Sie früher jede Party kochen lassen. Haben Sie genug vom Partyrummel? DJ Ötzi: Überhaupt nicht. Was ich früher gemacht habe, war auch gut. Es war einfach anders. Damals war das meine grosse Chance, und die habe ich genutzt. Man hat immer Chancen im Leben, wenn man mit offenen Augen und offenen Ohren durchs Leben geht. Klar, ich habe auch schon Chancen verpasst. Früher hatte ich dunkle Zeiten erlebt. Heute darf ich in einer bunten Welt leben. Dafür bin ich dankbar.

Sie werden am 7. Januar 40 Jahre alt. Wie werden Sie feiern? DJ Ötzi: O ja, ich bin ja bereits ein alter Sack! Wir werden mit Freunden ein grosses Fest feiern! Darauf freue ich mich. Denn am Alter können wir nichts ändern: Alt werden wir von selbst.»

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Mit dem Erfolgstitel «Einen Stern» haben Sie alle Rekorde gebrochen und waren mit dem Lied 41 Wochen in der Hitparade. Mehr geht nicht, oder? DJ Ötzi: Egal, was ich tue, ich will einfach nur mein Bestes geben. Ich

Bonus: Hörprobe aus dem Album «Du und ich» von DJ Ötzi auf www.luzernerzeitung.ch/bonus

Nachdenklich: DJ Ötzi (39). PD

HINWEIS DJ Ötzi «Du und ich» (Universal) www.dj-oetzi.at

Ein künstlerischer Blick auf den See FOTOGRAFIE Der Hallwilersee ist zentrales Motiv in der Kunst von Hugo Suter. Ein Bildband zeigt, wie der Künstler den See zum Bild machte. Man darf den Titel «Lachen auf dem See» als ironisches Wortspiel verstehen, auch wenn ein Lachen über Witze kaum das Erste ist, was Hugo Suter mit dem Buch beabsichtigt. Wasserlachen, wo immer es sie geben kann, spielen aber sehr wohl eine Rolle – Wasser mit all dem Leuchten und den Spiegelungen und mit dem Spiel des Sonnenlichts auf seiner Oberfläche. Das Erleben der ständigen Änderungen unterworfenen Wasserfläche ist die tägliche Erfahrung des 67-jährigen Künstlers, der seit vielen Jahren in Birrwil am Hallwilersee lebt. Das Beobachten des steten Fliessens des Erscheinungsbildes der Wirklichkeit von einem Zustand in einen andern hat das Werk Hugo Suters seit den Anfängen in der Ateliergemeinschaft Ziegelrain in Aarau geprägt.

Dauer des Flüchtigen Der Künstler bedient sich ganz verschiedener Medien, um dieser Erfahrungen Herr zu werden. Die Fotografie nimmt dabei einen zentralen Platz ein, wenn es darum geht, dem Flüchtigen Dauer zu verleihen. Dass Hugo Suter ursprünglich eine Lehre als Tiefdruckretoucheur absolvierte, mit «alchemistischem» Umgang mit dem Bild also vertraut ist, ist das eine. Dass das

Vor rund einem Jahr gab der Künstler im Kunsthaus in Aarau Einblick in diese fotografischen Arbeiten. Kürzlich erschien im Verlag Lars Müller ein Band mit rund 200 dieser Fotografien aus 40 Jahren. Die Publikation wurde betreut von Stephan Kunz, der bereits die Schau in Aarau kuratierte und in seinem Textbeitrag zum Buch Hugo Suters Entdeckungsreise in den Kosmos des Sehens schildert. Es gibt in diesem Buch Aufnahmen ganz verschiedenen Charakters – Architekturstudien, Bilder aller Bade- und Bootshäuschen am Hallwilersee, Bilder von Lichtreflexen in Suters Wohnung, vom letzten Rest des Tees in der Tasse, von beschlagenen Fenstern, vom vernebelten Blick in den Garten, von zu kleinen Skulpturen arrangierten Alltäglichkeiten. Es gibt auch Bilder von Wasserlachen auf der Strasse, und viele Fotografien halten fest, was nicht von Dauer sein kann – die Seeoberfläche, auf die ein leiser Windhauch ein flüchtiges Kräuseln zaubert und auf der die Lichter der Sonne tanzen.

Zwei Preise Mit «Lachen auf dem See» von Hugo Suter gewann der Verlag im Deutschen Fotobuchpreis 2011 eine silberne Auszeichnung. Für die langjährige Auseinandersetzung mit seinem eigenen Lebensraum am Hallwilersee erhielt Hugo Suter 2010 den Aargauer Heimatschutzpreis.

Aus der Serie «Bootshäuser am Hallwilersee», fotografiert von Hugo Suter. PD

Fotografieren selber in die Kernproblematik optischer Wahrnehmung zielt und als ein dem Sehen analoger Vorgang verstanden werden kann, ist das

andere. Jedenfalls pflegt Hugo Suter seit den späten Sechzigerjahren einen experimentierfreudigen Umgang mit dem fotografischen Sehen.

NIKLAUS OBERHOLZER kultur@luzernerzeitung

HINWEIS Hugo Suter: Lachen auf dem See. Fotografien. Herausgegeben von Stephan Kunz. Lars Müller Publishers, Baden. 256 Seiten. 55 Franken.

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