50 Jahre Bundeswehr
February 27, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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50 Jahre Bundeswehr Eine Serie in neun Teilen der Sendereihe Streitkräfte und Strategien Zur Verfügung gestellt vom NDR Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für private Zwecke des Empfängers benutzt werden. Jede andere Verwendung (z.B. Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit, Vervielfältigung, Bearbeitung, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung des Autors zulässig. Die Verwendung für Rundfunkzwecke bedarf der Genehmigung des NDR.
Inhalt Taktische Atomwaffen als Weiterentwicklung der Artillerie? Die nukleare Teilhabe der Bundeswehr Otfried Nassauer (26.03.2005)
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NATO-Mitglied Deutschland – Vom Musterknaben zum USA-Kritiker Dr. Ulrike Bosse (07.05.2005)
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Intervention statt Landesverteidigung – Das Heer im Wandel Christian Thiele (04.06.2005)
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Transporter statt Abfangjäger? Die Umstrukturierung der Luftwaffe Achim Gutzeit (18.06.2005)
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Einbruch in eine Männer Domäne – Frauen bei den Streitkräften Barbara Renne (02.07.2005)
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Von den Küstengewässern auf die Weltmeere – Die neue Rolle der Marine Andreas Flocken (30.07.2005)
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Innere Führung – Für die Einsatz-Armee Bundeswehr ein Auslaufmodell? Achim Gutzeit (27.08.2005)
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Abwicklung oder Integration der NVA? Die Bundeswehr als ‚Armee der Einheit’ Michael Hyngar (24.09.2005)
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Allgemeine Wehrpflicht – Weiterentwicklung oder Abschied von der bisherigen Wehrform? Dr. Karl-Heinz Harenberg (05.11.2005)
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Taktische Atomwaffen als Weiterentwicklung der Artillerie? Die nukleare Teilhabe der Bundeswehr Otfried Nassauer (26.03.2005)
Im März 1955 brachten die US-Streitkräfte ihre ersten atomaren Fliegerbomben in die Bundesrepublik. Einen Monat später folgten Sprengköpfe für atomare Marschflugkörper vom Typ Matador und Artilleriegranaten mit einem Kaliber von 280 Millimeter. Wiederum einen Monat später, im Mai 1955, wurden die ersten atomaren Kurzstreckenraketen vom Typ Honest John stationiert. Bald darauf folgten Corporal-Raketen, 203 Millimeter Artilleriegeschosse und atomare Landminen. Zu Beginn des Jahres 1960 lagerten in Deutschland bereits 10 unterschiedliche Typen von Atomwaffen aus den USA. Jede einzelne dieser Waffen besaß eine größere maximale Sprengkraft als jene Waffe, die Hiroshima zerstört hatte.
So begann eine gigantische atomare Aufrüstungswelle, zu deren Höhepunkt etwa 7.300 US-Atomwaffen in Europa lagerten. Tausende von Atomsprengköpfen aus den USA, Großbritannien und Frankreich waren in mehr als 100 Depots in Westdeutschland untergebracht und die Sowjetunion verwandelte die damalige DDR in ihr größtes atomares Auslandsdepot.
Die Stationierung atomarer Waffen in der Bundesrepublik erfolgte zwei Monate vor dem deutschen NATO-Beitritt und noch vor der Aufhebung des Besatzungsstatus. Sie schuf Tatsachen im Rahmen einer von den USA, Großbritannien und Frankreich entwickelten NATO-Strategie, die die Bundesrepublik als Neu-Mitglied akzeptieren musste. Diese Strategie war einerseits das Ergebnis der Tatsache, dass es der NATO nicht – wie seit 1950 geplant – gelungen war, für einen Angriff aus dem Osten binnen 90 Tagen 96 Divisionen bereitzustellen. Und sie war andererseits das Ergebnis des Glaubens an die Drohung mit der Einsetzbarkeit atomarer Waffen. So hieß es damals wörtlich: „Die Überlegenheit bei atomaren Waffen und der Fähigkeit, sie einzusetzen, wird in der vorhersehbaren Zukunft der wichtigste Faktor in einem größeren Krieg sein.“ Die NATO müsse vorbereitet sein, einen größeren konventionellen Angriff
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durch den massiven Einsatz taktischer und strategischer nuklearer Waffen abzuwehren - massive Vergeltung nannte man das.
Die deutsche Öffentlichkeit erfuhr von der Existenz dieser Waffen erst zwei Jahre später. Am 15. März 1957 gaben die US-Streitkräfte erstmals bekannt, dass sie in Westdeutschland bereits Atomwaffen lagerten. Nur fünf Tage später kündigte der damalige NATO-Oberbefehlshaber, General Norstadt, an, dass die atomaren Waffen im Kriegsfall auch den Verbündeten, also zum Beispiel der Bundeswehr übergeben würden. Deren Streitkräfte waren mittlerweile still und heimlich mit atomaren Trägersystemen ausgestattet worden. Ähnlich wie die Wiederbewaffnung löste dieses Vorhaben massive Proteste in der deutschen Öffentlichkeit aus – die Bewegung „Kampf dem Atomtod“. Bundeskanzler Adenauer befürwortete die Ausrüstung der grade erst gegründeten Bundeswehr mit atomaren Trägersystemen und goss (unbeabsichtigt) Öl ins Feuer: „Unterscheiden Sie doch die taktischen und die großen atomaren Waffen“, sagte er am 5.April 1957. „Die taktischen Waffen sind nichts weiter als eine Weiterentwicklung der Artillerie. Selbstverständlich können wir nicht darauf verzichten, dass unsere Truppen auch in der normalen Bewaffnung die neuste Entwicklung mitmachen.“ Soweit Adenauer.
Schon nach wenigen Jahren verfügte auch die Bundeswehr über eine Vielzahl nuklearer Einsatzmittel. Pioniere übten den Einsatz atomarer Landminen, Artilleristen den von Atomgranaten, Raketenkräfte das Verschießen atomarer Kurz- und Mittelstreckenraketen und Starfighterpiloten den Abwurf gleich drei verschiedener Typen atomarer Bomben mit bis zu 1,1 Megatonnen Sprengkraft. Selbst die Luftabwehr erhielt eine atomare Komponente: Es gab atomare Sprengköpfe für die Nike Herkules Raketen.
Bereits 1962, den Mauerbau in Berlin und die Kuba-Krise in frischer Erinnerung, schwante Robert McNamara, damals US-Verteidigungsminister, dass der nukleare Wildwuchs und die Abstützung der NATO-Strategie auf Atomwaffen begrenzt werden müsse. Mit der Initiative für eine neue Strategie der flexiblen oder wie er selbst sagte der kontrollierten Antwort, versuchte er im April 1962 das Blatt zu wenden. Doch es dauerte bis 1968, bevor die neue Strategie 3
den NATO-Rat passiert hatte. Frankreich verließ darüber 1966 die militärische Integration der NATO. Weitere Komplikationen gab es, weil die StrategieDiskussion in der NATO mit der Schlussphase der Verhandlungen über den Atomwaffensperrvertrag zusammenfiel, einem weiteren, äußerst heißen Eisen für die Allianz.
Der Atomwaffensperrvertrag würde, das war klar, die NATO-Staaten wohl in zwei Gruppen aufteilen: Jene, die über Atomwaffen verfügen durften und jene, die als nicht-nukleare Mitglieder beitreten würden. Zugleich aber sollten und wollten die nichtnuklearen NATO-Staaten auch künftig an der Umsetzung der Nuklearstrategie der NATO beteiligt bleiben und im Blick auf die Nuklearstrategie des Bündnisses mitreden können – sonst hätte die Gefahr bestanden, dass einige lieber selbst Atommacht würden. Eine kaum lösbare Aufgabe, der sich die NATO-Mitglieder mit allerlei fragwürdigen Tricks und einem Ergebnis stellten, das als nukleare Teilhabe bekannt wurde: Ohne, dass dies allen anderen Vertragsunterzeichnern klar gewesen wäre, erklärten die NATO-Staaten ihre bisherige Praxis auch künftig für legal: Atomare Trägersysteme nichtnuklearer Staaten dürften im Kriegsfall genutzt werden, um US-Atomwaffen zum Einsatz zu bringen, denn im Kriegsfall gelte der neue Vertrag nicht mehr. Die politische Mitsprache der nicht-atomaren NATO-Staaten wurde durch Einrichtung eines neuen NATO-Gremiums, der Nuklearen Planungsgruppe, abgesichert.
McNamara’s Absicht, den nuklearen Wildwuchs in Europa zu begrenzen, zeigte zunächst weniger Wirkung. Die Zahl der Atomwaffen in Europa stieg bis in die 70er Jahre weiter an. Nun mussten ja Waffen aufgestellt werden, die technisch geeignet waren, die neue Strategie umzusetzen. Erst aufgrund von Sicherheitsbedenken Mitte der 70er und im Rahmen der Diskussionen über Neutronenwaffe und Nachrüstung kam es zu ersten Reduzierungsschritten. Eine substantielle Reduzierung der Zahl atomarer Waffen in Europa erfolgte erst gegen und unmittelbar nach Ende des Kalten Krieges. Mit dem Auslaufen des Waffensystems Nike, der Eliminierung aller Heeresatomwaffen und dem Verzicht auf 50 Prozent aller atomaren Bomben bis 1991/92 sank die Zahl der Atomwaffen in Europa auf rund 700, kurz darauf 1994/95 auf 480. 4
Und heute? 15 Jahre nach Ende des Kalten Krieges, bestehen die nuklearen Strukturen der NATO weiter fort – weitgehend unverändert. Noch Ende 2000 autorisierte US-Präsident Bill Clinton erneut die Stationierung von 480 nuklearen Fliegerbomben in Europa. 150 dieser Waffen sollen auf dem USLuftwaffenstützpunkt Ramstein lagern, 20 auf dem Bundeswehr-Fliegerhorst Büchel in der Eifel. Die US-Waffen sind weiter im Rahmen der nuklearen Teilhabe auch für den Einsatz durch die Luftstreitkräfte der nicht-nuklearen NATOLänder Deutschland, Belgien, Holland, Italien und Türkei vorgesehen.
Militärisch hat sich die Fähigkeit der Bundeswehr, Atomwaffen mit eigenen Trägersystemen einzusetzen, zwar längst zu einem Anachronismus entwickelt. Es gibt schlicht keinen Bedarf mehr. Das dürfte auch die Bundeswehr so sehen - nur sagt sie es nicht offen. Denn politisch lautet die Befürchtung, man spiele Mikado: Wer zuerst am Sinn der atomaren Waffen in Europa zweifle, sich in dieser Frage bewege, der habe verloren, weil er die transatlantische Nuklearsolidarität in Frage stelle. Da nimmt man lieber in Kauf, dass die Mehrheit der Mitglieder des Atomwaffensperrvertrages mittlerweile an der Rechtmäßigkeit der nuklearen Teilhabe zweifelt – ein Vorwurf, der auch während der Überprüfungskonferenz des Vertrages im Mai dieses Jahres zum wiederholten Male laut werden dürfte. Und doch: Die Entwicklungsrichtung scheint klar: Die Luftwaffe plant, ihre nuklearfähigen Tornado-Flugzeuge im nächsten Jahrzehnt durch nichtnukleare Jets vom Typ Eurofighter abzulösen. Es gibt keine Absicht, den Eurofighter nuklearfähig zu machen, so Staatssekretär Walter Kolbow im Juli 2004 im Bundestag.
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NATO-Mitglied Deutschland – Vom Musterknaben zum USA-Kritiker Dr. Ulrike Bosse (07.05.2005)
O-Ton: „Ich würde mir natürlich wünschen, dass Deutschland eine starke Rolle in der Allianz spielt. Und zwar aus zwei Gründen: Einmal, weil ich glaube, dass nur die Allianz unsere Sicherheit und unser Wohlergehen auf die nächsten Jahrzehnte garantieren kann. Zum anderen aber auch, weil ich glaube, dass die Allianz auf Dauer nur wirksam, nur lebensfähig ist, wenn das transatlantische Verhältnis gesund ist, tragfähig ist. Und diese beiden Dinge kann man eben nur dann erreichen, wenn man Einfluss ausüben kann – und Einfluss buchstabiert sich hier immer auch – natürlich im politischen Engagement, aber eben auch im militärischen Engagement.“ Wünsche des Vorsitzenden des Militärausschusses der NATO, Harald Kujat, nach 50 Jahren Mitgliedschaft Deutschlands in der NATO. Wünsche, die die wichtigsten Stichworte enthalten zur Beschreibung der Geschichte Deutschlands in der Nordatlantischen Allianz: Sicherheit, transatlantisches Verhältnis, Engagement, Einfluss – darum geht es und darum ging es, von Anfang an.
Am 6. Mai 1955 nach Hinterlegung aller notwendigen Ratifikationsurkunden in Washington wurde Deutschland Mitglied im Nordatlantischen Bündnis. Drei Tage später dankte Bundeskanzler Konrad Adenauer bei einer NATO-Tagung in Paris den Partnern dafür, dass sie Deutschland auf dem Weg in die Gemeinschaft der Freien Nationen geleitet hätten und versprach:
O-Ton: „Die Bundesregierung ist entschlossen, gemeinsam mit den anderen Mitgliedsstaaten für Frieden und Freiheit einzutreten.“ Deutschland strebte nach dem Besatzungsregime der Nachkriegszeit nach Souveränität und Gleichberechtigung in der Internationalen Staatengemeinschaft – Stichwort „Einfluss“ - zunächst über das eigene Schicksal. Die Bundesrepublik erhielt beides gegen die Bereitschaft, sich mit Soldaten an der Verteidigung des Westens zu beteiligen. Nach dem Scheitern der Idee einer „europäischen Armee“ bedeutete dies: in der NATO – Stichwort „Engagement“. Treibende Kraft für den Willen der westlichen Siegermächte, die junge Bonner Republik an ihre Seite zu stellen, war der sich verschärfende Kalte Krieg: 6
Stichwort „transatlantisches Verhältnis“ und „Sicherheit“. Eine Sicherheit, die für die Bundesrepublik nun eine ganz neue Qualität bekam.
Die internationale Einbindung Deutschlands im Bündnis half, Vorbehalte und Zweifel gegenüber dem ehemaligen Kriegsgegner zu überwinden – schnell wurde Deutschland als echter Verbündeter und Alliierter akzeptiert – Harald Kujat:
O-Ton: „Ich denke sogar, dass unsere Bedeutung aufgrund unserer geostrategischen Lage früher größer war als das heute der Fall ist.“ Heute: nach der Wiedervereinigung 1990, nach der NATO-Erweiterung um ehemalige Warschauer Pakt-Staaten, nach den ersten militärischen Einsätzen des Bündnisses, nach dem Irak-Krieg. Ein völlig neues Lebensgefühl, aber auch ein neues Berufsverständnis für die Soldaten habe die Wende 1990 gebracht, erzählt Rainer Schuwirth, der Chef des Stabes im NATO-Hauptquartier in Mons. War man vorher als deutscher Soldat auf den NATO-Bereich beschränkt, so gebe es nun eine Vielzahl internationaler Kontakte aus dem Bündnis heraus, sei es in den „Partnerschaften für den Frieden“ oder anderen Kooperationsformen:
O-Ton: „Die Bundesrepublik Deutschland arbeitet ja wie die NATO mit zig Ländern aktiv zusammen, um einen Beitrag zu leisten zur Stabilität, zum Ausbau der Demokratie, wo das erforderlich ist, zu einer neuen Ausformung von Streitkräften in neuen, demokratischen Staatssystemen – das ist ein ungeheuerer Fortschritt, den viele gar nicht sehen, den man aus meiner Sicht erleben muss.“ Dazu kommen die militärischen Missionen der NATO als Antwort auf neue Sicherheitsrisiken wie Bürgerkriege, extreme Menschenrechtsverletzungen, Terrorismus. 1995 traten Bundeswehrsoldaten bei der NATO-Mission zur Sicherung des Dayton-Abkommens in Bosnien-Herzegowina erstmals ihren Dienst in einer friedenserhaltenden NATO-Mission außerhalb des Bündnisgebietes an. Die deutschen Soldaten mussten eine völlig neue Einstellung zu ihrem Beruf gewinnen und dann auch leben, sagt Schuwirth – mit Trennung von der Familie, Entbehrungen, Gefahr. Diese persönlichen Erfahrungen hätten aber 7
auch eine „Angleichung“ an die Erfahrungen der NATO-Soldaten aus anderen Ländern gebracht, die es bei aller Wertschätzung und Gleichberechtigung der Deutschen vorher so nicht gegeben habe:
O-Ton: „Wir waren darauf ausgerichtet, unser Land zu verteidigen – in unserem eigenen Land. Militärisches Handeln außerhalb Deutschlands in Form von Kriseneinsatz zum Beispiel – was ja auch in Zeiten des Kalten Krieges Dinge waren, die z.B. englische, französische, amerikanische Soldaten aber auch andere Soldaten immer wieder beschäftigt haben auch im Rahmen von Einsätzen der Vereinten Nationen – das waren Dinge, die haben wir zwar verfolgt, aber an denen haben wir nicht teilgenommen.“ Deutschland ist heute der größte Truppensteller für NATO-Einsätze und zweitgrößter Beitragszahler für den Militärhaushalt des Bündnisses. Dies werde anerkannt, sagt der Vorsitzende des Militärausschusses. Bei der jüngsten Verteilung hoher Dienstposten jedoch gewannen die Briten dauerhaft den Posten des D-Saceur - des stellvertretenden Oberkommandierenden und damit den höchsten Posten für einen Europäer in der Kommandostruktur der NATO während die Deutschen den hierarchisch darunter angesiedelten Posten des Chefs des Stabes zugesprochen bekamen. Auch andere Verschiebungen gab es, die offiziell verteidigt, unter der Hand aber von vielen als Verlust an Einfluss bewertet werden. Der Chef des NATO-Militärstausschusses beschreibt die deutsche Rolle im Bündnis nach 1990 als „Mittelfeldposition“ – Harald Kujat:
O-Ton: „Wir haben den Freiraum, der uns mit der Wiedervereinigung geboten wurde, nicht in dem Maße genutzt, dass wir sozusagen mehr Einfluss erzielen wollten in der Allianz. Denn mehr Einfluss in der Allianz bedeutet immer zugleich auch größere Verantwortung, einen größeren Anteil am sogenannten „burdensharing“, ein größeres Engagement. Das haben wir offensichtlich nicht angestrebt – das ist eine politische Entscheidung.“ Staaten, die im Kalten Krieg aufgrund ihrer Lage eine geringere Bedeutung im Bündnis hatten, hätten demgegenüber begonnen eine neue, größere Rolle einzunehmen – Italien etwa oder, nach der Osterweiterung des Bündnisses, Polen. Schließlich kam der Zweite Irak-Krieg mit einer Aufwertung der Koalitionspartner durch die USA und dem politischen Bruch im deutsch8
amerikanischen Verhältnis. Auf militärischer Ebene habe das keine Rolle gespielt, versichern die Betroffenen bei der NATO. Und: die militärische Verlässlichkeit Deutschlands habe über den gestörten politischen Dialog hinweg geholfen. Mittlerweile lösen sich die Knoten der Krisenzeit auf – die zweite Regierung Bush hat ihre Hand nach ganz Europa ausgestreckt – dass die junge europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik nicht in Konkurrenz, sondern in Kooperation mit der NATO wachsen sollte, ist jenseits französischer Stimmen weitgehend Konsens, die praktische Kooperation beider Institutionen wird nicht wegen transatlantischer Verstimmungen, sondern wegen der türkischen Zypern-Politik blockiert. Die NATO ist zur Zeit geprägt von ihren Operationen und der Transformation, mit der sie sich fit machen will, um den Sicherheitsrisiken nach dem Kalten Krieg zu begegnen. „Einfluss“ buchstabiert sich in diesem Zusammenhang - noch mehr als bisher vielleicht – wie „Beitrag“. Rainer Schuwirth:
O-Ton: „Die Bundeswehr wird unverändert akzeptiert im Bündnis. Wobei sich natürlich – und das gilt nicht nur für die Bundeswehr alleine – aufgrund der neuen Anforderungen, denen sich die NATO gegenübersieht – Stichwort „Einsätze“, die Akzeptanz sich besonders danach richtet, was die einzelnen Streitkräfte der verschiedenen NATO-Bündnispartner an Beiträgen für laufende oder möglicherweise auch künftige Operationen beibringen können.“ Es ist also und wird eine politische Entscheidung sein, welche Rolle Deutschland künftig im Transatlantischen Bündnis spielt. In den ersten 50 Jahren hat die Bundesrepublik immerhin das Versprechen gehalten, das Bundeskanzler Konrad Adenauer aus Anlass der Aufnahme in die NATO gab:
O-Ton: „Deutschland wird in der Gemeinschaft der freien Völker ein zuverlässiger Partner sein. In dieser Gemeinschaft wollen wir alle unsere Kräfte darauf verwenden, dass die menschliche Freiheit und die menschliche Würde erhalten bleiben.“ * * *
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Intervention statt Landesverteidigung – Das Heer im Wandel Christian Thiele (04.06.2005)
O-Ton: „Soldaten der neuen Streitkräfte. Es ist mir eine Freunde, am heutigen Tage zu Ihnen zu sprechen. Nach Überwindung großer Schwierigkeiten sind Sie die ersten Soldaten der neuen deutschen Streitkräfte geworden.“ Bundeskanzler Konrad Adenauer im Januar 1956 beim Besuch der ersten Soldaten der neuen Streitkräfte. Das sind die Männer der Lehrkompanie in Andernach. Sozusagen die Keimzelle des neuen deutschen Heeres.
Ein schwieriger Start: Unter Zeitdruck werden die rechtlichen Grundlagen geschaffen. Der Verteidigungshaushalt ist knapp. Die Bevölkerung hat so kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges vom Soldatentum genug. In die Kasernen, die noch halbwegs brauchbar sind, sind die Alliierten eingezogen. Kurz: Die Rahmenbedingungen sind denkbar schlecht, analysiert Helmut Hammerich vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam:
O-Ton: „Die Bundeswehr fing im Prinzip von Null an. Es gab kein Wehrmachtsmaterial mehr, die amerikanische Armee half aus. Die Erstausstattung, sowohl bei Großgerät als auch in der Ausrüstung personeller Art, war Kriegsgerät aus dem Zweiten Weltkrieg – dementsprechend teilweise unmodern. Und es dauerte sehr lange, bis Mitte der sechziger Jahre, bis dann diese Erstausstattung durch deutsches Rüstungsmaterial dann ersetzt wurde.“ Mitte der sechziger Jahre – so lange dauert es, bis das Heer aufgestellt ist, so wie zunächst geplant. Zwölf Divisionen sollen die Bundesrepublik verteidigen – möglichst weit ostwärts.
Doch schon kurz nach Aufstellung des Heeres gilt dessen Struktur schon wieder als veraltet. Deshalb die so genannte Heeresstruktur 2: wendiger, flexibler soll die Truppe werden, kleiner gegliedert, um auch in einem Atomkrieg kämpfen zu können. Man denkt nicht mehr nur in Divisionen, man denkt vor allem in Brigaden.
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Ende der sechziger Jahre: jeder Zug im Atomschach der beiden Supermächte schafft eine völlig neue Sicherheitslage: Die Nato verabschiedet sich von der Strategie der „Massiven Vergeltung“ – „Flexible Response“, abgestufte Reaktion, heißt die neue Devise. Im Heer sind jetzt neben Panzerverbänden vor allem auch mobilere Jägerkräfte gefragt.
Heute steht das Heer – je nach Zählweise - in der siebten oder achten Struktur seit 1955. Kaum eine wurde tatsächlich bis zu Ende ausgeführt. Allerdings, so stellt der Berliner Verteidigungsexperte Lutz Unterseher fest, standen die Heeresplaner während des gesamten Kalten Krieges vor einem Dilemma: Einerseits setzte man auf gepanzerte Großformationen für den Bewegungskrieg. Gleichzeitig wollte man aber Linien halten und die Bundesrepublik eben nicht zum Feld großer militärischer Bewegungen machen mit potentiell verheerenden Wirkungen:
O-Ton: „Darin sahen viele Experten, auch aus der Bundeswehr, einen Widerspruch. Es gab Gegenentwürfe, die auf eine leichtere, mehr mit Präzisionsfeuer und weniger mit weiträumigen Bewegungen arbeitende Verteidigung arbeiteten.“ Die Pläne für diese „defensive Verteidigung“ berücksichtigten auch, dass es in der Bundesrepublik enger geworden war - durch Zersiedelung, Autobahnbau, Aufforstungen - und Kampfpanzer gar nicht mehr den einstigen Bewegungsspielraum hatten. Doch diese neuen Konzepte wurden nicht umgesetzt. Und dann fiel 1989 die Mauer. Der Kalte Krieg war zu Ende. Eine Zäsur auch für das Heer. Die Landesverteidigung rückte in den Hintergrund. Auslandsmissionen wurden zunehmend zur neuen Aufgabe der Bundeswehr. Anfang der 90er Jahre dann die UN-Einsätze in Kambodscha und Somalia. Schließlich die Missionen auf dem Balkan.
Auslandseinsätze sind inzwischen die Hauptaufgabe der Bundeswehr. Und das Heer trägt dabei die Hauptlast. Das spiegelt sich allerdings nicht in der Ressourcen-Verteilung wider, finden Kritiker. Das Heer kam früher in den Genuss von rund 50 Prozent der Investitionsmittel – heute geht der Großteil der Gelder an Rüstungsprojekte der Luftwaffe. Heer und Marine müssen sich den 11
Rest teilen. Altmodische Eifersüchtelei zwischen den Teilstreitkräften? Nein, findet Militärexperte Lutz Unterseher. Das Gerede vom Teilstreitkräfteübergreifenden-Denken, von Jointness - diese Rhetorik verwische den Blick für die Realitäten:
O-Ton: „Ich glaube, die Vokabel ‚Jointness’ ist gefährlich. Sie bedeutet, dass der Heeressoldat nicht mal alleine auf die Toilette gehen darf, es muss immer ein Luftwaffensoldat dabei sein, man muss alles gemeinsam machen. Die Realität ist ganz anders: Die Heeressoldaten machen fast alles alleine.“ Das Heer kommt finanziell zu kurz – und setzt die knappen Gelder auch noch falsch ein. Das kritisiert Sascha Lange von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Programme wie der Kampfhubschrauber „Tiger“ hätten vielleicht im Kalten Krieg Sinn gemacht. Heute aber verdrängten sie die notwendigen Mittel für die Anschaffung von leicht verlegbaren, kommunikationsfähigem Gerät. Die neuen Radfahrzeuge habe die Industrie dem Ministerium regelrecht schmackhaft machen müssen – die Heeresplaner selbst seien nicht auf die Idee gekommen, so etwas anzufordern. Außerdem, findet Lange, kommen die Stabilisierungskräfte zu kurz. Obwohl die doch die Hauptlast der Auslandseinsätze schultern:
O-Ton: „Die Politik hat sich eben dazu entschlossen, die Eingreifkräfte zu priorisieren. Demzufolge muss die Bundeswehr dann eben auch in diesem Bereich in erster Linie sehr modern ausgerüstet werden. Dass die Einsatzrealität heutzutage für die Bundeswehr eher die Aufgaben ausfüllt, die von den Stabilisierungskräften ausgefüllt werden, ist eben ein Umstand, dem man Rechnung tragen kann - die politische Entscheidung ist jetzt aber erst mal anders gefallen.“ Im Prinzip aber, da sind sich die Experten einig, ist das deutsche Heer gut gerüstet. Beispiele: das Programm „Infanterist der Zukunft“ oder das neue Transportfahrzeug „Dingo“. Darum werden die Soldaten selbst von französischen oder britischen Kameraden beneidet. Allerdings geht die Ausrüstung inzwischen praktisch direkt in den Auslandseinsatz – bei der Ausbildung daheim hapert es dann. Nochmals Sascha Lange:
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O-Ton: „Aufgrund der begrenzten Stückzahl ist das im Einsatz schon auf Kante genäht, sag ich mal, das ist relativ knapp. Die Dingos, die bei der Bundeswehr im Einsatz sind, sind fast ausschließlich komplett im Einsatz, werden stark genutzt, da sind nur wenige Fahrzeuge hier für die Ausbildung zur Verfügung.“ Überhaupt, die Truppe im Inland: Sie kommt durch die Auslandseinsätze zu kurz. Ex-Generalinspekteur Hans-Peter von Kirchbach macht sich Sorgen:
O-Ton: „Wir müssen heute aufpassen, durch Fragmentierung der Einheiten, die immer wieder vorkommt, durch die richtige Betonung der Einsätze, auch personell, die Gefahr, dass Führung zu Hause vernachlässigt wird, aus ganz nachvollziehbaren Gründen. Weil nicht genug Leute da sind. Weil die Vorgesetzten, die eigentlich zuständig sind, irgendwelche anderen Aufgaben erfüllen. Weil insgesamt die Führerdichte zu Hause nicht ausreicht.“ Schon jetzt geht die Sorge um, bei Naturkatastrophen im Inland könnten die Behörden nicht mehr wie bisher auf Unterstützung der Bundeswehr hoffen. Auch angesichts der Standortschließungen. Dabei macht die Konzentration auf wenige Standorte logistisch und betriebswirtschaftlich durchaus Sinn. Aber sie birgt auch Gefahren: Noch einmal von Kirchbach:
O-Ton: „Ich denke, wir müssen aufpassen, dass man uns noch kennt. Weiße Flecken haben wir immer gehabt, natürlich. Aber: Die Zahl der weißen Flecken, also wo man eine direkte Verbindung zu den Streitkräften nicht mehr hat, wird natürlich deutlich größer.“ Ein Heer, das kaum einer mehr kennt. Das wäre eine mögliche Konsequenz eines Rückzugs aus der Fläche, warnen Kritiker. Die größte Bedrohung jedoch, da sind sich inzwischen immer mehr Experten einig, ist eine mögliche Überdehnung des Heeres: Zu viele Missionen, zu wenig geeignetes Material und zu wenig Spezialisten. Militärhistoriker Helmut Hammerich mahnt daher:
O-Ton: „Aufträge müssen mit den Mitteln übereinstimmen. Das war vor 50 Jahren so, und das ist auch heute noch so.“ * * * 13
Transporter statt Abfangjäger? Die Umstrukturierung der Luftwaffe Achim Gutzeit (18.06.2005)
O-Ton: „Flugfeldgeräusche“
1956 – im bayerischen Fürstenfeldbruck: Elf Jahre nach Kriegsende sitzen die ersten Flugschüler der neuen Luftwaffe an den Steuerknüppeln ihrer Schulflugzeuge. Wenig später wird der erste Kampfverband aufgestellt. Im November werden 23 Jagdbomber der Luftwaffe übergeben. Amerikanische Piloten haben die Flugzeuge im Rahmen der sogenannten gegenseitigen Verteidigungshilfe nach Deutschland überführt. Beim Festakt wendet sich der damalige Oberbefehlshaber der deutschen Luftwaffe und spätere erste LuftwaffenInspekteur Generalleutnant Josef Kammhuber in Fürstenfeldbruck an die neuen Piloten:
O-Ton: „Ein sehr wertvolles Gut ist Euch anvertraut. Wir sehen aus den letzten Ereignissen der vergangenen Wochen, wie wichtig es ist, dass ein Volk sich bereithält, seine eigene Freiheit und seine Existenz zu verteidigen. Dazu liebe Fliegerkameraden, seid Ihr berufen.“ Kammhuber war, ebenso wie alle anderen Offiziere ab dem Dienstgrad Oberst, auf seine NS-Vergangenheit überprüft worden. Er wurde 1943 wegen eines Streits mit Hitler als Kommandierender General der WehrmachtsLuftwaffe abgelöst und abgeschoben. Wie er waren viele Piloten ehemalige Wehrmachtssoldaten, erzählt Heiner Möllers, Historiker bei der Bundeswehr:
O-Ton: „Die Luftwaffe hatte ein erhebliches Fehl an wehrfliegertauglichen Offizieren in den Dienstgraden Major bis Oberst. Weil man diese flugerfahrenen und körperlich leistungsfähigen Flugzeugführer für die Stellen als Staffelkapitän und Verbandsführer brauchte. Eine stattliche Anzahl von ranghohen Generalen der Luftwaffe kommt aus ein- und demselben Jagdgeschwader, das an der Ostfront geflogen ist.“
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Die Tradition der Wehrmachts-Luftwaffe war bei der neuen Luftwaffe durchaus noch greifbar – nicht nur, weil Vorgesetzte kriegsgediente Piloten waren, sagt Heiner Möllers von der Bundeswehr:
O-Ton: „Zum Beispiel in Memmingen, beim Jagdbombergeschwader 34 bei der ersten und zweiten Staffel als Staffelwappen, bei der ersten Staffel die Grünherztradition des Jagdgeschwaders 54 der Wehrmacht weitergeführt wird, in der zweiten Staffel des Kampfgeschwaders 51 Edelweiß.“ Der Spagat zwischen Traditionspflege und einer Armee, die dem Grundgesetz verpflichtet ist, erreichte ihren vorläufigen Höhepunkt im Frühjahr dieses Jahres, als das Jagdgeschwader 74 in Neuburg an der Donau seinen Traditionsnamen „Mölders“ offiziell ablegen musste.
Aufgabe der Luftwaffe war bis in die 80er Jahre die Verteidigung des Territoriums der Bundesrepublik. Gefragt waren schnelle und robuste Flugzeuge, die im potentiellen Kriegsgebiet in Mitteleuropa zum Einsatz kommen sollten und deshalb nur eine relativ geringe Reichweite brauchten. Eine solche Maschine war der berühmt-berüchtigte F-104 Starfighter. Er bekam den Spitznamen „Witwenmacher“, weil fast ein Drittel aller Starfighter abstürzten und über 100 Piloten dabei ums Leben kamen. Jürgen Kolbe, selbst ehemaliger Starfighterpilot und heute Dozent an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg, erinnert sich:
O-Ton: „Ein ganz wesentlicher Grund war die natürlich für damalige Verhältnisse HighTech-Auslegung des Starfighters. Auch mit dem schnellen Aufbau der Bundeswehr hing es ja zusammen. Den Alliierten lag daran, dass wir möglichst schnell auf die Beine kamen und so kam es zu einem Managementproblem, das dann im Wesentlichen gelöst wurde und danach war der Starfighter aus den Schlagzeilen in den 70er und 80er Jahren.“ Nach und nach wurden die Flugzeuge aus amerikanischer Herstellung durch europäische Gemeinschaftsprojekte ersetzt, so wie der deutsch-französische Transporter Transall oder der Jagdbomber Tornado. Das Konzept der „Vorneverteidigung“ bedeutete für die Luftwaffe Einsatz im Feindesland. Der Tornado wurde so ausgelegt, dass er tief in den Luftraum des Warschauer Paktes ein15
dringen konnte. In den 80er Jahren entbrannte deshalb eine Diskussion in der Öffentlichkeit, über die offensiven Fähigkeiten des Tornados.
1989 dann der Fall der Mauer. Mit Ende des Ost-West-Konflikts kamen auf die Luftwaffe neue Aufgaben zu. Für die steigende Zahl von Auslandseinsätzen reichte der Kampfzonen-Transporter Transall kaum noch aus. Die Weichen werden gestellt für ein neues Flugzeug: Den Langstreckentransporter A 400 M. Bis die ersten Maschinen 2012 ausgeliefert werden, behilft man sich mit gecharterten ukrainischen oder russischen Transportflugzeugen vom Typ Antonov.
Über dem Himmel Deutschlands ist der Gegner nicht mehr die Luftwaffe des Ostblocks, sondern es geht darum, terroristische Anschläge zu verhindern. Noch einmal Oberst Kolbe von der Führungsakademie der Bundeswehr:
O-Ton: „Wenn man an die terroristischen Anschläge denkt vom September 2001, dann wissen wir ja, das sich seit dem das Konzept wesentlich gewandelt hat und ich weiß gar nicht, inwieweit das allgemein bekannt ist: aber deutsche Jagdflugzeuge leisten derzeit Dienst in den baltischen Ländern und führen dort Lufthoheitsaufgaben durch, auf Wunsch der Balten, in Absprache mit Russland. Das sind Aufgaben, die kann man mit den zur Verfügung stehenden Phantoms, die schon fast doppelt so alt sind wie die Piloten, die sie fliegen, noch durchaus durchführen und mit dem Eurofighter wird man das noch besser können.“ Der Eurofighter, der ursprünglich Jäger 90 hieß, war eigentlich dafür gedacht über Europa gegen Feindflugzeuge des Ostblocks anzutreten. Die eingeplanten 180 Maschinen dieses Typs kosten rund 15 Milliarden Euro, Bewaffnung nicht mit inbegriffen. Auch hier wurde die Planung von der Realität überholt. So viele Maschinen dieses Typs sind nach Meinung von Experten nicht mehr nötig. Das Geld fehlt für andere Projekte. Zumal es auch in der Luftwaffe Stimmen gibt, die sagen, dass die Luftwaffe bereits jetzt völlig überfordert ist, wenn es darum geht, mit den vorhandenen Mitteln „die Freiheit der Bundesrepublik auch am Hindukusch zu verteidigen“, wie Bundesverteidigungsminister Struck sich ausdrückte. Bundeswehrhistoriker Heiner Möllers:
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O-Ton: „Mit den Flugzeugen, die heute noch in der Luftwaffe fliegen, der Eurofighter ist jetzt der erste Neuzugang, war die Luftwaffe optimiert auf die Blockkonfrontation und den Krieg in Mitteleuropa. Sie sehen das an keinem Flugzeug so deutlich wie dem Tornado, der tiefstflugfähig war; eine Einsatzoption, die heute nicht mehr gefordert wird. Und da sieht man eben, dass die Luftwaffe zum Jahr 2005 bei weitem nicht mehr mit dem ausgestattet ist, was sie für eine optimale Auftragserfüllung braucht. Hier passt jetzt der Auftrag der Bundeswehr, der durch die Politik gestellt wird, mit den Mitteln nicht mehr zusammen.“ Ihren ersten großen Kampfeinsatz hatte die Luftwaffe 1999 im Kosovo-Krieg. Die deutschen ECR-Tornados waren bei den amerikanischen Kampfpiloten sehr gefragt. Denn sie mussten mit ihren Aufklärungs-Fähigkeiten an der Spitze des Verbandes in feindliches Gebiet fliegen, um Flugabwehrstellungen elektronisch aufzuspüren und zu zerstören. Der Einsatz wurde bei der Luftwaffe sorgfältig ausgewertet, schließlich wurde erstmals alles das praktisch umgesetzt, was bisher immer nur geübt worden war. Ziel dieser Nachbereitungen ist es, die Einsätze der Luftwaffe möglichst effizient zu machen – auch aus wirtschaftlichen Gründen. Jürgen Kolbe von der Führungsakademie der Bundeswehr:
O-Ton: „Sie wissen, dass durch die Verbesserung der Informationstechnologie, einmal die Speichermöglichkeiten und die Übertragungsmöglichkeiten wesentlich besser geworden sind. Und wenn sie Aufklärungsergebnisse schneller bereitstellen können, dann kann es sein, dass sie einen Einsatz einsparen können, den sie vielleicht zwischenzeitlich eingeschoben hatten, wo noch keine Sicherheit war, ob der erste erfolgreich war. Ob in dieser Beziehung vielleicht Fortschritte möglich sind, das könnte ich mir vorstellen. Aber darüber hinaus vom Prinzip her würde der Einsatz nicht anders verlaufen. Jeder stellt das zur Verfügung von den Partnern, die sich an so einer Operation beteiligen, was er am besten kann, was er verfügbar hat. Und dadurch wird die größte Wirkung erzielt.“
Größtmögliche Wirkung wollte die Luftwaffe zu Zeiten der Ost-WestKonfrontation auch mit der sogenannten „nuklearen Teilhabe“ erzielen. Tornados des Jagdbombergeschwaders 33 in Büchel in der Eifel sollen im Kriegsfall mit amerikanischen Atombomben ausgerüstet werden. Was aus dieser nuklearen Rückversicherung wird, ist noch völlig offen. Denn ab 2013 sollen die Tor-
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nados durch den Eurofighter ersetzt werden – der soll laut Bundesregierung aber nicht zum Atomwaffenträger umgebaut werden.
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Einbruch in eine Männer Domäne – Frauen bei den Streitkräften Barbara Renne (02.07.2005)
Die Bundeswehr hatte bei ihrer Aufstellung vor 50 Jahren große Ansprüche an sich selbst: Eine Armee der „Staatsbürger in Uniform“ wollte sie sein. Dazu setzte man vor allem auf die Wehrpflicht. Und in der Tat, der Zwang zum Dienen half der Bundeswehr, ihre Soldaten aus allen Bevölkerungs- und Bildungsschichten zu gewinnen. Aber das Ideal des Staatsbürgers in Uniform blieb trotzdem nur bedingt erfüllt. Denn die Hälfte der deutschen Bevölkerung wurde zunächst außen vor gelassen: die Frauen. In den ersten zwanzig Jahren waren sie nur als zivile Assistentinnen geduldet: als Sekretärinnen, Köchinnen oder Reinigungskräfte. Den eigentlichen Auftrag, die Verteidigung Deutschlands, den erledigten die Männer. Das war sogar verfassungsrechtlich verbrieft. „Frauen dürfen auf keinen Fall Dienst mit der Waffe leisten“, stand in Artikel 12a des Grundgesetzes: Militär und Frauen – im Verständnis Vieler ist das etwas, was nicht zusammengehört, beobachtet Militärsoziologin Maja Apelt:
O-Ton: „Krieg und der Soldatenberuf gilt als männlicher Beruf. Das ist traditionell historisch fest und tief verankert in den Streitkräften, in den Armeen international. Insofern kann sich bis jetzt wohl kaum jemand vorstellen, dass in der Kampftruppe zu gleichen Teilen Männer und Frauen kämpfen. Das hat einerseits mit den Belastungen dieser Verwendungen zu tun und auf der anderen Seite auch mit der Vorstellungskraft, die auch in der Gesellschaft fest verankert ist, dass Frauen dort im Prinzip nicht wirklich hingehören." Es sollte eine Weile dauern, bis dieser vermeintlich unumstößliche Grundsatz erstmals ins Wanken geriet. Ende der 60er Jahre entbrannte in der Republik eine hitzige politische Debatte über die Notstandsgesetzgebung. Erstmals wurden Stimmen laut, die forderten, auch Frauen in die Armee zu lassen. Doch so schnell ging es nicht. Die Frauen bahnten sich erst langsam ihren Weg zur Bundeswehr. Ihre erste Station war der Sanitätsdienst. Er war der erste Bereich der Bundeswehr, der für die Frauen geöffnet wurde: Ärztinnen, Zahnärztinnen und Apothekerinnen. Sie durften kommen. Das war 1975. 14 Jahre später, 1989, wurden die ersten weiblichen Sanitätsoffiziersanwärter zugelassen. Über sie erstellte Ingrid Welcker damals eine Studie für das Sozialwissen19
schaftliche Institut der Bundeswehr. Die Frauen waren sich ihrer Sonderrolle bewusst, erinnert sich die Sozialwissenschaftlerin. Viele von ihnen wollten deshalb möglichst nicht auffallen:
O-Ton: „Die kamen zuerst sehr vorsichtig. Alle hatten kurz geschnittene Haare, waren ungeschminkt und so weiter. Das hat sich nach kurzer Zeit geändert. Die sahen alle ganz nett und normal aus und haben gesagt, ihnen macht es Spaß, die Grundausbildung sei zwar hart gewesen, aber sie hätten es alle geschafft.“ Anfang der 90er wurden dann auch die Laufbahngruppen der Unteroffiziere und Mannschaften im Sanitäts- und Militärmusikdienst für den freiwilligen Dienst von Frauen geöffnet. 1992 kamen Spitzensportlerinnen hinzu.
Sanitäterinnen, Musikerinnen, Sportlerinnen - das war für die Frauen also zunächst der Anfang in der Bundeswehr. Die kämpfenden Einheiten blieben ihnen aber auch weiterhin verschlossen. Die Klage einer Frau vor fünf Jahren sollte dies ändern. Sie wollte gerne für die Bundeswehr als Waffenelektronikerin arbeiten – und durfte nicht, weil sie eine Frau war. Empört zog sie durch die juristischen Instanzen bis hin zum Europäischen Gerichtshof. Mit dem Urteil des EuGH sollten neue Zeiten für die Bundeswehr anbrechen. Das Gericht befand nämlich, dass der grundsätzliche Ausschluss von Frauen aus der Bundeswehr gegen das Gleichstellungsgebot verstoße.
Und dann ging alles ganz schnell. Gesetze wurden geändert, in den Kasernen Räume für die neuen weiblichen Kameraden geschaffen. Ab Januar 2001 durften sie dann kommen, die Frauen. Und sie machten von dem Angebot gerne Gebrauch. Über 2.700 Frauen traten noch im ersten Jahr der Öffnung ihren Dienst bei der Bundeswehr an. Eine von ihnen war Julia Fremdling. Mittlerweile ist sie Oberfähnrich und studiert an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg. Soldatin zu werden, war für die junge Frau damals eine ganz bewusste Entscheidung:
O-Ton: „Ich habe vorher Technische Zeichnerin gemacht und die Vorstellung, nur vor dem Computer im Büro zu sitzen, war definitiv nicht das, was ich wollte.“ 20
Deshalb ging sie zur Bundeswehr, bereit, es mit einer eingeschworenen Männergemeinschaft aufzunehmen:
O-Ton: „Klar, blöde Sprüche gibt es immer. Aber mir persönlich ist nichts passiert, wo gesagt wurde, das ist jetzt schlecht, weil Du eine Frau bist oder: Ihr Frauen könnt das nicht, wo es wirklich ernst gemeint war.“ Trotz der einen oder anderen dummen Bemerkung: die Frauen bissen sich durch, bewältigten kilometerlange Märsche mit schwerem Gepäck und andere Schwierigkeiten. Viele Ausbilder zollen ihnen deshalb Respekt, wie Kapitänleutnant Dierk Möller-Nolting:
O-Ton: „Die weiblichen Offiziersanwärterinnen und Offiziere haben sich im Vergleich zu ihren männlichen Kameraden viel intensiver mit dem Beruf auseinandergesetzt und haben auch eine sehr konkrete Vorstellung von ihrem Beruf. Bei einigen männlichen Kameraden steht dann doch eher so ein plattes Berufsbild des Soldaten im Hintergrund und bestimmte Fragestellungen wie Auslandseinsätze werden dann deutlich kritischer gesehen als es von den weiblichen Kameraden gemacht wird, die ziemlich genau wissen, worauf sie sich eingelassen haben.“ Allerdings sind bei weitem nicht alle Vorgesetzten so gut auf Frauen in den eigenen Reihen zu sprechen. Soziologin Maja Apelt von der Helmut-SchmidtUniversität der Bundeswehr führte eine anonyme Befragung im ersten Soldatinnen-Jahrgang durch. Ergebnis: Vor allem im Heer - und dort besonders in den kämpfenden Einheiten - stoßen die Frauen noch immer auf Vorbehalte, mitunter sogar auf Ablehnung. Das Erlebnis einer Soldatin ist Maja Apelt besonders in Erinnerung geblieben:
O-Ton: „In diesem einen Fall war es so, dass ein Vorgesetzter letztendlich die Position vertreten hat, dass Frauen bei den Panzergrenadieren nicht dazu gehören. Und er hat sie das regelmäßig spüren lassen. Und sie hat Kameradschaft als besonders negativ erlebt und meinte, dass dann eben auch keine Unterstützung von anderen gekommen ist, sondern gerade, weil sie als Soldatin allein war, in dieser Einheit das auch wirklich allein durchstehen musste.“
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Hartnäckige Vorurteile gegenüber den Frauen – sie gibt es also noch immer bei einigen Vorgesetzten, vor allem aber halten sie sich in den Reihen gleichaltriger Kameraden. Leutnant Maik Praedorius ist seit fünf Jahren bei der Bundeswehr. An die ersten Monate mit den neuen weiblichen Kameradinnen kann er sich noch gut erinnern:
O-Ton: „2001, als die ersten Frauen kamen, musste man erst damit umgehen, dass nun Frauen da sind. Am Anfang gab es leichte Differenzen zwischen Männern und Frauen. Das musste man erst mal aus der Welt schaffen. Gleichaltrige Kameraden haben wirklich gedacht, die Frauen sind jetzt wesentlich besser gestellt als wir selbst und werden überall durchgeschliffen.“ Keine Einzelmeinungen. Unmittelbar vor der Öffnung für Frauen führt das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr eine Umfrage unter mehr als 3.000 Soldaten durch. Eine breite Mehrheit begrüßte zwar die vollständige Öffnung der Truppe für Frauen. Aber viele der Befragten hatten Bedenken. So waren 40 Prozent der Ansicht, dass die weiblichen Kameraden nicht an Kampfhandlungen teilnehmen sollten. Und jeder fünfte Soldat wollte keine Frau als Vorgesetzte haben.
Solche Vorbehalte werden vermutlich erst im Laufe der Zeit herauswachsen, meint Hauptmann Katja Röder vom Deutschen Bundeswehr-Verband:
O-Ton: „Ich kenne das ja auch aus dem Sanitätsdienst, wo es manchmal jahrelang Überzeugungskraft gekostet hat, oder wo dann gesehen wird, dass die Soldatinnen ganz normal ihren Dienst verrichten und ihn auch gut machen. Ich bin auch der Meinung, dass es noch Jahre dauern wird, bis man wirklich überall Überzeugungsarbeit geleistet hat. Und deswegen denke ich, dass es jetzt noch verfrüht ist zu sagen: die Integration ist abgeschlossen.“ Die Frauen scheint dies nicht abzuschrecken. Ihr Interesse an der Bundeswehr ist nach wie vor groß. In den Zentren für Nachwuchsgewinnung war allein in diesem Jahr jeder fünfte Bewerber eine Frau.
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Von den Küstengewässern auf die Weltmeere – Die neue Rolle der Marine Andreas Flocken (30.07.2005)
Januar 1956 in Wilhelmshaven. Keine elf Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg rücken die ersten Marine-Rekruten ein. Die Wiederbewaffnung ist für die Medien ein großes Thema. Ein Hörfunk-Reporter schildert seine Eindrücke:
O-Ton: „Zwischen Haufen von Strümpfen, Socken, schwarzen Schuhen, Hosenträgern, Unterzeug, Trainingsanzügen und grauen Uniformen spielt sich der erste Augenblick des Militärdaseins der Wilhelmshavener Marine-Rekruten ab, die heute rund 160 Mann stark in der Kaserne in Wilhelmshaven-Ebkeriege angerückt sind. Da stehen sie also nun noch in zivil, ihr Unterzeug über dem Arm und kriegen ihre Sachen verpasst. Das geht wie gesagt, sehr sorgfältig vor sich, bis es dann endgültig heißt: Passt, raus, der Nächste.“ Bereits Jahre bevor diese Rekruten in die Kasernen einrückten hatte sich eine kleine Gruppe von ehemaligen Wehrmachtsoffizieren Gedanken über die Aufgaben einer neuen deutschen Streitmacht gemacht: In der so genannten Himmerorder Denkschrift vom Oktober 1950. In diesem Dokument wird auch die neue Marine skizziert. Sie wird in erster Linie als Küstenmarine konzipiert. Denn ihr Auftrag ist die Verteidigung der Ostsee. Nach und nach bekommt allerdings auch die Nordsee einen größeren Stellenwert. Eine Reaktion auf die sowjetische Marinerüstung in den 80er Jahren, die sich zunehmend auf das Nordmeer und Murmansk konzentriert. Marine-Inspekteur Ansgar Bethge fasst im November 1980 die Aufgaben der deutschen Seestreitkräfte folgender Maßen zusammen:
O-Ton: „Die Marine hat innerhalb des Bündnisses einen fest umrissen Auftrag. Nämlich mit den dänischen Streitkräften zusammen die Ostseeausgänge zu sichern, und darüber hinaus in der Nordsee und im nördlich angrenzenden Meergebiet mit den Streitkräften der Briten und der Amerikaner den Nordflankenraum zu sichern, um die Nachschubbewegungen über den Atlantik aus Amerika und aus England nach Norwegen, Dänemark und in die deutschen Häfen im Krisen- oder Verteidigungsfalle sicherzustellen.“ Obwohl ganz auf Verteidigung ausgerichtet, strebt die deutsche Marine in den 50er Jahren auch eine offensive Komponente an: Amphibische Operationen, 23
Landungen an der gegnerischen Küste. „Zur Wirkung hinter den Flanken des russischen Heeres“ heißt es in der Himmeroder Denkschrift. Werner Rahn, der ehemalige Amtschef des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes der Bundeswehr:
O-Ton: „In der damaligen Zeit hat man auch aufgrund der Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges schon sehr wohl daran gedacht, mit kleineren amphibischen Operationen im Rücken des Gegners Unruhe zu stiften und dadurch Kräfte des Gegners zu binden. Das war eine etwas optimistische Annahme, die dann von der Realität der sowjetischen Rüstung doch sehr stark in den Hintergrund gedrängt wurde.“ Die Folge: Schon Anfang der 60er Jahre verzichtete die Marine weitgehend auf amphibische Kapazitäten.
Eine wichtige Rolle zur Sicherung der Seeherrschaft in der Ostsee spielten von Anbeginn U-Boote. In der Himmeroder Denkschrift von 1950 wurden neben konventionellen Tauchbooten u.a. zwei Flottillen so genannter Kleinkampfmittel für erforderlich gehalten. Genannt werden Zwei-Mann-U-Boote und Sprengboote.
Diese Überlegungen fanden jedoch nicht Eingang in die Marineplanung - jedenfalls nicht zunächst. Überrascht war die Öffentlichkeit - und nicht nur sie als in den 60er Jahren in Bremen zwei Kleinst-U-Boote gebaut wurden. Allerdings war bereits zuvor in der Presse spekuliert worden, die Marine bevorzuge statt des Baus von herkömmlichen Unterseebooten mehr als 100 Kleinst-UBoote eines billigen Einheitstyps. Dies sei zudem günstiger als der Bau teurer Zerstörer. Offenbar ließ man sich dabei von Erfahrungen in der Schlussphase des Zweiten Weltkrieges leiten. Für den Militärhistoriker Werner Rahn waren die beiden in Bremen gebauten U-Boote zwei Versuchs-Boote:
O-Ton: „Allein die Namensgebung der beiden Boote, „Friedrich Schürer“ und „Hans Techel“, - das sind bekannte U-Bootkonstrukteure in der Zwischenkriegszeit deutet darauf hin, dass diese Konstruktion und der Bau dieser Boote nicht von der Marineführung ausging, sondern von der Abteilung Technik im Verteidigungsministerium. Und diese Abteilung Technik wurde von einem Dr. Ing. Fi24
scher geführt. Der war führender Baubeamter in der Schlussphase des Zweiten Weltkrieges, gerade was den Bau von Kleinst-U-Booten und Kleinkampfmitteln angeht.“ Das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL mutmaßte Anfang der 60er Jahre, das Verteidigungsministerium halte Kontakt zum „sachverständigsten U-BootExperten“ des Zweiten Weltkrieges: zu Großadmiral Karl Dönitz - was dieser aber dementierte. Die NATO-Partner waren jedenfalls irritiert. Offiziell die Marineführung ebenfalls. Die beiden gebauten Kleinst-U-Boote wurden dann auch schnell wieder außer Dienst gestellt. Man blieb bei den konventionellen Tauchbooten.
Die sollten aus amagnetischem Stahl gebaut werden, um immun zu sein gegenüber magnetischen Minenzündern. Doch hier gab es zunächst erhebliche Probleme. Werner Rahn, der frühere Amtschef des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes:
O-Ton: „Dies lag nicht in der Verantwortung der Marineführung. Aber sie musste es letztlich mit ausbaden, weil eben die ersten fünf bis acht U-Boote nicht in dem Zeitrahmen zur Verfügung standen, wie man es sich vorgestellt hat. Und die ersten U-Boote wurden mit einem Stahl geliefert, der nicht den Ansprüchen genügte. Und das war sehr wohl ein Versäumnis der Rüstungsabteilung im Verteidigungsministerium, dass der Stahl, der vorgesehen war, nicht ausreichend geprüft wurde.“ Ebenfalls Probleme gab es mit dem Starfighter, mit dem nicht nur die Luftwaffe sondern auch die Marine in den 60er Jahren ausgerüstet wurde. Nach den ersten Abstürzen gab es auch bei den Seestreitkräften eine Diskussion über die Sicherheit dieser Maschine. Während einer Flugvorführung im Mai 1965 wies der Kommandeur der Marinefliegerdivision, Flottillenadmiral Mahlke, Zweifel an der Zuverlässigkeit des Flugzeuges allerdings zurück:
O-Ton: „Das meine ich nicht. Ich glaube, man kann im Gegenteil sagen, dass für eine derart hoch entwickelte Waffe oder Waffensystem die technische Zuverlässigkeit dieses Flugzeuges als besonders gut zu bezeichnen ist. Und ich glaube, dass bei allen diesbezüglichen Diskussionen nicht übersehen werden darf, dass außer einer großen Zahl von Navigationssystemen für den Flugzeugfüh25
rer in erster Linie der Flugzeugführer dieses Flugzeug fliegt und dieses Waffensystem zur vollen Wirkung bringt. Und ich glaube, dass alle F-104 Piloten von diesem Waffensystem überzeugt sein werden.“ Doch da war der Höhepunkt der Starfighter-Krise noch nicht erreicht. Die F104 - ein Flugzeug, das keinen Pilotenfehler verzeiht. Die Marine verlor fast ein Drittel ihrer 168 Starfighter durch Abstürze. 20 Piloten starben. Unten den Opfern auch der Sohn des damaligen Verteidigungsministers Kai-Uwe von Hassel.
Erfolgreich gewehrt hat sich die Marineführung gegen Überlegungen, ihre Kampfflugzeuge im Rahmen der so genannten nuklearen Teilhabe im Kriegsfall mit Atomwaffen auszurüsten. Für den Militärhistoriker Werner Rahn verfolgte die Marineführung dabei auch eigene Interessen:
O-Ton: „Sie befürchtete, dass sie damit die operative Eigenständigkeit, was den Einsatz dieses Seekriegsmittels angeht, in der Krise und im Konflikt verlieren würde. Die Marine-Jagdbomber hatten einen so hohen Stellenwert mit dem Einsatz ihres Flugkörpers Kormoran gegen Schiffziele, so dass die Marine sagte: wir wollen und dürfen es nicht riskieren, dass uns Teile dieser Komponente genommen werden - in einer Krise oder einem Einsatz - weil sie uns dann nicht zu Verfügung steht.“ Diese Sorgen hat die Marine inzwischen nicht mehr. Denn die Kampfflugzeuge mussten in diesem Jahr abgegeben werden - an die Luftwaffe. Weil sie nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes nach Ansicht der Bundeswehrführung nicht mehr benötigt werden. So mancher Marineangehöriger sieht das allerdings anders. Hält diese Entscheidung für einen Fehler.
Doch auch für die Marine gilt der Primat der Politik. Zur Inneren Führung und insbesondere dem Konzept des Staatsbürgers in Uniform hatte die Marineführung zunächst allerdings ein distanziertes Verhältnis. Das musste bereits früh Graf Baudissin feststellen, der Mitbegründer der Inneren Führung. Und der „Beirat für Innere Führung“ - ein Gremium, das sich mit Fragen dieses Reformkonzeptes beschäftigt - beobachtete 1958 in der Marine die Tendenz, - so wörtlich - „ein Sonderbewusstsein“ zu bilden. 26
Innere Führung wurde in erster Linie als zeitgemäße Menschenführung verstanden. Und die hat es bei der Marine schon immer gegeben, so die Position der Marineführung. Eine sehr einseitige Interpretation der Inneren Führung, wie auch der Militärhistoriker Werner Rahn feststellt:
O-Ton: „Der andere Aspekt, dass der Soldat Staatsbürger in Uniform ist, mit allen Rechten und Pflichten, war sicher in der Marine unter den Bedingungen der Bordgemeinschaft, unter den Bedingungen der wochenlangen Einsätze, vielleicht nicht so stark ausgeprägt.“ Heute - nach 50 Jahren - kann der Marine kein „Sonderbewusstsein“ mehr vorgehalten werden. Mit dem Ende des Ost-West-Konfliktes mussten sich die Seestreitkräfte gewaltig umorientieren. Das Einsatzgebiet der Bundeswehr ist jetzt die ganze Welt, so der Verteidigungsminister. Trotzdem schrumpfte die kleinste Teilstreitkraft - personell aber auch materiell. Von 200 auf weniger als 100 Schiffe und Boote. Denn die Kassen sind bekanntlich leer.
Auf manche gewünschte Fähigkeit muss verzichtet werden. Der strategische Seetransport von Truppen steht beispielsweise nur auf dem Papier. Der einzige Trost: Die deutsche Marine ist seit 50 Jahren eine Bündnismarine. Und die muss nicht alles können. Bei Bedarf kann man auf die Allianzmitglieder setzen.
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Innere Führung – Für die Einsatz-Armee Bundeswehr ein Auslaufmodell? Achim Gutzeit (27.08.2005)
Die Innere Führung gehört zu den Grundpfeilern der Bundeswehr. Das Konzept ist komplex. Einer ihrer Vordenker ist Wolf Graf von Baudissin, der als Wehrmachtsoffizier die Folgen des unbedingten Eides auf Hitler selbst erfahren hatte. Die Innere Führung sollte, nach den Erfahrungen zweier Weltkriege, den demokratietauglichen Soldaten unter strikter parlamentarischer Kontrolle schaffen. Idealbild ist der „Staatsbürger in Uniform“, der kein blinder Befehlsempfänger ist, sondern mündiger Bürger, der aus Überzeugung handelt. Der nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht hat, gesetzeswidrige Befehle nicht zu befolgen. Der Misshandlungsskandal von Coesfeld wäre der Bundeswehr erspart geblieben, hätten sich die betroffenen Ausbilder und Untergebenen an diesen Leitsatz gehalten.
Doch nicht erst seit Coesfeld droht das Konzept der Inneren Führung bei manchen Offizieren ins Abseits zu geraten. Sie propagieren als eine Art Gegenentwurf einen neuen Soldatentyp: den „archaischen Kämpfer“. Ein Soldat, der sich vor allem durch militärische Tugenden wie Tapferkeit, Disziplin und Gehorsam auszeichnet.
Die Spannungen zwischen den Vertretern der beiden Lager sind nach Ansicht von Martin Kutz, einem ehemaligen Dozenten der Führungsakademie der Bundeswehr, so alt wie die Innere Führung selbst:
O-Ton „Und wenn Sie jetzt bedenken, dass die Gründer der Bundeswehr mit Masse Offiziere gewesen sind, die das gelebt haben in der Wehrmacht und dann mit jemandem konfrontiert worden sind wie Baudissin, der aus einem christlichen und philosophischen Ethos heraus Tugenden neu definiert hat für sie, dann war das ein Affront. Das ging an die Substanz des Selbstverständnisses. Und daher kam auch dieser Hass, der zum großen Teil ja auch da war. Es ist ja nicht nur eine diskursive Ablehnung da gewesen, sondern das ist emotional tief verankerter Hass gewesen.“ Nach Ansicht von Kutz sehen sich die Vertreter des „archaischen Kämpfers“ in der Tradition eines längst vergangenen soldatischen Ideals des ausgehenden 28
20. Jahrhunderts, in dem Gehorsam und Pflichterfüllung die einzigen wichtigen Tugenden sind. Sie verachten die Innere Führung als eine Art „Weichmacher“, der vor allem im harten Auslandsgeschäft der Bundeswehr nichts zu suchen hat. Dabei sind Innere Führung und harte, kriegsnahe Ausbildung kein Widerspruch, - solange sie nicht, wie in Coesfeld, menschenunwürdig, gesetzeswidrig und pädagogisch stümperhaft abläuft. Martin Kutz:
O-Ton: „Es wird immer so getan, als wenn in der Inneren Führung die ganzen alten Soldatentugenden keine Rolle mehr spielen. Das ist schlicht behauptet und gelogen. Das eigentliche Problem liegt woanders. Diese traditionsorientierten Leute behaupten, diese Tugenden seien ein Wert an sich, und es sei egal, in welchem politischen und moralischen System sie praktiziert werden. Wenn man das auf die Spitze treibt, heißt das, ein tapferer und gehorsamer KZKommandant ist auch ein guter Soldat gewesen. Es geht darum, dass diese Tugenden entweder in der christlichen oder der philosophisch-humanistischen Tradition, in ein ethisches Gesamtkonzept eingebunden sind.“ Die Kritiker der Inneren Führung argumentieren, dass das Konzept nach dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr zeitgemäß ist. Es sei für Soldaten entwickelt worden, die ausgebildet wurden, um letztlich nicht kämpfen zu müssen. Denn angesichts der nuklearen Bedrohung galt das Prinzip der Abschreckung. Der Frieden als Ernstfall, wie sich der damalige Bundespräsident Gustav Heinemann ausdrückte.
Inzwischen sei die Innere Führung nicht mehr zeitgemäß, ist von ehemaligen aber auch manchen aktiven Soldaten zu hören. Klare Worte dazu findet der ehemalige Kommandeur des Kommandos Spezialkräfte, Reinhard Günzel. Er musste im November 2003 gehen, weil er dem damaligen CDU-Abgeordneten Hohmann zu einer Rede gratuliert hatte, die als antisemitisch kritisiert wurde. Der General a.D. im vergangenen Dezember im Fernsehmagazin REPORT MAINZ:
O-Ton: „In der Abschreckung im Atomzeitalter konnte man sich einen solchen Soldaten leisten. Weil er eigentlich nicht kämpfen können musste. Wenn die Abschreckung versagt hätte, wäre die Armee ohnehin im atomaren Feuerball verglüht. Aber jetzt gilt das nicht mehr. Heute muss der Soldat wieder kämpfen
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können. Und darum hätte im Grunde der Staatsbürger in Uniform mit dem ersten Auslandseinsatz feierlich begraben werden müssen.“ Und diese Meinung wird auch von aktiven Soldaten geteilt, sagen Kenner der Bundeswehr.
Dabei hat die Innere Führung der Einsatzarmee Bundeswehr bisher nicht im Weg gestanden. Bundeswehrsoldaten leisten seit den Kriegen auf dem Balkan Anfang der 90er Jahre Dienst im Ausland, auch im Verbund mit multinationalen Verbänden. Für Claus von Rosen, Nachlassverwalter von Graf Baudissin, beweist die Innere Führung seit mehr als 10 Jahren, dass sie den neuen Herausforderungen gerecht wird.
O-Ton: „Ich stelle nur die Gegenfrage: Wie kommt es, dass die Bundeswehrsoldaten in ihren Einsätzen – und sie sind ja immer multinational eingesetzt – so gut abschneiden, dass die anderen Armeen sich fragen: Wie kann das passieren? Die haben doch das idiotische Element Innere Führung! Umgekehrt wird ein Schuh draus: Weil unsere Soldaten durch Innere Führung in einer bestimmten Art und Weise erzogen sind oder nicht umgebogen worden sind von der demokratischen Gesellschaft zu einem archaischen Kämpfer alleine, weil sie so sind, sind sie in ihrer Art und Weise in der Lage, Dinge zu machen, wo andere große Schwierigkeiten haben.“ Der Auslandseinsatz verlangt mehr denn je nach dem Soldaten, der durch die Innere Führung geschult ist: Denn 90 Prozent der Aufgaben sind keine Kampfaufträge. Sie dienen der Friedenssicherung. Im Einsatzalltag heißt das: Streit schlichten, polizeiliche Aufgaben wahrnehmen, Patrouille fahren, mit Dorfältesten verhandeln und zu versuchen, sich über kulturelle Grenzen hinweg zu verständigen. Der eigentliche Kampfeinsatz macht nur einen Bruchteil des Aufgabenspektrums aus. Der archaische Kämpfer und High-Tech-Soldat, wie ihn Heeresinspekteur Hans-Otto Budde gefordert hat, klingt da wie ein Anachronismus. Solch ein reiner Kämpfer-Typ ist dem modernen, durch Innere Führung geprägten Soldaten unterlegen, sagt Claus von Rosen:
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O-Ton: „Alle Behauptungen à la Günzel, wir brauchen jetzt nur den Kämpfer, gehen an der Realität vorbei. Wenn ich mit Generalen aus Auslandseinsätzen spreche, loben sie immer wieder genau diesen Soldaten, den wir haben. Und wenn man sie dann auf diese Frage bringt à la Günzel, dann schwenken sie plötzlich um, als wenn sie in zwei Welten sind und sagen: Ja natürlich und für den Einsatz! Das heißt, sie sind an der Stelle schizophren. Sie erkennen gar nicht, dass sie mit zwei Seelen in ihrer Brust leben.“ Diese innere Zerrissenheit deutet möglicherweise daraufhin, dass es bei der Diskussion um die Innere Führung um wesentlich mehr geht als nur um einen Richtungsstreit zwischen Traditionalisten und Modernisierern. Denn es ist sicher kein Zufall, dass mit steigender Zahl der Auslandseinsätze und steigendem Risiko der Ruf nach alten Werten und Vorbildern wieder lauter wird. Gefordert werden Vorbilder aus Fleisch und Blut, die das verkörpern, was das abstrakte Modell der Inneren Führung einfordert und die sich gleichzeitig im Kampfeinsatz bewährt haben. Der Bundeswehr mangelt es an solchen Vorbildern. Die Innere Führung als Konzept kann diese Vorbilder nur sehr bedingt anbieten. Das ist zum Teil ein Versäumnis der gesamten Bundeswehrführung, denn eigene Vorbilder hat sie in ihrer 50-jährigen Geschichte kaum gepflegt. Für Vorbilder aus der Wehrmacht, die sich im Kampfeinsatz bewährt haben, liegt die
moralische Messlatte durch den Traditionserlass der Bundeswehr
dagegen sehr hoch. Schließlich müssen sich diese Soldaten auch um Recht und Freiheit verdient gemacht haben.
Allerdings ist auch der politischen Führung ein Vorwurf zu machen. Sie hat es versäumt, mit Soldaten in einen kritischen Dialog zu treten und auf diese Weise selbst die Prinzipien der Inneren Führung zu befolgen. Ein Beispiel ist die Umbenennung des Jagdgeschwaders 74 mit dem Traditionsnamen „Mölders“. Hier wurde von oben verordnet, ohne mit dem „Staatsbürger in Uniform“ in einen kritischen Dialog zu treten. Wer Widerspruch äußert, könnte seine Karriere gefährden. Das Endergebnis könnte ein Soldatentyp sein, der weder Traditionalist ist, noch ein Soldat der Inneren Führung. Das Ergebnis wäre der Söldnertypus, der gar keine Werte mehr verinnerlicht hat, der sich mit dem Einsatz nicht identifiziert. In den USA wird er als „war-hopper“ bezeichnet. Ihm geht es nur noch um Abenteuer, Geld und Korpsgeist. Diesen Typ gibt es bereits in der Bundeswehr, sagt Martin Kutz, ehemaliger Dozent der Führungsakademie: 31
O-Ton: „Die Verantwortlichen, denen es also um Fragen der Inneren Führung geht, haben extreme Sorgen, dass das, was sich jetzt im Augenblick zeigt, verselbständigen könnte, und dass diese Armee so mehr und mehr zu einer Profiarmee wird. Ich meine das jetzt in diesem typischen Sinne, dass die über nichts mehr nachdenken außer Jobmachen. Und wenn das erst mal Fuß gefasst hat, dann können Sie nichts mehr mit Demokratie, Menschenrechten, Bürgerrechten machen. Ein Offizier aus dem Einsatzgebiet sagte mir, was sich da abspielt, vor allem in Afghanistan. Da könne man gerade unter den jüngeren Offizieren feststellen, dass manche sich schon auf dem Weg befinden, die Warlords als Helden und Vorbilder zu sehen.“ Um die Herausbildung eines solchen Soldatentyps zu verhindern, fordert das Zentrum für Innere Führung der Bundeswehr als einen wesentlichen Ausbildungsinhalt für Bundeswehrsoldaten die Politische Bildung. Wörtlich heißt es auf seiner Homepage: „Findet politische Bildung als Beitrag zu einem auftragsangemessenen Selbstverständnis [...] nicht statt oder ist sie mangelhaft, entwickelt sich ein rein praxisbezogenes, militärisch-handwerkliches Selbstverständnis, das dem Soldaten das Fundament solider, moralisch abgesicherter Urteilskraft nicht zu bieten vermag.“
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Abwicklung oder Integration der NVA? Die Bundeswehr als ‚Armee der Einheit’ Michael Hyngar (24.09.2005)
Am 2. Oktober 1990 um Mitternacht hörte die DDR offiziell auf zu existieren. Und mit dem Staat löste sich auch die Armee auf, die Nationale Volksarmee, NVA. Der Tagesbefehl, verfasst von Rainer Eppelmann, letzter DDRAbrüstungs- und Verteidigungsminister wurde verlesen. Kurz und emotionslos heißt es darin: „Die Soldaten und Zivilbeschäftigten der NVA werden aus ihren Verpflichtungen offiziell entlassen.“ 93.000 Soldaten, Hunderttausende Tonnen Munition, Waffen, Panzer, Raketen – plötzlich ohne Staat.
Doch der Verbleib von Waffen und Personal war längst geregelt. Acht Wochen zuvor hatten Unterhändler aus der DDR und der Bundesregierung mit Verhandlungen über den Einigungsvertrag begonnen und sich Gedanken über die Zukunft der NVA gemacht. Der politische Plan: Aus NVA und Bundeswehr sollte eine Armee der Einheit entstehen. Mit dabei: Staatssekretär Werner Ablaß, Stellvertreter von Verteidigungsminister Eppelmann:
O-Ton: „Ich hatte die Aufgabe, als Verhandlungsführer meines Hauses in den Verhandlungen zum Einigungsvertrag mit der bundesdeutschen Seite eine Lösung zu finden, die beide Seiten zufrieden stellt, die also die Bundesrepublik alt nicht überfordert und die Interessen der DDR berücksichtigt, d.h. ich habe versucht, so viel wie möglich Soldaten sozialverträglich in die Bundeswehr zu überführen, oder, wenn das nicht gelingt, vorher zu entlassen, mit höchstmöglicher sozialer Absicherung.“ Doch die DDR-Unterhändler hatten eine schwache Verhandlungsposition. Ihr Staat war praktisch pleite. Und es war klar, das längst nicht alle Soldaten übernommen werden konnten. Viele Mitglieder der militärischen Führung der NVA schieden ohnehin aus: Es war für keine Seite vorstellbar, dass ehemalige NVA-Generäle plötzlich in der Armee des bisherigen Klassenfeindes dienen sollten. Auch viele Waffensysteme waren nicht mit westdeutschen und NATOStandards kompatibel. Doch es waren offene Verhandlungen, erinnert sich Werner Ablaß, der inzwischen Beauftragter der Bundesregierung für Sonderaufgaben der Bundeswehr in den neuen Ländern ist und damit einer von 33
ganz wenigen aus der ehemaligen DDR, die heute im Verteidigungsministerium eine hohe Position besetzen:
O-Ton: „Jede Regierung hatte ihre Vorstellungen. Ich hatte nie das Gefühl, sowohl bei Gerhard Stoltenberg als auch bei meinen Bonner Kollegen nicht, dass die mir etwas diktieren wollen, sondern wir haben das erarbeitet. Wir konnten uns nicht immer durchsetzen, aber ich möchte auch daran erinnern, dass die DDR dem Geltungsbereich des Grundgesetzes beigetreten ist und nicht die Bundesrepublik der DDR. Und man muss Kompromisse machen.“ Kompromisse machen hieß zum Beispiel, dass von den etwa 10.000 Offizieren und Unteroffizieren, die von der Bundeswehr übernommen wurden, die meisten eine Herabsetzung ihres Dienstgrades akzeptieren mussten. Dies sei unumgänglich gewesen, so Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm, damals als Generalleutnant im Planungsstab des Verteidigungsministeriums und auf bundesdeutscher Seite an den Einigungsverhandlungen beteiligt:
O-Ton: „Die NVA, die etwa ein Drittel so groß war wie die Bundeswehr, hatte genau so viele Obersten wie die Bundeswehr. Sie hatte sehr viel mehr Stabsoffiziere als wir. Und dort waren Offiziere in jungen Jahren bereits Major, während sie in der Bundeswehr noch gar nicht Major sein konnten. Sie wurden also immer um die Dienstgrade herabgesetzt, die vergleichbar waren von der Laufbahnzeit und vom Alter her der Bundeswehr.“ Nicht nur bei der Dienstgradbestimmung galten die Vorgaben der Bundeswehr. Auch in vielen organisatorischen Fragen gab die bundesdeutsche Seite vor, wie der Übergang der NVA in die Bundeswehr gestaltet werden sollte.
Kurz nach dem klar war, dass die Sowjetunion der Wiedervereinigung zustimmen würde, also nach dem Treffen zwischen Helmut Kohl und Michail Gorbatschow Mitte Juli 1990, begannen die Vorbereitungen. Wilfried Schreiber, ehemaliger Oberst der NVA an der Militärpolitischen Hochschule in Berlin, erinnert sich:
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O-Ton: „Wenige Tage danach kamen die ersten Berater der Bundeswehr in ihren Kampfanzügen in die Stäbe und übernahmen gewissermaßen die Regie für die weitere Entwicklung. Und die DDR-Militärs hatten dann auf diesen Prozess der Vorbereitung der NVA zum Beitritt der DDR in die Bundesrepublik dann keine Gestaltungsmöglichkeiten. Letztendlich gab es dann auch die entsprechenden Befehle, mit denen die Nationale Volksarmee faktisch vor der Einigung enthauptet wurde. Das Führungspersonal wurde faktisch entlassen und hatte keine Möglichkeit, in diesen Prozess aktiv einzugreifen. Es war dann eine Vereinigung zu den Bedingungen der Bundesrepublik.“ Schreiber selbst verpflichtete sich noch bis zum Jahresende 1990 bei der Bundeswehr, wollte dabei helfen, seine Dienststelle aufzulösen und abzuwickeln. Danach wurde er entlassen. Von der Bezeichnung „Armee der Einheit“ hält er nichts:
O-Ton: „Das ist eigentlich ein irreführender Begriff, der einen Anspruch suggeriert, der nicht der Realität entspricht. Wenn ich das mal an einem Beispiel deutlich machen kann: Eine Schlange verschlingt ein Kaninchen und sagt am Ende: ich bin die Schlange der Einheit. So ungefähr muss man sich das vorstellen. So wurde auch die Nationale Volksarmee von der Bundesrepublik und der Bundeswehr aufgenommen.“ Ungleiche Partner also, die dort zusammen gekommen sind. Das bestreitet auch Jörg Schönbohm nicht – und antwortet ebenfalls mit einem Beispiel:
O-Ton: „Die Voraussetzungen waren ja nicht so, dass man sozusagen Coca Cola und Pepsi Cola zusammenführt, als Company und macht daraus eins. Sondern es waren zwei Armeen mit einem unterschiedlichen Menschenbild, unterschiedlichen Vorstellungen und darum konnte die NVA nicht bestehen bleiben. Aber die Menschen, die sich der neuen Aufgabe gestellt haben und bereit waren, mitzumachen, haben eine Chance bekommen, und das war die Idee.“ Eine Idee, die zwangsläufig nicht alle begeistern konnte. Als feststand, dass DDR und NVA aufhören würden zu existieren, gab es offenbar auch einige Stimmen in der DDR-Armee, die nicht kampflos aufgeben wollten. Werner Ablaß:
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O-Ton: „In der NVA gab es eine kritische Phase. Das war nach Bekanntgabe der Ergebnisse des Einigungsvertrages. Ich habe noch am 31. August versucht, mit einem Fernschreiben an alle Truppenteile etwas besänftigend einzuwirken. Im September gab es so ein paar Gerüchte, ja, wenn wir jetzt den Krieg verloren haben, ob man doch noch mal vielleicht mit dem Säbel rasselt. Aber das ist nicht passiert. Die NVA und ihre Führung haben in der überwältigenden Mehrheit dieser ersten frei gewählten Regierung loyal gedient und haben das mitgetragen. Nicht freudig, das gebe ich gerne zu. Auch zähneknirschend. Aber sie haben es gemacht und dafür gesorgt, dass Waffen und Munition geordnet übergeben wurden.“ Heute, im Jahr 15 der Wiedervereinigung, wundern sich viele, dass über Jahrzehnte befeindete Armeen so friedlich und vor allem „so geordnet“ zusammen kommen konnten. Auch wenn viele bezweifeln, dass es tatsächlich eine Armee der Einheit ist. Immer noch gibt es eine unterschiedliche Besoldung in Ost und West, auch die Rentenansprüche ehemaliger NVA-Soldaten sind geringer als die ihrer Kameraden aus den alten Bundesländern. Auch ein weiterer, eher symbolischer Punkt, bleibt bis heute ehemaligen NVA-Soldaten verwehrt: offiziell dürfen sie ihren Dienstgrad aus DDR-Zeiten nicht verwenden.
Die in diesen Tagen so häufig gelobte „Armee der Einheit“ war in ihren Anfängen also vor allem die alte Bundeswehr, mit alten Regeln und Gesetzen aber mit neuem Personal, das häufig zu schlechteren Konditionen Dienst leisten musste, als die Kameraden in den alten Bundesländern. Noch sind wichtige Spitzenpositionen in der Bundeswehr nicht mit Soldaten aus den neuen Bundesländern besetzt. Doch es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis ein ehemaliger NVA-Soldat zum General bei der Bundeswehr aufsteigt, dass aus der Bundeswehr – zumindest beim Personal – tatsächlich eine Armee der Einheit wird.
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Allgemeine Wehrpflicht – Weiterentwicklung oder Abschied von der bisherigen Wehrform? Dr. Karl-Heinz Harenberg (05.11.2005)
Die ungezählten Feiern zum fünfzigjährigen Bestehen der Bundeswehr werden begleitet von nicht enden wollenden Bekenntnissen führender Politiker und Militärs zur Wehrpflicht. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer Debatte über die Wehrform, die seit Jahren geführt wird. An Übertreibungen hat es dabei nicht gefehlt. Der noch amtierenden Verteidigungsminister Peter Struck verstieg sich mehrfach - im Mai 2003 sogar an der Führungsakademie, der höchsten militärischen Ausbildungsstätte der Bundeswehr - zu der Behauptung, eine Bundeswehr ohne Wehrpflicht degeneriere zu einem Söldnerheer. Ein drastisches Misstrauensvotum des Inhabers der Befehls- und Kommandogewalt gegenüber den ihm unterstellten Zeit- und Berufssoldaten. Ungeachtet dessen aber verkneifen es sich die bundeswehrtreuen Fürsprecher der Wehrpflicht, daran zu erinnern, dass mit dem Jubiläum der Bundeswehr auch ein runder Geburtstag der Wehrpflicht einhergeht: die Wiedereinführung der Wehrpflicht vor 70 Jahren, im März 1935 durch die Nazis.
Doch wenn es ums Erinnern geht, sind bundesdeutsche Politiker wählerisch. Was ihnen nicht in den Kram passt, wird aus dem Gedächtnis gestrichen. Im Falle der Wehrpflicht kommt ihnen dabei zu Hilfe, dass sie sich hinter der Wertung der Zwangsrekrutierung durch Theodor Heuss, den Mitbegründer und späteren Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland, verstecken können. In seiner Silvesteransprache 1955, am Ende des Gründungsjahres der neuen deutschen Streitkräfte sagte Heuss:
O-Ton: „Im Parlamentarischen Rat habe ich 1949, als es um die Kriegsdienstverweigerung ging, die allgemeine Wehrpflicht als legitimes Kind der Demokratie bezeichnet. Die soll jetzt auch bei uns wieder das Gehen lernen. Der Soldat als Teil unseres Volkes." Es sei dahingestellt, warum Heuss die Wehrpflicht derart ideologisiert hat. Es ist
aber keinesfalls zu rechtfertigen, dass bundesdeutsche Politiker dieses
Votum bis heute wie eine Monstranz vor sich hertragen. Natürlich war auch bei 37
der Gründung der Bundeswehr bekannt, welches Unheil Wehrpflichtige schon Anfang des 20. Jahrhunderts im Ersten Weltkrieg mit angerichtet hatten - ein Grund, warum der Versailler Vertrag der Weimarer Republik die Beibehaltung der Wehrpflicht untersagt hatte. Und die Gräuel der nationalsozialistischen Wehrpflichtarmee im Zweiten Weltkrieg waren 1955 ja noch in bester Erinnerung.
So geschah die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Westdeutschland ja auch nicht wegen der Besonderheit dieser Wehrform, sondern weil die Regierung Adenauer den neuen Verbündeten in der NATO 500.000 Männer unter Waffen versprochen hatte - eine überdimensionierte Streitmacht, die sich die junge Bundesrepublik als Berufsarmee gar nicht hätte leisten können. Und außerdem hatten alle Verbündeten wie auch alle erklärten Feinde im Warschauer Pakt Wehrpflichtarmeen. Wie wenig überzeugend diese Gründe für die Wehrform der neuen Bundeswehr waren, zeigte schon im Juli 1956 die Abstimmung des Bundestages über das Wehrpflichtgesetz. Die SPD-Abgeordneten stimmten geschlossen dagegen, wie sie ja überhaupt die Wiederaufrüstung mehrheitlich abgelehnt haben.
Die weitere Entwicklung der Bundeswehr, die manche aus unerfindlichen Gründen gern als Erfolgsgeschichte bezeichnen, stand dann im Zeichen des Kalten Krieges, der ja beim Bau der Mauer oder bei der Kuba-Krise durchaus hätte eskalieren können. Erst allmählich wurden sich mehr und mehr Menschen dessen bewusst, dass Krieg im Atomzeitalter nicht Verteidigung sondern Vernichtung bedeuten würde. Die Politik schaltete auf Entspannung, das Militär geriet unter Rechtfertigungsdruck. Die irrationale Debatte über die so genannte Nachrüstung mit Atomwaffen führte zu einem Anwachsen der Friedensbewegung und einer steigenden Zahl von Kriegsdienstverweigerern. Doch eine einvernehmliche Antwort auf die Frage: „Wie viel Rüstung ist genug?" fand sich nicht.
Eine Zäsur ergab sich erst mit dem Zusammenbruch von Warschauer Pakt und Sowjetunion, also mit dem Ende des Ost-West-Konfliktes. Als nach einer kurzen Friedenseuphorie die NATO und mit ihr die Armeen der Verbündeten 38
die Reihen gegen die Forderungen nach schneller Abrüstung schlossen, stellte sich die Frage neu: „Wie viel Militär ist genug?"
Das wiedervereinigte Deutschland stand dabei unter doppeltem Zwang: Einmal hatte es beim Umfang der Bundeswehr Zugeständnisse machen müssen, um Russland den Verzicht auf die DDR zu erleichtern; und zum anderen ging der Bundesregierung durch den Aufbau der neuen Bundesländer sowie einer anhaltenden Wirtschaftskrise zunehmend das Geld aus. Eine der gravierenden Folgen dieser Entwicklung führte dazu, dass die Bundeswehr von einer Reform in die nächste geführt wurde. Und jede war damit verbunden, dass der personelle Umfang gekürzt und die Rüstungspläne zusammengestrichen wurden. Von Mal zu Mal mahnte die militärische Führung, dass das Ende der Fahnenstange nunmehr erreicht sei und die Truppe nicht mehr einsatzfähig wäre. Doch das Gegenteil trat ein. Je stärker der Haushalt gekürzt wurde, desto umfangreicher wurden die Einsätze.
Diese Entwicklung führte zwangsläufig zu der Frage, ob die Armee im Einsatz mit der Wehrpflicht noch die angemessene Struktur habe. Zumal die Wehrdienstdauer aus Kostengründen auf neun Monate verringert wurde und sogar noch in Raten abgeleistet werden kann mit dem Ergebnis, dass die Soldaten für die neuen Anforderungen der Bundeswehr ungeeignet sind. Die Bundeswehrführung macht daraus auch gar keinen Hehl. So hat sie sich die Funktion der Freiwillig Länger Dienenden Wehrpflichtigen einfallen lassen, die statt neun bis zu dreiundzwanzig Monaten in der Bundeswehr bleiben und auch im Ausland eingesetzt werden können. Ein schlichter Etikettenschwindel, zumal der Anteil dieser kurz FWDL genannten Soldaten an den über 100.000 starken Einsatz- und Stabilisierungskräften verschwindend gering ist.
Ungeachtet dessen halten CDU/CSU und führende Politiker der SPD an der Wehrpflicht fest. Zur Begründung werden Argumente ins Feld geführt, die großenteils widersprüchlich, nicht nachvollziehbar und schlicht hypothetisch sind. Die Warnung Strucks vor einem drohenden Söldnerheer - eine Beleidigung der ihm unterstellten Zeit- und Berufssoldaten - charakterisiert das Niveau. Es wird weiter behauptet, Wehrpflichtige seien unverzichtbar, weil sich aus ihren Rei39
hen ein bedeutender Teil zukünftiger Zeit- und Berufssoldaten rekrutiere. Inzwischen aber ist die Zahl der Wehrpflichtigen mit geplanten 30.000 Mann so gering, dass sie kaum dazu geeignet ist, mögliche Nachwuchssorgen der Streitkräfte zu vermeiden. Und gleichsam zur Kaffeesatzleserei wird die Diskussion darüber, wie viele Soldaten die Bundeswehr benötige, wenn sie auf Wehrpflichtige verzichten würde. Dass die Fürsprecher der Wehrpflicht den benötigten Umfang von Zeit- und Berufssoldaten dabei so hoch ansetzen, dass er nicht mehr zu bezahlen wäre, liegt auf der Hand.
Ein entscheidender Gesichtspunkt beim Pro und Contra Wehrpflicht wird bei dieser Diskussion eifrig in den Hintergrund gedrängt: die Frage, ob die Verfassung in anbetracht der neuen Sicherheitslage die Zwangsverpflichtung junger Männer zum Militärdienst überhaupt noch rechtfertigt. Das Grundgesetz erlaubt die Zwangsverpflichtung junger Männer zur Landesverteidigung; nur vollzieht sich Landesverteidigung wirklich auch am Hindukusch? Es war ebenfalls ein Bundespräsident, der CDU-Politiker und Verfassungsrechtler Roman Herzog, der bei der Kommandeurtagung der Bundeswehr im November 1995 klar gestellt hat:
„Die Wehrpflicht ist ein so tiefer Eingriff in die individuelle Freiheit des jungen Bürgers, dass ihn der demokratische Rechtsstaat nur fordern darf, wenn es die äußere Sicherheit des Staates wirklich gebietet. Gesellschaftliche, historische, finanzielle und streitkräfteinterne Argumente können dann ruhig noch als Zusätze verwendet werden. Aber sie werden im Gespräch mit dem Bürger nie die alleinige Basis für Konsens sein können." Die Unionsparteien haben die Worte ihres kundigen Parteifreundes schlicht ignoriert. Und die SPD-Führung weicht einer Diskussion aus. So will sie die Entscheidung über die Wehrpflicht, die auf dem bevorstehenden Parteitag in vierzehn Tagen fallen sollte, erst einmal vertagen. Weil sie offensichtlich befürchten muss, dass ihre Vorliebe für die Wehrpflicht an der Parteibasis nur sehr bedingt auf Gegenliebe stößt.
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