AN 14-4 - Landesvereinigung Baden-Württemberg - VVN-BdA

May 2, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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aktuell

1 Nummer 4 Dezember 2014

Inhalt

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Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!

Inhalt aktuell Dieter Lachenmayer 40. Landesdelegiertenkonferenz der VVN-BdA Baden-Württemberg Demokratie leben, Neonazis stoppen, Frieden wahren! S. 3

Einen guten Rutsch in ein aktives 70. Jahr der Befreiung wünschen die Redaktion der Antifa Nachrichten und der Landesvorstand der VVN-Bund der Antifaschisten .

Alfred-Hausser-Preis vergeben: Barrierefreier Stadtrundgang zu Widerstand und Verfolgung S. 6 Janka Kluge Laudatio zum Alfred-Hausser-Preis: Geschichte geht uns alle an S. 7 Dieter Keller Berufsverbotsopfer fordern Rehabilitierung: Sei keine Duckmaus – Wir lassen uns den Mund nicht verbieten! S. 9

Geschichte Marius Schuppert / Kurt Pätzold Faschismus oder Nationalsozialismus – Welcher Begriff ist richtig? „Das heutige Deutschland will sich nicht mit Geschichte kommen lassen“ S. 11 Silke Makowski Der antifaschistische Widerstandskampf der Roten Hilfe Deutschlands: „Helft den Gefangenen in Hitlers Kerkern!“ S. 12

Aus den Kreisen Karlsruhe: „Verschwunden aber nicht vergessen

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Reutlingen: Herausforderung für Handeln!

S. 16

Pforzheim: Langer Atem bleibt notwendig

S. 16

Offenburg: Gedenktafel für die Opfer des Faschismus am Bahnhof S. 17 Leserbrief

S. 18

Literatur und Medien

S. 18

Wir gratulieren

S. 19

Titelbild: Blick in die Landesdelegiertenkonferenz. Foto: Thomas Trüten Redaktionsschluss der Ausgabe: 16. März 2015

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Impressum Die AntiFa-Nachrichten werden herausgegeben von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) Bund der Antifaschisten, Landesvereinigung Baden-Württemberg e.V. Anschrift: Böblinger Str. 195 70199 Stuttgart Telefon: 0711 - 60 32 37 Telefax: 0711 - 60 07 18

Email: [email protected] Internet: http://bawue.vvn-bda.de/

Redaktion: Janka Kluge, Dieter Lachenmayer (V.i.S.d.P) Die AntiFa-Nachrichten erscheinen 4 mal jährlich. Für Mitglieder der VVN Bund der Antifaschisten ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten. Für Nichtmitglieder kostet das Abonnement EUR 10, der Einzelpreis beträgt EUR 1,50. Konten: BW Bank Stgt., DE62 6005 0101 0002 1197 48 BIC:SOLADEST600 Postbank Stuttgart, DE14 6001 0070 0052 4277 07 / BIC: PBNKDEFF600 Druck: Grafische Werkstatt, E. Knödler, Benningen auf 100 % RecyclingPapier.

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40. Landesdelegiertenkonferenz der VVN-BdA Baden-Württemberg

Demokratie leben, Neonazis stoppen, Frieden wahren! Am 1. und 2. November fand die mittlerweile 40. Landesdelegiertenkonferenz der VVN-Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V. in der Göppinger Stadthalle statt. Der Tagungsort war bewußt bereits Ende letzten Jahres gewählt geworden. Seit Jahren ist der Kreis Göppingen vermehrt von neofaschistischen Aktivitäten geplagt. Allein im Jahre 2012 kam es zu acht Aufmärschen oder ähnlichen Aktionen der „Autonomen Nationalisten Göppingen“ einer besonders aggressiven Nazigruppe. In der Zwischenzeit wurden zwar die Behörden aktiv. Seit Januar ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Mitglieder dieser Gruppe wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Mehrere Mitglieder der autonomen Nationalis-

Grußworte vom DGB und von ver.di, oben Bernhard Löffler, unten Leni Breymaier Fotos: Thomas Trueten

ten wurden nach Hausdurchsuchungen verhaftet und müssen sich nun mit der Justiz auseinandersetzen. Das führte zwar bisher zu einem Rückgang ihrer Aktivitäten – die jährlich für Oktober angekündigten Aufmärsche wurden abgesagt. Dennoch sind die Nazistrukturen im Kreis Göppingen weiter vorhanden, bleibt Wachsamkeit und Gegenwehr der Antifaschistinnen und Antifaschisten weiter notwendig. Mit unserer Konferenz wollten wir alle Initiativen in Göppingen, die sich gegen neofaschistische Aktivitäten wehren, unterstützen und auch ermuntern die in den letzten Jahren hervorgetretenen Differenzen zwischen ihnen zurückstellen. Möglicherweise waren es gerade diese Differenzen, die den Göppinger OB bewogen uns zwar eine „diskussionsfreudige und ergebnisreiche Konferenz“ zu wünschen, sich ansonsten aber lapidar zu entschuldigen. Das fehlende Grußwort der Stadt machten andere Grußworte wett. Die Grüße des Deutschen Gewerkschaftsbundes überbrachte Bernhard Löffler, Regionsgeschäftsführer der DGB-Region Nordwürttemberg.

Für ver.di begrüßte deren Bezirksleiterin Leni Breymaier unsere Delegierten. Anstelle des OB ging Leni Breymaier unter anderem auch auf die für Antifaschisten schwierige Situation in ihrem Heimatkreis Göppingen ein. Um gegen die in Göppingen virulenten neofaschistischen Kräfte vorzugehen, fehle es eben auch am guten Willen von Stadtverwaltung und OB, die Naziaktivitäten lieber klein redeten als ihnen entgegen zu treten. Ganz ähnlich äußerte sich der Göppinger Linke Stadtrat Christian Staehle, der vor einiger Zeit Morddrohungen erhielt und auch von Nazis körperlich angegriffen worden war. Die Auseinandersetzung mit den vielen neofaschistischen Aktivitäten nicht nur in Göppingen stand auch im Mittelpunkt des Grußwortes das Jens und Alex für das Antifaschistische Aktionsbündnis der Region Stuttgart überbrachten. Ihr Beitrag war vorgezogen worden, weil sie gemeinsam mit vielen anderen nach Weinheim wollten um dort gegen den kurzfristig dorthin verlegten NPD-Parteitag zu demonstrieren. Die Konferenz gab ihnen selbstverständlich solidarische

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flechtungen der naziterroristischen NSU bewertete Jochen Dürr als erfolgreich. Obwohl mit der Einsetzung einer Enquetekommission der Weg zu einer unabhängigen Untersuchung zunächst verbaut schien, trug unsere unsere Kampagne dazu bei, die Zweifel an den bisherigen Untersuchungsergebnissen der Behörden wachzuhalten und damit jenen politischen Druck zu entfalten, der schließlich die Option auf einen Untersuchungsausschuss offen hielt. dessen Arbeit und Ergebnisse werden wir nun kritisch begleiten müssen. Auch unsere Bemühungen, die Erinnerung an die Verbrechen des historischen Faschismus und die Leistungen des Widerstands zu bewahren konnten sich im Berichtszeitraum sehen lassen.

Erfolgreiche Arbeit …

Der scheidende Landessprecher Jochen Dürr, hier bei seiner Verabschiedung Grüße an alle AntifaschistInnen mit auf den Weg, die sich dort der NPD in Weg stellten. Manfred Jansen sprach das Grußwort für den Bezirksvorstand der DKP Baden-Württemberg.

Kein Naziaufmarsch ohne Proteste Die Frage, wie Neofaschistische Aktivitäten am erfolgreichsten zurückgewiesen werden können, war auch einer der Schwerpunkte des Rechschaftsberichtes des Landesvorstands, den der scheidende Landessprecher Jochen Dürr hielt. Er berichtete von den vielen Aktionen, die in den vergangenen zwei Jahren notwendig wurden, um den Aufmärschen und der Hetze offen faschistischer Kräfte entgegenzutreten. Schwerpunkte dabei waren Göppingen und Pforzheim. So unterschiedlich die politischen Bedingungen in beiden Städten auch sind, so ähnlich stellen sich doch die Schwierigkeiten und Probleme dar, die gemeinsame und erfolgversprechenden Aktivitäten der NazigegnerInnen immer wieder erschweren. In der Regel sind es unterschiedliche Auffassungen über Aktionsformen, die immer wieder Berührungsängste und Abgrenzungsversu-

che auslösen. Nicht überall ist angekommen, dass sich demonstrativer Protest und inhaltliche Auseinandersetung mit der menschenverachtenden Naziideologie auf der einen Seite und die unmittelbare Präsenz an den Aufmarschorten der Nazis um diese menschenverachtende Hetze zu verhindern, nicht ausschließen, sondern gegenseitig ergänzen. Gelungene Beispiele für einen solch vernetzten Protest gegen Naziaktivitäten waren im Berichtszeitraum z.B. Mannheim und Karlsruhe. In beiden Städten gelang es zum wiederholten Male durch gemeinsames und koordiniertes Vorgehen aller antifaschistischen Kräfte, geplante Naziaufmärsche einzuschränken. Beide Städte zeigen, dass auch Behörden und Polizei einen Entscheidungsspielraum haben, und es keineswegs zwingend ist, dass neofaschistischen Aufzügen der Weg gegen jede Verhältnismässigkeit freigeprügelt werden muß.

Aufklärung über Naziterror Auch die von der VVN-BdA initiierte Unterschriftensammlung für die Einrichtung eines Untersuchungsausschuss über die Verbrechen und Ver-

Neben vielen größeren und kleineren Veranstaltungen, Gedenkfeiern und Kranzniederlegungen in den Kreisvereinigungen der VVN-BdA starteten wir Initiativen zu größeren Aktionen zum 80. Jahrestag der Einrichtung des KZ Heuberg und zum 80. Jahestag des Mössinger Generalstreiks gegen die Machtübergabe und Erichtung der faschistischen Terrorherrschaft. Alles in allem konnte Jochen Dürr eine durchaus erfolgreiche Arbeit der VVN-BdA im Berichtszeitraum ins Gedächtnis rufen.

… trotz mancher Probleme Er benannte aber auch die Probleme, die uns dabei zu schaffen machen. So ist die Entwicklung der VVN-BdA in den Kreisvereinigungen sehr unterschiedlich. An vielen Orten ist der Mitgliederstand und eben auch die Zahl der Aktiven rückläufig; politische Aktivitäten finden nur noch reduziert oder gar nicht statt. Es wird verstärkt darauf ankommen, zu verhindern, dass sich dieser Teufelskreis schließt. Wo die VVN-BdA keine Aktivitäten entwickelt, wird es ihr auch nicht gelingen, neue Mitglieder zu gewinnen. Wir brauchen Ideen und Initiativen, mehr und neue Mitglieder in die notwendige Arbeit, der wir uns verpflichtet fühlen, einzubinden. Eine ganze Reihe von Kreisvereinigungen dienen dazu als positive Beispiele.

aktuell Knappe Finanzen Die notwendige Arbeit erfordert auch die dafür notwendigen finanziellen Mittel. So wurde auch der Kassenbericht von Kassierer Bernhard Mainz von den Delegierten mit Spannung erwartet. Die Zahlen, die Bernhard auf der Konferenz vorlegte zeigten, dass die VVN-BdA ähnlich wie in den letzten Jahren zwar auch finanziell eine stabile Grundlage hat, die aber eher einer ‚Grundsicherung‘ als einer guten Ausstattung für antifaschistische Arbeit entspricht. Kurz: das Geld ist knapp! Trotz großer Sparsamkeit schlossen auch die Jahre 12 und 13 jeweils mit einem Minus unterm Strich ab, das nur durch Entnahme aus den Rücklagen ausgeglichen werden konnte. Auch hier sind also Ideen und Initiativen gefragt.

Ringen um antifaschistische Positionen In der Diskussion der Berichte und später der Anträge, zeigte sich die VVN-BDA Baden-Württemberg als ak-

Geschäftführender Landesvorstand Landesprecherinnen: Ilse Kestin Stuttgart Janka Kluge Stuttgart Silvia Schulze Karlsruhe

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Kassierer: Bernhard Mainz Heilbronn

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tiver und lebendiger Zusammenschluss von Antifaschistinnen und Antifaschisten. Neben Berichten von vergangenen Aktivitäten spielten bereist Ideen und Planungen für Kommende eine große Rolle. Bei der Beratung der Anträge, leistete der Kongress ein großes Arbeitspensum. Der Landesvorstand hatte ein ganzes Paket von Anträgen zu den wichtigsten Bereichen antifaschistischer Arbeit zur Beratung vorgelegt. Die delegierten befassten sie konzentriert und engagiert. An vielen Stellen flossen Änderungen und Ergänzungen ein, die nicht selten zunächst kontrovers diskutiert, dann aber in ihrer Endfassung eine grosse Abstimmungsmehrheit fanden.

Spannende Diskussionen Zu einem Höhepunkt der Landesdelegiertenkonferenz wurde am Samstagnachmittag der öffentliche Teil der Veranstaltung mit der Verleihung des Alfred-Hausser-Preises und des anschließenden Gastreferats zum Thema „Krieg und Frieden 70 Jahre nach der Befreiung“ von Tobias Pflüger. Tobias war gerade von einer Reise aus der türkisch-syrischen Grenzregion zurückgekehrt und berichtete hautnah von der Situation um die umkämpfte Region Rojava und die Lage im Kriegsgebiet Syrien und Irak. Heftig kritisierte er auch die Rolle, die die

5 Bundesregierung in der Ukraine und bei der Auslösung des dortigen Bürgerkrieges spielte und spielt, einschließlich der Aufwertung und Verharmlosung offen faschistischer Kräfte.

Neuer Vorstand Am Sonntagvormittag stand die Konferenz ganz im Zeichen der Wahlen zum Geschäftführenden Landesvorstand. Bei den Diskussionen um die Zusammensetzung des Vorstandes zeigten sich gleichzeitig Stärken wie Schwächen unserer Organisation. Die Schwäche liegt darin, dass es nicht gelang, alle von der Satzung vorgesehenen Vorstandsplätze zu besetzen. Bereits aus dem bisherigen Vorstand waren zwei Mitglieder wegen Krankheit bzw. beruflicher Veränderung ausgeschieden. Dazuhin sah sich der bisherige Landessprecher Jochen Dürr wegen Überlastung in anderen Bereichen nicht mehr in Lage erneut zu kandidieren. Aus dieser misslichen Situation heraus konnte dennoch ein qualifizierter Geschäftsführender Landesvorstand gebildet werden, der nach außen und innen neue Maßstäbe setzt. Künftig wird die VVN-BdA Baden-Württemberg von drei Landessprecherinnen nach außen vertreten, die nahezu einhellig gewählt wurden. Wenn das kein gutes Zeichen für die Zukunft ist! Dieter Lachenmayer

Geschäftsführer: Dieter Lachenmayer, Stuttgart 32 Weitere Mitglieder Lothar Letsche, Tübingen Karl-Martin Matt, Ortenau

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Bundesausschuss: Janka Kluge Stuttgart Dieter Lachenmayer,Stuttgart 33 Ersatzmitglieder: Silvia Schulze,Karlsruhe Thomas Trüten, Esslingen

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RevisorInnen Werner Altmann, Freiburg 33 Simon Bross, Ortenau 33 Manfred W. Ramm, Mannheim 33

Beschwerdekommission Joachim Hager, Freiburg Anka Osterle, Tübingen Hans Rettig, Karlsruhe

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Strahlende Gesichter der neu- oder wiedergewählten Mitglieder im GLV. Von links nach rechts: Silvia Schulze, Karl-Martin Matt, Bernhard Mainz, Dieter Lachenmayer, Lothar Letsche, Janka Kluge. (Auf dem Bild fehlt leider Ilse Kestin)

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Alfred-Hausser-Preis zum 4. Mal vergeben:

Barrierefreier Stadtrundgang zu Widerstand und Verfolgung Stadtjugendring Stuttgart, die Nikolauspflege Stuttgart und der Alex-Club Körperbehindertenverein sind die diesmaligen Preisträger des Alfred Hausser Preises. Im Rahmen der Landesdelegiertenkonferenz übergaben Landessprecherin Janka Kluge und Beiratsmitglied Lothar-Letsche nunmehr zum vierten Male den nach dem langjährigen Vorsitzenden der VVN-BdA benannten Preis zu Erforschung und Vermittlung der Geschichte von Widerstand und Verfolgung. Mit der Preisvergabe wurde das von den Preisträgern gemeinsam erarbeitete Projekt eines „Barrierefreien Stadtrundgangs“ zu sechs Orten der NS-Verfolgung und des Widerstands in Stuttgart gewürdigt. Diesen Stadtrundgang gibt es in einer Version für blinde und sehbehinderte Menschen, es gibt eine Version für Körperbehinderte im Rollstuhl und es gibt eine Version in einfacher Sprache für Menschen mit geistigen Einschränkungen. Eine Delegation der Preisträger berichtete von der Entstehung, Vorbereitung und Umsetzung des Prokekts: „Bei der Projektentwicklung sah man zwar ab und zu Schwierigkeiten bei der Umsetzung, doch wurde dies schnell durch Spaß und Begeisterung beseitigt. Die Freude war am Ende aber Größer, als es hieß, dass das der barrierefreie Stadtrundgang umgesetzt werden kann.“ Der Beirat, dem die Auswahl der Preisträgerinnen obliegt, war wie Lothar Letsche berichtete, aus mehreren Gründen von diesem Projekt besonders beeindruckt und hat dem Landesvorstand empfohlen, den Preis entsprechend zu vergeben, was auch

Landesprecherin Janka Kluge übergibt den Alfred-Hausser-Preis geschah. Für dieses Projekt spricht das Engagement von Menschen mit Behinderungen, die als Gruppe zum Teil selber Opfer der Nazipolitik waren, was sonst fast nur im Zusammenhang mit „Euthanasie“-Prozessen thematisiert wird. Hier wird diese „Be-

Routenplan für Menschen mit Geheinschränkungen

Foto: Thomas Trüten

troffenheit“ in gelungener Weise verknüpft mit der Geschichte der eigenen Stadt mit dem Ziel aufzuklären und herausragende Orte zu besuchen. Und es ist ein Projekt mit – wie wir hoffen – nachhaltiger Ausstrahlung und Vorbildcharakter für andere.

Bei der Erstellung der Tastmodelle für Sehbehinderte Bilder: SJR Stuttgart

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Weitere Vorschläge und Bewerbungen für den Alfred-HausserPreis Bachelorarbeit an der Hochschule der Bundeswehr über jüdische Kinderschicksale in der Ortenau. Forschungsprojekt „Lebensskizzen“ von NS-verfolgten Sinti, Roma, Jenischen aus Hohenlohe Die Songgruppe „Die Marbacher“, die mit demokratischem und antifaschistischem Liedgut auftritt für ihre „Lieder gegen das Vergessen“ „ Lern- und Dokumentationszentrum zum Nationalsozialismus e.V.“ für das Engagement zur Erhaltung des Tübinger Güterbahnhofs als Erinnerungsstätte. Der Autor Helmuth Bauer, für dein Buch „Innere Bilder wird man nicht los, Die Frauen im KZAußenlager Daimler-Benz Genshagen.“ – ein Schatz an Biografien, Fotos und Erinnerungen der Überlebenden Der Stadtjugendring Stuttgart und die VVN arbeiten seit Jahrzehnten zusammen. Vor mehr als dreißig Jahren wurden gemeinsam die Stadtrundfahrten „Auf den Spuren des Faschismus“ in Stuttgart ins Leben gerufen. Von Seiten der VVN waren damals Gertrud Müller, Hans Gasparitsch und Alfred Hausser beteiligt. Als sie die Stadtrundfahrten aus Gesundheitsgründen nicht mehr übernehmen konnten, gründete der Stadtjugendring in Absprache mit ihnen einen Arbeitskreis, der die Führungen übernehmen sollte. Vor vielen Jahren hat Alfred Hausser mich aufgefordert, in diesem Arbeitskreis für die VVN-

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Laudatio von Janka Kluge:

Geschichte geht alle an BdA mitzuarbeiten. Dadurch habe ich die Schwierigkeiten bei der Umsetzung, aber auch die Freude und Begeisterung als sich abzuzeichnen begann dass das Projekt umgesetzt werden kann, mitbekommen. In Deutschland leben nach Angaben des Bundesamtes für Statistik im Jahr 2009 9,6 Millionen Menschen mit einer amtlich anerkannten Behinderung Das sind 11,7% der Bevölkerung. In dieser Statistik wurden sowohl Menschen mit körperlichen Handikaps, als auch mit geistigen Einschränkungen erfasst. Ich möchte aus der Mitteilung des Bundesamts für Statistik zitieren: „Die Lebenssituation von behinderten Menschen im Alter von 25 bis 44 Jahren unterscheidet sich – nach den Daten des Mikrozensus – häufig deutlich von der Situation der nichtbehinderten Menschen gleichen Alters. Behinderte Menschen zwischen 25 und 44 Jahren sind häufiger ledig und leben öfter allein als Nichtbehinderte in dieser Altersklasse. Der Anteil der Ledigen unter den behinderten Menschen beträgt in diesem Alter 54% – der entsprechende Anteil bei den Nichtbehinderten 41%. Der Anteil der Alleinlebenden im Alter zwischen 25 bis 44 Jahren liegt bei behinderten Menschen bei 31%, bei Menschen ohne Behinderung hingegen bei 21%. Insgesamt 17% der behinderten Menschen im Alter von 25 bis 44 Jahren hatten keinen allgemeinen Schulabschluss (beziehungsweise einen Abschluss nach höchstens sieben Jahren Schulbesuch); bei Menschen ohne Behinderung in diesem Alter

hatten deutlich weniger (3%) keinen Abschluss. Abitur hatten hingegen 12% der behinderten und 29% der Nichtbehinderten Menschen in dieser Altersklasse.“ Beim Alex Club kümmert man sich seit vielen Jahren um die Belange von körperbehinderten Menschen. Gemeinsam unternehmen sie viele Aktivitäten und Ausflüge. Wichtig ist den Verantwortlichen vom Alex Club, dass die Aktivitäten gemeinsam mit nicht behinderten Jugendlichen durchgeführt werden. Die Nikolauspflege betreut seit inzwischen fast 200 Jahren Blinde und Menschen mit starken Sehbehinderungen. Während des Faschismus sind hunderttausende Menschen mit Behinderungen ermordet worden. Die erste Vernichtungsanstalt war Grafeneck in Baden-Württemberg. Hier wurden 1940 mehr als 10 000 Menschen vergast. Neben Grafeneck gab es noch fünf weitereVernichtungsanstalten. Ab 1941 gingen die Nazis verstärkt dazu über die Behinderten direkt in den Anstalten verhungern und verdursten zu lassen, oder sie mit Giftspritzen zu ermorden. Die Forschungen über den Mord an Behinderten in den von der Wehrmacht besetzten Ländern ist erst in den letzten Jahren verstärkt worden. Es lässt sich aber schon jetzt sagen, dass sowohl Angehörige der Wehrmacht, als auch der Sondereinsatztruppen Einrichtungen der Behindertenpflege mit ihren Bewohnern oft in die Luft gesprengt haben. Wie schwierig die Aufarbeitung der

8 Verbrechen an den Behinderten war schildert der Leiter der Gedenkstätte Grafeneck Thomas Stöckle. Als er begann die Morde von Grafeneck zu untersuchen und ein Totenbuch zu erstellen weigerten sich viele Angehörige, dass die Namen ihrer ermordeten Familienangehörigen veröffentlicht werden. Auch die Anstalten aus denen die Menschen mit den berühmten grauen Bussen abgeholt worden sind weigerten sich die Namen weiterzugeben. Grundlage der Euthanasie war die Eugenik. Also die Vorstellung, dass durch gezielte Paarung gesunde Menschen geboren werden und es keine kranken Neugeborenen mehr gibt. Auch heute noch: Wenn Schwangere einer Pränatalen Diagnostik zustimmen, kommt es immer wieder vor, dass den Eltern bei einem vermutlich krank geborenen Kind eine Abtreibung empfohlen wird. Solche Abtreibungen werden in Deutschland bis kurz vor der Geburt noch durchgeführt. Der australische Professor für Ethik Peter Singer kommt gerne nach Deutschland. In seinen Werken spricht er Menschen mit mehrfachen Behinderungen das Lebensrecht ab. Er behauptet, dass diese Menschen keine Empfindungen haben und deswegen genauso wie Tiere umgebracht werden können. Er betont allerdings, dass er nur Neugeborene mit schweren angeborenen Krankheiten umbringen möchte. Den erwachsenen Menschen soll nach seinen Vorstellungen nichts passieren. Es waren nur die sogenannten Krüppelinitaitiven, die gegen seine Auftritte in Deutschland demonstriert haben. Der philosophische Meinungsmacher Peter Sloterdijk von der Universität

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Die Delegation der PreisträgerInnen von vporne nach hinten: Marc Fischer, er leitet seit vielen Jahren Stadtrundgänge beim Stadtjugendring, Anette Nägele, sie arbeitet im SJR Stuttgart und ist im Alex Club aktiv, Jochen Gaiß vom Vorstand des Stadtjugendrings und von der DGB –Jugend, Carmen Kohr, Vorsitzende des Alex Club Stuttgarts. Mit Gitarre: Werner Grimm, der die Preisverleihung musikalisch umrahmte Karlsruhe hat vor einigen Jahren in einer Rede im Schloss Ilmenau den Vorschlag gemacht, das scherstbehinderte Menschen als „menschlicher Fuhrpark“ genutzt werden sollen. Seine Idee Menschen, die nicht zum Bruttosozialprodukt beitragen können, sollten Organe entnommen und weiterverkauft werden. Anna Katherina Hahn, die 1970 in Ostfildern bei Stuttgart geborene Schriftstellerin sagte in einer Rede in Dresden, dass Menschen, die künstlich gezeugt werden „Menschenmischmasch“ seien und wirkliche, echte Menschen nur im Sexualakt zwischen Mann und Frau gezeugt

werden können. Wir leben heute in einer Welt, in der Menschen mit Behinderungen nicht diskriminiert werden, sondern in der es wieder Stimmen gibt, die das Lebensrecht und Menschenrecht von ihnen von ökonomischen Bedingungen abhängig machen. Es freut mich, dass der Alfred Hausser Preis 2014 an den Stadtjugendring Stuttgart geht, der in Zusammenarbeit mit dem Alex Club und der Nikolauspflege Stadtrundgänge „Auf den Spuren des Faschismus in Stuttgart“ für Menschen mit Handikaps entwickelt hat. Herzlichen Glückwunsch

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Berufsverbotsopfer fordern Rehabilitierung:

“Sei keine Duckmaus – Wir lassen uns den Mund nicht verbieten!”. Unter diesem Motto setzte die Initiative „40 Jahre Radikalenerlass“, der mehrere Betroffene aus Baden-Württemberg angehören, am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, mit einer Kundgebung nahe dem Landtag in Stuttgart ein Zeichen für Demokratie und Menschrechte und gegen die Berufsverbote. Zahlreiche Berufsverbotsopfer waren erschienen. Am 28. Januar 1972 beschloss die Ministerpräsidentenkonferenz der Bundesländer unter dem Vorsitz von Bundeskanzler Willy Brandt den so genannten „Radikalenerlass“. Daraufhin wurden etwa 3,5 Millionen BewerberInnen und Mitglieder des öffentlichen Diensts auf ihre „politische Zuverlässigkeit“ durchleuchtet. Es kam zu 11 000 offiziellen Berufsverbotsverfahren, 2200 Disziplinarverfahren, 1250 Ablehnungen von Bewerbungen und 265 Entlassungen. Betroffen waren hauptsächlich KommunistInnen, Linke, Kriegsgegner, Antifaschisten, Antikapitalisten, Jusos und weitere Demokraten. Jede Systemkritik, jede fortschrittliche Alternative sollte mit dem Knüppel der Berufsverbote erstickt werden. Der „Verfassungsschutz“ schnüffelte auf allen Ebenen. Auch unter die Beteiligten an der Kundgebung am Mittwoch mischten sich zwei verkleidete Schnüffler, Langnasen, die eifrig Bilder schossen und Notizen anfertigten.

Mit der Berufsverbotspraxis sollte die gesamte demokratische Öffentlichkeit eingeschüchtert und zu „Duckmäusern“ erzogen werden. Deshalb auch das Symbol „Sei keine Duckmaus!” Grün-rote Landesregierung muss Berufsverbote aufarbeiten Das galt damals und gilt heute. Darüber waren sich die Anwesenden einig. Sie werden sich auch zukünftig weder ducken noch den Mund verbieten lassen. Klaus Lipps, Sprecher der Initiative, und Michael Csaskóczy als direkt Betroffene schilderten nicht nur ihre persönlichen Erfahrungen, sondern zeigten die politischen Zusammenhänge der Berufsverbote und ihrer Praxis auf. Sie zeigten sich empört über die olivgrün-rosa Landesregierung mit dem Grünen Winfried Kretschmann als Ministerpräsident an der Spitze, die nichts unternehme, die Berufsverbotspraxis der CDU-Regierungszeit

aufzuarbeiten, die Betroffenen zu rehabilitieren und in Einzelfällen eine materielle Entschädigung zu zahlen. Besonders verwerflich sei dabei, dass dem Ministerpräsidenten Kretschmann selbst im Jahr 1977 als angeblich „Linksradikalem“ zunächst die Einstellung in den Schuldienst verweigert wurde. Für Klaus Lipps ein Beleg dafür, dass sich zwar „die Regierung verändert hat, aber nicht die Politik“.

GEW löste sich von ihrer Unvereinbarkeits-Praxis Um die Politik zu verändern, sei der gemeinsame Druck von unten notwendig. Darüber waren sich die beiden Betroffenen ebenso einig wie Doro Moritz (Landesvorsitzende der GEW Baden-Württemberg) und Cuno Hägele (Geschäftsführer von Verdi) als weitere Rednerin und Redner. Doro Moritz drückte ihre Solidarität mit den Betroffenen aus und forderte, sie zu rehabilitieren. Sie kritisierte die langjährige Haltung der GEW, die bis zu Ausschlüssen von BerufsverbotsBetroffenen führte. Es war ihr sichtbar peinlich, dass es so etwas in ihrer Gewerkschaft gab. Doro Moritz zeigte sich erfreut, dass der Göttinger Kongress der GEW im

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rechts: Cuno Hägele, dahinter Doro Moritz und davor zwei Herren vom Horchamt. Fotos: D. Lachenmayer März 2012 die Politik der Berufsverbote als verfassungswidrig verurteilte und einen Schlussstrich unter die Praxis der Unvereinbarkeit innerhalb der GEW gezogen hat. Sie forderte ein besseres, qualifiziertes Bildungssystem. Dazu bedürfe es engagierter, demokratischer Lehrerinnen und Lehrer wie jene, die Berufsverbot erhielten.

Berufsverbot für antifaschistisches Engagement Der Lehrer Michael Csaskóczy erhielt aufgrund seines antifaschistischen Engagements Berufsverbot. Nach einem Urteil des Verwaltungsgerichtshof Mannheim 2007 musste er von

der damaligen CDU-Landesregierung ins Beamtenverhältnis übernommen werden, da kein Zweifel an seiner Verfassungstreue bestehe. Er verwies darauf, dass seine intensive geheimdienstliche Beobachtung genau in dieselbe Zeit fällt, in der der „Verfassungsschutz“ von der mordenden Terrorgruppe des „Nationalsozialistischer Untergrunds“ (NSU) angeblich nichts gewusst haben will. Dies, obwohl der Inlandsgeheimdienst jede Menge V-Leute im direkten Umfeld der Mitglieder des NSU platziert hatte. Seine eigene Bespitzelung, das horten seiner Geheimakten, falle „in die gleiche Zeit, in der kistenweise Dokumente über die NSU und das System der Nazi-V-Leute durch die Schredder gejagt wurden“, sagte Csaskóczy. Das sei nicht mehr mit „Behördenversagen“ oder „Schlamperei“ abzuhaken. Nein: „Dieser Wahnsinn hat Methode, und er steht in einer unseligen Tradition“. Einer Tradition in der Faschisten unterstützt und hofiert würden, Linke und Antifaschisten hingegen „weiter bespitzelt, verfolgt und diffamiert werden“. Unter dem Beifall der Anwesenden forderte er: “Schluss mit der Überwachung und Einschüchterung kritischer Oppositioneller und Auflösung des Verfassungsschutzes”. „Heute am Tag der Menschenrechte“ halten wir fest, die Gesinnungsüberprüfung, die Berufsverbote, der „Radikalenerlass“ waren und sind ein Verstoß gegen die Menschenrechte”,

sagte Cuno Hägele von Verdi. Diese bundesdeutsche Praxis wurde durch den Europäischen Gerichtshof letztinstanzlich verurteilt.

Bücke Dich nie vor einem lebenden Menschen Hägele forderte die Aufarbeitung der Berufsverbotspraxis in der Bundesrepublik und in Baden-Württemberg mit dem Ziel der Rehabilitierung der Wiedergutmachung, der materiellen Entschädigung und der Entschuldigung der Landesregierung bei den Opfern. Er schlug den Bogen zu notwendigen gewerkschaftlichen Kämpfen heute und rief zum Widerstand gegen den Abbau demokratischer Rechte und Freiheiten sowie dem Abbau gewerkschaftlicher Rechte auf. „Dazu gehören auch der Kampf und die Ablehnung des Gesetzentwurfes von Frau Nahles zur Tarifeinheit. Wir wollen nicht die Lieblingskuschelgewerkschaft irgendeiner Bundesregierung und/oder der Arbeitgeber sein. Wir sagen Nein zum vorliegenden Gesetzentwurf, da er in eklatanter Weise in das Koalitionsrecht und damit in das Streikrecht eingreift.“ Zum Schluss erinnerte Cuno Hägele an das Lebensmotto des ehemaligen Buchenwaldhäftlings und langjährigen Bezirksleiters der IG Metall Stuttgart Willi Bleicher: „Du sollst dich nie vor einem lebenden Menschen bücken.“ Text und Foto links Dieter Keller

Geschichte

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Faschismus oder Nationalsozialismus – Welcher Begriff ist richtig?

„Das heutige Deutschland will sich nicht mit Geschichte kommen lassen“ Ende November organisierten die Kreisvereinigung Ortenau der VVN-BdA mit dem Sozialen Zentrum Caracol Bühl einen Abend mit dem Faschismusforscher und Wissenschaftler Kurt Pätzold in der badischen Kleinstadt Achern zur Frage, welche Hintergründe es für die Verwendung der Begriffe Faschismus und Nationalsozialismus gibt. Anlass dafür ist die weithin – übrigens auch in vielen linken und antifaschistischen Gruppen – verbreitete kritiklose Verwendung der ursprünglichen Selbstbezeichnung der Nazis für ihre Ideologie, dem sog. „Nationalsozialismus“. Kurt Pätzold stellte nach einer kleinen allgemeinen Einführung in die Thematik sehr deutlich dar, dass die Nazis weder irgendetwas für die deutsche Nation tun wollten, noch irgendetwas mit dem Sozialismus zu tun hatten. Der Name „Nationalsozialismus“ war von Anfang an und ist ein Etikettenschwindel. Offensichtlich einer, dem bis heute viele Linke auf den Leim gehen – der Großteil der bürgerlichen Geschichtswissenschaft sowieso, aber das hat andere Gründe.

Etikettenschwindel Der Kampf um Begriffe und ihre Deutungshoheit ist in vielen Teilen der Gesellschaft sichtbar und hochaktuell. Ein gutes Beispiel dafür ist die Verdrängung des Begriffes „Imperialismus“ oder auch seine Begrenzung in der bürgerlichen Geschichtsschreibung auf ein „Zeitalter“, das nur etwa bis 1914 gehe. Es wurde in die Runde gefragt: Wie soll man eine Gesellschaft verstehen und schließlich ändern, wenn man nicht einmal die richtigen Begriffe in der Analyse verwendet? Anhand einiger Beispiele und Erläuterungen wurde verdeutlicht, weshalb der oft abwertend und hämisch als „Dimitroff-Formel“ bekannte Satz des 7. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale 1935 (!), in seinen Grundaussagen, seiner Stoßrichtung und Zusammenfassung eine sehr gute auf den Punkt gebrachte Beschreibung des Faschismus an der Macht ist. Zusätzlich ist an dieser Stelle zu betonen, dass man in der Analyse unterscheiden muss zwischen dem Faschismus als Ideologie, als Bewegung und an der Macht. Kurt Pätzold stellte die wesentlichsten Merkmale des Faschismus heraus und unterlegte das auch mit eindrücklichen Beispielen: Der Faschismus ist

eine Möglichkeit der Herrschaftsform und -sicherung des Bürgertums. Er ist definitiv antiliberal und antidemokratisch und stellt einen ideengeschichtlichen (und praktischen) Rückschritt hinter 1789 – der Französischen Revolution – dar. Er ist antisozialistisch und antikommunistisch und in der Ausübung eliminatorisch. Er ist immer chauvinistisch und nationalistisch sowie schließlich extrem antihumanistisch. Mit selbstkritischen Bemerkungen untermalt, betonte der Professor aber auch, dass ein sehr wichtiges Merkmal des Faschismus eine soziale Basis, eine Verankerung in der Gesellschaft, eine Massenbasis ist. Dieser Aspekt wurde bis heute nie gründlich aufgearbeitet, erforscht und studiert. Aber auch beispielsweise auf dem Weltkongress 1935 wurde das zu wenig thematisiert. Eines der größten Argumente gewisser Kreise, was landauf und landab für die Verwendung des Begriffes „Nationalsozialismus“ sprechen solle, ist, dass die deutsche Situation und der Holocaust es rechtfertigen würden, von einem neuen oder zumindest anderem geschichtlichen Phänomen, das nichts oder nur bedingt etwas mit dem Faschismus in Italien, Spanien, Chile usw. zu tun hat, zu sprechen. Kurt Pätzold widerlegte diese These anhand verschiedener Beispiele und stellte unter anderem die Frage, ob denn der Massenmord an Millionen Jüdinnen und Juden das Hauptmerkmal oder gar das Hauptziel des Deutschen Faschismus gewesen sei. Zusätzlich wurde mit der Ansicht aufgeräumt, dass man Systeme und Verbrechen auf einer Stufe gleichsetzt und man diese somit relativiert bzw. künstlich erhöht, nur weil man ihnen die gleiche Bezeichnung gibt.

Kurt Pätzold bei einer Veranstaltung in Karlsruhe 2011 Foto: Archiv VVN-BdA

Bloß Streit um Worte? Während der Veranstaltung kam man immer wieder zur Frage, weshalb die bürgerlichen Wissenschaftler und Geschichtsschreiber, also auch die allermeisten Schulbücher, so krampfhaft an der Selbstbezeichnung der Nazis festhalten. Darauf gibt es mehrere mögliche Antworten, aber der Kern ist immer der gleiche: Durch die Verwendung des falschen Begriffes, muss man sich nicht mit dem Faschismus und seinen im Kapitalismus verwurzelten Wesen tiefer auseinandersetzen. Man muss nicht das Verhältnis von Volk und Staat thematisieren und es ist leicher diese „zwölf Jahre“ als einmalige „dunkle Zeit“ festzuhalten, als genau zu verstehen, wie es dazu kam und wann es wieder dazu kommen kann, wenn wir uns nicht darauf vorbereiten und die Anzeichen von faschistischen Entwicklungen nicht schon im Keim ersticken. Dass das Bürgertum kein Interesse hat, dass wir verstehen, was der Faschismus ist, damit wir ihn bekämpfen können, liegt deutlich auf der Hand. Marius Schuppert

Geschichte

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Der antifaschistische Widerstandskampf der Roten Hilfe Deutschlands:

„Helft den Gefangenen in Hitlers Kerkern!“ In der Forschung und im Bewusstsein über antifaschistischen Widerstand ist die Arbeit der Roten Hilfe Deutschlands (RHD) in der Regel kaum präsent. Einschlägige Arbeiten zum Thema subsumieren die linke Solidaritätsorganisation allzu oft schlichtweg der KPD und ignorieren damit ihre Eigenständigkeit und die andere Schwerpunktsetzung. Erst in den letzten Jahren widmeten sich verschiedene AutorInnen der RHD und setzten dem weißen Fleck im linken Geschichtsbewusstsein mehrere Publikationen entgegen. Trotzdem sind weite Teile der antifaschistischen Solidaritätsarbeit weiterhin unerforscht. Die Rote Hilfe Deutschlands war 1924 als zentrale Organisation gegründet worden, die die bisherigen Solidaritätsbemühungen bündeln sollte. Nach der Zerschlagung der Rätebewegung und des Mitteldeutschen Aufstands hatte sich die ArbeiterInnenbewegung einem neuen Maß an Verfolgungen gegenübergesehen, das durch lokale Hilfskomitees nicht mehr zu bewältigen war. Entsprechend der von der Sowjetunion gegründeten Internationalen Roten Hilfe entstand auf Initiative der KPD eine schnell wachsende Massenorganisation: Waren 1925 bereits 60.000 Menschen in der RHD organisiert, erreichte die Zahl Ende 1932 375.000 Individual- und 651.000 Kollektivmitglieder. Im Mittelpunkt standen die juristische Beratung und anwaltliche Verteidigung von Angeklagten aus der ArbeiterInnenbewegung sowie die finanzielle Unterstützung für die Gefangenen und ihre Familien, etwa in Form von groß angelegten Spendensammlungen im Rahmen der Winterhilfe. Daneben trat die RHD mit politischen Kampagnen an die Öffentlichkeit. Von den Amnestieforderungen für Erich Mühsam und Max Hoelz über Aktivitäten gegen den §218 bis hin zu internationalen Themen wie der Freilassungskampagne für Sacco und Vanzetti deckte die RHD eine breite Palette von Antirepressionsthemen ab. Zeitungen wie „Der Rote Helfer“ und „Tribunal“ wurden durch massenhaft verkaufte Broschüren ergänzt; am bekanntesten ist wohl Felix Halles Ratgeber „Wie verteidigt sich der Proletarier vor Gericht“. Die in vielen Bereichen eng an der KPD ausgerichtete Massenorganisation erfuhr schon in der Weimarer Republik immer wieder Repression und Veranstaltungsverbote. Nach der Machtübertragung an Hitler sahen sich die AktivistInnen der Roten Hilfe einer neuen Qualität von

Verfolgung ausgesetzt. Im März 1933 wurde die RHD zusammen mit anderen kommunistischen Nebenorganisationen von den Nazis verboten, Verhaftungen und Verurteilungen der aktiven Mitglieder folgten. Der zunehmende Naziterror gegen die ArbeiterInnenbewegung machte die Solidarität mit den Betroffenen um so notwendiger, und die Rote Hilfe begann, unter den Bedingungen der Illegalität weiterzuarbeiten. Mit Spendensammlungen organisierten die verbliebenen Strukturen Unterstützung für die in „Schutzhaft“ Verschleppten und ihre Familien. Gleichzeitig wurden illegale Flugblätter verteilt, um über das Ausmaß und die Brutalität der Verfolgungen zu informieren. Neben den weiterhin erscheinenden Zeitungen der Reichsebene erstellten auch viele lokale Gruppen eigene Periodika. Ein weiterer Arbeitsbereich war die Organisierung von illegalen Quartieren für untergetauchte Mitglieder und von geheimen Büros, die Schaffung von Deckadressen für den Briefkontakt zur Reichsleitung sowie von Anlaufstellen für KurierInnen. Die Fluchthilfe für gefährdete FunktionärInnen der ArbeiterInnenbewegung gehörte ebenfalls zu den Aufgaben der Roten Hilfe. Im benachbarten Ausland richtete die RHD Anlaufstellen für EmigrantInnen ein, in denen den Verfolgten Schlaf- und Essensplätze sowie finanzielle Unterstützung vermittelt wurden. Im Grenzbereich leisteten RHD-Gruppen einen wichtigen Beitrag für die Einfuhr illegaler Druckschriften und den Kontakt zu den Auslandsstellen. Die Arbeitsschwerpunkte und –formen waren von Ort zu Ort sehr unterschiedlich. In manchen Bezirken, deren Leitungen sich über viele Monate dem Zugriff der Verfolgungsbehörden entziehen konnten, wurde ein gut arbeitender illegaler Apparat aufgebaut.

Ein stabiles System von Stadtteilgruppen, Betriebszellen und Spendenkreisen ermöglichte die Produktion eigener Zeitungen und die Neuknüpfung von abgerissenen Kontakten in kleinere Ortschaften. Durch regelmäßigen Briefwechsel und durch die ReichskurierInnen blieb der überregionale Austausch bestehen. In anderen Gebieten wurden die Bezirksleitungen in so schneller Folge verhaftet, dass eine kontinuierliche Arbeit kaum möglich war. Die verbliebenen RHD-AktivistInnen leisteten daraufhin vor allem in Kleingruppen direkte Solidarität und sammelten Geldund Sachspenden für verhaftete AntifaschistInnen und ihre Angehörigen. In einigen Orten wurden Spendensammlungen der RHD schlichtweg den Aktivitäten anderer Organisationen angegliedert und beispielsweise gemeinsam mit KPD-Beiträgen kassiert, um sie danach direkt an die Betroffenen zu verteilen. Auch aus den besser organisierten Städten wurden die Gelder nicht mehr an die Reichsebene abgeliefert, sondern großteils lokal verwendet. Die Reichsleitung äußerte sich verärgert über die De-

aktuell zentralisierung, durch die ihr sowohl der Überblick über die Aktivitäten als auch die für den Gesamtapparat notwendigen Mittel abhanden kamen. Gleichzeitig stellte die Organisierung in losen Kleingruppen aber einen besseren Schutz vor den Verfolgungsbehörden dar. In den meisten Städten bemühten sich die AktivistInnen aber zumindest in den ersten Jahren der Illegalität um den Aufbau zentraler Strukturen und die Reorganisierung der Leitungsgremien, so zum Beispiel im RHDBezirk Baden-Pfalz mit Sitz in Mannheim. Ähnlich wie die von ständigen Verhaftungen betroffene KPD-Spitze in der den Nazis verhassten „roten Hochburg“ waren auch die führenden Mitglieder der Roten Hilfe früh verhaftet worden. Erst Ende 1933 gelang es, unter der Leitung von Maria Mandel aus Viernheim wieder eine koordinierte Arbeit aufzubauen, die allerdings nie das gesamte Bezirksgebiet, sondern nur einige Zellen im Großraum Mannheim umfasste. Neben der Kassierung von Beiträgen und Spenden organisierten Maria Mandel und ihre enge Mitarbeiterin Gertrud Neudörfer Briefdeckadressen, Anlaufstellen und Übernachtungsplätze. Über die Reichskurierin Eva Lippold bestand Kontakt zur Reichsebene, und auch mit dem sehr gut organisierten Bezirk Frankfurt-Hessen gab es regen Austausch. Die von Maria Mandel und ihrem Mann Willi erstellte Zeitung „Das Rote Fanal“ wurde in vielen Widerstandsgruppen im Raum Mannheim gelesen. Nach einer Festnahmewelle gegen die Mitglieder im September 1934 kam die Arbeit dieser Struktur weitgehend zum Erliegen. War schon in der Weimarer Zeit der Anteil von Frauen in der RHD recht hoch gewesen, so verstärkte sich diese Tendenz in der Illegalität oft noch. Auch im Fall der RHD waren zunächst die bekannten männlichen Mitglieder, insbesondere die Funktionäre, im Visier der Repressionsbehörden. Um die entstandenen Lücken in der Organisation zu füllen, übernahmen oft

Deckblatt einer Broschüre der Roten Hilfe vor 1933 Frauen, die bisher weniger sichtbar für die RHD aktiv gewesen waren, die zentralen Posten und organisierten die klandestine Arbeit in lokalen Gruppen teilweise auf andere Art. Indem sie Verhaltensmuster benutzten, die als „typisch weiblich“ und somit als „politisch unverdächtig“ galten, schützten sie sich vor dem Zugriff der Gestapo. Funktionärinnentreffen wurden als Klatsch auf dem Friedhof oder als Kaffeekränzchen getarnt, Flugblätter wurden im Kinderwagen oder im Wäschekorb transportiert, und illegale Spendensammlungen fanden beim Gang zum Einkauf statt. Grundsätzlich behielten die meisten RHDGruppen jedoch die bisherigen Organisationsstrukturen bei. In vielen Städten war die Anbindung an die KPD-Strukturen recht eng, was häufig der geschrumpften Zahl der WiderstandskämpferInnen geschuldet war. Diese enge Verzahnung lässt sich exemplarisch am kommunistischen Widerstandszirkel in Weil am Rhein zeigen, der im Grenzbereich zu Basel eine zentrale Rolle spielte. In der Gruppe um Sofie Dehm, die schon vor 1933 Kassiererin der RHD gewesen war, waren KPD- und RHD-

13 Strukturen vereint. Sofie Dehm fungierte nach den Verboten der linken Organisationen und den ersten Verhaftungswellen als Kassiererin für Partei- und Solidaritätsgelder und übernahm Ende 1933 die Ortsgruppenleitung. Ab 1934 reiste sie regelmäßig zu Treffen mit der Grenzstellenleitung nach Basel und besprach mit den dortigen KPD-FunktionärInnen die organisatorische Neustrukturierung in Südbaden. Insbesondere der Aufbau der Roten Hilfe war dabei Thema, da die Organisierung der praktischen Hilfe für die Verfolgten weiterhin ein wichtiges Arbeitsfeld ihrer Gruppe war. Parallel war die Widerstandsgruppe aus Weil am Rhein fest eingebunden in die Reichskurierlinie, die Informationen und kommunistische Druckschriften aus Basel einschmuggelte und bis nach Berlin verteilte. Anfang 1936 wurden die meisten Mitglieder der Gruppe verhaftet und im folgenden Prozess verurteilt, was der Arbeit im Grenzgebiet einen empfindlichen Schlag versetzte. Neben den engen Kontakten zur KPD schaffte es die Rote Hilfe weiterhin, auch NichtkommunistInnen in großer Zahl einzubinden. Viele SozialdemokratInnen, die enttäuscht waren über die Zurückhaltung ihrer Partei, und Parteilose aus Kreisen der ArbeiterInnenbewegung engagierten sich in der Solidaritätsarbeit. Daneben sprach die RHD mit gezielten Aufrufen und Bündnissen andere verfolgte Kreise an, etwa katholische und bürgerliche NazigegnerInnen. Ein Beispiel für diese gelungene Einheitsfrontpolitik im Südwesten ist der Aufruf „Schluß mit dem Terror“ vom Januar 1935, den die Bezirksleitungen Süd- und Mittelbaden der SPD und der Roten Hilfe gemeinsam mit der linkssozialdemokratischen Gruppe „Roter Schutzbund, Brigade Karl Liebknecht“ aus Freiburg verfasste und in großer Auflage verteilte. Auf die Schilderungen der brutalen Verfolgungen durch die Nazis folgt der Appell zur gemeinsamen Solidaritätsarbeit: Die drei Organisationen „rufen daher gemeinsam alle Gegner des Systems (…), sich der großen, allumfassenden Hilfsgemeinschaft für die Opfer des faschistischen Terrors anzuschließen, in allen Orten, in den Organisationen und Betrieben gemeinsame Hilfskomitees zu bilden, sich in Spenderkreisen zusammenzuschließen und Patenschaften für Gefangene, für Familien Gefangener

14 und Ermordeter zu übernehmen.“ Wenig später erschien ein weiterer gemeinsamer Aktionsaufruf „An alle Arbeiter und Werktätigen von Mittelund Oberbaden“, den neben den Organisationen des ersten Textes auch die KPD- und KJVD-Bezirksleitungen unterzeichneten. Diese erfolgreiche Bündnisarbeit war ein wichtiger Grund, warum die Gestapo der Solidaritätsorganisation viel Aufmerksamkeit widmete. Das größte Problem stellte für den Verfolgungsapparat jedoch die moralische Unterstützung durch die Rote Hilfe dar. Selbst minimale Zusendungen an die KZ-Häftlinge stärkten deren Widerstandsgeist, und das Wissen, dass die RHD ihren notleidenden Angehörigen beistand, half vielen Gefangenen während ihrer Haftzeit. Entsprechend hart gingen die Repressionsorgane gegen die Roten HelferInnen vor. In den ersten Monaten nach dem Verbot im März 1933 waren Tausende von RHD-FunktionärInnen in die KZs verschleppt worden, und viele überlebten den faschistischen Terror nicht. Das Vorstandsmitglied Erich Steinfurth wurde nach über zehnmonatiger KZ-Haft Anfang Februar 1934 von der Gestapo ermordet. Auch in Gerichtsprozessen steigerte sich das Maß der Verfolgung: wurden in den ersten Monaten der NS-Zeit geringe Beiträge noch vereinzelt als fehlgeleitetes karitatives Engagement betrachtet, wurde die Unterstützung der RHD bald als ebenso staatsgefährdend eingestuft wie die Arbeit für die KPD. Selbst bei einzelnen kleinen Geld- und Lebensmittelspenden waren lange Gefängnisstrafen zu erwarten. Im Juli 1935 erreichte der Justizterror eine neue Qualität, als Rudolf Claus, der als Mitglied der illegalen RHD-Reichsleitung gearbeitet hatte, zum Tode verurteilt und im Dezember 1935 hingerichtet wurde. Durch den systematischen Einsatz von Spitzeln konnte die Gestapo große Erfolge in ihrem Kampf gegen die RHD aufweisen. Die Rote Hilfe in Mannheim wurde durch den Spitzel „Rudi“ verraten, der langfristig in der Organisation eingeschleust gewesen war und der insbesondere für die Zerschlagung des sehr aktiven Bezirks Frankfurt verantwortlich war. In Mannheim traf im Sommer 1934 die Warnung ein, dass es sich bei dem vermeintlichen RHD-Funktionär um einen Gestapo-Informanten handeln

Geschichte

Flugzettel der Roten Hilfe für die Befreiung Lolo Herrmanns könne. Im Saarland kam es im August deshalb zu mehreren Krisentreffen zwischen dem Reichsleitungsmitglied Willi Koska und gefährdeten BezirksfunktionärInnen aus Süddeutschland. Im Frühherbst begannen die Verhaftungen, doch in Mannheim war die Beweislage zunächst noch zu dünn. Nur die Bezirksleiterin Maria Mandel wurde verurteilt, allerdings ausschließlich aufgrund der Fahrten ins Saarland. Erst 1936 wurde das Verfahren neu aufgerollt, und im Folgejahr wurden neun aktive RHDMitglieder aus dem Raum Mannheim mit Hilfe der Aussagen von „Rudi“ zu langen Zuchthaus- und Gefängnisstrafen verurteilt. Zwar wurde in der Region weiterhin die Unterstützung der Verfolgten organisiert, doch zentrale Leitungsstrukturen mit überregionalen Verbindungen existierten in Mannheim von da an nicht mehr. Diese Entwicklung vollzog sich ab Mitte der 1930er Jahre auch in vielen anderen Städten. Trotz der Vereinzelung beteiligten sich die örtlichen Gruppen weiterhin an groß angelegten Kampagnen, die nun hauptsächlich von den Exilstrukturen der RHD organisiert wurden. Ein bedeutendes Beispiel ist die Solidaritätsarbeit für die Stuttgarter Widerstandskämpferin Lilo Herrmann, die im Juni 1937 als erste Frau zum Tod verurteilt worden war. Die Rote Hilfe motivierte in den Exilländern viele linke und liberale Organisationen zu

Schreiben an wichtige FunktionsträgerInnen im Deutschen Reich. So wurden die NS-Frauenorganisationen von Frauenverbänden aus dem Ausland mit Appellen angeschrieben, in denen der Schwerpunkt auf der Mutterrolle der von der Hinrichtung bedrohten Kommunistin lag, und ProfessorInnen und Prominente erhielten von KollegInnen aus anderen Ländern die Aufforderung, Gnadengesuche zu verfassen. Daneben wurde reichsweit Informationsarbeit mit Flugblättern betrieben, bei der die RHD-Aktiven von GenossInnen aus anderen Organisationen und Parteien unterstützt wurden. Doch trotz der Massenwirksamkeit konnte die Hinrichtung Lilo Herrmanns im Juni 1938 nicht verhindert werden. Die Kampagne für die junge Stuttgarterin war eine der letzten großen RHD-Aktionen. Ab September 1938 existierte die Rote Hilfe nicht mehr als zentrale Organisation, doch auf Ortsebene gingen die Aktivitäten unter diesem Namen noch viele Jahre weiter. Die praktische Solidarität für verfolgte GenossInnen blieb bis zur Befreiung ein elementarer Bestandteil der Widerstandsarbeit und ein wichtiges Bindeglied auch über ideologische Grenzen hinweg. Es ist an der Zeit, diesem oft vergessenen Kapitel des antifaschistischen Kampfes größere Aufmerksamkeit zu widmen. Silke Makowski

aus den Kreisen

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Gedenken an die Opfer des Faschismus in Karlsruhe:

„Verschwunden aber nicht vergessen“ Der Gedenktag für die Opfer des Faschismus (OdF-Tag) hat in Karlsruhe eine lange Tradition. Nach der Befreiung von Faschismus und Krieg wurde er zunächst am zweiten Sonntag im September begangen. In Karlsruhe erstmals am 15. September 1946. Damals riefen, im antifaschistischen Konsens der Nachkriegszeit, neben dem Landesausschuss WürttembergBaden der vom Naziregime politisch Verfolgten auch CDU, SPD, KPD, DVP (Vorgänger der FDP) und der Gewerkschaftsbund WürttembergBaden gemeinsam auf. Einige der Bündnispartner haben ihre antifaschistischen Positionen dem Kalten Krieg geopfert und sprangen schnell wieder ab. Infolge wurde der Gedenktag in Karlsruhe auf den Totensonntag verlegt. Dort konnte er bis heute als wichtige Institution der Erinnerung und Aufklärung bewahrt werden. Auch am diesjährigen Totensonntag folgten über 60 Menschen der Einladung der VVN-BdA. Am Mahnmal für die Opfer der „Euthanasie“ sprach in diesem Jahr der Ehrenpräsident der VVN-BdA, Heinrich Fink. Dieser begrüßte zunächst ganz besonders die anwesenden Repräsentanten der DIDF. Ihnen und ihrem Kampf gelte seine ganze Solidarität. Dann sprach er alle TeilnehmerInnen der Veranstaltung an: „Ihr habt Euch einladen lassen, Euch zu erinnern“. Die Erinnerung gelte besonders denjenigen, die Widerstand geleistet haben, denjenigen, die durch ihre Taten bewiesen haben, dass Widerstand möglich war. Brecht zitierend heißt es: „Ihr seid verschwunden aber nicht vergessen“. Es gelte, die Taten der WiderstandskämpferInnen in der Erinnerung der Nachwelt zu bewahren: „Aufklären, Aufklären und nochmals Aufklären“. Gleichzeitig gelte es, die Erinnerung als Vermächtnis und Auftrag zu sehen. Heutzutage sei der Frieden in der Welt wieder brüchig geworden. „Nie war er so gefährdet wie in den letzten Jahrzehnten. Im Irak, in Syrien, in Afrika und auch in Europa toben Kriege. Deutsche Waffen und auch deutsches Militär sind fast überall beteiligt“. Rassismus, Chauvinismus, Antisemitismus,

Antiziganismus, Islamfeindlichkeit und alle möglichen Theorien zur Begründung sozialer Ungleichheit und gesellschaftliche Ausgrenzung haben Konjunktur. Der rasante Aufstieg neofaschistischer und rechtspopulistischer Kräfte sei in nahezu allen europäischen Ländern wieder deutlich geworden. Die jahrzehntelange Begünstigung faschistischer Mörder durch den Verfassungsschutz könne selbst nur als „faschistoid“ bezeichnet werden. Dagegen brauche es „Widerstand, Widerstand und nochmals Widerstand“. „Wir müssen etwas dagegen setzen. Nämlich das Vermächtnis und den Auftrag derer, die im KZ und im Kampf gegen den Faschismus gestorben sind. Die Forderung »Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!« ist der Mittelpunkt der politischen Kämpfe. Das ist unser Auftrag und das ist das Vermächtnis, weshalb wir hier stehen“. Im Anschluss setzte Dieter Bürk, Vorsitzender des DGB-Stadtverbands, mit einem kurzen Grußwort ein Zeichen dafür, dass der Gewerkschaftsbund seiner 1946 begonnen Tradition treu bleibt. Die Karlsruher Gewerkschaften waren vom ersten Gedenktag an wichtige Bündnispartner der Veranstaltung und Träger des Gedenkens. Angelika Messmer verlas ein eindrucksvolles Zeugnis der Erin-

nerung: Den Abschiedsbrief eines jungen Bauernsohns aus dem Sudetenland vom 3.Februar 1944 an seine Eltern kurz vor der Hinrichtung. Er verweigerte gemeinsam mit einem Kameraden die Gräueltaten der SS und unterschrieb nicht seine Zwangsrekrutierung. „Wir wollen lieber beide sterben, als unser Gewissen mit so Gräueltaten zu beflecken“. Nach den Redebeiträgen wurden im Gedenken an die Opfer des Faschismus Kränze und Blumengebinde niedergelegt. Dabei offenbarte sich die Bündnisbreite der Veranstaltung: DFG-VK, DGB, DKP, Ettlinger Bündnis gegen Rassismus und Neonazis, DIDF, Friedensinitiative Bruchsal und Pax Christi, Interventionistische Linke, Offenes Antifa-Treffen Karlsruhe, die LINKE, Stadtjugendausschuss e.V., ver.di und die VVN-BdA. Der zweite Teil der Gedenkveranstaltung fand auf dem Gräberfeld für sowjetische Zwangsarbeiter auf dem jüdischen Teil des Friedhofs statt. In ih-

aus den Kreisen

16 rem Vortrag machten Brigitte und Gerhard Brändle auf ein siebzig Jahre lang verschwiegenes Verbrechen aufmerksam. Am 1. April 1944 erschoss ein Kommando der Division 465 aus Ludwigsburg auf dem Schießplatz der Wehrmacht im Hardtwald zwölf französische und zwei belgische Widerstandskämpfer im Alter zwischen 19 und 59 Jahren. Sie waren in Scheinprozessen vom 3. Senat des Reichskriegsgerichts in Freiburg zum Tode verurteilt worden. Die Leichen der Ermordeten wurden anschließend an der Mauer des Karlsruher Hauptfriedhofs verscharrt. Am 1. April 2014 kam die Stadt Karlsruhe ihrer Verantwortung nach und übergab der Öffentlichkeit in Anwesenheit von Angehörigen der Erschossenen eine Erinnerungs-Stele. Nahe des Orts des Geschehens, an der Ecke Theodor-Heuss-Allee/Breslauer Str., haben die Erschossenen ihren Namen und – soweit möglich – auch ihr Gesicht erhalten. Die Stadt Karlsruhe hat gleichzeitig eine zweisprachige Dokumentation herausgegeben, in der die Verscharrten nicht als bloße „Opfer“ dargestellt werden, sondern in erster Linie als das, was sie waren: Widerstandskämpfer gegen die deutschen Besatzer ihrer Heimat. Gleichzeitig gebe es noch viel zu tun: „So bemerkenswert das Engagement der Stadt Karlsruhe durch die Ehrung der Nazi-Gegner aus Frankreich und Belgien ist, so bleibt doch noch zu tun: Es fehlt in Karlsruhe ein Ort der Erinnerung an die Menschen in und aus Karlsruhe , die Widerstand gegen die Nazi-Barbarei leisteten. Auch heute braucht es Vorbilder für den aufrechten Gang, für Zivilcourage und Widerstand“. Am Gedenkstein für die sowjetischen Zwangsarbeiter legte die VVN-BdA stellvertretend für alle Anwesenden einen Kranz nieder. Die Gedenkveranstaltung endete in gemütlicher Runde in einem Café in der Nähe. Bei guter Stimmung und bei anregenden Gesprächen konnte ein neues Mitglied gewonnen werden. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung, wie in vielen Jahren zuvor, von Marianne Hangstörfer und Helmut Ciesla (Trompetensolo). Durch die Veranstaltung führte unser Kreissprecher Jens Kany. KV Karlsruhe

Reutlingen:

Gedenken – Herausforderung für Handeln! Am Ehrenmal für die Opfer des faschismus auf dem Friedhof unter den Linden erinnerten auch in diesem Jahr die VVN-BdA und andere Reutlinger Organisation an die Opfer des Faschismus. „Wir wollen an alle Menschen erinnern, die unter Einsatz ihres Lebens und der Freiheit Widerstand gegen das Nazi-Regime geleistet haben“, sagte der bisherige Landessprecher der VVN-BdA Jochen Dürr in seiner Gedenkansprache. „Wir rufen dazu auf, die historischen Jahrestage nicht allein als Gedenktage zu begehen. Sie sind Herausforderungen für politisches Handeln in der Auseinandersetzung mit aktuellen Entwicklungen von Nazismus, Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus in Politik und Gesellschaft“, setzte er fort. Er wies auf die Entwicklungen und Auseinandersetzung hin, zu denen solch antifaschistisches Handeln heute notwendig ist. Dazu gehöre, dass endlich alle Verbrechen des naziterroristischen NSU einschließlich der Verstrickungen von Geheimdiensten und anderen Behörden lückenlos aufgeklärt werden müssen. Dazu gehöre auch die Auseinandersetzungen mit den nationalistischen, rassistischen und sexistischen Haltungen in der Mitte der Gesellschaft, wie sie rechte Parteien wie die AfD aufgriffen und verstärkten. Gerade auch die von der AfD besonders aggressiv vertretene Ideologie des Neoliberalismus ebenso wie seine praktischen gesellschaftlichen Auswirkungen, die Umverteilung zu Lasten einer großen Mehrheit der Bevölkerung und die in allen gesellschaftlichen Bereichen geschaffene Konkurrenzsituation bilde den Nährboden für die Demagogie des Neofaschismus. Ein besonders wichtiges Anliegen aller Antifaschistinnen und Antifaschisten war und sei die Erhaltung des Friedens, das friedliche Zusammenleben der Menschen, Völker und Staaten. „Für uns AntifaschistInnen heißt die Lehre aus der Geschichte: Auch Krieg ist ein Verbrechen! Jochen Dürr schloss mit den Worten

Max Mannheimers, Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau, die dieser einst einer Gruppe Schülerinnen und Schüler ans Herz gelegt hatte: „Ihr seid nicht verantwortlich für das was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon.“ DL

Pforzheim:

Langer Atem bleibt notwendig Am Totensonntag fand auch in Pforzheim die jährliche Gedenkfeier für die Opfer des Faschismus auf dem Hauptfriedhof statt. Rüdiger Jungkind machte auf die besorgniseregende Zunahme faschistischer Bewegungen und Aktivitäten in vielen Ländern Europas aufmerksam. Am Beispiel der griechischen „Morgenröte“ zeigte er auf das sie wie viele andere in Europa neu aufgekommene und erstarkte Parteien allen Kennzeichen und Funktionen des Faschismus entsprechen, wie sie der verstorbene Faschismusforscher Reinhard Opitz zusammengestellt hat. Auch die aggresive Neonaziszene in Pforzheim erfülle diese Kriterien. Auch sie setze zunehmend auf die terroristische Funktion, wie sie Opitz geschildert habe. Das zeigten die Überfälle und Angriffe auf Pforzheimer Antifaschisten in den letzten Monaten. Rüdiger Jungkind kritisierte auch den Pforzheimer OB Hager, der in diesem Zusammenhang immer wieder von vom „Extremismus“ spreche. „Es geht nicht um einen abzulehnenden Extremismus, nein, es geht um Faschismus, es geht um Rechtsterrorismus, es geht um Verbrechen.“ Rüdiger rief zu Solidarität mit den Antifaschistinnen und Antifaschisten auf, die sowohl den Angriffen der Neonazis, als auch immer wieder wegen ihrer antifaschistischen Aktivitäten Kriminalisierungsversuchen von Behörden und Justiz ausgesetzt seien. es gehe darum, sich auch in Zukunft allen faschistischen bestrebungen gemeinsam zu widersetzen. Es sei noch ein langer Atem notwendig, um den Schwur von Buchenwald zu erfüllen. Milan Kopriva und Martin Flasch ergänzten die Worte durch Lieder wie Dona Dona und das gemeinsam gesungene Moorsoldaten-Lied. DL

aus den Kreisen

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Trotz Widerstand der Deutschen Bahn AG:

Gedenktafel für die Opfer des Faschismus am Offenburger Bahnhof Umgerechnet 445 Mio Euro verdiente die Deutsche Reichsbahn an den Massendeportationen von Juden, Sinti und Roma und anderen in die Vernichtungslager. Ihr Rechtsnachfolger, die Deutsche Bahn AG weigert sich dennoch konsequent, sich diesem Teil ihrer Geschichte zu stellen. Alle Initiativen, Erinnerungstafeln an Bahnhöfen anzubringen, wurden rückgewiesen. An keinem deutschen Bahnhof findet sich ein Hinweis auf die Beteiligung der Bahn am Verbrechen des Völkermords. Seit dem 9. November 2014 hat sich dies geändert: Am Offenburger Bahnhof brachte die Stadt Offenburg in einer gemeinsamen Gedenkstunde mit der VVN-BdA, die erste Erinnerungstafel an die Verschleppung in den Massenmord an einem deutschen Bahnhof an. Möglich wurde dies dadurch, dass ein Teil des Bahnhofzugangs eben nicht im Besitz der Deutschen Bahn AG, sondern in dem der Stadt Offenburg ist. Vier Jahre dauerte es immerhin, bis die von VVN-BdA und DGB in Offenburg gestartete Initiative Initiative für die Anbringung der Tafel im zweiten Anlauf verwirklicht werden konnte. Der erste Anlauf fand schon vor 20 Jahren statt, wie der Redner der VVNBund der Antifaschisten, Paul Bauer, auf der jetztigen Gedenkfeier berichtete:

„Der 9. November, Gedenktag an die Reichspogromnacht 1938 eignet sich ganz besonders, um heute hier an diesem Ort, die Gedenktafel für die Opfer des Naziregimes, die vom Offenburger Bahnhof aus nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurden, anzubringen. Wir waren 1994 geschockt als uns der Fahrplan von Herbolzheim über Offenburg nach Auschwitz samt Begleitmaßnahmen in die Hände fiel. Geschockt von der Tatsache, dass die Reichsbahn, deren Rechtsnachfolgerin die Deutsche Bahn ist, ein Angebot an die SS offerierte, dass wenn genügend Halb- Juden und Zigeuner auf diesen Transport geschickt werden, dann könne man ein besonders günstiges Angebot für den Fahrpreis nach Auschwitz unterbreiten. 9 Pfennig pro Kilometer und Erwachsenen und die Hälfte des Preises für die mitgeführten Kinder. Wir hatten es Rolf Ruef, dem damaligen DGB -Vorsitzenden und VVN Mitglied zu verdanken, dass wir an diese Unterlagen gekommen sind. Schnell war ein Bündnis in Offenburg auf die Beine gestellt dass den 50. Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Krieg am 8.Mai 1995 zum Anlass nahm, um an die Deportation von Offenburg aus, mittels einer Gedenktafel erinnern wollte. Mit der Künstlerin Monika Andres aus Ren-

Die Tafel am Offenburger Bahnhof zeigt einen Originalfahrplan aus dem Jahr 1943 mit den Abfahrtszeiten von Sonderzügen in die Konzentrationslager über dem Bild des Konzentrationslagers Auschwitz. Fotos: Heribert Schramm chen fanden wir einen Menschen der unsere Vorstellungen und Inhalte bei der Erstellung der Gedenktafel umsetzen konnte. Leider war die Bundesbahn, damals wie heute, nicht bereit die Gedenktafel am Bahnhofsgebäude an zu bringen. So wurde sie letztendlich gegenüber der Bahnhof, am Gewerkschaftshaus mit einer würdigen Feier unter Teilnahme französischer und deutscher Zeitzeugen am 8.Mai 1995 angebracht. Dort war die Gedenktafel bis zum Verkauf und Renovierung des Gebäudes lange Jahre zu sehen. Leider wurde sie im Zuge der Bauarbeiten in einem Bauschuttcontainer entsorgt – von unserem VVN-BdA Kameraden und Gewerkschafter HansPeter Goergens dort entdeckt und für die Nachwelt gerettet. Und wieder taten sich Menschen zusammen um der Gedenktafel einen würdigen und angemessenen Platz zu verschaffen Das Ergebnis sehen sie heute.“

Leserbrief / Literatur

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Salut Helmut!

„Wir hatten keine Zeit mehr, um Abschied zu nehmen von unserem langjährigen Freund, Kameraden und Genossen Helmut Buck (5.5.1923 – 17.11.2014), der völlig überraschend uns verlassen hat, wo wir ihn doch in dieser schweren Zeit so dringend gebraucht hätten. Er lebt in unserer Erinnerung und in unseren Herzen weiter“, schreibt der Kreisvorstand Reutlingen der VVN-BdA in seinem Nachruf, der auf Wunsch des Verstorbenen in „unsere zeit“ erschien. Nach einem Einstieg als Betriebsratsvorsitzender bei Magura in Bad Urach, dann als hauptamtlicher Gewerkschaftsekretär, wirkte Helmut Buck von 1965 bis 1984 als 1. Bevollmächtigter der IGMVerwaltungsstelle Reutlingen. Ein großes Vorbild, ein aufrichtiger, zeitlebens engagierter Gewerkschafter, unermüdlich im Einsatz für die Interessen der arbeitenden Menschen, für den Frieden und gegen Faschismus, Krieg und Gewalt – so charakterisieren ihn seine Kolleginnen und Kollegen von der IG Metall. „Als Reutlinger Gewerkschaftsführer, anfänglich noch unter Willi Bleicher, wurde Helmut legendär. Als organisierter Antifaschist erwies er sich auch in schweren Zeiten als standfest. Seine, unsere Anliegen an junge Menschen so weiter zu tragen, dass sie sich konsequent dafür einsetzen, das ist für uns der Weg, sein Andenken in Ehren zu halten“, schrieb unser geschäftsführender Landesvorstand den Hinterbliebenen. Auf eigenen Wunsch wurde Helmut Buck im engsten Familienkreis beigesetzt.

zu Es gibt keine Enthaltung bei Diskriminierung“ in AN 3-2014 In seinem Bestreben, den RomaAsylbewerbern etwas Gutes zu tun und jegliche Abschiebung von Roma per se als ungerecht anzuprangern, verfällt der Autor leider in eine Stimmungsmache gegen die Länder Osteuropas und insbesondere des Balkan: … Pauschal stellt er diese Länder als primitiven Hort von Diskriminierung, Ausgrenzung und Verfolgung hin. Dass das Verhältnis zwischen Roma und Mehrheitsbevölkerung dort vielschichtiger ist, dass die wichtigste Ursache der Armut bei den Balkan-Roma wie anderswo nicht Diskriminierung, sondern der Neoliberalismus ist, in dessen Rahmen sich Armut fast schon von selbst reproduziert, was durch das teilweise Festhalten an einer überkommentraditionellen Lebensweise noch begünstigt wird - das alles spielt in der dichotomischen Sichtweise des Autors von den diskriminierten Roma und der diskriminierenden Mehrheitsgesellschaft keine Rolle. Ebenso wenig, dass, dies lässt sich zumindest für Serbien sagen, ein erheblicher Teil der 'ethnischen' Roma voll in der Mehrheitsbevölkerung integriert ist. Die Zeitungshändlerin am Belgrader Zeleni Venac etwa, meine Frisörin dort, und die Frau in der Schneiderei zwei Häuser weiter - kaum jemand, vermutlich sie selbst auch nicht, würde sie als Roma bezeichnen, und doch könnten sie, nur etwas anders gekleidet und zurecht gemacht, in jedem "Gipsy"-Film Kusturicas mitspielen. Nicht dass es auf dem Balkan keinen Antiziganismus und keine - in vereinzelten Fällen auch brutale - Aggressivität gegen Roma geben würde. Aber zu behaupten, dass die Roma dort generell Opfer von Diskriminierung, Ausgrenzung und Verfolgung seien, und dass Roma-Asylbewerber von dort generell "kein sicheres Herkunftsland" hätten, verfälscht die Wirklichkeit. Ein ganz anderer Ansatz ist, für die Roma-Armutsflüchtlinge vom Balkan, analog zu den jüdischen Armutsflüchtlingen aus der Ex-Sowjetunion in den 1990er Jahren, ein gruppenbezogenes Niederlassungsrecht zu fordern. So absurd auch hierbei ist, dass Nachkommen von Verfolgten ein besseres Leben ausgerechnet im Nachfolge-Staat der Verfolger suchen - es wäre eine legitime Forderung. Und sie würde nicht jene antibalkanischen Ressentiments bedienen, die für die dortige verheerende Einmischungs- und Vorherrschaftspolitik des Westens immer noch von großem Nutzen sind. Hajo Kahlke, Heidelberg

Eindrucksvoll dokumentiert:

Oradour – Geschichte eines Massakers 2013 besuchte Joachim Gauck, der gerne für „mehr Verantwortung Deutschlands“ in aller Welt plädiert (wir wissen was er damit meint), als erstes deutsches Staatsoberhaupt das „Märtyrerdorf“ Oradour-sur-Glane in Frankreich. In seiner Rede erklärte er, mit den Überlebenden und den Familien der Opfer die Bitterkeit darüber zu teilen, „dass die Mörder nicht zur Verantwortung gezogen wurden, dass schwerste Verbrechen ungesühnt bleiben“. Jetzt haben Florence Hervé (Text) und Martin Graf (Fotografie) ein zweisprachiges (deutsch/französisches) hoch informatives und reich bebildertes Buch über Oradour herausgegeben, in dem das Verbrechen umfassend und in allen Facetten aufgearbeitet wird. „Am Samstag, den 10. Juni 1944“ so Florence Hervé in ihrem Vorwort, „blieb in Oradour die Zeit stehen. Das ruhige Dorf im nordwestlichen Zentralmassiv wurde von der SS-Panzerdivision „Das Reich“ in Schutt und Asche gelegt. 642 Menschen wurden erschossen, verbrannt, darunter 240 Frauen und 246 Kinder. Der Kommandeur der Division hieß General Heinz Lammerding. Einen Tag zuvor hatte er die Erhängungen von 99 Geiseln in Tulle befohlen“. Lammerding lebte nach 1945 unbehelligt als Bauunternehmer in Düsseldorf. Er und andere Täter waren zwar von einem Miltärgericht in Bordeaux in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden, wurden jedoch von der BRD nie ausgeliefert. Allerdings scheiterte Lammerding mit dem Versuch, sich in einem Prozess gegen die frühere VVN-Zeitung „Die Tat“ von dem Vorwurf reinwaschen zu lassen, für viele Geiselmorde in Frankreich verantwortlich zu sein. „In Tulle gab es Widerstand, in Oradour gab es keinen.“ So Florence Hervé weiter in ihrem Vorwort, „Und doch verschonte der Tod nicht diejenigen, die keinen Widerstand leisteten. Oradour und Tulle mahnen uns: Das Schlimmste kann alle treffen, auch diejenigen, die an dem Geschehen gar nicht beteiligt sind. Oradour ist nicht nur ein Gedenken der Vergangenheit. Es steht auch für ein Nachdenken über die Gegenwart, ein Denken in die Zukunft.“ Nicht zuletzt wegen der Dokumentati-

Wir gratulieren on der künstlerischen Aufarbeitung des Verbrechens in Gedichten, Liedern und Zeichnungen sowie der eindrucksvollen und aktuellen Fotografien der Ruinen des alten Dorfes, das als Mahnmal stehen gelassen wurde, gehört dieses Buch zum Besten, Informativsten und Eindrucksvollsten, was bis jetzt zum Thema Aufarbeitung von Nazi-Kriegsverbrechen herausgegeben wurde. Anlässlich des 70. Jahrestages der Massaker von Oradour und Tulle fand in Schorndorf im Remstal, der Partnerstadt von Tulle, vom 3. bis 19. November eine Fotoausstellung mit Vorträgen und Lesungen der Autoren statt. Auch Florence Hervé las im großen Sitzungssaal des Schorndorfer Rathauses aus ihrem Buch, das sie am Tag zuvor im Clara-ZetkinWaldheim Stuttgart-Sillenbuch vorgestellt hatte. Biografisches: Florence Hervé, Dr. phil., *1944, Journalistin, Autorin, Dozentin. Zahlreiche Veröffentlichungen, darunter zum Thema Faschismus und Widerstand: Wir fühlten uns frei. Deutsche und französische Frauen im Widerstand (1997); Adélaide Hautval: Medizin gegen die Menschlichkeit, Berlin 2008. www.florence-herve.com. Martin Graf, *1957, DiplomKommunikationsdesigner. Seit 1984 arbeitet er als freier Fotograf und Journalist. Schwerpunkte: Reportage, Reise, Fashion, Automotive. Zahlreiche Einzelausstellungen, verschiedene Foto-Essays und Bildbände. Zusammen haben die Autorin und der Fotograf des Weiteren veröffentlicht: „Natzweiler-Struthof – Blicke gegen das Vergessen / Regards contre l`oubli“ mit Hans Adamo (2002). Das Buch Oradour wurde in Kooperation mit der FIR (Internationale Föderation der Widerstandskämpfer) herausgegeben und enthält u.a. einen Beitrag von Ulrich Schneider, dem Generalsekretär der FIR. K.H. Oradour, Geschichte eines Massakers, Hrsg. Florence Hervé, Martin Graf, PapyRossa Verlag 2014, 144 S. Zahlreiche Abb. und Fotos, 18.00 Euro.

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Wir gratulieren zum Geburtstag Im Februar 2. Dr. Egon Knapp, Schwetzingen 84. 2. Luise Mauch, Stuttgart 75. 4. Ingrid Rentschler, Karlsruhe 70. 4. Monika Marquardt, Grünsfeld 65. 4. Diethard Möller, Stuttgart 65. 5. Marie Holzmann, Tübingen 93. 5. Wilhelmine Pleithner, Nufringen 92. 6. Irmgard Wendler, Dettingen 86.

9. Günter Bauder, Heidenheim 75. 9. Marion Bentin, Waldkirch 65. 12. Beate Breuninger, Stuttgart 80. 12. Inge Knauss, Ebersbach a.d. Fils 92. 15. Anita Hummel, Freiburg 65. 16. Hans Fischer, Metzingen 80. 18. Gottfried Pipping, Aichwald 89. 18. Mathilde Weber, Rastatt 81. 18. Heidi Hummler, Stuttgart 82. 20. Karl Beuttel, Karlsruhe 1 95. 20. Frieda Hafenrichter, Welzheim 80. 23. Herbert Mies, Mannheim 86. 28. Erika Burmeister, Konstanz 90. Im März 1. Manfred Maurer, Metzingen 65. 3. Christa Bialas, Tübingen 85. 3. Ingeborg Möller, Stuttgart 70. 5. Gerhard Dürr, Stuttgart 87. 6. Charlotte Reintjes, Esslingen 83. 11. Erika Gottfried, Nußloch 82. 11. Helene Nuding, Esslingen 89. 14. Dagmar Hamdi, Karlsruhe 75. 14. Jörg Lang, Stuttgart 75. 15. Michael Exarchos, Heidelberg 65. 16. Dora Brendle, Sindelfingen 91. 18. Reinhold Willers, Waiblingen 65. 19. Maria Dewinski, Ravensburg 87. 21. Winfried Setzer, Lauffen 70. 24. Otmar Hennhöfer, Mannheim 65. 24. Sybille Stamm, Stuttgart 70. 24. Helga Michelberger, Friedrichshafen 65. 30. Ingeburg Eppe, Stuttgart 82.

Im April 1. Wolfram Pfleiderer-Hatzner, Sandhausen 65. 6. Martine Ambs-Lesure, Freiburg 70. 9. Herbert Beyerlein, Stuttgart 65. 13. Roland Schmidt, Mannheim 80. 14. Georg Klößmann, Neulußheim 82. 16. Hermann Brück, Ravensburg 80. 18. Günter Bosch, Singen 85. 18. Gerda Mies, Mannheim 86. 18. Manfred Kieser, Mannheim 80. 19. Heinz Hummler, Stuttgart 83. 20. Kurt Winteroll, Bautzen 81. 22. Dieter Krauss, Kernen i.R. 75. 23. Roswitha Durach, Stuttgart 91. 24. Inge Schmidt, Asperg 65.

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