DA CAPO

February 18, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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DA CAPO! weFLASH© - Revolution aus der Dose Theater am Luisengymnasium Heute rufen wir nicht mehr „Da capo!“, sondern benutzen die TV-Fernbedienung auf die Aufforderung: „Schalten Sie nächste Woche wieder ein, wenn es heißt: ’Kabale und Liebe’ … nein, sorry, da hab ich was verwechselt: ‚Wahrheit oder Lüge?’ Darum geht es. So steht es im Text des Theaterstücks weFLASH – Revolution aus der Dose, das im April dieses Schuljahres am Luisen dreimal aufgeführt wurde. Unsere Theatergruppe hat den Text des Schreib- und Theaterkollektivs PressText, das 2008 in Wien von Anya Deubel, Moritz Geiser, Patrick Rothkegel, Timo Müller und Ottilie Vonbank gegründet wurde, in einer Bearbeitung auf die Bühne gebracht. Drei der Mitglieder (erstgenannte) von PressText sind ehemalige LuisianerInnen und nun als DramatikerInnen, RegisseurInnen und SchauspielerInnen aktiv und kreativ. Vor und mit einem minimalistisch-konstruktivistischen Bühnenbild, das aus mehreren auf der Bühne beweglichen und verschiebbaren Häuschen die verschiedenen Stationen und Bilder des Theaterstücks entwirft und umwirft und wieder neu entwirft, gelingt der Inszenierung eine rasante Kette von Szenen und die Verkettung von Handlungssträngen, die sich in reigenartiger Abfolge etwa darum drehen: „Ein neuer Energydrink kommt auf den Markt. „weFLASH“ soll mit Fairtrade-Zeichen, Biosiegel und einer recyclebaren Kunststoffdose das neue Kultgetränk einer bislang von der Industrie vernachlässigten Zielgruppe werden: Eine alternative, konsumkritische Studentengeneration, die sich mit iPhone, MySpace und selbstgedrehten YouTube Videos täglich auf ihre erkaufte Einzigartigkeit einen runterholt. Pseudo-Individualität aus dem Secondhand-Laden und Retro-Lebensgefühl sind jedoch längst zur rentablen Marketingstrategie geworden. Aus dieser unterschwellig brodelnden Krise hilft weder ein durchgegenderter Alltag noch ein lebenslaufwichtiges Praktikum in einer NGO. Allerdings hat Horvath, der geniale Kopf der Werbekampagne des Energydrinks weFLASH, seine eigene Idee: Er initiiert die größte Verarschungsaktion, die die Generation NGO je gesehen hat.“ (aus der eigenen Präsentation von Presstext im Internet)

Das ultramoderne Theaterstück ist in seiner Sprache so „realistisch“, dass der Wortlaut für die Schulbühne bereinigt werden musste. In der Aufführung des Luisen war allerdings von Bearbeitungen nichts zu spüren: der Text hat Flow und Drive, den SchauspielerInnen gelingt eine mitreißende und im Laufe der Szenenabfolge auch bald verständliche Inszenierung der Handlungsreihen: Das sich nicht nur geschwisterlich liebende Geschwisterpaar Horvath (gespielt von Julius Braach und Moritz Stüwe) und Clara (Lea Leutiger und Sophie Mäusl) steht im Zentrum einer reigenhaft sich entfaltenden Szenenfolge, die rund um die Limo-Entwicklungsstory in einer Werbeagentur tiefe Einblicke in die Alltagstragödien einer young generation gewährt, die vor allem daran leidet, hinter ihren eigenen Idealen oder Zielen selbst nicht zu stehen. Das Problem der Welt und des Theaters ist schöner Schein und hässliches Sein, ist Wahrheit oder Lüge. Übrig bleibt all den Figuren eigentlich nur, sich selbst nicht mehr recht ernst zu nehmen und sich in Zynismus und Groteske zu flüchten: Die SchauspielerInnen (Johannes Lenz als aufstrebender Muttersohn und Praktikant Frank , Shino Maier als die virtuelle Liebe verkaufende und selbst liebesbedürftige Live-Room-Chatterin Tanja, Jakob van Gunsteren als naiv-nettguter Literaturstudent Ahmed mit türkischem Migrationshintergrund, Lorenz Grundmann als der erfolgshungrige IT-Spezialist Martin, Lara Batdorf als außen harte und

innen fade Creative-Casting-Agentin Lena, Nitay Feigenbaum als kühl-berechnender spindoctor und Franks Freund, Lilith Kappelmann als französisch lesbelnde Regisseurin des Werbespots Gaelle, Samuel Wendeborn als aalglatter Boss, Dominik Hörger als durch die geflashten Revolutionäre gemeuchelter Talkmaster van Ehrenthal) lösen dieses Paradoxon der gleichzeitigen Identifikation mit und der Distanzierung von der Rolle geschickt. Die Groteske versteigt sich nicht in blanke Verachtung, die Figuren erzeugen beim Zuschauer Trauer und Mitleid und freudige Hoffnung, selbst nicht so zu sein. Die Zuschauer leiden mit dem guten Ahmed mit, als er von Monty-Python-erfundenen Quatsch-Kommunisten assimiliert werden soll, freuen sich über die Rettung Tanjas durch Ahmed im gemeinsamen Liebesboot, erleben am TV die violette Revolution des weFLASHmobs. Und sie werden gewiss auch die „Rügenwalder grobe Leberwurst“, die von den beiden Liebenden beim Happy-End der Liebesgeschichte beworben wird, kaufen und genussvoll essen. Vom Prolog bis zum komischtragischen Ende geht es um Ideale wie „Einfach-was-mit-Menschen-machen“ und darum, dass es schwierig und gefährlich ist, was die Menschen mit den Mitmenschen machen. Die Figuren des Stückes werfen sich Wahrheit oder Lüge auch als Verkleidung über: aus Zeitschriften und Zeitungsartikeln cool collagiert greifen die Kostüme das Leitmotiv und Hauptthema zusammen mit dem ständig sich wandelnden Bühnenbild auf und lassen mit den groovigen Zwischenmusiken, dem Neonlicht auf der Bühne eine Welt erstehen, die an die Macht der Werbung und der Fake-Welten nicht mehr glauben mag: Alles Wahrheit oder Lug und Trug? Der liebende Ferdinand in Schillers Kabale und Liebe fordert seine unglücklich geliebte Luise auf, die Limonade, die in Wirklichkeit ein Gifttrank ist, zu kosten, um der bösen liebesfernen Welt zu entfliehen. Bei uns in der Gegenwart des Luisentheaters heißt es sodann nicht mehr, wie die Luise in Schillers bürgerlichem Trauerspiel antwortet: „Die Limonade ist gut.“, sondern: „Refresh weFLASH!“ Da capo, Theatergruppe des Luisengymnasiums! (Text: Stephan Rauner) Leitung: Halldis Engelhardt Kommunisten und Nachrichtensprecher: Miriam Burghart, Wanda Bleckmann, Frieda Krammel, Vinzent Gaschler, Anna-Lisa Spitzauer Prolog, Kandidaten und Werbespots: Felix Elsässer, Elaine Goldberg, Nitay Feigenbaum, Jana Bamberger, Wanda Bleckmann, Olivia Pohl, Lucy Roellecke, Fabian Schaffer Tanz: Laura Stachowitz Bühnenbild unter der Leitung von Elisabeth-Schottenheim-Hien und Technik: Maximiliane Albrecht, Petro Armstrong, Vivian Barnden, Louise Blumenau, Valentin Brockmann, Lea Bubendorfer, Janina Caesar, Selina Cayir, Simone Geier, Elena Georgarakis, Emma Greve, Helena Hock, Vanessa Hofbauer, Ann-Katrin Hornef, Olga Piculina, Lena Pitsch, Stephan Rester, Lilly Schmalbrock, Victoria Wuttge, Daniel Yakub, Kilian Frank

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