Der 50. K3!

March 18, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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5. Jahrgang • No. 10 • Dezember 2002 / Januar 2003

Schwerpunktthema Die Bedeutung der offenen Jugendarbeit

Der 50. K3!

www.kjr-m.de

Gemeinsam: Handycap International und Tischtennis gegen Gewalt und Rassismus

Aktionstag gegen Sozialabbau

Die Tenne - eine unendliche Geschichte

Café Netzwerk Schluss mit Luxus

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Editorial Liebe Leser,

Aktuell

liebe Leserinnen,

Zum Abriss freigegeben?

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Jubiläumsgrüße von Mick Jagger

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Die Tenne - eine unendliche Geschichte

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Gemeinsam an die Spitze

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Tischtennis gegen Gewalt und Rassismus

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Düsteren Zeiten entgegen

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Afrika-Wochen

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Aktionen Kreativwettbewerb zum 70. Jahrestag der Bücherverbrennung

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Schwerpunkt

Statt eines Editorials: Sparwochen: Der 50. K3 Seit Januar 1998 gibt der Kreisjugendring München-Stadt den K3 heraus. Gedacht als Informationsmedium für die Jugendarbeit in München, gibt es inzwischen Bezieher in der ganzen Bundesrepublik. Das Konzept ist aufgegangen: ein Schwerpunktteil, der aktuelle Themen, die die offene und verbandliche Arbeit bewegen, aufgreift, Artikel aus Wissenschaft und Praxis sowie ein allgemeiner Teil, der Infos rund um die Jugendarbeit beinhaltet. Die Arbeitsform: ein Redaktionsteam, bestehend aus sieben Frauen, das alle KJR-Bereiche (Kinder, Freizeitstätten, Jugendverbände, Fachlichkeit etc.) gut abdeckt und wo immer eine jemanden kennt, der jemand kennt, der sich damit auskennt, erleichtert die Arbeit. Anfang 2002 haben wir aus Kostengründen vom Zeitungsformat auf ein Magazinformat umgestellt. Damit in Zeiten einer extrem schwierigen Haushaltslage - der nächste Schritt nicht eine Einschränkung der Seitenzahl oder der Erscheinungsweise ist, brauchen wir Unterstützung. Wenn Sie also für Themen wie Agenda 21, Internet und neue Medien, Sozialorientierte Stadtentwicklung, Geschlechterorientierte Jugendarbeit, Mediation/Konfliktlösung, Jugendschutz, Partizipation in den Freizeitstätten sowie Mobile Arbeit was übrig haben - am liebsten übrigens Euro - dann würden wir uns sehr über eine Beteiligung freuen. Das Redaktionsteam

Kommunalpolitische Manovriermasse?

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Musisches Zentrum: Angebot: sehr gut

Unsere Bankverbindung: Kreisjugendring München-Stadt: Stadtsparkasse München, BLZ 701 500 00; Konto 21 45 02; Stichwort K3

Zukunftsaussichten: mangelhaft

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Ein Stück Heimat für Kinder

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Plädoyer für die offene Jugendarbeit

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Ausgabe

Redaktionsschluss

Erscheinungstermin

Schluss mit Luxus

18

1/2003 2/2003 3/2003

7.1. 3.2. 10.3.

27.1. 25.2. 28.3.

Erscheinungstermine K3 / 2002/2003

Der PISA-Schock steht der Jugendarbeit noch bevor

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Angebote Aqu@rium mit neuem Konzept

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Das bin ich!

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Selbstbehauptungskurs für Jungen

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Geld regiert die Welt! - Oder doch nicht? 25

Impressum Ausgabe:

10/2002 - erschienen am 29. November 2002

Verleger:

Kreisjugendring München-Stadt im Bayerischen Jugendring, Paul-Heyse-Str. 22, 80336 München Telefon 089 /51 41 06-10, Fax 089 / 51 41 06-45 E-Mail: [email protected] Internet: www.kjr-m.de

Verantwortlich:

Christian Müller, Vorsitzender

Redaktion:

Angelika Baumgart-Jena (verantwortlich), Sieglinde Burkhard, Elly Geiger, Mechthilde Heiler, Erika Hennig, Hella Hetschger, Gecko Wagner, Ingrid Zorn

Verwaltung:

Jana Thomas

Layout:

F A -R O M ARKETING , München

Druck:

Pröll, Druck u. Verlag GmbH&Co KG Derchinger Str. 120, 86165 Augsburg

Auflage:

3300 Exemplare

Abonnementpreis:

Der Bezug ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.

Kalender 6. Vokal Total im Spectaculum Mundi

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Erscheinungsweise: 10 Ausgaben jährlich

Chancen in Europa

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Nächste Ausgabe:

Erscheinungsdatum: 27. Januar 2003 Redaktionsschluss: 7. Januar 2003 Schwerpunktthema: Armut

Gefördert aus Mitteln der Landeshauptstadt München Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder.

Die Titelfotos: Olaf Abel (oben) und Nils Rack (unten)

Aktuell

Foto: KJR

Aktionstag gegen den Soziallabbau

Zum Abriss freigegeben? Eigentlich scheint ja schon alles gesagt. Die Situation ist offenkundig. Die Argumente ausgetauscht, die Standpunkte geklärt. Und manche Fronten haben sich festgefahren. Die Stadt ist in höchster Finanznot, es müssen gewaltige Summen eingespart werden, jeder ist dran, alle trifft es gleichermaßen. Oder etwa doch nicht so gleich?

15. Oktober nachmittags auf der Ludwigstraße: Der Zug „Nord“ des Sternmarsches gegen den Sozialabbau setzt sich am Geschwister-Scholl-Platz in Bewegung. Angeführt durch den Samba-Rhythmus einer Percussion-Gruppe, traben kleine und große Demonstranten stadteinwär ts Richtung Marienplatz. Viele PädagogInnen von Einrichtungen des KJR sind dabei, die meisten in Begleitung mehrerer ihrer kleinen oder jugendlichen BesucherInnen. „Wir wollen unsere Betreuer behalten!“ steht da auf einer Tafel, die ein Knirps mit entschlossener Miene vor sich her trägt. Mitglieder eines Vereins für Altenhilfe daneben, davor und dahinter entrüstete Spruchbänder, stellenweise werden anfeuernde Parolen gerufen. In der Residenzstraße brüllt ein Angestellter eines Bekleidungsgeschäfts der gehobenen Kategorie wutentbrannt aus einem Fenster im ersten Stock: „Das ist eine Zumutung!!“ „Da hast du recht! Komm runter und reih dich ein!“ schreit eine Demon-

strantin zurück – aber da ist das Fenster mit einem Knall schon zugeflogen.

lingshilfe - um nur ein paar Bereiche zu nennen - alle gekommen.

Mit Blick auf das vielseitig interpretierbare Objekt an der Oper sagt mein Nachbar: „Das Ding da, das aussieht, wie ein HulaHoop-Reifen zwischen den Säulen, das hat bestimmt ein Heidengeld gekostet. Für so was geben sie nämlich schon Geld aus, aber wir im Kinderclub müssen zusehen, wie wir überleben. Wenn wir überleben.“

Die Atmosphäre ist entspannt und dennoch entschlossen. Hier haben sich nicht Dauernörgler und Profimoralisten versammelt, hier geht es um die Wurst, da stehen Menschen mit Basiserfahrung und dem Wissen um die Folgen eines Finanzeinbruchs – ganz zu schweigen von der schlicht existentiellen Sorge um den Arbeitsplatz. Da hilft es auch nicht, dass der Oberbürgermeister zeitgleich in der Olympiahalle den städtischen MitarbeiterInnen versichert, man müsse sich keine Sorge um die eigene Arbeitsstelle machen.

Am Marienplatz wartet schon eine große Schar. Und der Zug „Süd“ kommt ja auch noch. Vor dem Rathaus eine große Bühne, verschiedene Infostände auf dem Platz, überall bunte Luftballons, auf denen steht „Lasst uns nicht die Luft raus!“, am KJR-Stand werden Regenschirme mit dem Aufdruck „Lasst uns nicht im Regen stehen!“ verkauft. Das Spektrum der TeilnehmerInnen am Aktionsnachmittag ist groß: Da sind von Initiativen über Vereine bis hin zu Organisationen der Altenhilfe und Krankenpflege, der Kinder- und Jugendarbeit, der Behinderten- und Flücht-

„Wenn wir nur noch zu zweit in unserer Einrichtung arbeiten, dann muss entweder das Angebot drastisch zurückgefahren werden oder man kann uns bald ausrangieren und auf den Müll schmeißen!“ sagt ein Kollege einer KJR- Freizeitstätte. Und er weiß, was ein reduziertes Angebot für die soziale Grundversorgung in seinem Stadtteil bedeutet und welche

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Aktuell Gedicht vom

Sein und Haben Sein oder Haben? Haben oder Sein? Damit Du was bist, Mußt Du was werden. Damit Du was wirst, Muß Vater was sein. Doch dazu muß Vater Erst Mal was haben. Denn ohne zu haben, Gibt es kein Sein. Hat aber Vater Nichts als sein Sein, Mußt Du selber Ein Habender sein. Foto: Brigitte Schimmer

Folgen sich daraus ergeben, vielleicht nicht heute oder morgen, aber in ein paar Jahren und dann mit aller Heftigkeit. Die Investitionen, die dann nötig würden, um diese Folgen aufzufangen, wären ein Vielfaches der gegenwärtigen Kosten. Der Zorn auf dem Platz ist nicht deshalb so groß, weil generell eingespart werden muss. Nur hat jede und jeder Einzelne das irgendwie unbestimmte, nagende Gefühl, dass es doch nicht alle gleich trifft, dass der Sozialbereich besonders auf Diät gesetzt wird und nicht wirklich alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Beispielsweise die, verstärkt die Bereiche zur Kasse zu bitten, die gut im Futter stehen, weil sie sich bislang recht kalorienreich vom kleinen Steuerzahler ernährt haben – wie etwa Wirtschaftskonzerne und Vertreter des Großkapitals. Dass zwar von jeder einzelnen Organisation oder Initiative verlangt wird, kreativ und flexibel die Kürzung aufzufangen, dass aber über Umverteilungen, Verschlankungen und Entlastung seitens der Stadtebene fachlich nicht gerade kompetent nachgedacht wurde. Dass dabei die bayerische Staatsregierung viel zu wenig in die Pflicht genommen wird und, noch eine Stufe höher, die Bundesregierung ebenso. Aber die ist weit weg von den Alltagsnöten eines Rentners, der mittags an der Tür auf seine Mahlzeit, sein „Essen auf Rädern“ wartet, weil er, alleinstehend, zwar noch einigermaßen rüstig, aber doch nicht mehr in der Lage ist, selbst zu kochen. Wenn dieser Dienst eingestellt wird, ab ins Pflegeheim? Oder einfach für einen Pflegedienst tiefer in den Geldbeutel greifen, der sich das Bekochen zusätzlich vergüten lässt? Und wenn aber der Geldbeutel nicht genug hergibt?

Das Szenario ließe sich beliebig erweitern. Und entsprechend deutliche Töne dringen da von der Bühne zu den ZuhörerInnen hinunter auch in die Ohren von einigen StadträtInnen, die sich inzwischen still unters Volk gemischt haben. Das soziale Gebäude in München, das bislang recht solide und dicht Schutz bot, steht halt nicht unter Denkmalschutz. Und wenn es nun auch nicht gleich abgerissen wird, so ist es doch dabei, empfindlich zu bröckeln, da hilft erfahrungsgemäß ein bisschen kitten hier und mörteln da nicht viel. Es wird kälter in unserer Stadt.

Um das zu werden, tummle Dich tumm! Schlage die Andern Oder bringe Dich um. Haperts am Haben, Kannst Du nix werden. Bist nix geworden, Bist du nicht Wer. Bist du nicht Wer, Bist Du ein Niemand, Mit Niemand läßt Niemand Sich bei uns gern ein. Bist Du ein Niemand, Hast Du auch Niemand. Niemanden haben Jetzt immer mehr.

Sylvia Schlund Immer mehr haben, heißt immer mehr haben Von ihrem Leben Weniger was. Nur Wenige haben von ihrem Haben Immer noch mehr, Und mehr haben nix. Und Können nix mehr werden, weil sie nix haben. Also haben vom Haben sie nix Niemand zu werden. Jemand zu sein, Könnte das Sein Vom Haben befrein. Wir können nix mehr werden. Wir können nur noch sein. Es gibt Niemand, der nichts ist Und Niemand allein. ...wenn wir auch das Notwendige haben.

Helmut Ruge

Aktuell

„We love you“ Bruni

Foto: KJT Hasenbergl

Drittes Fest der Begegnung im Kinder- und Jugendtreff Hasenbergl

Jubiläumsgrüße vvon on Mick JJagger agger „We love you“, versicherte er immer wieder eindringlich: Mehrere Hits der Rolling Stones von insgesamt über neun Minuten brauchte die Schlange der GratulantInnen, damit jede/r die persönliche Rose Brunhilde Bullinger-Heupel in die Hand drücken konnte. Fünfundzwanzig Jahre ist die Pädagogin nun schon für den Kreisjugendring im Kinder- und Jugendtreff Hasenbergl tätig und weiß viel zu erzählen von bewegten bis stürmischen Zeiten, von so manchen kleinen und größeren Katastrophen, aber auch großartigen Erfolgen und echten Highlights. Auf dem diesjährigen Fest der Begegnung am 19. Oktober ist Pädagogin „Bruni“ von den Kindern und dem Publikum mit Gedichten, Musik und Prosit ausgiebig gefeiert worden und war zweifelsohne der absolute Mittelpunkt der Veranstaltung – selbst wenn ihr diese Rolle nicht besonders angenehm schien. Nicht zuletzt wegen dieses Jubiläums war es auch überwiegend junges Publikum darunter viele ehemalige BesucherInnen der Einrichtung - das sich trotz mäßigen Herbstwetters zahlreich im „‘s Dülfer Katharina Adam Haus“ einfand. Eingestimmt durch das bewährte Duo Giangurgolo und Pulcinella (Julia Rahneberg und Renate Groß) erlebten die Gäste ein abwechslungsreiches Programm: Farbenfroh und schaurig-schön der Drachentanz des vietnamesischen Jugendverbands Chan Tinh, der wöchentlich die

Räume der Einrichtung am Hasenbergl nutzt. Stimmungsvolle Lyrik, vorgetragen von Jenny Conrad, Laura Bäumler und Sebastian Heiser, drei Mitgliedern der Theatergruppe „Phoenix aus der Asche“ unter Leitung von Anne Ziegler-Weispfennig. Der autistische Zauberer André Linoge verblüffte das Publikum mit erstaunlichen Tricks bis hin zum GuillotineModell, das Karotten und Gurken gnadenlos stückelte bis der Saft in Strömen floss, die lebendige Hand dazwischen jedoch unversehrt ließ. Liedermacher und Entertainer Boris Ruge und seine Gitarre rundeten das nachmittägliche Programm mit jiddischen Weisen und heiterer Musik zum Mitsingen und swingen ab. Der Abend gehörte traditionell der Hausband Gin Fizz, die dem Publikum mit Hits aus vierzig Jahren Musikgeschichte bis hin zum neuesten Massen-Sommer-

Schlager der würzigen TomatensoßenDamen (dessen Silbenbrei-Refrain kaum jemand auch nur im Ansatz mitsingen kann) noch einmal ordentlich einheizte. Das Fest der Begegnung, vor drei Jahren vom Team des KJT Hasenbergl zusammen mit den Theaterprojekt „Phoenix aus der Asche“ eingerichtet als Happening für Jung und Alt, In- und AusländerInnen, behinderte und nichtbehinderte Gäste, also für alle, die Lust zum Feiern haben und gute Laune mitbringen, ist eines der Schmankerl im Jahreskalender des Kreisjugendrings. An dieser Stelle Respekt dem Dülfer-Team und allen Mitwirkenden für die Organisation. Und an die geneigte Leserschaft: Wir sehen uns im nächsten Jahr, Einladung folgt! Sylvia Schlund Projektstelle ebs für Mädchen und Jungen mit Behinderung

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Aktuell Endlich Räume für Kinder und Jugendliche in Aubing

Die Tenne – eine unendliche Geschichte Am Samstag, den 19. Oktober war es endlich so weit, die Tenne - der neue Aubinger Kinder- und Jugendtreff - wurde offiziell eröffnet. Mit einem attraktiven Rahmenprogramm und prominenten Gästen wurde die städtische Freizeitstätte in Trägerschaft des Kreisjugendring München-Stadt den Kindern und Jugendlichen übergeben.

Dass Aubing überhaupt eine Freizeitstätte bekommen hat, ist der Hartnäckigkeit und dem Elan des Fördervereins PROjekt JUGEND Aubing e.V. zu verdanken. Seit 1991 gab es immer wieder Gespräche, Anträge und Aktionen, um das Thema „Jugend – Wohin in Aubing?“ in die Köpfe der politischen Entscheidungsträger zu bringen. Nach jahrelangem Ringen beschloss der Stadtrat im Herbst 2001 endlich die Errichtung eines offenen Kinder- und Jugendzentrums in Aubing. Am 8. Januar 2002 startete das Vorlaufprogramm in einem Baucontainer, und in der Tenne in der Ubostraße 7 begannen die Umbauarbeiten.

Der Leiter der Tenne:

Bert Witzens

Bert Witzens ist Diplom-Sozialpädagoge (FH), 36 Jahre alt, verheiratet und Vater eines vierjährigen Sohnes. Seit 1995 arbeitet er beim Kreisjugendring München-Stadt. Im April 2002 übernahm er die Leitung der Aubinger Tenne. Von 1995 bis 1999 war er im Jugendtreff Neuaubing beschäftigt und dort - neben den Tätigkeiten im offenen Bereich zuständig für die Hausaufgabenbetreuung mit Mittagstisch und die Jungenarbeit. Dort erhielt Bert Witzens Einblick in die partizipative Arbeit im Rahmen des Jugendrätegremiums und Ehrenamts. 1998 absolvierte der Sozialpädagoge die interne Führungskräfteentwicklung des KJR. Im Juni 1999 wechselte er in den Jugendtreff „Das Laimer“. Zu seinen Aufgaben gehörte dort die Medien- und Computerarbeit, Jungenarbeit, Kassenführung, technischer Support sowie die stellvertretende Leitung.

Die neue Tenne Über Jahrzehnte wurde das Landwirtschaftsgebäude, eine ehemalige Bullenzuchtanstalt, nur als Lager für den Katastrophenschutz genutzt. Jetzt erinnert nichts mehr an das große Depot für Decken, Kanister und Werkzeug. „Ein richtiges Haus im Haus ist entstanden“, sagt der Aubinger Architekt Rüdiger Zielinski „mit neuer Technik, Installationen, Computernetzwerk und eigenem Café.“ Er hat den Wandel der Tenne zum Jugendzentrum von Anfang an begleitet und schließlich als Planer umgesetzt. Der rund 400 Quadratmeter große Jugendtreff für Kids und Teens im Alter von 12 bis 18 Jahren füllt den Nordteil des langgestreckten Gebäudes vollständig aus. Schon von der Ubostraße lässt sich die Veränderung ablesen: Seitlich an die Tenne wurde ein externes Treppenhaus angedockt, damit die Einrichtung auch für Behinderte erreichbar ist. Per Lift oder über die Stufen geht es in den ersten Stock, direkt zum Jugendtreff. Oben befinden sich - neben Büro und Gruppenräumen - die Computer des Internetcafés und eine geräumige Küche. Die andere Hauptattraktion liegt am Ende des Gangs: der große Club- und Veranstaltungssaal. Der Blick geht nach oben, ins Gebälk des einstigen Speichers. Mit den Technikeinbauten und den moder-

nen Pendelleuchten beeindruckt vor allem die Höhe des alten Dachgeschosses. Direkt neben der Tür steht die halboffene DJ-Kabine. Wer hier am Mischpult sitzt, dirigiert das Club-Leben auf der großen Tanzfläche. Die Eröffnung Mit der ökumenische Segnung der Einrichtung durch die beiden Geistlichen Herrn Pandiappallil und Herrn Apel begann der offizielle Teil der Eröffnung. Johannes Mayrhofer, Abteilungsleiter für Angebote für Kinder, Jugendliche und Familien vom Stadtjugendamt begrüßte die anwesenden Gäste und lobte das Engagement der Aubinger und Aubingerinnen für „ihre“ Einrichtung. Stadträtin Angelika Gebhardt, die das Grußwort der Landeshauptstadt München überbrachte, betonte in ihrer Rede noch einmal die Ausdauer des Fördervereins PROjekt JUGEND, der das Thema acht Mal in den Kinder- und Jugendhilfeausschuss brachte, bis am 6. November 2001 der Stadtrat endlich grünes Licht gab. Etwa 1.1 Mio Euro kostete der Umbau der Einrichtung. Sehr viel Geld, wenn man die aktuelle Finanznot der LH München sieht, und die künftigen Sparmaßnahmen, die es im Bereich der offenen Kinder- und

Christian Müller und Bert Witzens bei der Eröffnung. Weitere Gäste waren: Die Landtagsabgeordneten Anne Hirschmann (SPD), und Ottmar Bernhard (CSU), der Bezirksrat Herr Slezak, sowie der Architekt Rüdiger Zielinski (Bildmitte), die Münchner Stadträte Boris Schwartz (Bündnis 90/Die Grünen, 2. von rechts) und Josef Assal (SPD, rechts).

Aktuell Jugendarbeit in den nächsten Jahren geben wird, vor Augen hat. Der KJR-Vorsitzende Christian Müller freute sich, dass in seiner Amtszeit die unendliche Geschichte - Tenne - ein glückliches Ende gefunden hat. Er machte noch einmal deutlich, dass es angesichts der Finanzsituation der Stadt, in den nächsten Jahren wohl keine neuen Einrichtungen geben wird. Dem Förderverein PROjekt JUGEND dankte er für sein langjähriges Engagement. Martin Ehrmann vom Baureferat der Landeshauptstadt München blies - statt einer Schlüsselübergabe - ins Horn, und Dr. Klaus Bichlmayer vom Förderverein

PROjekt JUGEND übergab Bert Witzens, dem Leiter der Tenne, einen Scheck in Höhe von 4000 Euro zur Anschaffung eines Videobeamers, der künftig Kinoatmosphäre in die Einrichtung bringen soll. Das Konzept des Hauses Die Ergebnisse einer Fragebogenaktion des Fördervereins PROjekt JUGEND im Jahr 2000 beeinflussten die Raumgestaltung und die inhaltliche Ausrichtung der Tenne. Ein offener Treff mit einem Jugendcafé in gemütlicher Atmosphäre waren der künftigen Zielgruppe sehr wichtig. Dem großen Wunsch nach einem Internetcafé ist mit sechs miteinander vernetzten PCs entsprochen worden. Ganz oben auf der Wunschliste der be-

fragten Jugendlichen stand auch ein Partyraum mit guter Musikanlage. Das bietet der Saal der Tenne mit Licht- und Musikanlage und eigener DJ-Kanzel. Daneben gibt es attraktive Spiel- und Sportmöglichkeiten mit Kicker, Billard, Tischtennis, Airhockey und einer Kletterwand. Standards in der offenen Jugendarbeit wie geschlechtsspezifische und interkulturelle Arbeit sowie Partizipationsangebote werden ebenso Eingang in die pädagogische Arbeit finden wie Hausaufgabenbetreuung und die Mobile Arbeit im Stadtteil. Angelika Baumgart-Jena Leitung Öffentlichkeitsarbeit im KJR

Mooskitos, Französische SchülerInnen und Bayernfans als Solidar-Triathleten

Gemeinsam an die Spitz Spitzee Solche Erlebnisse sind adrenalinträchtig, aber sie gehören für Veranstalter zu den schönsten: Es sieht zunächst so aus, als würde eine gute Idee und ihre Verwirklichung von sintflutartigen Regen- und anderweitigen Ausfällen fortgeschwemmt und dahingerafft werden. Auf den letzten Drücker kann die Veranstaltung dann doch noch stattfinden, ein bisschen anders als geplant, ein bisschen chaotisch und sehr spontan. Aber vielleicht aus diesen Gründen mit so viel Spaß, Atmosphäre und einem begeisterten Publikum.

Fotos: Olaf Abel

Ein Spaziergänger bleibt stehen, verschränkt die Hände hinter dem Rücken und schaut fasziniert, aber auch etwas irritiert in die Runde. „Was soll das denn darstellen?“, fragt er schließlich mit Blick auf das fröhliche Durcheinander direkt vor dem Olympiaturm auf dem Willi-Daume-Platz, der sich an diesem 5. Oktober wie ein herbstlicher Rummel präsentiert:

von mehreren Jugendlichen in Richtung Olympiahalle entführt. Entlang des Seeufers meistern Kinder in Rollstühlen ein abgestecktes Gelände mit schiefen Ebenen und Holzbrücken – ach, vom Sportamt München – und an den Zäunen blähen sich Plakatwände mit „Stadtsparkasse München“, „Handicap International“ und „Kreisjugendring München-Stadt“ im ziemlich frischen Wind. Sauber, wer ist denn hier noch alles vertreten?

Da drängeln sich Kinder, Muttis und Vatis an einem Glücksrad, auf dem See stottern bunte Modellboote irgendwie konfus und scheinbar ziellos an überraschten und ebenso irritierten Enten vorbei durchs Wasser - ah, die „Steuermänner“ am Ufer haben die Augen verbunden! Dahinter quetschen sich Kinder in kleine Planwagen mit dem merkwürdigen Kürzel „ASP“ auf der Leinwand und werden unter Quietschen und Kichern anschließend

Von der Bühne her, auf der eine Dame mit sympathischer Stimme versucht, die ganze Angelegenheit zu erläutern und die ZuschauerInnen zum Mitmachen zu ermunter n, dr ingen durch das Treiben immer wieder einige Satzfetzen herüber, aus denen sich schließen lässt, dass es sich hier wohl um eine Sport- und Spielveranstaltung handelt, die irgendwie mit Kambodscha zusammenhängt und von der Bürgermeisterin Gertraud Burkert

beglückwünscht wird. Die Moderatorin Angela Braun vom Bayerischen Rundfunk leistet an diesem Samstag wirklich ganze Arbeit, und das ehrenamtlich. Der erste Solidaritätstriathlon für Kinder mit und ohne Behinderung, entworfen von Handicap International (HI) und der KJRProjektstelle „ebs“ für junge Leute mit Behinderung, konnte also doch noch starten, nachdem das Wetter, das sich in den Tagen vor dem 5. Oktober als erklärter Feind der Veranstaltung präsentierte, an diesem einen Tag ein Einsehen hatte. Anfangs ist es allerdings nur eine kleine Schar von TeilnehmerInnen (darunter BesucherInnen des KJR-Jugendtreffs Mooskito aus Moosach und SchülerInnen der École Française in München) ohne prominente Begleitung der vierfachen Paralympics-Siegerin im Biathlon, Verena Bentele, die aufgrund einer akuten Erkrankung absagen musste.

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Aktuell Die Aufgabe für die kleinen Teams klingt recht einfach: Einer steuert mit verbundenen Augen, der andere dirigiert: „Also, ich seh´ derart schlecht, da ist es schon egal, ob ich ´ne Augenbinde trage!“, sagt Rollifahrer Martin vom Jugendtreff Mooskito vergnügt und steuert sein Boot kurz darauf ins Gebüsch des gegenüberliegenden Ufers. Die Orientierung gehe schnell verloren, bestätigen auch die anderen „blinden“ Steuermänner und -frauen. So pflügen die Boote denn auch in weiten Bögen hin und her an den Bojen vorbei und erinnern mich ein bisschen an meine Skikünste auf der Piste, womit man immer gewaltig Ärger produziert. Die Teams haben jede Menge Spaß an dieser Disziplin. Und wer noch warten muss, vergnügt sich inzwischen mit dem Parcours des Integrativen Spielmobils vom Sportamt.

In drei Etappen sollen die behinderten und nichtbehinderten TeilnehmerInnen in kleinen Teams miteinander verschiedene Aufgaben bewältigen, sich aufeinander einstellen, miteinander schwitzen und miteinander Erfolgserlebnisse haben. Auf diese Weise Solidarität im Kleinen, im direkten Zusammenwirken erleben, aber auch über „den Rand hinaus“ etwas erfahren über kriegsverletzte und behinderte junge Menschen woanders auf diesem Erdball, sind Motto und Inhalt dieser Veranstaltung. Greifbar gemacht und anschaulich dargestellt am Beispiel des Handisport-Projekts von HI in Bat Dambang/Kambodscha: Hier werden kleine und große gehandicapte Menschen mit sportlichen Reha-Maßnahmen in ihrer Gesundheit, Entwicklung und Selbstachtung gestützt und gefördert.

Für die zweite Etappe, dem „Parcours auf Rollen“, warten am Ufer die Helfer der Naturfreundejugend mit dem Tandem und den kleinen Planwagen, die der AbenteuerSpielPlatz Neuhausen, zur Verfügung gestellt hat. Ist ein Team fertig, erhält es je nach gemeisterten Bojen eine Anzahl Puzzleteilchen. Nachdem die Zeit schon voran geschritten ist und der Strom der Fußballfans Richtung Stadion immer dichter wird, schwitzen nun die jungen Helfer, während sie sicherheitshalber selbst die Kinder per Tandem oder Planwagen um den See zum Fuß des Olympiabergs transportieren, anstatt sie allein fahren zu lassen.

Komplett versammelt, starten nun alle miteinander zur letzten Etappe, dem „Gipfelsturm“. Mit dabei ein Riesenstrauß von Luftballons und etliche Gerätschaften und Instrumente, um ordentlich Signal nach unten zu geben, wenn der Gipfel erreicht ist. Das grobe Kopfsteinpflaster auf dem Weg nach oben bedeutet für die Gruppe kein Hindernis, die Rollstühle werden eben umgedreht, die Insassen angeschnallt und rückwärts den Berg hinaufgezogen – ein echtes kleines Abenteuer, wie Rollifahrerin Annabelle, ebenfalls vom Jugendtreff Mooskito, hinterher bestätigt. Am Gipfel angekommen, wird der Luftballonstrauß unter Gejohle und Gedonner in den stürmischen Himmel entlassen, und das Publikum unten am See weiß Bescheid: Man ist „gemeinsam an der Spitze“. Die Urkunden, versehen mit einem Puzzleteilchen des Bildes aus Bat Dambang, verleiht zum Schluss stellvertretend für Verena Bentele der Geschäftsführer von HI, François de Keersmeker, den stolzen TriathletInnen. Das Bild des Olympiageländes mit den Autogrammen der TeilnehmerInnen ist Mitte Oktober nach Bat Dambang gereist, verbunden mit sportlichen Grüßen aus München.

Im Lauf des Triathlons konnten sich die Kinder dann Puzzleteilchen erwerben, die am Schluss zwei Bilder ergaben, eines vom Olympiagelände und eines von dem Projekt in Bat Dambang. Ziel war, das Bild vom Olympiagelände, versehen mit den Autogrammen der TriathletInnen und Grüßen aus München, nach Bat Dambang zu senden und natürlich auch selbst eine Urkunde mit einem Puzzleteilchen des Handisport-Bildes zu erhalten. Die kleinen Modellboote also, die den Spaziergänger so faszinieren, gehören zur ersten Etappe, dem „Parcours auf dem Wasser“: Hier haben die „Isarpiraten“, ohne Krummsäbel und Augenklappe, dafür mit Witz und bodenständigem Charme, das Management übernommen. Die Mitglieder des Modellschiffbauvereins hatten sich spontan bereit erklärt, ehrenamtlich mit ihren bunten Booten einzuspringen, nachdem die eigentlich geplanten Kahnfahrten witterungsbedingt ausgefallen waren.

allerdings seitenverkehrt, da nur über den Blick in einen Spiegel. Die Zeit bis zum Anpfiff reicht noch, man stellt sich an und macht mit. An diesem Posten gilt es, ein Quiz, einen Riech- und Schmeckparcours und die beschriebene Runde „Welt im Spiegel“, ebenfalls geliehen vom ASP Neuhausen, zu bewältigen. Auch hierfür gibt es Puzzleteilchen, die zusammen mit den anderen der ersten Etappe an einem weiteren Tisch langsam zu den zwei Bildern zusammengefügt werden. Wer schon fertig ist, kann sich unterdessen die kleine Ausstellung über Handicap International, Bat Dambang und das Sportprojekt dort ansehen, bis der Rest der TeilnehmerInnen per Planwagen oder Tandem vom WilliDaume-Platz her eingetrudelt ist.

Dort werden einige der kleinen und größeren Bayernfans auf dem Weg zum Stadion, mit Devotionalien behängt wie ein ganzer Kiosk, auf die Aktionen neugierig: Da stehen Kinder und Erwachsene an einem Biertisch und starren wie paralysiert in einen Holzkasten. Erst bei näherem Hinsehen wird der Inhalt deutlich: ein Papier mit labyrinthähnlichen Linien, die mit Buntstift nachgezogen werden müssen –

Engagement und Lebendigkeit ist das, was diesen Tag ausgezeichnet hat. Deshalb nochmals Dank an die ehrenamtlichen HelferInnen von Handicap International, die Isarpiraten, Naturfreundejugend, an das Sportamt München und an den Malteser Hilfsdienst. Besonderer Dank gebührt der Stiftung Stadtsparkasse, die uns - im Gegensatz zum Wetter ganz positiv gesehen - nicht „auf dem Trockenen“ sitzen ließ und durch ihre großzügige Förderung diesen Triathlon finanziell ermöglicht hat.

Sylvia Schlund Projektstelle ebs für Mädchen und Jungen mit Behinderung

Aktuell

Junge „Haudraufs“ und selbstbewusste Nachwuchsspieler

Foto: Nils Rack

„Tischtennis gegen Ge walt und Rassismus“ Gew „Tischtennis on Tour“ - zwei Wochen lang war das TT-Schnuppermobil (Sponsored by Butterfly) des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) quer durch München unterwegs. Das Gemeinschaftsprojekt mit dem Bayerischen Tischtennis-Verband (BTTV), der Münchner Sportjugend und dem Kreisjugendring München-Stadt hatte sich zum Ziel gesetzt, das schnellste Rückschlag-Spiel der Welt im Kampf gegen Gewalt und Rassismus einzusetzen.

In zwölf Jugendzentren konnten Kinder und Jugendliche das offene Angebot kostenlos nutzen, persönliche Fähigkeiten und Fertigkeiten mit Schläger und Ball unter Beweis stellen, ihrem Bewegungsdrang freien Lauf lassen und sich dazu animiert fühlen, zwischenmenschliche Toleranz und Offenheit gegenüber anderen Gruppen und Persönlichkeiten zu üben. „Wow, so einen kleinen Tischtennis-Tisch hab ich ja noch nie gesehen!“. Große Augen im Spiel - und Begegnungszentrum Sendling. Das TT-Schnuppermobil des DTTB ist zu Besuch beim Jugendtreff in der Danklstraße, und was die Helfer so alles aus dem kleinen Transporter ans Tageslicht befördern, lässt die Jugendlichen staunen. Aber die anfängliche Verwunderung über variable Tischgrößen, Mini-Schläger und ballspuckende Tischtennis-Roboter legt sich schnell, und die ersten Neugierigen probieren einfach aus und spielen mal drauf los. Hochkonzentriert wird der weiße Zelluloidball an den Mini-Tischen vorsichtig über das Netz gehoben. Schnell lernen auch Ungeübte, dass es hier nur mit Fingerspitzengefühl funktioniert. Power und Ausdauer hingegen werden am TT-Roboter verlangt, hier können die Jugendlichen nicht genug Bälle „um die Ohren“ geschossen bekommen. Besonders Mutige versuchen gar, ganz im Stil von Filmheld „Forrest Gump“, dem Roboter mit zwei Schlägern Paroli zu bieten und schlagen

mit Feuereifer minutenlang wild um sich, bis der Maschine die Luft beziehungsweise die Bälle ausgehen. Alexander Murek, Tourchef, Fahrer des Schnuppermobils und sogenannter „Teamer“, ist seit über zwei Jahren im Auftrag des DTTB unterwegs und lässt die begeisterten „Haudraufs“ mit einem kleinen Lächeln gewähren - er kennt seine Pappenheimer. „Sollen sie sich ruhig austoben und ihrer Energie freien Lauf lassen, es geht ja schließlich um den Spaß.“ Und wer allzu aufmüpfig wird, der muss dann auch mal in Deckung gehen - schließlich steht der Teamer selbst hinter dem Reglerpult des TT-Roboters und kann die Geschwindigkeit der Bälle zur allgemeinen Belustigung auch ohne Ansage nach oben drehen. Auch der ein oder andere Betreuer muss sein Können am Tisch unter Beweis stellen und wird schnell zum Opfer der zahlreichen aufstrebenden Nachwuchsspieler. Nur die Mädchen halten sich im Hintergrund - zwei oder drei besiegen zwar den Roboter im Zielschießen, ziehen sich dann aber nach ihrem kleinen Erfolg wieder in den Discoraum zurück. Die Turnhalle bleibt eine Männerdomäne. Ganz anders das Bild eine Woche später im Kinder- und Jugendtreff Moosach: Hier sind heute nur Mädchen am Ball. Am Frauentag zeigt sich, dass sich die Jugendspielerinnen vor ihren männlichen Kon-

kurrenten nicht verstecken brauchen. Selbst jungen Anfängerinnen gelingt schon nach den ersten Ballkontakten der Rückschlag, und nach einigem Üben und viel Geduld erringen alle Beteiligten mit Spaß und Begeisterung das TT-Sportabzeichen. Beim Abschlussturnier macht sich die Faszination des TischtennisSports auf ganz besondere Art bemerkbar. Dem spannenden Endspiel kann sich kaum eine entziehen - da wird mitgefiebert, angefeuert und gebangt, die Daumen gedrückt und die beste Freundin lautstark unterstützt. Als dann die knappe Entscheidung in der Verlängerung fällt, ist neben Siegesfreude auch ein wenig Enttäuschung zu spüren. Der Pokal geht an die glückliche Siegerin, aber zur Entschädigung gibt’s ein T-Shirt für die Zweitplatzierte, und auch die anderen gehen nicht leer aus, für jede hat Alexander Murek einen kleinen Preis in der Tasche. Das Tischtennisfieber hat an diesem Nachmittag schnell um sich gegriffen - da bleibt für die Betreuer die Hoffnung, dass auch die hauseigene Tischtennis-Platte wieder häufiger genutzt wird. Dass die Begeisterung für den Tischtennis-Sport bei den Kindern und Jugendlichen vorhanden ist, zeigt auch der Besuch des Schnuppermobils beim Jugendtreff am Wettersteinplatz. Neben Ballroboter, Sportabzeichen und Turnier steht hier vor allem für die Älteren eines im Vordergrund: Den „Profis“ die Stirn bieten. Ihnen genügt es nicht, ihre Betreuer vom Tisch zu fegen und untereinander eine Rangliste auszuspielen - sie fordern auch gleich mal die Helfer vom BTTV heraus. Nur schmettern dürfen die vermeintlichen Profis nicht, denn das sei ja unfair. Das sportliche Selbstbewusstsein ist offensichtlich vorhanden, und das ist auch gut so. Ob im Multikulturellen Jugendzentrum Westend, dem Jugendcafé Intermezzo oder dem aqu@rium in Pasing - das Schnuppermobil kann seine Münchentour im Rahmen der Aktion „Tischtennis gegen Gewalt und Rassimus“ als eine erfolgreiche Kampagne pro TischtennisSport und kontra jugendliche Gewalt und Intoleranz werten. Bei allen zwölf Stationen war die Begeisterung und der Spielspaß aller Beteiligten zu spüren - einen Nachmittag lang konnten Kinder und Jugendliche Erfolgserlebnisse feiern und ihre Individualität unter Beweis stellen. Ein gewaltfreies Miteinander im Rahmen des Sports ist das Ziel der Deutschen Tischtennis-Jugend (DTTJ). Und dass dies möglich ist, hat die Münchner Aktion ganz im Sinne des Projekts „Tischtennis in sozialen Brennpunkten“, gefördert aus Mitteln des Kinder- und Jugendplanes (KJP) des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, gezeigt. Rita Schäfer

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Aktuell Herbstvollversammlung des KJR

Düsteren Zeiten entgegen Am 12. November fand die Herbstvollversammlung des Kreisjugendring München-Stadt in den Räumen der Adventjugend in Neuhausen statt. 55 von 68 möglichen Delegierten der Münchner Jugendverbänden waren gekommen, um den Haushalt in Eckwerten und zahlreiche Anträge zu beschließen. Nach Grußworten der Landeshauptstadt München durch den SPD-Stadtrat Yasar Fincan und die Vorsitzende des Unterausschusses Schule/Soziales des Bezirksausschusses Neuhausen/Nymphenburg erläuterte der KJR-Vorsitzende Christian Müller in seinem Rechenschaftsbericht die schwierige Haushaltssituation der Stadt und damit auch des Kreisjugendrings. Äußerst problematisch ist die große Unsicherheit hinsichtlich der tatsächlichen Einsparsummen in den einzelnen Bereichen, die der KJHA im Februar diskutieren und der Stadtrat im April nächsten Jahres beschließen wird. Trotz der düsteren Prognosen beschloss die Herbstvollversammlung den Haushalt in Eckwerten ohne Gegenstimmen. Der Aufnahmeantrag der Kinder- und Jugendgruppe des Thrakischen Vereins „Odimokritös“ wurde einstimmig ange-

nommen. Kontrovers diskutierten die Delegierten den Antrag des KJR-Vorstandes zur Errichtung eines Kuratoriums, das u.a. mit Vertretern aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft den Vorstand künftig beraten soll. Mit einigen Veränderungen wurde dem Antrag letztlich mit großer Mehrheit zugestimmt. Der Antrag des BDKJ, dass sich der KJR bei der Stadt für eine zentrale Anlaufstelle für Veranstaltungen auf öffentlichem Grund einsetzen soll, fand bei den Jugendverbandsvertretern breite Zustimmung. Offenbar war hier bei manchen die Ämterodyssee im Kopf geblieben, die man bei großen Veranstaltungen „durchleiden“ muss. Zwei Anträge der Falken und des BDKJ zu Veränderungen von Zuschussrichtlinien wurden diskutiert und abgestimmt. Der Falken-Antrag „Gegen das Diktat des Sparens – für Solidarität und Chancengleichheit“ wurde von der Vollversamm-

lung beschlossen. Die Resolution, die u.a. eine stärkere Besteuerung von Unternehmen und Vermögenden fordert, soll den Münchner Bundestagsabgeordneten zugeleitet werden. Ein Initiativ-Antrag der DGB Jugend zum geplanten Aufmarsch der Neofaschisten am 30. November beendete diesen Teil der Tagesordnung. Die Vollversammlung beschloss einstimmig, dass der KJR die Münchner Jugendverbände sowie die Münchner BürgerInnen dazu aufrufen soll, den Neofaschisten auf kreative Art und Weise zu zeigen: „Es gibt in München keinen Platz für rassistische, antisemitische, militaristische und menschenverachtende Hetze“. Mit einem Dank an den Gastgeber Adventjugend und die Abteilung Jugendarbeit, die die Organisation der Veranstaltung übernommen hatte, beendete Christian Müller die Herbstvollversammlung.

Pädagogik der Vielfalt

Afrikawochen im Kindertreff Bogenhausen „Ich gehe nach Afrika“ erzählte Michael stolz und begeistert zu Hause. Jeden Tag kam er - wie viele andere Kinder auch - in den Kindertreff. Dort fanden zum Schwerpunkt „Pädagogik der Vielfalt“ im September die Afrikawochen statt. Als Hinführung zum Thema gestalteten die Kinder unter Anleitung die einzelnen Länder Afrikas und setzten das Puzzle auf einem vier mal fünf Meter großen Transparent zusammen. Dieses ausdrucksstarke Werk schmückte während der Projektwochen die Außenwand des Kindertreffs und weckte die Aufmerksamkeit und das Interesse von Passanten und Besuchern. Die Vor- und Nachmittage waren gefüllt mit vielfältigen Angeboten: So gehörte die tägliche Trommelrunde ebenso zum Programm wie das Herstellen von afrikanischen Speisen, Hals- und Armschmuck, bunten Regenröhren und eindrucksvoll gestalteten Masken. Untermalt wurden die Aktionen mit afrikanischer Musik, und die täglichen Gesprächsrunden zum Thema vermittelten und vertieften viel Wissen über den afrikanischen Kontinent. Während der ganzen Zeit wurden aus 100 Kilo Ton und diversen Materialien mit großem Eifer Hütten gebaut, Plätze gestal-

tet, Tiere und Menschen modelliert und Landschaften geformt.So entstand ein sechs Meter langes und eineinhalb Meter breites Gebilde, das vor den Augen des Betrachters lebendiges Treiben in afrikanischer Umwelt wach werden ließ. Beim Abschlussfest fand eine bunte, spannende Gesamtpräsentation statt, die alle Kinder und Eltern begeisterte. Das mit Bambusblättern sehr dekorativ gestaltete Buffet bot Hirsebrei mit Soße, pikanten Reissalat, feine fruchtige Kous-KousCreme, leckeren Bananenkuchen, Kokoskugeln und lustige Elefanten aus KousKous-Brei ausgestochen. Vor dem gemeinsamen Festmahl sangen die Mütter für die Kinder einen kurz vorher erlernten afrikanischen Kanon und ernteten danach fröhlichen Applaus. Mit einer großen Trommelr unde fand

schließlich eine tolle Zeit ihren würdigen Abschluss. Der engagierte Einsatz des Teams wurde von allen Eltern mit viel Lob und Anerkennung honoriert. Kindertreff Bogenhausen

Aktionen Der erste Veranstaltungskalender für Münchner Jugendliche ist da

Under18.de ist online! „Keine 18, keine Kohle und keine Ahnung was läuft?“ Unter diesem Motto präsentiert seit 1. November das Jugendinformationszentrum München (JIZ) in Kooperation mit der Kath. Stiftungsfachhochschule den ersten Online-Veranstaltungskalender für Jugendliche aus München und dem Münchner Umland.

10. Mai 1933: Überall in Deutschland werden die Bücher „verfemter“ Dichter den Flammen übergeben.

Kreativwettbewerb

70. JJahrestag ahrestag der Bücher Büchervverbrennung Die Liste der Schriftsteller, deren Werke von den Nationalsozialisten verbrannt wurden, umfasst hunderte Namen; viele dieser Autoren sind – nicht zuletzt durch die „Kultur“politik der Nazis – in Vergessenheit geraten. Andere gehören heute zu den international anerkannten und bekannten Schriftstellern aus Deutschland. Einige der Namen: Johannes R. Becher, Bertolt Brecht, Alfred Döblin, Albert Einstein, Lion Feuchtwanger, Sigmund Freud, Erich Kästner, Franz Kafka, Alfred Kerr, Egon Erwin Kisch, Klabund, Elke Lasker-Schüler, Rosa Luxemburg, Heinrich, Klaus und Thomas Mann, Karl Marx, Erich Mühsam, Carl von Ossietzky, Erich Maria Remarque, Joachim Ringelnatz, Anna Seghers, Ernst Toller, Kurt Tucholsky, Theodor Wolff, Carl Zuckmayer, Stefan Zweig Kreativ-Wettbewerb für Jugendliche/Jugendgruppen/ Schulklassen Eingereicht werden können Arbeiten zum Thema Bücherverbrennung: Texte Gedichte, Essays, Aufsätze ... (max. 4 Seiten DIN A 4)

Bildnerische Gestaltungen – flächig Plakate, Fotos, Zeichnungen, Collagen (bis max. Format DIN A 2) Bildnerische Gestaltungen – räumlich Skulpturen, Modelle, Installationen (soweit unaufwendig transportabel) Bildnerische Gestaltungen – elektronisch Websites, Videos (bis max. 12 Minuten) Die Arbeiten werden bei einer Gedenkveranstaltung zum 70. Jahrestag der Bücherverbrennung am 10. Mai 2003 im Gewerkschaftshaus, Schwanthalerstr. 64, vorgestellt bzw. ausgehängt, die besten Arbeiten werden prämiert. Bitte unbedingt Name, Anschrift und die Telefonnummer des/r Ansprechpartners/in und das Alter der TeilnehmerInnen angeben (Höchstalter: 21). Abgabeschluss: 21. März 2003 – Post oder direkt im Freidenkerzentrum Fleischerstraße 3, 80337 München Tel. 76 85 03 E-Mail: [email protected]

Christiane Kröll Deutscher Freidenkerverband e.V., OV München

Die Erfahrung in der Jugendinformationsarbeit hat gezeigt, dass es Minderjährige oft schwer haben, ihrer Lieblingsbeschäftigung nachzugehen, entweder sie dürfen noch nicht mitmachen oder/und es ist zu teuer... Unter www.under18.de präsentieren zwei StudentInnen der Katholischen Stiftungsfachhochschule mit Unterstützung des JIZ viele interessante Veranstaltungen der Münchner Jugendarbeitsszene, also kostengünstige und pädagogisch betreute Angebote. Eine komfortable Suchfunktion ermöglicht bequemes und kombinierbares Suchen nach Datum, Veranstaltungsort (Stadtbezirk), Stichwort und thematischen Schwerpunkten. Diese sind im einzelnen: „Girls only“, „Konzerte“, „Parties“, „Sport“, „selber machen“, „Workshops & Kurse“ und „Querbeet“. Stephan Hadrava Jugendinformtionszentrum

Partizipation und Kinderrechte

www .kinderpolitik.de www.kinderpolitik.de Zu den Themen „Par tizipation“ und „Kinderrechte“ sind im Internet neue Materialien- und Medienlisten verfügbar. Kinder beteiligen sich oft engagiert und mit viel Kreativität an Gestaltungsprozessen, die sie betreffen. Materialien, die helfen, Kinder demokratisch teilhaben zu lassen, stehen im Internet unter www.kinderpolitik.de.

Homepage für die Jugendarbeit

www .jugendwww.jugendwettbewerbe.com Eine ganze Reihe von Jugend- und Schülerwettbewerben werden nun auf einer Internetseite vorgestellt. Zu den Wettbewerben gibt es auf der Website jeweils allgemeine Informationen, aktuelle Daten, Ansprechpartner und Links direkt zum Veranstalter. Die Wettbewerbe sind übersichtlich in Kategorien wie beispielsweise Umwelt, Soziales oder Film eingeteilt und werden ständig aktualisiert.

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Schwerpunkt

Die Bedeutung der offenen Jugendarbeit

Bedeutung der Offenen Kinder- und Jugendarbeit

Kommunalpolitische Manövriermasse ? Dass die Offene Kinder- und Jugendarbeit - sehr im Gegensatz zu anderen gesellschaftlichen oder jugendhilfespezifischen Instanzen - überhaupt der permanenten Legitimation bedarf ist (mindestens) drei Gründen geschuldet: 1. Was genau Kinder- und Jugendarbeit umfasst und soll, ist seit je Gegenstand von theoretischen, fachlichen, aber auch (jugend-)politischen Auseinandersetzungen, und deshalb wäre es verfehlt, zeitüberdauernde, ewig gültige Wahrheiten zu erwarten. Kinder- und Jugendarbeit ist immer den jeweiligen Zeitströmungen unterworfen gewesen, und es würde schon etwas dauern nur ihre wichtigsten aus den letzten 50 Jahre zu skizzieren. Nun könnte man verächtlich sagen: Das waren doch alles nur Moden. Aber Vorsicht; jede Mode ist die Wahrheit ihrer Zeit. Und genau so wie sich unsere Gesellschaft verändert hat, hat sich auch die Kinderund Jugendarbeit mit verändert. Bei alledem ist Kinder- und Jugendarbeit immer Verhandlungs- und Aushandlungssache zwischen Beteiligten aus Profession und Politik, die sich hoffentlich ernst nehmen und stets im Interesse eines Dritten (der Kinder und Jugendlichen selbst) agieren. In einem historischen Blick kann man aber wechselnde Konstellationen von jeweils modischen, aber auch zeitlich überdauernden Strömungen ausmachen. Und dann stößt der Betrachter bisweilen auf vergessene zeitgeschichtliche Aspekte und historische Konstanten, die auf einmal wieder aktuell werden: eine wahrhafte Renaissance verschollener Ideen, die auf einmal wieder in neuem Lichte glänzen. 2. Historisch wechselnde Aufgaben, unübersichtliche, ja widersprüchliche Arbeitsund Aufgabenstrukturen, schwierige Strukturen und diffuse Aufgabenprofile haben daran mitgewirkt, dass die Offene Kinder- und Jugendarbeit es über die Jahre immer wieder versäumt hat, ihre Legitimation wirksam und nachhaltig in der Gesellschaft zu verankern. Hinzu kommt, dass entscheidende finanzielle und juristische Rahmenbedingungen bis zum heutigen Tage ihrer verbindlichen Einlösung harren. So liegt der Professionalisierungsgrad der Kinder- und Jugendarbeit (Studienabschlüsse, die im engeren Sinne für eine Arbeit im Feld der Kinder- und Jugendarbeit qualifizieren - Dipl-Sozpäd/ Dipl. SA/ Dipl.-Päd.) bundesweit nur bei 28,7 Prozent. Dies bedeutet, dass circa 70 Prozent der hauptberuflich tätigen Mitar-

beiterInnen in der Kinder- und Jugendarbeit nicht darauf verweisen können, sich über ein Studium oder eine ausgewiesene pädagogische Ausbildung hinreichend auf eine Tätigkeit in der Kinder- und Jugendarbeit vorbereitet zu haben. 1 (Dies ist im Vergleich zu anderen Professionen, z.B. Medizin, ein völlig inakzeptables Faktum; man stelle sich vor, über zwei Drittel der Chirurgen in einem Krankenhaus haben ihren Beruf überhaupt nicht studiert !!!) Die Frage nach einer für die Kinder- und Jugendarbeit fachlich angemessenen Jugendhilfeplanung erntet immer noch vielfach Achselzucken. Hinzu kommt der bei allfälligen kommunalen Finanznöten anscheinend obligatorische Irrtum, Kinder- und Jugendarbeit wäre eine irgendwie freiwillige Leistung, die allenfalls als kommunalpolitische Manövriermasse tauge: Jugendhilfe nach Gutsherrenart! (Gleichwohl ist nach dem Motto: Laute Klagen – stille Siege, kaum zu leugnen, dass die Kinder- und Jugendarbeit in den letzten Jahren hinsichtlich ihrer statistischen Zuwachsraten eindeutig als „Krisengewinnler“ zu bezeichnen wäre.) 3. Schließlich hat es die Kinder- und Jugendarbeit - nicht zuletzt aufgrund ihrer chronischen Finanzprobleme - versäumt, halbwegs anerkannte fachlich-reflexive Begründungen zu formulieren und stattdessen fahrlässig nach dem Motto agiert: Jugendarbeit ist das wofür es Geld gibt. Und Geld gab und gibt es für alles mögliche: Genderpädagogik, Prävention, Integration, Streetwork, Hausaufgabenhilfe, Jugendkultur, Medienkompetenz usw. Nur wenn das Geld auf einmal sehr knapp wird, helfen derart naiv-pragmatische Motivierungen nicht mehr sehr viel weiter. Die seit fast 40 Jahre schon altvertraute „Krise der Jugendarbeit“ zeigt sich gegenwärtig unter historisch spezifischen Vorzeichen. Vielleicht durchlebt die Kinder- und Jugendarbeit gegenwärtig einen weiteren Wandlungsschub, der zunächst als „Krise“ erscheint, letztlich aber durchaus (bislang diffuse) Perspektiven beinhaltet. Die aktuellen gesellschaftspolitischen Stichworte liegen dazu auf der Hand: Bildung, Bildung, Bildung. Für die Kinder- und Jugendarbeit ergibt sich aktuell und künftig dadurch der Auftrag der Unterstützung der jugendlichen

Entwicklungsaufgaben durch Bildung. Zur Erinnerung: Entwicklungsaufgaben sind diejenigen Bewältigungsleistungen, die ein Jugendlicher für ein halbwegs „gelingendes“ Überleben in unserer westlich-modernen Gesellschaft benötigt: Akzeptieren der eigenen körperlichen Entwicklung und Bewältigung der damit verbundenen Konflikte Erwerb einer elternunabhängigen eigenen Erwachsenenidentität Erwerb neuer sozialer Kompetenzen in den Beziehungen zu Gleichaltrigen beider Geschlechter Erwerb einer weiblichen bzw. männlichen Sozialrolle Schaffung der Voraussetzungen für eine wirtschaftlich selbstständige Existenz Auseinandersetzung mit der Staatsbürgerrolle und Erwerb einer gesellschaftlich-politischen Identität Erwerb einer selbständigen moralischen Orientierung und einer „Lebensphilosophie“ auf der Basis der Auseinandersetzung mit Sinn- und Wertfragen. Die gegenwärtige Bildungsdebatte liefert hier zwar neue (bzw. alte) Ansatzpunkte, die hilfreich sind, aber nicht hinreichend. Denn die Kinder- und Jugendarbeit hat ihre eigenen Traditionen, die immer auch Bildungstraditionen waren, bislang eher verschlafen. Dabei ist sie die weithin einzige Instanz, die den Bildungsbegriff, so wie er vor circa 200 Jahren von Humboldt formuliert wurde, wirklich ernst nimmt. Und deshalb ist sie sozusagen für Bildungsaufgaben prädestiniert - mehr und unzweifelhafter als alle anderen Instanzen. Nur die Kinder- und Jugendarbeit ist in der Lage, Aufgaben zu stellen, herauszufordern und gleichzeitig die Freiheit zu garantieren, dass jede(r) für sich entscheiden kann, ob und wie er/sie diese Herausforderung annehmen und ihr gerecht werden will. Nur die Kinder- und Jugendarbeit versteht Bildung konsequent als persönliche, soziale und subjektgebundene Bildung, die wirklich offen ist, weil nur die eigenen Fragen, nur die eigenen Lösungen zählen. Nur in der Kinder- und Jugendarbeit ist es wirklich erreichbar, eigenaktiv seine Erfahrungen und Erkenntnisse zu organisieren. Nur in

1 Pothmann, J./ Thole. W. (2001): Wachstum ins Ungewisse. Jugendarbeit im Spannungsfeld von öffentlicher Wahrnehmung und Empirie. In: Rauschenbach, Th./ Schilling, M. (Hrsg.): Kinder- und Jugendhilfereport 1. Analysen, Befunde und Perspektiven, Münster , S. 73-98, hier: S. 79f

Exklusiv sind diese Zugänge deshalb, weil circa 70 Prozent der sogenannten „Lebenskompetenzen“ eben außerhalb von Schule erworben werden und auch, weil Menschen immer noch von früh an in Umgebungen lernen, die zu 70 bis 90 Prozent aus Furcht und Frustration und zu 10 bis 30 Prozent aus Interesse bestehen. Exklusiv deshalb, weil - wie etwa in den Empfehlungen des Forum Bildung die Kompetenzen und Tätigkeitsbereiche der Kinder- und Jugendarbeit zwar eingehen in zentrale gesamtgesellschaftliche Zielformulierungen – allerdings ohne dass sie dabei namentlich auch nur erwähnt würde. In Bewertung der gegenwärtigen Bildungsdebatte ist es geradezu erstaunlich, wie die hier allseits geforderten und favorisierten Konzepte und Ziele exakt auf das zulaufen, was den fachlichen Kern der Kinder- und Jugendarbeit ausmacht. Und damit wird die Fachlichkeit der Kinder- und Jugendarbeit in bisher ungeahntem Maße für die Bearbeitung elementarer gesellschaftlicher Zukunftsaufgaben angefragt. Die bisherige Debatte um Bildung geschieht vorrangig unter affirmativen und integrativen Aspekten und scheint sich vielfach in Sprachkursen für Kindertageseinrichtungen und Ganztagsschulen zu erschöpfen. Sollte das wirklich schon alles gewesen sein? Denn eine Bildung, die mehr ist, als das Lösen von bekannten Problemen mit bekannten Ergebnisse, die wirklich eine offene Zukunft mit offenen Prozessen anzugehen sucht, ist noch am ehesten in der Kinder- und Jugendarbeit vorzufinden. Und die Kinder- und Jugendarbeit täte gut daran, an diesen Prinzipien festzuhalten und auch darauf zu verweisen, dass diese Prinzipien an bestimmte Professionalitätsmaximen und voraussetzungen geknüpft sind, die man nicht einfach eliminieren oder mit andere Bereiche zusammenzwingen kann. Im Befinden über den Bildungsauftrag der offenen Kinder- und Jugendarbeit kommt diese wohl an der Instanz Schule nicht vorbei. Das wird Gretchenfrage und zugleich Bewährungs- und Bewältigungstest der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Schule schwebt derzeit wie ein drohender Schatten über der Kinder- und Jugendarbeit, deren fachliche Autonomie – wie im gleichnamigen Film: Indepen-

dence Day – ziemlich bald dahin sein dürfte, wenn nicht sehr deutliche Differenzen zwischen den beiden Instanzen geltend gemacht werden. Die Frage, ob denn Schulen etwa die Jugendzentren der Zukunft sein werden, und unter welchen Bedingungen sie dies sein könnten, muss von der Kinder- und Jugendarbeit mitgestaltet werden. Das setzt voraus, dass man die eigenen Strukturen jenseits von Bequemlichkeit und Traditionen zur Debatte stellt. Man muss sich buchstäblich an den Kopf fassen: Da verfügt die Kinder- und Jugendarbeit über ein nahezu exklusives Kompetenzprofil, und genau das lässt sie sich von Schule möglicherweise wieder abschwatzen. Denn gerade Konzepte wie „sozialpädagogische Schule“ oder „Schule als Lebenswelt“ plündern sozusagen die Ansätze, Maximen und Methoden der Kinder- und Jugendarbeit aus, amputieren diese aus allen fachlichen Kontexten und stanzen sie dann in die eigenen Systeme hinein. Und das kann - unter den derzeitigen Bedingungen von Schule - nur schief gehen. Im Rahmen einer kooperativen und sich wechselseitig ergänzenden Erziehungs- und Bildungspartnerschaft steht die Kinder- und Jugendarbeit vor der Anforderung, sich von PISA zu befreien – und trotzdem und gerade deshalb mit Schule zu kooperieren, allerdings auf der Basis von fachlicher Autonomie und eines völlig anderen Bildungsverständnisses. Die offene Kinder- und Jugendarbeit muss den eigenen Bildungsanspruch offensiv vertreten. Dabei steht sie in der Verlegenheit, etwas vertreten zu müssen, was ihr in mancherlei Hinsicht selbst noch nicht so ganz klar ist. Und so findet sich die Kinder- und Jugendarbeit in ihrer vertrauten Position wieder: zwischen allen Stühlen. Sie hat gleichwohl deutlich zu machen, dass die gegenwärtig dominierende Orientierung auf die Kindertagesstätten nicht dazu führen darf, dass mehrere Jugendgenerationen sozusagen fallen gelassen werden, weil es für sie nicht mehr reicht. Sie hat zugleich deutlich zu machen, dass sie auch nicht in Schule aufgehen kann, sofern hier lediglich die Ganztagsschule auf breiter Front favorisiert wird. Zugleich wäre zu fragen, wer denn, wenn nicht die Kinder- und Jugendarbeit, überhaupt noch die Interessen der Kinder und Jugendlichen - etwa in Fragen der Ganztagsschule - vertritt? Jugendhäuser sind also mehr als nur Freizeitstätten zum Zeitvertreib. Es sind Lernorte. Und das zu profilieren und einzulösen ist die Aufgabe, die nun ansteht. Die Anforderung für die Kinder- und Jugendarbeit besteht darin, ihre gesamte Praxis unter den Aspekten der Bildung neu zu sichten, zu bewerten und neu auszurichten und dabei die hierzu erforderli-

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chen Rahmenbedingungen nicht aus den Augen zu verlieren. Erst wenn dem Bildungsauftrag auch eine nachweislich solide und fachlich angemessene Bildungspraxis entspricht, wird die Kinder- und Jugendarbeit eine überzeugende Würdigung in der gegenwärtigen und künftigen Bildungsdebatte reklamieren können. Es dürfte allerdings kaum ausreichen, lediglich die rhetorischen Fassaden auszuwechseln, denn die Gefahr besteht durchaus, dass sich - wie im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern - der Ausruf einstellen könnte: „Aber er (bzw. sie, die Kinder- und Jugendarbeit) hat ja gar nichts an!“.

Die Bedeutung der offenen Jugendarbeit

der Kinder- und Jugendarbeit ist es möglich, Jugendlichen zur Selbst-Entfaltung zu verhelfen, so dass sie auf der Höhe ihrer Möglichkeiten bleiben. Nur in der Kinder- und Jugendarbeit ist es machbar, Jugendliche zu ermutigen, Neues auszuprobieren und die Verwirklichung bislang blockierter oder vergessene Optionen anzugehen, so dass sich Erfolge einstellen, von denen sie selber vorher nichts geahnt haben.

Schwerpunkt

Entgegen öffentlicher Funktionszuweisungen hat die Kinder- und Jugendarbeit sich von einer ihr zugedachten Defizitbzw. Präventionsorientierung zu lösen und ihre Kompetenz- und Potenzialorientierung noch stärker zu qualifizieren. Kinder- und Jugendarbeit ist nicht vorrangig ein Feld zur Problembearbeitung oder -kompensation, nicht länger nachrangige Substitutionsleistung, nicht vorrangig ein Angebot zur Integration marginalisierter, (potenziell) gewalttätiger oder sonstwie auffälliger und „problematischer“ Kinder- und Jugendliche, sondern immer auch ein allgemeines Regelangebot für alle Kinder- und Jugendlichen. Daher ergeben sich für die Fachkräfte der Kinderund Jugendarbeit erneuerte - im Folgenden gegeneinander kontrastierte - Qualifikationsprofile: Dazu sind Fachkräfte der Kinderund Jugendarbeit nicht da: Hilfspolizist für die Kontrolle von Störenfrieden Freizeitbeschäftiger für gelangweilte Jugendliche (Jugendfrustpflege) Türöffner, Aufpasser, Thekenbedienung Hausmeister Bauhandwerker im Jugendfreizeitheim Schreibkraft, Sachbearbeiter Sündenbock für Ärger mit Jugendlichen Lückenbüßer für fehlende Ehrenamtliche Dazu sind Fachkräfte der Kinderund Jugendarbeit da: Lernberater/ Lernbegleiter Chancen-Auskundschafter Fähigkeitsanreger Selbstentfaltungs-Ermutiger Bildungsnavigator Kompetenzermöglicher Erfahrungs- und Aneignungsexperimentator Dr. phil. Werner Lindner (Dipl. Sozialarbeiter, Dipl.-Päd.) Der Autor ist Dezernent für Kinderund Jugendarbeit, Kinder- und Jugendschutz im Niedersächsischen Landesjugendamt in Hannover

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Schwerpunkt

Die Bedeutung der offenen Jugendarbeit

Das Musische Zentrum in Schwabing

Angebot: sehr gut. Zukunftsaussichten: mangelhaft. Was im Musischen Zentrum derzeit als Modellprojekt getestet wird, ist vielleicht das Zukunftskonzept für musischen Unterricht an der Schule: Fächerübergreifend, ohne hektischen Wechsel im Dreiviertel-Stunden-Takt, mit viel Freiheit und Kreativität für die Kinder. Vielleicht bleibt es aber nur ein Traum von Kinderkultur, denn auf der Streichliste der Stadt steht das Musische Zentrum ganz oben.

Foto: Gecko Wagner

Das soll Unterricht sein? Weit und breit keine Tafel, keine Sitzordnung und auch kein Lehrer. Genau genommen, jedenfalls. Aber jede Menge Schüler. 28 Mädchen und Jungen schwirren auf Strümpfen oder in Gymnastikschuhen über den Parkettboden im Tanzsaal, spielen, raufen, laufen, lachen. Aber da ist doch ein „Lehrer“, ein Tanzlehrer. Thorsten Paetzold ruft: „Wir zeigen euch jetzt, was wir heute geübt haben, ja?“ Und wenig später sitzen fast alle am Boden. Die anderen, ein Dutzend Zweitklässler, sind „wir“: die Tanzgruppe. Die Kinder haben heute geprobt, Regen und Unwetter tänzerisch darzustellen, jetzt führen sie es vor. „Gewitteeeeeer“ ruft Paetzold und trommelt Regenprasseln auf den Boden, die Kinder lassen sich wie Regentropfen zu Boden fallen, rappeln sich auf, bilden eine Pyramide, wiegen sich im Sturm, ein Bild fügt sich ans andere, zum Schluss applaudieren die anderen Kinder heftig. „Zur Erklärung“ sagt Paetzold den Zuschauern, „das ist jetzt noch sehr eckig, das wird noch viel flüssiger. So wie Regen: Wasser ist ja ganz weich und verformt sich. Später werden diese Regenbilder ineinander übergehen. Jetzt seht ihr nur einzelne Bilder, so wie beim Fotografieren: Knips-knips-knips!“ Die Tanzgruppe hat heute wirklich „hart und gut gearbeitet, deshalb gibt’s für sie zur Belohnung noch ein Abschlussspiel“ sagt Paetzold. Die anderen Gruppen sollen so lange noch mal in ihre Räume gehen. „Neiiiin“ ruft ein Mädchen von der Künstlergruppe enttäuscht. „Wir wollen auch ein Spiel“, ruft ein Junge von den „Musikern“ und plötzlich fordern alle lautstark ein Abschlussspiel.

Was sich hier im Tanzsaal des Musischen Zentrums in der Georgenstraße 13a abspielt, ist Unterricht. Schulunterricht sogar. Die Kinder sind allesamt Schüler der Klasse 2b der Schwabinger Grundschule an der Wilhelmstraße. Diese hat zu Beginn des Schuljahres eine vielversprechende Kooperation mit dem Musischen Zentrum gestartet, das ein paar Straßenecken entfernt liegt. Kern des Modellprojektes: Die Schule legt je eine Sport-, eine Musik- und eine Kunststunde zusammen, diese findet dann jeden Montagvormittag in der Georgenstraße statt. Aber nicht, wie in der Schule, nach Fächern getrennt, jedenfalls nicht im Stundenrhythmus. Die Klasse teilt sich in drei Gruppen: die „Tänzer“, die „Künstler“ und die „Musiker“. Unter eigener Anleitung arbeiten dann alle drei Gruppen auf das gleiche Ziel hin: eine Tanztheateraufführung. Auch bei den Musikern läuft der Unterricht etwas anders ab, als man sich das vielleicht aus der Erinnerung an die eigene Schulzeit erwartet. Mit ihrer Leiterin, der angehenden Grundschullehrerin Miriam Uhlmann, war die Gruppe heute draußen auf dem Spielplatz. Nieselregen und Novemberkälte haben sie nicht aufhalten können, schließlich ist auch ihr Thema das Regenwetter. „Auf dem Spielplatz haben wir aber nicht gespielt“, erläutert Uhlmann den anderen Kindern, „sondern wir haben ihn nach Instrumenten und Regengeräuschen abgesucht. Wir spielen euch jetzt mal vor, was wir gefunden haben.“ Sie zückt ein Diktiergerät, mit dem die Kinder ihre Geräusche aufgenommen haben. Es ist mucksmäuschenstill, alle lauschen. Vom Band kommt ein hölzernes Klopfen. Dann ein gurrendes und glucksendes Geräusch, das an ein Huhn erinnert. „Linda, erzählst du kurz, wie du das gemacht hast?“ Linda erzählt von einer Schaufel und einem Becher, die sie dort gefunden hat, „mit der Schaufel hab’ ich dann auf dem Becher rumgerieben“. Dann klingt es ächzend, etwas reibt metallisch klirrend, „die Kette von dem Spielplatzkran“ erklärt ein Junge, ein anderer hat mit den Füßen und den Händen auf einer Kunststoffplane den Rhythmus „Bumm-Tschak-BummbummTschak“ gespielt, der nächste hat Regen-

geräusche entdeckt, wenn er in eine Pfütze springt. Alle waren begeistert dabei, jede und jeder ist jetzt stolz, „ihr“ bzw. „sein“ Geräusch vorzuspielen und zu erklären. Was hier passiert, ist Konzept: Zwar arbeiten die drei Gruppen zunächst unabhängig voneinander. Doch nicht nur das gemeinsame Thema verbindet sie, zum Abschluss präsentieren sich die Kinder gegenseitig, was sie heute erarbeitet, erlebt und gelernt haben. „Jeder lernt von jedem“ erklärt Paetzold das Konzept. Und letztlich tragen sie alle gemeinsam zur Tanztheateraufführung am Schuljahresende bei. Die Tänzer tanzen, die Musiker spielen die Musik, und von der Künstler- und Malgruppe kommen die Kostüme der Tänzer und das Bühnenbild. Iris Golde, die die „Künstler“ anleitet, räumt ein: „Natürlich finden es die Kinder in meiner Gruppe schade, dass sie nicht selbst auf der Bühne stehen. Aber es kommt ja jeder mal dran.“ Etwa drei Monate dauert ein Block, danach tauschen die Gruppen: Die Musiker werden zu Tänzern, die Künstler machen die Musik und die Tänzer malen und schneidern fortan. Bis zum dritten Wechsel. „Die Kinder werden hier mit allen Sinnen geschult“, sagt Tanzlehrer Thorsten Paetzold, „sie tanzen und malen anschließend darüber. Eine Kunstform wird somit zum Reflexionsmedium für die andere.“ Im Musischen Zentrum geht es nicht in erster Linie um künstlerische Höchstleistungen. Die werden unterstützt, wenn Kinder sie anstreben. Aber im Vordergrund steht vor allem eines: Die Kunst als „Vehikel zur Persönlichkeitsentwicklung“ (Paetzold), als Mittel, zu reifen, sich auszudrücken, sich mit anderen auszutauschen. Das kann klassischer Kunst- oder Musikunterricht nur bedingt leisten. Allein die künstlerische Ausbildung kommt im Lehramtsstudium schon viel zu kurz, um Schülern ein so umfassendes Programm zu bieten wie die Pädagogen hier im Musischen Zentrum. Aber selbst dann wäre es nicht das Gleiche. „In der Schule fragen sich Schüler stets: Was will der Lehrer? Diese Frage stellen sie sich hier nicht“, so Paetzold. Und noch etwas hat er beobachtet: „Die Motivation der Kinder ist hier enorm. Wenn die Musiker einen

Was hier im Kooperationsprojekt mit der Wilhelmschule passiert, ist das Konzept für das gesamte Musische Zentrum. Kultur für und von Kindern fördern, Kinder mit künstlerischen Ausdrucksweisen vertraut machen, ihre Neugierde auf Tanz, Theater, Musik und bildnerisches Gestalten zu kitzeln und natürlich auch zu befriedigen. Dazu gibt es von Montag bis Freitag volles Programm. Vormittags können Schulen das Angebot für einen Ausflug nutzen, nachmittags steht das Haus allen Münchner Kindern von sechs bis 14 Jahren offen. Kreativer Tanz, Percussion, Breakdance, bildnerisches Gestalten, HipHop, Theater, … die Angebotsliste ist lang. Zu diesen festen Kursen müssen sich die Kinder anmelden, doch auch wer nur mal reinschnuppern möchte, kann dies im „offenen Atelier“ jederzeit und kostenlos tun. Und immer gilt: Niemand muss sich auf eine bestimmte Kunstform spezialisieren, jedes Kind kann die verschiedensten Möglichkeiten ausprobieren. Musik, Tanz, bildnerisches Gestalten, all das soll sich ergänzen, soll alle Sinne ansprechen. Mit diesem Konzept, das mit Antritt von Thorsten Paetzold als Leiter vor gut einem Jahr umgesetzt wurde, verspürt das Musische Zentrum deutlichen Aufwind in der Gunst der Kinder und deren Eltern. „Früher hatten wir bisweilen nur acht Besucher pro Tag - inzwischen hat sich die Besucherzahl verdreifacht und das bei weniger Mitarbeitern!“ sagt Paetzold nicht ohne Stolz. Doch der offensichtliche Erfolg scheint ihm nicht zu helfen. Auch die-

se überregionale Freizeitstätte, die seit 1972 in Trägerschaft des Kreisjugendring München-Stadt arbeitet, soll nach dem Willen des Jugendamtes geschlossen werden. Für den Leiter Paetzold unverständlich: Zwar sollen überregionale Angebote des Kreisjugendrings eingestellt werden – für entsprechende Angebote der Stadt gilt dies aber nicht. Besonders bitter: Mit dem Musischen Zentrum und dem ebenfalls bedrohten „Café Netzwerk“ (siehe Seite 18) würden gleich zwei Einrichtungen für Kinder und Jugendliche in der Maxvorstadt wegfallen, in einem Viertel, das nach Ansicht der Jugendbeamten der Polizei ohnehin kaum Angebote für junge Menschen bereithält. Der gelernte Tänzer und studierte Pädagoge, Theaterwissenschaftler und Philosoph Paetzold ist jetzt Manager, der seinen Betrieb retten muss. Viel Spielraum hat er nicht. Der Jahresetat in Höhe von 6000 Euro lässt keine großen Sprünge zu, auch die aus Kursgebühren selbst erwirtschafteten Mittel in fast gleicher Höhe decken gerade mal die Kosten für Material und die drei Honorarkräfte. Diese unterrichten Breakdance, Percussion und Theater; die vier fest angestellten Pädagogen für Tanz und bildnerisches Gestalten teilen sich zweieinhalb Stellen. Und ein Teil des Angebotes – etwa das „Café Cup“, das jeden Montag Nachmittag selbst gebackenen Kuchen anbietet – wird ohnehin von Ehrenamtlichen getragen. Viel zu sparen gibt es da nicht. Die Hoffnung haben Paetzold und sein Team deshalb noch lange nicht aufgegeben. Eltern haben bereits den Vorschlag eingebracht, einen Trägerverein zu gründen, auch Sponsoring als Beitrag der Wirtschaft zum gesellschaftlichen Leben kann Paetzold sich vorstellen. Aber das könne nur eine Ergänzung sein, prinzipiell

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will er die öffentliche Hand „nicht aus der Verantwortung für Kinderkultur“ entlassen.

Die Bedeutung der offenen Jugendarbeit

falschen Takt spielen, haut’s den Tänzern die Beine weg. Tanzen die wiederum nicht richtig, dann macht’s den Musikern keinen Spaß.“ So motivieren sich alle gegenseitig – ohne Druck.

Schwerpunkt

Der Münchner Stadtrat, der letztlich die Verantwortung trägt, will erst im Frühjahr über die Sparvorschläge entscheiden. Immerhin gibt es zumindest erste positive Signale für das Musische Zentrum. So hat die Bürgerversammlung des Bezirksausschusses Maxvorstadt kürzlich einen Antrag, das Zentrum zu erhalten, ohne Gegenstimme angenommen. Also auch ohne Gegenstimme der Regierungsparteien im Rathaus. Eltern aus anderen Stadtteilen, deren Kinder das Angebot in der Georgenstraße begeistert nutzen, wollen in ihren Bezirksausschüssen ebenfalls aktiv werden. Marlies Kraemer, die Rektorin der Wilhelmschule, würde die Kooperation liebend gerne auch im nächsten Jahr fortführen (siehe Interview Seite 15). Und Paetzold hat erste Gerüchte vernommen, denen zu Folge die harten Sparvorschläge ein „Warnschuss“ sein sollen, eine letzte Chance für die bedrohten Einrichtungen, aufzuwachen und sich „am Riemen zu reißen“. Für das Musische Zentrum war das nicht mehr nötig, aus einstmals eingefahrenen Gleisen hat es sich vor einem Jahr selbst befreit und fährt nun auf Erfolgskurs. Ob das die Stadt von ihren Plänen abbringt? Derzeit jedenfalls kann Paetzold noch von begeisterten Kindern im Musischen Zentrum berichten, wenn er die Angebote vorstellt. „Meine Teenies beim HipHop-Kurs sind wirklich der Wahnsinn. Wenn ich am Ende des Kurses nicht sage ‚Schluss jetzt’, dann würden die noch ewig weitermachen!“ Noch sind es die Pädagogen, die einen Kurs beenden. Bald könnte es die Stadt sein, die sagt: „Schluss jetzt“.

Gecko Wagner

Interview Marlies Kraemer ist Rektorin der Grundschule an der Wilhelmstraße. Ihre Schule hat mit Beginn des Schuljahres ein Modellprojekt mit dem Musischen Zentrum gestartet. Gecko Wagner hat mit ihr gesprochen. Was hat Sie bewogen, diese Kooperation einzugehen? Wir hatten letztes Jahr ein Theaterprojekt einer Klasse gemeinsam mit einer Schwabinger Künstlergruppe aus dem Kreis unserer Elternschaft. Darunter war ein Filmemacher, ein Bühnenbildner und andere Künstler, die mit unseren Schülern ein Theaterstück auf die Bühne gebracht haben. Das hat Schüler wie Eltern dermaßen begeistert, dass das andere Klassen auch machen wollten. Als sich dieses Jahr die Gelegenheit mit dem Musischen Zentrum ergab, habe ich zugegriffen. Schließlich sitzen da die Profis. Und es passt zu unserem Schulprofil: wir verstehen uns als Teil des kulturellen Lebens in Schwabing. Ermöglicht diese Kooperation Unterrichtsformen, die an der Schule so

nicht möglich sind? Auf jeden Fall. Wir könnten das Programm mit Musik, bildnerischem Gestalten und Tanz zwar vielleicht so ähnlich auch anbieten, aber wir sind keine ausgebildeten Tänzer. Die Kinder profitieren von der freieren Form, weil sie so selbst viel freier werden, weil sie sich so besser ausdrücken können. Mit der klassischen Aufteilung in die Fächer Kunst, Musik und Sport ist das nicht zu erreichen. Wie beurteilen Sie das Projekt nach den ersten zwei Monaten? Ich bin zufrieden, dass wir es gemacht haben. Von dem, was ich bisher gesehen habe, bin ich wirklich angetan. Die Kinder werden sehr entspannt angeleitet, machen gut mit, auch die, deren Bewegungen noch nicht ganz so koordinieren können, sind voll dabei. Ich finde

es toll, was da rauskommt. Ich weiß von einigen Schülern, die jetzt auch Nachmittags ins Musische Zentrum gehen. Was will ich mehr? Auch die Eltern sind zufrieden, einige fragen sogar schon, ob sie da mitmachen dürfen! Dann wollen sicher auch die anderen Klassen so ein Programm haben. Gibt es schon Zukunftspläne? Wann immer sich mir die Gelegenheit dazu bietet, werde ich sie ergreifen. Allerdings kommt es jeweils auf die Klassen, deren Eltern und die Kollegen an. Wie das nächstes Schuljahr aussieht kann ich heute wirklich noch nicht sagen. Aber die Bereitschaft und das Interesse, solch ein Projekt fortzuführen, ist von meiner Seite auf jeden Fall vorhanden. Wenn möglich werde ich es sofort wieder machen!

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Die Bedeutung der offenen Jugendarbeit

Jugendarbeit im sozialen Brennpunkt

Ein Stück Heimat für Kinder und Jugendliche Im nördlichsten Stadtteilviertel der Landeshauptstadt München, im Quartier Hasenbergl Nord, befindet sich „Der CLUB“ - eine Einrichtung der Offenen Kinder- und Jugendarbeit.

Denn ein wesentlicher Gesichtspunkt hinsichtlich der Lebenslagen von benachteiligten Kindern und Jugendlichen im Quartier Hasenbergl Nord ist die Armut mit ihren vielschichtigen Ursachen und Erscheinungsformen.

und kulturelle Großveranstaltungen, beispielsweise die „Gypsy Night“ - natürlich nicht nur für die ethnische Minderheit der Sinti und Roma - runden die Angebotspalette in einem Quartier ohne jugendspezifische kommerzielle Angebote (z.B. Jugendkneipe, Eisdiele) ab.

Fotos: Achim Seipt

Die Freizeitstätte ist Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche in diesem schwierigen Lebensraum, der geprägt ist von einem sehr niedrigen Durchschnittsfamilieneinkommen, hoher Arbeitslosigkeit und Sozialhilfeabhängigkeit. Es gibt hier einen großen Migrantenanteil sowie überdurchschnittlich viele HauptschülerInnen und SchulabgängerInnen ohne Abschluss. Die Heterogenität der Stadtteilbevölkerung wächst. Das Quartier, als eine Konzentration von sozialen Problemen, oder besser als „ein Viertel, in dem Menschen unter großen Schwierigkeiten zu leben versuchen“ beinhaltet ein heterogenes und sehr konfliktreiches Milieu. Die ausländischen Jugendlichen im Hasenbergl stellen fast die Hälfte (43%) der 10- bis 18Jährigen. Viele Kinder und Jugendliche sind nicht nur von den Chancen einer Teilhabe an einem normalen gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen, sondern auch durch das Aufwachsen unter „Gleichartigen“ hinsichtlich der Sozialisation doppelt benachteiligt. Ein „Ghetto ohne Mauern“. Der CLUB positioniert sich hier als eine primär quartiersbezogene offene Einrichtung für Kinder und Jugendliche mit der pädagogischen Handlungsausrichtung „Stärkung der Stärken und Schwächung der Schwächen“, wobei sich unsere Arbeit an den konkreten Lebenssituationen orientiert. Unsere an den Lebenslagen der Kinder und Jugendlichen ausgerichtete Offene Kinder- und Jugendarbeit trägt mit der Anerkennung der Person, Zuwendung, Stärkung des Selbstwertgefühls, der Unterstützung kultureller Ausdrucksmöglichkeiten u.v.a.m. dazu bei, dass materielle Armut nicht automatisch „sozial arm“ machen muss.

Quelle: Kinder und Armut / Kinder als Armutsrisiko und das Armutsrisiko von Kindern - unterschiedliche Dimensionen von Armut bei Kindern, Bayerischer Jugendring (BJR)

Armut ist Vorenthalten von Lebenschancen Unsere Angebote, im Besonderen die Angebote im Rahmen der kulturellen Bildungsarbeit, leisten für die Stadt München einen wesentlichen Beitrag dazu, den Anspruch einer kinder- und jugendgerechten Stadtgesellschaft zu erfüllen. Wir verstehen Bildung im Allgemeinen hier als Befähigung zu eigenbestimmter Lebensführung, als Empowerment und als Aneignung von Selbstbildungsmöglichkeiten in einem anregungsarmen Milieu, so wie es der 11. Kinder- und Jugendbericht mit Nachdruck fordert. Diese Arbeit geschieht in vielfältiger Art und Weise. So werden neben der Organisation der Gelegenheitsstruktur (Offener Treff) mit einem Standard von zwei pädagogischen Fachkräften vielfältige strukturierte Angebote – teilweise in Kooperation mit anderen stadtteilbezogenen Initiativen, Einrichtungen und Schulen – angeboten. Sie umfassen u.a. theaterpädagogische Aktivitäten, Tanz- und Gesangskurse, Angebote im Bereich der Neuen Medien, Stützkurse in den Fächern Mathematik und Deutsch sowie Englischund Musikunterricht. Musikveranstaltungen für unterschiedliche Altersbreiten

Wir gestalten zielgruppenspezifische Angebote - u.a. mit „pro familia“ - und verwirklichen pädagogische Zielsetzungen mit ehrenamtlich tätigen BürgerInnen, die gesucht und betreut werden müssen. Wir sind Ausbildungsbetrieb für ErzieherInnen im Anerkennungsjahr bzw. für FH Prak-

tikantInnen, führen Mobile Spielangebote im Stadtteil durch und engagieren uns in der Bund-Länder-Initiative „Soziale Stadt“ mit der Zielsetzung, feste Strukturen der Partizipation von Kindern und Jugendlichen hinsichtlich einer kinder- und jugendfreundlichen Landeshauptstadt München zu etablieren. Denn die heutigen Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen werden über die Zukunft der Stadt entscheiden.

Prima, was da alles (noch) läuft! Die sogenannten freiwilligen Leistungen der LH München sind gut investiert. Das vielfältige, anspruchsvolle und kräftezehrende Engagement der KollegInnen in den Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit hat allerdings physische und emotionale Grenzen. So werden wir regelmäßig neben den „gut laufenden“ pädagogischen Bereichen und Tätigkeiten auch mit Vandalismus, Beleidigungen, Drohungen, Einbrüchen, Diebstählen und vereinzelt mit tätlichen Übergriffen konfrontiert. Solche Vorfälle beeinträchtigen die emotionale Qualität unse-

Viele der Kinder und Jugendlichen, die unsere Einrichtung besuchen, haben gesundheitliche Probleme und dissoziale Entwicklungstendenzen. Sie sind häufig durch komplexe Problemsituationen überfordert, gestalten ihr Alltagsleben mit Frustrationen und Perspektivenlosigkeit und weisen seelische sowie körperliche Verwahrlosungssymptome auf. Sie gehören zur Stadtteilgesellschaft mit all den wahrnehmbaren unterschiedlichen Abstufungen. Es sind Kinder und Jugendliche mit einem großen Korb voller Probleme, allerdings auch mit einem großen Korb voller Talente und Fähigkeiten. Eine Reduzierung der inhaltlichen und personellen Angebote wäre ein gewaltiger Einschnitt in die Lebenswelt der hier im Stadtviertel lebenden Kinder und Jugendlichen. Das bestätigen auch die Ergebnisse einer aktuellen repräsentativen Befragung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen im 24. Stadtbezirk, die ergeben hat, dass die Nachfrage nach Jugendeinrichtungen sehr groß ist.

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Eine durch die Haushaltskonsolidierung notwendige Angebotsreduzierung einerseits, aber auch der fehlende (dies sei mir an dieser Stelle und auch in dieser Zeit erlaubt) notwendige Ausbau der Angebote andererseits vergrößert die bereits vorhandene soziale Benachteiligung der hier im Quartier lebenden Kinder und Jugendlichen und verringert die Entfaltung ihrer Talente und Fähigkeiten.

Die Bedeutung der offenen Jugendarbeit

rer pädagogischen Arbeit. Es sind Erfahrungen, die sehr grenzwertig sind und ein gutes Team erfordern.

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Hinsichtlich des Anspruchs auf Bildung wäre dies ein Einschnitt in der Menschwerdung, denn der Mensch kann nur durch Bildung Mensch werden. „Er ist nichts, als was die Erziehung aus ihm macht“ (Immanuel Kant). Dieser Bildungsauftrag - jenseits der Einrichtung von zusätzlichen Gymnasien (was für den Stadtteil gefordert wurde), jenseits der Diskussion um Eliteförderung und jenseits der schulischen Curricula - ist für unsere Einrichtung eine Kernaufgabe und somit ein wesentlicher Bestandteil für die Stabilisierung und den Ausbau unserer demokratischen kinder- und jugendfreundlichen Stadtgesellschaft. Achim Seipt Der CLUB – Hasenbergl Nord

Offene Jugendarbeit aus Sicht der Präventionsdienststelle des Polizeipräsidiums München

Ein Plädo Plädoyyer für die offene Jugendege arbeit und Präv ention – über Umw Prävention Umwege „Prävention ist wichtig!“ - „Offenen Jugendarbeit ist wichtig!“ - „Wir brauchen mehr Zivilcourage, mehr soziales Miteinander“ - „Einen Aufstand der Anständigen“..... Aussagen und Sätze wie diese hören wir immer wieder, und es gibt fast niemanden der den Botschaften und deren Inhalt nicht zustimmen würde. Aber Moment - stimmen diese Aussagen wirklich mit der derzeitigen Realität überein? Kürzungen, Streichungen, offen und hinter verschlossenen Türen gestellte Fragen wie „Benötigen wir das? - Was bringt Prävention?“ - „Ist offene Jugendarbeit wichtig?“, sind an der Tagesordnung. Was soll man tun? Für uns als in diesem Bereich tätige Beamte ist die Antwort klar. Jedoch hier auf oben gestellte Fragen nur mit „JA“ zu antworten oder mit einem kollektiven Aufschrei allen, die das Wort Kürzung aussprechen, entgegnen zu treten, bringt nicht viel. Jeder von uns kennt doch die „Phrasen“: „In diesem und jenem Freizeittreff wird doch nur....!“ Schon kommt der nächste in der Runde und kann auch was dazu beitragen. Es ist wie mit dem Sozialmissbrauch in der BRD - jeder kennt einen „Fall“ und weiß etwas Nega-

tives zu berichten! Nun ist es so, dass viele Geschichten auch einen mehr oder weniger hohen Wahrheitsgehalt haben aber warum berichtet niemand über die guten Seiten des Sozialsystems oder die wichtigen gesamtgesellschaftlichen Aspekte der offenen Jugendarbeit bzw. der Präventionsarbeit? Kennt die positive Seite der Medaille denn niemand? Liegt es vielleicht auch an uns selbst? Haben wir es nicht geschafft, unsere Arbeit ausreichend darzustellen? „Themenwechsel“ meinen Sie? Jetzt erst mal drohende Kürzungen abwenden, dann kann man über andere Sachen sprechen. Nein! Machen wir unsere Arbeit zudem was sie ist - Unverzichtbar! Am besten mit einem gemeinsamen Ziel. Wollen wir nicht sowieso das gleiche Ziel erreichen? Wege und Ansätze von Sozialpädagogen und Poli-

zeibeamten mögen verschieden sein, aber das Ziel unterscheidet sich kaum: Eine Reduzierung der Gewalt und eine mutige, engagiert auftretende Münchner Bevölkerung! Den Anfang dazu können wir mit einer guten Kinder- und Jugendarbeit leisten. Schließungen und Kürzungen bei den Freizeitstätten sind ganz sicher der falsche Weg! Aber ist es nicht so, dass die eine oder andere Umstrukturierung möglicherweise sich jetzt am besten realisieren lassen würde? In „schlechten Zeiten“ sind Änderungen leichter durchsetzbar. Vielleicht eine offensivere Öffnung für den Stadtteil - es sind ja auch die Jugendlichen des Stadtteils und somit auch der jeweiligen Gesellschaft. Zugegeben, ich bin ein Außenstehender und über interne Abläufe und unsichtbare Hürden schlecht in-

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Schwerpunkt

Die Bedeutung der offenen Jugendarbeit

formiert, trotzdem erlaube ich mir aber in ein Brainstorming bzw. eine Diskussion einzusteigen. Wie wäre es mit einer engeren Zusammenarbeit zwischen Schulen und Freizeitstätten - z. B. ein Elternabend in der Freizeitstätte? Positiv eingestellte LehrerInnen würden ihre Meinung über die gute Arbeit in den Freizeitstätten sicherlich an die Eltern weitergeben. Mehr Offenheit für den Stadtteil bringt auch mehr Kritik mit sich - das ist manchmal anstrengend (vor allem von denen, die immer etwas zum Meckern haben), aber es spornt an. Ich als präventiv arbeitender Polizeibeamter sehe die immer wieder gestellten Fragen und Kritiken an unserer polizeilichen Präventionsarbeit als sehr positiv. Ich glaube, dass wir in der Präventionsdienststelle des Polizeipräsidiums München diesen guten Ruf nicht besäßen

ohne die ständige kritische Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und nicht zuletzt auch des KJR. Für uns jedenfalls stellt die offene Jugendarbeit einen wichtigen Bestandteil der gesellschaftlichen Bemühungen dar. Egal in welchem Stadtteil, egal welchen Ansatz die jeweilige Freizeitstätte vorrangig verfolgt, im Endeffekt werden bei vielen Kindern und Jugendlichen die Weichen in eine bessere Zukunft gestellt. Selbst wenn diese Weichenstellung „nur“ Zeit zum Zuhören und das bloße Anwesendsein für die Kinder und Jugendlichen bedeutet. Diese Arbeit, mit all ihren Facetten, bedeutet für viele städtischen und staatlichen Institutionen eine hohe Zeit- und Kostenersparnis. Nur ein einziger sogenannter Intensivtäter beschäftigt mehrere Institutionen - von den Pressemeldungen bis zur Stimmung in der

Bevölkerung ganz zu schweigen. Hier Kürzungen anzusetzen, mag dem Tagesgeschäft entsprechen - langfristig gedacht wären eigentlich .... - Ich traue mich nicht es auszusprechen! Noch eine abschließende Anregung: Um Synergieeffekte vor Ort mit möglichen Kooperationspartnern und Institutionen besser nutzen zu können, sind Diskussionen nötig. Jedoch nicht intern, sondern mit dem jeweiligen Partner. Diese Gespräche dürfen nicht geprägt sein von einer „Gewinnen- oder Verlieren-Stimmung.“ Es muss beiden oder mehreren Partnern (in der Jugendarbeit) klar sein - letztlich wird es ein „win - win - Modell“ sein, da alle voneinander profitieren. Robert Spies Kriminalhauptmeister K314

Zum Überleben braucht es eigentlich nur den Bäcker

Schluss mit Luxus Das Café Netzwerk ist Freizeitstätte, Internet-Café und medienpädagogisches Jugendzentrum in einem. Die Computer sind mehrere Jahre alt, gerade noch so, dass „die Kids noch nicht über uns lachen“, wie ein Pädagoge sagt. Aber selbst das ist für die Stadt noch Luxus. Der ältesten Münchner Freizeitstätte – und der einzigen mit konsequent medienpädagogischer Arbeit – droht das Aus. der Luisenstraße 11 ist die Theke zwar wichtig, aber nicht das Wichtigste.

Foto: Gecko Wagner

Es ist ein Uhr Mittags und die Türe ist unerbittlich: Nur einer der beiden Türflügel lässt sich öffnen, deshalb drängeln sich die etwa 30 Schüler, die schnell hindurch wollen, zwangsläufig davor. Doch gleich ist’s geschafft, nach der Türe geht’s rechts um die Ecke, dann eine lange Treppe fast zehn Meter tief runter in den Keller, vorbei an der ersten Sitzgruppe links und an den großen Pinwänden rechts, dann stehen sie im Café Netzwerk. Genauer: sie stehen vor der Theke des Cafés, hinter der Angi Hartl jeden Tag ein neues Komplettmenü mit Suppe, warmer Hauptspeise und Salat zaubert. Fast eine Zauberei ist der Preis: nur 3,80 Euro müssen die Schülerinnen und Schüler etwa für einen Schweinebraten mit Knödeln berappen - weit und breit das günstigste Mittagessen, selbst das McDonalds-Sparmenü ist teurer. Das ist auch der Grund, warum jetzt, kurz nach eins, mehr als 100 Schüler das Café Netzwerk bevölkern. Aber nicht der einzige. Denn in dem fast 200 Quadratmeter großen Kellerraum in

Das sind zweifellos die 39 Computer, die aus dem Schülercafé ein „Café Netzwerk“ machen. Nach einmaliger Anmeldung kann jeder Jugendliche diese Rechner nutzen, je nach Zweck sogar kostenlos. Für Hausaufgaben zum Beispiel. Oder zur Jobsuche und für die Online-Bewerbung. Auch wer Webseiten gestalten oder sich an Grafik- und Musikbearbeitung versuchen will, kann das gratis tun. Schließlich sollen die Jugendlichen die ganze Palette der Möglichkeiten kennen lernen, die der Computer bietet. Selbst Computerspielen ist unter Umständen kostenlos: Die Sims ist ein solches Spiel, bei dem der Spieler oder die Spielerin das Leben einer virtuellen Familie managen muss. In dieser Familiensimulation wird zur Schule gegangen, Karriere gemacht, Geld verdient, werden Freunde gefunden, kurz: es wird gelebt und geliebt, wie im richtigen Leben also. Und weil der Leiter des Café Netzwerk, Robert Huber, zusammen mit seinem Team dieses Spiel als „wertvoll“ einstuft, kann man es hier spielen, ohne einen Cent zu zahlen. Genau so viel – einen Cent – kosten die übrigen Angebote, allerdings pro Minute: E-Mail, Chat, Surfen im Internet und Netzwerkspiele. Die sind freilich, das muss Huber zugeben, trotz der Gebühr für viele noch attraktiver, „zumindest für die Jüngeren“. Die jüngeren Jungs. Insgesamt halten sich

Mädchen und Jungen unter den Besuchern in etwa die Waage, von einer weiblichen Technikscheu kann hier keine Rede sein. An den Internetrechnern sitzen gerade nur Mädchen, bei den Netzwerkspielen dagegen sitzen – wie eigentlich immer – nur Jungs. Drei 14Jährige spielen gerade „Starcraft“ gegeneinander, ein Kampfspiel, bei dem es darum geht, Gebäude und Einheiten des Gegners von der Landkarte zu tilgen, das jedoch „noch relativ viel Strategie“ benötigt, wie Armin Dänzer, Pädagoge und Administrator im Café Netzwerk, erläutert. „Die Jugendlichen messen sich darin: Wer ist geschickter, wer reagiert schneller, wer ist der Bessere? Das ist legitim.“ Sogenannte „Ego-Shooter“, bei denen pausenlos geballert wird, sind hier tabu. Und bei allen Spielen gilt: „Über FSK 12 wird hier nichts installiert“. FSK 12, das bezeichnet Spiele, die von der Freiwilligen Selbstkontrolle - entsprechend der Kategorisierung von Kinofilmen - für Jugendliche ab 12 Jahren freigegeben sind. Es ist kurz nach zwei, die meisten Mittagsgäste sind gegangen und damit ist der größte Ansturm überstanden. Das Café Netzwerk hat, anders als die meisten anderen Freizeitstätten, viel „Laufkundschaft“. Die meisten von ihnen kommen aus den umliegenden Schulen, etwa dem Berufsbildungszentrum in der Luisenstraße, in dessen Kellerräumen das Café untergebracht ist, oder vom Luisengymnasium, das von hier aus mit we-

Netzwerk ist das nächste nur ein paar hundert Meter entfernt: Das „Easy Everything“ mit 460 Computern Münchens größtes Net-Café, nahm vor zwei Jahren den Betrieb auf.

Doreen gehört zum „harten Kern“, wie es Huber nennt, die von sich sagen: „Wir sind das Café Netzwerk.“ Und das wurde kürzlich erst wieder deutlich. Als die Stadt mit ihren Sparplänen herausrückte, wonach das Café komplett geschlossen werden soll, da ging die Initiative zum Protest von Doreen und ihren Freunden aus. „Wir haben viele Aktionen gemacht, haben die Presse eingeschaltet, haben mehr als 1000 Unterschriften für den Erhalt gesammelt, waren im Rathaus und haben die Unterschriften übergeben“, sprudelt es aus ihr heraus. Und natürlich hofft Doreen, „dass diese Aktionen was bringen. Wenn das hier dicht gemacht wird, wäre es sehr schade.“

Es ist inzwischen vier Uhr nachmittags, Doreen muss gehen, auf der Treppe begrüßt sie offenbar zwei Freunde, die gerade kommen. Die Freunde sind etwas älter als das Stammpublikum hier, sie kommen auch nicht wegen der Computer. Die beiden sind Jugendbeamte der Polizeiinspektion 12. Verena Schink und Peter Stegner kommen regelmäßig im Café Netzwerk vorbei, so wie in allen anderen Jugendeinrichtungen in der Maxvorstadt. Sie sind die „Streetworker“ der Polizei, halten Kontakt zu den Jugendlichen in ihrem Viertel und arbeiten vor allem präventiv. „Wir kennen unsere Pappenheimer“, sagen sie mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Sie wollen einfach als Ansprechpartner da sein, Peter versucht schon mal, die „Kids“ beim Netzwerkspiel zu besiegen, „verliert aber meist gnadenlos“, wie Verena Schink lachend erzählt. „Für die ist es natürlich super, wenn sie mal ’nen Bullen abgezockt haben“, verteidigt sich Peter Stegner. Die beiden sind Ende zwanzig, also noch recht nah an den Jugendlichen dran. Nicht nur hier – auch in den Schulen, auf Spielplätzen und auf der Straße suchen sie den Kontakt zu ihnen. Ihrer Meinung nach gibt es in der Maxvorstadt viel zu wenig Einrichtungen für junge Leute. „Für Jugendliche gibt’s hier fast nichts! Und das ist definitiv zu wenig“, stellt Verena Schink fest. Auch Peter würde sich „als Jugendlicher schwer tun: wo soll ich hingehen?“. Seine Erfahrung ist: „Jugendtypische Straftaten entstehen meist aus Langeweile. Eine pädagogische Einrichtung, die ihnen eine sinnvolle Freizeitgestaltung ermöglicht, rechtfertigt sich daher von allein.“ So wie das Café Netzwerk. Für ihn erleben die Kinder hier ein „familiäres Umfeld, in dem jeder seine Bedeutung hat. Das bietet kein kommerzielles Internetcafé“. Und gerade rund um den Hauptbahnhof, im Polizeijargon eine „gefährliche Örtlichkeit“, würden die beiden Jugendbeamten Kinder und Ju-

Noch hat die Spardebatte für das Café und seine Nutzer keine Veränderungen gebracht, bis auf eine: Als wollten sie die Notwendigkeit dieser Einrichtung beweisen, haben sich allein in den vergangenen zwei Monaten 700 (!) neue Nutzer angemeldet. Robert Huber versteht die Vorschläge der Stadt ohnehin nicht. „Das ist nicht durchdacht“, sagt er. Während etwa das „Studio im Netz“ oder das „Medienzentrum München“ wegen ihrer „medienpädagogischen Bedeutung erhalten werden“ sollen (Jugendamt), soll hier bald der Ofen aus sein. Auch für die übrigen Argumente des Jugendamtleiters Dr. Hubertus Schröer fehlt ihm jedes Verständnis. In einem Interview hatte dieser geäußert, das Angebot des Café Netzwerk gebe es „zum großen Teil auch zu Hause“ oder sei „kommerziell gut abgedeckt“. Das klingt einleuchtend, schließlich gehört der Computer samt Internetanschluss zunehmend zur Standardausstattung deutscher Haushalte, fast so selbstverständlich wie Fernseher und Videorekorder. Und selbst wer diese Möglichkeit zu Hause nicht hat, findet an jeder zweiten Straßenecke ein kommerzielles Internetcafé. Vom Café

Für die Besucher des Café Netzwerk ist es jedoch keine Alternative. „Das betrete ich nur, wenn hier die Hölle los ist und kein einziger Rechner mehr frei ist“, sagt zum Beispiel Doreen. „Die Preise sind dort eine Unverschämtheit, es ist total unpersönlich und bei Fragen kann einem keiner helfen. Außerdem ist mir das Publikum nicht sympathisch.“ So wie Doreen sagen das auch viele ihrer Freunde. Robert Huber stimmt ihr zu: „Mich schreckt die Atmosphäre ab. Wichtiger ist jedoch: Das meist jugendliche Publikum wird dort von Automaten betreut. Jugendschutz findet einfach nicht statt!“

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gendliche nicht gern unbetreut lassen. Einen Zusammenhang zwischen der Schließung einer Jugendeinrichtung und dem Anstieg von Jugendkriminalität sehen beide „auf jeden Fall.“ Da wundert es nicht, dass sie sehr für den Erhalt des Cafés hier plädieren.

Die Bedeutung der offenen Jugendarbeit

nigen Schritten zu erreichen ist. Doch wenn, wie jetzt, der Nachmittag beginnt, dann wird die Besucherzahl überschaubarer, dann sind wieder ein paar Computer frei, dann gehört das Café Netzwerk seinen Stammnutzern. Das sind, so Leiter Robert Huber, „rund 50 Jugendliche aus ganz München - von Pasing bis zum Hasenbergl oder die Maxvorstadt ist alles vertreten“. Eine der regelmäßigen Besucherinnen ist die 17-jährige Doreen Haarhoff. Vor drei Jahren hatte sie ihr bester Freund „hierher mitgeschleift“, damals hatte sie auch noch kein Internet zu Hause. Doch auch als sie das bekam, wollte sie das Café nicht mehr missen. „Inzwischen habe ich so viele Leute hier kennen gelernt, dass ich wegen ihnen dageblieben bin“, sagt die Schülerin und schiebt sich ihre dunklen Locken aus dem Gesicht.

Schwerpunkt

Eine Frage bleibt: Warum muss eine öffentliche Einrichtung überhaupt Computerspiele – und damit fast zwangsläufig auch das Herumballern am Bildschirm – unterstützen? Gerade nach Erfurt? Café-Netzwerk-Chef Huber scheint auf die Frage gewartet zu haben. „Das ist doch das beste Beispiel! Wer unsere Arbeit so wie Dr. Schröer als ‚Luxus’ abtut, verkennt, dass ein Robert Steinhäuser in Erfurt nicht nur auf Gewaltspiele abgefahren ist, sondern auch unbetreut war. Es ist doch blauäugig zu glauben, dass Jugendliche heute nicht an die harten Spiele rankommen! Wenn ich die Jugendlichen aber hier habe, kann ich das erkennen und intervenieren.“ Es ist ja nicht so, dass nicht öfter mal Spiele verlangt werden, die erst für Ältere freigegeben sind. „Das prüfen wir dann auch, wie zuletzt ‚Diablo’ mit FSK 16. Aber die Prüfung hat ergeben: für unsere Jugendlichen nicht geeignet.“ Außerdem, so Huber, geht es um viel mehr als ums Spielen. Die Spieler müssen sich untereinander absprechen, Konflikte lösen, in der regelmäßigen Spielerkonferenz und im monatlichen Spielergremium gemeinsam Regeln aufstellen und Preise aushandeln, Vorschläge für Neuanschaffungen machen und vieles mehr. „Da findet eine echte Auseinandersetzung mit dem Spielen statt – das hat man zu Hause nicht.“ Und Spiele sind ja nur ein gern genutzter, aber doch kleiner Ausschnitt aus den Möglichkeiten, die Jugendliche im Untergeschoss der Luisenstraße 11 haben. Vom allgemeinen Umgang mit dem Computer über Workshops zur digitalen Bildbearbeitung, Ferienkurse, gezielte Angebote für Mädchen bis hin zu Aktivitäten, die mit Maus und Monitor gar nichts zu tun haben, reicht das Angebot. Immer wieder gibt es einen Filmabend, ein DartTurnier oder sogar einen Spieleabend – mit Brettspielen. Das alles wäre für die Kinder und Jugendlichen der Maxvorstadt und für die Nutzer aus ganz München gleichermaßen verloren, sollte die Stadt bei ihren Plänen bleiben. JugendamtsChef Hubertus Schroer: „Wir sparen vor allem bei Einrichtungen, die zum Überleben von Kindern und Jugendlichen nicht unbedingt notwendig sind“. Das Café Netzwerk zum Überleben unbedingt notwendig? Wohl kaum. So gesehen kann man alles schließen, bis auf den Bäcker. Oder wie wollte man das Gegenteil beweisen? Gecko Wagner

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Die Bedeutung der offenen Jugendarbeit

Interview

Der PISA-Schock steht der Jugendarbeit noch be bevvor Warum Jugendarbeit nicht ohne Wissenschaft auskommen und bislang doch nicht zu sehr auf ihre Hilfe zählen kann erläutert Prof. Dr. Thomas Rauschenbach. Die Fragen stellte Gecko Wagner.

Herr Professor Rauschenbach, das Deutsche Jugendinstitut versteht sich als Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis. Was sagt der Wissenschaftler der Politik, die jetzt über die Praxis der Jugendarbeit berät und entscheidet? Das ist eine gemeine Frage. Warum? Weil man schnell dabei ist, ein Wunschprogramm zu formulieren: Man müsste, man sollte... das hat in der Jugendarbeit eine lange Tradition. Die Wissenschaft kann aber die Finanzprobleme nicht lösen. Wir müssen in der Jugendarbeit und in der sozialen Arbeit überhaupt erst mal in die Lage versetzt werden, dass uns die Wissenschaft durch Erkenntnisse hilft, den richtigen Weg zu finden. Ob die Mittel dann dafür da sind, ist eine andere Frage. Ich habe den Eindruck, dass im pädagogischen Bereich die Wissenschaft als eigenständige Erkenntnisquelle viel zu wenig genutzt wird. Und wenn, dann als „Legitimationsbeschaffer“ oder als jemand, der kurzfristige Lösungen finden soll. Was ist daran verwerflich, dass Wissenschaft gute Jugendarbeit legitimiert? Nichts, das ist auch ein berechtigtes Interesse der Pädagogen. Aber es geht um etwas anderes. Erstens: Jugendarbeit muss im Kern anerkennen, dass Wissenschaft und Forschung als eigenständige Erkenntnisquelle notwendig ist. Das ist nicht selbstverständlich. Im pädagogischen Bereich finden Sie häufig die Haltung: „Das braucht mir doch keiner erzählen – ich weiß, was gut ist, ich weiß, wie’s funktioniert. Im Fußball beispielsweise haben wir ein hochprofessionelles System mit täglichem Training und Coaching, um ein Optimum an spielerischer Kompetenz zu entwickeln. Natürlich könnte trotzdem eines Tages das FußballWunderkind von der Straße kommen, das ohne hartes Training besser spielt als alle anderen. Aber es ist die Ausnahme. Das gilt so ähnlich in der Jugendarbeit auch. Vergleichen Sie das mit der Naturwissenschaft: Da wäre es völlig undenkbar, dass ohne Wissenschaft wesentliche Fortschritte erreicht würden. Im pädagogischen Bereich ist dagegen nach wie vor

Alltagswissen und Verbandswissen beherrschend. Schrecken Pädagogen vor der Forschung zurück? Die Praxis will von uns schnelle Lösungen oder Legitimation ihrer Arbeit, aber um noch mal das Sport-Beispiel zu bemühen: Dort hat man wissenschaftliche Trainingslehre entwickelt, hat systematisch und minutiös Bewegungsabläufe untersucht, um die Leistung zu steigern. Im Fußball spielt man nicht drauflos, da gibt es Taktik, man muss lernen, ein Spiel zu beobachten und nicht nur technisch gut am Ball zu sein - all diese Dinge könnte man jetzt auf die Pädagogik übertragen: Man muss wesentlich mehr darüber wissen, man muss pädagogisch lernen zu beobachten, zu messen, zu analysieren, Dinge gedanklich zu zerlegen. Dieses alles einzusehen ist ein Schritt, den die Praxis akzeptieren muss.

Prof Prof.. Dr Dr.. Thomas Rauschenbach (49)

ist seit August 2002 Leiter des Deutschen Jugendinstitutes in München. Davor war er 13 Jahre lang Professor für Sozialpädagogik am Institut für Sozialpädagogik, Erwachsenenbildung und Pädagogik der frühen Kindheit an der Universität Dortmund. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählte unter anderem Ehrenamt und Freiwilligendienste sowie die Sozialberichterstattung der Kinder- und Jugendhilfe. Jugendarbeit kennt er aus eigener Erfahrung: Rauschenbach war mehr als zehn Jahre in der kirchlichen Jugendarbeit und im Sportverein aktiv.

Ihr zweites Problem ist: Sie fühlt sich schnell unter Legitimationsdruck und fürchtet, dass die Forschung zu anderen Erkenntnissen kommen könnte, als der Praxis lieb ist. Das verstehe ich. Es ist im heutigen politischen Geschäft hoch riskant, politisch unerwünschte Ergebnisse zu erzeugen, weil man nicht weiß, was die Politik damit macht. Die Politik müsste der Jugendarbeit die Sicherheit geben, auch bei „negativen“ Forschungsergebnissen erst einmal ihre Arbeit zu verbessern, anstatt sie einzustellen. Dann wäre die Scheu vor der Forschung sicher geringer. Und was kann die Wissenschaft dazu tun? Wir haben vielfältige Hausaufgaben zu machen, allein der Forschungsbedarf ist enorm. Bisher ist dieser Bereich absolut überschaubar. Ich würde mir selbstverständlich wünschen, hier am DJI eine eigene Forschungsabteilung zu haben, doch davon sind wir weit entfernt. Sie brauchen also – genau wie die Jugendarbeit – einfach mehr Geld? Generell ja. Ich glaube, wir müssen uns klar machen, dass wir für die Frage der sozialen Gestaltung der Gesellschaft mehr Ressourcen, mehr Geld, mehr Forschung benötigen als jemals zuvor. Das ist ein schwieriger Prozess angesichts der finanziellen Nöte. Aber ich will nicht nur klagen: Wir alle, Wissenschaft, Jugendarbeit und Jugendpolitik haben in vielen Bereichen Hausaufgaben zu machen, die nicht nur allein vom Geld abhängen. Eine eigenständige Jugendpolitik zum Beispiel kann ich in Deutschland nicht erkennen. Jugendarbeit kann also nicht auf die Hilfe der Wissenschaft im Kampf mit der Politik hoffen? Wir sind zumindest nicht diejenigen, die die Mittel beschaffen können, das ist auch nicht primär die Aufgabe der Wissenschaft. Es wäre möglicherweise hilfreich, wenn sie zeigen kann, dass mit einer bestimmten Art von Jugendpolitik möglicherweise etwas bewirkt werden kann, ohne dass die Sache teurer ist. Das sind natürlich die intelligentesten Lösungsangebote. Doch davon, wirkliches Wissen vorzuweisen, mit dessen Hilfe eine neue

Heißt das, Sie wollen auch aus wissenschaftlichen Erkenntnissen heraus nichts fordern, was Geld kostet? Darum geht’s auch für Jugendarbeit leider ständig! Natürlich, aber so läuft man als Wissenschaftler Gefahr, zum Legitimationsbeschaffer zu werden. Anstatt zu sagen: Was ist in dieser Gesellschaft wirklich notwendig? Aber ich habe auch immer wieder gesagt – ob es die Öffentlichkeit hören will oder nicht – wir werden in die Entwicklungsperspektiven, in die Zukunftsaufgaben dieser Gesellschaft, die eben auch sozialpolitische, familien-, kindheits- und jugendpolitische Aufgaben sind, mehr investieren müssen. Diese Erkenntnis ist in unserer Gesellschaft immer noch nicht angekommen. Wir leisten uns in unserer Gesellschaft vieles, das gemessen an den Ausgaben fürs Soziale weit mehr kostet. Ich spreche jetzt bewusst nicht von Sozialausgaben im Sinne von Gesundheits- und Sozialhilfekosten. Sondern von Aufwendungen für eine soziale und kulturelle Infrastruktur, für attraktive Möglichkeiten des Lebens und Aufwachsens in Deutschland. Das kommt allen Bürgerinnen und Bürgern zugute, das ist Lebensqualität. Dafür zu streiten und dafür etwas zu fordern, damit habe ich kein Problem. Aber es gibt dazu keine gesicherten Befunde, die Erforschung der Jugendarbeit ist ein noch junger Wissenschaftsbereich, wir stecken da noch in den Kinderschuhen. Und die Forschungsressourcen, die in unserer Gesellschaft dafür ausgegeben werden, sind relativ bescheiden. Also fehlt das Geld, die Akzeptanz oder schlicht die brauchbaren Forschungsergebnisse? Es fehlt an allen dreien, doch alle drei Faktoren bedingen sich auch. Ich glaube, dass wir gesellschaftlich erst ganz langsam dabei sind zu entdecken, dass zwischenmenschliches Miteinander, dass Fragen der Erziehung, der Pädagogik und der Psychologie nicht Fragen sind, die einfach geschehen wie Naturereignisse, sondern dass man das gesellschaftlich beobachten kann. Vielfach fangen wir erst an zu lernen, dass Alltagswissen über soziale Zusammenhänge nicht ausreicht, um diese zu verstehen, sondern dass wir dazu mehr Forschung und Wissenschaft brauchen. Schauen Sie sich die PISA-Studie an: Das ist der Sputnik-Schock für unsere Republik gewesen. Jetzt haben wir zum ersten Mal den Spiegel vorgehalten bekommen und beispielsweise erkannt, dass die soziale Herkunft viel bedeutender ist für den schulischen Erfolg, als man sich das bislang eingestehen wollte. Das ist eigentlich ein desaströses Ergebnis,

am nächsten Tag hätte man alle Kultusminister entlassen können. Die Schule hat ihren Anspruch nicht verwirklicht, die Familie hat möglicherweise versagt, und vielleicht hat die gesamte Jugendhilfe und Jugendarbeit auch versagt, weil sie diese Defizite auch nicht genügend ausgleichen kann. Aber an nur einem solchen Beispiel sieht man: Das sind die ersten brauchbaren Studien, die uns hier vielleicht weiterbringen – und zwar nicht in der Lösung, sondern nur im Erkennen eines Problems. Das ist ja bekanntlich der erste Schritt zur Lösung. Zeigt das nicht, dass Wissenschaft sehr wohl für die Praxis sehr wichtig sein kann und zwar nicht nur als Legitimations-„Feigenblatt“. Natürlich. Aber das ist eben bislang die Ausnahme, nicht die Regel. Ich kenne bislang keine einzige Studie über Jugendarbeit, die wirklich vergleichend, mit Kontrollgruppen systematisch die Wirkung und die Effekte von Jugendarbeit untersucht. Keine Einzige! Es gibt lokale Studien, essayistische, qualitative, aber keine einzige klärt wirklich, welchen Einfluss Jugendarbeit hat. Ein einfaches Beispiel: Was passiert mit Jugendlichen, die die Jugendarbeit durchlaufen im Vergleich zu den Jugendlichen, die sie nicht durchlaufen? Gibt es Unterschiede oder nicht? Man könnte ja zumindest fragen, ob diese Kinder und Jugendlichen anders mit Problemen umgegangen sind oder nicht. Wenn nicht, muss man fragen: Was heißt das eigentlich? Vielleicht spielen ganz andere Dinge in der Jugendarbeit eine Rolle. Aber all das wissen wir nicht, zumindest nicht auf einer seriösen empirischen Basis. Aufgrund der bisherigen Forschungsergebnisse kann man also nicht behaupten, Jugendarbeit bewirke etwas? Zumindest lässt es sich nicht wissenschaftlich beweisen. Natürlich haben wir viele Plausibilitäten, wir haben Alltagsannahmen, wir haben lokale Beobachtungen. Aber im systematischen Sinn, wie es PISA im Schulbereich tut, gibt es dazu keine Untersuchungen. Gäbe es die, müssten wir vielleicht ernüchtert feststellen: Die Jugendarbeit leistet nicht das, was wir erwartet haben. Oder umgekehrt, sie leistet viel mehr, und die Gesellschaft weiß es nur nicht. Ich will nur das Dilemma zeigen, in dem wir uns dadurch befinden, dass wir bislang Wissenschaft nicht ernst genug betrieben haben. Auch wenn es die systematischen Studien nicht gibt: Sie arbeiten schon lange im Bereich der Jugendforschung. Haben Sie einen Eindruck davon, welche Bedeutung Jugendarbeit hat? Natürlich habe ich Annahmen über Jugendarbeit, aber sie sind von der Art, wie ich auch über Schule reden würde, wenn

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ich PISA nicht kennen würde. Zu diesen Annahmen kann ich nur sagen: Bis zum Beweis des empirischen Gegenteils können wir davon ausgehen, dass es einen eigentümlichen Widerspruch gibt. Jugendarbeit wird einerseits gesellschaftlich, strukturell immer wichtiger, aufgrund der relativierten Bedeutung von Familie und Schule, aufgrund der relativierten Bedeutung überhaupt von einzelnen Akteuren in ihrer Wirkung und Bedeutung für das Aufwachsen, andererseits wird sie empirisch - ich möchte nicht sagen unwichtiger - aber doch auch selbst relativer im Wettbewerb mit vielen anderen Akteuren, denen Kinder und Jugendliche heute ausgesetzt sind.

Die Bedeutung der offenen Jugendarbeit

Kinder-, Jugend- und Familienpolitik überzeugend gestaltet werden kann, sind wir in vielen Bereichen weit entfernt.

Schwerpunkt

Ist Jugendarbeit heute weniger interessant, weil es so viel Freizeitangebote gibt? Ja, das ist mit dem Fernsehen der frühen Jahre vergleichbar. Jugendarbeit war zunächst in der gleichen privilegierten Situation wie das erste deutsche Fernsehprogramm, die ARD, als sie noch alleine war. Dann kam ein zweites, dann ein drittes, dann kamen die Privaten. Heute müssen sie sich mit anderen Einschaltquoten begnügen, als das noch in den Fünfzigern und frühen Sechzigern der Fall war. So ähnlich geht’s der Jugendarbeit auch. Es ist ein Wettbewerb, in dem Kinder möglicherweise nie die Gelegenheit haben, gute Jugendarbeit für sich so kennen zu lernen, dass sie dabei bleiben und für sich wissen, warum sie dabei bleiben. Damit können sie vielleicht auch den Wert der Jugendarbeit für sich nicht kennen lernen, der subjektiv vordergründig auch nicht einzuschätzen ist. Wir hören ja oft biographisch, also im Nachhinein von Menschen, die Jugendarbeit durchlaufen haben, wie wichtig es für sie persönlich in ihrer Entwicklung war. Aber das hilft nichts. Wir müssen uns klarmachen: Bei der Jugendarbeit ist es immer noch eine Abstimmung mit den Füßen, ein freiwilliges Programm. Ich weiß nicht, wie viele heute zur Schule gehen würden, wenn sie freiwillig wäre. Das setzt Jugendarbeit in ihrer strukturellen Legitimation unter Druck, öffentlich zu sagen: Brauchen wir sie noch, wenn gar nicht so viele hingehen? Aber die ARD wird ja nicht eingestellt, weil jetzt andere da sind, sie macht möglicherweise noch nicht mal ein schlechteres Programm. Aber sie erreicht nicht mehr so viele. Wie viele erreicht sie denn? Gibt es dazu Forschungsergebnisse? Wir haben in unserer Dortmunder Studie als einige der ersten überhaupt mal Jugendarbeit abgefragt und hatten ernüchternde Ergebnisse. Wir haben 1500 Schülerinnen und Schüler aus allen Schulebenen gefragt: Was kennt ihr aus der Jugendarbeit? Geht ihr hin, wie oft wart ihr da? Da hat sich gezeigt, wie viele kein

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Schwerpunkt

Die Bedeutung der offenen Jugendarbeit

präzises, sondern eher diffuses Wissen über Jugendorganisationen haben. Es schien mir nicht zufällig, dass am häufigsten die AWO und das Rote Kreuz genannt wurden. Das zeigt, dass das Alltagswissen über Jugendverbände sehr begrenzt ist. Andererseits wurde die städtische Jugendarbeit recht häufig genannt, viele waren zumindest schon mal dort. Man muss natürlich einschränken: Kinder nutzen eine Jugendeinrichtung ohne lange nachzudenken, zu wem die wohl gehört. Aber es war spannend, weil wir wissen wollen: Wie nutzen die Kinder und Jugendlichen die Dortmunder Jugendarbeit überhaupt? Und die Ergebnisse gerade zur regelmäßigen Nutzung waren doch relativ bescheiden. Wenn jetzt der Leiter eines Jugendtreffs bei Ihnen anruft und sagt: „Um Gottes willen, die Politik steht mit einer Streichliste vor mir und meine Einrichtung steht da drauf, helfen Sie mir“...was sagen Sie dem? Dann streite ich auch mit der Politik, keine Frage. Da ist man nicht nur Wissenschaftler, sondern ein politisch gebildeter Bürger, der sich auch für Belange einsetzt, von denen man kein genaues empirisches Wissen hat. Wir wissen vieles nicht genau, nicht einmal, ob wir nicht tagtäglich Dinge essen, die langfristig vielleicht schädlich sind. Aber essen muss ich trotzdem. Also sage ich auch: Mit derzeitigem Wissensstand müssen wir davon ausgehen, dass Jugendarbeit ein wichtiges gesellschaftliches Angebot für Kinder und Jugendliche ist und dass es in dieser Art und Weise möglichst optimal

gemacht werden muss. Wir brauchen gute Jugendarbeit, nur müssen wir auch da langfristig nach empirischem Wissen streben, um Sackgassen und Fehler zu erkennen. Was ist „gute Jugendarbeit“? Das ist eine ganz komplizierte Frage. Gute Jugendarbeit ist vielleicht diejenige, die es schafft, Kinder und Jugendliche in die Gesellschaft zu integrieren, sie auf dem Weg in die Gesellschaft zu begleiten und diese Leistung damit verbindet, es so interessant zu machen, dass Kinder und Jugendliche es für sich als Gewinn erleben und deshalb das Angebot der Jugendarbeit annehmen. Das heißt sowohl die gesellschaftliche Aufgabe der Integration, die pädagogische Aufgabe der Identitätsfindung zu verbinden mit der Art, ein jugendgemäßes Programm anzubieten, so dass Jugendliche das für sich interessant finden. Das zusammen zu bringen ist nicht so einfach. Kann man Qualität von Jugendarbeit nicht einfach an der Nutzung, also an den „Einschaltquoten“ messen? Ja und nein. Natürlich wäre es klasse, um im Fernseh-Bild zu bleiben, man könnte ein Programm anbieten, das kein Minderheiten-, sondern ein Mehrheitenprogramm ist, das so attraktiv und interessant ist, dass es von allen angenommen wird. Aber man muss aufpassen, dass es kein McDonalds-Effekt wird. Auch der wird gerne genutzt und es gehen viele hin, aber ob das gut ist? Ich würde davor warnen, nur die Einschaltquoten als Maßstab zu nehmen. Auch das Aufwach-

sen hat sich pluralisiert, und es gibt Dinge, die nicht allen Kindern gleichermaßen schmecken. Wenn es etwa gelingt, Gruppen von Heranwachsenden, die als benachteiligte und gesellschaftlich schwierige Jugendliche gelten, anzusprechen, Ansprechpartner für sie zu werden und zu bleiben, gerade wenn sie sonst mit niemandem über ihre Probleme reden können, dann ist das eine Leistung, die ich nicht an Zahlen messen möchte. Wäre der pädagogische Hamburger für viele nicht besser als das Vollwertbrötchen der Jugendarbeit für ein paar wenige? Auch hier: Ja und Nein. Wenn man den pädagogischen Hamburger macht, läuft man Gefahr, die Grundfunktion der Jugendarbeit aus den Augen zu verlieren. Wenn die Grundfunktion nur Nahrung wäre, dann könnte man auch mit einem Hamburger überleben, zumindest kurzfristig. Wenn es aber einen gewissen Anspruch an gesunde, ausgewogene Ernährung mit möglichst wenig negativen Folgen gibt, dann muss Jugendarbeit mehr und anderes sein. In der Pädagogik geht es ja um einen Entwicklungsprozess. Das ist ja keine Arbeit, die mit fertigen Menschen stattfindet, sondern mit Jugendlichen auf dem Weg dorthin. Sie müssen erwachsen werden, Gelegenheiten haben, sich selbst zu finden, zu erproben, zu lernen, sich in der Welt zurecht zu finden. Deshalb kann man eben nicht sagen: Ob Hamburger oder Vollkornbrötchen ist relativ egal. Jugendarbeit hat eine Entwicklungsaufgabe. Und die brauchen wir in dieser Gesellschaft.

„SpaX“ feierte Jubiläum und Umbenennung

Aqu@rium mit neuem K onz ept Konz onzept Gleichzeitig mit dem 35-jährigen Jubiläum der Pasinger Freizeitstätte wurde am 25. Oktober die Umbenennung des „SpaX“ in „aqu@rium“ gefeiert.

Prominente Gäste

Der neue Name soll deutlich machen, dass es nun in eine andere Richtung geht. Während bis vor einigen Monaten noch überwiegend ältere Jugendliche und junge Erwachsene die Freizeitstätte besuchten, soll

das Haus nun mit neuem Programm und interessanten Angeboten für Kinder und Jugendliche von 10 bis 18 Jahren aus dem Stadtteil Pasing/Obermenzing ein attraktiver Treffpunkt werden. Das Team der Einrichtung hat dafür viel getan: In den letzten fünf Monaten haben der neue Leiter, Tim Faber, und seine Mitarbeiter nicht nur das Konzept überarbeitet, auch optisch hat sich das Haus sehr verändert. Schon zur Jubiläumsfeier kamen zahlreiche jugendliche BesucherInnen und bestaunten die bunt bemalten Außenwände des „aqu@rium“. Auf leuchtend blauem Hintergrund tummeln sich bunte Fische, wuchernde Unterwasserpflanzen und sogar ein Wassermann. Aber auch die Innenräume haben vorteilhafte Veränderungen erfahren: Der Thekenbereich vermittelt

Strandatmosphäre, und im Eingangsbereich befindet sich ein echtes Aquarium mit echten Fischen, für die die Kinder und Jugendlichen Patenschaften übernehmen können. Zukünftig wird es HipHop-Tanzkurse, PCKurse sowie Capoeira- und DJ-Kurse geben, außerdem ist ein Video-Workshop in Kooperation mit dem Medienzentrum in Planung. Jeden ersten Freitag im Monat gibt es ein Konzert und jeden dritten Freitag im Monat eine Party für Jugendliche von 12 bis 18 Jahren. Freitags von 14.30 bis 17.30 Uhr ist immer Mädchentag. Geplant ist auch eine Dartgruppe. Ingrid Zorn KJR-Pressereferentin

Angebote

Foto: Regina Hillebrecht

Ein Jahr rund um Ausdruck, Aussehen und Körper

Das bin ich! Wie schau ich aus? Was kann ich? Was ist los in mir? Wie sehen mich die anderen? Fragen, die sich Mädchen in der Pubertät ständig stellen und auf die sie Antworten haben wollen.

Fragen, von denen aber auch die Gesellschaft erwartet, dass die Mädchen sie für sich beantworten. Denn: „Akzeptieren der eigenen körperlichen Entwicklung und Bewältigung der damit verbundenen Konflikte“ ist eine der entscheidenden Entwicklungsaufgaben des Jugendalters. Aufgabe von Jugendarbeit ist es, die Kids bei dieser Herausforderung zu unterstützen – das steht außer Frage. Aber welche Methoden können speziell in der Mädchenarbeit eingesetzt werden, um den jungen Mädchen zu helfen, sich kennenzulernen und so anzunehmen wie sie sind, sich als einzigartig und etwas Besonders zu erleben, stolz zu erkennen: „Das bin ich!“ Diese Frage erschien uns so interessant, dass wir die Mädchenarbeit im Kinder- und Jugendtreff „Mooskito“ im Jahr 2002 unter das Thema „Mädchen und Körper“ stellten. Die Zielgruppe waren Mädchen zwischen 10 und 14 Jahren. Die Umsetzung erfolgte im Rahmen des wöchentlichen Mädchentreffs sowie in Workshops, Projekten und Wochenendangeboten. Durchgeführt wurden die Angebote von den Mitarbeiterinnen des „Mooskitos“ und Honorarkräften. Schon bald zeigte sich, dass sich das Thema grob in drei Bereiche unterteilen lässt: Aussehen, Ausdruck und die inneren Vorgänge des Körpers.

Beim Aussehen standen Teile des Körpers, wie das eigene Gesicht im Mittelpunkt einiger Angebote des Mädchentreffs. So wurde Kosmetik selber hergestellt und ausprobiert, ein Kosmetikstudio mit Schminken und Gesichtsmasken gemacht sowie Gipsmasken gebastelt und gestaltet. Um Haut und Haare ging es beim Malen von Henna Tattoos und beim Besuch einer Friseurin im „Mooskito“. Das Aussehen insgesamt wurde schließlich bei einer Modenschau und beim Fotoshooting mit einer Fotografin betont. Die Mädchen waren, nach nur kurzer anfänglicher Scheu mit großer Begeisterung am Werk „sich selbst zu inszenieren“. Sie ließen sich z.B. neue Frisuren machen, bewegten sich wie Mannequins auf dem Laufsteg oder standen strahlend Portrait. Sich auszudrücken geschieht nicht nur in Worten, sondern besonders durch Bewegungen und wie sich ein Mensch gibt. Durch Mädchentreffs rund um die Themen Theaterspielen, Tanzen und Pantomime sowie durch ein Zirkuswochenende wurde den Mädchen Gelegenheit gegeben, sich neu und bewusst zu erfahren. Besonders intensiv können sich die Mädchen auch im Wen Do-Kurs erleben und das Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten dadurch stärken. Die inneren Vorgänge des Körpers zu thematisieren war ein besonderes Ziel. Die Wahrnehmungen und Gefühle waren uns in diesem Zusammenhang wichtig. Durch einen Verwöhn- und Wohlfühlnachmittag,

gemeinsames Kochen sowie einen Sinnesparcours sollte entdeckt werden, was wir spüren und was uns gut tut. Zusätzlich ging es aber auch um die körperlichen Veränderungen in der Pubertät und um die Thematisierung von Sexualität. In besonderem Maße geschah dies in einem eintägigen Workshop zum Thema „Dem Geheimcode meines Körpers auf der Spur“. Das demnächst an vier Nachmittagen stattfindende Projekt „Mädchen und Freundschaft“ in Zusammenarbeit mit der Anonymen Aidsberatung wird ebenfalls intensiv auf die Fragen und Erlebnisse der Mädchen eingehen. Um noch mehr Mädchen fördern zu können, sind für Dezember und Januar Workshop-Tage zum weiblichen Zyklus in Zusammenarbeit mit zwei Moosacher Schulen geplant. Es hat sich gezeigt, dass wir mit unseren Angeboten rund um Aussehen, Ausdruck und Körper die Bedürfnisse vieler Mädchen trafen. Das wurde durch die begeisterten Kommentare, aber auch durch die hohe Teilnehmerinnenanzahl deutlich. Auch wenn die Mädchenarbeit im Mooskito im nächsten Jahr möglicherweise ein neues „Motto“ erhält, wird das Thema „Körper“ auch in Zukunft sicher eine wichtige Bedeutung behalten. Bei Interesse geben wir gern genauer Auskunft über die einzelnen Angebote.

Regina Hillebrecht Kinder- und Jugendtreff Mooskito

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Angebote Selbstbehauptungskurs für 7- bis 9-jährige Jungen

„Wenn einen jemand beleidigt, kriegt man eine seelische Störung.“ So äußerte sich ein 8-jähriger Teilnehmer des Selbstbehauptungskurses im Kindertreff Bogenhausen und bestätigt damit, wie wichtig es ist, Selbstbewusstsein zu entwickeln. auf Wunsch aus der Spirale von Angriff, Kränkung und Gegen-Druck aussteigen zu können.

Jungenarbeit in Bogenhausen Foto: Erika Hennig

Selbstbehauptungskurse für Mädchen gibt es im Kindertreff Bogenhausen schon seit vielen Jahren. Die Nachfrage ist groß: Alleine im Jahr 2002 gab es vier Kurse, die aus dem Mädchenetat bezuschusst wurden. Nach den Kursen erhielten wir regelmäßig Anfragen von Eltern nach einem entsprechenden Angebot für ihre Söhne. Deshalb wurde mit Konrad Hörmann, Dipl. Pädagoge Univ., Trainer und Berater für Gewaltprävention und Persönlichkeitsentwicklung, ein Kurs an zwei Nachmittagen in den Allerheiligenferien 2002 vereinbart. Überschrieben war der Kurs im Brief an die Eltern mit dem Titel „Hilfen im Umgang mit Gewalt – Training in Selbstsicherheit und Selbstvertrauen für Jungen“ und in der Ausschreibung für die Jungen benannt als Selbstbehauptungskurs. Ziel des Kurses ist es verschiedene Methoden und Wege, „selbstbewusster und sicherer mit Konfrontationen, Aggressionen und Gewalt im Alltag umgehen zu können, ohne dabei selbst gewalttätig werden zu müssen“ zu erlenen. Nach einer Vorstellungsrunde forderte Konrad Hörmann die Jungs mit Fragen wie „Seid Ihr klug?“ und „Würdet Ihr Euch mit einem Hammer bewusst und absichtlich auf den Finger hauen?“ heraus. Er ließ die Jungen, sich mit der Faust in die andere Hand schlagen und lenkte die Aufmerksamkeit auf den Schmerz in beiden Händen. So ähnlich geschieht es auch bei einem Streit: er schädigt beide Parteien und der anfängliche Spaß am Ärgern weicht schnell der Verletzung. Auf spielerische und anschauliche Weise führte der Kursleiter die Jungen hin zu Erkenntnissen über die Entstehung von Konflikten und dem eigenen Anteil daran. Schließlich bot er den Jungen „Tricks“ an,

Da gibt es z.B. einen Weg, um die Luft aus einem Konflikt zu nehmen. Oder eine weitere Art, um zu lernen mit seiner Wut umzugehen und sich nicht (mehr) provozieren zu lassen. In konkreten Übungen konnten die Einsichten jeweils in einer aktiven und passiven Rolle geprüft und vertieft bzw. die Wirkung erspürt werden. Auch wurden Gefühle als wichtige Orientierungshilfe wahrgenommen. Es war beeindruckend zu sehen, mit welcher Begeisterung die Jungen diese greifbaren Tipps aufnahmen und an ihrer Anwendung interessiert waren, so als hätten sie schon sehr lange danach gesucht. Natürlich kommen Kinder in bestimmten Situationen, wie beispielsweise Erpressung auf dem Schulhof, sehr schnell an ihre Grenzen und brauchen dringend die Hilfe von Freunden und Erwachsenen. Der Kursleiter schilderte hierzu verschiedene Szenarien und forderte die Kinder auf, realistische und intelligente Lösungen zu finden. Die Jungen erkannten sehr rasch den Wert und die Bedeutung von Freundschaft, Zusammenhalt, Solidarität, Zivilcourage und Mut. Am Abend waren die Eltern der Buben eingeladen: Der Kursleiter stellte zunächst seine Zielsetzungen, Inhalte und Methoden dar, wie beispielsweise das Erkennen von Gewaltentstehung, das Erlernen von gewaltfreien Selbstbehauptungsstrategien und die Entwicklung von alternativen Verhaltensweisen in Konfliktsituationen, die Förderung von echter Sicherheit ohne Einsatz von „Kampftechniken“ aller Art, die Wahrnehmung von Gefahrenquellen und gewaltorientier tem Verhalten von Erwachsenen, Gleichaltrigen, älteren Kindern sowie Jugendlichen und das sichere, angemessene Reagieren, die wirklichkeitsgemäße Selbst- und Fremdeinschätzung, die Wahrnehmung von Realität und Phantasie, die Vermittlung der Wirkung von Vorbildern u.a. in Filmen und Computerspielen, den bewussten, reflektierten Umgang mit Medien. Anschließend ging er auf die vielen interessierten Fragen der zahlreich erschienenen Eltern ein. Ein Thema schien

die Mütter und Väter besonders zu beschäftigen: Wo sind die Grenzen der „Nachgiebigkeit“, ab wann „dürfen“ oder sollen sich Jungen wehren? Wie wichtig ist „Abschreckung“? Der zweite Nachmittag begann mit einer Reflexion des ersten Kurstages: Wurden die Tricks versucht und haben sie funktioniert? Einige Jungen berichteten von erstaunlichen Erfolgen und die Mitfreude in der Gruppe war groß. Nach einer weiteren Trick-Übungsrunde war der übrige Nachmittag den Themen „Umgang mit Medien“ und „Umgang mit Fremden“ gewidmet. Dazu wurde zunächst unter großem Gelächter ein kurzer, durchaus brutaler Zeichentrickfilm angesehen und anschließend analysiert und bewertet. Die Jungen konnten sehr genau benennen, welche Filme im Fernsehen gewaltfrei und welche gewaltreich sind. Es wurde den Fragen nachgegangen, wer denn entscheidet, was und ob gesehen wird und welche Alternativen es zum Fernsehkonsum gibt. Den zweiten Themenblock eröffnete der Kursleiter mit der Frage „Wer würde von einem Fremden Süßigkeiten annehmen?“ und verblüffte die Jungen mit der Feststellung, dass sie ja am Vortag von ihm, dem Fremden, Schokolade und Lutscher genommen hatten. Es entspannen sich Gespräche über uneindeutige Situationen und über die verschiedenen Möglichkeiten des Verhaltens dabei, über gegenseitige Hilfe und Freundschaft, über gute und schlechte Geheimnisse. Bei der abschließenden Runde zeigte sich, dass den Jungen die „Tricks“ besonders gut gefielen und für sie offensichtlich von großer Wichtigkeit waren.Es bleibt zu hoffen, dass den Jungen die Übertragung der Lösungsmöglicheiten auf ihre Lebenssituation gelingt und sie den täglichen Herausforderungen dadurch besser gewachsen sind. Manfred Kornherr Kindertreff Bogenhausen Mehr Infos zum Selbstbehauptungskurs für Jungen gibt es im Kindertreff Bogenhausen, Scherfweg 6, Tel. 91 40 27

Angebote Buchtipp

Spuren im Netz Wenn Kinder und Jugendliche das Internet für ihre Zwecke nutzen, dann hinterlassen sie Spuren, Bilder, Töne, Texte. All das findet sich im Netz wenn man nur etwas sucht. In diesem Band sind 16 Modellprojekte medienpädagogischer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen dokumentiert, die auf ihre jeweilige Art und Weise ihre Spuren hinterlassen haben: im Netz, aber auch außerhalb. Die Projekte fanden im Jahr 2001 in Kooperation zwischen freien Trägern, Initiativen und dem Sozialreferat/ Stadtjugendamt München statt. Sie zeigen, dass es Kindern und Jugendlichen Spaß machen kann, das Internet für ihre Zwecke und Interessen zu nutzen – und dass solche Aktionen sinnvoll und möglich sind. Die Modellbeschreibungen wollen Anregungen bieten für alle, die in der Kinder- und Jugendarbeit oder Jugendhilfe tätig sind, und dazu auffor-

dern, auch weiterhin Experimente mit dem Internet zu machen. Ein Glossar soll Hilfestellung sein für alle, die sich für die Arbeit mit neuen Medien interessieren, aber vom Dschungel der Begrifflichkeiten bisher davon abgehalten wurden. Der Band ist herausgegeben von Sonja Moser (Medienbeauftragte des Stadtjugendamtes München) und Klaus Dreyer (Journalist). Er erscheint als Band 6 in der Reihe Multimedia des SIN – Studio im Netz e. V. im kopaed Verlag München. 144 Seiten, zahlreiche Fotos und Screenshots. ISBN 3-935686-35-8; EURO 10,Sonja Moser Medienbeauftragte Stadtjugendamt

Ausstellung in der Galerie 90

„Geld regiert die Welt!“ Oder doch nicht? Etwa 100 Kinder und Jugendliche aus verschiedenen KJR-Einrichtungen haben sich in München mit der Kamera auf Spurensuche begeben und ihre Vorstellungen von „arm“ und „reich“ fotografiert. Diese Foto-Aktion wurde von der Firma Picture Management unterstützt. Die Ergebnisse sind vom 4. Dezember 2002 bis zum 15. Februar 2003 in der Galerie 90 (Geschäftsstelle des KJR München-Stadt in der Paul-Heyse-Str. 22) zu sehen. Gleichzeitig präsentiert der Natur- und Kulturtreff Rumfordschlössl Gemeinschaftsbilder von Kindern mit „Dingen die

man für Geld nicht kaufen kann“. Die Vernissage findet am Mittwoch, den 4. Dezember um 18.00 Uhr in Anwesenheit von Stadträtin Brigitte Meier statt. Galerie 90 Seit 1990 gibt es die Galerie 90 in der Geschäftsstelle des Kreisjugendring München-Stadt. Zunächst nur im 1. Stock,

später auf die Stockwerke 2 und 4 ausgedehnt, zeigt die Galerie 90 Ausstellungen, die Aspekte der offenen und verbandlichen Jugendarbeit sowie aktuelle gesellschaftliche Themen aufgreifen. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag: 9.00 – 17.00 Uhr (freitags nur bis 16.00 Uhr)

Kultur in der israelitischen Kultusgemeinde

„Wir w erden nicht untergehen“ werden Arno Lustiger stellt sein Buch „Wir werden nicht untergehen“ am 10. Dezember um 20.00 Uhr im Gasteig vor. Der bekannte Autor wurde 1924 in Bedzin, Polen geboren. Während des Naziregimes überlebte er mehrere Konzentrationslager und Todesmärsche. Nach Kriegsende war er Mitbegründer der jüdischen Gemeinde in Frankfurt, wo er auch heute noch lebt. Arno Lustiger spricht acht Sprachen fließend und arbeitet und veröffentlicht in vielen Ländern der Welt. Zuletzt von ihm erschienen sind 1997: Zum Kampf auf Le-

ben und Tod. Das Buch zum Widerstand der Jugend 1933-1945, 1998: Rotbuch, Stalin und die Juden, 2001: Schalom Libertad. Juden im spanischen Bürgerkrieg.

„Die Stärken des Autors sind seine fast detektivischen Forschungsarbeiten sowie seine präzisen Kenntnisse der Akteure und ihres politischen Hintergrundes.“ (Neue Zürcher Zeitung)

Veranstalter: Kulturzentrum der Israelitischen Kultusgemeinde München und Offene Akademie der Münchner Volkshochschule Eintritt: 6 Euro Veranstaltungsort: Vortragsaal der Münchner Stadtbibliothek, Am Gasteig, Rosenheimer Str. 5, 1. Stock Kartenreservierung unter der Rufnummer 47 10 67

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Angebote Lampenfieber, Tanz und mehr…

Girls in Motion Seit Februar 2002 läuft das Projekt „Girls in Motion“ in Kooperation mit dem Sportamt der Landeshauptstadt München: In diesem Rahmen bietet die Jugendkulturwerkstatt Soundcafé einen HIP-HOPTANZSHOP für Mädchen an. Inzwischen sind es 14 Mädchen zwischen 14 und 18 Jahren, die sich regelmäßig montags treffen und unter Anleitung neue Choreographien entwickeln.

brauchte ein gutes Event um sich zum ersten Mal auf eine Bühne zu stellen. Dieses war dann auch schnell gefunden: das KJR-Festival im Rahmen des Ander Art auf dem Odeonsplatz Ende September. In Kooperation mit Andrina Heitmann vom Projekt Nachtöffnung und Isabel Thomas, KJR-Organisatorin des Ander Art gab es im Soundcafé eine Generalprobe der insgesamt acht teilnehmenden Tanzgruppen aus den verschiedensten Einrichtungen des KJR München-Stadt. Überraschenderweise waren im Vergleich zu den Vorjahren mehr HIP-HOP-Girls als Breaker-Boys anwesend. “Girlspower hier oder was geht ab“, war dann auch einer der B´boys-Kommentare. Foto: Kerstin Hof

Nach einem halben Jahr wurde der Wunsch immer stärker, die Tanzideen auch anderen zu zeigen. Zur Präsentation gehört natürlich mehr als eine gute Choreographie. So musste ein Name gefunden werden, T-Shir ts gedruckt werden und es

Zeit wird es und super ist es, dass sich endlich auch die Mädchen mit ihren Ideen präsentieren und den Mut zeigen, sich auf eine große Bühne zu stellen. Lampenfieber kam dann natürlich auch nicht zu kurz. Einen Vorgeschmack gab es bei der Generalprobe mit der anschließenden Party. Zwar war man unter sei-

nesgleichen, aber die Konkurrenz wurde kritisch begutachtet. Dennoch war die Stimmung sehr positiv, man sprach sich gegenseitig Mut zu und applaudierte kräftig, um sich selber auch die Angst zu nehmen. Der große Auftritt vor vielen fremden Menschen am Odeonsplatz erforderte dann für die „Dancin`She Devils“ eine enorme Hürde, die sie mit feuchten Händen, aber auch mit Bravour meisterten. Anschließend, vor Freude strahlend und glücklich über den Erfolg des ersten großen Auftritts, kam gleich die Frage: Wann ist der Nächste? Aufgrund der großen Nachfrage findet ab November 2002 in der Jugendkulturwerkstatt Soundcafé ein zweiter HIPHOP-TANZSHOP für Mädchen von 10 bis 13 Jahren statt. Immer montags ab 15.30 Uhr und für Mädchen von 14 bis18 Jahren ab 17.00 Uhr. Nähere Infos bei Kerstin Hof unter 361 84 07.

Kerstin Hof Kulturpädagogin und Tanztrainerin in der Jugendkulturwerkstatt Soundcafé

Buchtipp

Mädchenarbeit im Gendermainstream In den Medien wurde in den vergangenen Jahren verstärkt die Auffassung transportiert, die neue Frauengeneration sei so selbstbewusst wie nie zuvor, zielstrebig, durchsetzungsfähig und leistungsbewusst. Die Gleichberechtigung sei daher erreicht, und Mädchen bräuchten keine Förderung mehr, mädchenspezifische Ansätze seien demzufolge überholt. Die Auseinandersetzung mit diesen Thesen zeigt jedoch, dass nur ein sehr oberflächlicher Blick zu solchen generalisierten Aussagen kommen kann, dass vielmehr Mädchen und Frauen nach wie vor eine Reihe von gesellschaftlich produzierten Barrieren entgegenstehen, die Benachteiligungen, Abwertungen und Funktionalisierungen auf verschiedenen Ebenen aufrecht erhalten: Einschränkungen in der Berufsausbildung, enges Berufswahlspektrum, geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, asymmetrische Verteilung auf Berufsbereiche, geringeres Lohnniveau, schlechtere Karriereaussichten, geringe Präsenz in Führungspositionen, Probleme der Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf, alltäglicher Sexismus und

(sexualisierte) Gewalt. Es ist noch keineswegs gelungen, generell ein Bewusstsein gesellschaftlicher Benachteiligung und Diskriminierung von Mädchen und Frauen zu schaffen und es in allen institutionellen Bereichen umzusetzen. Jugendarbeit und Jugendhilfe z.B. gehen in weiten Bereichen ihren koedukativen Weg unbeirrt weiter, der Mädchen zu diversen Anpassungen, Verleugnungen und Retraumatisierungen zwingt. Traditionelle Geschlechterverhältnisse werden in hohem Maße in den gesellschaftlichen Institutionen weiterhin stabilisiert. Das politische Konzept des Gendermainstreaming soll hier endlich Abhilfe schaffen und das Bewusstsein über geschlechtsspezifisches Denken und

Handeln fördern, um Benachteiligungen sichtbar und dann abbaubar zu machen. Doch kann hierbei nicht auf einen mädchen- und frauenspezifischen Ansatz verzichtet werden, vielmehr ist er die Voraussetzung dafür, dass die Benachteiligungsstrukturen überhaupt thematisiert werden, um Gendermainstreaming zum Erfolg zu bringen. Diesen Zusammenhang möchte das Buch deutlich machen und einen Beitrag zur konsequenten Förderung von Mädchenarbeit im Gendermainstream leisten. Anita Heiliger: Mädchenarbeit im Gendermainstream Verlag Frauenoffensive, München 2002, ISBN 3-88104-351-9, 14,40 Euro

Kalender Ausstellung und Veranstaltungen

„T apetenw echsel“ in der Färberei „Tapetenw apetenwechsel“ Vom 12. bis 19. Dezember zeigt die FÄRBEREI (Claude-Lorrain-Str. 25/Rgb.) Fotografien von JohnPatrick Morarescu. Geöffnet ist die Ausstellung Sonntag bis Mittwoch jeweils von 16 bis 19 Uhr.

Die Musikerportraits sind im ehemaligen Club2 vor jeweils ausgesuchten Tapeten entstanden. Bei den abgelichteten Persönlichkeiten handelt es sich unter anderem um: M.A. Numminen, Paul Lovens & Eugene Chadbourne, The Notwist, Lali Puna, Couch, Console, Jim Avignon, Knarf

Rellöm & DJ Pattex, American Analog Set, Franz Dobler, Thomas Meinecke & Fritz Ostermeier („Musikalischer Zirkel“). Im Rahmen der Ausstellung finden außerdem folgende Veranstaltungen statt: Do 12.12.02, 19 bis 0 Uhr: Vernissage mit den DJs Ivi & Jost Knoerten

Sa 14.12.02, 20 Uhr: Lesung & Musik von THOMAS MEINECKE (FSK/Zündfunk) Mo 16.12.02, 20 Uhr: Konzert mit der Hamburger Band DELUNY Do 19.12.02, 19 bis 0 Uhr: Finissage mit den DJs Bene & Nathan Praon. Ab 21 Uhr: Konzert von DOS HERMANOS (Gutfeeling Records)

Mit Riesenschritten auf das nächste Festival zu....

www .oben-air .de www.oben-air .oben-air.de Auch wenn es jetzt langsam aber sicher auf den Winter zugeht, das Team rund um’s Oben Ohne ist gedanklich schon im nächsten Sommer und plant, was das Zeug hält, um ein weiteres Festival auf die Beine zu stellen... Der Termin steht fest und so wird auch 2003 wieder am letzten Wochenende vor den großen Ferien, am 19. Juli auf dem Königsplatz bis in die Nacht hinein gefeiert werden. Damit auch das Publikum auf dem Laufenden bleibt und die Anfänge des Festivals miterleben kann, hat sich der KJR fürs Oben Ohne eine neue Homepage zaubern lassen! Unter www.oben-air.de gibt es sämtliche News rund um das Festival, die Location und die laufende Planung, aber

auch über die vergangenen Jahre ist einiges zu finden. Und da wir schließlich auch an Eurer Meinung interessiert sind, gibt es auf der neuen Homepage ein Gästebuch, ein Forum, eine Umfrage und und und, kurz die Möglichkeit, seine eigene Meinung loszuwerden und aktiv das Festival mitzugestalten. Also reinklicken, umschauen und mitreden... und ganz wichtig: weitersagen! Viel Spaß dabei! Sieglinde Burkhard Praktikantin Abteilung Jugendarbeit

Spontane Kinderhilfe e.V.

Weihnachtsfeier mit Versteigerung Am 13. Dezember lädt der Club für Spontane Kinderhilfe ab 18 Uhr in die Gaststätte „Globus“ (Landwehrstr. 43/Rückgeb.) zur Weihnachtsfeier. Bei einem Eintritt von 10 Euro für alle vom Gründer über den Präsidenten bis zum Wirt der Gaststätte zahlt jeder seinen Beitrag! - gibt es ein kaltes Buffet, gestiftet von der Landmetzgerei Rümenapf aus Buch am Erlbach und von Feinkost Kugler, München. Als besondere Attraktion findet eine Versteigerung statt. Dutzende von 10-EuroScheinen wurden von verschiedenen pro-

minenten Künstlern, Politikern und Sportlern extra für diesen Zweck handsigniert. Die absolute Sensation dabei ist ein Unikat: Je ein 10-Euro-Schein von allen Profis der Löwen und dem gesamten Präsidium einzeln signiert, insgesamt 27 Scheine im Glasrahmen, stehen für den echten Löwen- und Spontane Kinderhilfe-Fan gegen Bestgebot zu Ersteigerung an. Der Gewinn wird von einem Vertreter des Prä-

sidiums vom TSV 1860 München persönlich überreicht. Außerdem stiftet der TSV 1860 zwei Trikots mit Autogrammen aller Fußballer der ersten Mannschaft und dazu noch zwei Fußbälle. Der Erlös aus dieser speziellen Aktion kommt zu gleichen Teilen den bedürftigen Kindern von UNICEF und der Spontanen Kinderhilfe e.V. zugute.

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Kalender KJR München-Stadt - Postfach 151 223 - 80047 München PVSt - Deutsche Post AG - Entgelt bezahlt - B 13074F

Deutschlands größtes A-Cappella-Festival

6. Vokal Total im Spectaculum Mundi Noch bis 8. Dezember 2002 treten zahlreiche A-Cappella-Gruppen im Spectaculum Mundi auf. Die Termine im Dezember:

Am Sonntag, den 1. Dezember bieten die Schwiegersöhne aus Göttingen eine zündende Mischung aus verblüffenden Vokalarrangements, fröhlicher Bühnenshow und halsbrecherischer Choreographie. Am 6. Dezember gibt es Vocal Entertainment mit a-live aus München. Die zwölf jungen Sänger begeistern ihr Publikum mit einer dynamischen und humorvollen ACappella-Show. Hits von den 50ern bis heute - moderner, harmonischer und rhythmischer Sound gespickt mit subtilem Humor - sorgen für ein unvergessliches Erlebnis. Hop o’ my thumb aus der Schweiz präsentieren am 7. Dezember eine neue Stilrichtung: „Nov’a Cappella“ nennt sich das Genre, das auf dem musikalischen Mist der „DaumenhüpferInnen“ gewachsen ist. Sobald sie ihre Lippen spitzen und ihre Stimmbänder zum Vibrieren bringen, beginnt sich ein unsichtbares Orchester zu regen. Das Ostschweizer A-CappellaQuartett vermischt unterschiedliche Stilrichtungen, ändert Lieder spielerisch um und erzeugt damit neue Klangwelten. Ihre Show ist eine faszinierende Mischung von

hoher Gesangskunst und experimentellem Umgang mit der Stimme. Zum Abschluss des Festivals findet am 8. Dezember ein Doppelkonzert statt: Bei maybebop (Hannover) treffen vier Charakterköpfe aufeinander und tun das, was sie am besten können: Singen! Sie vereinen fetzige, liebevolle, spannende, lustige, ernste und traurige Lieder in gewohnt virtuoser Sangeswut. Die Gruppe ist Preisträger beim John-Lennon-Förderpreis und auch mit einem Song auf einem italienischen Heavy-Metal-Sampler vertreten. Danach treten die Beistelltische aus Göttingen auf. Ihre Stirichtung nennen sie „zappa-a-cappella“, und wer bislang glaubte, Zappa sei unhörbar und ACappella-Musik langweilig, wird bei diesem Konzert eines Besseren belehrt. Eine verrückte Rockshow abseits jeder vokalen Kuschligkeit zwischen rhythmischen Raffinessen und einem Humor, der manchmal die Grenze zur Albernheit überschreitet: Das war bei Zappa schon so, und die Beistelltische führen dessen Attitüden unterhaltsam in die Gegenwart. Entertainment auf höchstem Niveau!

Alle Veranstaltungen finden im Spectaculum Mundi, dem Kulturschwerpunkt des Jugendcafés Intermezzo, einer Einrichtung des KJR MünchenStadt, statt: Graubündener Str. 100, 81475 München. Zu erreichen ist das Spectaculum Mundi auch mit der U3, Haltestelle Fürstenried-West. Beginn ist jeweils um 20.30 Uhr, Einlass um 19 Uhr Eintritt: 15,-/12,- Euro (erm.), am 3.11. ist der Eintritt frei. Festival-Pass für 5, 10 oder 31 Konzerte auf Anfrage. Kartenvorverkauf im Spectaculum Mundi, Tel. 74 66 40 22, bei Boxoffice (Hertie Stachus), Tel. 55 72 32 und Tick!it (Ostbahnhof), Tel. 48 00 29 02

Markt der Möglichkeiten

Chancen in Europa Am 30. Januar 2003 findet von 10 bis 17 Uhr im Berufsinformationszentrum (BIZ, Kapuzinerstr. 30) ein Markt der Möglichkeiten mit Informationsveranstaltungen zum Thema Chancen in Europa statt. Themenbereiche sind Mobilitätsangebote im Rahmen der EU-Bildungsprogramme, Schüler-Austausch, Jugendbegegnungen, Praktika auch im Ausland, Jobs, AuPair und Freiwilligendienste. Videos und Life-Berichte von Austauschschülern und Betrieben, Führungen von Jugendlichen des Jugendbüros Europa durch den Markt und umfangreiche Präsentationen werden gezeigt. Auch wird von Angeboten, die es im schulischen, beruflichen und Freizeitbereich bereits gibt, berichtet. In den Informations-

veranstaltungen geben Experten zusätzliche Informationen zu diesen Themen. Als besonderes Highlight wird es erstmals eine Live-Konferenz mit Jugendlichen in verschiedenen europäischen Ländern geben. So können sich interessierte Jugendliche direkt bei anderen Jugendlichen über die verschiedenen Möglichkeiten in Europa informieren und mit ihnen in Kontakt kommen. Abgerundet wird der Markt der Möglichkeiten durch ein musikalisches Kulturprogramm.

Kathrin Rockinger Jugendinformationszentrum Mehr Informationen gibt es beim Jugendinformationszentrum (JIZ), Tel. 51 41 06 60 oder beim Arbeitsamt München, Berufsinformationszentrum, Tel. 5141 – 6182 Oder im Internet unter: www.jiz-muenchen.de; www.bbinet.de; www.arbeitsamt.de/muenchen/ veranstaltungen

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