Anmerkung zum Urteil des BGH vom 19.09
March 18, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
Short Description
Download Anmerkung zum Urteil des BGH vom 19.09...
Description
Ermächtigung eines Miterben zur Einziehung einer Nachlassforderung mit Stimmenmehrheit BGH, Urteil vom 19.09.2012 – XII ZR 151/10 (OLG Frankfurt/Main 2 U 117/10; LG Gießen 9
O 57/10) BGB §§ 745, 2038, 2039, 2040 Die Erbengemeinschaft kann mit Stimmenmehrheit einen der Teilhaber zur Einziehung einer Nachlassforderung ermächtigen, sofern dies einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht (im Anschluss an Senatsurteile BGHZ 183, 131 = FamRZ 2010, 119 und vom 20. Oktober 2010 – XII ZR 25/09 – NJW 2011, 61): Problem: Gehört ein Anspruch zum Nachlass, so kann gem. § 2039 BGB der Verpflichtete mit schuldbefreiender Wirkung nur an alle Erben gemeinschaftlich leisten und jeder Erbe nur die Leistung an alle Erben fordern. Dabei kann jeder Miterbe verlangen, dass der Verpflichtete die zu leistende Sache für alle Erben hinterlegt oder, wenn sie sich nicht zur Hinterlegung eignet, an einen gerichtlich zu bestellenden Verwahrer abliefert. Unstreitig war bisher, dass die Leistung auch an einen Miterben erfolgen kann, wenn dieser von allen übrigen Miterben hierzu ermächtigt wurde. Streitig war, ob dies auch mit einfacher Stimmenmehrheit erfolgen kann. Sachverhalt: Die Klägerin, eine GmbH, war aufgrund eines rechtskräftigen Urteils verpflichtet, an die aus den Beklagten zu 1 und 2 bestehende Erbengemeinschaft Mietrückstände zu zahlen. Der Beklagte zu 1 war an der Erbengemeinschaft zu dreiviertel Anteil beteiligt und zugleich Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin. Er eröffnete unter der Kontobezeichnung „Erbengemeinschaft A. G.“ ein Bankkonto, nachdem er den Beklagten zu 2 vergeblich aufgefordert hatte, der Eröffnung eines gemeinschaftlichen Bankkontos zuzustimmen. Auf dieses Konto zahlte die Klägerin die titulierte Forderung. Die Parteien stritten über die Frage, ob mit der Zahlung auf dieses Konto die titulierte Forderung erfüllt war. Die Klägerin erstrebte mit der Klage die Herausgabe des Schuldtitels und die Erklärung der Zwangsvollstreckung für unzulässig. Das LG Gießen hat der Klage stattgegeben. Diese Entscheidung wurde hat das OLG Frankfurt aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der BGH hat der von der Klägerin eingelegten Revision stattgegeben und das erstinstanzliche Urteil wieder hergestellt. Entscheidungsgründe: Zur Begründung führt der BGH aus, die Zahlungen der Klägerin hätten gem. §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1 BGB Erfüllungswirkung gehabt. Der Beklagte zu 1 und Miterbe mit dreiviertel Anteilen sei zur Entgegennahme der Zahlung aufgrund der durch seine Anteilsmehrheit am Nachlass ermöglichten Einziehungsermächtigung befugt gewesen. Diese Einziehungsermächtigung habe sich der Beklagte zu 1 aufgrund seiner Anteilsmehrheit nach §§ 2038 Abs. 2, 745 Abs. 1 Satz 1 BGB selber erteilen können. Danach könne durch Stimmenmehrheit eine der Beschaffenheit des gemeinsamen Gegenstandes entsprechende ordnungsgemäße Verwaltung beschlossen werden. Selbst wenn nur zwei Teilhaber vorhanden seien und die Anteile unterschiedlich groß seien, so habe automatisch einer von vornherein die Mehrheit. Das Mehrheitsprinzip würde dadurch nicht außer Kraft gesetzt. Da zur Verwaltung einer gemeinschaftlichen Forderung auch deren Einziehung gehören könne, könne mit Stimmenmehrheit eine Einzugsermächtigung erteilt werden, sofern dies
einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspräche. Dem stehe auch § 2040 Abs. 1 BGB nicht entgegen. Danach sei zwar eine Verfügung über einen Nachlassgegenstand nur gemeinschaftlich möglich. Es könne aber offen bleiben, ob die Einziehung einer Forderung oder die Einziehungsermächtigung nach §§ 362 Abs. 2, 185 BGB zugleich eine solche Verfügung darstelle. Soweit es sich zugleich um eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung handele, fände § 2038 BGB „vorrangig“ Anwendung. Habe ein Miterbe die Stimmenmehrheit, könne er auch im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung ohne besondere Förmlichkeiten einen Mehrheitsbeschluss fassen. Der Minderheit brauche auch keine ausreichende Gelegenheit zur Mitwirkung gegeben zu werden. Allenfalls ließe sich an die Pflicht zur Gewährung angemessenen Gehörs denken. Dies brauche aber nicht entschieden zu werden, da der Beklagten zu 2 zur Mitwirkung an der Errichtung des Kontos aufgefordert worden war. Der Beklagte zu 1 sei auch nicht analog § 34 BGB von seiner Stimmrechtsausübung wegen einer bestehenden Interessenkollision ausgeschlossen gewesen, da die Beschlussfassung nicht die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm betroffen habe. Es sei lediglich um die Empfangnahme einer Leistung gegangen. Dies stelle für die Erbengemeinschaft aber ein ausschließlich vorteilhaftes Geschäft dar, welches keine Interessenkollision auszulösen vermöge. Die von dem Beklagten zu 1 getroffene Bestimmung, den titulierten Betrag auf das von ihm eröffnete Konto einzuziehen, habe auch den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprochen. Bei einer Hinterlegung nach § 2039 Satz 2 BGB hätten die titulierten Mieteinnahmen nämlich nicht zur Begleichung laufender Kosten zur Verfügung gestanden.
Kommentar: Die Entscheidung ist die konsequente Fortführung der Rechtsprechung des BGH zu den §§ 2038ff. BGB. Bis zu der Entscheidung des BGH vom 11.11.2009 (FamRZ 2010, 119) war das Verhältnis von § 2038 BGB zu § 2040 BGB umstritten. Teilweise wurde die Auffassung vertreten, wonach § 2038 BGB der Vorrang zukomme. Danach sollten mehrheitlich beschlossene Maßnahmen der ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung auch Verfügungsgeschäfte umfassen (so z. B. Palandt/Edenhofer, BGB, 72. Aufl., § 2038 Rdnr. 5 m.w.N). Eine Mindermeinung vertrat die Ansicht, dass Verfügungen über einen Nachlassgegenstand als Maßnahmen ordnungsgemäßer Verwaltung mit Stimmenmehrheit vorgenommen werden könnten, wenn dadurch das nach § 2040 Abs. 1 BGB geschützte Interesse der Miterben nicht wesentlich beeinträchtigt sei (so z. B. Brox/Walker, Erbrecht, 23. Aufl., Rdnr. 507). Die überwiegende Meinung nahm mit der früheren Rechtsprechung an, dass § 2040 Abs. 1 BGB die speziellere Vorschrift sei. Danach müssten Verfügungen, selbst wenn sie zugleich eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung sind, von sämtlichen Miterben gemeinschaftlich vorgenommen werden (MünchKomm/Gergen, BGB, 5. Aufl., § 2038 Rdnr. 53 m.w.N.). In der Entscheidung vom 11.11.2009 hat der BGH sich zunächst für den Fall der Kündigung eines Mietverhältnisses der erstgenannten Auffassung angeschlossen. In der Entscheidung vom 20.10.2010 (NJW 2011, 61) hat der BGH diese Auffassung auch für die Bruchteilsgemeinschaft bestätigt. Nun scheint der BGH generell dem § 2038 BGB Vorrang vor dem § 2040 BGB einräumen zu wollen, wenn er ausführt, dass die Wirksamkeit eines Mehrheitsbeschlusses allein davon abhänge, ob es sich bei der beschlossenen Maßnahme um eine ordnungsgemäße Verwaltung handelt. Die damit gewonnene Rechtsklarheit ist zu begrüßen. Die Handlungsfähigkeit einer Erbengemeinschaft wird durch die erweiterte Möglichkeit, Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung, die zugleich eine
Verfügung über einen Nachlassgegenstand darstellen, mit Stimmenmehrheit auch wirksam im Außenverhältnis beschließen zu können, gestärkt.
Praxistipp: Es verbleibt auch nach der Entscheidung des BGH vom 19.9.2012 dabei, dass nur Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung mit Stimmenmehrheit beschlossen werden können. Abzustellen ist dabei auf den Standpunkt eines vernünftig und wirtschaftlich denkenden Beurteilers (BGHZ 183, 131). Diese Frage kann auch weiterhin zur gerichtlichen Überprüfung gestellt werden. Die Entscheidung hilft auch dann nicht weiter, wenn in der Erbengemeinschaft Parität herrscht. Um das Problem der „blockierten Erbengemeinschaft“ zu verhindern, ist die Anordnung einer Testamentsvollstreckung auch weiterhin das probateste Mittel.
Dr. Klaus Martin Klassen, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht sowie Bank- und Kapitalmarktrecht, Bonn
View more...
Comments