Anstifter 2-2012 - Stiftung Liebenau

January 16, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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Anstifter

Infos aus der Stiftung Liebenau

2012 Ausgabe 2

Stiftung Liebenau Pfarrer Dieter Worrings erhält Ehrennadel Seite 7 Helfen und Spenden: Hilfen im Gefahrenbereich Seite 11 Altenhilfe Immer was los für Menschen mit Demenz Seite 16 Menschen mit Behinderung Fortbildung bringt Aha-Erlebnisse Seite 18 Bildung Vom Praktikum zur Festanstellung

Seite 25

Kinder und Jugend Kinder erinnern sich an wichtige Dinge Seite 27 Betriebe und Dienstleister LiSe optimiert Arbeitsplätze Seite 29

Unsere Autoren in diesem Heft:

Dr. Berthold Broll Vorstand Stiftung Liebenau

Wolf-Peter Bischoff Chefredakteur Stiftung Liebenau

Inhalt Inhalt

Anne Oschwald

Titelfoto: Reittherapie stärkt junge

Freie Mitarbeiterin Teamwork Kommunikation und Medien GmbH

Menschen mit Behinderung Foto: Felix Kästle 3 Meine Meinung

Ulrich Dobler Stiftung Liebenau

Martina Noppel Liebenau Service GmbH

Menschen mit Behinderung

von Dr. Berthold Broll 4 kurz und knapp

18 Fortbildung mit Aha-Erlebnissen

26 www-Adressen

19 Genussradeln mit Pedelecs

31 Das letzte Wort

20 Fachtag: Sag mir erst wie alt du bist

von Wolf-Peter Bischoff

22 Hilfe-Mix für selbstständiges Leben

32 Spot an

Bildung Johanna Wurm

Stiftung Liebenau 23 Erfahrungen beim Klettern helfen

Liebenau Service GmbH

7 Pfarrer Dieter Worrings erhält

auch im Alltag

Susanne Droste-Gräff

Ehrennadel der Stiftung

25 Porträt: Nach dem Praktikum folgt die

Redakteurin Teamwork Kommunikation und Medien GmbH

8 Dank an langjährige Mitarbeiter

Festanstellung

10 ZustifterRente ist ausgezeichnet

26 Max-Gutknecht-Schule online

Helga Raible

Gefahrenbereich

Redakteurin Teamwork Kommunikation und Medien GmbH

12 Spielgeräte fördern Begegnungen 14 Ökumene: „Kirche findet Stadt“

27 Kinder erinnern sich an wichtige Dinge

Elke Benicke

15 Partner der Feuerwehr

28 Prävention für Geschwister

Freie Mitarbeiterin Teamwork Kommunikation und Medien GmbH

11 Fundraising: Frühzeitige Hilfen im

Kinder und Jugend

13 Inklusion: Mittendrin sein

Altenhilfe

Betriebe und Dienstleister

Sabine Centner Freie Mitarbeiterin Teamwork Kommunikation und Medien GmbH

Felix Kästle Freier Mitarbeiter Teamwork Kommunikation und Medien GmbH

Christof Klaus Freier Mitarbeiter Teamwork Kommunikation und Medien GmbH

Lioba Scheidel Freie Mitarbeiterin Teamwork Kommunikation und Medien GmbH

Claudia Wörner Freie Mitarbeiterin Teamwork Kommunikation und Medien GmbH

16 Im Heim ist immer was geboten für

29 LiSe optimiert Arbeitsplätze

Menschen mit Demenz

30 Kleine Gourmets kommen zu Tisch

17 Miteinander statt nebeneinander

Anstifter Meine Meinung LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,

woran immer es liegen mag: In jüngerer Zeit verstärkt sich mein persönlicher Eindruck, dass die Einebnung von Unterschieden in unserer Gesellschaft zunimmt. Dabei denke ich nicht vorrangig an Äußerlichkeiten, wie Mode oder Ähnliches. Vielmehr sehe ich die Vielfalt der unterschiedlichen Meinungen, Lebensstile und Vorlieben in Gefahr. Menschen drohen immer mehr an vermeintlichen gesellschaftlichen Normen gemessen und anhand gesellschaftlicher Durchschnittswerte verglichen und normiert zu werden. Dabei ist es gerade die Vielfalt der Meinungen, der Sichtweisen, der Vorlieben und Abneigungen, der unterschiedlichen Lebensgestaltung und insgesamt die Art zu denken, zu handeln und zu empfinden, die den eigentlichen Reichtum unserer Gesellschaft ausmacht. Und diese Vielfalt, so meine Meinung, steht von mehreren Seiten unter Druck. Da sind zum einen die rechtlichen Vorgaben. Was noch vor Jahrzehnten dem Einzelnen oblag, ist heute vielfach seiner eigenen Entscheidung entzogen und von Vorgaben bestimmt, welche die politischen Institutionen im Namen der Mehrheit der Gesellschaft erlassen haben. Und dies betrifft heute nahezu alle Lebensbereiche, bis in ihre kleinsten Verästelungen hinein. Dr. Berthold Broll Vorstandsvorsitzender der Stiftung Liebenau

Über die rechtlichen Regelungen hinaus, und das scheint mir das Wichtigere zu sein, gibt es in unserer Gesellschaft einen – von wem auch immer ausgelösten – Druck hin zu einheitlichen Ansichten und Meinungen. Und hat sich erst einmal eine bestimmte Sichtweise oder Haltung in unserer Gesellschaft zu irgendeinem Thema festgesetzt, so muss man gehörig aufpassen, wenn man anders denkt und dies gar ausspricht. Schnell stellen die Sprachrohre der Gesellschaft einen in die Ecke, werfen einem dies und das vor oder feinden einen gar an. Da dies den allermeisten Menschen keine große Freude bereitet, entsteht dadurch rasch ein deutlicher Druck zu einheitlichen Meinungsäußerungen, konformen Bewertungen und damit ein Verlust an Urteilskraft, die unterschiedliche Sichtweisen respektvoll einschließt. Beinahe jedes Thema unterliegt diesen Prinzipen des vermeintlichen gesellschaftlichen Konsenses. Vielfach muss man aber davon ausgehen, dass es sich hierbei nur um eine gefühlte Mehrheit handelt. Die große Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann hatte vor Jahren erstmals diese Zusammenhänge erforscht und den Begriff der „Schweigespirale“ geprägt. Dieser besagt, dass die als Mehrheitsmeinung wahrgenommene Meinung Einfluss darauf hat, ob Menschen sich zu ihrer eigenen Meinung bekennen oder nicht. Besonders schädlich für eine Gesellschaft wird es dann, wenn dadurch Kreativität verloren geht. Wenn die Freude daran, Neues zu entwerfen und in einen fruchtbaren Austausch in der Gesellschaft zu bringen, zurückgeht. Denn genau hiervon leben wir. Besonders negativ wirkt sich diese gesellschaftliche Nivellierung von Verschiedenheiten auf all jene Menschen aus, die nicht in das Raster gesellschaftlicher Standards passen. Dies betrifft ganz zuvorderst eine Vielzahl jener Menschen, für die die Stiftung Liebenau tätig ist: Menschen mit Einschränkungen aller Art, körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderungen. Je stärker ein Mensch von den schleichend gesetzten gesellschaftlichen Maßstäben abweicht, umso mehr droht ihm die Gefahr der Ausgrenzung, des Abgestempeltwerdens, des „Andersseins“. Ich plädiere daher sehr stark für die Vielfalt, ihre Möglichkeiten und Grenzen, für den Respekt der Sichtweise anderer, insbesondere jener, die nicht in großer Zahl und lautstark mit ihren Meinungen auftreten. Ich rate zur Achtsamkeit, wo immer die Gesellschaft etwas „normieren“ möchte und wünsche mir einen sehr sorgfältigen Umgang mit den Eigenheiten, Sichtweisen und Vorlieben jedes einzelnen Menschen. Insgesamt tut unserer Gesellschaft die Offenheit für anders Meinende und Denkende gut. Denn wer möchte schon in einem gesellschaftlichen Einerlei versinken? Das meint Ihr Berthold Broll

kurz und knapp Liebenau

Liebenau Neue Trikots für Dynamo Lukas

Position zum Thema Pflege

Über ihre neuen Trikots freuen sich die Hobbykicker des Lie-

Die Bewältigung des demografischen Wandels stand auch beim

benauer Fußballteams Dynamo Lukas. Überreicht wurden die

Frühjahrstreffen der Steuerungsgruppe „Netzwerk: Soziales neu

von der Sepp-Herberger-Stiftung gespendeten Jerseys vom Prä-

gestalten (SONG)“ im Mittelpunkt: Beschlossen wurde ein Positi-

sidenten des Württem-

onspapier zur Pflege, das zwei Stufen vorsieht, um die Gesellschaft

bergischen Fußball-

in der Bundesrepublik nachhaltig stark zu machen für die zuneh-

verbandes (WFV), Her-

mende Pflegebedürftigkeit. Vorgeschlagen werden kurzfristige und

bert Rösch. Der WFV-

mittelfristige Maßnahmen. Zu den kurzfristigen zählen beispiels-

Präsident hatte loben-

weise Änderungen in den heutigen Leistungsgesetzen sowie die

de Worte: „Das, was

Reduzierung von Mehrfachzuständigkeiten. Mittelfristige Ände-

sie hier tun, ist für

rungen sollen nach Ansicht der SONG-Partner vor allem darauf

uns ganz besonders

abzielen, ineffiziente Abgrenzungen zwischen Sektoren und Siche-

wertvoll und wichtig.“

rungssystemen aufzuheben. Ein Ansatzpunkt dazu könnte die

Rösch würdigte das

strukturelle Unterscheidung zwischen medizinisch-pflegerischer

langjährige Fußballen-

Behandlung und sozialer Sorge sein. Dazu müssten Pflege- und

gagement der

Krankenkassen zusammengelegt werden und das Verhältnis von

St. Lukas-Klinik und strich die positiven Effekte des Sports

Eingliederungshilfe, Hilfe zur Pflege und Sozialversicherungsleis-

heraus: „Fußball hat eine Kraft, die man nicht hoch genug

tungen neu bestimmt werden. In den kommenden Monaten werden

schätzen kann.“ Deshalb sei es das Ziel der vom Deutschen Fuß-

die Positionen noch detaillierter ausgearbeitet. Beschlossen wurde

ball-Bund (DFB) ins Leben gerufenen Sepp-Herberger-Stiftung,

in der Sitzung auch, die Laufzeit des Netzwerkes, die bis Ende 2012

soziale Projekte zu fördern und „auch dahin zu gehen, wo nicht

geplant war, zu entfristen.

der große Fußball ist, sondern der kleine.“

Download unter: www.stiftung-liebenau.de unter „Sozialpolitik“.

Gänseblümchenfest am 23. Juni Bereits zum sechsten Mal öffnet das Kinderhospiz St. Nikolaus am 23. Juni zum Gänseblümchenfest seine Pforten. In diesem Jahr wird noch größer gefeiert: Das Kinderhospiz wird fünf Jahre alt und der Förderverein Kinderhospiz im Allgäu e.V. feiert sein 10-jähriges Bestehen. Eine Möglichkeit für alle, die Einrichtung im Allgäu zu besichtigen, denn während der restlichen Zeit im Jahr können keine Führungen für die Öffentlichkeit angeboten werden. Das Kinderhospiz St. Nikolaus – das einzige im süddeutschen Raum – ist eine Anlauf- und Erholungsstätte für Familien mit lebensbegrenzt und unheilbar erkrankten Kindern und Jugendlichen. Das Haus begleitet die gesamte Familie im Leben, in der Sterbephase und über den

Termine 29. Juni 2012 Cook & Swing Liebenau 7. Juli 2012 Gartentrödelei Liebenau 7. Juli 2012 Fußballturnier und Open-Air-Disco Liebenau 8. Juli Liebenauer Sommerfest Liebenau

Tod des erkrankten Kindes hinaus. www.kinderhospiznikolaus.de

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Stiftung Liebenau

30. September 2012 BBW Open Ravensburg

Liebenau

Friedrichshafen Kassieren für den guten Zweck

Neues Ethikkomitee Das neue „Ethikkomitee der Stiftung Liebenau“ hat am 1. Januar seine Arbeit aufgenommen. Das sechsköpfige Gremium unter dem Vorsitz von Stiftungsaufsichtsrat Dr. Bruno Schmid (rechts) wird künftig zwölfmal im Jahr zusammen kommen, um sich mit den ethischen Aspekten der Entwicklung der Stiftung Liebenau, ihrer Gesellschaften und des politischen Umfeldes zu befassen und diese auf der Grundlage ihrer Satzung und ihrer Unternehmensphilosophie zu reflektieren. Die Auseinandersetzung mit moralischen Fragen hat in der Stiftung eine lange Tradition. Bereits die Gründungssatzung von 1873 verwies auf ein ethisches Handeln im Sinnhorizont des christlichen Glaubens. Die wachsende Vielfalt sozialer Dienst-leistungen der Stiftung und die sich verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedin-

Marion Behrendt, Koordinatorin von „wellcome“ im Bodenseekreis,

gungen führten schließlich 1995 zur Gründung einer Ethikkom-

schlüpfte am 29. Februar für eine halbe Stunde in die Rolle einer dm-

mission, die das Handeln der Stiftung fortan begleitete und

Mitarbeiterin und setzte sich an die Kasse der Filiale in der Rhein-

unter anderem Schriften zur Präimplantationsdiagnostik oder

straße in Friedrichshafen. Insgesamt nahm sie 828 Euro ein, die vom

der Begleitung Sterbender veröffentlichte. Aus diesem Gremium

dm-Markt auf 900 Euro aufgerundet wurden. Im Rahmen der Aktion

ging jetzt das Ethikkomitee hervor. Das neue Ethikkomitee mit

„Ideen, Initiative, Zukunft“, eine Kooperation des dm-Markts und der

Stiftungsvorstand Prälat Michael H. F. Brock (3.v.re.): (v.l.)

Deutschen UNESCO-Kommission, wurde dieser Tag deutschlandweit als

Dr. Helmut Schädler (Chefarzt i. R. der St. Lukas-Klinik),

zusätzlicher Tag für nachhaltiges Engagement genutzt.

Dr. Hans-Martin Brüll (Stabstelle Ethik der Stiftung Liebenau),

Zugute kommt das Geld „wellcome“, einem Dienst der Stiftung Liebe-

Marie-Therese Selbitschka (Pflegedienstleiterin Haus St. Iris

nau. In Form von moderner Nachbarschaftshilfe unterstützen Ehren-

Eriskirch), Ruth Hofmann (Pädagogischer Fachdienst der

amtliche Familien stundenweise nach der Geburt eines Kindes. Damit

St. Gallus-Hilfe) und Prof. Dr. Bruno Schmid (Prof. i. R. der

aus der großen Freude über das Baby kein Stress wird, verhelfen die

Kath. Theologie/Religionspädagogik an der PH Weingarten).

ehrenamtlichen wellcome-Engel zu kleinen Pausen, in denen die

Auf dem Foto fehlt Matthias Haag (Vorsitzender Richter am

Eltern wieder Kraft schöpfen können.

Oberlandesgericht Stuttgart).

„wellcome“ Bodenseekreis hat seinen Sitz beim Familientreff INSEL e. V. in der Meistershofenerstraße 11a in Friedrichshafen. Wellcome gibt es auch im Landkreis Ravensburg in Kooperation mit Stiftung St. Anna in Leutkirch. Anlaufstelle in Ravensburg ist die Herrenstraße 43, in Leutkirch in der Kemptenerstraße 11. Der Dienst finanziert sich über Spenden. Wer von den Familien kann, leistet einen geringen Unkostenbeitrag. www.wellcome-online.de

Impressum Anstifter Auflage: 6 000 Herausgeber: Stiftung Liebenau Redaktion: Wolf-Peter Bischoff (verantwortlich), Anne Oschwald

Teamwork Kommunikation und Medien GmbH Siggenweilerstraße 11 88074 Meckenbeuren Tel.: 07542 10-1181 Fax: 07542 10-1117 E-Mail: vera.ruppert@ teamwork-kommunikation.de

Spendenkonto: Stiftung Liebenau Kt. 20 994 471 Sparkasse Bodensee BLZ 690 500 01

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Bereich Liebenau Stiftung

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kurz und knapp Stiftung Liebenau erforscht Heimalltag der Nachkriegszeit LIEBENAU – Erzieherische Gewalt gegenüber Menschen mit Behinderung im Nachkriegsdeutschland – ein Thema, das bislang noch viel zu wenig öffentliche Beachtung fand. Mit einem Forschungsprojekt stellt sich die Stiftung Liebenau ihrer ethisch-historischen Verantwortung und nimmt den Heimalltag in ihren Einrichtungen zwischen 1945 und 1975 unter die Lupe. Während die Situation von Menschen mit Behinderung und die an ihnen begangenen Verbrechen während des NaziRegimes in Deutschland recht umfangreich dokumentiert sind, waren die ersten Jahrzehnte nach Kriegsende bislang noch kaum Gegenstand der Forschung. Doch wie gestaltete sich die Lebenswirklichkeit dieser Menschen von Kriegsende bis Mitte der 1970er Jahre? Unter welchen Umständen fand der Alltag in den Heimen der Stiftung Liebenau statt? Wo, wie oft und warum wurden Betreute dabei auch Opfer struktureller oder persönlicher Gewalt? Der Stiftungsvorstand hat sich dieses Themas angenommen und ein Forschungsprojekt dem Institut für angewandte Sozialwissenschaften an der Dualen Hochschule in Stuttgart in Auftrag gegeben. „Gewalterfahrungen. Der Umgang mit Gewalt im lebensweltlichen Kontext von Heimbewohnerinnen und Heimbewohnern der Stiftung Liebenau zwischen 1945 und 1975“, lautet das Projekt, das nach Gründen, Anlässen und Bedingungen erzieherischer Gewalt suchen und die damaligen Gegebenheiten aus allen Perspektiven systematisch beleuchten will. Den Verantwortlichen kommt es dabei darauf an, „sich kritisch mit der eigenen, selbst verantworteten Praxis gegenüber Menschen mit Behinderung nach Kriegsende auseinanderzusetzen“, wie Dr. HansMartin Brüll (links) von der Stabstelle Ethik der Stiftung Liebenau erläutert, und damit einer „ernsthaften Aufarbeitung der Heimerziehung“ in jener Zeit gerecht zu werden sowie begangenes Unrecht öffentlich zu machen. Die Ergebnisse der Forschungsarbeit sollen dazu dienen, aus der Vergangenheit Schlüsse für den heutigen Umgang mit Gewalt zu ziehen und diese für den erzieherischen Alltag fruchtbar zu machen. Ergebnisse aus dem Forschungsgremium sollen im kommenden Jahr im Rahmen eines Fachtages präsentiert werden. Mit im Team Prof. Dr. Susanne Schäfer-Walkmann (Mitte) und Dr. Constanze Störk-Biber (rechts), Institunt für angewandte Sozialwissenschaften an der Dualen Hochschule in Stuttgart. Foto: Oschwald

Wangen/Meckenbeuren Protestaktion für Gleichstellung Im Rahmen des Tags der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung fanden auch in der St. Gallus-Hilfe Aktionen statt: Werkstattund Heimbeiräte gingen in Meckenbeuren auf die Straße und diskutierten mit Bürgermeister Andreas Schmid (Foto). Auf dem Kirchplatz informierten sie über menschengemachte Barrieren im Alltag, luden zum Quiz durch ihre Welt ein. Sie besuchten die Geschäfte und Einrichtungen rund um den Kirchplatz, verteilten Informationsmaterial und verschenken Luftballons im Kindergarten. In Wangen las die Journalistin und Autorin Liane von Droste zusammen mit Lesepartnern aus ihrem Buch „Neele ist da geblieben“. Darin beschreibt sie einfühlsam Menschen, die anders sind. Nicht alle Menschen in diesem Buch sind im klassischen Sinn „behindert“. Alle aber werden behindert - von unüberwindlichen Stufen, Vorurteilen, von zu kleinen Buchstaben oder von Menschen, die über die Kosten für die Rollstuhlreparatur, einen Platz im Kindergarten oder den Neigungswinkel einer Rampe zu entscheiden haben. Der europaweite Tag für weniger Barrieren im Alltag wird unterstützt von „Aktion Mensch“. Mit Veranstaltungen rund um den 5. Mai wird die Umsetzung der UN-Konvention eingefordert: das Recht von Menschen mit Behinderung auf barrierefreie Gebäude und Verkehrsmittel, auf Kommunikation und Information in leichter Sprache.

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Stiftung Liebenau

Tiefe Spuren hinterlassen Dieter Worrings mit Ehrennadel der Stiftung Liebenau ausgezeichnet

Stiftung Liebenau, Aufsichtsräte, ehemalige Vorstän-

von Felix Kästle

de, weitere Geistliche sowie leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stiftung Liebenau. Zur Ehrung geladen waren auch langjährige MinisLIEBENAU – Für seine Lebensleistung hat die Stiftung Liebenau das

tranten und Kommunionhelfer, die Pfarrer Worrings

langjährige ehemalige Vorstandsmitglied und den ehemaligen Vorsitzen-

auf seinem Weg in der Stiftung Liebenau begleitet

den der Ethikkommission, Pfarrer Dieter Worrings, mit ihrer Ehrennadel

und viele Gottesdienste mitgestaltet hatten. „Dieter

ausgezeichnet. Zwölf Jahre, von 1996 bis 2008, gehörte Worrings dem

Worrings hat die Menschen stets ernst und sich für

Vorstand der Stiftung Liebenau an. In dieser Zeit hat der Seelsorger tiefe

den Einzelnen Zeit genommen“, würdigte Broll des-

Spuren hinterlassen.

sen vorbildlichen Umgang mit den Frauen und Männern in der Stiftung Liebenau. Und noch heute, drei Jahre nach seiner Pensionierung, sei Worrings der Als Vorsitzender der Ethikkommission war Pfarrer

Stiftung eng verbunden.

Worrings an der Verfassung wichtiger Stellungnah-

Pfarrer Dieter Worrings ist Vorsitzender des Förder-

men zu grundsätzlichen ethischen Fragen beteiligt,

vereins der St. Gallus-Hilfe, er unterstützt das Bulga-

die bis heute nichts von ihrer Gültigkeit verloren

risch-Deutsche Sozialwerk St. Andreas als Beirat und

hätten, betonte Vorstand Dr. Berthold Broll vor rund

ist nach wie vor in der Seelsorge tätig.

hundert geladenen Gästen bei der Verleihung der

Zum 18. Mal seit dem Jahr 2002 hat die Stiftung Lie-

Ehrennadel im Schloss Liebenau. Unter den Gästen

benau ihre Ehrennadel zur Würdigung besonderer

befanden sich zahlreiche Ehrenzeichenträger der

Leistungen vergeben.

Sichtlich erfreut über die Ehrennadel der Stiftung Liebenau sprach Pfarrer Dieter Worrings zu den Gästen. Foto: Kästle

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Stiftung Liebenau

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Langjährige Mitarbeiter geehrt LIEBENAU – Mit verschiedenen Veranstaltungen ehrten die

Entscheidungsfreude, Engagement und auch die vielen

Stiftung Liebenau und ihre Gesellschaften die langjährigen

kleinen Handgriffe der verdienten Mitarbeiter. „Durch diese

Mitarbeiter. Prälat Michael H. F. Brock (Vorstand der Stif-

Feier wollen wir deutlich machen, dass hinter allem, was

tung Liebenau) würdigte Kreativität, Treue, Teamgeist,

hier bei uns geschieht, ein Mensch steht, dem wir danken.“

Die Jubilare der Stiftung Liebenau „Wir zählen beim Jubiläum nicht die nackte Jahreszahl, sie allein ist kein Qualitätsmerkmal. Vielmehr soll gefeiert werden, was sich hinter den Zahlen verbirgt. Und das tun wir mit Freude und großer Wertschätzung.“

Die Jubilare des Berufsbildungswerks Adolf Aich

Prälat Michael H. F. Brock, Vorstand der Stiftung Liebenau

„Mitarbeiter sind der größte Schatz, worauf ein Unternehmen bauen kann.“ Albert Erb, Leiter der BBW-eigenen Josef-Wilhelm-Schule

10 Jahre: Marianne Seeger, Anita Zacher, Matthias Schyra, Sonja Schäfer 15 Jahre: Hubert Elbs, Susanne Nahrmann, Helga Raible, Elisabeth Schneider, Annette Staiber, Pfarrer Dieter Worrings, 20 Jahre: Wolf-Peter Bischoff, Bernhard Deiß, Andreas Hiemer, Kurt Metzger 25 Jahre: Tilmann Wetzel

10 Jahre: Heiko Beermüller, Matthias Braun, Anneliese Domberg, Tanja Flechsler, Monika Gaiser, Milena Licul, Armin Stieler, Dolores Garcia Tafel, Jutta Uhlhaas, Mathias Wätzig, Pamela Weiß 20 Jahre: Ursula Baldauf, Roswitha Egger, Sonja Götz, Jutta Kubitscheck, Andre Münchow, Ursula Weißgerber 25 Jahre: Lothar Achenbach, Hans-Jürgen Gregor, Hilde Kienle 30 Jahre: Andrea Beck, Rainer Goetz, Thomas Höschele, Erwin Koch, Lutz Nischelwitzer, Gerhard Riek, Hubert Rieser, Erika Truckenmüller, Marlies Unterberger, Klaus Wohlhüter

Die Jubilare der Liebenau Service GmbH 10 Jahre: Diane Bail-Hermeneit, Jacqueline Brückner, Irene Kienle, Christa Lemm, Sabine Maucher, Kerstin Maxa, Angelika Schneck, Stefanie Trump, Oliver Tschismarov, Benjamin Utz, Renate Vonbach, Lucia Wank, Carolin Wilbold, Valentina Wolf, Dorothea Zuber 20 Jahre: Martha Giray, Uwe Lang 25 Jahre: Amara Keck, Tanja Stöckler 30 Jahre: Siglinde Amerein, Beate Amma, Erika Autenrieth, Sylvia Ziege 35 Jahre: Cornelia Kaupp, Marianne Maier, Klaus Reinecke 40 Jahre: Roland Zentgraf 45 Jahre: Elisabeth Mayr

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Stiftung Liebenau

„Sie geben der LiSe ein Gesicht und haben wesentlich zur Entwicklung unserer Gesellschaft beigetragen.“ Frank Moscherosch, Geschäftsführer Liebenau Service GmbH

Die Jubilare der St. Gallus-Hilfe „Dankbar kann man sein, in einer Gesellschaft zu leben, die diese Art von sozialer Hilfe möglich macht. Dass es so ist, wie es ist, hat auch viel mit Ihrer Arbeit zu tun. Sie gestalten Gesellschaft mit.“ Jörg Munk, Geschäftsführer der St. Gallus-Hilfe.

20 Jahre: Waltraud Baur-Viertel, Sylvie Besnard, Emilia Bohl, Joachim Bucher, Thomas Bürkle, Heiderose Bürkle, Sylvia Christberger, Sonja Czerwinski-Ritzer, Irmgard Demmler, Hildegard Feil, Irene Figilister, Olaf Fischer, Christina Gaupp, Carla Gitschier, Richard Gorski, Annette Gostner, Grazyna Gradzka, Susanne Hartleb, Martina Hengge, Petra Hillebrand, Heidrun Homeister, Necmiye Kalyoncu, Uwe Keßler, Heinz Lechleitner, Danuta Marczak, Andjelka Oschmann, Matthias Rueckgauer, Brigitte Sauter-Notheis, Anatoli Schepeta, Bernhard Schrapp, Gerlinde Schuster, Sylvia Unseld, Gerlinde Walka, Christine Weber, Irmgard Wimmer, Markus Wursthorn 25 Jahre: Barbara Ackermann, Armin Büchele-Gerster, Melanie Fisel, Vera Föhr, Bernd Klee, Petra Menner-Knörle, Rita Nell,

Die Jubilare der St. Lukas-Klinik 10 Jahre: Fehmi Akin, Walter Beyrle, Ivana Czogalla, Jasmin Danckert, Mareike Hundt, Nicola Kager-Hägele, Angela Kuckertz, Jerica Nedic, Gabriele Pitzmann, Sabine Schampel, Paul Schmidtgal, Oliver Sturm, Bettina Schorr 20 Jahre: Helga Brummert, Rita Boy, Sonja Fedhila, Peter Fröhlich, Ellen Hirschle, Angela Jonat, Hans Kittler, Angelika Krämer, Dr. Wolfgang Joh. Luger, Sibylle Müller, Daniel Mutzhaus, Markus Oberhofer, Margot Pietsch, Helge Rozanowske, Marion Willbold, Iris Seelhorst, Marion Stoll, Ulrike Straub, Simone Zeller 25 Jahre: Stefan Bartl, Armin Binder, Dr. Dorothea Ehrmann, Gabriele Horcher-Koch, Christiane Müller, Reinhilde Reger, Ursula Schönegg, Christina Sonntag, Daniela Wengert, Michael Wilson 30 Jahre: Susanne Brandmeier 35 Jahre: Ute Baganz

Rita Nußbaum, Walter Reichenberger, Andrea Sauter-Martin, Elke Schätzle, Brigitte Schmatz, Heinz Silbereis, Roland Steinbeck, Sybille Zenker 30 Jahre: Lucia Adam, Gisela Burkhardt, Margarete Crönert, Sylvia Daiber, Barbara Deiringer, Theresia Horcher-Tradowsky, Monika Kästle, Christel Kurella, Ingeborg Noll, Bruno Ott, Margarete Pfister, Ulrich Schleicher, Ferdinand Schwarzer, Thomas Vetter, Helmut Zeiler 35 Jahre: Sonja Abt, Anna Beck, Reinhard Donau, Ursula Frenzel, Franz Gitschier, Caroline Janezic, Angelika Lukes, Ingrid Renz, Rita Rothmund 40 Jahre: Brigitte Baur

„Danke dafür, dass sie aktiv dem Anliegen der St. Lukas-Klinik treu geblieben sind, sich engagiert für die Belange, Bedürfnisse und die persönliche Entwicklung von Menschen mit Behinderung einzusetzen.“ Werner Klinger, Prokurist und Heimleiter der St. Lukas-Klinik

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Stiftung Liebenau

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Immobilienverrentung mit Zukunft „ZustifterRente“ bietet lebenslanges Wohnrecht

von Susanne Droste-Gräff

nen Haus zu wohnen. Je nach Vereinbarung erhalten die Verkäufer eine lebenslange oder befristete monatliche Zahlung. Gegebenenfalls werden notwendige Reparaturen und größere Instandhaltungen von

LIEBENAU – Die Stiftung Liebenau hat für ihr Konzept der Immobili-

der Stiftung Liebenau getragen.

enverrentung für Senioren eine Auszeichnung erhalten: Sie gehört mit

„Der Clou aber, und das ist bei vielen unserer Zustif-

ihrer „ZustifterRente“ zu den Preisträgern im Wettbewerb „365 Orte im

ter auch einer der ausschlaggebenden Gründe, uns

Land der Ideen“, der von der Bundesregierung in Kooperation mit der

ihre Immobilie zu verkaufen, ist, dass ein möglicher

deutschen Wirtschaft ausgelobt wird. Jährlich werden 365 herausragende

Ertrag aus der Immobilie langfristig einem gemein-

Projekte und Ideen, die einen nachhaltigen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit

nützigen Zweck zugutekommt. Denn was zu Lebzei-

Deutschlands leisten, prämiert.

ten von der Altersvorsorge nicht verbraucht wird und auch nicht in die Erbmasse einfließen soll, wird den gemeinnützigen Zwecken der Stiftung Liebenau

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„Wir freuen uns, dass unserer ZustifterRente mit der

gewidmet“, erläutert Christoph Sedlmeier, Entwickler

Auszeichnung diese Innovationskraft bescheinigt

der ZustifterRente und Verantwortlicher für die Ver-

wurde“, so die Reaktion von Vorstand Dr. Markus

marktung.

Nachbaur. „Nach zaghaften Anfängen hat sich rasch

Seit Anfang der ZustifterRente vor etwa sieben Jah-

herausgestellt, dass wir ein Angebot entwickelt

ren haben bundesweit fast 50 Eigenheimbesitzer ihr

haben, welches sich bundesweit gut etabliert hat und

Haus auf diese Weise verkauft. „Nach steigender

ebenso gut nachgefragt ist. Sowohl die Senioren als

Resonanz in Presse und Fernsehen sind die Anfragen

auch die Stiftung Liebenau profitieren von der

in vergangener Zeit rasant gestiegen. Immer mehr

ZustifterRente.“

Menschen müssen sehen, wie sie ihr Alter gut absi-

Die ZustifterRente ist im Grunde ein Modell der

chern“, stellt Sedlmeier fest. Die Vereinbarungen

Altersversorgung. Sie basiert darauf, dass Eigenheim-

rund um den Verkauf der Immobilie sind sehr indivi-

besitzer, die möglichst lange in ihrem eigenen Haus

duell und können an die Lebenssituation der Verkäu-

wohnen möchten, dieses gegen eine laufende Zah-

fer angepasst werden. Auch deswegen freut sich

lung und die Einräumung eines dinglich gesicherten

Sedlmeier, bisher nur zufriedene Partner zu beglei-

lebenslangen Wohnrechtes an die Stiftung Liebenau

ten. Der berufliche Hintergrund und die finanzielle

verkaufen. Oft ist im Rentenalter aus den verschie-

Situation der Zustifter seien ganz verschieden. Sedl-

densten Gründen der bisherige Lebensstandard in

meier: „Vom ehemaligen Postbeamten bis hin zum

Gefahr. Unter Umständen wären ein Verkauf und

Saal-Chef im Spielcasino sind viele Berufssparten

damit in der Regel auch das Verlassen des gewohnten

dabei. Auch für viele Selbstständige, deren Alters-

Lebensumfeldes eine notwendige Folge. Die Zustifter-

versorgung Lücken aufweist, ist die ZustifterRente

Rente ermöglicht es nun, mietfrei weiterhin im eige-

sehr interessant“.

Stiftung Liebenau

„Wir bieten Hilfen im Gefahrenbereich“ Warum „Frühe Hilfen“ so wichtig sind

Die Fragen stellte Helga Raible

Familien oder Familien mit schwerkranken und sterbenden Kindern begleiten, durch Fachkräfte, die als „Fallmanager“ mit den Familien zusammen die nötigen professionellen Hilfen organisieren. Durch Frei-

LIEBENAU – Seit zwei Jahren wirbt die Stiftung Liebenau intensiv um

zeitangebote, die Kindern aus diesen Familien unbe-

Spenden für ihren Kinder- und Jugendhilfebereich. Über Hintergründe

schwertes Spielen ermöglichen. Und was mit das

und Bedarf sprachen wir mit Christoph Gräf, Koordinator des Liebenauer

Wichtigste ist, sie geben die Gewissheit: „Es ist

Netzwerks Famlie.

jemand für uns da.“ Dieser Rückhalt gibt viel Kraft für den oft schweren Alltag. Herr Gräf, für welche Projekte sind Spenden

Können Sie den Bedarf beziffern?

besonders wichtig?

Zwischen Überlingen und Isny kommen pro Jahr 40

Unsere finanziellen „Sorgenkinder“ sind vor allem

Kinder extrem früh zu Welt und brauchen nach

die „Frühen Hilfen“. Das sind niedrigschwellige

einem oft langen Klinikaufenthalt zuhause noch eine

Angebote zur Beratung und Begleitung von Familien

längere Zeit Pflege. 40 von 4 000. Ebenfalls 40 Kin-

in belastenden Lebenssituationen: das Projekt Well-

der kommen mit einer geistigen Behinderung zur

come, die sozialmedizinische Nachsorge, die famili-

Welt. 100 Kinder und ihre Familien müssen damit

enunterstützenden Dienste der Eingliederungshilfe,

zurechtkommen, dass sie lebensbedrohlich erkrankt

die Angebote für Geschwisterkinder oder der ambu-

sind. 100 von 100 000. 20 von ihnen wissen, dass sie

lante Kinderhospizdienst.

bald sterben werden. Es sind wenige Betroffene, gemessen an der Anzahl

Wer nimmt diese Hilfen in Anspruch?

der Bevölkerung. Im Landkreis Ravensburg leben 33

Prinzipiell kann jede Familie in eine Überforderungs-

Minderjährige auf einem Quadratkilometer. In Stutt-

situation kommen. Die Familie, deren Kind mit einer

gart sind es 430. Das bleibt nicht ohne Folgen. Wie

nicht behandelbaren Epilepsie und einer Lebenser-

erreicht das Hilfsangebot die Betroffenen, und mit

wartung von ein paar Wochen zur Welt kommt, die

welchem Aufwand kommt die Hilfe zur Familie? Wie

Eltern, deren Kind an Leukämie erkrankt, die Eltern,

organisiert man diese Hilfen und wie finanziert man

deren Kind mehrere Wochen zu früh zur Welt kommt

sie?

und das lange mit hohen gesundheitlichen Risiken leben muss. Es trifft Eltern mit einer tragfähigen

Stichwort Finanzierung: Gibt es für solche Hilfen

Beziehung und gutem familiären Rückhalt und

keine sozialrechtlichen Leistungen?

Alleinerziehende, Eltern mit und ohne Migrations-

In der Nachsorge und der Hospizarbeit haben die

hintergrund. Und es trifft Eltern, die darüber hinaus

Kranken- und Pflegekassen Pflichtaufgaben. Diese

in prekären Verhältnissen leben, weil sie selbst früh

Leistungen decken aber nur einen Teil der Kosten.

aus der Bahn geworfen wurden. Die Welt steht für sie

Andere Hilfen setzen zu einem Zeitpunkt ein, zu

alle aus heiterem Himmel Kopf.

dem es noch keine eindeutigen Ansprüche innerhalb der Sozialleistungssysteme gibt. Man könnte diesen

Wie helfen diese „Frühen Hilfen“ konkret?

Zeitpunkt den „Gefahrenbereich“ nennen, in dem

Sie bieten Sicherheit – auf ganz verschiedene Weise.

sich Krisen erst anbahnen. Unser Leistungssystem,

Durch den Einsatz von Ehrenamtlichen, die junge

im Gesundheitswesen ebenso wie in der Kinder- und

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Stiftung Liebenau

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Jugendhilfe oder Eingliederungshilfe, greift aber in vielen Fällen erst, wenn das Kind „in den Brunnen

Ihre Hilfe für die Frühen Hilfen

gefallen“ ist. Deshalb fördert die Stiftung Liebenau

Spendenkonto der Stiftung Liebenau

viele Hilfen für belastete Familien aus eigenen Mit-

Sparkasse Bodensee, Konto-Nr. 20 994 471

teln und mit Spendengeldern.

BLZ 690 500 01, Stichwort „Frühe Hilfen“

Neue Spielgeräte fördern Begegnungen GISOTON spendet 3.000 Euro für Spielplatz Hegenberg

von Helga Raible artige Ausgaben sind in den Tagessätzen nicht enthalten. Im Kinderdorf Hegenberg leben rund 100 Kinder und HEGENBERG - Die Firma Gisoton Wandsysteme (Aichstetten) unterstützt

Jugendliche mit Behinderungen. Der Spielplatz ist

mit einer Spende von 3.000 Euro den Spielplatz Hegenberg. Einen sym-

das Herz von Hegenberg – ein echter Treffpunkt für

bolischen Scheck überreichte Roland Teufel, Vertriebsleiter der Firma

die Ortschaft. Auch die Kinder aus der Umgebung

Gisoton Wandsysteme Baustoffwerke Gebhart & Söhne GmbH & Co. KG, an

kommen gern auf den schön gelegenen Platz. Beim

Dr. Berthold Broll, Vorstand der Stiftung Liebenau, und Christoph Gräf,

gemeinsamen Spiel ist es völlig egal, ob mit oder

Koordinator Liebenauer Netzwerk Familie.

ohne Behinderung – die Kinder finden zueinander, und unbehinderte Spielfreude ist täglich Realität.

„Die großzügige Spende ist ein wichtiger Baustein für die Anschaffung einer Seilpyramide für unseren Spielplatz“, so Dr. Broll. „So ein Klettergerüst steht

Für die Seilpyramide werden noch weitere

ganz oben auf der Wunschliste der Kinder!“. Mit

Spenden benötigt.

Hilfe der Gisoton-Spende ist die Erfüllung des

Spendenkonto: Stiftung Liebenau

Wunsches ein Stück näher gerückt. Für die Deckung

Sparkasse Bodensee, Konto: 20 994 471

der Anschaffungskosten ist die Stiftung Liebenau

BLZ: 690 500 01, Stichwort: Spielplatz Hegenberg

jedoch weiterhin auf Spenden angewiesen. Denn der-

Bei der Scheckübergabe: (v.l.): Christoph Gräf (Koordinator Liebenauer Netzwerk Familie), Roland Teufel (Vertriebsleiter der Firma Gisoton), Dr. Berthold Broll (Vorstand der Stiftung Liebenau), Schüler und Lehrer der Sonderschule Don Bosco. Foto: Niethammer

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Stiftung Liebenau

Inklusion bedeutet mittendrin zu sein Amtschef des Sozialministeriums tauscht sich mit Bürgermeistern aus

Betreuungsangebote auch verschiedene Förderricht-

von Ulrich Dobler

linien und einige ordnungsrechtliche Anforderungen angepasst werden müssten, um dem Inklusionsgedanken gerecht werden zu können. Nicht finanziert seien LIEBENAU – Das Thema Inklusion stand im Zentrum des Besuchs von

auch die Mehrbelastungen für die Infrastruktur in der

Ministerialdirektor Jürgen Lämmle (Ministerium für Arbeit- und Sozi-

Übergangsphase.

alordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg) in der

Nach Ansicht der Bürgermeister aus verschiedenen

Stiftung Liebenau. Mit dabei waren Bürgermeister aus den Kommunen, in

Standortkommunen gibt es einige wesentliche

denen die Stiftung Liebenau Dienste und Einrichtungen anbietet.

Erfolgsfaktoren für das Gelingen eines Zusammenlebens von Menschen mit und ohne Behinderung: Dazu gehört es, positive Beispiele öffentlich zu machen, Begegnungen bereits im Kindesalter zu ermöglichen und Freizeit- und Bildungsangebote für die Bürger

Inklusion – der fachliche und politische Schlüsselbe-

inklusiv zu gestalten. Die Nachfrage nach (sozialem)

griff bei der Diskussion über die Weiterentwicklung

Mietwohnungsraum, der im Zuge der Regionalisierung

der Hilfen für Menschen mit Behinderung ist heute in

von Wohnangeboten für Menschen mit Behinde-

aller Munde. Für Menschen mit Behinderung bedeutet

rungen steigen wird, sei eine Herausforderung, der

Inklusion konkret, mitten drin in der Gesellschaft zu

sich alle Beteiligten stellen müssten. Auch seitens

leben, zu wohnen, zu arbeiten. Doch welche Heraus-

des Landes müssten die Kommunen hierin weiter

forderungen für Trägerorganisationen und Kommunen

gestärkt werden, fasste Dr. Berthold Broll, Vorstand

sind mit einer entsprechenden Ortsentwicklung ver-

der Stiftung Liebenau, zusammen.

bunden? Am Beispiel der Ortsentwicklung Rosenharz machte

Sozialministerium moderiert Konversionsprozess

Jörg Munk (Geschäftsführer der St. Gallus-Hilfe) klar,

Ministerialdirektor Jürgen Lämmle betonte, dass die

dass für diesen Prozess ein gemeinsames Verständnis

Landesregierung in ihrer Koalitionsvereinbarung die

aller beteiligten Akteure notwendig sei. Neben der

weitere Umsetzung des Inklusionsgedankens und die

sozialplanerischen Abstimmung zwischen Landkreis

Konversionsthematik als wichtige landessozialpoli-

und Kommune seien vor allem eine positive Grund-

tische Ziele benannt hätte. Bis Ende des Jahres soll

haltung kommunaler Verantwortlicher, eine möglichst

eine erste Zielvereinbarung erarbeitet werden. Ange-

barrierearme Gestaltung kommunaler Infrastruktur

sichts der Herausforderungen für Träger und Kommu-

sowie eine kommunale Entwicklungsplanung mit

nen werde dies, wie jegliche politische Entscheidung,

Partnerschaften im Gemeinwesen von zentraler

Augenmaß erfordern.

Bedeutung. Schutzräume für Menschen mit besonders

In erster Linie müssen die Landkreise und die Kom-

schweren körperlichen oder geistigen Einschrän-

munen den Konversionsprozess steuern. Das Sozial-

kungen müssten bei der Regionalisierung und Ambu-

ministerium strebe in diesem Prozess jedoch eine

lantisierung von Wohn- und Betreuungsangeboten

zentrale Moderationsrolle an. Generell festzuhalten

aber weiterhin bestehen bleiben, betonte Prälat

sei, dass man von einer umfassenden inklusiven

Michael H. F. Brock, Vorstand der Stiftung Liebenau.

Gesellschaft noch weit entfernt sei, auch wenn sich

Stiftungsvorstand Dr. Markus Nachbaur wies zudem

die Akteure in der Region bereits erfolgreich auf den

darauf hin, dass bei der Gestaltung neuer Wohn- und

Weg gemacht hätten.

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Stiftung Liebenau

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„Kirche findet Stadt“ Gemeinsam für eine nachhaltige Stadtentwicklung

lung bereits jetzt durch das Engagement der Kirchen

von Christof Klaus

unterstützt wird. Einer von solchen insgesamt 36 bundesweiten Referenzstandorten ist Meckenbeuren mit den dortigen „Lebensräumen für Jung und Alt“. LIEBENAU – Bürgergemeinde trifft auf Kirchengemeinde, Stadtentwick-

Diese generationsübergreifenden Wohnprojekte der

lungspolitik auf kirchliche Wohlfahrt: Bei dem ökumenischen Projekt

Altenhilfe der Stiftung Liebenau stehen für eine

„Kirche findet Stadt“ werden neue Ansätze einer Zusammenarbeit auf

Kombination aus professioneller Gemeinwesenarbeit

lokaler Ebene diskutiert. Als Referenzstandort mit dabei: die „Lebensräu-

und gelebter Nachbarschaftshilfe mit enger lokaler

me für Jung und Alt“ der St. Anna-Hilfe in Meckenbeuren.

Vernetzung und Einbindung in das Quartier. Und dazu zählen neben Bürgerschaft oder Vereinen eben auch die kirchlichen Akteure.

Durch die Arbeit ihrer Wohlfahrtsverbände und

„Lebensräume“ als beispielhaftes Modell

der örtlichen Kirchengemeinden tragen die beiden

„Die Lebensräume-Projekte werden somit auch im

großen christlichen Kirchen in Deutschland einen

kirchlichen Raum als beispielhaftes Modell hervorge-

großen Teil zur Gestaltung und Stabilisierung von

hoben“, sagt Ulrich Kuhn von der Stabsstelle Sozial-

Wohnquartieren und Dorfgemeinschaften bei. Doch

politik der Stiftung Liebenau zur Aufnahme des

welche konkrete Rolle spielen sie für die zivilgesell-

Meckenbeurener Hauses in das KfS-Programm. So

schaftliche Entwicklung? Wie und mit wem lassen

gelten die Lebensräume für Jung und Alt mittlerwei-

sich an den Schnittstellen kommunalen und kirch-

le als wichtiger Impulsgeber für die soziale Gemein-

lichen Handelns nachhaltige Strukturen in den

deentwicklung. Erfahrungen aus der alltäglichen Pra-

Stadtteilen aufbauen? Mit solchen Fragen beschäftigt

xis, die Kuhn auch auf einer KfS-Veranstaltung im

sich die Initiative „Kirche findet Stadt“ (KfS), ein

Februar 2012 in Berlin vorstellte. Namhafte Teilneh-

ökumenisches Kooperationsprojekt, das von katho-

mer wie Ex-Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter

lischer und evangelischer Kirche sowie ihren jewei-

Steinmeier diskutierten über das Thema „Wie viel

ligen Wohlfahrtsverbänden – Caritas und Diakonie –

Kirche braucht die Stadt? Moderne Subsidiarität und

getragen wird.

die diakonische Dimension der Kirchen im Gemein-

Anhand von Praxisbeispielen aus ganz Deutschland

wesen“.

soll dabei aufgezeigt werden, wie Stadtteilentwick-

www.kirche-findet-stadt.de

Die Lebensräume in Meckenbeuren gehören zu den 36 Referenzstandorten des ökumenischen Projekts „Kirche findet Stadt“. Foto: Kästle

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Stiftung Liebenau

Die Stiftung Liebenau ist nun auch offiziell „Partner der Feuerwehr“. Über diese Auszeichnung freuen sich die Feuerwehrmänner und Stiftungsmitarbeiter (v.l.n.r) Stefan Sprenger, Bernd Dannemann, Florian Müller, Michael Staiber, Thomas Rudert ebenso wie die Stiftungsvorstandsmitglieder (Mitte v.l.) Prälat Michael H. F. Brock, Dr. Markus Nachbaur und Dr. Berthold Broll. Foto: Oberhauser

Treuer Partner der Feuerwehr Liebenauer Feuerwehrleute im Einsatz für die Gemeinde

Eingang der Stiftung Liebenau, die unter dem Bei-

von Christof Klaus

sein mehrerer „Floriansjünger“ aus Liebenau und dem dreiköpfigen Stiftungsvorstand – Prälat Michael H. F. Brock, Dr. Berthold Broll und Dr. Markus NachLIEBENAU – „Einer für alle – alle für einen.“ Nach diesem Feuerwehrleit-

baur – angebracht wurde.

spruch engagieren sich seit vielen Jahren auch Menschen aus der Stiftung

Neben Personal konnte die Feuerwehr im Laufe der

Liebenau für die freiwilligen Einsatzkräfte ihrer Gemeinde. Jetzt wurde

Jahre aber auch auf Sachressourcen zurückgreifen,

die Einrichtung offiziell als „Partner der Feuerwehr“ ausgezeichnet.

welche die Stiftung „großzügig und selbstverständlich zur Verfügung gestellt“ habe, so Gemeindekämmerer Simon Vallaster.

„Zusammen mit der Gemeinde hält die Stiftung Lie-

Stiftungsvorstand Dr. Nachbaur betonte ebenfalls die

benau die Infrastruktur der Feuerwehr für die Men-

„langjährige Freund- und Partnerschaft“ zwischen

schen im Oberen Bezirk vor“, hatte Bürgermeister

der Stiftung und der örtlichen Feuerwehr und ver-

Andreas Schmid schon beim jüngsten Festakt zum

sprach auch für die Zukunft, einen lebendigen Bei-

125-jährigen Jubiläum der Freiwilligen Feuerwehr

trag aus Liebenau zur Unterstützung der lokalen Ein-

Meckenbeuren diese aktive Zusammenarbeit gewür-

satzkräfte zu leisten: „Wir wollen auch weiterhin

digt. Als deren Zeichen ziert jetzt eine Plakette den

alles für den Nachwuchs tun.“

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Stiftung Liebenau

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„Auf Wiedersehn!“ – Nach eineinhalb Stunden Erinnerungsarbeit singt Betreuungsassistentin Ingrid Längst mit den Teilnehmern jedes Mal ein Abschiedslied. Foto: Sabine Centner

Hier ist immer was los Erinnerungsarbeit und Betreuungsangebote für Menschen mit Demenz

haarige Frau am Tisch wiederum erinnert sich an ihre

von Sabine Centner

Zeit in der Glasfabrik: „Das war eine schwere Arbeit“. Als es darum geht, Sprichwörter zu ergänzen und Gedichte oder Verse aus dem Poesiealbum aufzusagen BAD WURZACH – Morgens um zehn ist die Welt in Ordnung. Zumindest

– da wird rezitiert und erinnert, was das Langzeitge-

für die Senioren im Stift zum Hl. Geist in Bad Wurzach, denn morgens

dächtnis hergibt.

um zehn kommt Ingrid Längst und macht Programm. Dann ist was los im

Ruckzuck sind die eineinhalb Stunden Erinnerungs-

Pflegeheim der Heilig Geist – Leben im Alter. Fünfmal die Woche, von

arbeit vorbei. Am Nachmittag wartet das nächste

Montag bis Freitag, gibt es regelmäßige Gruppenangebote, je einmal vor-

Angebot. „Ja, es passiert wirklich viel“, sagt die

und einmal nachmittags.

gelernte Altenpflegerin zum Programm, das sie zusammen mit ihrer Kollegin Eva Madonia in einem festen Rhythmus für die Senioren gestaltet: Gymna-

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Mittwochs um zehn steht Erinnerungsarbeit auf dem

stik oder Sitztanz, Besuch des Wochenmarkts, Kegeln

Plan. 15 Senioren, 13 Damen und zwei Herren, haben

oder Ballspiele, religiöse Begleitung und Singen von

bereits Platz genommen im Mexiko-Zimmer, „der

Kirchenliedern, gemeinsames Aufräumen oder

gemütlichsten Stube des Hauses“. Ingrid Längst

Wäschesortieren am Nachmittag. „Die Bewohner wis-

kennt sie alle, weiß um ihre Vorlieben und Abnei-

sen, unter der Woche gibt es eine Struktur“, sagt

gungen, kennt ihre Biografie und die gesundheit-

Ingrid Längst. Und: „Man kann aus den Leuten so

lichen Probleme, die bei fast allen mit der Diagnose

viel herausholen, wenn sie etwas zu tun haben und

Demenz zu tun haben. Weil aber auch diese Men-

die Langeweile weg ist. Sie werden aufgeschlossener

schen ein anderes Leben hinter sich haben, jung und

und es gibt weniger Machtspielchen untereinander.“

gesund waren und ihren Alltag in Beruf und Familie

Die Angebote sind unerschöpflich: Ob Wellness, Däm-

bewältigt haben, tut es ihnen gut, wenn Erinne-

merschoppen, Tanznachmittag oder Maiwanderung,

rungen daran wach bleiben.

ob Zirkus, Modenschau, Besuch auf dem Bauernhof

„Was haben Sie früher gemacht, im Beruf?“, fragt

oder Mitfeiern des Heilig-Blutfests – die Bewohner

Ingrid Längst an diesem Morgen in die Runde und

des Stifts zum Hl. Geist sollen teilhaben am Leben.

bekommt so manche rasche Antwort: „Büroangestell-

Dass sie dabei auch von ihrem Standort direkt neben

te war ich und hab’ alles gemacht, was anfiel.“ „Ich

dem Schloss in Bad Wurzach profitieren, freut Ingrid

war in der Landwirtschaft und Hausfrau, hab’ d’ Stall

Längst besonders: „Wir haben das Glück, dass wir

g’macht und Mann und Kinder versorgt.“ Eine weiß-

mittendrin sind!“

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Altenhilfe

„Miteinander, nicht nebeneinanderher leben“ Sven Kästle ist jüngster Bewohnerbeirat

von Sabine Centner

RAVENSBURG - „Das Aufwachsen hier war sehr behütet. Von der Wohnsituation wird man richtig verwöhnt.“ Wenn Sven Kästle auf seine Kindheit und Jugend im Mehrgenerationenhaus der St. Anna-Hilfe am Ravensburger Gänsbühl zurückschaut, dann fallen ihm viele Vorzüge ein: Das Leben mitten in der Stadt, die kurzen Wege zur Schule und zum Einkaufen, nette Nachbarn im Haus, der Spielplatz direkt vor der Tür. Vor allem aber dies: „Man lernt hier viele sozial wichtige Kompetenzen.“ Sven Kästle ist 19 Jahre alt und jüngster Bewohnerbeirat der

19 Jahre alt ist Sven Kästle heute und seit seinem

Lebensräume für Jung und Alt Gänsbühl in Ravensburg.

vierten Lebensjahr in den „Lebensräumen für Jung

Foto: Centner

und Alt“ am Gänsbühl daheim. 1997 ist er mit seiner Mutter und der älteren Schwester in die Lebensräume für Jung und Alt eingezogen, hat von dort aus Kin-

und dem gleichberechtigt jeweils zwei Familien- und

dergarten und Schule besucht und viele Freunde

vier Bewohnerbeiräte angehören. „Ich empfinde uns

gefunden. Im nächsten Frühjahr wird er sein Abitur

als Team und kann deshalb auch manches abgeben“,

am Wirtschaftsgymnasium schreiben, vielleicht ein

sagt Susanne Weiss. Regelmäßig einmal pro Monat

Auslandsjahr zwischenschalten und dann studieren.

trifft man sich, wenn Vermietungen anstehen auch

Ans Ausziehen aus der Herrenstraße 43 allerdings

öfter. Für die Gemeinwesenarbeiterin ist der Bewoh-

mag er derzeit noch gar nicht denken.

nerbeirat „der Versuch, ein demokratisches Prinzip

Er hat dort ja auch noch seine Verpflichtungen: Seit

einzuführen“: „Wer mitmacht, hat die Möglichkeit,

dem vergangenen Jahr ist Sven Kästle gewählter

selbst etwas zu gestalten und bekommt nicht nur

Bewohnerbeirat, der jüngste überhaupt. Eine Famili-

etwas vorgesetzt.“

entradition gewissermaßen, denn auch seine Mutter

Susanne Weiss weiß aber auch: „Die Richtung, in die

hat sich in diesem Gremium engagiert. Bis zur Wahl

man fährt, hängt immer von den beteiligten Per-

2011: „Da habe ich sie mit einer Stimme über-

sonen ab.“ Über das jüngste Mitglied ihres Bewoh-

trumpft.“ Seitdem also kümmert sich Sven Kästle um

nerbeirats sagt sie anerkennend: „Sven ist sehr gut

die Belange seiner Mitbewohner, entscheidet mit,

sozialisiert.“ Schon als Kind habe er Aufgaben für

wenn es um die Auswahl neuer Mieter geht, sucht

die Hausgemeinschaft übernommen, etwa den Reini-

nach Lösungen, wenn sich Konflikte auftun. Ein

gungsdienst auf dem Spielplatz. Und heute ist es für

Thema derzeit ist die Parksituation: Rund um die

den jungen Mann absolut selbstverständlich, offen

Wohnanlage gibt es Kindergärten, einen Hort und

auf andere zuzugehen, ein Gespräch zu beginnen,

viele parkende Autos – so viele, dass bisweilen Roll-

sich für die Gemeinschaft zu engagieren oder zu hel-

stuhlfahrer blockiert werden, wie Kästle sagt.

fen, wenn jemand in einer Notlage ist.

Gemeinwesenarbeiterin Susanne Weiss ist stolz auf

„Das soziale Element in diesem Haus ist groß“, sagt

die Bewohnervertretung am Gänsbühl. Seit 15 Jah-

Sven Kästle. Kein Wunder, lautet doch das Motto in

ren, also seit Fertigstellung der Lebensräume, gibt es

der Anlage: „Miteinander, nicht nebeneinanderher

dieses Gremium, das alle zwei Jahre gewählt wird

leben.“

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Altenhilfe

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Bei den Fortbildungen machen die Ehrenamtlichen besondere Erfahrungen durch Selbstversuche, wie beim Lenken eines Rollstuhls. Foto: Oschwald

Ein Mittag mit Aha-Erlebnissen Durchgängige Begleitung für Ehrenamtliche

ihrer Familie oder begleiten samstags Freizeiten.

von Anne Oschwald

Einige haben schon längere Zeit Erfahrung, einige möchten ihr Ehrenamt starten. Bei der Fortbildung Anfang März ging es um den LIEBENAU – Wer sich ehrenamtlich bei der St. Gallus-Hilfe engagieren

Umgang mit Nähe und Distanz, die Unterstützung

möchte, erhält dauerhafte Begleitung sowie Fortbildungen, die nicht nur

bei Mahlzeiten und den sicheren Umgang mit dem

helfen, sich Wissen anzueignen, sondern auch den Dienst zu reflektieren.

Rollstuhl. Eine der beiden Referentinnen der St. Gallus-Hilfe, Christine Türk, sensibilisierte die Teilnehmer dafür, dass es wichtig ist, genau hinzuhören,

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Unsicher und unkoordiniert fahren die beiden Frauen

wenn es um die Wünsche von Menschen mit Behin-

in ihren Rollstühlen durch den Raum. Die Tür zu öff-

derung geht.

nen, ist für sie eine Herausforderung, die kleine

Bedeutend sind auch die Ressourcen der Menschen

Schwelle zu überwinden, ist harte Arbeit und die Tür

mit Behinderung: Die Ehrenamtlichen sollen ihnen

hinter sich zu schließen, fast nicht machbar. In den

nicht alles abnehmen, sondern sie vielmehr aktivie-

Gesichtern der Zuschauer steht Verunsicherung und

ren und fördern. Die jüngste Teilnehmerin schilderte

Ungläubigkeit geschrieben. Zum Glück handelt es

ihre Erfahrungen: „Die Kinder können oft viel mehr,

sich um einen Selbstversuch.

als die Eltern meinen.“

Während die beiden Frauen ihre Rollstühle bedien-

Referentin Ivonne Ciravolo übernahm den anderen

ten, erfuhren sie selbst und ihre Zuschauer hautnah,

Teil der Fortbildung. Sie vermittelte Inhalte rund um

welchen Barrieren und Schwierigkeiten Menschen im

Ernährung und Trinken. Ebenfalls in einem Versuch

Rollstuhl ausgesetzt sind. Der Perspektivwechsel bei

ließ sie die Anwesenden sich gegenseitig Wasser mit

der Fortbildung für Ehrenamtliche bei fortbilden &

dem Löffel reichen. Wer Essen reicht, kann dies

entwickeln der Stiftung Liebenau sorgte für Aha-

nicht ohne Kommunikation oder stehend machen, so

Erlebnisse bei den neun Teilnehmerinnen und einem

fanden die Ehrenamtlichen heraus. „Es ist demüti-

Teilnehmer.

gend und von oben herab.“

Dabei waren die meisten Anwesenden schon vertraut

Die Teilnehmerinnen gaben durchweg positive Rück-

im Umgang mit Menschen mit Behinderung und wis-

meldungen zur Fortbildung. „Ich habe sehr viel

sen, was es heißen kann, wenn zum Beispiel ein Kind

Informationen erhalten, die mir so nicht bekannt

behindert ist. Über den Familienunterstützenden

waren“, meinte eine Ehrenamtliche, die seit zwei

Dienst betreuen sie Kinder mit einer Behinderung in

Jahren tätig ist.

Menschen mit Behinderung

Genussradeln auf Pedelecs Gallus-Werkstatt bietet Vermietungsservice

aber nicht ermittelt werden. In Kooperation mit der

von Anne Oschwald

Region Waldburg, die ein Radwegenetz von 320 Kilometern bietet, vermietet die St. Gallus-Hilfe die Pedelecs. Sie erleichtern es, die hügelige Landschaft ROSENHARZ – Touren durch die hügelige Alpenvorlandschaft der Region

zu erradeln. Kartenmaterial ist beim Gästeamt Wald-

Waldburg werden seit Mitte April zum Genuss mit den Pedelecs, die von

burg erhältlich.

der St. Gallus-Hilfe in Rosenharz verliehen werden. Zur Infoveranstaltung

„Das geht ja fast von alleine“, meinte eine Frau beim

kamen viele Interessierte, um die modernen elektrounterstützten Räder

Anfahren. Zuvor erhielt sie eine Einführung von

zu testen. Highlight war das Geschicklichkeitsfahren der beteiligten

Albert-Jan Brunzema, dem Leiter der Gallus-Werk-

Bürgermeister der Region Waldburg.

statt Rosenharz. Bei schönstem Wetter und klarster Alpensicht erklärten er und seine Kollegen vielen Besuchern die Funktionsweise.

Am Start waren die Bürgermeister, deren Gemeinden

Pedelecs – alle mit tiefem Einstieg – können tage-,

gemeinsam die Region Waldburg bilden: Clemens Moll

wochenend- oder wochenweise gemietet werden.

(Amtzell), Christof Frick (Bodnegg), Holger Lehr

Vermietet werden auch Jugendräder. Helme, Kinder-

(Grünkraut), und Peter Smigoc (Vogt). Anstelle von

sitze und -anhänger gehören ebenfalls zur mietbaren

Reimund Hausmann (Bürgermeister Schlier) und

Ausrüstung. Mitarbeiter und Beschäftigte mit Behin-

Michael Röger (Bürgermeister Waldburg) traten Jörg

derung der Gallus-Werkstatt reinigen und warten die

Munk (Geschäftsführer St. Gallus-Hilfe) und Stefan

Gefährte und sorgen dafür, dass die Akkus vor Inbe-

Fricker (Leiter Bereich Arbeit und Bildung St. Gallus-

triebnahme vollständig aufgeladen sind. Als beson-

Hilfe) in die Pedale. Mit viel Spaß drehten die Wett-

deren Service bieten sie gegen eine zusätzliche

streiter ihre Runden. Ein eindeutiger Sieger konnte

Gebühr die Zustellung und die Abholung.

Die Bürgermeister der Region Waldburg beim Start zum Pedelec-Verleih (v.l.n.r.): Clemens Moll (Amtzell), Peter Smigoc (Vogt), Holger Lehr (Grünkraut) und Christof Frick (Bodnegg). Links: Albert-Jan Brunzema, Werkstattleiter in Rosenharz.Foto: Oschwald

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Menschen mit Behinderung

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Sag mir erst wie alt du bist … Fachtagung der Stiftug Liebenau

von Anne Oschwald und Christof Klaus

LIEBENAU – „Der Mensch steht in Gefahr unterzugehen, die Splitter scheinen bedrohlich, spitz, nicht angenehm, gar verletzend“, interpretierte Prälat Michael H. F. Brock (Vorstand der Stiftung Liebenau) das Titelbild der Einladung für den Fachtag der Stiftung Liebenau Ende März. Das Mädchen im Kapuzenpulli wirke wie hinter einem zerbrochenen Spiegel: auffällig und tieftraurig. „Wer gibt Halt?“ möchte der Betrachter wissen. Wie kann Erziehung, die in einem solchen Fall scheinbar an Grenzen stoße, überforderten Jugendlichen helfen? Wie könnte Hilfe aussehen, um eine demütigende Ausgrenzung zu verhindern und Jugendliche zu eigenständigen Persönlichkeiten heranwachsen zu lassen? Dem Thema des Fachtags „Identitätsentwicklung und -krisen bei jungen Menschen mit Intelligenzminderung“ stellten sich rund 100 Teilnehmer, darunter Fachleute der Stiftung Liebenau und ihrer Gesellschaften sowie externer Einrichtungen, aber auch Eltern von Kindern mit Behinderung. Zum Tagungsprogramm gehörten die wissenschaftlichen Referate von Prof. Dr. Andreas Lange (Hochschule Ravensburg-Weingarten) und Prof. Dr. Theo Klauß (Pädagogische Hochschule Heidelberg) ebenso wie sechs verschiedene Workshops – geleitet von Fachkräften aus verschiedenen Einrichtungen der Stiftung Liebenau – in denen diskutiert wurde und ein reger Austausch von Erfahrungen stattfand. Organisiert wurde der Tag von Christoph Gräf, dem Leiter des Liebenauer Netzwerks Familie, der auch als Moderator durch den Tag führte. Der Vortrag „Das Aufwachsen junger Menschen heute – Wie werde ich, der ich bin?“ (Lange) ist in seiner gesamten Länge im Internet zu finden unter www.stiftung-liebenau.de oder www.netzwerkfamilie.de

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Menschen mit Behinderung

„Was brauchen Kinder und Jugendliche, um gut ins

anderem auch junge Menschen mit einer Autismus-

Leben hineinzukommen?“ Geleitet von dieser Frage

Spektrum-Störung ausgebildet werden. Gerade bei

gab Moderator Christoph Gräf eine Zusammenfassung

dieser Klientel spiele der Aufbau persönlicher Bin-

der Arbeit in insgesamt sechs Fachforen, um noch ein-

dungen zwischen Jugendlichen und ihren Betreuern,

mal „den ganzen Blumenstrauß an Hilfen“ für junge

Lehrern und Ausbildern eine bedeutende Rolle: „Eine

Menschen mit Intelligenzminderung bei ihrer Identi-

gute Beziehung ist das A und O“, so Dr. Thelemann.

tätsentwicklung deutlich zu machen. Mit frühen Hil-

Klar sei, dass dies einen hohen personellen Aufwand

fen für Eltern und Kinder hatte sich das Forum „Wie

erfordere: „Mit einem Betreuungsschlüssel von eins

soll es jetzt weitergehen?“ auseinandergesetzt. Diese

zu 20 ist das nicht möglich.“ Ob denn ein besserer

müssten laut Katharina Kraft, Fachärztin für Kinder-

Ausbau der Regelsysteme Sondereinrichtungen wie

und Jugendmedizin in der St. Lukas-Klinik Liebenau,

das BBW überflüssig machen könne? „Ein Wunsch-

„so früh wie möglich“ einsetzen, idealerweise schon

traum“, verwies Dr. Thelemann auf die tatsächlichen

im Kleinkindalter „von null bis drei“ Jahren. Dabei

Gegebenheiten. Zudem werde es immer genug Aus-

spiele die Stärkung der Elternkompetenz eine große

nahmen geben, wo dieser Weg nicht funktioniere:

Rolle, zudem bedürfe es einer „sehr guten Vernetzung

Menschen, die ganz besondere Hilfen benötigen und

aller Beteiligten“, wie Kraft betonte.

derart spezielle Bedarfe haben, „die allein durch das

Unter dem Titel „Familie tut gut“ hatten die Mitar-

Regelsystem nicht gelöst werden können.“

beiter der St. Gallus-Hilfe ihr Konzept des Betreuten Wohnens in Pflegefamilien vorgestellt. Für die Syste-

Ruhe, Schutz und Rückzug

mische Familientherapeutin Martina Metzler-Weissen-

Ein Beispiel, wie junge Menschen auch in einer Son-

rieder beinhalte dies auch inklusive Aspekte, da den

dereinrichtung gut auf das „richtige“ Leben draußen

jungen Menschen die Chance geboten werde, sich „in

vorbereitet werden können, brachte Heilpädagoge

einem normalen familiären Umfeld zu entwickeln.“

Stephan Becker aus seinem Workshop mit. Auf die an

Dort – so die Heilpädagogin – erfahren die Kinder

einen ehemaligen Heimbewohner gerichtete Frage,

Struktur, Verlässlichkeit und Bindung, aber ebenso

was ihm am meisten geholfen habe, habe dieser

Autonomie.

geantwortet: „Enge Regeln, enge Grenzen.“ So könnten befristete stationäre Hilfen den Jugend-

Wie viel Inklusion ist möglich?

lichen den nötigen Halt vermitteln und sie quasi

Das Thema Inklusion stand auch im Mittelpunkt des

„wieder auf den Boden zurück holen“.

von der Koordinatorin des Integrationsfachdienstes,

Konkrete Fallbeispiele diskutiert wurden auch im

Doris Hog, geleiteten Forums. Profitieren Kinder mit

Fachforum der St. Lukas-Klinik, das den Beitrag der

Teilhabeerschwernissen vom Besuch von Regelkinder-

Kinder- und Jugendpsychiatrie bei der Bewältigung

garten und -schule? Braucht es hier überhaupt noch

von Krisen beleuchtete. Auslöser für solche Situati-

ein Sondersystem? Wohin ein Kind komme, sei „zual-

onen seien oft zu hoch gesteckte Ziele, wie Stefan

lererst die Entscheidung der Eltern“, meinte Hog, die

Meir, Leitender Psychologe der Psychiatrischen Insti-

selbst die Erfahrung gemacht habe: „Inklusion ist in

tutsambulanz der St. Lukas-Klinik, erläuterte. Hier-

vielen Kindergärten möglich“. Mit der unterstüt-

bei könne die Psychiatrie – sei es ambulant oder

zenden Arbeit von Fachkräften in den jeweiligen Ein-

auch stationär – einen Platz für Rückzug und Ruhe

richtungen sei es gleichwohl nicht getan. Denn: „Die

bieten und die Betroffenen gegebenenfalls auch vor

eigentliche Integrationsleistung findet im Alltag

sich selbst schützen.

statt.“ In Sachen schulische Inklusion sei man dagegen noch in den Anfängen, auch was die finanziellen

Menschen nicht alleine lassen

Ressourcen angehe: „Es gibt noch keine klaren Struk-

Bei allen Hilfen – so das Schlusswort von Christoph

turen.“

Gräf – gehe es letztendlich in erster Linie darum,

Mit der Frage „Wie viel Spezielles braucht es noch,

„die Menschen nicht alleine zu lassen“ und den

wie viel Regelhaftes geht?“ wandte sich Christoph

Betroffenen die Gewissheit zu geben, „dass es auch

Gräf dann an Dr. Stefan Thelemann vom Berufsbil-

in der Krise immer noch Systeme gibt, die für einen

dungswerk Adolf Aich Ravensburg (BBW), wo unter

da sind.“

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Menschen mit Behinderung

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Anita B. aus Lindau wird von den Ambulanten Diensten der St. Gallus-Hilfe im Alltag unterstützt. Das Persönliche Budget ermöglicht die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Foto: Wörner

Als Mensch wahrgenommen werden Hilfemix ermöglicht Leben in den eigenen vier Wänden

gen. „Das genieße ich sehr.“ Auch beim Einkauf

von Claudia Wörner

neuer Kleidung war Eva Sasse bereits behilflich. Nun freut sich Anita B. schon auf die wärmere Jahreszeit und gemeinsame Unternehmungen im Freien. LINDAU – Anita B.* ist körperlich stark eingeschränkt und lebt in ihren

Im Rahmen des Persönlichen Budgets – ein Geldbe-

eigenen vier Wänden in Lindau. Möglich ist dies durch einen Hilfemix,

trag, mit dem sich Menschen mit Behinderung oder

der auf ihre individuelle Situation abgestimmt ist. Mit im Boot sind die

chronischer Erkrankung selbst Leistungen einkaufen

Ambulanten Dienste der St. Gallus-Hilfe, die Sozialstation und das Deut-

können – kommen ehrenamtlich Tätige für eine Auf-

sche Rote Kreuz.

wandsentschädigung weitere sieben Stunden pro Woche zu Anita B.. Ziel des Persönlichen Budgets ist, Die Frühlingssonne strahlt durch das Fenster, und

die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu fördern.

der Blick geht hinaus ins Grüne. So schön die Aus-

„Es ist tatsächlich so – seit ich wieder mehr unter

sicht vom Balkon auch ist, die Wohnung im ersten

Leute komme, habe ich das Gefühl, am Leben teilzu-

Stock ist für Anita B. alles andere als ideal, da sie sie

nehmen“, so ihre Erfahrung. Anita B. hat vielfältige

allein fast nicht mehr verlassen kann. Sie leidet seit

Interessen und besucht gemeinsam mit den Ehren-

zwölf Jahren unter Polyarthritis, einer entzündlichen

amtlichen diverse Veranstaltungen, geht ins Kino

Gelenkserkrankung. Wobei – die Worte leiden und

oder auch mal ins Café. Über die Sozialstation erhält

Krankheit hört Anita B. nicht gern. „Ich spreche viel

sie Hilfe im Haushalt und bei der Körperpflege.

lieber von Herausforderungen.“ Eine davon ist, das

Außerdem kaufen Mitarbeiter des Deutschen Roten

Leben in den eigenen vier Wänden mit entspre-

Kreuzes mit Anita B. zusammen Lebensmittel ein

chender Unterstützung zu meistern. „Das ist mir

und können für spezielle Fahrten angefordert wer-

sehr, sehr wichtig. Ich könnte mir nicht vorstellen,

den.

in einer stationären Einrichtung zu leben“, sagt die

„Wichtig ist mir, dass ich als Mensch wahrgenom-

53-Jährige.

men werde“, betont Anita B. Im Alltag wird sie oft

Seit September 2011 wird Anita B. von den Ambu-

genug an ihre Herausforderung erinnert. Die Schmer-

lanten Diensten der St. Gallus-Hilfe in Lindau beglei-

zen lassen sich nicht ignorieren. „Ich versuche,

tet. Mitarbeiterin Eva Sasse kommt ein Mal pro

jeden Tag neu anzunehmen und mich darüber zu

Woche für drei Stunden zu ihr, um sie im Alltag zu

freuen, dass ich da bin.“ Ein großer Lichtblick wäre

unterstützen. „Wir kochen zum Beispiel gemeinsam

eine barrierefreie, bezahlbare Wohnung im Erdge-

ein Gericht, das ich alleine nicht zubereiten kann, da

schoss. „Damit wäre mir unglaublich geholfen.“

ich die Karotten oder Kohlrabi nicht mehr schneiden kann“, erzählt Anita B. An manchen Tagen werde einfach nur geredet oder auch mal gemeinsam gesun-

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Menschen mit Behinderung

* Name von der Redaktion geändert

Erfahrungen in der Wand helfen im Alltag Therapeutisches Klettern im Berufsbildungswerk Adolf Aich (BBW)

von Claudia Wörner

„Klettern erfordert eine hohe Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit dem eigenem Körper und mit Gefühlen“, sagt Simone Krafcsik, die seit fünf Jahren die Kletter-AG im BBW-Wohnheim leitet. Die Gruppe

RAVENSBURG – Klettern ist ein ganzheitliches Erlebnis und spricht

fuhr regelmäßig in die Kletterhalle nach Friedrichs-

Körper, Geist und Seele an. Jeder, der schon mal auf dem Gipfel eines

hafen oder nutzte Gelegenheiten zum Klettern in der

Berges stand, kennt dieses Gefühl. Im Berufsbildungswerk Adolf Aich

Natur. Seit Oktober 2011 gibt es nun auch in der

(BBW) hat das Therapeutische Klettern einen hohen Stellenwert. Die

BBW-Turnhalle eine Kletterwand. „Gerade für unsere

Erfahrung zeigt, dass ganz unterschiedliche Jugendliche für diesen Sport

Jugendlichen ist dieser Sport wertvoll, da er Grenz-

zu begeistern sind und dass das Klettern positive Auswirkungen auf ihren

erfahrungen bietet, die sie in ihrer Freizeit immer

Alltag hat.

wieder suchen und brauchen“, weiß die Jugend- und

Klettern macht Spaß, verleiht Körperbeherrschung und Gleichgewicht. Es dient auch der Überwindung von Ängsten und Unsicherheiten.

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Bildung

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Heimerzieherin. Beim Klettern können sie sich aus-

schiedlichsten Jugendlichen im Rahmen der Kletter-

probieren und erzielen schnell Erfolgserlebnisse. Auf-

AG miteinander zu Recht kommen. „Ich hatte sowohl

merksamkeit, Konzentration und die Übernahme von

Jugendliche mit ADHS, Autismus, Störung des Sozi-

Verantwortung sind gefragt.

alverhaltens oder Borderliner in der Gruppe.“ Alle

Dies bestätigt Jens Boison, der das Klettern im Rah-

seien im Rahmen einer Klettereinheit sehr gut mitei-

men der Ergotherapie einsetzt. „Neben den moto-

nander ausgekommen, konnten sich gegenseitig

rischen Fähigkeiten wie Kraftausdauer, Körperbeherr-

unterstützen und voneinander lernen. „Im anderen

schung und Gleichgewicht geht es um das Überwin-

Kontext verhalten sich die Jugendlichen oft völlig

den von Unsicherheiten und Ängsten“, so Boison.

anders, können ihre gewohnten Rollenmuster durch-

Eine ganz wichtige Rolle spiele auch das Vertrauen.

brechen und sich neu ausprobieren.“

Zum einen das Selbstvertrauen, aber auch das Ver-

Wichtig ist beiden der Transfer in den Alltag. An

trauen in die Person, die einen sichert. „Nicht

erster Stelle nennt Jens Boison das gestärkte Selbst-

umsonst spricht man von einer lebensverbindenden

vertrauen als Basis für die Ausbildung. Schreiner-

Seilschaft“, sagt der Ergotherapeut. Viel Wert legt er

Azubi Benjamin Schenk kann das nur bestätigen:

auf die anschließende Reflexion, wie sie in der Erleb-

„Ich konnte meine Angst vor der Höhe überwinden.

nispädagogik üblich ist: Wie fühle ich mich, was hat

Außerdem lernt man im Team, den anderen zu ver-

mir geholfen, was war hinderlich?

trauen.“ Stefan Fischer, ebenfalls in der Ausbildung zum Schreiner, lernte an der Kletterwand eine Eigen-

Senkrechtstarter und Sprücheklopfer

schaft von sich kennen, die er in den Alltag übertra-

Interessant und spannend sei die Arbeit mit den

gen konnte. „Ich habe gemerkt, dass ich ehrgeizig

Klettergruppen. „Ruhige Jugendliche entpuppen sich

bin, nicht so schnell aufgebe und es schaffen will“,

oft als Senkrechtstarter, und so manchem Sprüche-

erzählt er. Außerdem nennen die beiden Jugend-

klopfer geht auf dem Weg nach oben die Luft aus“,

lichen übereinstimmend den Spaß, den sie bei dieser

berichtet Jens Boison. Für Simone Krafcsik ist es

Sportart haben.

immer wieder beeindruckend, wie gut die unter-

Teamgeist und Vertrauen beim Klettern lassen sich auch auf andere Bereiche übertragen. Mit Knoten für die Sicherheit kommt auch das handwerkliche Geschick nicht zu kurz. Fotos: Kästle

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Bildung

Fachlagerist und BBW-Absolvent Marcel Neumann beim Staplerfahren auf dem Leergutplatz der AL-Logistik GmbH in Isny. Foto: Butscher

Zuerst Praktikum, dann Festanstellung BBW-Absolvent Marcel Neumann

fährt den Stapler, be- und entlädt die LKWs. Bei

von Elke Benicke

Bedarf übernimmt Marcel Neumann auch gerne die Regie. Seine Probleme mit der Theorie habe er in der Praxis jedenfalls mehr als wett gemacht, sagt Stefan RAVENSBURG/ISNY – Drei Jahre sind es nun schon, die Marcel Neumann

Sutter, Fuhrparkleiter und Ausbilder bei der AL-

bei der AL-Logistik GmbH in Isny arbeitet – zunächst als Auszubildender

Logistik , einem traditionsreichen Allgäuer Logistik-

des Berufsbildungswerks Adolf Aich Ravensburg (BBW), seit September

unternehmen mit rund 200 Mitarbeitern, das sich auf

vergangenen Jahres als ausgelernter Fachlagerist. Die Nähe zur Praxis,

die Verteilung von Obst und Gemüse spezialisiert

„das wirkliche Leben“, wie Marcel Neumann es nennt, hat dem heute

hat. „Marcel Neumann ist ein wirklicher Praktiker,

23-Jährigen gut getan, hat ihn gefordert und gefördert. „Lehrjahre sind

ein Mitarbeiter, der sich voll einbringt und dem

keine Ehrenjahre“, bemerkt er und ist stolz, dass er sie gemeistert hat.

keine Arbeit zu schmutzig ist. Wenn er so weitermacht, geht er einen guten Weg, dann stehen ihm viele Türen offen – intern wie extern.“

„Es freut mich, dass Marcel im Unternehmen und

Zukunftspläne hat Marcel Neumann allerdings noch

damit in der Gesellschaft Fuß gefasst hat“, sagt Klaus

keine. Im Moment „passt alles“. Auch schätzt er

Bussenius, Betriebsleiter für Wirtschaft und Verwal-

sehr, dass sein Arbeitsplatz nur fünf Minuten von

tung im BBW. Es freut ihn gleich doppelt: Zum einen,

seiner Wohnung entfernt sei. Er weiß, wovon er

weil er ihm vor drei Jahren die Praktikumsstelle bei

redet: Als er nach einer abgebrochenen Ausbildung

der AL-Logistik vermittelt und ihn zusammen mit

zum Verkäufer seine Ausbildung zum Fachlageristen

dem Bildungsbegleiter betreut hat, zum anderen,

am BBW begann, fuhr er täglich zwei Stunden von

weil eine solche Kontinuität heute nicht selbstver-

Scheidegg nach Ravensburg und zurück – ein Leben

ständlich sei. „Marcel hat seinen Platz gefunden, ist

im Internat kam für ihn nicht in Frage. Dennoch ist

der richtige Mann am richtigen Ort“, lobt Bussenius.

Neumann überzeugt: „Ins BBW zu gehen, war der

„Ich geh‘ halt arbeiten, fertig aus“, relativiert der

richtige Weg, war mein Glück! Ich war betreut und

junge Mann.

gleichzeitig gefordert.“

Hinzu kommt, dass ihm sein Beruf „Spaß macht“,

Zudem kümmert sich das BBW von Anfang an darum,

und er sich mit den Kollegen gut versteht. In seinem

dass möglichst jeder Auszubildende einen Prakti-

Bereich, dem Leergutplatz der AL-Logistik, erledigt

kumsplatz in der Nähe des jeweiligen Wohnortes

der ausgebildete Fachlagerist alle Aufgaben gern:

bekommt. Für Marcel Neumann klappte es zum zwei-

Gemeinsam und im Wechsel mit den fünf Kollegen

ten Lehrjahr bei der AL-Logistik – in räumlicher und

dort kontrolliert und kommissioniert er das Leergut,

auch in beruflicher Hinsicht.

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Bildung

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Neuer Internetauftritt: Max-Gutknecht-Schule Ulm im Netz ULM – Seit 2011 ist die Max-Gutknecht-Schule des

nahme (BvB) oder den weiteren schulischen Angebo-

Berufsbildungswerks Adolf Aich (BBW) in Ulm als

ten wie Stütz- und Förderunterricht? Aktuelle Mel-

eigenständige Schule staatlich anerkannt – zuvor

dungen, eine Bildergalerie sowie Infos über die

war sie eine Außenstelle der Ravensburger Josef-Wil-

Anmeldung samt Formularen zum Download runden

helm-Schule. Nun präsentiert sich die unter einem

die kompakte Internetpräsenz der Max-Gutknecht-

Dach mit dem Regionalen Ausbildungszentrum (RAZ)

Schule ab. Klicken Sie sich rein!

und der St. Gallus-Hilfe in der „Schillerstraße 15“ untergebrachte Bildungseinrichtung auch im Internet mit einem eigenen Auftritt. Unter www.max-gutknecht-schule.de erfährt man alles Wissenswerte über die Ulmer Sonderberufs- und Sonderberufsfachschule: Welche Ausbildungsberufe werden dort begleitet, wie ist der Unterricht strukturiert, was verbirgt sich hinter dem Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf (VAB), der Berufsvorbereitenden Bildungsmaß-

Weitere Informationen finden Sie unter: Stiftung Liebenau

www.cafe-miteinander.de

Dienstleister und Stiftungsbetriebe

www.stiftung-liebenau.de

www.fortbilden-entwickeln.de

www.lise-gmbh.de

www.christliche-hospizstiftung.de

www.max-gutknecht-schule.de

www.kochwerk-rv.de

www.zustifterrente.de

www.raz-ulm.de

www.lbu-gmbh.com

www.ifsb.rv.schule-bw.de

www.lbu.ag

Altenhilfe

www.ligas-gmbh.de

www.st.anna-hilfe.at

Hilfe für Kinder und Jugendliche

www.liebenauer-landleben.de

www.altenhilfe-liebenau.de

www.netzwerkfamilie.de

www.liebenauer-brennholz.de

www.pflegeheim-helios.ch

www.akrobat-hilft.de

www.teamwork-kommunikation.de

www.dorfplatz-sg.ch

www.kinderhospiz-nikolaus.de

www.liebenauer-brennholz.de

www.casa.or.at

www.kindernachsorge-rv.de www.kinderhospizdienst-amalie.de

Hilfe für Menschen mit Behinderung www.st.gallus-hilfe.de

www.schloss-badwurzach.de

www.bulgarisch-deutsches-sozialwerk.de

www.christliches-sozialwerk-ggmbh.de

Gesundheit

www.bruesseler-kreis.de

www.don-bosco-schule.de

www.st.lukas-klinik.de

www.netzwerk-song.de

www.kjp-bernsteinstrasse.de

www.stiftung-heilig-geist.de

Bildung

www.bbw-rv.de

www.bbw-produkte.de

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Sonstige Tätigkeiten

WWW www.wellcome-online.de

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Bildung

Erinnerung an die wichtigen Dinge Vorlesestunde zum Tag der Kinderhospizarbeit im Medienhaus am See

von Claudia Wörner

FRIEDRICHSHAFEN – Zum bundesweiten Tag der Kinderhospizarbeit am 10. Februar las Lesementorin Jeanette Schild-Rauch im Friedrichshafener Medienhaus am See für Kinder ab fünf Jahren das Bilderbuch „Die wichtigen Dinge“ von Peter Carnavas. Bei der anschließenden Bastelaktion wurde sie von Christiane Röhner unterstützt. Sie ist Koordinatorin beim Ambulanten Kinderhospizdienst AMALIE, eine Kooperation des Malteser Hilfsdienstes und der Stiftung Liebenau.

W

Gemütlich sitzen die Kinder auf runden Kissen im Kreis im „Ausguck“ des Friedrichshafener Medienhauses und lauschen aufmerksam der Geschichte von

Im Anschluss an die Lesung bastelten die Kinder zusammen

Christopher und seiner Mama. Sie muss alles alleine

mit Lesementorin Jeanette Schild-Rauch (rechts) und Chris-

machen, weil Papa nicht mehr da ist. Irgendwann

tiane Röhner vom Ambulanten Kinderhospizdienst AMALIE

packt sie Papas alte Sachen in eine Kiste, um sie auf

ihre eigene Erinnerungskiste. Foto: Wörner

den Trödelmarkt zu bringen. Aber wie durch ein Wunder taucht ein Stück nach dem anderen wieder auf: die Kaffeetasse mit dem Sprung, alte Schuhe,

Landkreis Ravensburg unterstützt der Kinderhospiz-

ein grüner Schlapphut und sogar das Glas mit dem

dienst Familien, in denen ein Kind lebensbegrenzt

Goldfisch. „Ich wollte mich erinnern“, sagt Christo-

erkrankt oder ein Elternteil gestorben ist.

pher, der die Sachen heimlich wieder nach Hause

Bei der Arbeit von AMALIE gehe es weniger darum,

holte. „Und ich wollte vergessen“, meint die Mama.

Fragen nach dem Warum in der belastenden Situati-

Die Kinder nahmen es mit großer Selbstverständlich-

on zu beantworten oder ausschließlich das schwerst-

keit hin, dass Christophers Papa nicht mehr da ist,

kranke Kind zu begleiten. Es sind oft die ganz alltäg-

und es leuchtete ihnen ein, wie wichtig die Erinne-

lichen Dinge, für die den Eltern die Zeit oder die

rung ist. Gern bastelten sie sich eine Erinnerungskiste.

Kraft fehlen. „Lachen und Freude haben trotz allem

Lesementorin Jeanette Schild-Rauch und AMALIE-

Leid Platz in den Familien“, weiß Christiane Röhner.

Koordinatorin Christiane Röhner unterstützten die Kinder bei der Auswahl von bunten Federchen, kuscheligem Pelzstoff, Treibholzstückchen, bunten Glitzersteinchen, Muscheln und Wolle. Eifrig beklebten sie ihre Kistchen mit dem Material, das das Friedrichshafener Spielehaus zur Verfügung gestellt hat.

Für die Familien ist der Kinderhospizdienst kostenlos. Deshalb ist AMALIE auf Spenden ange-

Umgang mit einem Tabuthema

wiesen: Stiftung Liebenau, Sparkasse Bodensee,

Den deutschlandweiten Tag der Kinderhospizarbeit

Konto 20 994 471, Bankleitzahl 690 500 01,

nahm auch AMALIE zum Anlass, die Arbeit der

Stichwort: AMALIE.

Öffentlichkeit vorzustellen. Im Bodenseekreis und im

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Kinder und Jugend

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Auf großes Interesse stieß die Fachtagung zur Stärkung der Geschwister von chronisch kranken oder behinderten Kindern. Foto: privat

Prävention durch bedarfsgerechte Projekte 2. Fachtagung „Gemeinsam für Geschwister“ setzt neue Impulse

Privatdozent Dr. Michael Kusch, Leiter des Instituts

von Anne Oschwald

für Gesundheitsförderung und Versorgungsforschung Bochum, stellte das Früherkennungsinstrument LARES vor. Mit Hilfe der LARES-Fragebogen kann die NÜRNBERG – Auf der größten deutschen Fachtagung „Zugänge, Inhalte

individuelle Belastung und der Leidensgrad des

und Methoden in der Arbeit mit Geschwisterkindern“ am 16. und 17.

jeweiligen Geschwisterkindes ermittelt werden. „Das

März in Nürnberg tauschten sich Wissenschaftler und Praktiker aus dem

Verfahren wurde in einer Studie mit 141 Eltern-Kind-

Medizin- und Sozialbereich über die Begleitung von Geschwistern chro-

Paaren geprüft und ist so konzipiert, dass anhand

nisch kranker oder behinderter Kinder aus. Eingeladen hatten im Namen

der Befragungsergebnisse gezielte Beratung und wei-

der Initiative FamilienBande das Institut für Sozialmedizin in der Pä-

tergehende Hilfen angeboten werden können“,

diatrie Augsburg (ISPA) sowie die Stiftung Liebenau. Auch im zweiten

erläuterte Kusch. Derzeit wird LARES Fachkräften aus

Jahr zog diese Veranstaltung wieder über 100 Experten aus Deutschland,

dem medizinischen Bereich sowie dem Sozialbereich

Österreich und der Schweiz an.

vorgestellt. Es besteht zudem für Fachkräfte die Möglichkeit, über die Homepage der Initiative (www.initiative-familienbande.de) den Fragebo-

Aus wissenschaftlicher Perspektive erläuterte Prof.

gen auszufüllen und auswerten zu lassen.

Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff vom Zentrum für Kinder-

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und Jugendforschung der Hochschule Freiburg die

Angebot „Geschwisterzeit“

Thematik der Resilienz, also der seelischen Wider-

Die Stiftung Liebenau bietet zusammen mit den Ko-

standskraft bei Kindern mit besonderen Belastungen:

operationspartnern St. Jakobus Behindertenhilfe in

„Gute Problemlösekompetenzen und Selbststeue-

Zußdorf und der Schule für Blinde und Sehbehinder-

rungsfähigkeiten spielen eine Schlüsselrolle in der

te in Baindt ein regelmäßiges Angebot für Geschwis-

Bewältigung der Herausforderungen, denen ein

terkinder an. Auf dem Programm stehen Veranstal-

Geschwisterkind ausgesetzt ist.“ Die meisten gesun-

tungen wie ein Hüttenwochenende, kreative und

den Geschwisterkinder sind Studien zufolge in ihrer

erlebnispädagogische Unternehmungen, Seminare zu

Lebensqualität nicht beeinträchtigt. Ein Zustand, der

speziellen Fragen und Anliegen der Geschwister-

dennoch als fragil gilt und sich, abhängig von den

kinder, Elternabende und ein Tag für die ganze Fami-

individuellen Umständen, schnell ändern kann. Prä-

lie. Da die Geschwisterzeit nicht von einer Regelfi-

vention nimmt daher in der Geschwisterkinderarbeit

nanzierung getragen wird und von den Eltern ledig-

eine Schlüsselposition ein, um die Geschwisterkinder

lich geringfügige Unkostenbeiträge verlangt werden,

nachhaltig zu stärken.

ist dieses Angebot auf Spenden angewiesen.

Kinder und Jugend

Arbeitsplätze optimal gestaltet Menschen mit Behinderung erhalten optimierte Arbeitstische

teil ist die ergonomisch ideale Anpassung der

von Johanna Wurm

Arbeitsplätze an die Mitarbeiter. Ein weiterer positiver Aspekt ist die Optimierung des Arbeitsablaufes. Die Beschäftigen werden zum Beispiel so aufgeteilt, LIEBENAU – Nach ausgiebiger Planungsphase sind sie nun im Einsatz:

dass sie nur mit denjenigen zusammenarbeiten, mit

die neuen Arbeitstische für die WfbM-Beschäftigten im Textilservice

denen sie gut auskommen. So werden Konfliktsitua-

der Liebenau Service GmbH (LiSe). Hier wird frisch gewaschene Wäsche

tionen zu Gunsten einer deutlichen Reduktion des

zusammengelegt und anschließend nach den einzelnen Wohngruppen der

Geräuschpegels im Raum vermieden.

St. Gallus-Hilfe sortiert.

Trotz des nun eher „starren“ Systems kann der Textilservice sich problemlos auf die Bedürfnisse des Einzelnen einstellen. Hat jemand zum Beispiel

Im Gegensatz zum vorherigen Gruppentisch gibt es

Schwierigkeiten, den ganzen Tag stillzusitzen,

für die LiSe-Beschäftigten einige positive Neue-

bekommt er die Aufgabe, die gefaltete Wäsche in die

rungen. Was früher an einem quadratischen Tisch

einzelnen Wagen der verschiedenen Gruppen zu sor-

passiert ist, wird heute an Zweier-Tischen geleistet,

tieren. Andere Beschäftigte, die zu bestimmten Uhr-

die in der Mitte mit einem Rollband verbunden sind.

zeiten oder Tagen lieber für sich sind, haben die

Jeder Kollege aus der WfbM hat in diesem Bereich

Möglichkeit, an einem der ebenfalls neuen Einzel-

seinen eigenen festen Arbeitsplatz. Ein großer Vor-

tische zu arbeiten. Neben den ergonomischen und arbeitsorganisatorischen Vorteilen werden mit dem neuen System auch Verantwortung und Teamfähigkeit der Beschäftigten gefördert. Sie kümmern sich unter anderem darum, dass immer genug Wäsche zum Falten an ihrem Tisch vorhanden ist. Kann jemand durch verschiedene Einschränkungen diese Verantwortung nicht übernehmen, gibt es Kollegen, die frische Wäsche mitbringen. Durch die Aufteilung der Arbeitsplätze hat jeder Mitarbeiter einen „Arbeitspartner“. Bei all den Möglichkeiten haben jedoch immer die Fachkräfte für Arbeit und Bildung (FAB) die Kompetenz, situativ zu entscheiden, wie viel Forderung und Förderung je nach Tagesform bei den Beschäftigten möglich ist. Auch hier wirkt sich die neue Arbeitsplatzgestaltung positiv aus. Die neu gewonnene Übersichtlichkeit und die konfliktvermeidende Aufteilung fördern nämlich die Effizienz der ganzen Gruppe. Durch die ergonomisch angepassten Arbeitsplätze im Textilservice läuft die Arbeit noch besser von der Hand. Foto: privat

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Dienstleister und Betriebe

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Von Naschkatzen und hungrigen Wölfen Kindergartenkinder von Liebenau essen in der Kantine

wir hier auf die Bedürfnisse der Eltern und Kinder

von Martina Noppel

eingehen. Gerade für Berufstätige, egal ob alleinerziehend oder Elternpaare, ist dieses Angebot sehr attraktiv“, erklärt Benzinger. LIEBENAU - Es ist Mittagszeit in der Kantine Liebenau. Von Weitem

Ein Tisch in der Ecke der Cafeteria wird bewusst für

nähert sich lachend eine kleine, bunte Gruppe der Kantine der Liebe-

die Kinder frei gehalten, damit sie nicht zu stark

nau Service GmbH. Egal ob Sonnenschein oder Wind und Wetter: sieben

vom Kommen und Gehen der anderen Gäste abge-

Kinder zwischen zwei und sechs Jahren machen sich mit ihren beiden

lenkt werden. Eine Mitarbeiterin der Kantine Liebe-

Erzieherinnen vom Kindergarten Liebenau auf den Weg zum Mittagessen.

nau rollt das Essen auf einem Servierwagen direkt an den Tisch. Mit großen Augen beobachten alle, wie Claudia Forstenhäusler, eine Erzieherin, die Teller verteilt – ganz wie im Märchen deckt sich der Tisch mit Gläsern, Wasser und Fruchtsaft sowie dem heißen Essen. Hungrig soll hier niemand bleiben. Benzinger lächelt beim Beobachten der Kinder: „Nicht jedes Gericht kommt bei unseren kleinen Gourmets gleich gut an.“ Toni und Julie essen gerne Salat, während sich andere völlig reserviert zeigen. Nur bei einem Gericht sind sich alle Kinder einig: Schnitzel mit Pommes sind toll. „Die Kantine Liebenau kümmert sich sehr gut um uns, wenn wir mit den Kindern zum Essen kommen“, erwähnt Benzinger lobend. Manchmal kommt es vor, dass ein Kind ein Gericht nicht mag, dann bekommt es eine Portion des anderen Tagesgerichts. Schließlich sollen alle zufrieden sein. Dazu tragen auch die

Gemeinsam schmeckt es den Kindern und den beiden Erzieherinnen vom Kindergarten

beliebten Vorspeisen wie Suppen und Salate sowie

Liebenau in der Kantine. Foto: privat

die leckeren Desserts bei. Das Projekt Kantinenbesuch hat mehrere positive Aspekte. Neben dem Spaziergang an der frischen Luft und dem besonderen Erlebnis, außer Haus zu

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Auf die ungewöhnlichen Kantinengäste wartet hier

essen, bietet das Mittagessen in der Kantine Liebe-

drei Mal pro Woche ein warmes Gericht. Kindergar-

nau auch Begegnungen mit Menschen mit Behinde-

tenleiterin Jutta Benzinger beschreibt die Begeiste-

rung als wichtige Erfahrung. Positiv ist auch eine

rung der Kinder: „Für unsere Kleinen ist das Mittag-

weitere Zusammenarbeit zwischen Kindergarten Lie-

essen in der Kantine wie ein Restaurantbesuch etwas

benau und der Stiftung Liebenau: Regelmäßig kön-

ganz Besonderes. Entsprechend groß ist daher immer

nen Praktikanten aus der Werkstatt für Menschen

die Vorfreude.“ Seit September 2010 kommen sie

mit Behinderung in den Alltag der Erzieherinnen

gemeinsam zum Essen. „Uns ist ganz wichtig, dass

schnuppern.

Dienstleister und Betriebe

Das letzte Wort Die Qual der Wahl

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,

vor einigen Jahrzehnten war der Umgang mit Informationen und Medien mit Sicherheit einfacher. Da gab es nur wenige Fernsehprogramme, viele hörten Radio oder lasen Tageszeitung und vielleicht das eine oder andere Buch. Das Wichtigste aus der Welt erfuhr man abends aus der Tagesschau oder am nächsten Morgen aus der Zeitung. Die zwischenmenschliche und auch die geschäftliche Kommunikation lief über Gespräche, Briefe und das Telefon. Letzteres verfügte damals noch über keine weiteren Funktionen. Menschen und Institutionen, die etwas zu sagen hatten, Firmen, die etwas verkaufen wollten, Politiker, die um Stimmen warben, wussten daher, was zu tun ist, wenn man Menschen flächendeckend erreichen und mit wichtigen oder weniger bedeutsamen Informationen beglücken wollte. Aber der Fortschritt hat auch vor den Kommunikationsmedien nicht Halt gemacht. Verbesserte Übertragungstechniken, der Einzug des digitalen Fernsehens und Hörfunks, Internet, E-Mail, Intranet, Smart Phones, die Sozialen Medien sorgten für die globale Vernetzung der Menschen und den einfachsten Zugang zu täglich wachsenden Informationspools. Dies führte zu atemberaubenden Veränderungen in der pri-

Medienkompetenz wird zentral

vaten und geschäftlichen Kommunikation. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Die Folgen sind spürbar und gravierend. Die Beschleunigung der Kommunikation und die leichte Verfügbarkeit von Informationen aller Art muss von jedem Nutzer erst einmal bewältigt werden. Wer nicht mit-

und von elementarer Bedeutung, Unterscheidensfähigkeit ist notwendig, die Sensibilität

kommt, ist früher oder später abgeschnitten. Während sich früher jeder selbst darum kümmern musste, wie sie

für die Fallstricke und die

oder er an persönlich relevante Informationen kommen konnte, sind heute Abermillionen damit beschäftigt, tagaus, tagein aus dem un-

Gefahren im Netz muss

überblickbaren und dauerhaft flutenden Infostrom das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen. Sie haben zunehmend Mühe, sich einen pri-

entwickelt werden.

vaten Freiraum zu erhalten und „echte“ Beziehungen zu real existierenden Menschen aus Fleisch und Blut zu pflegen. Denn die Sogkraft der virtuellen Welt ist groß.

Dabei steht nicht zur Diskussion, dass die aktuellen Kommunikationsangebote, vernünftig verwendet, das Wolf-Peter Bischoff, Chefredakteur

eigene Leben erleichtern, die Lebens- und Arbeitsqualität deutlich erhöhen können, dass sie Spaß machen und auch soziale Beziehungen befruchten können. Auf Eltern, Kindergärten, Schulen, Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen kommt eine nachhaltige und anspruchsvolle Aufgabe zu. Medienkompetenz wird zentral und von elementarer Bedeutung, Unterscheidensfähigkeit ist notwendig, die Sensibilität für die Fallstricke und die Gefahren im Netz muss entwickelt werden. Die neuen Kommunikationsangebote bieten Freiheit wie nie zuvor. Im Guten und im Bösen. Diese sinnvoll zu nutzen, erfordert aber, mit der Freiheit auch umgehen zu können. Was bedeutet das für die Stiftungskommunikation? Ich meine zweierlei: Wer nicht mitmacht, wird nicht wahrgenommen. Wir kommunizieren deshalb unsere Botschaften online und offline in professioneller Qualität, aber so, dass die Würde aller dargestellten Personen in jedem Fall gewahrt wird und Mediennutzer gleichzeitig emotional und intellektuell angesprochen werden. Und zweitens prüfen wir sehr sorgfältig, welche Medien dem Stiftungszweck dienlich sind und welche Medien Risiken beinhalten: für unsere Mitarbeiter, für die Menschen, um die wir uns kümmern, und für unser eigenes Image. Erscheint uns das Risiko zu hoch, verzichten wir. Hype hin oder her. Wolf-Peter Bischoff Chefredakteur

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Das letzte Wort

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Spot an Spot an

Ihre Meinung ist gefragt, Matthias Friedetzky!

Matthias Friedetzky, alleinerziehend, drei Kinder, Ausbilder der Kaufleute für Bürokommunikation im BBW

Ihr größtes Talent?

Ihre Meinung zum „Anstifter“?

Beredsamkeit.

Ich hätte gerne die Zeit, ihn häufiger und umfangreicher zu lesen.

Welche Fähigkeit möchten Sie besitzen?

Christliche Werte in der Gesell-

Empathie.

schaft sind für mich... … wichtig. Sie geben uns Sinn und

Wie halten Sie es mit der Reli-

Orientierung.

gion? Ich glaube und ich toleriere die

Soziale Berufe sind wertvoll,

Einstellungen aller Mitmenschen.

weil ...

Seit wann arbeiten Sie in der

…mechanistische und ökono-

Stiftung?

Haben Sie ein Lebensmotto?

mische Persönlichkeitsmodelle

2006

Es gibt nichts Gutes, außer man

nicht stimmen.

tut es (Erich Kästner). Was lesen Sie am liebsten?

Das Image sozialer Berufe könnte

Ernest Hemingway, Günter Grass,

Was schätzen Sie an der Stiftung

verbessert werden, wenn ...

John Irving, Kurt Vonnegut.

Liebenau?

…die lange Ausbildung, her-

Vielfalt und Tradition.

vorragende Qualifikation sowie

Welche Musik hören Sie gerne?

psychisch und körperlich herausfor-

Bis auf deutsche Volksmusik so

Was gefällt Ihnen besonders an

dernde Tätigkeit ihre Entsprechung

ziemlich alles.

ihrer Tätigkeit?

in einer angemessenen Honorie-

Der tägliche Umgang mit Jugend-

rung fänden.

Ihr Traum vom Glück?

lichen lässt mich jung fühlen, und

Zeit für die wichtigen Menschen in

ich brauche keine Angst zu haben,

meinem Leben zu haben.

in Routinen zu verfallen.

Haben Sie Vorbilder?

Was möchten Sie mit ihrer Arbeit

Ja – Eltern und Freunde, die mich

erreichen?

unerschrocken durch mein bishe-

Es ist mir wichtig, dass die Welt

riges Leben geleitet haben und

jeden Tag ein kleines bisschen bes-

dabei nie müde wurden und auf-

ser wird.

gaben.

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