35/1930 - Volkskundemuseum

March 6, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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Wiener Zeiisehrifi für Volkskunde. (Vorm als Zeitschrift für österreichische Volkskunde.) H erausgegeben vom

VEREIN

FÜR

VOLKSKUNDE

i n W ie n .

G e le ite t von

Prof. Dr. Michael Haberlandt.

XXXV. J a h r g a n g 1930. Mit 6 T a fe ln u n d 3 T e x ta b b il d u n g e n , T ite l un d Inh a ltsv e rz e ich nis.

Inhaltsverzeichnis des 35. Jahrgangs. A b h a n d lu n g e n u n d k l e in e r e M itt e ilu n g e n . Seite

Lily W e i s e r - A a l l :

Di e L a d e n s c h l a n g e (m it 2 A b b i l d u n g e n ) . . .

E m m e r i c h P r e t t e n h o f e r : A p u lisc h e F e l d h ii t te n u n d die Trulli v o n A l b e r o b e l l o ......................................................................................................

1

6

Gisela

Mayer-Pitsch:

V olkskundliches a u s dem M ü rz ta l.

. .

11

Gisela

M ayer-Pitsch:

A r b e i ts li e d b e i m P i l o t e n e i n s c h l a g e n . .

16

.................................................................

17

Heinrich Jungwirth: B e i t r ä g e z u m A b e r g l a u b e n im o b e r e n M ü h l v i e r t e l ...............................................................................................................

33

R u d o l f K r i s s : V o l k s r e l ig i ö s e O p f e r b r ä u c h e in J u g o s l a v i e n (m it 4 B i l d e r t a f e l n ) ................................................................... • ...................................

49

A r t h u r H a b e r l a n d t : F ü h r e r d u r c h d ie S a m m l u n g e n d e s M u s e u m s fü r V o l k s k u n d e in W i e n ...................................................................................

81

P ro f. D r . A do lf H a uffen f

J.

M a n n i n e n : K u g e l k l a p p e r u n d H illebille (m it 2 B ild e rta f e ln u n d 3 A b b i l d u n g e n ) ......................................................................................................

141

G isela'M ayer-Pitsch: W e i h n a c h t s b r ä u c h e in Knittelfeld un d U m g e b u n g ...............................................................................................................

148

Gisela

W e t t e r g l a u b e ...................................................

151

O s t e r e i e r im B u r g e n l a n d e ................................

152

Peter

Jandrisevits:

Eugen Karl

M ayer-Pitsch:

Frischauf:

O esterreichische H eim atm u seen

..................

155

H o r a k : D a s V o lk slied in d e r t s c h e c h o s l o w a k i s c h e n R e p u b lik

157

B u c h b e s p r e c h u n g e n (1—5 0 ) ....................... 10—25, 6 9 —80, 132— 136, 159- -166 ............................

137

T ä t i g k e i t s b e r i c h t d e s V e re i n e s u n d M u s e u m s für V o l k s k u n d e fü r d a s J a h r 1929 ....................................................................................................................

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H o f r a t P r o f e s s o r M ic h a e l H a b e r l a n d t ’s 70. G e b u r t s t a g

Die Ladenschlange. V on Dr. L i l y - W e i s e r - A a l l ,

Oslo.

M it z w ei A b b ild u n g e n .

Das Museum für Volkskunde in Wien besitzt eine hölzerne Schlange aus dem Grödenertal, die über einer W iege an der W and befestigt gewesen sein soll. Professor A. Haberlandt machte mich auf diesen Gegenstand aufmerksam und erzählte mir von ähnlichen Schlangen, die früher in Greislereien über dem Ladentisch aufge­ hängt waren. Dadurch angeregt, suchte ich über die Verbreitung und Geschichte dieser Schlangen Klarheit zu gewinnen. In der mir bekannten deutschen volkskundlichen Literatur w uß te ich sie nirgends erwähnt. Auf einer W anderung durch Tirol sah ich in Sterzing in mehreren Geschäften besonders schön ge­ arbeitete hölzerne, einfarbig braune Gestänge über dem Laden­ tisch; zwei Schlangen, deren Köpfe oder Schwänze in der Mitte kunstvoll verschlungen waren. Meist waren die gähnenden Köpfe mit ausgestreckter Zunge, deutlichen Zähnen und Augen an den beiden Enden der Stangen. In Graz fand, ich in einer großen Drogerie ein ähnliches Gebilde, das aber an Stelle der Schlangen­ köpfe in zwei Fischweibchen endigte. Dozent Geramb erinnerte sich, hölzerne Schlangen in Graz und auf dem Lande in ver­ schiedenen Läden gesehen zu haben. Auf meine schriftlichen Um­ fragen habe ich folgende Antworten erhalten. Leider habe ich keinen Namen für den Gegenstand erfragen können und nenne ihn, bis ich einen besseren höre, LadenschlangéT Dr. Frischauf, Eggenburg, Niederösterreich, teilte mir mit,' solche Ladenschlangen in Museen und Kaufläden recht oft gesehen zu haben. In Eggenburg hängt eine Schlange mit - einer großen Krone auf dem Kopfe heute noch in einem Geschäft. Dr. Frischauf vermutet, d aß die Ladenschlange die Berechtigung zum Verkaufe von Kolonialwaren anzeigen solle, wie bei Apotheken die Alliga­ toren den Verkauf überseeischer Heilmittel. „Alle älteren Kaufleute, mit denen ich sprach, fassen diese Schlangen als Zeichen der Ge-

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Werbeberechtigung auf.” Inzwischen ist eine bemalte Schlange aus Golclegg, Salzburg (Abb. 1) vom Museum für Volkskunde in Wien erworben worden. Professor Brunner beschreibt mir eine Ladenschlange der staatlichen Sammlung für Volkskunde in Berlin folgender­ m aßen: „Eine etwa 3 m lange Stange mit Lanzenspitze, um welche sich zwei Schlangen winden, aus Schlesien und als Ladenschlange bezeichnet. Es ist ein sehr schönes Stück mit Be­ malung und geschnitzten Blumen an verschiedenen Stellen der Stange.”

Abb. 1. Kopf ein e r L a d e n sc h la n g e . G old egg, Salzburg. (M useum für V olk sku nd e, Wien.)

Hofrat J. Leisching, erinnert sich an eine L. im Loferer Tal (Pinzgau) und teilt mir von Oberlehrer Fiala mit, d aß es solche auch im Pongau gibt. „Sie sind meist grün und rot bemalt, meist auch doppelköpfig. Goldgestickte seidene Brusttücher, Kopftücher und ähnliches hängen an ihr.”1) Ganz ähnlich werden die L. in Schweden geschildert.2) Im Museum in Stenbrohült hängt ein Drache mit Flügeln, rotem Rachen und schwarzgrünem Körper, auf den blaue und w éiße • 1) S a l z b u r g e r M u s e u m s b l ä t t e r 6. Nr. 2, s. 3. V ir d e s ta m . B o d d r a k a r . F o lk m in n e n bd. 12, H. 2, S. 23-26. - ) O o tth .

och

Folktankar

1925,

3

Schuppen gemalt sind. Hyitèn-Cavallius berichtet aus seiner Schulzeit (um 1820), d aß in jedem Geschäft in Växjö „eine u n g eh e ure/ho lzg eschn itzte, reichbemalte Schlange oder D rache” hing. 1865 wird diese Angabe bestätigt mit der Bemerkung: solche L. habe ich in meiner Kindheit auch in den skanischen Kramereien gesehen. Auch in Mariestad gab es eine L., deren Körper weiß, der Rachen rot und die Augen blau gemalt waren. Alle diese Holzstangen trugen Haken, an die W agen und Schnüre gehängt wurden. Ueber den Körper selbst pflegte man Tücher und andere W aren zu hängen. Von den hier erwähnten schwedischen L. haben alle, a u ß e r dem Drachen aus Stenbrohult, die Gestalt einer langen Schlange ohne Flügel. Ueber vergleichbare Gegenstände mit Schlangenmotiv bekam ich bei meinen Umfragen über die L. folgende Auskünfte: Professor Heerwegen teilt mit, d aß er weder im germanischen Museum in N ürnberg noch sonst in der Stadt oder Umgebung Nürnbergs L. gesehen habe. Dagegen sind Holzschlangen zum Aufhängen der Hüte in älteren Bierwirtschaften der S tadt und in den ländlichen G asthäusern der näheren und weiteren Umgebung sehr häufig, ebenso in der Oberpfalz, Mittelfranken, der fränkischen Schweiz, Thüringen, selten in Unterfranken, schließlich in München. Das Altonaer Museum besitzt, wie mir Professor Lehmann mitteilt, keine Ladenschlange. Eine doppelköpfige Schlange als Pfeifenhalter auf einem T abakskasten der Biedermeierzeit desselben Museums zeigt die Beliebtheit des Schlangenmotivs als Halter und Träger. Die meisten mir bekanten L. sind längliche Bretter aus einer oder zwei Schlangen bestehend, an die allerhand Gegenstände gehängt werden. Außerdem wird einmal ein Drache erwähnt, der an die exotischen Tiere in älteren Apotheken erinnert. Die L. ist über ein weites Gebiet verbreitet: Tirol, Salzburg, Steiermark, Niederösterreich, Schlesien, Süd- und Mittelschweden. Mehr konnte ich bis jetzt über Aussehen und Verbreitung des Gegenstandes nicht erfahren. Ich möchte durch diese Zusammenstellung auf den Gegen­ stand aufmerksam machen und zur weiteren Sammlung hierher­ gehörigen Materials anregen. Im folgenden will ich andeuten, welche Erw ägungen für die Erforschung der Geschichte der L. m. E. grundlegend sein müssen. Auffallend sind zwei Berichte über Bestimmung und Zweck der Ladenschlange. Oberlehrer Fiala sagt über die L. im Pongau:

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„Die Schlange, vornehmlich ihr Blick — das Auge ist meist auffällig ausgezeichnet — soll die Kunden bannen, die Lust zum Kaufen er­ wecken. Für den Händler selbst ist sie ein Symbol des Glückes.” Der erwähnte Drache in Schweden wurde 1865 von einem Kaufmann hergestellt und über den Ladentisch gehängt. Er hatte die Aufgabe, Leute zum Geschäft zu ziehen (dra folk), über die Kasse zu wachen und dem Inhaber guten Gewinn zu bringen. Diese beiden Angaben sind sicher unabhängig voneinander, und deshalb ist ihre Uebereinstimmung wichtig. Man hat den Eindruck, d aß es sich um alte Ueberlieferung handle. Virdenstam meint auch in Uebereinstimmung mit Hyltèn-Cavallius, der die L. „ein heiliges Symbol aus der grauesten heidnischen Vorzeit” nennt, alle diese Gegenstände hätten ursprünglich einem magischen Zweck gedient. Ob es sich wirklich so verhält, muß erst untersucht werden. Die L. findet sich in Schweden vor allem in Läden, in denen Ge­ würze und Kräuter verkauft wurden, die ähnlichen Huthalter in Deutschland sind in W irtshäusern üblich, also an Stellen, die dem Verkehr besonders offen sind und in regster Verbindung mit den Städten stehen. Wie schon angedeutet, hatten besonders Apotheker ausgestopfte fremdländische Tiere in ihren Läden aufgehängt. In der Medizin früherer Zeiten spielten neben seltenen Tieren sogar Fabeltiere eine gewisse Rolle. Man schrieb dem Drachenfleisch und Fett g roß e Heilwirkung zu,3) so-dienten Fabeltiere auch als W a h r­ zeichen für Apotheken. W eit verbreitet und auch heute noch ge­ bräuchlich ist das Einhorn.4) Auch Basilisken hat man verwendet. Von einem ist eine Abbildung vorhanden, dieses Exemplar w ar aus einem Rochen und W achtelfüßen hergestellt.5) Besonders beliebt waren Schlangen in der älteren Heilkunde, es wurde Schlangen-ölsalz-fleischküchlein verkauft.6) Auf einem Stich von 1622 sieht man in einem pharmazeutischen Laboratorium neben den ver­ schiedensten ausgestopften Tieren auch zwei lange, wellenförmig geschwungene Schlangen w agerecht an zwei Haken, wie Laden­ schlangen an der Decke hängen.7) 3) H e r m a n n P e t e r s , A u s p h a r m a z e u t i s c h e r V o rz eit in Bild u n d W o r t ( N e u e F o l g e ) 156. 4) e b d .' 160. 5) ebd . 154, A bb. 61. e) 32 ff. T) Vgl. a u c h P e t e r s , A r z t u n d H e ilk u n s t in d e u t s c h e r V e r g a n g e n h e it . M o n o g r a p h i e n z u r d e u ts c h e n K u ltur u n d G e sc h ic h te . 3.

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Auf Abbildungen von Apotheken aus älterer Zeit, oder in Museen aufgestellten Apotheken habe ich sonst keine L. gesehen, immer nur ganze, meist ausgestopfte Tiere. Trotzdem ist die Frage, ob die Ladenschlange aus der Stadtapotheke stammen könnte, ernstlich zu erörtern. Man muß zwischen der L. und dem ganzen Tier scheiden. Die L. ist ein Nutzgegenstand, ein Halter oder Träger, das ganze Tier ein Symbol oder Reklamemittel. So wird es auch z. T. auf­ gefaßt. Unter dem Bilde einer Nürnberger Apotheke um 16008) steht, das ausgestopfte Krokodil solle dem Laden ein geheimnis­ volles Gepräge geben. Die Annahme liegt nahe, d aß das Aufhängen exotischer Tiere, wohl auch der Fabeltiere, au s dem Süden stammt und mit den ausländischen Heilmitteln eingeführt wurde. Die einfache Stange (ohne Tierköpfe), die an zwei Haken von der Decke hängt, ist auch aus Darstellungen römischer Kauf­ läden bekannt.^) Die Sache ist so einfach, d aß sie überall erfunden sein kann. In einer Zeit, in der man fast alle Hausgeräte mit Tier­ köpfen zu schmücken begann, könnte auch sie Tier- vor allem Schlangenköpfe erhalten haben. Die L. aus Schlesien im Berliner Museum, eine Stange, um die sich zwei Schlangen winden, erinnert sehr an den Stab des Äskulap oder an das Kerykeion des Hermes. Beide Symbole würden gut für Läden, der Äskulapstab besonders für solche, in denen Heilmittel verkauft werden, passen. Aber­ gläubische, halb scherzhafte Vorstellungen von geldbewachenden oder geldbringenden Drachen, vom bannenden Blick, könnten sich dann leicht aus zweiter Hand an die Tiere und an die mit Tierköpfen versehenen Stangen angeschlossen haben. Bedeutungsvoll ist aber die Tatsache, d aß deutlich gekenn­ zeichnete Augen, ein gähnender Rachen mit Zähnen und ausge­ streckter Zunge stehende Züge an der L. zu sein scheinen. Das sind wohlbekannte, alte volksm äßige übelabwehrende Motive und deuten, w as bei einem so einfachen Gegenstand, wie die L. sehr wahrscheinlich ist, auf eine volkstümliche Herkunft. Der Form nach sehr gut vergleichbar (Abb. 2) sind die Kronstänger in Dalarne in Schweden, kurze Querstangen, die in Tierköpfe endigen und die auf den beiden Längsbalken des Hauses ruhen. Verschiedene Gegenstände werden an ihnen aufgehängt. Auf den ältesten Stücken s ) P e t e r s , A r z t etc. A b b. 82. 9) 0 . Jä h n , R ö m is c h e H a n d w e r k s z e i c h e n . B e ric h t d e r G e se lls c h a ft d. W is s. 1861, T a fe l XI, 2, S. 371; T a fe l IX, 9; XIII, 1.

s ä c h sisc h e n

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sind noch romanische Motive erkennbar, ihre Vorlagen sind also sehr alt.10) Wahrscheinlich hat beides, das städtische Gewerbezeichen und das bäuerliche G erät zusammen die L. ergeben. Es ist die reiz-

Abb. 2. Ko pfen de einer K ro ns ta nge. SollnÖ, D aia rne, Sch weden . (Nach S. Erixon.)

volle Aufgabe einer weiteren Untersuchung diese Fragen zu klären, die sich mit Hilfe des mir bekannten und hier vorgelegten Stoffes vorläufig nicht entscheiden lassen.

Apulische Feldhütten und die Trulli von Alberobello. V on Dr. E m e ri c h P r e t t e n h o f e r .

In meinen „Beiträgen zur Sardischen Volkskunde” (Heft 4/5 u. 6 des Jahrg. 1926 d. Zeitschr.) habe ich bei „Hausbau” angeführt, daß die Mehrzahl der Feldhütten Apuliens und alle Dorfhäuser in Alberobello bei Bari kegelförmige Reisigdächer trügen. Dies be­ ruhte auf einer Mitteilung Professor Taramollis, die ich hinsichtlich des Dachmateriales m ißverstanden hatte. Die Besonderheit der Trulli oder Caselle genannten Feldhütten Apuliens, die sie von allen anderen Italiens unterscheidet, sind nämlich die hohen, kegel­ förmigen Dächer, die massiv aus grauem K a l k s t e i n (Chiancarelle) ohne Bindemittel aufgeschichtet werden. Sie haben in dem Gebiete von Trani im Norden bis zur Linie Francavilla-Castellanetta im Süden einen durchaus einheitlichen T ypus und sind so zahlreich, daß sie dem Landschaftsbilde sein Gepräge geben. 10) S ig u r d E rixon, F a t a b u r e n 1917 u n d U p m a r k -F e s t s c h r i f t 1925, S. 45 ff. m it T a f. 21— 23. K r o n s la n g e n k a m e n in g a n z S c h w e d e n v o r , a b e r n u r in D a rl a r n e in d e r W e is e ge sc h n itz t. F ü h r e r d u rc h S k a n s e n s K u l t u rg e s c h i c h t ­ liche A b te ilu n g 1925, S. 50.

Das Bedürfnis nach Feld- und Hirtenhütten zur Nächtigung, Schutz vor Unwetter, Aufbewahrung der Geräte ist in Apulien noch g rö ßer als in allen anderen Teilen Italiens, denn hier ist die Konzentration der Bevölkerung in Städten am stärksten, sind Einzel- und Weilersiedlungen am seltesten von ganz Italien. Es folgen in der Bevölkerungs-Zusam m endrängung in absteigender Linie: Sardinien, Basilicata, Sizilien, Campanien, Latium, Calabrien, die sämtlich den Durchschnitt für ganz Italien übersteigen. Trotz des rein landwirtschaftlichen C harakters Apuliens wohnen 67.7% seiner 2.3 Millionen Einwohner in Städten von mehr als 10.000 Ein­ wohnern, nur 7% in Einzelsiedlungen — in den Emilia dagegen 55% , fast ebenso viele in den Märkten und in Umbrien. Bis vor einem halben Jahrhundert dienten diese Hütten hauptsächlich den Hirten, denn bis dahin w ar Apulien ein W eide­ land, durchzogen von Tratturi, den grasigen W and erstraß en, auf denen die Herden der Abruzzen hierher zur W interweide getrieben wurden, um in Frühjahr auf denselben W egen in ihre Berge zurück­ zukehren. Jetzt aber sind 52.8% Apuliens Ackerland (gegenüber einem Durchschnitt von 45.4% in ganz Italien), da ist d a s Be­ dürfnis nach Feldhütten zur Saat- und Erntezeit noch dringender wegen der größeren Anzahl der fern von der W ohnstätte ar­ beitenden Personen. Apulien ward von einem flachgewmlbten bis 686 m an­ steigenden Rücken von Kreidekalk durchzogen, dessen hellgraue, stark geschichtete Platten, die aus der seichten Ackerkrume häufig zu T age treten, liefern das Baumaterial. Das Land ist waldarm, cias Kalkbrennen daher verhältnism äßig kostspielig. Man zieht vor, die überall reichlich zur Hand befindlichen, leicht in Handstücke zu teilenden Steinplatten ohne Bindemittel übereinander zu schichten (murare a secco), braucht dabei mit dem Materiale nicht zu sparen, im Gegenteile, je mehr Steine man aus dem Felde wegbringt, desto besser. Die Feldhütten sind daher hier geräumiger als in allen anderen Teilen Italiens. Ihre Form ist auf dem ganzen Gebiete des Kalkrückens, Le Murge, kreisrund. Am Ostrande bei Trani fand ich solche mit quadratischer Basis, die dann stufenförmig zum Kegel übergingen. In der Höhe ober der Türe — Fenster fehlen meist — verengt sich die konzentrische Lage der Steinschichten durch Vorkragen allmählich zum falschen Gewölbe. Das Dach ist kegel­ förmig, durch die übereinander liegenden, 2— 4 fingerdicken Stein-

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platten gebildet, endet in eine breite Steinplatte, seltener in ein steinernes Kreuz oder in einen Steinkopf. A ußer dem Gebiete der Murge, am Tavoliere von Foggia und am Mte. Gargavo, wo nicht mehr dasselbe Steinmaterial vor­ handen ist, werden die Dächer kleiner, deutlich vom Trullo a b g e­ setzt, sie sind manchmal zementiert, haben eine flache Kuppel. In Calabrien sah ich bei Sibari viereckige Feldhütten, aus runden Geschieben geschichtet, bei Potrone runde, stets mit kegel­ förmigen Schilfdach, am A etna viereckige aus Lava mit kegel­ förmigen Schilfdach, südlich von Catania runde, gemauerte Hütten. Im übrigen Sizilien besteht die Feldhütte meist aus einem meter­ hohen Steinbau (ohneKalkm örtel), von dem aus Stangen oder Rohre sich zum kegel- oder pyramidenförmigen Dache Vorhängen, das mit Stroh — daher der Dialektname pagghiaru für Feldhütte — oder Buschwerk, insbesondere Ginster gedeckt ist. (S. Pitré, La Famiglia . . . del Popolo Siciliano, Palermo, 1913, S. 79 flgd.). Bei Sezze Romane südlich von Rom sieht man Feldhütten mit ovalem Grundrisse aus Rohr. Die apulischen Hütten haben mit den viel kleineren, weil aus weniger handlichem Material (viel größeren Blöcken von Granit, T rachyt) hergestellten sardischen Hütten nur das falsche Gewölbe gemeinsam, kegelförmige Steindächer mit gar keiner anderen Land­ schaft. Ebenso einzig steht die .Weiterbildung dieser für einzel­ stehende Feldhütten geschaffenen B auart für Zwecke der D auer­ siedlung in-der geschlossenen S tadt Alberobello da. 64 km süd­ östlich von Bari liegt sie über 400 m hoch, inmitten eines einstigen W aldgebietes, hat ihren Namen von den damaligen mächtigen Eichbäumen, zählt 5850 Einwohner. Ihr Bild unterscheidet sich wesentlich von dem aller anderen apulischen Städte. Sonst sieht man inmitten endlos w ogender Felder und silbriger Olivenhaine auf den Anhöhen dichtgescharte Stadtsiedlungen, die hohen Häuser meist weißgetüncht, oft mit flachen Dächern, die zur Anlage von Zisternen dienten — die ein­ zige Versorgung in dem quellenlosen Lande bis zum Ausbau der großartigen W asserleitung (1906— 1926), die durch ein Netz von 2700 km das W asser des Sele-Gebietes vom W estabh ang e des neapolitanischen Apennins 270 Gemeiden Apuliens zuführt — überragt von romanischen Kirchen mit Kuppeln, altersbraunen Kastellen, von hohen Palmen gesäumt. Aber mitten in dem W ellen­

lande voll Mandel-, Oliven-, W eingärten überrascht uns der An­ blick eines ganz anders gearteten Stadtbildes, nämlich von Alberobello: niedere Häuser drängen sich an- und übereinander, mit lOOOen von hohen Zipfelmützen-Dächern in dunkelgrauem Stein, die scharf von den w eißgetünchten Häusern sich abhebend in bizarrer Himmelslinie zum blauen Firmament ragen. Kleine Gruppen einzelstehender Feldhütten finden sich zum gegenseitigen Schutze zusammen in dem einstigen Brigantenlande Sizilien, in der Umgebung der 14 km südöstlich von Alberobello gelegenen Stadt Mantiva Franca. Hier in Alberobello aber sind wir in einer geschlossenen Stadt. Mehr als 2/3 der Häuser haben die Form der Feldhütten; die Anpassung an die Bedürfnisse der Dauer­ siedlung: mehr als e i n Wohnraum, das Aneinanderreihen der Häuser zu einer Straßenfront stellt neue Anforderungen an diese primitive, nur für freistehende, einräumige Hütten geeignete Bau­ weise. Diesen geänderten Zwecken wurde nicht durch Aenderungen, sondern durch Summierung der Trulli entsprochen. Jeder W ohnraum ist Einzelbau mit eigenem Kegeldach. Dort wo beide Kreise sich berühren, ist eine Verbindungstüre zwischen den Trulli angebracht. Die toten Winkel zwischen den mehreren Rundbauten des­ selben Hauses und zwischen den Häusern der geschlossenen Straßenzeile sind durch niedere Mauern gegen die S traße ab­ gegrenzt und entweder durch eigene kleine Kegeldächer oder durch niedrige Ausbuchtungen der anstoßenden eingedeckt. Hiedurch wird die Absonderlichkeit des S traß en- und Stadtbildes noch erhöht. Die so gewonnenen niedrigen Nebenräume dienen als Feuer­ stellen, Vorratskammern u. s. w. Die Mauern sind oft 2 m dick. Nur durch das Gewicht der Steinmasse ist es zu erklären, daß die heftigen Stürme den ohne Bindemittel aufgeschichteten Dächern nichts anzuhaben vermögen. Im Innern ist das Vorkragen der Steine durch den Verputz verdeckt, man haust unter einer flachgewölbten Kuppel. Da das Steindach an und über der Kuppel massiv ist, fehlt der Dachboden. Häufig wird ein solcher durch eine Brett­ vorlage etwa 2 m unter dem Scheitel der Kuppel geschaffen, indem ein Segment von mehr als der Hälfte der Kreisfläche ober dem W ohnraum e abgegrenzt wird, zu dem man auf einer Leiter em por­ steigt. Dort oben werden meist Feldfrüchte verstaut. Manchmal sieht man nur Balken unter der Kuppel durchlaufen. Diese dienen nicht zur Spreizung — der solide Bau bedarf dessen nicht —

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sondern dazu, nasse Kleider zu trocknen. Die in Sizilien häufige W ohngalerie (Solaio), die über einen Teile der Stube in deren halben Höhe ein 2. Stockwerk schafft, fehlt hier gänzlich. Nur ein einziges Haus, der Trulle Sovrano, das größte und höchste (15 m) der ganzen Stadt, auch auf einem der höchsten Punkte derselben gelegen, hat ober der Kuppel des Erdgeschoßes ein ebenso ge­ wölbtes Ober-Stiibchen. Dieser patrizische Bau besitzt einen Wall von Spitzdächern über seinen 11 Zimmern, die jetzt in 2 getrennte Wohnungen zerfallen, da sich 2 Brüder mit ihren Familien in den Besitz teilen; sie haben die Verbindungstüre vermauert, da die Schwägerinnen kein Bedürfnis nach vertrautem Verkehr mit­ einander zu haben scheinen. Dieser einzig geartete Trullo zeigt die Höchstentwicklung der Bauform von der Hirtenhütte bis zum Bürgerhause. Er leistet sich auch den Luxus mehrerer Fenster — über jeden derselben ist ein flacher Bogen geschichtet — andere Trulli der Stadt begnügen sich gleich ihrem ländlichen Vorbilde mit der Tür als Lichtquelle oder haben nur neben oder ober der T ür eine kleine Lücke. Die Rauchfänge ragen neben dem Dache empor. Ueber ihnen ist ein um eine Achse drehbares Brett befestigt, das je nach der Windrichtung nach der einen oder anderen Seite gezogen wird. Auch die ländlichen Trulli Apuliens haben meist Rauchfänge, w ährend solche den Hirtenhütten anderer Teile Italiens meist fehlen. Die Besitzer der Häuser sind stolz auf deren Eigenart. Als ich einen der Trulli im Innern besichtigte, lud mich die zu Besuch anwesende Besitzerin des N achbarhauses ein, auch zu ihr zu kommen. Die W ohnräum e sind reinlich. In dem südlichen, einen Hügel hinanziehenden Stadtteile sind fast alle 1100 Häuser als Trulli gebaut. Dieser Stadtteil ist seit 1910 als Nationaldenkmal erklärt. Neubauten dürfen nur in gleichen Stile aufgeführt werden. Bei einem vor 4 Jahren neuerbauten Rund­ hause fand ich auch im Inneren keinen Unterschied von den älteren. Es bleibt ein Rätsel, warum gerade hier in Alberobello diese Bauweise zur städtischen wurde. Der Reichtum an Ögeeignetem O Baustein, die Lage auf dem windgepeitschten hier 400 m hohen Rücken der Halbinsel, die Zusam m endrängung einer Landwirtschaft treibenden Bevölkerung in städtischen Siedlungen ist der ganzen Landschaft gemeinsam. Der Mangel an Holz zum Bauen und Kalk­ brennen bestand gerade hier nicht.

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W ir haben hier ein Gegenbeispiel gegen die häufige Er­ scheinung, d aß primitive Bedürfnisse auf die gleiche primitive Art von weit entfernt voneinander wohnenden Völkern befriedigt werden, zwischen denen weder eine Ueberlieferung durch gemein­ same Abstammung oder einstige Nachbarschaft, noch durch eine spätere, wenn auch nur mittelbare Berührung, anzunehmen ist. Hier haben wir dagegen eine vereinzelte Erscheinung inmitten gleichgearteter, w egsam er Umwelt. Es ist allmählige Vergrößerung einer kleinen Feldhüttensiedlung zu vermuten. Die Stadt reicht bis ins 13. Jahrh. zurück, sie w ar dann Feudalbesitz der Aquaviva, Grafen des 35 km nordwestlich gelegenen Convertane; im Jahre 1635 errichtete Graf Gion Girolamo II dort ein Landhaus, einen Backofen, eine Mühle, Kramladen und Schenke. 1797 zählte die S tadt schon 3200 Einwohner und wurde königliche Stadt. Die Kirche stammt von 1609. Die Behauptung A. S t e i n i t z e r s , (Das unbebaute Italien, 2. Aufl., S. 236), d aß sie aus Trulli bestehe, ist unrichtig. Auch die 6 km entfernte, 591 gegründete Kirche von Barkoto hat zw ar Dächer gleicher Bauart, aber andere Form. Die Aehnlichkeit mit den Trulli Sardiniens, die sowohl als vorgeschichtliche Rundhütten rings um die Nuraghen wie auch als Hirtenhütten der Gegenw art zu finden sind, beschränkt sich auf das auch anderwärts, in den mykenischen und malteser Kuppelgräbern, an irischen, nordschottischen, altbirmanischen Bauten vor­ kommende falscheGewölbe; dieses um faßt einen so weiten örtlichen und zeitlichen Bereich, d aß keine Ueberlieferung, sondern selb­ ständige Entstehung anzunehmen ist. Die Trulla genannte, au ßen zylindrische, innen achteckige, im Jahre 1740 mit einer Kuppel abgeschlossene Seitenkapelle der Kathedrale von Bari hat keine Beziehung zu den Trulli von Alberobello.

Volkskundliches aus dem Mürztal. Geräte, T ier- und P flanzennam en. Dr. G ise la M a y e r - P i t s c h ,

Knitteifeld.

Im M ü rz tal, d e m seit a lt e r s h e r die p o c h e n d e n H ä m m e r d a s b e ­ s t i m m e n d e G e p r ä g e verliehen, tr itt a u c h h e u te noch, b e s o n d e r s im ob e ren T eil v o n d e r K r a m p e n a u f w ä r t s , d e r g r o ß e B a u e r n h o f im. L a n d s c h a fts b ild e z u rü ck . D e r H a u p tte il d e r m ä n n lic h e n B e w o h n e r s c h a f t v e r d ie n t seinen L e b e n s ­ u n t e r h a lt in I n d u s t r i e w e r k e n o d e r als H o lz arb e ite r, w ä h r e n d die Frauen-,

12 s o w e i t es m ö g lic h ist, in eige nen, g e p a c h t e t e n o d e r g e m i e te te n H ä u s c h e n ihren G a r t e n b estellen , Z ie g e n o d e r ein e K uh halfen u n d d a s H e u v o n den B e r g w i e s e n e rnte n. So b e k u n d e t sich die E i g e n a r t d e r G e g e n d w e n i g e r in a n g e s t a m m t e m B r a u c h t u m , d a s A c k e r b a u u n d V ie h z u c h t m it se in en Regeln b e h e r r s c h t , als in d e r V e r t ra u t h e i t m it b e s t im m te n G e r ä t e n , K e n n tn is d e r E i g e n a r t v o n T ie r e n , die d e m A llta g sle b en d u r c h ihre W e t t e r v o r h e r s a g e n w ic h ti g e r sch e inen , o d e r v on P fla n ze n , die als N u t z g e w ä c h s e im G a r t e n o d e r als Heilp flanzen auf d e n A lm en in A n s e h e n ste h en . M o n t a g in aller F rü h v e r la s s e n die H o lz k n e c h te ihr Heim, u m z u d e r m e ist m e h r e r e S t u n d e n e n tf e r n te n H ü t t e a n z u s te ig e n , in d e r e n N ä h e sie bis S a m s t a g a rb eite n . Brot, Salz, S p e c k, Mehl, Eier, E rd ä p f e l u n d Kaffee ist d e r w o h l in d e n m eiste n R u c k s ä c k e n v o r h a n d e n e M u n d v o r r a t , a u s d e m in d e r H ü t t e die M a h lze ite n b e r e i te t w e r d e n . N o c k e n u n d S c h m a r r e n w e r d e n b e v o r z u g t . W ä h r e n d die W i n t e r h ü t t e a u s fe sten H o l z s t ä m m e n als B lo c k h a u s g e f ü g t w ird, g e n ü g t fü r den S o m m e r ein m it R ind e b e k le id e te r L a t t e n b a u In d e r H ü tte frei s t e h e n d e r h e b t sich d e r offene H e rd, E s s e g e n a n n t , a u s H o l z s t ä m m e n ge fü g t, m it S te in e n g e d e c k t, auf d e n e n d a s F e u e r b re n n t, ln eine d e r V e rtie fu n g en , wie sie a h b e id e n L ä n g s s e it e n a n g e b r a c h t sind, w ir d d e r . G o ck, d e r P fa n n h a lt e r, e in g e ste c k t. A u s Holz sc h n i tz t sich ihn d e r H o lz k n e c h t selbst, d e r e iserne ist in G e s c h ä f t e n erhältlich. In d e r A u s ­ k e r b u n g s t e c k t d e r P fa n n e n stie l, w ä h r e n d d a s G e f ä ß se lb st ü b e r d e r H e r d ­ g lu t h ä n g t. D a s W a s s e r , d a s m a n c h m a l w e i t h e r g e h o l t w e r d e n m u ß , b i r g t d a s W a s s e r l a g l, das, w e n n es nich t a ll z u g ro ß ist, im Notfall ein T r i n k g e f ä ß e rs e tz e n m u ß . An den S e i te n w ä n d e n d e r H ü t t e s t e h e n die B e tte n o d e r die L ie g e r s tä t te n , B r e tt e r v e r s c h l ä g e auf H o lz pflö c ken, in d e n en S t ro h u n d K o tz en v o r n ä c h tlic h e r Kälte sc h ü tz e n . Die d e m S l a w i s c h e n e n t ­ s t a m m e n d e B e z e ic h n u n g B o g e r a t , die K ra u ß , E h e r n e M a r k 1. S. 271, a n g ib t, ist in d e r G e g e n d von K r a m p e n j e t z t u n b e k a n n t . Im „ R a s t s t ö c k l “ , a u c h T rie ch l g e n a n n t , b i r g t d e r H o lz k n e c h t seine H a b se lig k e it. F e u c h te S p ä n e liegen z u m T r o c k n e n auf den b e id e n parallel ü b e r d e m H e r d lau fe n d e n W i d a s e n b a m . Um de m a n g e s ä g t e n B a u m die g e w ü n s c h e F ä llr ic h tu n g z u g e b e n , t r e i b t m a n in den S p a lt einen Keil, d e s s e n o b e r e r Holzteil d u r c h d e n Keilring u m ­ f a ß t wird. D e r g efällte B a u m w i r d g e ä s te t. Im S o m m e r , „ s o l a n g n o c h d e r S a ft f l ie ß t “ , w i r d die Rinde m it de m R in d e n s c h i n d e r o d e r P u d l e r a b g e l ö s t — sc h in d en , pudeln. Ist im H e r b s t kein S a ft m e h r in den S t ä m m e n , w e r d e n sie m it d e m S c h ö p s e r a b g e s c h ü r f t — z ö sc h e n . D e n H a u s b e d a r f a n R in d en a b fällen t r ä g t m a n in d e r K ra x e n heim. Die für die S ä g e nich t g e e i g n e t e n S tü c k e w e r d e n in m e t e r l a n g e K lötze z e rs c h n i tt e n u n d m it Hilfe d e r S c h a r n zu S c h e ite rn geviertelt. U m ü b e r die g l a t t e n S t ä m m e g e h e n zu k ö n n e n , sc h n a llt sich d e r H o lz k n e c h t d a s 10-stollige E is en a n die F ü ß e . Die B lo ch e w e r d e n m it d e m Sapl z u r L a g e rste lle ge sc hle ift u n d v o n d o r t auf d e n W a g e n g e z o g e n . D o r t v e r b in d e n sie e iserne K la m pfe rn u n t e r e in a n d e r . D e‘r R o a tle r z ie h t die e iserne n K etten, die die g a n z e L a s t u m s c h n ü r e n , fe st. F ü r K e tte n u n d K la m p fe rn ist ein u n t e r d e m B lo c h w a g e n h ä n g e n d e s K ä s t c h e n d e r A u f b e w a h r u n g s o r t . Auf a b s c h ü s s i g e n Stellen m u ß d e r K u t s c h e r d e n W a g e n m it d e r v o r d e r e n u n d h in te r e n Schleifn einschleifen. A u s d e m W a s s e r fisc ht m a n Holz m it d e m P lö ß h a c k l, ein er nach b e id e n Se ite n spitz z u la u f e n d e n H a ck e . Die

13 le ic hte ste A rbe it b l ü h t de m H o lz k n e c h t w ä h r e n d d e r h e r b stlic h e n J a g d e n , w o j e d e r s t a r k e L ärm v e r m i e d e n w e r d e n soll. D a b a r a b e r n sie, wie d a s g e m ü t ­ liche A rb e ite n g e n a n n t w ird. In d e r a rb eits freie n Z eit ü b e r w i e g t die Fröhlichkeit, die a u c h im Lied z u m A u s d r u c k k o m m t . A u ß e r d e m a llg e m e in b e k a n n t e n Holz­ kn e chtlie d, d a s bei K r a u ß , a. a. O. S. 270 un d in Z a c k s L ie d e r b u c h fü r V olks­ sc h ulen, 2. T., S. 71 ve rö ffe n tlic h t ist, feiert ein a n d e r e s den L a h n s a t t le r H o lz kn ec ht. D a L a h n s a t t le r H o l z k n e c h t is a lu stig e r B u a E r a rb e i t r e c h t fleissi und s i n g t s c h e a n da zua . U n d w a n n er auf d ’ N a c h t in d e r H ü t t n t u a t sein Bein K oc hen d a jo d e lt er r e c h t fein.*) F ü r P f l u g u n d E g g e h ö rt m a n k e in e a n d e r e B e z e ic h n u n g . W ic h t ig e r als d e r F e l d b a u e r s c h e in t die W ie s e n w i r ts c h a f t . D a s G r a s w i r d z um N a c h ­ t r o c k n e n u m Hiefln g e h ä u ft, die a u s j u n g e n N a d e l b ä u m e n h e r g e s te llt w e r d e n . Sie w e r d e n e n tr i n d e t u n d e n tä s t e t , w o b e i m a n a b e r die q u irlfö rm ig en A st­ a n s ä t z e s t e h e n lä ß t . H e im g e s c h a f ft w i r d d a s H e u vo n den steilen H ä n g e n m e i s t a uf d e m R ü c k en , u n d z w a r k e n n t m a n d a s S p i e ß t r a g e n u n d d a s K o r b t r a g e n . D e r S p ie ß ist ein e t w a ein u n d einen h a lb e n M e t e r l a n g e s o b e n z u g e s p i t z t e s Holz. E t w a 15 cm v o m u n t e r e n E n d e b e fin d e t sich ein Q ue rh olz, v o n d e s s e n b e id e n E n d e n G u r t e n zu e iner O e se a m o b e re n E n d e d e s S p i e ß e s g e h e n . D a s H e u w i r d in g r o ß e n B ü sc h e ln v o n o b e n n a c h u n te n a u f g e s p i e ß t u n d f e s t g e t r e t e n , bis die S t a n g e f a s t g a n z b e d e c k t ist. D a n n w e r d e n die G u r t e n in die O e s e ein g e h a c k t, d e r T r ä g e r kn iet n ie d e r u n d lä d t sich die L a s t auf d e n R üc k en, ind em e r m it d e n A r m e n d u r c h die G u r t e n fährt. Auf d e m S p i e ß l ä ß t sich eine g r ö ß e r e M e n g e H e u b e f ö rd e r n , d a s auf d e m R ü c k e n a u c h w e n i g e r d r ü c k t als d e r Korb, bei d e m freilich d a s G le ic h ­ g e w i c h t leic hte r zu e r h a lte n ist. Am S c h e it e rb o d e n h in te r M ü r z s t e g w i r d d a s H e u in L e i n e n t ü c h e r g e b u n d e n u n d au f d e m K opf h e im g e tr a g e n . F ü r die G a r t e n a r b e i t n i m m t m a n die H a u n , den K r a m p e n , den W u r z e l ­ k r a m p e n u n d oft a u c h d a s Salzheindl, d a s u r s p rü n g l i c h z u m S a lz a u f sc h la g e n b e s t i m m t w a r . W e t z s t o a u n d K u m m g e h ö r e n z u r A u s r ü s t u n g d e s M ä h e rs . Die v e r s c h i e d e n s te n A r te n d e r H a c k e e rle ic h tern h ä u slic h e A u s b e s s e r u n g s a rb e i te n . So die l a n g s tie lig e Z im m e r h a c k , die D a u flh ac k , die m it d e r k o n k a v e n sc h a rf e n Seite z u m B e h a u e n d e r F a ß d a u b e n dient. Auf d e m d re if ü ß ig e n G r a ß s t o c k w i r d m it d e r G r a ß h a c k d a s G r a ß — Fichtertreisig — z erk lein ert. Mit d e m R e c h e n b o h r e r w e r d e n n e u e R e c h e n ge fertigt, a n d e r H o a n z l b a n k g e sc h n itzt, m it de m T e n g l h a m m e r t e n g e l t m a n a uf de m T e n g l s t o c k . Ein m it S ta c h e ln b e s e t z t e r H a lfte r w i r d de m Kalb u m g e l e g t, w e n n m a n es h in d ern will, w e i te r bei d e r Kuh zu trink e n. Mit de m M istk r a tz e r , ein em flach en , r e c h t w i n k e l i g z u m Stiel a n g e s e t z t e n E isen, e n tf e r t m a n den M ist a u s d e m Stall, w ä h r e n d d e r M istkra lle r, ein la n g e r, m it z w ei r e c h t ­ w in k e lig a b g e b o g e n e n Z in k e n v e r s e h e n e r S to c k , z u m A b la d en d e s M iste s v o m W a g e n a b e r a u c h z u m A u s e i n a n d e r w e r f e n d e s K a rtoffe lfeue rs g e b r a u c h t wird. S c h o tte r trie c h e r l, M ist t ru c h n u n d d e r e in r ä d e r ig e R a d ib o c k v e r v o ll s t ä n d ig e n m it d e r k lo a n G o a ß l — de m kleinen Schlitten — den Inh alt d e r Z eu g h iittn . *) V ik to r Z a c k h a t diese V e rse als z w e ite S t r o p h e eine s H o lz k n e c h t­ lied es g e fu n d e n . (Briefl. M itte ilu ng.)

14 Mit R a tz e n e ise n u n d S c h e reise n w ird den R a tte n u n d d e m M a u l w u r f z u Leibe g e g a n g e n , H o a h ac h ! — F la c h s h e c h e l- u n d d a s Rullb rett, m it d e m die ü b e r den N u d e l w a l k e r g e le g te W ä s c h e g e g l ä t t e t w ird , g e h ö r e n in den Bereich d e r H a u sfra u . B e s o n d e r e r B e a c h t u n g erfre ue n sich die T iere, a u s d e ren V e rhalten sich auf d a s k o m m e n d e W e t t e r sc h lie ß en l ä ß t o d e r d ie s o n s t auf d a s L eben von E influß sind. Ruft d e r G ie ß v o g e l , a u c h B a u m h a c k l g e n a n n t — d e r S p e c h t — sein e in t ö n i g e s „ g ia ß , g i a ß l “ , d r o h t R e g e n w e t te r . E b e n s o w e n n a m A b e n d die S u n n a w e n d k ä f e r l — G l ü h w ü r m e r — z ahlreich h e r u m s c h w i r r e n . W ie a lle ro rts t r ä g t d a s W ie se l a u c h hier sein w e i ß e s Fel! im F r ü h j a h r so la n g e als n o c h S c h n e e zu e r w a r t e n ist. D a s T i e r gilt fü r giftig. B e s o n d e r s w e n n es ge re iz t ist, soll sein Biß u n f e h lb a r B l u tv e r g i f tu n g h e rv o rru fe n . D a s G e b i ß d e s M a r d e r s sc h e in t h in g e g e n eine g e w i s s e S c h u t z w i r k u n g a u s ­ z u ü b e n . E s w ird in einen A m e is e n h a u f e n g e le gt, bis alles Fleisch d a v o n a b ­ g e fre ssen, u nd p r a n g t d a n n an d e r U h rk e tte . G e f ü r c h t e t ist d e r S c h m u tz d e r F le d e rm a u s . Fällt er auf d a s H a ar, so verfilzt es sich un d g e h t au s. „ E s m a c h t gleich eine g a n z e P l a t s c h e a n k n “ . S c h w a l b e n d r e c k b rin g t, w ie a u c h s o n s t in S te ie rm ark , Blindheit. Die S p in n e n e tz e , L iebesbriefe g e n a n n t , k ü n d e n eine b a ld ig e H o c hze it im H ause. D e r G la u b e , d a ß die Z e r s tö r e r in eine s solchen N e tz e s nie m e h r einen L iebesbrief e rh alte, ist n ich t v e r b re ite t, d ü r f te a b e r do ch im Z u s a m m e n h a n g m it d e r B e z e ic h n u n g ste h e n . Als D o m inik s c h w i r r t d e r r o s ig s c h i m m e r n d e Z a u n k ö n i g d u r c h die F elstäler, d a s Haartrellerl, ein e g a n z g r a u e A rt d e r B a ch s te lze , hä lt sich g e r n bei d e n H e r d e n auf, eine E ig e n sc h a f t, die ihr s o n s t in O b e r s t e i e r den N a m e n S choffhalterl e in g e t ra g e n hat. — Drillen — d re h en . Sch m eller, B a y r is c h e s W ö r t e r b u c h , S p a lte 566. in den s a u b e r g e p fle g te n G ä r t e n w a c h s e n n e b e n den Zierpflanzen , wie den Dahlien, d e r e n N a m e n m eist u n b e k a n n t ist — m a n c h m a l n e n n t m an sie W i e n e r s te r n — den F u c h se rln — F u c h sie n — , dem Z ie g e n b a r t — P h lo x — den F e n s t e r g u c k e r in — K a p u z in e rk r e s s e — u n d d e r H e rz b lu m — T r ä n e n d e s Herz — ein zelne Rosen. Ihre B l ä tte r w e r d e n m it Oel zu W o h l g e r u c h a n g e ­ setzt, g e tr o c k n e t g e g e n Z a h n w e h g e r a u c h t. D e r B o c k s b a r t — b u x u s s e m p e r v iren s — liefert einen T e e g e g e n W a s s e r s u c h t , K re ß u n d S c h n ittlin g w ü r z e n den Salat. D e r L u s c h s t o c k — L evisticum — , d e r Gelsen v e rtre ib t, g i b t einen T e e g e g e n L u n g en leid e n u n d v e r b e s s e r t die Su p p e . A b e r w ä h r e n d s o n s t in O b e rste ie r, z. B. Knittelfelder G e g e n d , d e r L u s c h s t o c k a u c h H e rr im G a r t e n g e n a n n t w ird, g e b ü h r t im M iirztal so w ie in d e r M ariaz eller G e g e n d d e r N a m e H e rr im G a r t e n n u r d e r A rte m isia A b r o t a n u m , S t a b w u r z , fälschlich E d elrau te . D iese A rte m isia h e iß t in d e r Knittelfelder G e g e n d W e i n k r a u t , bei L o b m in g (b. Knittelfeld) A lter M a n n . U eberall b i n d e t m an sie w e g e n ih res D u f te s in S t r ä u ß c h e n , w ü r z t d a m i t den W e i n u n d m it g a n z kleinen M e n g e n die Su p p e . E rf re u t ist die H a u sf r a u , w e n n sie beim U m g r a b e n d e s G a r t e n s u n t e r d e r E r d e die H o h l w u rz e n t d e c k t — r a d ix A r isto loch ia e — , ein h o hles G e w ä c h s , d a s g e p u lv e r t tr o tz se in es b itte r e n G e s c h m a c k e s g e r n als Medizin g e n o m m e n w i r d . 1) Die G u n d l r u a m — G u n d e l r e b e — G l e c o m a h e d e r a c e a — l ) S te irisc h e r W o r t s c h a t z als E r g ä n z u n g zu S c h m e lle r s B a y ris c h e m W ö r t e r b u c h ges. v. T h e o d . U n g e r, b e a r b . u n d h e r a u s g e g e b e n v. Dr. F erd. Khull. G r a z 1903. L e u s c h n e r u n d L u b e n s k y . S. 353, 265, 361, 463, 52, 518.

15 gib t g e m i s c h t m it S p i t z w e g e r ic h einen H u s te n t e e , d a s K u t t e l k r a u t — T h y m u s serpillum u n d v u l g a r e — stillt, g e tr o c k n e t , a u f g e b r ü h t u n d a b g e s e i h t als U m s c h l a g M a g e n s c h m e r z e n u n d K räm p fe . S a lb eitee v e r tr e ib t Z a h n s c h m e r z e n . A n d e r e Heilmittel holt m a n sich von den Almen. D a s K r a m p e rlm ia s — c e t r a ri a islandic a — s p e n d e t einen H u s te n t e e ; „ a b r e n n t “ e rw e ic h e n sich die B l ä t t e r u n d g e b e n ein g u te s , H u n g e r m a c h e n d e s S c h w e in e f u tte r . A u c h G a m s w u r z — A rnic a sc o rp io id e s — , H u n d s w u r z — T riticu m r e p e n s — , N a t t e r n w u r z — P o l y g a n u m b i s t o r ta — u n d B ä r w u r z — M e u m a s t h m a t ic u m — sind wie d e r S a un igl — Sanikel — S a x i f r a g a rotun difo lia — b e lie bte A rzn ei­ mittel. Beim l e t z tg e n a n n t e n w ir d die g e p u lv e r te W u r z e l v e r w e n d e t . D a s R a u s c h k r a u t — A lp e n ro se — v e r d a n k t den N a m e n s e in e r r a u s c h v e r t r e i b e n d e n Kraft. F ü r d a s Vieh h e g t sich die S c h w a i g e ri n die S t r u p f p lo ts c h n , eine g r o ß ­ b l ä t t e r i g g e fleckte A m p f e r a r t — R u m e x — , die n u r auf den Almen, gedeiht, so rg f ä ltig g e g e n ihre N a c h b a ri n ein, um nicht zu w e n i g v on de m k o s t b a r e n G u t zu b e sitz en . Im T al w e r d e n die K r a h h a x e n , s o g e n a n n t w e g e n d e r ge ­ f iederten, K r ä h e n f ü ß e n g leic h en d e n B lätter, — eine S p i e r s t a u d e — als S c h w e i n e f u t te r u n d d a s S c h a r k r a u t ü b e r h a u p t als V ie h fu tte r s e h r g e s c h ä tz t. Auf den W ie s e n b lü h t d a s K l ö s c h k ra u t — N a c h t n e lk e — , d a s B u t te rröserl — T r o llb lu m e — , die H i m m e l b r a n d b l ü a — K ö n ig sk e rz e — , d e r G o ld ­ apfel — T ü r k e n b u n d , Lilium m a r t a g o n — d a s G a n s b l u m l — G ä n s e b l ü m c h e n — u n d die K u c k u c k s b lu m — O r c h is — , die „ F le c k e n h a t wie d e r K u c k u c k “ . Z u r S o n n w e n a z e i t d u ften die S u n n a w e n d f ä d e n — U l m b lä ttr ig e r S p ie rstr a u c h , S p ire a ulmifolia — , die in d e r S o n n w e n d n a c h t als S c h u tz m itte l in Stall und G e b ä lk d e s H a u s e s g e s t e c k t w e r d e n . Auf den W ie s e n b r e ite t die K loa n tsch n — s c h w a r z e N ie s w u r z — ihre B lätter, die w e i ß e w ird H e m d n g e n a n n t. N u r ein m al w u r d e ein e langstielige,- r o t b lü h e n d e S t e in b r e c h a r t als g r a n t i g e r j a g a b e z e ic h n e t, ein S p o t t n a m e , d e n sich s o n s t in S t e ie r m a r k d a s A l m b u s c h ­ w in d r ö s c h e n u n d die h a a r i g e F r u c h t d e r K ü c h en s ch e lle gefallen lassen m ü sse n . D e r P e t e r g s t a m m — P r i m u la a u ric u la — h a t a n g e b lic h frü h er Z a le ts c h g e h e iß e n . F ic h te n w ip fel als S c h u tz b r i n g e n d e F i r s t b ä u m c h e n findet m a n b e ­ s o n d e r s auf d e n A lm hütte n. W e n n d e r D a c h s t u h l fe rtig isf, w ird e s ins G s p ie r — S p a r r e n w e r k — g e s t e c k t u n d m u ß d o r t v e rb le ib e n , bis die S t ü rm e es w e g t r a g e n . U e b e r d e r T ü r v o n G a s t h ä u s e r n h ä n g e n die W e i n w e i s e r — bei Khull W e i n z e i g e r — , v e r k r ü p p e l te F ic h te n - u n d T a n n e n w i p fe l . D e r S tie r b a u m ist u n b e k a n n t , w o h l a b e r w e r d e n die K ühe beim A b trieb g e s c h m ü c k t. An ein em e inzigen Stall fa nd sich ein Kranz, in de m n e b en P a p i e r b l u m e n , A lm jo s e n , A e h re n u n d B a n d g r a s , M oos, Distel u n d E ic h en la u b e in g e flo c h ten w a r . U e b e r vielen S ta lltü re n sie ht m a n Z ie g e n g e w e i h e . K ra u ß , 1„ S. 55, gib t an, d a ß T ie re, die d a s U m g e h e n d e h a b e n , g e t ö t e t u n d ihre - K ö p f e ü b e r die S ta lltü re g e n a g e l t w e r d e n . H e u te will m a n die S c h u t z w ir k u n g nicht z u g e s te h e n , o b w o h l m a n a n d e r e r s e it s ein em neiderfüllten Blick o d e r A u s ru f n o c h die M a c h t d a s Vieh zu t ö te n — zu v e r s c h r e ie n — z u tr a u t. S o h a t sich viel U r s p r ü n g li c h e s e rh alte n , w e n n vielleicht a u c h d u rc h den Z u z u g A u s w ä r t i g e r u n d d u r c h den F r e m d e n v e r k e h r m a n c h e s ve rlore n g e g a n g e n ist, a n d e r e s s t a r k v e r w i s c h t w u rd e .

Arbeitslied beim Piloteneinschlagen. ( S a c h e n d o r f bei Knittelfeld, 23. Mai 1929). M itg ete ilt v o n Dr. O. M a y e r - P i t s c h ,

Knittelfeld.

D e r innig e Z u s a m m e n h a n g z w is c h e n M u sik u n d A rb e it h a t d a s A r b e i ts ­ lied g e sc haffe n . E s e r g a b sich a u s d e m R h y t h m u s , zu d e m sich allm ählich W e i s e u n d W o r t e gesellten. F r ü h e r b e g le ite te n diese L ieder die m e iste n ländlichen A rbeiten. Bis h e u te h a b e n sie sich n u r e rh alte n , w o sie e n tw e d e r , w ie die Spinnlieder, z u r U n t e r h a l t u n g d e r A r b e i te n d e n diene n , o d e r w o es, wie beim P fa h l e i n r a m m e n , d a r a u f a n k o m m t , die Kraft M e h r e r e r im gleichen A u g e n b lic k e in z u se tz e n . T r o t z d e r A t e m a n s t r e n g u n g w i r d d e r G e s a n g als ein e u n b e d i n g t e N o t w e n d i g k e i t z u r D u r c h f ü h r u n g d e r A rb e it e m p f u n d e n . Ein a n s c h e i n e n d in S t e ie r m a r k s e h r v e r b r e i te t e s Lied d e r P i l o t e n s c h l ä c e r w u r d e in S a c h e n d o r f g e s u n g e n : 1. U n d und und und und u.

a m o l auf z w a m o l d ra u f d re im al ho ch v ierm al no ch fü n fm al auf s. f.

2. U n d a m o l auf u n d z w a m o l d ra u f u n d d re im a l h o c h u n d v ierm al noch. H e r r Polier, m ir s a n g a n z stier, g e b n ’s u n s a n S c h u ß , s o n s t m a c h m a S chluß. G e b n ’s u n s a n S c h u ß f ü r Bier u n d W ein, d a n n g e h t er nein d u r c h S a n d u n d S te in ; d u r c h Stein u n d S a n d in’s U n te rla n d . Er m uaß schw er tragn viel R o ß u n d W a g n , viel O c h s n und Kiia, k a J u n g f r a u nia. W a r g u a t a W ein , w a r g u a t a' Bier. /: H o c h auf S t a m p e r l 1) drauf, a K rü gl d a zu a , d a P f a r r a h a t g n u a :/

3. Am ol auf u n d z w a m o l d ra u f u n d d re im al h o c h u n d v ierm al noch. G reif m a z s a m m , d e r T a g is lang, d e r S c hlegl is s c h w e r, w a n n er e is ern w a r . D e r L ä rc h e n Kern, d e r g e h t nit g e rn , E r m u a ß hinein, d u rc h S a n d u n d Stein, d u rc h Stein u n d S a n d in s U n t e r la n d ( W a s s e r l a n d ) . — w e i te r wie 2. 4. An z u m e h r ’n, für u n s e r n H errn, e s w i r d s c h o w e rn , n a c h sein B e g e h r n . A G la sl Bier, a Viertl W ein , S o n s t la ß m a ’s d ra u fs c h l a g n ü b e r h a u p t sein. A m o l auf u. s. f. 5. A n e n auf, n ’z w e i t e n drauf, is no nit g n u a , no an d a zu a , , j e t z t g i b s t a Rua.

J ) D ü rfte u r s p r ü n g l i c h S t a m p f e r g e h e i ß e n h a b e n .

Prof. Dr. Adolf Hauffen f . U n s e r E h re n m itg lie d , A d o l f H a u f f e n , P r o f e s s o r d e r d e u ts c h e n V o lk sk u n d e , s o w ie d e r d e u ts c h e n S p r a c h e u n d L it e r a t u r an d e r d e u ts c h e n U n iv e r s itä t in P r a g , ist a m 2. F e b r u a r d. j., im 67 J a h re se in es a r b e if s- und e rfo lgre ic h e n L e b e n s v e rs c h ie d e n . Um die B e g r ü n d u n g , die Pfle ge un d w is s e n s c h a ftlic h e A u s w e r t u n g d e r d e u ts c h b ö h m i s c h e n V o lk s k u n d e h a t sich d e r v e r e w i g t e G e le h rte die g r ö ß t e n V e r d i e n s t e e r w o r b e n . S e in er um sich tig en O r g a n i s a t i o n s a r b e i t u n d s e in e r vielseitigen W e r b e k r a f t ist die H e r a n b i l d u n g einer g r o ß e n Zahl v o n e rfolgre ic he n M i t a r b e i te r n auf de m G e b i e t e de r d e u ts c h - b ö h m i s c h e n V o lk s k u n d e z u v e rd a n k e n . Seine v e rd ie n stv o lle L e b e n s ­ a r b e it w ir d g e w i ß v o n se inen t ü c h t i g e n S c h ü lern u n d N a c h f o lg e r n in seinem G e is te m it s c h ö n s t e m E rfo lg e w e i t e r g e f ü h r t w e r d e n . E h r e u n d D a n k seinem Andenken. P rof. M. H a b e r l a n d t .

Literatur der Volkskunde. R. K r iss : D a s G e b ä r m u t t e r v o t i v ( D a s V o lk sw e rk , B e iträ g e z u r V o lk s k u n s t u n d V o lk sk u n d e , H e r a u s g e g e b e n v. J. M. Ritz u. A. S p a n n e r ) , B. Filser, A u g s b u r g 1929. Die A rb e it ist in so fe rn e d a n k b a r z u b e g r ü ß e n , als d e r V e r f a s s e r alles E r r e i c h b a r e a n G e b ä r m u t t e r v o t i v e n z u s a m m e n g e s t e l l t h a t u n d im B e s o n d e r e n die K röte u n d die S ta c h e l k u g e l als G e b ä r m u t t e r v o t i v e auf d e u ts c h e m B ode n b e h a n d e lt . E rfre u lic h e r W e i s e h a n d e l t e s sich nich t u m A u s z ü g e a u s b e re its v o r h a n d e n e r L ite ratur, s o n d e r n um d a s E r g e b n i s h i n g e b u n g s v o ll e r u n d a u s ­ g e d e h n t e r F o r s c h u n g s f a h r t e n . D a s W e r t v o ll e a n d e m B u c h e b e s t e h t in de r V o r l a g e d e s S toffes in s c h ö n e n F o r m e n r e i h e n , w ie sie in d ie s e r Fülle b ish e r n i c h t Vorlagen. Als n e u e r F u n d sind die h ö lz e r n e n K rö te n zu b u c h e n . Die b e i g e h e f t e te K a r te m it den e i n g e t r a g e n e n F u n d o r t e n e r m ö g lic h t es w e it b e s s e r als W o r t e u n s eine V o rs te llu n g v o n d e m K e r n g e b i e te (A lt- B a y e rn , N o r d -T iro l, S a l z b u r g ) d ie s e r O p f e r g a b e n u n d se inen A u s lä u fern ( K ä r n te n , S t e ie rm a r k , O b .- u n d N ie d .- O e s t e r re i c h ) auf den e r s t e n Blick zu g e b e n . W a s die E r k l ä r u n g o d e r D e u t u n g d e r G e b ä r m u t t e r als K rö te a n la n g t , so w e r d e n g e t r e u alle b i s h e r in B e t r a c h t k o m m e n d e n M e i n u n g e n v e rze ic h ne t. Mit d e m S c h l u ß e r g e b n i s d e s V e r f a s s e r s k a n n ich m ich nich t e in v e r­ s t a n d e n e r k lä r e n : „D ie K rö te als Bild d e r G e b ä r m u t t e r h a t sich also m e in e r M e i n u n g n a c h e rs t in viel s p a t e r e r Z eit auf u n m i t t e l b a r e m W e g e a u s d e n V o r s te llu n g e n d e r prim itiven G e m e in s c h a fts re lig io n h e r a u s in V e r b i n d u n g m it v o lk sm e d iz in isc h e n B e o b a c h t u n g e n e n tw ic k e lt ( a b e r o h n e den U m w e g ü b e r die M y t h o l o g i e ) . “ D e r Begriff e in er prim itiven G e m e in sc h a f tsr e lig io n ist e t w a s viel zu W a g e s , als d a ß m a n d a m i t i r g e n d wie sic h er a r b e i te n k önn te. Ich k e n n e n u r K u ltu r s c h ic h te n m it eine m b e s t im m te n K u ltu r g u te . L e g e n w ir in j e d e m Falle den e n ts p r e c h e n d e n Stoff z u s a m m e n , so w i r d es u n s nicht an E r k e n n t n i s s e n fehlen. In d e r K rö te als V o t i v g a b e sc h n e id e n sich Kultu r­ s c h ic h te n v e r s c h i e d e n e r Art. A u s d e r M y t h e n - S c h ic h t e k e n n e ich die K röte a l s eine sich w a n d e l n d e w e iblic h e G e sta lt, als ein e H errin d e r Fülle u n d d e r G e b u r t , m it so u n g e h e u e r r e ic h em u n d w e it r e ic h e n d e m Stoffe, d a ß m ir E in­

18 fluß von d a he r als v on se lb st g e g e b e n e rsch e in t. D a m it g la u b e ich nu n alle rd in g s nich t alles bis ins letz te e r k lä r e n zu k ö n n e n . D a s E r g e b n i s kan n in so s c h w i e ri g e n Fällen a u ch n ie m a ls ein e D e u t u n g o d e r g a r e i n e D e u t u n g sein, so n d e r n n u r ein N e b e n e i n a n d e r - L e g e n von d a z u g e h ö r ig e m Stoffe. Auf d a s W ie d e r V e r s c h m e l z u n g k o m m t es d a n n k a u m m e h r an. K; S p i e ß . B urgenland. V i e r t e ! j a h r e s h e f t e z u r L a n d e s k u n d e — H e i m a t s c h u t z u n d D e n k m a l p f l e g e . (N a c h ri c h te n d e s L a n d e s a rc h iv e s de r L a n d e sb ib lio th e k , — d e s L a n d e s m u s e u m s un d d e r L a n d e s v o l k s ­ bildungsstelle. N a c h d e m 2 J a h r g ä n g e d ie s e r für die Pfle ge d e r L a n d e s - u n d V olks­ k u n d e d e s B u r g e n la n d e s v o n den b e r u fe n e n Stellen d ieses B u n d e s l a n d e s h e r a u s g e g e b e n e n in haltreiche n Z eitsc hrift v o rlie g en, sc h e in t e s u n s eine Pflicht d e r Schriftleitun g, u n s e r e M itg lie der u n d L es er n a c h d rü c k lic h auf diese V e rö ffen tlic h u n g e n a u f m e r k s a m zu m a c h e n . W ie sc h o n a u s d e r Vielzahl d e r B ild u n g s in s titu tio n e n , w e lc h e an d e r H e r a u s g a b e d e r „ B u r g e n l a n d “ Z eitse h rift beteilig t sind, zu e rs e h e n , sind es die v e rsc h ie d e n s te n » e in s c h lä g ig e n Disziplinen, w e lc h e d u r c h die b e ru fe n s te n und s a c h k u n d ig s te n F a c h m ä n n e r hier f o r t w ä h r e n d Pfle ge finden. G e o g r a p h i e u n d Geo logie, die N a t u r w i s s e n ­ sc h a fte n , Pi'aehisto rie und A r c h a e o l o g i e ( b e s o n d e r s m it N a c h r i c h te n a u s dem L a n d e s m u s e u m ) , G e s c h i c h t e und D e n k m a lp fle g e un d n a m e n tlic h a u c h die V o l k sk u n d e sind m it g e h altv ollen B e it r ä g e n und Sto fflie ferung e n a n d e r Arbeit. Von den vo lk sk u n d lic h e n B e it r ä g e n d e r e rsten zw ei J a h r g ä n g e seien die M itte ilung e n von H. G r a f : „ D a s B lo c h z ie h n “ , J. B a u e r : „ V o l k s b r a u c h in N e u e n m a r k t “ ( D a s K ip felausw erfen, d a s F a h n e n s c h w i n g e n zu F r o n ­ le ic h n a m ) , von W . D ü r r h e i m : „D ie H a fn er von S t o o b “ ; J. W a 11 n e r : „ D a s K r a n z l a b t a n z e n “ , K. M. K l i e r : „V o lk slie d er a u s de m N a c h l a ß von J o h a n n e s E h e n s p a n g e r “ , E. v. S c h w a r z : „D ie S t e r n s i n g e r b u b e n un d ihr Lied im P i n k a t a l “ , endlich die z u s a m m e n f a s s e n d e S c h i ld e r u n g d e s L a n d e s ­ h a u p t m a n n e s J. L e s e r : „D ie B u r g e n l ä n d e r “ g e n a n n t . Die an die L a n d e s ­ und V o lk sk u n d e d e s B u r g e n l a n d e s ge ric h te te, in d e r G e g e n w a r t e rfre u lic h e r­ weise s e h r g e s t e i g e r t e A u f m e r k s a m k e it w e i te r Kreise a u ch in den ü b rig e n B u n d e s lä n d e r n , z u m a l W ie n u n d N ie d e r ö ste rr e ic h , fin det in d e r trefflich ge le ite te n Z eitschrift „ B u r g e n l a n d " reic he u n d w illk o m m e n e N a h r u n g . W ir w ü n s c h e n d e r se lb e n d a s b e s t e G e d e ih e n u n d die e r w ü n s c h t e W ir k s a m k e i t . Prof. M. H a b e r l a n d t . Josef Ringler: D e u t s c h e W e i h n a c h t s k r i p p e n . Eine A u s ­ lese d e u ts c h e r K r i p p e n k u n s t a u s vier J a h r h u n d e r t e n . V e r l a g s a n s t a lt T y rolia . I n n s b r u c k - W i e n - M ü n t h e n 1929. In p r ä c h t i g e r A u s s t a t t u n g w ird in d ies em s c h ö n e n W e r k auf 105 T a fe l ­ seiten eine k ö stlic h e A u s w a h l a u s d e m re ic h en S c h a tz v o n W e i h n a c h t s k r i p p e n u n d E inz elfig uren a u s so lchen, die sich in u n s e r e n A lp e n lä n d e rn u n d den d e u ts c h e n N a c h b a r g e b i e t e n e rh a lte n h a b e n , v o rg e fü h r t, ln ein e m ü b e r a u s g e haltvollen, h isto ris ch v e rtiefte n B e g le i ta u f s a tz h a t Jo s e f Ringler, d e r v e r ­ dienstv olle Leiter d e s herrlichen T iro le r V o l k s k u n s tm u s e u m s zu I n n sb ru c k ,

19 die G e s c h ic h te d e r d e u ts c h e n W e i h n a c h t s k r i p p e auf g erollt u n d die Rolle d a r ­ gestellt, w e lch e d ieselb e im d e u ts c h e n V olksle ben u n d B r a u c h t u m gespielt h a t und hier bis auf den h e u tig e n T a g b e h a u p t e t . A uch die von K ü n s tle r h a n d h e r g e s te llte n K rippen sind in den Kreis d e r B e t r a c h t u n g m it g r o ß e r U m sic h t ein b e z o g e n . Die A b b ild u n g e n e rfa h re n in einem ausfü hrlic h g e h a l t e n e n V er­ z e ichn isse alle w ü n s c h e n s w e r t e n N a c h w e i s e b e zü g lich H e rku nft, Alter, S t a n d ­ ort, V erfertig er. D a s W e r k ist eine s e h r w illk o m m e n e B e r e i c h e r u n g de r b e re its v o r lie g e n d e n sta ttlic h e n K r ippe n litera tur. Prof. M. Ha b e r 1 a n d t. F r a n z Rolf S c h r o e d e r : A l t g e r m a n i s c h e K u l t u r p r o b l e m e . ( T r ü b n e r s P h ilologisc he Bibiliothek, B a n d 11). W a l t e r de G r u y t e r & Co. 1929. Ein e h e r s c h m a l e s a b e r h e llsic h tig es Büchlein, d a s e rw e ist, w e lch w e ite G e s i c h ts p u n k te sich a u ch fü r den G e r m a n i s t e n a u ftu n , w e n n er seine W i s s e n ­ s c h a f t nicht b lo ß als Ein zelphilologie b e tre ib t. B e reits in se in em B u c h e : „ G e r m a n e n t u m un d H e lle n ism u s“ h a t de r V e r f a s s e r die P r o b l e m e a u f g e n o m m e n und b e h a n d e lt, die nun in d e r v o r ­ lie g e nden Schrift für einen w e i t e r g e z o g e n e n Kreis, als den d e r F a c hG e r m a n i s t e n , u n t e r s u c h t u n d d a r g e s t e ll t w e rd e n . E s h a n d e l t sich um die F ra g e , ob un d in w e lc h e m A u s m a ß e a n tik e V o rs te llu n g e n un d U e b e r lie f e r u n g e n in de r a l t g e r m a n is c h e n religiösen V o r s te l lu n g s w e lt e i n g e d r u n g e n sind und d o rt ge is tig v e r a r b e i t e t w u r d e n . N a c h den e inleitenden A u s fü h r u n g e n ü b e r die g e r m a n is c h e V ö l k e r w a n d e r u n g , w o b e i die s o g e n a n n t e K a t a s tr o p h e n th e o r i e a b g e l e h n t u n d n a c h A. D o p s c h die K o n tin u itä t d e r E n tw ic k l u n g von der A ntik e z u r m ittela lterliche n K ultur v e r tr e te n wird, b e h a n d e lt V e rf a s s e r in w e ite r e n 18 A b s c h n itte n eine Reihe e in s c h lä g ig e r E n tl e h n u n g s p r o b l e m e (T ie r o r n a m e n ti k , R u n e nsc h rift, die o rien talisc h en M y s te r ie n k u lte , d a s C h r is te n ­ tum , G e s t i r n k u lt un d P la n e t e n k u lt , die W e lts ä u le , die n o r d is c h e u n d die iran isc h e S c h ö p f u n g s g e s c h i c h t e ) , w o b e i hier n u r eine A u s w a h l d e r b e h a n d e lte n F r a g e n n a m h a f t g e m a c h t sind. W a s d a r ü b e r zu s a g e n ist, s a g t d e r V e r fa s se r mit r u h i g e r u n d k lu g e r B e sc h e id u n g , die ein sic h e re s F o r t s c h re it e n auf a u s ­ sic h ts reich e n W e g e n g e w ä h r le is te t. Die Schrift ist ü b e r a u s a n r e g e n d und sollte keinem h istorisch a r b e i te n d e n V o lk s k u n d le r fe rne bleiben. Prof. M. H a b e r l a n d t . Paul H errm ann: D a s a l t g e r m a n i s c h e Priester wesen. V e r le g t bei E u g e n D ie derich in Jena, 1929. In d e r von d e r um die d e u ts c h e V olk s- u n d A lt e r t u m s k u n d e se h r v e r ­ d ien te n D ie d e ric h s c h e n V e r l a g s b u c h h a n d l u n g h e r a u s g e g e b e n e n g r o ß e n S a m m ­ lu n g „ D e u t s c h e V o lk s h e it“ , vo n d e r b ish e r 71 B ä n d e e rsch ie n en sind, n im m t d a s v o rlie g e n d e , s e h r w illk o m m e n zu h e iß e n d e W 'erk einen rü h m lic h e n P latz ein. ln a c h t A b s c h n i t te n w e r d e n die auf d a s g e r m a n is c h e P r i e s t e r w e s e n u n d d a s g e r m a n is c h e H eiligtum b e z ü g lic h e n B e la n g e : d e r P rie ste r, W a h r s a g e r i n n e n u n d P rie ste r in n e n , d a s E r f o rs c h e n d e r Z uk unft, Z a u b e r u n d W e i s s a g u n g , die heiligen S t ä tt e n , T e m p e l - u n d G ö tte r b ild e r , so w ie T e m p e l s c h a t z und T e m p e lfr ie d e n an d e r H a n d d e r e in s c h lä g ig e n Quellen in fe s s e ln d e r D a r ­ ste llu n g b e h a n d e lt. E ine in stru k tiv e A u s w a h l von A b b ild u n g e n u n t e r s t ü t z t den T e x t in w i l lk o m m e n e r Art. D a s B uc h bie te t eine s e h r e r w ü n s c h t e E r ­ g ä n z u n g d e r sc h o n f r ü h e r e rsc h ie n e n e n Schrift d e s gleichen V e r f a s s e rs ü b e r „ A l td e u t s c h e K u l t g e b r ä u c h e “ . Prof. M. H a b e r l a n d t .

20 S p ie lm u sik f ü rs Landvolk, e in g e r ic h te t von R a im u n d Z o d e r un d O t t o E b e r h a r d . 3. H eft: V o lk sw e ise n ( F a n f a r e n , L ieder u n d T ä n z e ) für zwei Fliig e lh ö rn er o d e r T r o m p e t e n in B. P r e is S 3.— , RM 2.— . Die b e id e n S t im m e n h e fte e n th a l te n M u sik fü r die im V olke b e lie b te n Fliigelh örn er, w e l c h e d u r c h T r o m p e t e n , a b e r a u c h d u rc h a n d e r e M elodieI n s t r u m e n t e e r s e t z t w e r d e n k ö n n e n . E in ige F a n fa re n , die als E in le itu n g von F e ste n g u t e D ie n ste tu n w e r d e n , m a c h e n d e n A n fa n g . E s folgen „ A r i e n “ , wie d a s Volk die a u s L ie d w e is e n b e s t e h e n d e n V o r t r a g s s t ü c k e n e n n t ; solche w e r d e n a n s c h ö n e n S o m m e r a b e n d e n auf s a n ft e n H ü g e ln g e b la s e n u n d b e le b en s t im m u n g s v o ll die liebliche ö ste r re ic h isc h e B e r g la n d s c h a f t . D e m T a n z dienen in e r s t e r Linie L ändler, S te irisc h e u n d W a l z e r , zu d e n e n leicht die b e g le i te n d e n S tim m e n n a c h d e m G e h ö r g e sp ielt w e r d e n k ö n n e n . Alle S tü c k e sind echte V olksm usik, d e m H e i m a t b o d e n e n ts p r o s s e n . M ö g e n sie f reu n d lich e A u fn a h m e finden u n d w e it u n d b r e it im L a n d e e rklingen! B oll Franz: S t e r n g l a u b e u n d S t e r n d e u t u n g . Die G e ­ sc h ic h te u n d d a s W e s e n d e r A s trolog ie. U n t e r M i t w i r k u n g v o n Carl B ezold, h e r a u s g e g e b e n v o n W . G u n d e l, L eipzig-B erlin (B. G. T e u b n e r ) 1926, 3. Aufl. In kla r e r u n d ü b e r sic h tlic h e r W e ise , die fü r W e r k e s o l c h e r A r t b e ­ s o n d e r s zu b e g r ü ß e n ist, b e h a n d e lt d e r V e rf a s s e r : 1. Die A s tro lo g ie d e r B a b y ­ lon ie r; II. Die E n t w i c k l u n g d e r A s tro lo g ie auf k la s s is c h e m B o d e n ; III. Die A s tro lo g ie in O s t u n d W e s t v o n d e r E n t s t e h u n g d e s C h r i s t e n t u m s bis z u r G e g e n w a r t ; IV. Die E le m e n t e d e s H im m e lsb ild e s; V. Die M e t h o d e n d e r S t e r n ­ d e u t u n g ; VI. D e r Sinn d e r A s trolog ie. Die v o n Seite 85— 172 f o lg e n d e n N a c h ­ t r ä g e w a h r e n den T o n s t r e n g e r w i s s e n s c h a f tl i c h e r Sachlichkeit. N u r g a n z kurz stre ift d e r V e r f a s s e r die A u s s t r a h l u n g e n a l t b a b y lo n i s c h e r G e is t e s k u lt u r ü b e r g a n z O s ta s i e n von C h in a u n d J a p a n bis T u r k e s t a n , v o n den W e g e n ü b e r die S ü d s e e n a c h A m e rik a g a n z z u sc h w e i g e n . Z ah lreic h e P a ra llele n u n d G le ic h u n g e n ließen sich a u c h fü r Afrika, v o n A e g y p t e n a b g e s e h e n , e rb rin g e n , so z. B. die g r o ß e B e d e u t u n g d e r P le ja d e n , für d e r e n V e r b r e i t u n g w o h l in e r s t e r Linie die A r a b e r in B e t r a c h t z u k o m m e n sc h e in e n , d e r G e b r a u c h d e r Vier- u n d F ü n f t a g e w o c h e b e s o n d e r s in W e s ta f r ik a , die D e k a d e n z ä h l u n g , die von A e g y p t e n e in e rse its ü b e r die M a ss ai, W a d s c h a g g a bis n a c h d e m S ü d e n Afrikas g e b r a c h t w u r d e , w o sie in d e r M o n o m o t a p a - K u l t u r a u fsch e in t, a n d e r ­ se its bis n a c h W e s t a f r i k a d r a n g , w o sie bei den A scha n fi ihre letz te n A u s ­ läufer findet. Die g ü n s t i g e n u n d u n g ü n s t i g e n T a g e spiele n a u c h in A frika eine g a n z h e r v o r r a g e n d e Rolle u n d W o c h e n t a g s b l ä t t e r sind u n s a u s Benin , Y o r u b a u n d A s c h a n ti b e k a n n t . E s ist eine g a n z e Reihe a lto r ie n ta lisc h e n K a le n d e r­ g u t e s in Afrika e rh a lte n ge b lie b en , d a s un s g a n z e n ts c h ie d e n z eigt, d a ß a u c h A frika nich t lo s g e lö s t v o n d e n alten H o c h k u l tu re n zu b e t r a c h t e n ist. I m m e r m e h r k o m m t u n s die E in h e it a lte r H o c h k u l tu r e n d u rc h die E r f o rs c h u n g d e s K a le n d e rs bei den N a t u r v ö lk e r n z um B e w u ß t s e in . Dr. W a l t e r H i r s c h b e r g . V olk sk u n st im E ls a ß : T e x t und B i ld e r s a m m l u n g v o n E r n s t P o l a c z e k . Mit 20 0 Bildern. D e lp h in -V erlag , M ü n c h e n . D a s v o rlie g e n d e W e r k e r sc h e in t als e r s t e r E r g ä n z u n g s b a n d z u d e r im gleichen V e rla g h e r a u s g e g e b e n e n S a m m l u n g „ D e u t s c h e V o l k s k u n s t “ , ü b e r

21 d e r e n b i s h e r e r s c h i e n e n e 11 F o lg e n in d ie s e r Z eitsc h rift XXXI, S. 24 ff; XXXII, S. 17 u n d XXXIII, S. 147 f. b e r ic h te t w o r d e n ist. W ä h r e n d b i s h e r die b e h a n d e lt e n d e u ts c h e n V o l k s k u n s tp r o v i n z e n im d e u ts c h e n R e ic h s g e b ie t lagen , w ir d im v o r lie g e n d e n ü b e r die d e u ts c h e n R e ic h s g r e n z e n , sa c h lich v o llk o m m e n b e r e c h ti g t , h in ü b e r g e g r iff e n u n d d e u ts c h e V o lk s k u n s t a u c h in den durch die p olitische W a n d l u n g n i c h t d e u ts c h g e w o r d e n e n G e b ie te n z u r D a r ­ s te llu n g g e b r a c h t. W i r w o llen w ü n s c h e n , d a ß a u ch die d e u ts c h - ö s te r r e i c h is c h e u n d e t w a a u c h die s c h w e i z e r d e u t s c h e V o l k s k u n s t in w e i te r e n E r g ä n z u n g s ­ b ä n d e n b e h a n d e lt w e r d e n w ird, u m s o m e h r , als j a in diesen b e ide n d e u ts c h e n K u ltu rla n d s c h a f te n die V o l k s k u n s t v e r g le ic h s w e i s e eine u n gleic h s t ä r k e r e und vielseitigere E n tw ic k l u n g g e n o m m e n h a t als in den m e is te n r e ic h s d e u ts c h e n L a n d s c h a f te n . Um n u n auf den v o r lie g e n d e n , die V o lk s k u n s t d e s E ls a ß b e ­ h a n d e l n d e n B a n d e in z u g e h e n , so ist die A n l a g e d e s s e lb e n d e r je n ig e n de r v o r i g e n B ä n d e gleichlaufend. D e r v o n E r n s t P o l a c z e k v e r f a ß t e T e x t t e i l b e ­ h a n d e l t in a u s r e i c h e n d e r A rt d e r R eih e n a c h ' d a s t y p is c h e D o rf- u n d S ta d tb ild , d a s B a u e r n - u n d B ü r g e r h a u s , die Kirche, d a s Inn e re d e s H a u s e s m it seinen M ö be ln, die ländliche K eram ik, die g r a p h is c h e V o l k s k u n s t u n d endlich die V o l k s t r a c h t e n d e s E ls a ß . E in e S c h i ld e ru n g d e r kirchlichen E r s c h e i n u n g des Landes ( K i r c h e n b a u te n , G lo c k en , F r i e d h o fs a n la g e n u. s. w . ) b e s c h lie ß t den T e x tte il, d e r 46 S eiten d e s B a n d e s u m f a ß t . Auf die gehaltvo lle E inle itung , w e lche eine a llg e m e in e l a n d e s k u n d lic h e S c h ild e ru n g u n d einen ge sc h ic h tlich e n U e b erb lick in Kürze b e ib rin g t, sei n o c h b e s o n d e r s v e r w ie se n . Die A u s f ü h r u n g d e r 200 A b b i l d u n g e n ist, w ie be i den f r ü h e r e n B ä n d e n zur „ D e u t s c h e n V o l k s k u n s t “ , eine ta d e llo s e u n d b r i n g t die v e rs c h i e d e n e n T y p e n in s o r g f ä l ti g e r u n d c h a r a k te r i s t is c h e r A u s w a h l bei. Prof. M. H a b e r l a n d t. Leonhard Franz: V o r g e s c h i c h t l i c h e s Leben in den A l p e n . Mit 82 A b b ild u n g e n . V e rl a g v o n A n to n Schroll & Co., W ie n , 1929. D a s v o r g e s c h ic h tlic h e W ir t s c h a f t s l e b e n in den O s ta l p e n w i r d in diesem B uche, in g e m e i n v e r s t ä n d li c h e r A u s d e u t u n g d e r a r c h a e o l o g i s c h e n Z e u g n iss e , h ö c h s t a n s c h a u lic h g e sc hildert. L e b e n u n d A r b e it d e r B e rg le u te, die h a u p t ­ sä c hlich a u f K up fe r u n d Salz s c h o n in p r a e h i s t o r is c h e r Z eit a u s g i n g e n un d b e s o n d e r s die b e r ü h m t e n F u n d e a u s den h e u te n o c h in N u t z u n g s t e h e n d e n S a l z b e r g w e r k e n v o n H a lls ta tt u n d Hallein, endlich a u c h die sc h o n f rü h e zu g r o ß e r W ic h t ig k e it g e la n g t e v o r - u n d f r ü h g e s c h ic h tlic h e E is e n p ro d u k t i o n in den O s ta lp e n finden ihre s a c h k u n d i g e S c h ild e ru n g . In m a n c h e n D in g e n läuft ein nie a b g e r i s s e n e r F a d e n d e r E n t w i c k l u n g a u s d e r V orz eit bis in die G e g e n w a r t . D ies m a c h t d a s v o rlie g e n d e B u c h a u c h fü r d e n V o l k s k u n d le r und K u ltu r h is to r ik e r i n t e r e s s a n t u n d b e d e u tu n g s v o ll. Die f lüssige tex tlic h e D a r ­ s te llu n g w ird d u r c h z ah lre ic h e in stru k tiv e A b b ild u n g e n a n g e n e h m u n te rs tü tz t. Prof. M. H a b e r 1 a n d t. ]. G. F razer: D e r G o l d e n e Z w e i g . U e b e r s e t z t d u r c h Dr. Helen v o n B a u e r. C. L. Hirschfeld. L eip zig 1928. 1088 S. W e n n d e r G r o ß m e i s t e r en g lisc h en F o lk lo r e s die v o r l ie g e n d e U e b e r s e t z u n g s e in e s w o h l b e k a n n t e n M o n u m e n t a l w e r k e s g e k ü r z t u n d o h n e die fü r

22 w i s s e n s c h a ftlic h e s N a c h a r b e it e n in E in z elfra g en u n e n tb e h r lic h e n Q u e lle n ­ be le g e a u to r i s i e rt h a t, so h a t ihn d a b e i w o h l n ich t d e r G e d a n k e n a c h einer leichteren Z u g ä n g l i c h m a c h u n g d e s v o n ihm d a r g e b o t e n e n u n g e h e u r e n T a t ­ s a c h e n s t o ff e s geleitet. Mit R e c h t n i m m t er d a fü r w o h l v ie lm e h r die W ü r d i g u n g d e s G e d a n k e n g e b ä u d e s in A n s p r u c h , d a s a u s ' d ies em B a u sto f f g e w o n n e n vw u r d e . U n d in d e r T a t k a u m i r g e n d w o in d e r G e s c h i c h t e d e r E th n o lo g ie, d e s folklore o d e r d e r V ö lk e rp sy c h o lo g ie , ist d a s in d u k tiv e V e r fa h r e n z u r K lä ru n g d e r g e is tig e n U e b e r lie f e r u n g e n d e r M e n s c h h e i t m it solc h g r o ß z ü g i g e m U e b e r blick im V erein m it s a u b e r s t e r Kleinarbeit ge le iste t w o r d e n . W ü r d e d a s W e r k nich ts a n d e r e s b e k u n d e n als dies, es g e h ö r te sc h o n d e s h a lb in die H a n d je d e s vo lk sk und lic h in te re s sie rte n F o r s c h e r s . Z u m a n d e r e n l ä ß t es uns, m a g sein bei H i n t a n s e t z u n g d e r k u l t u r g e s c h i c h t l i c h e n S y s te m a tik , die großen se e lisc hen G r u ndlin ie n des M enschengeschlechtes nie ü b e r s e h e n , n o c h v e r g e s s e n , d a ß ü b e r h u n d e rte rle i V o lk stu m h i n w e g in u n ters ch ied lich e n L e b e n sk re is e n u n d D a s e i n s fo r m e n dieselben G e d a n k e n un d Sitten W u r z e l g e f a ß t h a b e n . Die k u l tu rg e s c h ic h tlic h e A n a ly se alles d e sse n e r f ä h r t da rin i m m e r w i e d e r A n le itu n g u n d W e g b e r e i t u n g u n d die e b e n s o e rfo lgre ic h e u n d g r o ß z ü g i g e k u ltu r g e sc h ic h tlic h e A rb e it e t w a d e r n o r d is c h e n und finnischen F o lkloriste n ist o h n e die E r s c h l i e ß u n g so lc h e r H o r iz o n te k a um zu d e n ken . M ö g e die d e u ts c h e V o lk s fo rs c h u n g a u s d e m W e r k e n u n m e h r noch g e s t e i g e r t e n N u tz e n ziehen. A. H a b e t l a n d t .

Prof. Dr. W . K ruse: D i e D e u t s c h e n u n d i h r e N a c h b a r ­ v ö l k e r . Leipzig, G e o r g T h ie m e , 1929. XIV u. 640 S., 17 Abb., 5 Taf. F ü r seine s t a tis tis c h e U e b e r s c h a u ü b e r alles, w a s sich in d e r A n t h r o p o ­ logie m e s s e n l ä ß t u n d w a s bei k ritisc h e r u n d m a ß v o l l e r A u s w e r t u n g d ies er Z ahlen n a ch R a u m u n d Zeit für d a s k ö rp e rlich e Bild d e s d e u ts c h e n V o lk s tu m s sich seit d e r V o rzeit g e w i n n e n lä ß t, g i b t die v o r lie g e n d e g rü n d lic h e u n d mit S c h r iftn a c h w e is e n v e r s e h e n e Z u s a m m e n f a s s u n g , in d e r d e r V e r fa s s e r se h r vielfältig a u ch e ig e n e E r h e b u n g e n v e r a r b e it e t hat, b e s t e n A u fschlu ß. W e n n sie a n d e r e r s e it s von M i t te l w e r t zu M i tte lw e rt f o r t s c h r e i te n d m it S k e p tiz ism u s g e g e n die M e n d e ls c h e E rb g e s e t z l i c h k e i t n u r ein g e sc h ic h tlic h e s F ließ e n de r R a s s e n fo rm e n auf G r u n d von U m w e l t s b e d i n g u n g e n als g e g e b e n a n s ie h t u n d de m — o h n e e x a k t e un d e n ts p r e c h e n d u m ris se n e k u l tu r g e o g r a p h i s c h e und g e sc h ic htliche K orrelation — eine beiläu fi g e k u ltu r - u n d s t a m m e s g e s c h i c h t ­ liche S c h ild e r u n g d e s D e u t s c h t u m s als „ se elisch e A n t h r o p o l o g ie “ einfach a nreiht, so g e d e n k e n wir d a bei a n g e l e g e n t li c h d e r l a u w a r m e n M itte lw e r te d e r M e teo ro lo g ie, die un s die W i t t e r u n g so w e n i g e rs c h a u e n lasse n, w ie hier F e rsö n lic h k e its -, R a s s e n - o d e r V o l k s c h a ra k t e r, zu de m nun einm al i r g e n d eine p e rsö n lic h e E in s te llu n g u n d E r f a s s u n g ü b e r R e c h e n s c h ie b e r u n d P h o t o k a m e r a h in a u s n o t w e n d i g ist. Die V o lk sfo r s c h e r m ü s s e n d a z u freilich ih re rs e its d a r a n ­ g e hen , d a s g e sc h ic htliche W e r d e n von M e i n u n g e n u n d so m a n c h e n V o r u r ­ teilen vom V o l k s c h a ra k t e r u n d u n ters ch ied lich e n E ig e n s c h a f t e n v on Völkern u n d R a sse n n a c h den v o r lie g e n d e n Quellen u n d B e le g en kritisch zu sich ten . An ihnen ist es, v o r e r s t die L a n d s c h a f ts ty p e n de s V o l k s c h a ra k t e r s — alle ä lte re n vo lk sk u n d lic h e n B e s c h r e i b u n g e n w i d m e n d e m ein p a a r Seite n — m it d e r g e b o te n e n V o llstän d ig k e it zu e rh eb e n . E r s t n a c h so lc h e r V o r a r b e it

23 w ird m a n die A n th r o p o lo g ie für b e r e c h ti g t h a lte n k ö n n e n , de m P r o b le m von s c h ic k s a lh a f te n Se e le n- un d R a s s e n t y p e n n a c h z u g e h e n . A. H a b e r l a n d t .

G ottfried Pfeiffer: D a s S i e d l u n g s b i l d d e r L a n d s c h a f t Angeln. (Veröff. d e r S c h le s w ig - H o ls te in s c h e n U n iv e r s itä ts g e s e lls c h a ft Nr. 18). B re slau , F erd . Hirt, 1928. 167 S., 22 Abb., 7 S c h a ltk a rte n . V on k u l tu r g e o g r a p h i s c h e n G e s i c h ts p u n k te n a u s g e h e n d w ir d hier eine e n tw ic k l u n g s g e s c h i c h tl i c h e U e b e r s ic h t ü b e r die S ie d lu n g in ein er G r e n z l a n d ­ s c h a ft d e s D e u t s c h e n R e ic h es g e b o te n , d e r a n g e s ic h ts d e r g e sc hic h tlich w ohl e r w o g e n e n A n o r d n u n g de r Q u e r s c h n itte , die sie d u r c h d e n A blau f d e r B e­ s i e d lu n g in d e r V o r g e s c h ic h te , d a n n w i e d e r im 13.— 15. J a h r h u n d e r t , am A n f a n g d e s 18. J a h r h u n d e r t s , im 19. u n d in d e r G e g e n w a r t zieht, m eh r f a c h g r u n d s ä t z l i c h e B e d e u t u n g z u k o m m t . So, w e n n g e z e ig t w ird, wie alte g e ­ no ss e n s c h a ftlic h a n g e l e g t e D ö rfe r d a n n im 14. u n d 15. Ja h rh . von R o d u n g s ­ o rte n — W eilern u n d E inzelhöfen — u m g e b e n w e r d e n , zu d e n e n bis ins 18. Ja h r h . S tre u s i e d l u n g e n , im östlich en A ngeln a b e r a u c h g r o ß e G u ts h ö f e hin z u tr e te n . N ic ht m in d e r b e m e r k e n s w e r t ist d e r A u s b a u d e r .alten S t r a ß e n o d e r L a n g - D ö r f e r zu H a u fe n g e b ild e n u n d die U m l e g u n g und V e r k o p p e l u n g d e r G e n o s s e n s c h a f ts a n t e il e zu E in z e lg ü te r n , die seit dem 18. Ja h rh . de m Sied­ l u n g sb ild einen d u r c h a u s a n d e r e n C h a r a k t e r v erleihen als in Z eiten d e r G e m e in s c h a ft. ( E r s a t z d e r Z ä u n e d u r c h „ K n i c k s “ , d a s sind W ä lle un d G r ä b e n m it l e b e n d e n H e c k e n ) . H a u s u n d Hof ist g e r in g e r e m m eist w irtsc haftlic h b e d in g t e m W a n d e l u n t e r w o rf e n . M ö g e die Schrift in ih rer ü b e rsich tlic hen ge d a n k lic h k laren A n la g e a u ch für a n d e r e G e b ie te z u r N a c h fo lg e a n r e g e n ! A. H a b e r l a n d t .

Studier och uppsater tillägn ad e O tto A nderson: (F e s t s c h r i f t 1929). I n s titu te t för N o rd isk E tn o lo g i vid A b o A ka d em i. 214 S. m it T e x t a b b . u. Taf. A us d e r v o r lie g e n d e n A u fs atzre ih e greifen w ir den e rsten h e rau s. N. E. H a m m a r s t e d t sc h r e i b t d a rin in Z u s a m m e n f a s s u n g v e rs c h i e d e n e r V o r a r b e ite n ü b e r die Kult- u n d H o c h z e i ts b ä r e n . W i c h t i g ist die Z u r ü c k f ü h r u n g d ies es g a n z e n ts c h w in d e n d e n V o l k s b r a u c h e s auf B ä r e n k u l t u n d B ä r e n f e s te d e s L e b e n s k r e is e s d e r Jä g e r, wie w ir ihn in N o r d e u r o p a und N o rd a s ie n noch e rh a lte n sehen . Z u r D e u t u n g d e r E in z e lz ü g e ( B ä r e n b r a u t ) , w ä r e mit G e w in n de r A u fsatz vo n E. K a g a r o w in d e r O b e r d e u t s c h e n Z eitsc hrift für V o lk sk u n d e , 2, 73 ff. h e ra n z u z i e h e n g e w e s e n . M a ig r ü n , M a i b a u m und M a i s t a n g e s u c h t C. W . v. S y d o w in ihren Z u s a m m e n h ä n g e n u n d im W e r d e g a n g p sy c h o lo g is c h a u s z u d e ü t e n , w o b e i a b e r d e r M a n g e l k u l tu r g e s c h i c h t li c h e r G e s i c h ts p u n k te — j e d e d ie s e r Formen* h a t seit m e h r als ein em J a h r t a u s e n d sc h o n ihr E ig e n ­ leben — den E r t r a g ziem lich e ine ng t. U m s o b e g r ü ß e n s w e r t e r ist die gründlich g e sc hic htlich b e s c h la g e n e A rbe it H. C e l a n d e r s ü b e r die B e z ie h u n g d e s W a s a — W a p p e n s z u r letz te n G a r b e , a uf die a u c h d e r N a m e „ v a s a “ se lb st sich bezieht. B e s o n d e r s u m s ic h tig ist in d ie s e r H insic h t d e r B e it r a g von K. R. V. W i k m a n ü b e r E id b o r g s sk ä l — u n s e r e r J o h a n tie s m in n e ent-

24 s p re c h e n d — a n g e le g t. Z u r S a e h k u lt u r e r w ä h n e n w i r S. A m b r o s i a n i s A u fs a tz ü b e r D re ifu ß tö p fe , die w ir a b e r e h e r m it s ü d e u r o p ä i s c h e n E r z - G u ß ­ fo rm e n als m it v o r g e s c h ic h tlic h e n A ltsa c h e n in C h in a z u s a m m e n b r i n g e n m ö c h t e n u n d die g r ü n d lic h e B e s c h r e i b u n g E i n a r G a m b e r g s v o m A lp­ w e s e n in H ä rjed a le n . A. H a b e r 1 a n d t.

Rudolf W isse l: D e s a l t e n d e u t s c h e n H a n d w e r k s R e c h t u n d G e w o h n h e i t. H e r a u s g e g e b e n von d e r A r b e i ts g e m e i n s c h a f t fü r d e u ts c h e H a n d w e r k s k u l t u r d u r c h Dr. K o n r a d H a h m . Bd. 11. E r n s t W a s m u t h A. G., Berlin, 1929. XVI u. 704 S., 76 T af. D e r de m I. B a n d r a s c h n a c h g e f o lg t e 2. T eil d e r u m f a s s e n d e n V e r­ öffen tlich u n g d e s d e u ts c h e n R e ic h s a r b e i t s m in i s t e r s e r w e i s t - sich, sofe rn es d e sse n noch b e d u rfte , w o h l als u n e n tb e h r li c h e s Q u e l le n w e rk f ü r j e d e n V o lk s­ f o r s c h e r beim v e r g le ic h e n d e n S tu d iu m d e r alten H a n d w e r k s g e b r ä u c h e u n d d e r v o lk stü m lich e n A rt ih rer U e berliefe run g. V on r u n d 45 H a n d w e r k e n sind die alten R e ch tf o rm e n , Feierlichkeiten in d e r G e m e in s c h a ft, F e s t e u n d Spiele a u s alten halb v e r k lu n g e n e n Quellen w i e d e r a n d e n T a g g e b r a c h t u n d t e x t ­ kritisch s o r g s a m a b g e w o g e n z u s a m m e n g e s t e ll t . Oft w ird m a n m it d e m - V e r f a s s e r b e d a u e r n , d a ß die bis au f die G e g e n w a r t u n v e rb rü c h lic h g e h a lte n e V e r s c h w i e g e n h e it — a u c h d e r G e w e r k s c h a f t s v o r s i t z e n d e d e r K u p fe rs c h m ie d e S a u p e h a t sein W is s e n s o l c h e r m a ß e n m it ins G r a b g e n o m m e n — m a n c h e n u r m ün dlic h ü b e rliefe rte K u n d e h a t v e r s t u m m e n las se n u n d d o c h m u ß jede r, d e r als F o r s c h e r s e lb s t a u c h Volk sein will, seine tie fere in nere F r e u d e d a r ü b e r b e k u n d e n , d a ß die aiten H a n d w e r k e r d iesen sittlichen G e d a n k e n h o c h g e ­ h a lte n h a b e n bis auf die G e g e n w a r t . Um seine W e i t e r g a b e g e h t e s n ich t um die F o rm e ln , sie m ö g e n inhaltlich freilich oft n o c h h ö c h s t B e d e u t s a m e s z u biete n h a b e n . P r o b l e m e o f fe n b a r e n d e m V o lk sfo r s c h e r in d e r re ic h en U e b e r s c h a u v o r allem die B ra u e rf e ste , fe rn e r die Spiele d e r H a n s a z u B e rg e n und d e r a u f s c h lu ß r e ic h e A b s c h n i t t ü b e r die S te in m e tz z ü n ft e u n d B a u h ü tt e n . V o r allem a b e r gilt es d e m V e r f a s s e r zu d a n k e n dafür, d a ß er in sc h lic h te r k la r e r S p r a c h e d e m d e u ts c h e n H a n d w e r k n u n w i e d e r seine U e b e r lie f e r u n g v o r A u g e n ge ste llt h a t. M ö g e er d a m i t w e i t u n d b r e it A n k l a n g fin den ! N ic h t u n ­ e r w ä h n t sollen die u n g e m e in a n s p r e c h e n d e n B iid b e ig a b e n , H a n d w e r k e r b i l d e r n a c h J. A m m a n , v a n Vliet, C h r is to p h W e ig e l, L eh r- u n d W a n d e r b r i e f e u n d a n d e r e k ü n s tle ris c h e D e n k m ä l e r d e s H a n d w e r k e r l e b e n s u m f a s s e n d , bleiben. A. H a b e r l a n d t .

J o h a n n B redt: B reslau 1930.

V o 1 k s k ö r p e r f o r s c h u-n g. F e r d i n a n d " ,

Hirt

in

W ie die E inle itu ng d ies er p r o g r a m m a t i s c h g e d a c h t e n Schrift b e s a g t, w ir d hier A n r e g u n g u n d A n le itu n g zu e in er n e u a r t ig e n E r f o r s c h u n g s - und B e t r a c h t u n g s w e i s e d e s V o lk s k ö rp e r s a b g e g r e n z t e r G e m e i n s c h a f t e n g e b o te n . Ihr W e s e n b e s t e h t im A u fb a u d e r Fam ilien, se in e r G e m e i n s c h a f t u n d ih rer A n ­ e in a n d e r r e i h u n g n a c h de m g e n e a lo g i s c h e n Z u s a m m e n h a n g d e rselb e n , w o d u r c h

25 ein g le ic h sa m d u r c h s i c h t i g e s Bild d e s V o l k s k ö r p e rs g e sc h affe n wird. Die V olks­ k ö r p e r f o r s c h u n g , w ie sie in d e r v o r lie g e n d e n Schrift p r o g r a m m a t i s c h e n t ­ w ic k e lt w ird , ist a n d e r w irklic h en B e a r b e i t u n g e in e r G e m e in s c h a ft, d e r s i e b e n bürgisch-sächsischen

G em einde

K leinbistritz

erw achsen

und

a u sg e b il d e t

w o r d e n . N e b e n ihrem w i s s e n s c h a f tlic h e n E ig e n w e r t, als ein es S e i te n s p r o s s e s d e r F a m il i e n fo r s c h u n g k ö n n t e sich dieselbe, wie d e r V e r f a s s e r hofft, w ohl a u ch a u s w i r k e n z u m w e rtv o lle n "Hilfsmittel für K rä ftig u n g , G e s u n d u n g un d E r h a l t u n g d e s A u s la n d s d e u t s c h t u m s u n d vielleicht d e s g e s a m t e n d e u ts c h e n V o lk sk ö rp e rs.

Prof. M. H a b e r I a n d t.

H a n s F. K. G ü n t h e r : R a s s e n k u n d e

E u r o p a s.- M it b e s o n d e r e r

B e r ü c k s i c h t i g u n g d e r R a s s e n g e s c h i c h te d e r H a u p t v ö lk e r in d o g e r m a n i s c h e r S p r a c h e . D ritte , w e s e n tlic h v e r m e h r t e u n d v e r b e s s e r t e Auflage. Mit 483 A b­ b i ld u n g e n u n d 34 K a rten . J. F. L e h m a n n s V e rlag. M ü n c h e n 1929. W i e a u c h von den o p p ositione lle n d ies es b e d e u t u n g s v o l l e n W e r k e s offen

Kritikern d e r f rü h ere n

A u fla gen

a n e r k a n n t w ird, b e d e u t e t die v o r ­

l ie g e n d e d r i t t e A u fla g e d e s s e lb e n in vieler H insic h t einen s e h r erfreulichen u n d w e se n t li c h e n F o r t s c h r i tt . D e r g e w a l t i g e Stoff ist d u r c h w e g s in g e s c h ic h t ­ licher V e r t ie fu n g e r f a ß t u n d d a r g e s t e ll t u n d in v e r s c h i e d e n e n R ic h tu n g e n e rw e ite rt. Die S c h ild e ru n g d e r R a sse n g e h t m e h r in die E inzelh eiten, in de r B e u rte i lu n g ih rer se e lisc h en u n d ku lturellen W e r t e ist g r ö ß e r e O b j e k tiv itä t g e w a h r t ; d e r B i ld e r v o r ra t ist e r g ä n z t u n d w ir d in s p ä t e r e n g e w i ß zu er­ w a r t e n d e n A u fla g en d e s W e r k e s e r w ü n s c h t e r W e i s e n o c h v e r m e h r t w e r d e n k ö n n e n . In s e i n e r n e u e n G e s t a lt d a rf d a s Buch d e r in te res se v o lle n A u f n a h m e s e i te n s w e i t e s t e r m it R a s s e n f r a g e n sich b e s c h ä f t i g e n d e r L e s e r k r e is e sicher s e ,n -

Prof. M. H a b e r l a n d t .

D e u t s c h e r V o l k s k u n d e - K a le n d e r 1930. H e r a u s g e g e b e n

von Dr. Fritz

B oeh m , Berlin. D ie se r

auch

illustrativ

sehr

hübsch

und

b e le h re n d

a usgestattete

K a l e n d e r will d a z u b e it r a g e n , n e u e F r e u n d e fü r die V o l k sk u n d e z u w e r b e n u n d b r i n g t a u c h den F a c h g e n o s s e n m a n c h e A n r e g u n g . F ü r die M ita r b e ite r a n de m g r o ß e n , e b en b e g in n e n d e n W e r k e d e s „ A tla s d e r d e u ts c h e n V olk s­ k u n d e “ , in de ren H ä n d e d e r V o l k s k u n d e - K a le n d e r r e c h t z ahlreich k o m m e n m ö c h te , ist bei d e r A u s w a h l d e sse n , w a s er b r in g t, B e d a c h t d a r a u f g e n o m m e n , m it den F r a g e b o g e n

d e s A tlas einen e r w ü n s c h t e n Z u s a m m e n h a n g h e r z u ­

s te lle n, w o es e ben m öglic h w a r . D e r s c h ö n e K a le n d e r ist sic h er überall eine w i l lk o m m e n e G a b e .

f u , j , Prof. M. H a b e r l a n d t .

25

Tätigkeitsbericht des Vereines und Museums für Volkskunde für das Jahr 1929. W ie d a s V o r j a h r 1928 a ls e in e P e r i o d e s t e ti g e r W e i t e r e n t w i c k l u n g u n d e r h ö h t e r G e l t u n g u n s e r e s V e re in s u n d b e s o n d e r s a u c h d e s M u s e u m s fü r V o l k s k u n d e g e lt e n d u rfte, k a n n d e r T ä t i g k e i t s a b s c h n i t t d e s a b g e l a u f e n e n J a h r e s 1929 in n o c h e r h ö h t e r e m M a ß e d i e V e r e i n s - u n d M u s e u m s l e i t u n g m it B e fr ie d ig u n g erfüllen. D a n k d e m e ifrigen u n d v e r s t ä n d n i s v o l l e n Z u s a m m e n ­ w ir k e n d e r im M u s e u m s a u s s c h u s s e v e r t r e t e n e n F a k t o r e n , d e s B u n d e s , d e r W i e n e r S t a d t v e r w a l t u n g u n d d e r K a m m e r fü r H a n d e l, G e w e r b e u n d I n d u s tr ie , s o w ie d e r M itg lie d e r d e s w i s s e n s c h a f t l i c h e n A u s s c h u s s e s k o n n t e n V e rein u n d M u s e u m ihren b e d e u t u n g s v o l l e n B i l d u n g s a u f g a b e n in s te tig e r w e i t e r t e m Ausm aße nachkom m en. D ie „ W i e n e r Z e i t s c h r i f t für V o l k s k u n d e “, die 1929 b e r e i ts int 34. J a h r g a n g h e r a u s k a m , b r a c h t e n e b e n vielen k le in e n Mit­ te ilu n g e n u n d B u c h b e s p r e c h u n g e n w e r tv o lle , z u m T e il d u r c h A b b i l d u n g e n u n t e r s t ü t z t e B e i t r ä g e v o n P. T s c h u r t s c h e n t h a l e r , E u g e n K a g a r o w , L e o p o l d Höfer, R i c h a r d P ittio ni, Karl S p ie ss, P a u l K re t s c h m e r , A r t h u r H a b e r l a n d t, Karl A d ria n u n d G i s e l a M a y c r - P i t s c h . V o n d e r r e ic h h a l t ig e n S a m m l u n g : „ W i e n e r K i n d e r g l a u b e “ d e s O b e r l e h r e r s L e o p o l d H öfe r, die in 10 F o r t ­ s e t z u n g e n in d e n J a h r g ä n g e n 3 2 —34 u n s e r e r Z e its c h rif t z um A b d r u c k g e la n g te , w u r d e n 200 S o n d e r d r u c k e a u f g e l e g t , d ie im J a h r e 1930 g r ö ß t e n t e i l s d a n k e in e r e in s ic h t s v o l le n V e r f ü g u n g d e s W ie n e r S t a d t s c h u l r a t e s z u r V e r­ t e ilu n g a n d ie W i e n e r H a u p t s c h u l e n g e la n g e n w e r d e n . D e r T a u s c h v e r k e h r m it in- u n d a u s l ä n d i s c h e n F a c h z e i t s c h r i f t e n u n d I n s t i tu t e n e r w e i t e r t e sich u m f ü n f u n d b e t r ä g t g e g e n w ä r t i g 92 N u m m e r n . U n sere H auptschöpfung, d a s M u s e u m f ü r V o l k s k u n d e nahm w ie i m m e r in d e n V o r j a h r e n d ie u m f a s s e n d s t e O b s o r g e d e r V e r e i n s - u n d M u s e u m s l e i t u n g in A n s p r u c h , d ie sic h d a n n a u c h d u r c h d ie h ö c h s t e r fr e u l ic h e W e i t e r e n t w i c k l u n g d e s I n s t i tu t e s a u f s B e s t e lo h n te . Die v o l k s k u n d l i c h e n S a m m l u n g e n e r fu h r e n d u r c h A n k a u f a u s V e r e i n s m i t te ln (S. 1935), d u rc h G e s c h e n k e u n d T a u s c h ein e V e r m e h r u n g u m 223 N u m m e r n . Ih re G e s a m t ­ z ahl b e lä u f t sic h b e r e i t s a u f 41.330. In f o lg e e i n e r d a n k e n s w e r t e n Verfüg ung , d e r L i q u i d i e r u n g s a b t e i l u n g d e s F i n a n z m i n i s t e r i u m s w u r d e n d ie b i s h e r d e m M useum n u r z u r V e rw a h ru n g ü b e rg e b e n e n h ö c h st in teressan ten und w e rt­ v o lle n v o l k s k u n d l ic h e n u n d v o l k s k ü n s t l e r i s c h e n O b j e k t e d e r e h e m a l i g e n „ P a tr i o t i s c h e n K r i e g s m e t a l l s a m m l u n g “ e n d g iltig in d e n B e s t a n d u n s e r e r S a m m l u n g e n e in g e r e i h t ( r u n d 800 N u m m e r n ) . F ü r g e s c h e n k w e i s e Z u ­ w e n d u n g e n ist u n s e r M u s e u m d e n n a c h f o l g e n d g e n a n n t e n H e r r e n u n d F r a u e n z u w ä r m s t e m D a n k v e r p fl i c h t e t: R eg. R a t A u g u s t u n d A g a t h e G i n z b e r g e r , D r. E. F r i s c h a u f in E g g e n b u r g , B ü r g e r m e i s t e r Karl K o c h in R o h r w i e s e n , F r ä u l e i n Mily N i e d e n fü h r, M i n i s t e r i a lr a t Dr. H a n s F a b r itiu s, Dr. G e o r g Kotek, I n s p e k t i o n s r a t B r u n n e r , Dr. B e tt y K u rth, F r a u P f i s t e r e r - A u h o f , F r a u Ing. l o h . Köchl, F r a u F r i e d a L ö w y , R o b e r t M u c n ja k , M a l e r H a n s L arw in,,

P f a r r e r Fr. R u d o lf in S e e w i e s e n , B ü r g e r s c h u l d i r e k t o r E d. D l a s k e , N o r b e r t S c h w a r z in P e r c h t o l d s d o r f , Ing. Karl Z a h l b r u c k n e r , Dr. B. K riss in B e r c h t e s g a d e n . D u r c h H errn Carl D r ä c h s i e r w u r d e d ie s c h l e s i s c h e W e b s t u b e n e i n r i c h t u n g m it A u f z ie h e n v o n G a r n u. s. w. d u r c h A rb e ite r s e i n e r F i r m a w i e d e r v o l l s t ä n d i g in S t a n d g e s e tz t. D e m S p e n d e r sei h ie f ü r v e r b in d l i c h s t g e d a n k t. H e r r n O. B r a u n d a n k e n w i r b e s t e n s fü r die z ie rv olle B e s c h r if t u n g d e r S a m m i u n g s g e g e n s l ä n d e . D i e b e r e i ts s e h r sta tt l ic h e n B e s t ä n d e u n s e r e r F a c h b ib l i o th e k e rfu h r e n d u r c h A n k a u f, g e s c h e n k w e i s e u n d d u r c h B e s p r e c h u n g s s t ü c k e z a h l re i c h e r ö s t e r r e i c h i s c h e r u n d d e u t s c h e r V e r l a g s h a n d l u n g e n e in e V e r m e h r u n g um 80 N u m m e r n . D e r Z u w a c h s a n P h o t o g r a p h i e n b e lie f sich a u f 163, an s o n s t i g e n A b b i l d u n g e n a u f 54, a n D i a p o s i t i v e n a u f 37 Stüc k . D i e B e n ü t z u n g d e r B ib lio th e k e r f ä h r t e in e s te tig e S t e ig e r u n g , d e r P a r t e i e n v e r k e h r belief sic h a u f 646 P e r s o n e n . F ü h r u n g e n d u rc h d ie M u s e u m s s a m m l u n g e n für S c h u len , B i ld u n g s v e r e i n e u n d K u r s t e i l n e h m e t w u r d e n in d e r Z a h l v o n 28 v e r a n s t a l t e t , w o v o n d e r D i r e k t o r 16, F r a u Dr. A. P e r k m a n n 12 ü b e r n o m m e n ha t. W ie a lljäh rlic h w u r d e n (m it F ü h r u n g e n v e r b u n d e n e ) v o l k s k u n d l i c h e K u r s e fü r V o l k s - u n d H a u p t s c h u l l e h r p e r s o n e n , f ü r M itte lsc h u lle h rk r ä fte u n d für d ie T e i l n e h m e r i n n e n a n d e r F o r t b i l d u n g s s c h u l e f ü r V o lk sp fle g e abgeh alten . D e m s c h o n s e it J a h r e n in u n s e r n J a h r e s b e r i c h t e n g e ä u ß e r t e n d r i n g e n d e n W u n s c h d e r M u s e u m s l e it u n g , e in e d u r c h g r e i f e n d e b a u li c h e I n s t a n d s e t z u n g d e s M u s e u m s g e b ä u d e s u n d b e s o n d e r s a u c h e in e e n t s p r e c h e n d e R e n o v ie r u n g d e r H a u s - u n d H o f f a s s a d e d u r c h g e f ü h r t z u s e h e n , h a t d ie W i e n e r S t a d t ­ v e r w a l t u n g im B e r ic h t s j a h r e m it e in e m K o s t e n a u f w a n d v o n ü b e r 25.000 S in g r o ß z ü g i g e r W e i s e e n ts p r o c h e n . D e r w ä r m s t e D a n k d e r M u s e u m s l e i t u n g u n d a ll e r F r e u n d e u n d B e s u c h e r d e s I n s t i tu t e s sei h ie r a u c h öffentlich g e z i e m e n d z u m A u s d r u c k g e b r a c h t , w i e d e r s e l b e a u c h b e r e i t s in p e r s ö n l i c h e r V o r s p r a c h e de m H e rrn B ü r g e r m e i s t e r K a r l S e i t z u n d H errn S t a d t r a t H u g o B r e i t n e r a b g e s t a t t e t w o r d e n ist. A u c h d e n m it d e r D u r c h f ü h r u n g u n d Ü b e r w a c h u n g d e r b a u li c h e n A rb e i te n b e m ü h t e n F u n k t i o n ä r e n d e s S t a d t b a u a m t e s , H e rr n O b e rb a u ra t Fürst und O b e r i n s p e k t o r J a w o r s k i , s o w i e d e r Abt. 27 d i e s e s A m t e s sei d e r v e r b i n d l i c h s t e D a n k f ü r alle ihre B e m ü h u n g e n a u s g e s p r o c h e n , d e m letztg a n a n n t e n A m t a u c h fü r die im B e r i c h t s j a h r zu E n d e g e b r a c h t e v o l ls tä n d i g e N e u a n l a g e d e r e l e k t r i s c h e n B e l e u c h t u n g im M u s e u m s g e b ä u d e . D er B e s u c h d e s M u s e u m s h a t t e in d e n e r s t e n s t r e n g e n W i n t e r ­ m o n a t e n 1929 u n d z u fo lg e d e r m e h r a ls d re i M o n a t e ( J u l i — S e p t e m b e r) d a u e r n d e n b a u li c h e n R e n o v i e r u n g s a r b e i t e n im S o m m e r n a t u r g e m ä ß e m p ­ find lic h z u leid e n . W i r v e r z e i c h n e t e n im m e r h in 2764 z a h l e n d e , ( d a r u n t e r z a h l r e i c h e F r e m d e ) 126 n ic h t z a h l e n d e B e s u c h e r , 2726 S c h ü l e r u n d 126 S c h u l ­ k l a s s e n (bei fr e i e m E in tritt). D e r M i t g li e d e r s ta n d d e s V e r e i n s h a t sich z u folg e eif r ig e r W e r b e b e m ü h ü n g e n d e r M u s e u m s l e i t u n g u m 24 g e h o b e n . U m d e n v i e ls e itig e n A n s p r ü c h e n für d ie V e r e i n s - u n d M u s e u m s ­ t ä t i g k e i t e n t s p r e c h e n z u k ö n n e n , b e d u r f t e e s b e d e u t e n d e r , v o n J a h r zu J a h r a n w a c h s e n d e r Mittel, w e l c h e fü r d ie w i s s e n s c h a f t l i c h e n V e r e i n s z w e c k e im B e t r a g e v o n S 3,350.43, fü r die M u s e u m s b e d ü r f n i s s e in d e r H ö h e v o n S 19,841.73 z u r V e r f ü g u n g s t a n d e n .

28

Rechnungsabschluß des Vereines Einnahm en.

für das Schilling

K a s s a s a l d o e x 1928

30 1 7 .1 0

...................................................

V e re in :

M i tg lie d e r- u n d B e z u g s b e i t r ä g e ............................ S 1.746.70 V e rk a u f von ä lt e r e n J a h r g ä n g e n d e r Z eitsc h rift, E rgänzungsbände, Sonderabdrücke . . . . „ 1.262.95 Su b v en tio n d e s U nterrichts-M inisterium s . . „ 3 0 0 , V e r k a u f v o n E x e m p l a r e n d e r E i n f ü h r u n g in 32.40 d ie V o l k s k u n d e ....................................................... 8.43 Sonstige E in n a h m en .............................................. M useum : Su bvention des B u n d e sm in iste riu m s für U n ter­ r ic h t ................................................................................... S u b v e n t i o n d e r S t a d t W i e n ..................................... S u b v e n t i o n d e r K a m m e r f ü r H a n d e l, G e w e r b e u n d I n d u s t r i e ................................................................. S u b v e n t i o n d e r A r b e i t e r k a m m e r ............................ S p e n d e d e s B a n k e n v e r b a n d e s ................................ S p en d e des K o m m erzialrates O s k a r T reb itsch K r a n k e n k a s s a b e i t r ä g e d e s P e r s o n a l s ................... P a u sc h a lz ah lu n g e n für K urse un d F üh rungen . E i n t r i t t s g e l d e r ................................................................. R e f u n d i e r u n g e n ................................................................. S o n s ti g e klein e E in n a h m e n . . . . • . . . .

3.350.48

S 9.562.70 „ 4 .0 0 0 ,„ 2 .5 0 0 .„ 5 0 0 .„ 2 0 0 .„ 6 0 0 .„ 474.29 „ 458.50 „ 1.352.55 76.04 „ 117.70

19.841.78

/

S u m m e d e r E in n ah m en . . .

26.209.36

G e p r ü f t u n d in

Prof. D r. H. Jun g w irth als Rechnungspiüfer.

29

und Museums für Volkskunde Ausgaben.

Jahr 1929,

Sc hilling

Verein : B u c h d r u c k e r e i „ H e l i o s “ u n d „ P a g o “ für D r u c k d e s J a h r g a n g e s XXXIV u n d d e r S o n d e r ­ abdrücke S 2.241.50 D ruck des Ja h resb eric h te s „ 40.— K lisch ees „ 207.41 V e rse n d u n g d e r Z eitschrift u nd so n stig e Porti „ 127.80 R e d a k t i o n s h o n o r a r ........................................................... „ 3 0 0 .— H o n o r a r e f ü r B u c h b e s p r e c h u n g e n in d e r Z eit­ sc hrift, J a h r g . 34 „ 200.— K a n z l e i a u s l a g e n u n d D r u c k s o r t e n ...........................„ 127.65 R ü c k k a u f ä l t e r e r J a h r g ä n g e d e r Z e i t s c h ri ft . . „ 154.32 B e i t r ä g e f ü r V e re in e . . . . . . . . . . . . 23.76

3.422.44

M useum : G e h a l t e u n d A u s h i l f e n ................................................. S K r a n k e n k a s s e ......................................................................... K a n z l e i a u s l a g e n ................................................................„ S tem p elab zü g e . „ P o s t g e b ü h r e n etc. . . . • .............................................„ F a h r t e n u n d R e i s e n ........................................................... „ M i e t z i n s .................. ' „ Telephon . ........................................................................„ S a m m l u n g s a n k ä u f e ........................................................... R e s t a u r i e r u n g d e r S a m m l u n g e n ............................... „ In s t a ll a ti o n u n d A n s c h a f f u n g e n ............................... R e i n i g u n g ..............................................................................„ B i b l i o t h e k ............................................................................. B e le u ch tu n g „ B eheizung ( G a s k o n s u m u nd K ohlenheizung) . „ G arten p fleg e „ H o n o r a r e fü r K u r s e u n d F ü h r u n g e n ......................„ B e w a c h u n g a n S o n n t a g e n .............................................„

9.625.15 918.77 269.71 96.90 352.47 264.87 1.348.89 664.70 1.935,— 648.84 1.279 44 322.81 525.58 2.76.36 1.428 41 204.59 421.50 208.20

Sum m e der Ausgaben . . . ' Saldo . .

O rd n u n g befunden:

D r. R obert Heine als R echnung sprü fe r.

20.792 20 24.214.64 1.994.72

30 M it w ä r m s t e n D a n k v e r z e ic h n e n w ir d e n E i n g a n g v o n S 9,562.70 a ls Subvention des Bundesministeriuffls für Unterricht, z u r B e s t r e i t u n g d e r A u s la g e n f ü r d a s P e r s o n a l , B e h t i z u n g , T e l e p h o n u n d A d m i n i s t r a t i o n , w o f ü r d e n V e r t r e t e r n d e s s e l b e n im M u s e u m s a u s s c h u ß , H e r r n M i n i s t e r i a l r a t Dr . L. P e t r i n u n d P r ä s i d e n t e n D r. F. S c h u b e r t S o l d e r n d e r b e s t e D a n k g e s c h u l d e t w ird . S e i te n s d e r G e m e i n d e W i e n floß u n s e in e S u b v e n t i o n im e r h ö h t e n B e tr a g v o n S 4000.— zu, u n d e s sei h i e f ü r d e m S t a d t s e n a t u n d G e m e i n d e r a t , s o w i e im B e s o n d e r n H e r r n B ü r g e r m e i s t e r K a r l S e i t z , H errn P rä sid e n te n d e s S tad tsch u lra te s O t t o G l ö c k e l und H errn S t a d t r a t H u g o B r e i t n e r d er ergebenste D ank a u sg e sp ro ch e n . D an k d e r B efürw ortun g d e s H errn K a m m e r r a t e s H e r m a n n K a n d l b e w illig te die K a m m e r f ü r H a n d e l , G e w e r b e u n d I n d u s t r i e w ie in d e n V o r j a h r e n e in e S u b v e n t i o n v o n S 2.500.— , w ä h r e n d von d e r A r b e i t e r k a m m e r e in e s o l c h e v o n S 5 00.—, v o m V e r b a n d d e r B a n k e n u n d B a n k i e r s ein B e t r a g v o n S 200.— eing ing. V o n u n s e r e m b e w ä h r t e n G ö n n e r K o m m e r z i a l r a t O s k a r T r e b i t s c h w u r d e d e m M u s e u m im G e d ä c h t n i s s e i n e s B r u d e r s Dr. R u d o l f T r e b i t s c h e in e S p e n d e v o n S 600 zuteil. A llen g e n a n n t e n K o r p o r a t i o n e n u n d S p e n d e r n sei d e r w ä r m s t e D a n k h ie r a u c h öffen tlich a u s g e s p r o c h e n . E b e n s o sei H e r rn M i n i s t e r i a l r a t Dr . M a j e r fü r d e n z u G u n s t e n u n s e r e r Z e itsc h rift g e w ä h r t e n U n t e r s t ü t z u n g s b e i t r a g (S 300.— ) v e r b in d l i c h s t g e d a n k t . An dem w eiteren A u s b a u d e r a u s w ä r t i g e n f r e u n d s c h a f t li c h e n B e z i e h u n g e n u n s e r e s V e r e in s u n d M u s e u m s w u r d e v o n d e r M u s e u m s l e i t u n g m it r e g s t e m E ifer g e a r b e it e t. Bei d e r f e ie rli c h e n E r ö f f n u n g d e s s c h ö n e n T i r o l e r V o l k s k u n s t m u s e u m s in I n n s b r u c k v e r t r a t d e r M u s e u m s d i r e k t o r P ro f. D r. A r t h u r H a b e r l a n d t u n s e r e n V e rein u n d se i n M u s e u m , d e s g l e i c h e n b e i d e r T a g u n g d e s V e r b a n d e s d e r D e u t s c h e n V o lk S k u n d e v e r e i n e in Berlin. An d e n B e r a t u n g e n d e s V o l k s k u n s t k o m i t e e s d e s In stitu te I n te r n a tio n a le d e C o o p é r a t i o n in te lle ctue lle in B e r n im April d. J. n a h m P r o f . A. H a b e r l a n d t a ls M itglie d d e r i n te r n a t i o n a l e n V o l k s k u n s t k o m m i s s i o n e b e n f a ll s teil. A u c h d a s g r o ß e U n t e r n e h m e n d e s D e u t s c h e n V o l k s k u n d e A tla s b e s c h ä f t ig t e d e n M u s e u m s d i r e k t o r , d e r z u m L e i t e r d e r e in s c h l ä g i g e n A r b e i te n in N i e d e r ö s t e r r e i c h u n d W ie n b e s t e l l t w u r d e , m i t o r g a n i s a t o r i s c h e n V o r a r b e i t e n b e r e i t s in i n te n s i v e r W e ise , V o lk s k u n d l i c h e V o r trä g e , die d a s I n t e r e s s e w e i t e s t g e z o g e n e r K r e is e fü r d ie ö s t e r r e i c h i s c h e V o l k s k u n d e u n d V o l k s k u n s t z u w e c k e n g e e i g n e t u n d b e s t i m m t w a r e n , w u r d e n in d e r „ R a v a g “ v o n d e n P r o f e s s o r e n M ic h ae l u n d A r t h u r H a b e r l a n d t, s o w i e v o n F r a u D r. A. P e r k m a n n m e h r f a c h a b g e h a l t e n . In b e i d e n S e m e s t e r n ’ 1929 hielt P rof. A. H a b e r l a n d t s e h r g u t b e s u c h t e U n i v e r s i t ä t s - V o r l e s u n g e n u n d Ü b u n g e n z u r E in f ü h r u n g in die V o l k s k u n d e ab. Z u m l e b h a f te n B e d a u e r n d e s V e r e i n s u n d d e r M u s e u m s l e i t u n g h a b e n w ir d e n g e t r e u e n u n d g e w i s s e n h a f t e n M u s e u m s - O b e r a u f s e h e r F r a n z M u c n j a k, d e r d e m M u s e u m d u r c h m e h r a ls ein J a h r z e h n t s t e t s g e s c h ä t z t e D i e n s t e g e le is te t hat, a m J a h r e s e n d e d u r c h d e n T o d v e r l o r e n . W ir b e w a h r e n i h m ein e h r e n v o l l e s u n d d a n k b a r e s A n d e n k e n . A llen A n g e s t e ll t e n d e s M u s e u m s , F r a u Dr. A. P e r k m a n n , F r ä u l e i n Id a S c h u s t e r , P r ä p a r a t o r R o b e r t M u c n j a k u n d H ilfs a r b e ite r L. N e p r a c , d ie u n s e r e m I n stitu te n a c h K räften

31 p f l ic h t g e t r e u u n d e r fo l g r e ic h w ä rm ste n s gedankt.

d ien e n ,

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auch

für

das abgelaufene ja h r

Alle A n z e i c h e n s p r e c h e n d a fü r, d a ß d a s N e u j a h r 1930 u n s e r e m V erein u n d s e i n e m M u s e u m n i c h t n u r s e i n e b i s h e r ig e a n s e h n l i c h e S t e ll u n g im ö ffe n tlic h e n u n d k u l t u r e l l - w i s s e n s c h a f t l i c h e n L e b e n W ie n s u n d Ö s te r r e i c h s b e w a h r e n w ird , s o n d e r n d a ß die g e s a m t e B e v ö lk e r u n g die b e d e u t u n g s v o l l e n B i l d u n g s a n r e g u n g e n , die v o n u n s e r e m In s t i tu t e u n d s e i n e r A rb e it a u s g e h e n , in i m m e r re ic h e r e m M a ß e z u w ü r d i g e n u n d a u f z u n e h m e n G e l e g e n h e i t n e h m e n w ird. D ie V e r e in s le it u n g im J a h r e 1929. Präsident:

H o f r a t U n iv .-P r o f . Dr. M i c h a e l H a b e r l a n d t .

V i z e p r ä s i d e n t e n : S e k t i o n s c h e f a. D. Dr. A r t h u r B r e y c h a , P r ä s i d e n t N a t i o n a l r a t O t t o G lö c k el, H o f r a t U n iv .-P ro f . D r. E u g e n O b e r h u m m e r , H o f r a t U n iv .-P ro f . D r . A lfon s D o p s c h . •Generalsekretär:

U n iv .-P r o f. Dr. A r t h u r H a b e rla n d t.

G e n e r a l s e k r e t ä r - S t e l l v e r t r e t e r : U n iv .-P r o f . K a s s i e r : F a c h l e h r e r i. R. J u l i u s T h irrin g .

Dr. J o s e f

W e n in g e r .

. A u s s c h u ß r ä t e : H o fr a t D r Karl G ia n n o n i, K a m m e r r a t H e r m a n n Kandl, L e h r e r Karl M. Klier, Dr. G e o r g K otek, Hof r a t U n i v .-P r o f. Dr. P a u l K r e t s c h m e r , U n i v . - P r o f . Dr. G e o r g Kyrie, K u s t o s Dr. V ik tor L e b z e lte r, U n iv .-P ro f . D r. R u d o l f M uc h, Dr. F r a n z O t t m a n n , D r. A d e lg a r d P e r k m a n n , U n i v .-P r o f . Dr. L u d w i g R a d e r m a c h e r , R e g ie r u n g s r a t P ro f. D r . G. S c h l e s in g e r , P rof. Dr. Karl S p ie ß , H o f r a t U n iv .-P ro f . Dr. Jo s e f S t r y g o w s k i, O b e r l e h r e r R a i m u n d Z o d e r. M u se u m s-A u ssc h u ß : P r ä s i d e n t : H o f ra t P ro f. Dr. M. H a b e r l a n d t. V e r t r e t e r d e s B u n d e s m i n i s t e r i u m s f ür Unt erri cht : r a t D r. L. P e t r i n , P r ä s i d e n t D r. F. S c h u b e r t - S o l d e r n .

M i n is te ria l­

V e r t r e t e r d e r S t a d t W i e n : P rä sid e n t d e s S ta d tsch u lra te s N ation alrat O tto G l ö c k e l, G y m n a s i a l d i r e k t o r D. E. Z e l l w e c k e r . V e r t r e t e r d e s V e r e i n s f ü r V o l k s k u n d e : S e k t io n s c h e f Dr. A. B r e y c h a . K a m m e r r a t H e r m a n n Kandl. Vertreter des Museums ■Dr. A. H a b e r l a n d t.

für

V o l k s k u n d e :

M u se u m fü r V o lk s k u n d e : D i r e k t o r : U n iv .-P ro f. Dr. A r t h u r H a b e r l a n d t . Bibliothekarin: Dr. A d e l g a r d P e r k m a n n . P r ä p a r a t o r : R o b e r t M u c n ja k . O b e r a u f s e h e r : Franz M ucnjak f . K a n z l i s t i n : I d a S c h u ste r . H i l f s d i e n s t : L udw ig N eprac. H a u s w a r t : F r a n z W ellan .

D irektor

P r o f.

32 EHRENM ITGLIEDER. G e h e i m r a t Pro f. Dr. j. Bolte, Berlin (1920). H o f ra t U n iv .-P r o f . D r. R. M e r in g e r , G r a z (1920). U niv .-P ro f. Dr. G. P o liv k a , P r a g (1920). O b e r l e h r e r J o s e f B lau, F r e ih ö ls (1920). H o fra t U n iv.-P rof. Dr. M. H a b e r l a n d t (1920). U n iv .-P ro f . Dr. A. H a uffen, P r a g (1920). U n iv .-P ro f . Dr. E d. H o f fm a n n - K ra y e r, B a se l (1920). ■ Dr. M a x H u s s a r e k - H e i n le i n (1912). ( G r ä f in ) N a n d i n e B e rc h to ld , B u c h la u (1914). Karl ( F r e i h e r r v o n ) R u m e r s k i r c h (1914).

KORRESPO NDIERENDE M ITGLIEDER. S c h u l r a t Karl A d ria n , S a lz b u r g . N o t a r D r. E u g e n F r i s c h a u f , E g g e n b u r g . M u s e u m s v o r s t a n d Dr. K. B r u n n e r , B erlin. M u s e u m s v o r s t a n d Dr. V. G e r a m b , G r a z . L a n d e s s c h u l i n s p e k t o r Dr. G. G r ä b e r , K la genfu rt. U n iv .-P r o f. D r. N. K re b s, Berlin. U n iv .-P r o f. Dr. O. L au ffer, H a m b u r g . D i r e k to r J u liu s L e i s e b i n g , S a l z b u r g . P r o f . J o s e f T v r d y , W is c h a u U n iv .-P ro f. D r. M. M u rk o , P r a g . Dr. F r a n z F r e i h e r r v. N o p c s a , B u d a p e s t. U niv.-P rof. D r . R. K aindl, G ra z. U n iv .-P r o f . Dr. J o h n M e ie r, F r e i b u r g i. Br. U n iv .-P r o f. Dr. L. R iitim e y e r, Basel. U n iv .-P ro f . A d a m W r e d e , Köln. D i r e k t o r Fr. P o s p is i l, B r ü n n . H o f r a t F e r d . R a u n e g g e r , K la g enfu rt. Prof. Dr. G. J u n g b a u e r , P r a g . P ro f. D r. E. S c h n e e w e i s s , P r a g . Dr. H. B ä c h t o l d - S t ä u b l i , Basel. P r o f . Dr. A. B y h a n , H a m b u r g . P r o f . Dr. H. N a u m a n n , F r a n k f u r t a. M. D i r e k to r S i g u r d E rix o n , S to c k h o lm . D i r e k t o r D r. J. M a n n in e n , H e lsin g f o rs. P r o f . P a u l S a r to ri, D o r t m u n d . Pro f. Dr. D. Selenin, L e n i n g r a d .

He rausgebe r, E ig en tü m e r u. Verleger: Verein für V olk skunde ( P r ä s id e n t Prof. Dr.'M. H a b er la n d t.) V e ra ntw ort li c he r R e d a kte ur: Prof. Dr. M icha el H a b e r l a n d t , W ie n, VIII. L a u d o n g a s s e 17. — Buch druck ere i Pa go, W ie n, II. G ro ße Sch iff gass e 4.

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Beiträge zum Aberglauben im oberen Mühlviertel. E in e B e stan d sau fn a h m e v o n D r . H e in ric h J u n g w i r t h im S o m m e r 1929.

W er ein Gebiet der Volkskunde wissenschaftlich bearbeiten will, wird der großen Schwierigkeit gegenüberstehen, d a ß das in Büchern und Zeitschriften gesammelte reiche Material keine Aus­ kunft gibt, ob es' sich um noch lebendiges volkstümliches Gut handelt oder um schon geschwundenes. Begreiflicherweise kann die zeitliche Scheidung der volks­ kundlichen Materialien nur mit Bezug auf die G egenw art erfolgen und wenn wir den Besitzstand an lebendiger Volkskultur als den der „Eltern”, d. i. der Generation von 30— 60 Jahren bezeichnen, so müssen wir alles, was die Alten über 60 Jahren noch zu erzählen wissen, als das vergangene volkstümliche Gut, das der „G roß­ eltern” zusammenfassen. W ichtig ist aber meines Erachtens auch die Feststellung, ob es sich um eine allgemeine und geschlossene Verbreitung einer bestimmten volkstümlichen Erscheinung handelt, oder ob eine Einzelheit vorliegt, eine Art Petrefakt. Eine ungefähre Scheidung wenigstens nach Generationen ist besonders auf dem Gebiet des Aberglaubens nötig. Ein derartiger Versuch wurde von mir im Sommer 1929 in meiner Heimat, Kirchberg an der Donau (pol. Bezirk Rohrbach, O.-Oe.) gemacht. Diese kleine Gemeinde am linken Donauufer, zwischen G roßer und Kleiner Mühl und der Donau, ist, abgesehen von der nicht un­ bedeutenden Papierindustrie an der Kleinen Mühl, rein bäuerlich; Ackerbau und Viehzucht halten sich auf der etw a 600 m hoch ge1

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iegenen Hochfläche die W aage. Städtische Beeinflußung ist bis in die letzten Jahrzehnte wenig gewesen, da die Entfernung nach Linz groß ist (8 Gehstunden, nächste Bahnstation etwa 2 Stunden). Die Bestandsaufnahme aus dein Gebiet des Aberglaubens ist deshalb schwierig, weil nichts in die Menschen hineingefragt werden soll. Ich wollte nur im Anschluß an Beobachtungen ge­ legentlich fragen und mich auf die. „Behorchung” beschränken. Meine Lage ist insofern sehr günstig, als ich durch meine bäuerliche Abstammung reiche Gelegenheit habe, meine U m gebung betreffs ihrer abergläubischen Anschauungen zu belauschen, besonders aber meine 70-jährige Mutter. Sie stammt aus einem alten Bauern­ geschlecht, ist über die engste Heimat nie länger hinaus gekommen. W as sie aus ihrer Jugend und ihren reifen Jahren zu geben vermag, stellt somit jetzt den lebendigen Aberglauben aus Großm utterszeit dar, was ihre Nachkommen und die gegenwärtige reife Generation davon hat, ist noch lebendiger Aberglaube. In derfolgenden Sammlung werden einzelne Gebiete mit wenig Material vertreten sein, so z. B. Hochzeit. Das ist deswegen lehrreich, weil im Sommer keine Hoch­ zeit w ar und deshalb für mich keine unmittelbare Gelegenheit zur Beobachtung. Dagegen ist Gewitter und Hagel sicher vollständig aufgenommen.

I. Volksmedizinisches. Hier spielt noch heute das Wenden, Besprechen eine große und lebendige Rolle. 1. Fingerwurm, genannt Beisser (P a n a ritiu m ). Ueber die Ent­ stehung dieser Krankheit besteht keine genaue Vorstellung; man kann noch aus der Beschreibung der Ursache bei alten Frauen heraushören, d aß sie diese auf einen Wurm (Beisser) zurück­ führen. Allerdings von seinem Aeußern und dem Vorgang, wie er in den Finger hineingekommen sein soll, haben sie keine Vor­ stellung und machen sich auch keine. Die höchst altertümliche Heilung, die noch ohne Besprechen mit den häufigen Wurmsegen erfolgt, beruht auf dem Vorbildzauber. Diesen vollzieht eine Person, meist eine Frau aber nur dann, wenn sie a) atn Georgitag (24. April), dem T a g des D rachen-W urm ­ töters geboren ist,

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b) wenn ihr als Kind ein W urm in die Hand gegeben wurde, damit sie ihn zerdrückte, worauf er vernichtet (ver­ brannt) wurde. Oder es wurde dem Kind ein Hammer in die Hand gegeben und diese von der Mutter oder jemandem anderen so geführt, d a ß es den Wurm schlug. Der Vorgang beim W enden besteht darin, d aß die wendende Person den kranken Finger in die Hand nimmt und eine Zeitlang drückt. In dieserW eise wird in diesem Gebiete gegen die Beisser noch jetzt von einer Häuslersfrau A. G.1) gewendet. Sie erklärte mir, d aß sie w ährend des kurzen Druckes ein paar Vaterunser bete, daß dieses G ebet aber nicht notwendig w ä re;’ sie besitze durch ihre Geburt am Georgitag und durch die T ötung eines W urm es diese Kraft, auch schreibe sie dein Kranken kein Gebet vor. W enn sie den Finger halte, verspüre sie besonders stark das Schlagen und Pochen des Beissers, der sich dagegen wehre. Der Patient em p­ finde einige Zeit einen heftigen Schmerz, verfalle nach etwa 2 Stunden in einen schlafähnlichen Zustand, fühle sich aber nach dem Erwachen besser und die Heilung erfolge. Dieselbe Behandlung wende sie auch gegen Kopfschmerzen an, die durch einen pochenden Schmerz auf eine dem Fingerwurm ähnliche Ursache schließen lassen; sie lege dabei die rechte Hand auf den Kopf. Dabei ist zu bemerken, d aß die Frau diesesW enden nicht gegen eine Entlohnung vornimmt und nur auf Ersuchen von Seiten des Kranken; bei meinem Besuch an einem Sonntag im Sommer 1929 sprach sie und die an­ wesenden Frauen und ihr Gatte mit einer an religiösen Ernst ge­ mahnenden Ueberzeugung von der W irksamkeit dieser Heilmethode. Zu dieser unmittelbarsten Quelle bekam ich a u ß e r der Be­ stätigung noch eine Variante in der Behandlung des Beissers von einer 80-jährigen Greisin. Die Körperstelle mit dem Beisser werde nicht gedrückt, sondern mit der Hacke geschlagen, um den Wurm zu töten. 2. Englische Krankheit. Dagegen wird noch sehr viel ge­ wendet in der ganzen Umgebung und im oberen Mühlviertel über0 D en N am en kann ich nicht nennen. l*

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haupt. In Kirchberg, wohin Mütter auch von der Umgebung mit den kranken Kindern kommen, besorgt dies eine in der Mitte der Dreißiger stehende Besitzersfrau, K. R., in deren Familie diese Heilkunst als Geheimnis erblich ist und die sie von ihrer Mutter übernommen hat. Da hiermit eine sehr bescheidene Entlohnung verbunden ist, wird das „gewisse G ebet” als Geheimnis bew ahrt und ich konnte es von dieser Frau nicht erfahren. Sie sagte mir noch, d aß das W enden nur bei Vollmond erfolge, und zwar gegen den „abnehmenden Mond hin”. Auf dem betreffenden Körper­ teil wird zuerst ein Kreuz gemacht, dann dieser mit der Hand mehrmals bestrichen und dabei das gewisse Gebet gesprochen, darauf wird ein Vaterunser gebetet. Bei sehr starken Fällen wird das W enden beim nächsten Vollmond und dann noch ein drittes Mal wiederholt. 3. Auszehrung. Mit 9 Vaterunser im T a g wird begonnen, dann wird an jedem folgenden T a g ein Vaterunser weniger gebetet. Ein etwa 50 Jahre alter Häusler, M. G., berichtete mir mit ehrlicherUeberzeugung, daß ihm dieser Vorgang geholfen hatte. Vor 20— 30 Jahren wurde gegen die Auszehrung das sogenannte Spannen angewendet. Allerdings wissen auch alte Leute hier nichts Genaueres darüber, nur d aß der Spanner mit den ausgespreitzten Fingern (Spanne) gewisse Messungen am Arm vornahm. In unserem Gebiet scheint es keine des Spannens kundige Person gegeben zu haben, sondern man w andte sich an einen Mann in Helfenberg, der den Namen SpannerPeter hatte (In Helfenberg konnte ich bisher über diese Persön­ lichkeit noch nichts W eiteres ausforschen). 4. Gegen die Veraeidung des Viehes und den bösen Blick. An den bösen Blick glauben alte Leute (besonders Frauen) auch jetzt noch; dagegen zeigen junge und reife, vor allem Männer, nur seltene Spuren von diesem Glauben. Es starb vor kaum 20 Jahren ein Mann, den man in keinen Stall hineinließ, weil er „scharfe Augen h atte”, so d aß das Vieh nicht mehr fraß, besonders wenn es schön w ar und ihm gefiel. Dagegen suchte man von ihm ein Kleidungs­ stück zu bekommen, verbrannte es und räucherte damit das Vieh. Besonders Schweine gelten als sehr oft verneidet; da die Schweine­ fütterung nur die Weiberleute angeht und sie tatsächlich dabei off mehrere Jahre hindurch vom M ißgeschick verfolgt sind und trotz aller Sorgfalt keine M ästung erreichen, wofür ihnen die Schuld

3? vom Mann gegeben wird, kommen sie leicht dazu, auf Verhexung und Verneidung durch Fremde zu schließen. W enn das Schwein bei allfälligem Verkauf im neuen Stall frißt und gedeiht, so ist die Bestätigung der Verneidung gegeben. Diesen Glauben an die Ver­ neidung ihres einzigen Schweines beobachtete ich bei armen Leuten bis in die letzten Jahre und auch heute wird er noch ang e­ troffen. Die Redensart: Die Sau frißt nicht, als o b ’s verneidet wäre, ist geläufig und beweist, daß dieser Aberglauben erst seit ein paar Jahren im Schwinden begriffen ist. Daher soll ein Fremder beim Betreten des Stalles das Vieh nicht zu laut und überschwenglich loben; man hat das (auch jetzt noch) nicht gern. Man soll sagen: Ich wünsche dir viel Glück, um zum Ausdruck zu bringen, d a ß man keinen Neid hegt, und soll auf den Fußboden schauen, dann schadet kein scharfes Auge. 5. Leisten. So wird eine eigenartige Geschwulst des Euters genannt, weil dieses durch die G estaltung eine entfernte Aehnlichkeit mit einem Schuhleisten bekommt. Die Heilung beruht auf dem Sympathiezauber. Es wird mit einem ungebrauchten Schuh­ leisten (er soll mindestens ein Jahr nicht mehr verwendet worden sein; infolge der noch üblichen Störarbeit der Schuster finden sich solche leicht in den Häusern) dreimal das Kreuz über die Geschwulst gemacht; darauf wird er in den Fuftertrog geworfen, wo er drei T age liegen muß und nicht herausgenommen werden darf. In dieser W eise wird noch jetzt diese auf Verkühlung der Milchgefäße beruhende Entzündung geheilt; allerdings wurde diese Art der Behandlung von einer Fürkäuflerin vor etwa 20 Jahren hierher gebracht und es ist der Verbreitungsweg von der einen Frau, die diese empfohlen bekam, festzustellen. Die Anwendüngdes Mittels gegen den Leisten konnte ich im eigenen Vaterhaus und auch in anderen W irtschaften beobachten. 6. Kaum mehr gewendet wird gegen Warzen. Dagegen wendete vor 25— 30 Jahren ein alter Mann. Unter Stillschweigen wickelte er einen Faden 9 mal um die W arze und wieder ab; darauf vergrub er ihn unter der Dachtraufe; wenn der Faden hier verfault war, sollte auch die W arze geschwunden sein. Dieses Verfahren wurde von diesem Manne mehrmals bei mir an­ gewendet. Jetzt wird meist darüber gelacht.

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II. Gewitter und Hagel. Bei Gewitter wird noch gegenw ärtig sofort das Herdfeuer gelöscht; auch das Schmiedefeuer wird gedämpft. Fenster und Türen werden geschlossen, damit der Blitz keinen Zug hat. In den Herd wird etwas Geweihtes vom Weihpalm gegeben oder ein kleines Kranzei von Fronleichnam, das aus Kudelkraut und Jungfrauen­ mantel gebunden ist, oder Laub von der Fronleichnamsbirke, ln der Stube wird gemeinsam gebetet, wobei man knien soll, es wird die W etterkerze angeziindet. Rote und schwarze Wetterkerzen brachten früher die Mariazeller W allfahrer mit. Manche legen gegen den Hagel ein sogenanntes Antlaßei hinaus ins Freie (es ist dies ein am Gründonnerstag gelegtes und am Ostersonntag geweihtes Ei). Da man bei besonders großen Schloßen (Rieseln) sagt, „sie sind groß wie Tau ben eier”, so erklärt sich der sympathetische Abwehr­ zauber mit dem Antlaßei. W eihw asser wird auf den Tisch gestellt, in den Ofen und ins Freie gespritzt; Haselnußlaub soll man unter das Fenster geben. Bei jedem Blitz ist zu sagen: Helf uns Gott! Nach dem Blitz darf man nicht mit dem Finger zeigen. Es ist ein Hervorbrechen primitivster Religiosität, wenn bei der Sturm kata­ strophe am 6. Juli 1929 eine religiöse Besitzersfrau, F. J., die sonst wenig Abergläubisches an sich hat, mit dem W eihw asser ins Freie wollte, um damit um das Haus zu eilen und gegen den Sturm zu spritzen. Bei derselben Gelegenheit konnte ich den Glauben an den Schutzzauber der Haselnuß noch lebendig bemerken. Bis dahin hatte ich ältere Frauen öfters sagen gehört, „man hat früher gesagt, die Haselstaude schütze, weil die Jungfrau Maria auf der Flucht unter ihr Schutz gesucht h a b e ”. Jetzt erklärte mir eine verwandte Bäuerin am T age nach dem Sturm, sie habe sich unter eine Hasel­ staude geflüchtet, weil sie ihr Haus nicht mehr erreichen konnte. Diese schwerste über die Gegend in einigen Minuten herein­ brechende Elem entarkatastrophe ließ auch sonst Spuren primitivster Religiosität hervorbrechen, so wenn ein Mann, L. N., auf die er­ staunte Frage, weshalb der Sturm nicht auch das Dach seines Hauses mitgenömmen hätte, dies dem unmittelbaren Eingreifen einer Josefs­ statue zuschrieb, die unter dem Giebel angebracht ist. Er habe laut zu diesem Heiligenbild um Schutz hinaufgerufen. Noch nicht geschwunden ist der Glaube, d aß ein roter ge­ brannter Ziegelstein, in eine Zwiesel eines Apfelbaumes gelegt, dessen Blüte gegen Blitz schütze. Der zur Zeit der Baumblüte be­

39 sonders stark leuchtende Blitz verursache das Brandigwerden der empfindlichen Apfelbliiten. Der Ziegel ist wohl ein Donnerstein. Bis zum Krieg konnte man die Steine auf Apfelbäumen recht oft bemerken, vereinzelt noch im letzten Sommer. Jedenfalls wissen die Erwachsenen noch, welche Bewandtnis es mit dem Ziegel hatte, wenn sie auch selbst nichts mehr tun. Aus der eigenen Kindheit (35 Jahre etw a) kenne ich noch das Gewitterglöckchen; kleine Glocken, meist aus Ebenzweier (Kloster bei Gmunden) stammend, von wo es Frauen, die dort Exerzitien machten, mitgebracht hatten. Sie wurden w ährend des Gewitters geläutet und zwar womöglich von einem kleinen Kinde. Das W etterglöckchen wird selten, aber vereinzelt doch noch immer in den Familien geläutet. Dasselbe ist auch der Fall bei dem Johannesevangelium, dessen Anfang dreimal gelesen wurde. Dagegen ist das W etterläuten seit der Jugend meiner Mutter (etw a 1875) nicht mehr gebräuchlich. Dies besorgte der Schullehrer, der als Entlohnung bei den Bauern die sogenannte W ettergarbe sammelte. Es ist somit deutlich, daß durch das W e tte r­ läuten das Unwetter von den Getreidefeldern fern gehalten werden sollte. Bis ungefähr in dieselbe Zeit sprach mancher Geistlicher den W ettersegen. Ebenso warf man Brot ins Feuer. Je stärker ein Gewitter ist, je g röß er die dadurch ausgelöste seelische Er­ schütterung ist, desto unvermittelter tritt primitive Religion hervor. Um den Hagel (Schauer) von den Aeckern fernzuhalten, wurde vor 40— 50 Jahren am Schauerfreitag (Freitag nach Christi Himmelfahrt) auf den Aeckern nichts gearbeitet; ebenso soll am Leonhardstag nicht geackert werden, es ist der Viehfeiertag. Gegen die Reifezeit des Kornes hin und während es in den Mandeln stand, wurde unter den Bauern nicht mehr getanzt, man fürchtete schwere Gewitter; auch jetzt widersetzt sich mancher Bauer um diese Zeit einem T anz in seinem Haus.

III. Arbeit im Felde. 1. Des Bauers Zukunft ist von der Natur abhängig; daher sucht er den günstigen Zeitpunkt zur Verrichtung gewisser Arbeiten zu erforschen. Gerade hier ist bei der Jugend so ziemlich alles ge­ schwunden, auch die gegenwärtigen Bauern wissen kaum mehr etwas; nur Greise erzählen noch manches. Zur Erforschung, ob der W interroggen spät oder früh angebaut werden sollte, hatte mein

40 G roß vater am Jakobitag vor Sonnenaufgang oder nach Sonnen­ untergang oder in der 12. Stunde je eine Handvoll Korn angebaut. Entwickelte sich das vor Sonnenaufgang gebaute am schönsten, so baute man früh, wenn das nach Sonnenuntergang, dann spät. Der Haar (Flachs) wird lang, wenn die ersten Maiblumen (hier der Löwenzahn) recht langstielig sind. Am O stertag soll es regnen, denn soviel Tropfen, soviel Aepfel. (Ein gutes O bstjahr mit viel Most, der reichlich als Haus­ trunk getrunken wird.) Auch der Faschingdienstag hat dieselbe Vorbedeutung. 2. Anbau: Ziemlich allgemein wird beobachtet, d a ß der Anbau nicht bei abnehmendem Mond und im Zeichen des Krebses erfolgt. Es gibt noch heute Leute, die besonders die Erdäpfel nicht setzen wollen, wenn der Mond noch „jung ist”. Besonders beim Kraut­ pflanzensetzen wird noch ziemlich allgemein hierauf geachtet und dieser Glaube ist noch so verbreitet, d aß man bei Mißlingen des Krautes die Schuld auf den zu „jungen” Mond oder den Krebs schiebt. Das Sätuch m ußte aus einem Garn hergestellt sein, das von einem Kind unter 6 Jahren gesponnen war. Meine G roßm utter hat noch solches Garn gesponnen, also w ar dieser Glaube zwischen 1830— 1840 noch lebendig. 3. Das Kornbeten bestand ebenfalls etwa vor 70— 80 Jahren noch allgemein, in der Zeit der Großeltern. Unsere Eltern kennen es nur mehr aus den Erzählungen ihrer eigenen Eltern. Doch als ein Rest des alten Kornbetens, wenn auch njcht mehr als solches gefühlt, muß die bis vor 10— 15 Jahren geübte Andacht an be­ stimmten alten Feldkreuzen und Kapellen am Abend vor Maria Heimsuchung (2. Juli) betrachtet werden. Es versammelten sich alle Hausleute eines oder zweier B auernhäuser oder eines Dorfes zu einer stimmungsvollen, gemeinsamen Andacht. 4. Ernte, Kom schneiden: Bis in die 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts machten die Schnitter bei Beginn des Händvollschneidens beim ersten Bandl ein Kreuzzeichen über die linke Hand, damit sie sich nicht schneiden. W äh rend der Arbeit wurde sehr viel gejuchzt, noch bis zum Krieg, jetzt aber selten. Man wollte damit die Freude und den Jubel über die gute Ernte ausdrücken.

41 Den Juchzer führten meist die Männer aus, indem sie einander gegenüberstehend der eine juh, der andere huh machten, solange sie es aushielten. Sie wurden immer rascher und vereinigten sich zu einem gemeinsamen hochgehenden Juchzer, der aber ganz ver­ schieden ist vom Jodler. Früher achtete man immer darauf, daß die letzte Garbe groß gemacht wurde, damit im nächsten Jahr „braves” (reichliches) Korn werde. W enn man auch jetzt nicht mehr an die Vorbildwirkung glaubt, kann man doch immer wieder die Aeußerung hören, daß die Garbe möglichst groß sein soll. Man sieht das noch immer gern. Vor einigen Jahrzehnten setzten sich die Schnitter auf die letzte Garbe und beteten einige Vaterunser, um das Korn glücklich heim­ zubringen und im nächsten Jahre eine gute Ernte zu haben. 5. Durchschnitt: Die ältesten Leute wissen noch davon, meist aber auch nur vom Hörensagen. Die jungen Leute wissen nichts. Die Alten glauben an die Tatsache des Durchschnittes und es wird von einem Weibsbild, das um das ja h r 1850 im Rufe einer Hexe starb, erzählt, d aß sie den Durchschnitt verstand. Andere schreiben seine Kenntnis Leuten zu, die gewisse „scharfe Augen” haben. 6. Flachs: Das Haarstreuen besorgen die Frauen allein; die M änner machen bloß die Händvoll Haar und reichen sie ihnen. Zu Beginn und am Ende werden aus Haar 3 Kreuze gelegt; das ge­ schieht jetzt noch aus alter Gewohnheit, damit der W ind nicht den Haar holt. Früher sprach man dabei: Im Namen Gottes des Vaters u. s. w. Einst kam es vor, d aß sich die Großdirn auf die erste und letzte in Kreuzform gestreute Handvoll daraufsetzte. Dieser Brauch ist zw ar unter den Frauen noch allgemein bekannt, wird aber nicht mehr geübt, man lacht darüber. Früher allgemein (manchmal auch jetzt noch), ließ man zu Fronleichnam Kränzchen weihen, die man an langen Stecken be­ festigte und in den Haaracker steckte, damit der Haar recht lang werde. Bekannt ist auch noch, daß die Mädchen über das Sonnwendfeuer springen sollen, damit der Haar lang werde. Bauen soll man den Haar am Vormittag, damit er gedeiht; würde er erst am Nachm ittag gebaut, würde er sehr lange blühen, was nicht sein soll. Früher bekam der Bauer für das Bauen des Flachses einen Eierkuches (Oarinschm alz).

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7. W etterprozessionen: Prozessionen um Regen, und schönes W etter fanden bis in die letzte Zeit nach derselben Waldkapelle mit einer Lorettomadonna (schwarze M adonna) statt. Früher w ar die Beteiligung allgemein und vor 25— 30 Jahren nahm auch die Geistlichkeit daran teil (eine eigene kleine Fahne, die jetzt noch vorhanden ist und für dieses „Betengehen” bestimmt war, wurde dem Zug von einem Ministranten vorausgetragen; ich selbst habe das mehrere Male getan). Die Mehrzahl der Teilnehmer waren Frauen, Männer hielten sich meist fern. Da die Bauern und Bäuerinnen nicht mittaten, lehnten es auch die kleineren Landwirte­ irauen und besitzlosen Inwohnerinnen mit der Zeit ab, für die anderen um Regen und schönes W etter beten zu gehen. Die frühere allgemeine Beteiligung von bodenbesitzenden und nicht besitzenden Gemeindeangehörigen w ar der Ausdruck für die gemeinsame Ver­ bundenheit aller Bauersleute. Die erste Frucht des Baumes soll ein Vater oder ein Kind nehmen. W ird diese gestohlen, so trägt der Baum nicht mehr oder stirbt ab. Dieser Glaube ist noch jetzt lebendig.

IV. Haus und Vieh. 1. Hennen. W enn die Hennen Eier ohne Schale nur mit der Haut legen, gibt man ihnen gern geschabte Kirchhofsmauer; auch jetzt noch wird dieses Verfahren von manchen Frauen angewendet. Damit sie fleißig legen, ließen viele (manche tun es auch jetzt noch) am Palm sonntag in einem Säckchen Gerste weihen, die sie ihnen am O stersonntag als Futter gaben. Damit im Jahr mehr Hennen (Singerl) als Hähne werden, muß am Ostersonntag das „Stubenmensch” mit dem Geweihten vor den Burschen heimkommen. W ürden die Burschen (der Hirten­ bub und Futterer) zuerst zu Hause sein, würden mehr Hähne werden. So verlassen noch jetzt die Mädchen am O stersonntag das Hochamt vor Schluß und es beginnt ein W ettlauf nach allen Rich­ tungen zwischen Mädchen und Burschen. 2. Bienen. Man darf sie nicht beschimpfen, nicht Fluchworte über sie aussprechen, weil sie das W achs machen, aus dem Kerzen verfertigt werden, die man zum Sterben braucht, um den bösen Feind zu vertreiben. Den Bienen soll der Tod des Besitzers ange­ sagt werden; sie dulden kein Glockengeläute. Damit man für das

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nächste Jahr Glück hat, soll man von jeder Honigernte etwas ver­ schenken, an Kinder und arme Leute. Der Grund ist zwar un­ bekannt, doch soll wahrscheinlich durch eine freiwillige Gabe der Neid gebannt werden. 3. Vieh. Damit das Vieh gesund bleibt, steht noch in einem oder zwei Ställen der Gemeinde ein Geisbock; er zieht alle Krank­ heiten an sich. Wird die Kuh abends zum Stier getrieben, bekommt sie nachts das Kalb. Die Frau, die sie führt, soll dazu ein schönes Kleid anlegen, damit sie ein schönes Kalb bekommt. An diese be­ kannte Vorbildhandlung glaubt man zwar nicht mehr, gibt aber den Mädchen die Gelegenheit, sich zu putzen. Nach dem Stierweisen wird der Kuh bei ihrer Rückkehr etw as Geweihtes gegeben, so einige Katzerln der Saalweide aus dem W eihpalm zwischen zwei Broten, die mit W eihw asser bespritzt werden, ln manchen Ställen ist ein Kreuz auf die T ü r gezeichnet, W eihw asser ist immer vor­ handen, ebenso der W eihpalm ; früher w ar etwas Geweihtes unter der Schwelle. W enn man aus dem Stall geht, soll man sagen: ln Gottes Namen. Ich wünsche den armen Seelen eine glückselige Auf­ erstehung und glorreiche Himmelfahrt. (Von einer Frau, die es so hielt bis zu der vor 4 Jahren erfolgten Abgabe der Stallarbeit.) Am Ostertag m ußten die Mägde früh aufstehen und in ihren Fürtüchern Kornsaher (die Spitzen der jungen S aat) heimtragen; er wurde zwischen zwei Brote gelegt und dem Vieh gegeben, damit man damit Glück habe (heute nicht mehr üblich, doch von einer 80-jährigen Greisin, M. Sch., als ein in ihrer Jugend allgemein üblicher Brauch berichtet). Die erste Milch einer jungen Kuh soll man verschenken, damit man Glück hat. (W ird nur ganz vereinzelt mehr eingehalten.) Der Kuh wird nach dem Kalben als Erstes ein Stück Brot mit W eihw asser bespritzt, gereicht. Wenns nichts nützt, schadet es auch nichts. Viehkauf— Verkauf. Es gibt noch den Leutkauf, wenn er auch im Abkommen begriffen ist. Ein Kuhkauf ist noch mehr eine be­ sondere Angelegenheit als der eines Ochsen. So bekommt der Käufer noch jetzt ein Stück Brot oder eine Brotrinde vom Verkäufer mit, wenn etwa die Kuh (w ie man es begründet) auf dem W eg matt werden sollte. Da dieses auch gereicht wird, wenn der Verkauf über die S traß e stattfindet, ist es das sogenannte Gewöhnbrot. Früher wurde dem Käufer auch der Strick mitgegeben. Das verkaufte Kalb muß auch jetzt noch verkehrt aus dem Stall gebracht werden.

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V. Hexen. D aß es Hexen gegeben hat, ist besonders unter den Frauen ein allgemein verbreiteter Glaube. Z w ar verwendet man für sie nicht die Bezeichnung Hexen, noch auch Hexerei und Zauberei für ihr Tun, sondern man sagt von ihnen, d aß sie etwas „konnten”. ln unserem Gebiet haben die Alten noch die Erinnerung an zwei solche W eiber von diesem Ruf; sie starben etwa zwischen 1850— 1870. Von der einen hat der eigene Sohn über das Treiben seiner Mutter erzählt und meine Mutter hat es als' junges Mädchen aus seinem Mund gehört. Besonders verstand sie es, den Kühen nach dem Kalben die Milch auszumelken; wenn : man aber den Kühen rechtzeitig ein Antlaßei gab, konnte sie ihnen nichts mehr antun. Mit ihrer Tochter, die zur Mutter hielt, soll sie aus Tan nen­ reisig Korn gedroschen und aus den Zizeln eines Grastuches Milch gemolken haben u. a. mehr. Zur Abwehr der Hexen vom Vieh werden noch manche Vor­ kehrungen getroffen. So darf am Sonnwendtag kein Gras einge­ bracht werden, weil man Hexen mitbringen würde, die dem Vieh im Stall schaden könnten. Darauf wurde in meinem eigenen Vater­ haus bis jetzt strenge geachtet. W enn die kleinen Besitzer zum Heueinbringen gro ße Leinen­ tücher (sogenannte Grastücher) verwenden, so dürfen diese nicht ausgebreitet auf der W iese liegen. Damit sich die Hexe nicht darauf setze, m uß zumindestens ein Büschel Heu darauf liegen. Hierauf wird noch immer geachtet, man kann beobachten, d a ß ein wenig Heu nach altem Brauch darauf geworfen wird, allerdings denkt man wohl nicht mehr immer an die Hexe. VI. Mutter und Kind, Schwangerschaft, Geburt und Taufe. Versehen der Mutter: Die schwangere Frau darf nichts H ä ß ­ liches, keinen Toten, keinen M ißgestaltigen ansehen; sie soll das Feuer nicht zu sehr ansehen. Daß schwangere Frauen, die bei einer Feuersbrunst zusehen, von anderen Frauen weggewiesen und auf die Gefahr aufmerksam gemacht werden, kann man immer noch beobachten. Sie dürfen nichts nehmen, was ihnen nicht gehört, denn sonst würde das Kind diebisch. Die N achgeburt wird unter einem Baum vergraben. Das Neugeborene wird mit W eihw asser bespritzt. Das Kind soll am selben T a g getauft werden, denn stirbt

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ein ungetauftes Kind, w äre es besser, es ginge ein Königreich zu Grunde. Bei der Taufe erhält das Kind ein W estergeld, das man früher in die aus einem Evangelienbuch herausgerissenen Blätter wickelte; jetzt geschieht das nicht mehr. Die Wöchnerin gilt für die älteren Frauen noch jetzt als unrein, bis sie in der Kirche für­ gegangen ist. Fürgehen dürfen nur die Verheirateten, aber auch bei diesen kommt es immer mehr ab. Die Wöchnerin muß in der Sakristei warten, bis sie vom Geistlichen in die Kirche geleitet wird. Sie soll von einer verheirateten Frau begleitet sein; beide gehen hernach manchmal ins W irtshaus. Außerdem ist der 9. T ag für sie besonders wichtig. Bis zu ihrer Reinigung soll die Wöchnerin in keinen Spiegel schauen, kein W eih­ w asser nehmen, denn es „gilt bei ihr nicht”. Sie soll nicht über die Dachtropfen herauskommen, sonst könnte sie der Teufel holen. Der Täufling soll zur Kirche getragen werden, in der Regel von der Hebamme. Bei Bauern mit Pferden wird schon öfters das Fuhrwerk benützt. Vor etwa 50 Jahren wurde auf dem W eg zur Kirche geschossen, besonders bei einem Buben. Der Vater bekommt beim Gevatterbitten einen Eierkuchen (Oarinschm alz). Der Taufschmaus auf Kosten des Vaters findet so ziemlich noch immer statt, meist am T a g der Taufe, wegen vieler und drängender Erntearbeit auch am folgenden Sonntag. Kinderjahre. Kleine Kinder wiegt man auch jetzt ungern, denn man befürchtet ihren Tod. Vor der Jahreszeit (bevor sie ein Jahr alt sind) sollen ihnen Haar und Nägel nicht geschnitten werden; die letzteren soll ihnen die Mutter abbeißen. Um die Kinder sanges­ begab t zu machen, gab man ihnen vor 1— 2 Generationen als erstes Fleisch Vogelfleisch, so von einer Krähe. Bei mir hat vor etwa 40 Jahren das zarte Fleisch eines Krametsvogels allerdings nicht geholfen. VII. Hochzeit. Bauernhochzeiten finden nur Montag oder Dienstag statt. Bei der Trauun g müssen die Brautleute so enge beisammenstehen, daß man nicht durchsieht; es muß daher die Prangerin, wenn sie hinter den Brautleuten stehend einen Zwischenraum sieht, diesen ver­ stellen; zauberkräftige Leute könnten ihnen sonst Böses antun. Die Brautm utter darf weder bei der Trauung noch beim Mahl anwesend sein, sie würde die Not nachtragen.

46 VIII. T o d .

Vor allem steht auch der hiesige Bauer dem Tod nüchterner gegenüber als der Stadtmensch. Recht lautes Schluchzen und W einen soll werden.

beim

B egräbnis

und

beim

Sterben

unterlassen

An das Anzeigen wird noch allgemein geglaubt und fast in jedem Haus kann man hierüber einen an einen bestimmten Todesfall geknüpften Bericht hören, so z. B. d aß das Geschirr beim Ofen ohne ersichtlichen Grund erschüttert wird, d aß auf dem Boden Gegen­ stände umgeworfen werden, besonders oft hört man, d aß Laden und Latten auf dèm Boden umgeschichtet werden; man glaubt auf der S traß e ein Fuhrwerk vorüberfahren zu hören, ein Glöckchen zu ver­ nehmen, bei einer Kapelle vor dem Haus wird dreimal um Hilfe gerufen. Das Schreien der Elster um das Haus eines Schwerkranken wird als böses Vorzeichen aufgefaßt. W enn der Sterbende die Daumen krampfartig einzieht, muß man ihm diese lösen, damit er leichter sterben kann. W äh ren d des Sterbens wurde noch vor 10 Jahren beim T od eines 90-jährigen Greises mit einem kleinen Glöckchen geläutet, in Anwesenheit des Priesters; jener hatte sich ausdrücklich „ausgetragen” (bestim m t), d aß ihm im Todeskampf das Glöckchen geläutet würde. Mit dem W eihw asser soll man immer außen um das Bett herumspritzen und dabei sagen: Jesus, Maria und Josef, steht ihm bei in der letzten Stunde! Da ich als Ministrant bei Versehgängen oft bei Sterbenden anwesend war, konnte ich sehen, daß mit dem W eihw asser 3-mal auch zum Fenster hinausgespritzt wurde. Laut geweint und geklagt soll nicht werden, weil das dem Sterbenden weh tut, es wird ihm das Sterben noch „stärker”, (es erfolgt schwerer und m ühsam er). Nach dem eingetretenen Tod wird die Uhr stehen gelassen, der Spiegel wird verhängt oder weggeschafft, die Fenster dürfen jedoch im Aufbahrungsraum nicht geöffnet werden, damit die Leiche keinen Geruch bekommt. Herrichtung der Leiche: Mund und Augen müssen zugedrückt werden; offene Augen bedeuten, d a ß bald jem and aus der Freund­ schaft (Verwandtschaft) nachstirbt. W enn die Augen nicht ge­ schlossen bleiben, legt man einen Kreuzer darauf, damit sie halten. Das W asser, mit dem die Leiche gewaschen wurde, wird so weggeschiittet, d a ß niemand darübergeht.

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Vielen wird noch jetzt der Hochzeitsstaat angelegt, besonders das Hemd. Es werden der Leiche Strümpfe, aber keine Schuhe an­ gezogen. Eine W ochenbetterin wird w eiß gekleidet, bekommt den Brautkranz und ein w eißes gefaltetes Tuch umgebunden (das so­ genannte Maultüchl, das sie auch beim Fürgehen träg t). Die Leiche wird so aufgebahrt, d aß die F üß e gegen die T ür gerichtet sind. Damit man sich vor der Leiche nicht fürchtet, soll man sie berühren. Leichenbegängnis: Bei Ledigen (vor etwa 30 Jahren) trugen alle Teilnehmer Kunstblumensträuße, jetzt nur mehr die Leichen­ träger und der Kreuzträger, die ledige Nachbarsburschen sind. Diese trugen einst Rosmarinkränzchen am Hut oder am Rock. Bei einem Ledigen sagt man noch jetzt, „er (sie) hat den Hochzeitstag”. Daher ein Kranz mit lichten Blumen und w eiße Kleider. Die Leiche muß mit den F üßen voran aus dem Haus getragen werden. Der Auf­ bahrungsraum wird zuerst kurz geöffnet, dann wieder verschlossen und alles von der Aufbahrung m uß rasch weggeräum t werden. Das Bettstroh wird verbrannt, sobald man mit der Leiche weggefahren ist, oft wird es aber sogleich nach dem Hinscheiden angezündet. Der Fuhrmann darf nicht umschauen; ein trächtiges Pferd darf nicht verwendet werden, es könnte ihm schaden. Im W inter darf kein Schlittengeläut verwendet werden. T otenw ege: Der Leichenwagen darf seit alters nur bestimmte W ege benützen; besonders wird darauf geachtet, d aß keine W ege benützt werden, die durch die Nachbargemeinde führen; so müssen die Leichenzüge von Obermühl nach Kirchberg die neue bequeme F ah rstra ß e an der Stelle verlassen, wo diese das Gemeindegebiet verläßt; sie müssen den alten ehemaligen F ahrw eg nehmen. Früher m ußte gezahlt werden, wenn aus einem dringenden Grund ein Toter durch eine Nachbargemeinde durchgeführt werden mußte. Die noch jetzt streng eingehaltenen Totenw ege lassen die Richtung einstiger, durch bequemere S traßen ersetzte Fahrwege erkennen, denn solche müssen es sein, kein Feldweg. Bei W egkreuzen und Kapellen wird haltgem acht und etwas gebetet, w as auch w ährend des ganzen W eges geschieht. G rab: Von einem Grab darf man keine Blume abreissen, noch daran riechen, sonst verliert man den Geruch. Man kann Mütter oft hören, wie sie ihren Kindern diese Ermahnungen geben, des­ gleichen darf über G räber nicht gesprungen und gestiegen werden.

48 IX. B ro tb a c k e n ,

An einem Freitag soll nicht gebacken werden; es könnte ein Unglück geschehen. Dies wurde früher allgemein beachtet und man lieh sich lieber Brot aus, als d aß man am Freitag buck. In manchen Häusern achtet man auch heute noch darauf. Nach dem Anrühren mit Sauerteig und dem Kneten wird auf den zum Gären fertigen Teig 3-mal mit der Hand das Kreuz gezeichnet und W eihw asser daraufgespritzt, damit dem Teig nichts angetan werden kann. Beim Formen der Laibe muß auf einen jeden eine Kreuzform mit der Hand eingedrückt werden. Beim Einschießen der Laibe in den Ofen m ußte früher gesagt werden: In Gottes Namen, d aß das Brot wieder recht wird. Die Ofengeräte, wie Backschüssel, Ofenwisch- und Krücken sollen ordentlich aufbewahrt werden, damit kein „böser” Unfug (Z auber) mit ihnen getrieben werden kann.

X. Dieb- und Fuhrmannsbannen. D aß gewisse Leute das konnten, wissen die alten Leute noch, doch wie der Vorgang des Bannbrechens war, ist mir persönlich nicht bekannt geworden, auch bei Greisen konnte ich ihn nicht er­ fahren. Zum Schutz gegen Diebe soll man alle T ag e ein paar Vaterunser für die armen Seelen beten; diese sind froh darum und wecken den Schläfer zur rechten Zeit, so d aß die Diebe gehört werden. Dasselbe m acht man auch, wenn man frühzeitig aufwachen will. (Mir wurde versichert, d a ß das immer geholfen hat.)

XL Feuerbannen. D aß Geistliche das Feuer bannen können, ist ein Glaube, den ich unter noch jetzt lebenden Alten wahrnehmen konnte; entweder liest er aus einem Buch oder geht mit dem Allerheiligsten um den Brand, besonders wenn die Kirche brennt. Man wirft auch ein ge­ weihtes Brot (m an spritzt W eihw asser darauf) ins Feuer; das Brot darf aber nicht mit der bloßen Hand berührt werden.

XII. Sympathie zwischen Baum und Menschenleben. Der Glaube ist zw ar allgemein nicht mehr nachweisbar, und auch bei einzelnen Menschen nur mehr selten zu finden, doch h a t .

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mein Vater noch 1910 das Absterben zweier Obstbäum e als Zeichen seines eigenen Todes und des eines Sohnes angesehen; der ein ja h r später erfolgte Tod beider wurde als Bestätigung betrachtet. Gibt es recht viele Haselnüsse im Jahr, so gibt es viele Mädchen mit ledigen Kindern. Eine oft gehörte, wenn auch scherz­ haft verwendete Redensart.

Volksreligiöse Opfergebräuche in Jugoslavien. V on R u d o l f K r i s s, B e r c h t e s g a d e n . M it 4 B ild ertafeln .

ln folgenden Zeilen soll versucht werden, eine knappe Uebersicht über die in der Gegenw art noch geübten Opferkulte Jugoslaviens, wie sie sich mir bei meiner Durchforschung verschiedener W allfahrtsorte darboten, zu geben. Ohne Anspruch auf Voll­ ständigkeit zu erheben, beabsichtige ich lediglich, meine auf mehreren Reisen in den einzelnen Landesteilen des neuen südslavischen Staates gemachten Beobachtungen schriftlich nieder­ zulegen. Da mit ganz geringen Ausnahmen fast keine Literatur zu meinem Them a vorhanden ist, was mir auch von den Fachgelehrten des Landes bestätigt wurde, muß ich mich auf mündliche Berichte und in der Hauptsache auf eigene Erfahrung beschränken. Bevor ich zu meinem eigentlichen Them a übergehe, soll ein für jeden Volkskundler, der über Jugoslavien arbeitet, geltender Leitgedanke hervorgehoben werden, nämlich der von der ver­ schiedenartigen kulturellen Schichtung dieses Landes. Es sind im wesentlichen drei Kulturkreise, die auf die jugoslavische Bevöl­ kerung einen weitgehenden Einfluß ausgeübt haben. Ich nenne zuerst den von Norden kommenden deutschen Einfluß, der sich namentlich in Slovenien und in einem Teile Kroatiens bem erkbar macht; ferner den östlichen, der vom Balkan über Serbien und Bosnien herauf eindringt, und sich in Kroatien mit dem deutschen vermischt, und den westlichen, italienischen, der allerdings nur einen ganz unwesentlichen Gebietsteil, einen schmalen Küsten­ streifen am adriatischen Meere umfaßt. Selbstverständlich ist dies nur ein ganz allgemeiner, cum grano salis zu nehmender Satz. Auch verschieben sich die Grenzen bei den einzelnen volkskund2

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lichen Substanzen ganz erheblich. So dringt z. B. der östliche, orientalische Einfluß auf dem Gebiete der T racht und bei den in der Textilindustrie Anwendung findenden Ornamenten und Mustern außerordentlich weit herauf, andere Einflüsse fast ganz ver­ drängend; ein Blick ins ethnographische Museum von Zagreb tut dies zur Genüge kund. Meine oben vorgenommene, ungefähre Ab­ grenzung ist derjenigen angegliedert, die Dr. Vurnik im Etnolog 1928 anläßlich der Bearbeitung der diversen Bauernhaustypen zog. Diese Grenzen haben, von kleineren Verschiebungen abgesehen, auch für die Verbreitung der verschiedenen Votive und W eihegaben Geltung. Ein weiterer, wesentlicher Faktor allerdings kommt noch hinzu: Er besteht in der konfessionellen Gliederung des Volkes. Hier macht sich der östliche Einschlag seitens der griechischorthodoxen Konfession und für Bosnien und Herzegowina auch des Mohammedanismus, die allem Votivkulte abhold sind, vor­ wiegend negativ bemerkbar; das Opferbrauchtum gelangte eigent­ lich nur bei den römisch-katholischen Volksteilen, von welchem die Griechisch-Orthodoxen im allgemeinen nur wenig beeinflußt wurden, zur vollen Blüte; hier machen sich naturgem äß zwei Ein­ flüsse geltend; der nördliche, der die Eigenheiten des deutschen Katholizismus über Slovenien bis weit nach Kroatien verpflanzt, und der westliche, dessen für den italienischen Volkskatholizismus charakteristische Besonderheiten sich längs der adriatischen Küste vorgeschoben haben. I.

W ir beginnen unsere Untersuchung mit dem in unserem Sinne ergiebigsten nördlichen Kreise, den wir kurz als den slovenischen, wegen seiner in diesem Landesteile in erster Linie feststellbaren Gepflogenheiten, bezeichnen wollen. Bei unserem Berichte werden wir auf die lokalen, von den deutschen Gebieten abweichenden Sitten, besonders achtgeben. (Kenntnis der prinzipiellen Dinge setze ich voraus; ich verweise auf Richard Andree: Votive und W eihe­ gaben des katholischen Volkes in Süddeutschland 1904 und auf meine eigene Arbeit: das Gebärmuttervotiv nebst einer Einleitung: Arten und Bedeutung der deutschen Opfergebräuche der Gegen­ w art 1929). Die w ä c h s e r n e n Opfergaben, die aus Holz- oder Gips­ modeln in verschiedenen W achsziehereien gew erbsm äßig her-

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gestellt werden, sind noch überall bekannt, wenngleich ihr Gebrauch besonders seit dem Kriege stark zurückgegangen ist; eine derartig weitgehende Verbreitung wie bei u n s/h a b e n sie wohl überhaupt niemals gehabt; nach Ansicht der Fachleute (ich ver­ danke vor allem Herrn Professor Tkalcic, Direktor des Ethn. Museums von Zagreb wertvolle Aufschlüsse) ist der Brauch erst in der Gegenreformation von Deutschland her eingeführt worden. D aß er kein ursprünglicher, sondern importierter war, läß t sich auch aus anderen Gründen erkennen. W ährend bei uns, von einigen allerjüngsten Degenerationserscheinungen abgesehen, die Formen aus kunstvoll geschnitzten Modeln, die bei den menschlichen Figuren oft die kleinsten Details der Trächten hervorarbeiteten, gegossen wurden, sind hier die Holz- oder Gipsmodel im allge­ meinen w eitaus primitiver. Man erkennt dies an den fertigen Figuren, welche mit Verzicht auf alle Einzelheiten der Kleidung usw. nur die ganz einfachen Umrisse der dargestellten Objekte er­ kennen lassen und vorne und hinten gleich aussehen, so d aß man gerade noch die Art des Gegenstandes, z. B. ob Mann oder Frau, aber gar keine Einzelheiten mehr erkennen kann. Tafel I, 2— 7. jedenfalls trifft dies für viele derartige Erzeugnisse, wie sie mir aus Zagreb, Ljubljana und Recica bekannt wurden, zu; bessere, mehr den aus Andree bekannten Formen gleichende Votive kommen in Karlovac vor, wo ich u. a. eine Kröte mit dem Monogramm Mariens erwerben konnte. Die zur Darstellung gelangenden Gegen­ stände weisen nicht entfernt die Mannigfaltigkeit auf, wie sie aus deutschen Wachsziehereien bekannt sind. Das mir zu Gesicht ge­ kommene Material setzt sich zusammen aus männlichen und weib­ lichen Figuren, Wickelkindern, Köpfen, Augen, Ohren, Armen, Beinen, der Kröte und dreierlei Arten von Haustieren, Pferden, Rindern und undefinierbaren Kleintieren. W eder die durch Kleidung und G röße bedingten Spielarten innerhalb der betreffenden Figuren selbst, sind in den einzelnen Geschäften vorhanden, noch auch die vielerlei bei uns üblichen Objekte, wie Eingeweide und anderes mehr, ja nicht einmal die obenangeführten Dinge besitzt ein Geschäft auf einmal; meistens beschränken sich die Vorräte auf Männer, Frauen, Arme, Beine, Augen und indifferente Haustiere. Als Material wird meistens gelbes oder braunes noch stark nach Honig riechendes W achs verwendet. All dies läß t erkennen, daß die ganze Sitte nur in abgeschw ächtem M aße Eingang gefunden hat. 2*

52 Auch ist in zahlreichen W allfahrtsorten der Verkauf dieser Wachsvotive überhaupt eingestellt worden. So erfuhr ich in dem berühmtesten und bislang votivreichsten marianischen W allfahrts­ orte von Oöerkrain, Brezje, d a ß seit dem Kriege die W achsvotive nicht mehr geführt würden. Den Verkäuferinnen in den zahlreichen Krambuden am Kirchpiatze waren sie nur mehr aus der Erinnerung bekannt; auch in Ljubljana hat der W achszieher den Betrieb ein­ gestellt, einzig in Zagreb und Bistrica (Kroatien) konnten die ge­ suchten Gegenstände noch gekauft werden, ln anderen W allfahrts­ kirchen sind die Figuren noch aus früheren Zeiten vorhanden, und wrerden aus dem in der Kirche und in der Sakristei aufbewahrtem Vorräte an die W allfahrer zum Opfergang ausgeliehen, aber nicht mehr neu hergestellt. Um gleich an dieser Stelle auf ein spezielles Votiv, nämlich die Kröte als Symbol der Gebärm utter zu sprechen zu kommen, so beziehe ich mich hier auf die Abhandlung von Mirko Kus-Nikolajew „Votive nerotkinja” (Etnolog 1928, Zagreb) und auf mein eigenes B uch: „Das Gebärmuttervotiv 1929”, worin das Problem nach der prinzipiellen Seite erörtert wird. Die genannte Sitte hat wohl aus den benachbarten kärntnerischen und steirischen Gebieten nach Jugoslavien übergegriffen’, und zwar gleichfalls in der Zeit der Gegenreformation. Professor Tkalcic gelang es, wächserne Kröten in folgenden Orten nachzuweisen: Zagreb, Bistrica, Recica, Pokupsko, Zazina, Pokupski-Brest, Karlovac (für Kroatien), Torany und die Gegend von Pakraz und Sissak (für Slavonien). W eiter hinab ist die Sitte nicht mehr gedrungen. Der oben angeführte Bericht im Etnolog deckt sich ohne nähere Ortsangaben mit obiger Aussage. Der Verfasser bringt Abbildungen von W achskröten aus Bistrica und Stenjevec. Durch Anführung des letztgenannten Ortes wird die Liste der Fundorte durch einen weiteren Beleg ergänzt. Die Abbildungen weichen von dem in Deutschland üblichen Durch­ schnittstyp nicht ab; im Vergleich zu dem von mir in Zagreb er­ worbenen Exemplar, das nur die gröbsten Umrisse wiedergibt, sind sie etwas sorgfältiger ausgeführt. W a s Slavonien betrifft, so kann ich die Kröte nachweisen aus Brezje und durch Umfragen erfuhr ich, d aß auch im übrigen Oberkrain dié Krötenopferung bis vor dem Krieg in einzelnen Fällen vorkam. Außer den gew erbsm äßig hergestellten Wachsvotiven, Tafel I, Fig. 2— 7, kommen in entlegenen Gegenden auch noch h a n d g e -

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f o r m t e Votive vor,die,weil in Deutschland nicht mehr gebräuchlich, unser besonderes Interesse wachrufen. Professor Tkalcic fand sie in verschiedenen Kirchen im Kulpatal (Kroatien), wie in Recica und konnte mehrere Exemplare für das ethnographische Museum er­ werben. ln Recica, wohin ich von Karlovac aus fuhr, konnte ich mich persönlich von ihrem Vorhandensein überzeugen. Es fanden sich männliche und weibliche Figuren, eine Hand und Kinder. Die Abbildungen sind nach den Objekten meiner Sammlung, die mir durch Vermittlung des ethnographischen Museums in Zagreb besorgt wurden, gefertigt. Die Bäuerin knetet diese Votive bei Bedarf aus freier Hand, wobei ihr ein dickes, vorher erweichtes W achsstück als Masse dient. Die. G röße der Figuren bew egt sich zwischen 10 und 15 cm, die Beine sind der leichteren Bildbarkeit halber geschlossen, manchmal deuten rohe Eindrücke am Kopfe schwach das Gesicht an. Die Arme sind entweder aus dem Stück heraus gefertigt, oder bestehen aus einem dünn gerollten W a ch s­ streifen, der um den Leib herumgelegt und ihm eingedrückt wird; vorne ist diese Rolle breit gedrückt und mit den Händen aneinander­ geklebt, wodurch die betende Handstellung zum Ausdruck gebracht wird. Kleiner, aber im Prinzip genau so gefertigt, sind die Kinder; die weiblichen sind dadurch kenntlich gemacht, daß am Hinterkopf ein Stückchen W e rg oder rote Wolle ins W a ch s gedrückt ist, den Zopf symbolisierend. Abweichend von diesen sogenannten Voll­ figuren wurde eine große männliche Gestalt dadurch hergestellt, d aß man das W achs wohl auf einer Tischplatte breit drückte, und dann die ungefähren Konturen herausschnitt, wodurch eine Art von flacher Utnrißplatte entstand. Tierfiguren in dieser Art sind mir nicht untergekommen. Die Kinder werden meist bei Unfruchtbarkeit gespendet, ln Recica fand ich auch doppelseitige, aus Formen ge­ gossene Votivfiguren, die wohl dadurch entstanden sind, d aß nur ein Halbmodel vorhanden war, und man zwei Güsse mit der nichtausgeführten Rückseite aneinanderklebte. Eine weitere Spezialität sind die zopfartig aus W achs ge­ flochtenen Ketten oder Kränze, Tafel 1, Abb. 1, die das ethn. Museum von Zagreb gleichfalls aus Recica erwarb. Bei meinen Unter­ suchungen an Ort und Stelle fand ich diese Ketten noch in großer Zahl in einer Kiste in der Sakristei der Dorfkirche aufbewahrt, während die übrigen der oben geschilderten Opfergaben nur sehr spärlich vertreten waren. Die Ketten werden aus rotem, weißem oder gelbem W ach s gefertigt, sind verschieden lang, meistens aber

54 erreichen sie einen Umfang, d a ß man sie über den Kopf bringt und um den Hals, oder nach Art der Brautkränze um die Stirne legen kann. Ursprünglich dienten sie als Votive gegen Kopfweh, jetzt hat sich nach Mitteilung des Dorfpfarrers bei der Bevölkerung die Sitte herausgebildet, sie sich am Patroziniumsfeste, dem einzigen Tage, wo alljährlich der Concurs stattfindet, in der Sakristei zur Opferung auszuleihen. Die spezielle Zwecksetzung scheint verlorengegangen zu sein. Der Brauch wird ganz allgemein, sei es als Heil- oder bloßes Präventivmittel geübt. Auch Votivkerzen werden mitunter dargebracht. Sie werden gew erbsm äßig hergestellt, sind mit ver­ schiedenen Verzierungen versehen und tragen ein Gnadenbildnis aufgemalt; auch sind sie öfters mit blauweißroten Streifen, den Landesfarben, geschmückt, ein merkwürdiges Zusammentreffen von Religion und Nationalismus. Ich komme im folgenden auf eine weitere Art von Opfergaben zu sprechen, die einen Uebergang zwischen W achs- und Holz­ votiven darstellen und in verschiedenen Orten Sloveniens Vor­ kommen. Ich wurde auf sie aufmerksam gemacht, durch fünf im Museum von Ljubljana vorhandene eigentümliche Pferdevotive, von denen ich eines gegen Tausch für meine Sammlung erwerben konnte. Wie die Abbildung, Tafel II, 8 zeigt, handelt es sich um äu ßerst primitive Bildungen, die aus der Hand gefertigt wurden Eine mehr oder minder dicke W achsschicht ist um ein einfaches aus Kork oder Holz bestehendes Innere gelegt; letzteres bildet sozusagen den Rahmenbau, das Gestell, das der W achsm asse den nötigen Halt gibt; die Beine bestehen aus roh geschnittenen Holzstäbchen, von denen das W achs schon zum Teil abgefallen ist. Die Mähne und der Schweif sind aus Wolle oder Seide in verschiedenen Farben, die dem weichen W achs eingepreßt sind. Es sind dies sämtlich ältere Stücke, die aus Begunje (Oberkrain) und Koprivnik (W ocheinerGegend) stammen und am Stephanstage geopfert werden. Außer diesen als Seltenheiten zu bezeichnenden Objekten besitzt das Museum noch eine Reihe von typischen Wachsvotiven, wie sie in den Lebzeltereien hergestellt werden und oben beschrieben wurden. Auf meiner Reise im Juli 1928 gelang es mir, noch weitere^ Fundorte für die beschriebenen Votive auszukundschaften: der slovenischen Geistlichkeit, die mir, so oft ich auch in verschiedenen Pfarrhöfen vorsprach, stets in liebenswürdigster W eise auf meine diesbezüglichen Fragen Auskunft gab, sei auch an dieser Stelle

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mein Dank zum Ausdruck gebracht. Gleich in der allernächsten Nähe Ljubljanas, in Stjepanovas, traf ich auf zahlreiche hölzerne Pferde von ziemlicher Größe. Es sind jüngere gew erbsm äßig gearbeitete Exemplare, an Spielwaren erinnernd; die hölzernen Tiere sind mit einer dünnen weißen W achsschicht überzogen; Mähne und Schweif sind aus Wolle, welche in eigens angebrachten Ritzen im Holze eingeklebt sind. Die Farben der Wolle wechseln, ziemlich häufig sind sie b lau w e iß ­ rot, den Landesfarben gleich; und gerade jene Exemplare waren es, auf die der Herr Pfarrer besonders stolz war, und mich ausdrücklich darauf aufmerksam machte; wiederum m ußte ich mich wundern, wie selbstverständlich bei diesem Volke Nationalgeftih! und Religion Zusammengehen und lächelte bei dem Gedanken, was ein deutscher Priester sagen würde, wenn man etwa in Altötting eine schwarzrotgoldene Votivkerze darbrächte. Ich glaube mich nicht zu irren, wenn ich vermute, d aß ein solches Objekt ziemliches Auf­ sehen erregen und möglichst schnell beiseitegeschafft würde! - -. Die Tiere, es sind nur Pferde vorhanden, werden hier am Stephansiag geopfert. Stjepanovas ist eine Filialkirche der Pfarrei St. Peter von Ljubljana; der Pfarrer, bei dem ich vorsprach, teilte mir mit, daß sich in seiner Pfarrei noch eine zweite Gemeinde, namens St. Martin, befände, in der gleichfalls solche Pferde dargebracht würden. Auch aus seiner Heimat in Oberkrain könne er mir zwei Orte nennen, wo ebenfalls Opfergaben zu finden seien. St. Stephan bei A dergaß und Smartno bei Cerklje, beide in der Nähe von Kranj. Ich fuhr also, es w ar ein glühend h eißer Tag, mit meinem Motorrad nach Cerklje, wo ich Mittags ankam und nach dem Essen mit einem Kaplan zu dem benachbarten Smartno hiniiberwanderte. Als ich die Kirche betrat, bemerkte ich sofort einen breiten, auf der linken Altarseite vor dem Chorgestühl stehenden, rot überzogenen Tisch, auf dem die W eihegaben an bestimmten Tagen des Jahres, nämlich an Martini und am Sonntage darauf, für den Opfergang bereit gestellt werden. In der übrigen Zeit sind sie hinter dem Hoch­ altäre in einer Vertiefung der Rückwand aufbewahrt; der Mesner schleppte mir das ganze Material herbei und als ich es aufgestellt hatte, hielt ich Auswahl. Es waren fast nur hölzerne bemalte Tiere ohne W achsüberzug vertreten und zwar Pferde und Rinder, Ochsen, Stiere und Kühe, mit oder ohne trinkendem Kalb. Tafel III, 3— 5. Ein einziges, ziemlich großes, wächsernes Pferd mit wollenem

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Schwanz und Mähne und zündholzartigen Beinen, in der ganzen Technik den Exemplaren des Museums von L. stark ähnelnd, konnte ich entdecken. Tafel II, 1. Es w ar wohl der einzige Ueberrest aus einer älteren, primitiveren Epoche. Die übrigen Tiere sind in stark wechselnder Größe, zwischen 10 und 30 cm Länge vor­ handen und meist gut geschnitzt, doch trifft man auch jüngere, spielzeugartige Tiere darunter. Bei manchen Pferden sind Schwanz und Mähne aus Wolle und bei einigen Rindern Ohren und Hörner aus Gummi oder Leder. Tafel III, 1, 2. Auf meine Frage, warum keine Schweine unter den Votiven seien, wurde mir erwidert, diese brauche man nicht, da man dafür am Antoniustage Schinken opfere. (Näheres darüber später). Einige Kilometer weiter nordwestlich erhebt sich auf einer Hügelkette, die das breite Savetal gegen Norden zu abschließt, das obengenannte Stephanskirchlein. In dem Kloster Adergaß hinterstellte ich mein Rad und stieg durch waldiges Gelände empor. In dem einsamen, fünf Minuten unterhalb der Kirche gelegenen M esnerhaus entlieh ich mir den Schlüssel und stieg dann vollends hinan zu dem verwitterten Bergkirchlein. Oben wehte ein frischer Wind und es bot sich ein prächtiger umfassender Blick auf die Karawanken einerseits und das Savetal mit seinen umgebenden Höhenzügen andererseits; die gesuchten Tiere standen auf einem Kasten in der Sakristei. Sie glichen in der Technik völlig den Holz­ votiven von Smartno, nur d aß die Pferde in der Ueberzahl waren. W achstiere sind mir von hier nicht erinnerlich. Auf weiteren Er­ kundigungen erfuhr ich, d aß der Brauch, solche Holzvotive zu opfern, sehr selten sei, und diese beiden Orte weithin die einzigen seien, wo er sich verbuchen lasse. Wie aus meiner Darstellung hervorgeht, handelt es sich dabei überall um Stephans- oder Martinskirchen, welche beiden Heiligen hierzulande die beliebtesten Viehpatrone sind. St. Leonhard fällt dagegen kaum ins Gewicht, dafür spielt St. Antonius der Ein­ siedler als Schweinepatron eine erhebliche Rolle, wie wir weiter unten bei Besprechung des Naturalienopfers sehen werden. Ein weiterer, schon jetzt bem erkbarer Unterschied zum deutschen Brauchtum liegt darin, daß es mit einigen Ausnahmen, wie z. B. Bistrica oder Brezje, keine eigentlichen Wallfahrtskirchen gibt, zu denen das ganze Jahr hin Pilger kommen. Meistens sind es Pfarrund Filialkirchen, bei denen nur an bestimmten T agen der Concurs

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stattfindet, wie am Stephans-, Martins- oder Antoniustag, zuweilen unabhängig davon, ob jene Heiligen auch wirklich die Kirchen­ patrone sind. E i s e r n e Opfertiere kommen, soweit mir bisher bekannt, nur ein einzigesma] vor und zw ar in St. Oswald im Drautal; der hart an der steirischen Grenze gelegene Ort ist aber noch deutsch­ sprachig und dem steirischen Brauchtum zuzuzählen, wo die Eisen­ votive noch sehr häufig sind, (vergl. Kriss: Wallfahrtswanderungen in Steiermark, in Festschr. für M arie-Andree-Eysn 1928.) Ich habe ihn daher auch schon in meinem damaligen Aufsatze besprochen, setze aber das wichtigste auch an diese Stelle. Das vorhandene Material, soviel ich weiß, nur Pferde und Rinder, soll den steierischen Typen mit dem aus einem dicken Eisenstab gehäm ­ merten Leib und den durchgesteckten oder eingekeilten Extremi­ täten völlig gleichen; diese roh geschmiedeten Opfergaben sind hier weit weniger zahlreich als an anderen Orten Steiermarks. Es sollen nur ungefähr 14 Stück vorhanden sein, und zwar deshalb, weil die Tiere hier nicht wie anderwärts herumgetragen werden, sondern lediglich das der Bitte entsprechende Stück berührt oder geschupft wird und dabei an seinem Platze verbleibt. Diese Art der Benützung macht eine größere Zahl überflüssig. Im eigentlichen Slovenien sind Eisenvotive unbekannt, und die drei eisernen Gpfertiere im Museum von Celje, deren Provenienz ich nicht ermitteln konnte, stammen wohl auch aus Steiermark. Ich gehe nun zur Besprechung weiterer Votivgaben über. Dabei fällt besonders auf, d a ß die Votivtafeln, wie sie in deutschen Gebieten gang und gäbe sind, fast völlig fehlen. Die bei uns so be­ liebten Darstellungen der eigenen Person, oder ganzer betender Familien, von Haus und Hof, Unglücksfällen usw., wie sie unsere Wallfahrtskirchen in bunter Mannigfaltigkeit schmücken, sind hier ungebräuchlich. Ich bemerkte solche Tafeln nur an zwei Orten und zwar in Ljubno und Brezje, beide in Oberkrain, wo der deutsche Einfluß noch in stärkerem M aße bem erkbar ist; doch waren es, wie sich bei der Lektüre des Textes dieser Tafeln ergab, fast aus­ schließlich deutsche Familien, von denen solche Darstellungen ge­ stiftet worden waren. Im Vergleich zu den zahllosen Heiligenbildern, modernen Farbendrucken mit schriftlich angefügter Widmung, die die Slovenen opfern, fielen sie kaum ins Gewicht. Der Um gang in der Gnadenkapelle von Brezje ist dicht behängen von solchen

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Heiligendarstellungen; meist steckt ein Zettel dabei, der den Dank des Stifters für eine erwiesene Gnade ausdrückt, in anderen Orten ist auch dieser Brauch verhältnism äßig selten. Brezje w ar der ein­ zige Ort, wo ich auch geopferte Krücken, Zöpfe, silbergefaßte Nadeln und Knöchelchen sah, wie sie bei uns so häufig sind. Auch der Inhalt der Krambuden des Kirchenplatzes von Brezje ist recht uninteressant. Er beschränkt sich auf neumodische Heiligenbilder, Medaillen, Gebetzetteln und ähnliche Dinge; die für den Volkskundler so belangreichen Amulette, Zaubersprüche und Segen fehlten gänzlich. An Stelle der Votivbilder fand ich in der W allfahrtskirche von Reinette bei Zagreb zahlreiche Wandmalereien, welche allerlei wuinderbare Heilungen darstellen, wie sie sich im 17. und 18. Jh. auf Fürbitte der M adonna hin ereignet haben. Sie füllen einen großen Teil des Gewölbes aus. Die Phantasie trägt dabei in dicken Farben auf. Da werden Tote auferweckt, Taubstum m e gesund und Teufel ausgetrieben, daß es nur so eine Freude ist. Dazu kommen die realistischen Ausmalungen der einzelnen Vorgänge. Der Teufel ist viermal abgebildet als ein schwarzer Kerl mit Hörnern, Flügeln, Schweif und Krallen. Man sieht u. a., wie er eine Person mit seinen Klauen am Arme festhält oder wie er sich, der größeren Macht der hilfreichen Gottesm utter unterliegend, zürnend abw endet und sein Opfer fahren läßt. Bei den Totenerweckungen erblickt man D ar­ stellungen, wo der Tote bereits auf einem Schubkarren zum Be­ gräbnis gefahren wird und plötzlich wieder aufsteht. Gewöhnliche Krankenheilungen sind hier gar nichts besonderes. Der die Male­ reien erklärende Begleittext ist in lateinischer Sprache abgefaßt und die einzelnen Ereignisse mit der Jahreszahl versehen. Ich komme nun auf den letzten Zweig des Votivkultes zu sprechen, der in Slovenien vor allen übrigen wohl den breitesten Raum einnimmt, nämlich auf das N a t u r a l i e n o p f e r . Soweit meine Informationen reichen, spielt es besonders in der deutschen Enclave von Gottschee (Kocevje), dessen verschiedene Gemeinden kirchlich unter dem Dekanate der Stadt Gottschee stehen, eine große Rolle. Es ist ja eine bekannte T atsache, d aß sich in der Diaspora die Sitten und Bräuche eines Volkes oft reiner erhalten als im Heimatlande. In solch isolierten Sprach- und Kulturinseln halten die Leute, die von der Entwicklung abgeschlossen sind, viel zäher an der alten überkommenen Tradition fest. So kommt es, daß

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hier im Gottscheer Kreis das Naturalienopfer, das im deutschen Mutterlande sich nur mehr in wenigen Resten erhalten hat, noch sehr im Schwünge ist. Der Dekan von Gottschee teilte mir bei meinem Besuche im Juli 1928 folgendes mit: Ein eigentlicher W all­ fahrtsort im obenbesprochenen Sinne existiert innerhalb seiner Pfarrei nicht, doch findet zu bestimmten Zeiten im Jahre bei- ge­ wissen Kirchen der Concurs statt. Dem hl. Antonius, dem Ein­ siedler, opfert man in seiner Kirche im Büchel bei Nesseltal Schinken. In der Kirche Corpus Christi bei Gottschee werden vier­ mal im Jahre (Sonntag nach Christi Himmelfahrt, Sonntag nach Fronleichnam, Sonntag nach Georgi und Sonntag nach Martini) Butter, Eier, Kopftiichel, Kleider, Korn, Kukuruz und Schinken ge­ opfert. Nach dem Gottesdienste werden die geopferten Gegen­ stände auf dem Kirchplatz an den Meistbietenden versteigert, der Erlös gehört der Kirche. Ein ähnlicher Brauch findet zweimal im Jahre in der Kirche am Leonhardsberg bei Götternitz statt, wie auch in Maria Schnee bei Tiefenthal. Opfergaben in figürlicher Form wie Wachsvotive, Tafeln usw. sind gänzlich unbekannt. Scheinbar sind diese Varianten des deutschen Kultes in der Ab­ geschiedenheit der Bewohner doch verloren gegangen. Umgekehrt hat aber die Sitte des Naturalienopfers in stärkerem oder geringerem M aße auf die slovenischen N achbar­ gebiete übergegrifi'en. So wird im Umkreise von Velike Lesce (nord­ westlich von G ottschee), wo ich im Pfarrhofe gleichfalls Er­ kundigungen einzog, der Sitte des Natufalienopfers von der slove­ nischen Bevölkerung in ziemlich bedeutsamen Ausm aße gehuldigt. Der Pfarrer teilte mir mit, daß auch hier der sogenannte Sautoni (Antonius der Einsiedler) sehr stark verehrt würde, und d aß man ihm in seiner Kirche in Gutenfeld an vier Markttagen im Jahre Schweinsfüße opfere. Außerdem würde zu bestimmten Zeiten auch zur hl. Maria vom Frieden, zur hl. Maria in Neustift und zum hl. Rochus gepilgert. An Naturalien bringe man Weizen, Schmalz und Butter. Ab und zu seien auch die hohlen wächsernen Votiv­ figuren zu treffen, die von den Gläubigen auf den Altar gestellt würden, und dort solange stehen blieben, bis sie zerbrächen, herunterfielen oder sonstwie abhanden kämen. Es gäbe dort Arme, Beine, Herzen, Figuren und Halbkörper; die Kröte sei unbekannt. Je weiter man nach Südosten vordringt, destomehr verliert sich die Sitte. In W eißkrain kommt noch die Opferung von Ge-

60 fiiigel, Korn und Wein zuweilen vor. In Kroatien stirbt der Brauch dann ganz aus. W ährend, wie mir Professor Tkalcic (Brief vom 31. 10. 1928) mitteilt, anläßlich verschiedener festlicher Begeben­ heiten, z. B. bei der Grundsteinlegung eines Hauses, der Vollendung eines Baues, Hochzeit- oder Todesfeierlichkeiten allerhand Gaben gespendet werden, ist der Brauch, solche natürliche Opferungen auch verschiedenen Heiligen darzubringen, nicht üblich. Mit Recht fügt Tkalcic hinzu: „Die Gaben, die von den Leuten anläßlich der Taufe, der Hochzeit, des Begräbnisses etc. der Kirche, d. h. dem Pfarrer gegeben werden, z. B. Handtücher, Leinen oder Hanf­ gespinst, Kerzen u. dergl. können meines Erachtens wohl nicht als Naturopferungen gelten. Vielleicht sind sie Rudimente eines solchen, aber mit den Heiligen haben sie nichts zu schaffen.” Dagegen kommt das Naturalienopfer noch vor in den, dem deutschen Einfluße noch stärker ausgesetzten Gebieten des nörd­ lichen Slovenien wie in Oberkrain und der Gegend von Celje; d aß in Smartno bei Cerklje dem hl. Antonius Schinken geopfert werden, habe ich bereits berichtet, ln der Gegend südlich von Celje opfert man nach mündlicher Mitteilung eines Kaplans von Bad Tiiffer dem hl. Antonius an den Stätten seiner Verehrung auch noch ganze lebende Schweine, w ährend man anderen Heiligen Butter und Eier darbringt; in St. Hermagoras kommen auch wächserne Opfertiere vor. St. Leonhard gilt zw ar auch als Viehpatron, wird aber nur wenig verehrt. Um mir den einzelnen Besuch der ungezählten Bergund Wallfahrtskirchen in der Gegend zwischen Celje und Ljubljana zu sparen, beschloß ich vorher Erkundigungen in verschiedenen Pfarreien einzuholen. Ich erfuhr dabei, d aß in den mir wegen ihrer exponierten Lage verdächtigen Bergkirchen von St. Leonhard und auf der Hl. Alpe gar nichts geopfert werde. Bei einer solchen Ge­ legenheit erzählte mir der Pfarrer von St. Oswald, an der S traße von Celje nach Ljubljana, d aß in seiner Gegend eine W allfahrt zu St. Valentin existiere, wo man lebende Schweine darbringe und eine andere zur hl. Lucia, wohin man Geflügel brächte. Das Schweine­ opfer für Antonius und das Opfer von Butter und Eiern wurde mir für jenen Bezirk ebenfalls bestätigt, jedoch ohne nähere Ortsangabe. II. Damit ist alles, was mir aus den nördlichen Gebieten Jugoslaviens bekannt wurde,erschöpft. ImOsten desLandes gibt es keine

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Votive in unserem Sinn. Hier ist die Bevölkerung griechisch-orthodox und die Lehren jener Konfession stehen der Entwicklung eines solchen Volksbrauches im W ege. Nur in einigen griechisch-katho­ lischen Wallfahrtskirchen an der Dalmatinischen Küste kommen silberne Votivgaben vor. doch ist dies dem römisch-katholischen Einfluße zuzuschreiben; doch darüber im dritten Hauptabschnitt! Das einzige, was ich in Qrthodoxen-Kirchen, wie z. B. in einer sehr alten W allfahrtskirche zur hl. Maria in Sarajevo fand, sind Heiligen­ bilder in oft sehr kunstvoller Ausführung, die von den Gläubigen als Ausdruck des Dankes oder der Bitte gespendet werden. Es sind dies keine Votivtafeln in unserem Sinne mit bildlicher Darstellung des Bittstellers, oder des in seinem Gebete intendierten W u nsch­ objektes. Doch wirken auch die massenhaft angebrachten Heiligen­ bilder auf den Beschauer oft sehr stark. Ich konnte mich dem tiefen Eindruck nicht entziehen, den die ebengenannte Kirche auf mich machte, die innen eine Unzahl von Marienbildern enthält, welche die W ände des Raumes bekleiden. Sämtliche Bildnisse sind gemalt und besitzen höchstens teilweise Auflagen aus Silber, wie z. B. die Krone der Madonna oder die Hände und F ü ß e der Mutter und des Kindes; oder es sind ungekehrt nur die Köpfe gemalt und die übrige Fläche des Bildes besteht nach russischem Vorbild aus flach getriebenem Silber. Fesselnd ist der Anblick der durch Alter und W eihrauch gedunkelten Bildnisse im Kontrast zum Glanze des Silbers im Kerzengeflacker zusammen mit der eigenartigen G e­ sam twirkung der Orthodoxen-Kirchen, die nach Vorschrift des Dogmas nichts Figürliches enthalten dürfen und diesen Mangel durch reichliche Anwendung von Gold und Silber ersetzen. Eine Folge dieser Vorschrift ist wohl auch das Fehlen von Votivgaben. Meine Forschungen hatten durchaus negative Ergebnisse; soweit ich in den Museen von Belgrad und Sarajevo überhaupt Opfergaben fand, stammten sie aus römisch-katholischen Kirchen. Aussagen der Fachleute ergaben dasselbe Bild; immerhin aber gebe ich zu, daß meine Untersuchungen, namentlich was Altserbien be­ trifft, noch unzureichend sind, also zu diesem Punkte vielleicht noch Ergänzungen möglich sind. In Bosnien gab es in den Franzis­ kanerklöstern von Kresevo und Foinica Silbervotive; sie sind jetzt dort nicht mehr vorhanden, was Kresevo betrifft, so wurden sie beim Umbau des Klosters verkauft. So fanden sich in den Museen von Zagreb, Belgrad und Sarajevo solche von dort stammende

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Silberopfer, die in ihrer Typik völlig den in den Küstengebieten unter italienischem Einfluß aufgekommenen gleichen. Soweit ich unterrichtet bin, drangen seinerzeit die Franziskaner ja auch von Dalmatien her in die mohammedanischen Gebiete Bosniens vor und gründeten im Innern des Landes ihre Niederlassungen, so d aß an­ genommen werden kann, d aß durch sie die Sitte des Votivopfers importiert wurde. Die vorhandenen Objekte sind aus dünnstem Silberblech gefertigt; meist sind die zur Darstellung gelangenden Arten aus rechteckigen Plättchen herausgetrieben. Ich sah männ­ liche und weibliche Figuren, einzelne Köpfe, Arme, Beine und Aügen. Besonders fielen mir die originellen Augenvotive auf, die aus feinem geschlagenen Silber mit eingesetzten roten Halbedel­ steinen oder Glas als Augäpfel bestehen. Aehnlich im Typ sind die Gesichter und Figuren mit den aus einem flach gehämmerten Silber­ streifen schwach herausgetriebenen Andeutungen von Nase, Augen, Mund und Ohren (siehe auch Teil III). A ußer diesen Opferungen im engeren Sinne kommen noch Fälie-vor, wo die gläubigen Frauen ihren silbernen Kopfschmuck herschenken oder flachgehämmerte Silberkronen zum Schmucke der Madonnenbildnisse spenden, ln Foynica teilte mir ein Franziskaner mit, d aß ausnahmsweise auch Kleider mit Stickereien gebracht würden, die die Kirche nachher wieder verkaufe. Dies sei noch der Brauch in St. Jakob (oberhalb Foynica im Gebirge) und in jaice beim hl. Antonius. Mehr habe ich nicht erfahren. Orthodoxe und M ohammedaner, bei welch letzteren der Monotheismus wohl am konsequentesten durchgebildet ist, haben den Brauch nicht entwickelt. Dafür findet man bei diesen ein ausgebildetes Amulettwesen vor, über das ich, obwohl es eigentlich nicht zu unserem Them a gehört, doch in Kürze das W ichtigste mitteilen will. Die Amulette bestehen aus geschriebenen Zetteln, welche der Hodza (B e­ zeichnung für die mohammedanischen Priester) auf Verlangen aus­ stellt. Diese enthalten meist irgend eine Zauber- und B eschw örungs­ formel, verschiedene magische Zeichen und schließen mit einem Abschnitt aus dem Koran. Man kann sich solche Schriftstücke für die verschiedensten Anliegen ausstellen lassen, am häufigsten sind sie für Kinder begehrt, die den bösen Einwirkungen des Verrufens und anderer schädlicher Einflüsse n a c h . dem Volksglauben am meisten ausgesetzt sind (vergl. Anton Hangi: Sitten und Gebräuche der Moslims in Bosnien und H erzegow ina). Solche Schutzbriefe schreibt zwar jeder Hodza, der darum gebeten wird, aber nach der

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Meinung der Leute vermag nicht ein jeder einen gleich wirksamen zu verfertigen, vielmehr stehen manche von ihnen im Rufe, ganz unfehlbare Amulette verfassen zu können; zu ihnen wird oft aus weiten Entfernungen gepilgert und man ist bei ihrer Bezahlung nicht sparsam. Zur Aufbewahrung dieser Schutzbriefe dienen ganz bestimmte Behälter, Tafel IV, 1, 2, 3, und zwar entweder kleine hohle, zylindrische Rollen von ca. 8 bis 10 cm Länge, oft aus kunst­ voll getriebenen oder mit Filigranmustern durchbrochenem Silber oder aber dreieckige Hülsen aus Silber oder rotem Leder, erstere ebenfalls in meist recht hübscher Ausführung. Man kann sie auf der Carsija, wie die Geschäftsviertel der größeren Orte heißen, überall kaufen. Das Amulett soll nicht geöffnet werden, und darf auch an keinem unreinen Orte aufbewahrt werden, damit das darin en t­ haltene Schriftstück, das je nach Art des Behälters gerollt oder zu­ sammengefaltet ist, seiner W irkung nicht verlustig geht. Der Brauch hat ein solches Ausmaß angenommen, daß er sich auch bei den katholischen Franziskanern einbürgerte. Auch die Mönche ver­ kaufen, schon aus Gründen der Konkurrenz, solche Schutzbriefe, welche in kleinen silbernen viereckigen Kapseln mit der Ein­ gravierung J, H. S. aufgehoben werden. Man bekommt diese Zettel an der Klosterpforte ausgefolgt. Sie sind zusammengeklebt, ich öffnete den meinigen aber doch, und fand nichts als eine gedruckte, kirchliche Benediktionsformel. Außer diesen am meisten verbreiteten Amuletten gibt es noch allerhand Anhänger, die gewöhnlich aus einem flach gepreßten Silberstück bestehen, das den Namen des T rägers eingraviert enthält, nebst verschiedenen Emblemen, die je nach der Konfes­ sionszugehörigkeit islamitische Symbole oder das christliche Kreuz­ zeichen vorstellen. Tafel IV, 4— 7. In Gegenden, wo beide Kon­ fessionen annähernd gleich stark vertreten sind, wie in Mostar, fand ich zuweilen beide Zeichen zugleich auf der Vorder- und Rück­ seite desselben Anhängers vereinigt, was wohl dem Verlangen nach doppelseitigem Schutze entsprungen ist, um für alle Fälle gedeckt zu sein. III.

Ich gehe nun zum dritten Eingangs gekennzeichneten Brauch­ gebiet über und bespreche die längs der dalmatinisch-kroatischen Küste vorkommenden Opfergaben, wie sie von dem fast aus­ schließlich römisch-katholischen Volke dargebracht werden. Im

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wesentlichen sind sie auf silberne W eihegeschenke und Votivbilder beschränkt. Die silbernen Opfer sah ich zuerst in einer marianäschen Wallfahrtskirche von Dance auf einer Halbinsel nächst Dubrovnik. Dort besteht nämlich eine frequentierte W allfahrt und die zahlreich geopferten Bildervotive, männliche und weibliche Figuren, Köpfe, Wickelkinder, Brüste, Rümpfe, Arme, Beine, Herzen, Augen und Ohren wurden zusam m engeschweißt und umfassen kranzartig, als ein imposanter Rahmen, das Gnadenbild auf dem Hochaltar. Auf der benachbarten Halbinsel Lapad liegt in einem Felseinschnitt die Wallfahrtskirche M adonna delle Grazie, die von Franziskanern be­ treut wird. Hier fanden wir zum erstenmal wieder die Votivtafeln in der auch in Deutschland üblichen Art. Besonders häufig sind Bilder von in Seenot befindlichen Schiffen mit W idm ung des be­ treffenden Kapitäns; leider fand ich keine plastischen Schiffs­ modelle, wie ich sie aus italienischen W allfahrtskirchen kenne. Es sind ferner nach Aussage des Superiors 200 Silberopfer vorhanden, die jedoch nicht zu sehen sind, da sie aus Sicherheitsgründen im bischöflichen Palaste verw ahrt sind und nur am 8. September, dem Hauptwallfahrertage, in der Kirche ausgehängt werden. Tafel IV. Diese Silbervotive kann man in ähnlicher Art in den Goldschmied­ geschäften von Dubrovnik auch heute noch kaufen. Sie sind aus rechteckigen silbernen Plättchen hervorgetrieben und meist ziemlich undeutlich; fast alle in den Kirchen geopferten Gegenstände, wie ich sie oben beschrieben habe, sind noch zu haben; Tiervotive sind an­ scheinend nicht gebräuchlich. Auf gefällige Ausführung der dar­ gestellten Objekte wird im allgemeinen wenig W ert gelegt, sie werden serienweise aus vorhandenen Formen gepreßt, die scheinbar wenig sorgfältig modelliert sind; doch kommen Ausnahmen vor. So kaufte ich bei einem Uhrmacher in Kotor ein Ohr und einen mit einem Tuch umwickelten Rumpf, welcher Gegenstand bei Ver­ rücktheit geopfert wird und die Zwangsjacke andeuten soll. Beide Gegenstände waren hübsch gearbeitet und fielen vom Durchschnitt weg. Tafel IV, sub. 8. Auffallenderweise fehlen die Wachsvotive. W eitaus der berühmteste W allfahrtsort des südlichen Dal­ matiens ist jedoch G ospa od Skrpjela. Die Kirche erhebt sich auf einer gleichnamigen Insel inmitten der Bocca di Cattaro in präch­ tiger Lage. Im hintersten Winkel der Bocca, die hier wie ein dunkler See zwischen den hohen kahlen Felsbergen Montenegros eingebettet liegt, ragen zwei kleine Inseln aus dem W a sser auf, beide mit Kirchen geschmückt. W ährend jedoch die eine davon, Sveto Juraj,

T a fe l I.

A bb. 1. W ac h sk rä n ze au s R ecica. A bb. 2—7. W a c h sv o tiv e a u s Z ag reb .

T a fe l II.

A bb. 1. O p ferp ferd a u s S m a rtn o . A bb. 2—7 W ac h sv o tiv e au s R ecica. A bb. 8. Opferpfercl a u s L ju b ljan a (L aibach).

T afel III.

A bb. 1. P ferd au s S tjep a n o v a c. A bb. 2. W ac h sp fe rd au s S m a rtn o . A bb. 3—5. H olzvotive a u s S m artn o .

T afel IV.

A bb. 1—3. A m u letth ü lsen . A bb. 4—7. A n h än g er, k a th o lis c h u n d m o h a m m e d an isc h . A bb. 8 und fo lg e n d e : S ilb erv o tiv e a u s D u b ro v n ik (R a g u sa ); O hr, R um pf au s K otor.

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ganz verlassen ist, bildet G ospa od Skrpjela den Hauptwallfahrts­ ort der Katholiken Dalmatiens, welche am T age Maria Himmel­ fahrt, am 15. August, hierher kommen. In der alten, halb verfallenen Küstenstadt Perast mieteten wir uns ein Ruderboot, auf dem wir in zehn Minuten das Inselchen erreicht hatten. . D as Innere der Kirche enthält a u ß e r dem Gnadenbilde eine Unzahl dünner Silbervotive, welche zu T ausenden die Längs- und Querwände der Kirche in Form einer \^/% rn breiten Bordüre erfüllen. Dort sind sie in unun­ terbrochener langer Reihe angenietet, nur im Chore ist noch etwas Raum frei für die alljährlich neu hinzukommenden Opfergaben. Unter ihnen sind auch Schiffe, Dampf- und Segelboote zahlreich vertreten. Daneben auch die übrigen Weihegeschenke, menschliche Figuren und einzelne Körperteile in der oben beschriebenen Art. Wie überall im Lande fehlen die Innenorgane au ßer dem Herzen und die Haustiervotive ganz. Auch die Darbringung hölzerner Schiffe und wächserner Gaben ist unbekannt, ln zwei Nebenräumen im Obergeschoß sind die Votivbilder wie in einer Bildergalerie auf­ gehängt; es sind meist Schiffsdarstellungen mit einer W idm ung des Kapitäns und häufiger Angabe des Ortes, an dem der Seesturm oder was sonst für ein Ereignis das Gelübde veranlaßte, stattfand. Man findet darunter Namen, von historischer Bedeutung. Im Erdgeschoße, neben der Sakristei, sind mehrere Schiffstaue, Anker und zerbrochene Gewehre zu sehen; letztere wurden geopfert, wenn bei dem Bruche der Waffe der Schütze ohne Verletzung davonge­ kommen war. Am 15. August findet auf der Insel ein feierlicher Gottesdienst statt, wozu sich zahlreiche Schiffe einfinden, die die Insel w ährend des Festes umlagern. . W a s für die römisch-katholische Gospa od Skrpjela, das bedeutet das serbische W allfahrtskloster Savina für die griechischorthodoxe Bevölkerung von ganz Herzegowina und Montenegro. Es liegt am Eingang der Bocca und ist von Hercegnovi aus in einer halben Stunde leicht zu erreichen. Eine alte, steinerne Treppe führt von der Küstenstraße durch prächtige Gartenanlagen empor zu Kirche und Kloster. Der etwas verwahrloste Park mit den frucht­ beladenen O rangen- und Zitronenbäumen, den dunklen Pinien und Zypressen bringt in seiner idyllischen Verträumtheit die weltent­ rückte Stimmung prächtig zum Ausdruck. Die einsame Ruhe wird durch nichts gestört. W ir steigen langsam aufwärts und betreten durch ein steinernes Portal den engeren Bereich des Klosters. Hart am Bergrand steht das kleine Gebäude, w ährend sich auf einem 3

66 grünen, von einem niederen Mäuerchen eingeschlossenen Platz die Hauptkirche und die ältere kleine Wallfahrtskapelle aus dem 11. Jh. erheben. Besonders letztere, mit dem wundertätigen Marienbilde, ist das Ziel der Wallfahrer, die am 28. August, dem T age Maria Himmelfahrt, nach orthodoxem Kalender, in Mengen hierher­ strömen. Die Kirche enthält prachtvolle Bilder der M adonna mit dem Kinde und anderer Heiliger. Diese dunkelgetönten Bilder mit den glänzenden Silberbeschlägen der griechisch-byzantinischen Stilperiode iiben auch hier wieder eine bezaubernde dekorative W irkung aus. In einem hohen Glasschreine sind auch Votivgaben aufbewahrt, wie sie früher auch hier geopfert wurden. Man sieht flache in Silber g epreßte Schiffe, Figuren, Köpfe, Augen und Glied­ massen, vorwiegend aber Madonnenbilder in jenem Kasten. Die Darbringung solcher Votive zählt in den griechischen Kirchen zu den Ausnahmen; doch hat sie sich hier wohl als Folge einer Ein­ wirkung des römisch-katholischen Brauchtums seitens der über­ wiegend zu diesem Bekenntnis gehörigen Bevölkerung in be­ scheidenem Umfange verbreitet. W ir wandern nun längs der Küste nach Norden. Bei einem Juwelier in Split fand ich aberm als einige Silbervotive, Männer, Frauen, Kinder und Schiffe, ähnlich jenen von Dubrovnik, nur etwas hübscher gefertigt. Eine halbe Stunde auß erh alb von Split liegt am M eeresstrand die katholische W allfahrtskirche von Poisan, die mir als besonders votivreich genannt wurde. An der Rückwand be­ merkte ich auch tatsächlich neben einigen Seefahrer-Votivtafeln fünf prächtige holzgeschnitzte Modelle von Segelbooten und ein blechernes Dampfschiff, alle in ganz respektablen Ausmaßen. Vor der Renovierung der Kirche gab es hier jedenfalls viel mehr, doch wurden sie entfernt und die wenigen Prachtexem plare nur als Dekorationsstücke übrig behalten. Derartige Modelle kommen in italienischen Wallfahrten, soweit sie von Seefahrern besucht werden, des öftern vor, hier in Jugoslavien gehören sie zu den Seltenheiten. Ich fand sie v/ieder in der orthodoxen Wallfahrtskirche von Senj, die in erster Linie von Seeleuten besucht wird. Das G ottes­ haus, eine Marienkirche, steht etwas außerhalb des Ortes. Im Innern derselben hängen an Drähten von der W a n d herab fünf große Segelschiffe, das größte davon wurde von der österreichischen Marine gestiftet und ist ungefähr zwei Meter lang und ein Meter­ hoch. Die vier übrigen sind etwas kleiner, vielleicht 60-80 cm lang.

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Andere Votive sind nicht mehr vorhanden und die Vorhalle der Kirche ist ganz leer. Auf der Insel Rab gilt die Kirche Madonna delle Grazie, eine der fünf Kirchen der gleichnamigen Stadt, als Wallfahrt. Ich konnte bei meinem Aufenthalte im Sommer 1927 beobachten, wie an einem Sonntag vormittag zahlreiche W allfahrer herbeikamen. Die Frauen zogen am Kirchenportal ihre Schuhe aus und rutschten dann in Strümpfen und auf den Knien durch die ganze Kirche bis vor das Gnadenbild, wo sie eine Zeitlang beteten; dieser Vorgang wiederholte sich dreimal hintereinander. Eine solche Wallfahrt muß jeden ersten Sonntag im Monat ausgefiihrt werden, so will es der Brauch und das Verlöbnis. Man kommt in den ver­ schiedensten Anliegen, Votive werden jedoch keine mehr mitge­ bracht, höchstens silberne Kerzen oder Schmuck. Dafür trägt jede Frau ein Körbchen am Arm, welches mit allerlei Naturalien, meist Obst, gefüllt ist; dieses wird hernach an der Klosterpforte abg e­ geben und hiefür seitens der Schwestern eine kleine Stärkung, Suppe oder Schnaps verabreicht. Ich beschließe meine Schilderungen mit Jugoslaviens be­ rühmtester Wallfahrtskirche am Trsat, oberhalb Susak, bei Fiume. Das Gnadenbild der dort verehrten Madonna del mare erinnert in seiner byzantischen Pracht an die M uttergottes von Czenstochau; der P apst hat es im Jahre 1715 selbst gekrönt. Der Ruhm der W a ll­ fahrt gründet s.ich auf ein höchst wunderbares Geschehnis. Am 10. Mai des Jahres 1291 nämlich wurde die sogenannte Casa Santa, das heilige Haus, darin die M uttergottes einstens in Nazareth ge­ w ohnt hat, von Engeln hier niedergesetzt. Himmlische Hände hatten es in Palästina in die Luft erhoben und übers Meer getragen; allerdings blieb der Trsat nicht sein endgültiger Standplat-z. N ach­ dem eine Zeit von drei Jahren verstrichen war, wurde es eines Nachts abermals entführt und setzte seine Reise über das Adria­ tische Meer hinweg fort, bis es die Engel in Loreto in Italien end­ gültig zur Erde niederließen. In Erinnerung des wunderbaren Geschehnisses jedoch ließ der Schloßherr der benachbarten Francopan-Burg auch am T rsat ein Gotteshaus erstehen, zu dem all­ jährlich am 15. August Tausende von italienischen und slavischen Pilgern herbeiströmen. Eine steinerne Stiege führt von Susak aus zur W allfahrtskirche empor. Von oben bietet sich ein einzigartiger Blick über den Golf von Fiume mit all seinen Küstenstädten und vorgelagerten Inseln. Auf einem freien Platze vor der Kirche be3*

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finden sich einige Krambuden, wo allerhand Devotionalien verkauft werden: Kerzen, Heiligenbilder, Walifahrtsmünzen, Rosenkränze, Muttergottesfiguren aus verschiedenstem Material angefertigt und ähnliche Dinge, billige und teuere, aber meistens unschöne Fabriks­ ware. In einem Stand gab es auch noch Votive zu kaufen, doch ist nur ganz minderwertige W are vertreten und zwar in drei Gattungen: Figuren, Arme und Beine. Sie sind aus gelblichem W achs, das noch stark nach Honig riecht, gepreßt. Jedoch handelt es sich um kleine, ganz flache Gebilde, die nicht viel mehr als die äußeren Konturen des G egenstandes — nicht einmal Männer und Frauen sind zu unter­ s c h e id e n — erkennen lassen. Das Innere der Kirche ist aus früherer Zeit behängen mit zahlreichen Votivtaxeln, die sich meist auf in Seenot befindliche Schiffe beziehen. Die ältesten Segelboote.und die modernsten Dampfschiffe sind hier im Bilde festgehalten, fast wie in einem Museum kann man die Entwicklung der Schiffahrt auf der Adria verfolgen. Auch das hölzerne Modell eines Segelbootes hinter Glas und Rahmen konnte ich bemerken. Mitunter wird auf histo­ rische Ereignisse und Persönlichkeiten angespielt, so bedankt sich der Capitano Cosulich für Rettung aus g rö ßter Seenot, und ein ein­ gerahm ter Zeitungsausschnitt enthält den Bericht vom Untergang der Titanic im Jahre 1914; er wurde wohl von einem Passagier, der dem Tode des Ertrinkens entronnen war, hier aufgehängt. Hinter dem Gnadenaltar sah ich noch einige Krücken und Bruch­ bänder. Um das Gnadenbild herum, das ein goldgrundiertes Ge­ mälde der M adonna mit dem Kinde darstellt, hängen silberne W eihegaben, fast nur Herzen und Schmuck. An den W änden und der Decke der Kirche erblickt man mehrere Gemälde, die die Ent­ stehungsgeschichte der Wallfahrt, den englischen T ran spo rt des heiligen Hauses und w as damit zusammenhängt, zum Vorwurf haben. Von den zahlreichen Votiven, mit denen früher einmal das ganze Kircheninnere gespickt war, ist jetzt nichts mehr zu sehen. Ein P ater sagte mir, sie seien verkauft.worden. Damit bin ich am Ende meines Aufsatzes angelangt. Wenn er zu erschöpfenderer Darstellung des interessanten Stoffes seitens einheimischer Gelehrter Anlaß gibt, so ist sein Zweck vollauf er­ reicht. Als landesfremder Reisender konnte ich eben nur über das, was ich mehr- oder weniger durch Zufall beobachten konnte, be­ richten. Berchtesgaden, Oktober 1929.

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Literatur der Volkskunde. P e tr i, B. E ., N a r o d n o e i s k u s s t v o v Sibiri. V o p r o s y s o b i r a n i j a i izu c e n ija . ( V o l k s k u n s t in S ibirien. F r a g e n d e r S a m m l u n g u n d E r f o r s c h u n g . ) S i b i r is c h e r S t a a t s v e r l a g , I r k u t s k e r A b te ilu n g 1923. 29 S. m it 19 Abb. D e r b e k a n n t e I r k u t s k e r E t h n o g r a p h u nd A rc h ä o lo g , P r o f e s s o r an d e r d o r tig e n S ta a t s u n i v e r s i tä t, will m it d e r v o rl ie g e n d e n Schrift einem g r ö ß e r e n P u b lik u m eine A n le itu n g z u m S a m m e ln so w ie z u r w is s e n s c h a ftlic h e n V e r­ a r b e i t u n g v o n D e n k m ä l e r n d e r V o lk s k u n s t g e b e n . E r e rk lä rt, e b en s o , w ie m an die W ir t s c h a f t s l a g e ein es V olkes s o w ie seine V o lk slite r a tu r erfo rs ch te , e b e n s o m ü ß t e n s y s te m a t i s c h a u c h die G e g e n s t ä n d e d e r V o l k s k u n s t g e s a m m e l t un d a u s g e w e r t e t w e r d e n . F ü r die M u s e e n k ä m e n in F r a g e : 1. K in d e rz e ic h n u n g e n , 2. Z e i c h n u n g e n von E r w a c h s e n e n , 3. K in de rsp ielze u g, 4. O r n a m e n t e u n d V e r­ z ie r u n g e n , 5. Religiöse D a r s te llu n g e n . — D ie se s ku rz d e r I nh a lt d e s e rsten Kapitels. D a s z w e i t e K apitel „ E in ig e t h e o r e ti s c h e M itte ilun ge n, die beim Stu d iu m d e r F r a g e n o t w e n d i g s i n d “ , ist fü r u n s i n t e r e s s a n t e r als d a s e r s t e Kapitel, d a s eig entlich n ic h ts N e u e s b rin g t. E s sei d e s h a lb au f d a s z w e i t e Kapitel n ä h e r e in g e g a n g e n . P e tr i b e k l a g t es, d a ß b i s l a n g die K u n s tg e s c h i c h t e n m e i s t noch im m e r m it d e r D a r s t e l l u n g d e r K u n s t A s sy rien s , P h ö n iz ie n s u n d Ä g y p t e n s b e g ä n n e n u n d g a n z vo n d e r K u n s t d e r N a t u r v ö lk e r a b s ä h e n , w o d o c h auch die K u n s t ü b u n g e n d ies er alten H o c h k u l tu rv ö l k e r auf ein em sc h o n v o n a n d e r e n V ölkern a u s g e b il d e t e n B o d e n sich e n tw ic k e lt h ä tt e n . M a n b r a u c h t e n u r auf Völker, w ie die T u n g u s e n u n d die J a k u t e n als G r a p h i k e r o d e r auf T s c h u k t s c h e n und E s k im o als P l a s t ik e r z u se h e n , u m sich vo n d e m B e s t e h e n e iner K u n s t d e r N a t u r v ö lk e r zu ü b e r z e u g e n . Die K u n s t d e r Prim itiv en w i r k t sich n a c h P e tr i u n t e r B e v o r z u g u n g d e r z e ic h n e r isc h e n u n d m a le ris c h e n K ü n s te n o c h in d e r S k u l p t u r u n d teilw eise in d e r A r c h i te k tu r aus. N a c h d e m P e tri ein ige W o r t e ü b e r die U r s a c h e n g e s a g t h a t, a u s d e n e n eine K u n s t b e t ä t i g u n g d e s prim itiven M e n s c h e n flie ßen k ö n n t e , k o m m t er zu ein er Klassifikation d e r O r n a m e n t e . E r u n te r s c h e id e t drei A rten von O r n a m e n t e n : 1. sy m b o l is c h e O r n a m e n t e — 2. a rc h i te k t o n is c h e O r n a m e n t e u n d 3. t e c h n i s c h e O r n a m e n t e . D a s s y m b o l i s c h e O r n a m e n t ist n a c h P e tr i im m e r ein fig ü r­ liches. Seine A n sic ht ist die, d a ß d e r prim itive M e n s c h sich se l b s t o d e r sein H a u s, sein e G e g e n s t ä n d e u n d W a ff e n m it einer D a r s t e l l u n g se in er G o tth e it s c h m ü c k t . D iese D a r s t e l l u n g stellte den M e n s c h e n o d e r den G e g e n s t a n d u n te r den S c h u tz d e r b e tr e ff e n d e n G o tth e it. N u n w e r d e a b e r die G o t t h e i t n ich t i m m e r v o lls tä n d ig d a rg e ste ilt, s o n d e r n n u r ein b e s o n d e r s k e n n z e ic h n e n d e r T eil o d e r ein e b e n s o lc h e s M e rk m al, w ie Kopf, G e w e ih , Fell, P fo te , S p u r u sw . D e r e rste K ü nstler, d e r ein e so lc h e G o t t h e i t z u r D a r s t e l l u n g b ra c h t e , w a r n o c h b e s t r e b t , sie so ähnlich wie m öglic h de m V orbild, ein em m y th is c h e n m e n s c h e n - o d e r tie räh n lich e n W e s e n , zu g e sta lte n , w ä h r e n d die N a c h k o m m e n sich sc h o n an die v o r h a n d e n e k ü n s t l e r i s c h e D a r s t e l l u n g hielten u n d diese im Laufe d e r Zeit i m m e r m e h r u n d m eh r, s c h e m a ti s ie r t und a b g e w a n d e l t w u r d e , so d a ß d a r a u s endlich g e o m e t r i s c h e G e b ild e e n t s tä n d e n , die j e d o c h von den H e rstellern n o c h g u t begriffen w ü r d e n u n d v o n ihnen e r lä u te r t w e r d e n

70 k ö n n te n . Bei ein em R e lig io n sw e c h se l e t w a k ö n n e n solc h e O r n a m e n t e ganz die alte B e d e u t u n g v erlieren u n d zu e infa che n V e r z i e r u n g e n w e r d e n . U n t e r A r c h i t e k t u r O r n a m e n t v e r s t e h t P e tr i eine V e r b i n d u n g vo n Linien, P u n k t e n , F ig u re n , T ie re n , B lättern , o h n e eine v e r b o rg e n e B e ­ d e u tu n g , die z u r V e r z i e r u n g ein es G e g e n s t a n d e s auf d ies em z u r D a r s t e l l u n g g e b r a c h t w e rd e n . Als d r itte O r n a m e n t a r t u n t e r s c h e id e t P e tr i d a s t e c h n i s c h e O r n a m e n t, d a s se inen U r s p r u n g in d e r H e rs t e l l u n g s t e c h n i k ein e s G e g e n ­ s t a n d e s hat. D e m Inhalt n a c h u n t e r s c h e id e t P e tr i P fl a n z e n o r n a m e n t, T i e r o r n a m e n t u n d g e o m e t r i s c h e O r n a m e n t e u n d n a c h d e r A u s f ü h r u n g : F lä c h e n -, H ohl- o d e r T ie f- O r n a m e n t , e r h a b e n e s R e lie fo rn a m e n t u n d schlie ßlic h F la c h re lie fo rn a m e n t. W e i te rh in s p r ic h t P e tri v o n d e r T e c h n ik u n d m a c h t se inen L e s e r n den U n te r sc h ie d z w i s c h e n O r n a m e n t m o t i v u n d O r n a m e n t k o m p o s i ti o n k la r u n d b e h a n d e lt w e ite rh in die G e s e t z e v o n R h y t h m u s und S y m m e tr ie , n a c h d e n en alle O r n a m e n t e a u f g e b a u t sind. D a s dritte K apitel (S. 20— 24) b e h a n d e l t die „ M e th o d e n z u r E r f o rs c h u n g vo n V o l k s o r n a m e n t e n “ . Z u n ä c h s t h a n d e l t e s sich n a tü rlich um die B e s c h a f fu n g ein es m ö g lic h s t u m f a s s e n d e n T a t s a c h e n m a t e r i a l s , d a s a u c h w ic h ti g ist, um in den M u s e e n v o r h a n d e n e n ich t g e n a u b e s t im m te S tü c k e e in o r d n e n u n d für die F o r s c h u n g v e r w e r t e n z u k ö n n e n . Bei d e r B e a r b e i t u n g s t e h e n z w ei W e g e offen, u n d z w a r ein m al die A u fs te llu n g einer v e r g le ic h e n d e n U e b e r s ic h t d e r O r n a m e n t m o t i v e m it d e r K u n s t v e r s c h i e d e n e r N a c h b a r v ö l k e r u n d z w e ite n s die B e s c h r ä n k u n g d e r A n a ly se auf ein b e s t i m m t e s G e b i e t o d e r Volk. P e tri meint, d a ß d e r e r s t e W e g w e g e n d e r auffa lle nde n G le ic h heit d e r v e r s c h i e ­ d e n s t e n O r n a m e n t e bei v e r s c h i e d e n e n V ölke rn oft z u F e h ls c h lü s s e n fü hren k ö n n te , w e s h a l b die e r ste M e t h o d e v o r z u z ie h e n w ä r e , die ü b e r h a u p t bei de r E r f o r s c h u n g d e r O r n a m e n t ik d e r N a t u r v ö lk e r g e g e b e n w ä re . Sie k ö n n e j e d o c h n u r bei de m V o r h a n d e n s e i n re ic h e r u n d s t r e n g w i s s e n s c h a ftlic h g e s a m m e l t e r M a terialien a n g e w e n d e t w e r d e n u n d s e t z t e U n t e r s u c h u n g e n an O r t u n d Stelle, bei d e m in F r a g e s t e h e n d e n Volk, v o ra u s. „ I n d e m w ir im b e s o n d e r e n zu d e m O r n a m e n t d e r Sibirien b e w o h n e n d e n V ölker ü b e r g e h e n , ü b e r z e u g e n w ir uns, d a ß w i r in dies em G e b i e t bei u n s n u r eine ä u ß e r s t g e r in g e A nz ah l von F o r s c h u n g e n z u r V e r f ü g u n g h a b e n , u n d das, w a s g e d r u c k t ist, stellt b ish e r kein M a te r ia l dar, auf d e s s e n G r u n d l a g e m a n irg e n d w e l c h e V e ra l l g e m e in e r u n g e n m a c h e n o d e r a u c h n u r die E le m e n t e a uf­ kläre n k ö n n te , a u s d e n en sich d a s O r n a m e n t d e r e inzelnen Sibirien b e w o h ­ n e n d e n V ö lk e r sc h a f te n e n tw ic k e lt hat. D a s P r o b l e m d e s sibirisch en O r n a m e n t s w ird ä u ß e r s t k o m p liz ie r t infolg e d e r e th n i s c h e n V e r s c h ie d e n a r t i g k e i t Sibiriens, se in er k o m p liz ie rte n g e sc h ic h tlich e n E n tw ic k l u n g , die m it v e r s c h i e d e n a r t ig s te n E in flüssen H a n d in H a n d g e h t, in d e r e n F o lg e sich die B e w o h n e r m it a n d e r e n V ö lk e rsc h a fte n v e r m is c h te n , so w ie d u r c h die E n t l e h n u n g bei d e r A s sim ilie rung o d e r d e r V e r m is c h u n g g a n z e r V ö l k e rg ru p p e n . A rb e ite n a llg e m e in e n C h a ­ r a k te rs , in d e n e n einig e a llg e m e in e G r u n d z ü g e g e g e b e n o d e r die R ic h tu n g für eine w e ite re E r f o r s c h u n g a u f g e s te llt w ä r e n , g ib t e s nicht, u n d e s ist leicht, sich d a v o n z u ü b e r z e u g e n , d a ß g e g e n w ä r t i g die d r i n g e n d s t e A u f g a b e in d e r E r f o r s c h u n g d e s sibirischen O r n a m e n t e s die S a m m l u n g u n d V e rö ffen tlic h u n g

71 von M aterialien z u r O r n a m e n t i k d e r ein zelnen V ö lk e r sc h a f te n S ib irie ns ist, so w ie d e r je n ig e n V ölker, die m it ih n en in u n m it t e l b a r e B e r ü h r u n g g e k o m m e n u n d d e m o h n e h in s c h o n r e ic h en u n d v iela rtig en sibirischen O r n a m e n t n e u e E le m e n t e h i n z u g e f ü g t h a b e n “ . Um so lc h e F o r s c h u n g e n zu erleichtern und ein heitlich er zu g e sta lte n , h a t P e tri einen F r a g e b o g e n a u s g e a r b e i t e t , den e r in se in er Schrift v e r ­ öffentlicht, u n d um den F r e u n d e n u n s e r e r W is s e n s c h a f t eine g e n a u e B e u r ­ t e ilu n g m ö g lic h zu m a c h e n , will ich d ieses n ü tzliche Hilfsm ittel e benfalls m itteilen: 1. Einführung. 1. K u rz e C h a r a k t e ri s t i k d e s V o lke s im Z u s a m m e n h a n g m it W o h n g e b i e t , L e b e n s a r t u n d religiösen V o rs te llu n g e n . 2. Die w i c h ti g s t e n M o m e n te se in er G e s c h ic h te ( m it b e ilä u fig e r B e ­ m e r k u n g d a r ü b e r , m it w e lc h e n a n d e r e n V ö lk e r s c h a f te n e s in B e r ü h r u n g g e ­ k o m m e n ist, u n t e r w e l c h e m K ultu reinflu ß es sich b e fin d e t u n d w e l c h e E n t ­ l e h n u n g e n m a n a n z u tre f f e n e r w a r t e n k a n n ) . 3. B e s i tz t d a s Volk in d e r G e g e n w a r t sein e alten O r n a m e n t e in voll­ k o m m e n e m A u s m a ß o d e r h a t es diese in g e w i s s e n G e b i e t e n v e r lo r e n und d u r c h E n t l e h n u n g e n ( v o n w e m ) e rs e t z t o d e r d u rc h F a b r i k s w a r e . 4. G r ü n d e d e s V e r s c h w i n d e n s einer O r n a m e n t ik a n b e s t im m te n O rten. II. U ebersich t über die P roduktion und die G egen stän d e, auf denen O rnam ente d a rgestellt sind. 1. D a s A e u ß e r e d e s G e g e n s t a n d e s . 2. M aterial, a u s d e m er b e ste h t. 3. B e d e u t u n g d e r G e g e n s t ä n d e u n d ihre Rolle im L eb e n d e s Volkes. 4. A lter d e r G e g e n s t ä n d e . 5. K ü n s tle r u n d K ü n s tle r in n e n — B e s o n d e rh e i te n ih rer g e se llsc h a ft­ lichen S te llu n g im Z u s a m m e n h a n g m it ih rer K u n s t (vgl. A b s c h n itt 111 d e s Program m s). 6. A r b e i ts g e rä t. 7. A rb e i ts m e t h o d e n . Anmerkung, j e d e P r o d u k t i o n s a r t m u ß in ein em K apitel o d e r einem b e s o n d e r e n A b s c h n i t t b e h a n d e l t w e rd e n .

b e s o n d e re n

III, D ie H ervorbringer und Schöp fer d e s O rnam entes. IV. A llgem ein e Charakteristik d e s O rnam entes und A n alyse der O rnam ent­ m otive nach T hem en (su je ts ). V, D ie ornam entalen M otive. 1. W a s stellt d a s O r n a m e n t d a r ( d a r g e s t e ll t e s T h e m a ) . 2. W e l c h e religiösen V o r s te llu n g e n sind m it d e m in F r a g e st e h e n d e n G e g e n s t a n d v e r k n ü p f t u n d w e l c h e Rolle sp ielt le t z te r e r in d e m religiösen L ebe n d e s Volkes. 3. H e r k u n f t de s O r n a m e n t m o t i v e s . 4. Die V a ria tio n e n d e s M otives.

72 5. R e s u l ta t d e r E n tw ic k l u n g d e s O rn a 'm en tm o tiv es . 6. W e l c h e K o m b in a tio n e n g e h t d a s M otiv m it a n d e r e n M o tiven ein, A n m e r k u n g . J e d e s einzelne o r n a m e n ta l e Motiv w i r d n a c h d a r g e l e g t e n P la n b e a r b e ite t.

dem

VI. Varianten von O rnam entm otiven in A b h än gigk eit von d er H erstellu n gs­ tech nik; B edingungen des O rnam entcharakters in A b h ängigkeit von M aterial und T echnik. VII. A llgem eine S ch lu ß folgeru n gen und Stelle d es untersu ch ten O rnam entes in der R eihe der O rn am en te anderer V ölkerschaften. VIII. A rt der durch den A utor an g ew a n d te n R eproduktion d er O rn am en te: D urchzeächnung, P h otograp h ie, Z eichn un g, S ch em a u sw . in einem S c h l u ß a b s c h n i t t vo m Kapite l 111 w e n d e t sich P e t r i d a g e g e n , O r n a m e n t e n a c h d e n P ro d u k t i o n s t e c h n i k e n o d e r d e m M a terial zu u n t e r s u c h e n , auf d e m sie e r sch e in en , also e t w a N ä h o r n a m e n t e , in Holz g e s c h n it z t e O r n a ­ m ente , S c h m ie d e o rn a m e n t e u s w . O r n a m e n t e m ü ß t e n n a c h den Q raam eib ■ m otiv e n u n t e r s u c h t w e r d e n , d e n n „ je d e s O r n a m e n t m o t i v ist ein v o lls tä n d ig g e n a u b e s t i m m t e s M u s te r, d a s alle sein e E ig e n tü m lic h k e ite n b e w a h r t , auf w e lc h e m M a terial es a u c h im m e r a u s g e f ü h r t i s t “ . Kapitel IV b r i n g t „ E in ig e W o r te ü b e r die U n t e r s u c h u n g a n d e r e r Z w e ig e v o lk stü m lic h e r d a r s t e l l e n d e r K u n s t “ , w o rin au f K in d e r z e ic h n u n g e n , E r w a c h ­ s e n e n z e ic h n u n g e n unc! religiöse D a rs t e l l u n g e n h in g e w ie s e n wird. A b s c h n i t t V e n th ä lt „ B e m e r k u n g e n zu d e n Z e i c h n u n g e n “ . S o w e i t also d e r In halt von P e t r is Schrift. E s ist von m ir r e c h t a u s ­ führlich auf P e t r is G e d a n k e n g ä n g e h i n g e w ie s e n w o rd e n , d a die O r n a m e n t ik de r sib irischen V ölker u n s eine s d e r w ic h ti g s t e n Mittel in die H a n d gibt, n ä h e r in die K u ltu r g e s c h ic h te d e r ein zelnen V ölker e in z u d rin g e n . W i r k ö n n e n nicht nur, wie P e tr i es will, a u s d e n ge sc h ic h tlic h e n V o r g ä n g e n R ü c k s c h lü s s e d a h in z ielen d g e w in n e n , w e lc h e O r n a m e n t e w i r bei ein em Volke ü b e r h a u p t e r w a r t e n d ürfen , s o n d e r n die O r n a m e n t e s a g e n u n s bei d e m F eh len h isto ris ch e r N a c h ric h te n , w ie es d o c h in Sibirien die R egel ist, w ie die kulturelle E n t ­ w ic k lu n g ein es V o lkes ve rla ufen ist, u n t e r w e l c h e E inflüsse es gerie t, und so m i t w ir d die O r n a m e n t k u n d e zu e iner d e r w i c h ti g s t e n k u ltu r h is to r is c h e n H ilfsw iss en s ch a fte n . U e b e r h a u p t sc h e in t m ir die h isto ris c h e F r a g e s t e l l u n g a u c h fü r die sibirisch en V ö lk e r sc h a f te n ü b e r die M a s s e n v e r n a c h lä s s ig t zu sèin. Die b i o ß e b e s c h re i b e n d e V ö lk e rk u n d e, die den kultu relle n T a t s a c h e n b e s t a n d ein es im w e ite n Sinne als G e g e n w a r t zu b e z e ic h n e n d e n Z e i t r a u m s u n t e r s u c h t , b e d a r f r e c h t d r i n g e n d ein es h isto ris c h e n U n t e r b a u e s , den zu liefern in d e r H a u p t s a c h e die V o r g e s c h ic h t e in d e r L a g e ist, o h n e d e r e n E r g e b n i s s e eigentlich nicht m e h r r e c h t g e sc hic htliche V ö lk e rk u n d e g e tri e b e n w e r d e n k a n n , a u ch n icht in Sibirien. Die O r n a m e n t k u n d e Sibirie ns b e d a r f d e s v o rg e sc h ic h tlic h e n U n t e r b a u e s g a n z b e s o n d e r s dringlich, n u r fehlt e s m e ist n o c h an U rm a te ria l, bei d e sse n H e r b e i s c h a f f u n g P r o f e s s o r P e tri als einer d e r allerfleiß igsten un d e rfo lg re ic h ste n M i t a r b e i te r g e n a n n t w e r d e n m u ß . E r u n d seine S c h ü le r sind in Sibirien f a s t die ein zigen, die sich von d e n P u b l i k a t i o n s z e n t r e n de'r S o w j e t ­ union, M o s k a u u n d L e n in g ra d , u n a b h ä n g i g g e m a c h t u n d ihre A rb e ite n an

73 O rt u n d Stelle, in Irkutsk, v e röffen tlich en u n d d a d u r c h A u ß e r o r d e n t l ic h e s für d a s A n s eh e n d e r sibirischen W i s s e n s c h a f t g e le istet h a b e n . Z u d e m zu B e g in n d e r B e s p r e c h u n g a n g e f ü h r t e n H in w e is P e t r is auf die g r a p h is c h e K u n s t d e r T u n g u s e n und J a k u t e n , k a n n m a n s a g e n , d a ß die J a k u t e n eig entlich hier nich t zu n e n n e n w ä r e n , d a sie die E r b e n einer a u s d e r w e s tlic h e n H o c h k u l tu r s t a m m e n d e n K u n s t ü b u n g sind, u n d a u ch die S te llu n g d e r tu n g u s i s c h e n K u n s t ist v o rläu fig n o c h r e c h t rä ts e lh a ft, im m e rhin , w e n n die J a k u t e n ihre K u n s t in d e r H a u p t s a c h e a u s de m W e s t e n b e z o g e n h a b e n , so h a t e s den A n sche in, als ob die T u n g u s e n , w e n i g s t e n s die östlichen, von C h in a her, E inflüsse a u f g e n o m m e n h a b e n . Im m e rh in blicken w i r vo rläu fig in diesen F r a g e n n o c h nicht g a n z klar, d a S p e z ia l u n te r s u c h u n g e n n u r ü b e r die ■Amurvölker v o rlie g en (v o n B. L ä u fe r). Die S c h ild e r u n g d e r - E n t s t e h u n g d e s s y m b o lis c h e n O r n a m e n t e s d urc h Petri ist n a türlich ein e D e d u k tio n , u nd es ist eine offene und vielleicht a uch m ü ß i g e F r a g e , w e l c h e O r n a m e n t e u r s p r ü n g l i c h e r sin d : die figürlichen o d e r die g e o m e t ri s c h e n . Auf d e d u k tiv e m W e g e k ö n n e n w ir a b e r ü b e r h a u p t nicht zu e in er B e a n t w o r t u n g d ies er F r a g e k o m m e n . Hier ist w i e d e r u m a ussc hlie ß lic h eine Z u s a m m e n a r b e i t m it d e r V o r g e s c h ic h t e u n d die F e s t s t e ll u n g n o t w e n d ig , w i e w e i t sich die O r n a m e n t e eine s b e s t im m te n V o lke s a u ch in d e r v o r g e ­ s c h ichtlic hen H i n t e r l a s s e n s c h a f t se in er V o r f a h r e n (kulturell g e s p r o c h e n ) fe s t­ stellen lassen. E r s t w e n n w i r d a A n h a l ts p u n k te g e w o n n e n h a b e n , k ö n n e n wir zu solchen F r a g e n e r n s t h a f t S te llu n g n e h m e n , o b in einem b e s t im m te n G e b ie t die figürliche O r n a m e n t ik d e r g e o m e t ri s c h e n v o r a n g e g a n g e n ist o d e r nicht. Ich m ö c h t e bei d ies er G e l e g e n h e i t n ich t verfehlen, auf eine B e o b a c h t u n g M ax S c h m id t s h in z u w e ise n , d e r sich so e in g e h e n d m it den A n f ä n g e n d e r O r n a ­ m e n tik b e s c h ä f t ig t h a t u n d n e u e r d i n g s a u c h die te c h n is c h e n V o r a u s s e t z u n g e n bei d e r E n t s t e h u n g v o n O r n a m e n t e n in S ü d a m e r i k a in ein er g r o ß e n z u s a m m e n ­ f a s s e n d e n A rbe it b e h a n d e lt h a t (Die te c h n is c h e n V o r a u s s e t z u n g e n in de r O r n a m e n t ik d e r E in g e b o r e n e n S ü d a m e r i k a s , J a h r b u c h fü r P r ä h i s t o r is c h e un d E t h n o g r a p h i s c h e K un st, j g . 1926, S. 142 bis 174). Hier h a n d e l t e s sich um die feine B e o b a c h tu n g , d a ß bei d e n In d ian e rn d e s X i n g u q u e ll g e b ie te s d a s ­ se lbe G e f l e c h ts m u s te r m o ti v (a ls o ein t e c h n i s c h - o r n a m e n t a l e s M otiv n a ch P e t r is T e r m i n o lo g i e ) , u n d z w a r in diesem Falle d e r auf d e r Spitze s t e h e n d e R h o m b u s , ein m al m it d e m Fisc h m o tiv , d a s a n d e r e Mal m it d e m V o g e lm o tiv und d a s dritte M al m it d e r m en s c h lic h e n F i g u r als M otiv v e r b u n d e n ist. M ax S c h m id t sc h r e i b t d a zu (V ö lk e rk u n d e , Berlin, Ullstein 1924, S. 235 f .) : „Bei vielen V ö l k e r s t ä m m e n , u n d z w a r tr itt diese E r s c h e i n u n g bei b e s t im m te n K u ltu r a rte n b e s o n d e r s s t a r k h e rv o r, iiben die a u s d e r F le c h tte c h n ik e n t ­ s t a n d e n e n g e o m e t r i s c h e n O r n a m e n t e einen so s t a r k e n Ein fluß auf d a s k ü n s t ­ lerische E m p f in d e n aus, d a ß die F lä c h e n o r n a m e n ti k ü b e r h a u p t w ie v o n ihr g e b a n n t ersche int. Alle figürlichen V o r s te llu n g e n , w e lc h e d e r K ü n s tle r auf d e r F lä c h e se in er G e b r a u c h s g e g e n s t ä n d e z u r D a r s t e l l u n g b r i n g e n will, w e r d e n d a n n g e w i s s e r m a ß e n in den V o r s te l lu n g s k r e i s b e h e r r s c h e n d e n g e o m e t r i s c h e n M u s te r hinein g e p r e ß t , so d a ß sie n u r in s t a r k stilisierte r F o rm z u m A u s d r u c k k o m m e n u n d d ies er stilisierten figürlichen D a r s t e l l u n g g e g e n ü b e r die freie n a tu r a lis tis c h e D a r s t e l l u n g fig ü rlic h er M o tive n ich t z u r E n tf a l t u n g k o m m e n k a n n . H ie rd u rc h ist z ugle ich eine E r k lä r u n g für die auffällige E r s c h e i n u n g

74 g e g e b e n , d a ß die freie n a tu ra lis tis c h e Z e i c h n u n g m e h r f a c h g e r a d e bei den a uf n i e d rig s te r K u lturstu fe s te h e n d e n u n d d a h e r v o n den G e f l e c h ts m u s te r n n o c h u n b e e i n f lu ß t g e b lie b e n e n V ölke rn in b e s o n d e r s v o l lk o m m e n e r F o rm a u s ­ ge b ild e t ist.“ Z u P e t r is A b l e h n u n g d e r v e rg le ic h e n d e n M e t h o d e bei d e r O r n a m e n t ­ b e t r a c h t u n g sei n o c h g e s a g t, d a ß m a n sich n a tü r lic h e r s t ein m al ein en U e berblick ü b e r d e n G e s a m t s c h a t z von O r n a m e n t e n ein es V o lkes v e r sc h a f fe n m u ß , ehe m a n a n w e ite r e V e r g le ic h u n g e n g e h e n darf, a b e r g e r a d e bei d e r a u c h von P e tri b e to n t e n universellen V e r b r e i t u n g vieler O r n a m e n t m o t i v e k a n n die B e ­ s c h r ä n k u n g d e r B e h a n d l u n g auf ein ein z eln e s M otiv u n d auf ein einzelnes Volk zu r e c h t a b w e g i g e n E r g e b n i s s e n führen. Die E r f o r s c h u n g u n d V e röffent­ l ic h u n g d e r O r n a m e n t e eine s b e s t im m te n Volkes, wie e t w a P e t r is h e r v o r ­ r a g e n d e r A rb e it ü b e r die O r n a m e n t e d e r K u d in sc h e n B u r j a t e n ( S b o r n i k M u z e ja A n tropo logii i E tn o g ra fii pri A ka dem ii N a u k , St. P e t e r b u r g 1918) g i b t un s n a tü rlich w i e d e r die M ö g lich k e it zu e in er W e i t e r v e r a r b e i t u n g in v e r s c h i e d e n e r R ichtu ng, zeitlich u n d örtlich. Mit d e r S a m m l u n g u n d w is s e n s c h a ftlic h e n V e r­ ö ffen tlich u n g d e s O r n a m e n t b e s t a n d e s eine s V o lke s w ir d e r s t die n o t w e n d i g e sich ere G r u n d l a g e fü r die e b e n s o w i c h tig e n v e rg le ic h e n d e n F o r s c h u n g e n g e ­ schaffen, w o d u r c h erste're ja r e c h t eigentlich ihre L e b e n s k r a f t u n d N o t w e n d i g ­ keit e rw e ise n . H a n s F i n d e i s e n, Berlin. Sigurd E rixon und Sigurd W allin: S v e n s k a K u 11 u r b i 1 d e r I, II. Sto c k h o lm 1929. ( D a s W e r k v/ird in z w ö lf T eilen h e r a u s g e g e b e n w e r d e n , j e d e r m it e t w a 165 Seiten. J e d e s J a h r w e r d e n vier T eile e rsc h e in e n . Je d e r Teil k o s t e t Kr. 11.50.) D a s sc h ö n a u s g e s t a t t e t e k u l tu r g e s c h i c h t li c h - e t h n o g r a p h i s c h e W e r k h a t die A bsicht, den L e s e r m it d e n c h a r a k te r i s t is c h s te n F o r m e n d e r s c h w e d i s c h e n Kultur d e r n e u en Z eit in l e i c h tv e r s tä n d lic h e r D a r s t e l l u n g b e k a n n t z u m a c h e n . N a c h d e r A n s ic h t d e r Schriftleitung , die in die H ä n d e d e r o b e n e r w ä h n t e n h e r v o r r a g e n d e n s c h w e d i s c h e n F o r s c h e r g e le g t w o r d e n ist, ist es n o c h n ich t m ög lic h eine z u s a m e n f a s s e n d e s c h w e d i s c h e K u l t u r g e s c h ic h te auf e t h n o g r a ­ p h i s c h e r G r u n d l a g e z u s c h reib e n . Sie h a b e n d a h e r d e n M o d u s g e w ä h lt, w e se n tlic h e Z ü g e u n d b e k a n n t e M o n u m e n t e d e r s c h w e d i s c h e n K u ltur in ku rz en E in z e ld a rs te llu n g e n z u g e b e n . Die m e iste n A u fs ä tz e sin d v o n d e n H e r a u s ­ g e b e r n g e s c h rie b e n , a b e r a u c h eine g a nze ' Reih e a n d e r e r k u ltu rg e sc h ic h tlic h u n d e t h n o g r a p h i s c h t ä t i g e r F o r s c h e r h a b e n z u d e m W e r k e B e it r ä g e bei­ g e s te u e r t. B e s o n d e r s w e rtv o ll v o m v o l k sk u n d lic h e n S t a n d p u n k t a u s sind die A u fsätze v o n E rix on. E r sc h ild e rt u. a. ein en g r ö ß e r e n , m it M a lere ie n v o r n e h m a u s g e s t a t t e t e n B a u e r n h o f a u s N o r d s c h w e d e n u n d g i b t d a n n als w i r k u n g s v o lle s G e g e n s t ü c k ein a n s c h a u lic h e s Bild d e r E n t s t e h u n g eine s V e r w a n d t s c h a f t s ­ d o rfes a u s S ü d s c h w e d e n , d. h. ein es D orfes, d a s a u s T e i l u n g ein es u r s p r ü n g ­ lichen E inz elh ofe s e n t s t a n d e n ist. Die a lte rtü m lic h e n G e b r ä u c h e d e r G e m e in d e ein es D o rfe s in W e s t e r g ö t l a n d , S ü d s c h w e d e n , b e h a n d e l t d e r V e r f a s s e r in ein em a n d e r e n A u fs atze . Die alten D ö r f e r w a r e n w i e R eiche f ü r sich m it ihren e ig e n e n G e s e t z e n u n d B e a m t e n u sw . E n d e M ai o d e r A n f a n g Juni v e r s a m m e l t e n sich die B a u e r n z u g r a n n ö 1, eigen tlich N a c h b a ' r n b i e r . ln d e r S tu b e , w o diese Z u s a m m e n k u n f t a b g e h a lt e n w u r d e , w ü r d e d e r E h r e n s t a b u n d Ab-

Zeichen d e s V o rs itz e s in den B o d e n g e s t o ß e n , d a ß er f e s t sta n d . E r sollte in d ie s e r W e i s e als ein F rie d e n s z e ic h e n ste h e n , bis die V e rh a n d l u n g e n u n d d a s d a n a c h fo lg e n d e B ie r g e la g e zu E n d e w a r e n . W e n n j e m a n d den S t a b u m stie ß , m u ß t e er d a fü r ein p a a r G e l d s t ü c k e d e r G e m e i n d e k a s s e b e z a h le n . Die V e r­ h a n d lu n g e n e n d e te n m it d e m B ie r g e la g e , w o b e i d a s B ier a u s ein em g e ­ w a l ti g e n K essel m it d e m g r o ß e n Dorflöffel g e h o lt u n d in eig e n tü m lich e Sc h a le n g e s c h ö p ft w ü rd e . Mit R e c h t b e z e ic h n e t d e r V e r f a s s e r d iese G e r ä t e als E r b s c h a f t v o n d e n he id n isc h en O p f e r g e l a g e n . D a s E s s e n b e s t a n d a u s Brot, B u t te r u n d E iern. E rix o n sc h ild e rt a u ch einen B e s u c h bei e in e r B r a u t ­ k leid ve rfe rtige rin u n d d a s V o r k o m m e n in S c h w e d e n v o n H o c h z e i ts s t u b e n d e r D o r f g e m e in d e n . ln d ies em Z u s a m m e n h a n g sei au f S ö d e r b ä c k s e in g e h e n d e S c h ild e r u n g e in e r H o c h z e it bei den auf R a g ö an d e r K ü s te E s t l a n d s w o h n h a f t e n S c h w e d e n v e r w ie s e n . — Auf d e m G e b i e t e d e r T r a c h t e n k u n d e gib t u n s d a n n Sigfrid S v e n s s o n die G e s c h ic h te d e s J u n g f e r n k r a n z e s u n d d e s K o p ftu c h e s d e r v e r ­ h e ir a te t e n F r a u e n . W ie f rü h e r P e r L u gn ist a u c h e r d e r A nsicht, d a ß diese Sitten m it d e r g e sc h le ch tlic h e n B e d e u t u n g d e s H a a r e s d e r F r a u e n Zusam m en­ h ä n g e n , w a s er du rc h m e h r e r e b i s h e r u n b e k a n n t e s c h w e d i s c h e B e le g e zu b e w e i s e n v e r s u c h t . — In eine m A u fs a tz ü b e r S c h litte n fo r m e n m a c h t G ö s ta B e r g es w a h r sc h e in lic h , d a ß ein in S c h w e d e n v o r k o m m e n d e r leic hte r S c h litten ­ t y p u s m it d e m in den Alpen auftretenden ,B o c k sc h litte n z u s a m m e n h ä n g t . D e r R a u m m a n g e l e r la u b t u n s n ich t auf die a n d e r e n A u f s ä tz e n ä h e r ein­ z u g e h e n , die sich m e iste n te ils auf d en d e r V o l k s k u n d e v e r w a n d t e n G e b ie te n , wie K u n s tg e s c h ic h te , W a f f e n g e s c h i c h t e u sw . b e w e g e n . D o c h sei e r w ä h n t die k ü n s t ­ lerisch g e s t a l t e t e u n d p e rsö n lic h g e h a l t e n e S c h ild e ru n g S ig u r d W a llin s von H a m m a r b y , d e m Hofe d e s b e r ü h m t e n B o t a n i k e r s Carl v o n Linné. Ragnar

Jirlow.

Der W eltkrers. M itte ilu n g e n d e r V e re i n i g u n g fü r V ö lk e r k u n d e und v e r ­ w a n d t e W is s e n s c h a f t e n , Berlin. H e r a u s g e g e b e n im A u f t r ä g e d e r V e r e in ig u n g von H a n s F i n d e i s e n. J a h r g a n g 1929, Nr. 1— 4. V on d ie s e r v o n Dr. H a n s F ind e isen b e g r ü n d e t e n V e r e i n i g u n g v ö lk er­ k u n d lic h e r In t e re s s e n t e n w e r d e n in z w a n g s l o s e r F o lg e Völker- u n d v o lk s k u n d ­ liche M itte ilu n g e n a u s O s t e u r o p a u n d Sibirien v eröffen tlich t, auf w e l c h e hier m it b e s o n d e r e r . W ä r m e a u f m e r k s a m g e m a c h t w e r d e n soll. E s seien a u s dem m a n n ig f a ltig e n Inhalt d e r b i s h e r e r sc h ie n e n e n 4 Hefte h e r v o r g e h o b e n : d e r se h r le b e n d i g sc h ild e r n d e A u fs a tz von N a t a F i n d e i s e n : „ V o n Sitten und G e b r ä u c h e n eip es a u s s t e r b e n d e n sibirischen P o l a r v o l k e s “ ( E rle b n is s e bei den J e n i s s a j - O s t j a k e n ) , e b e n s o d e r A u f s a tz : „ A u s d e r L ü n e b u r g e r H e i d e “ mit d e r s e h r a n s p r e c h e n d e n S c h ild e r u n g ein es n i e d e rs ä c h s is c h e n B a u e r n h o fe s, fe rn e r fünf b u r j a t i s c h e E r z ä h lu n g e n , u n d die L e n i n g r a d e r Skizzen (in Heft 3, 4 ) . W i r w ü n s c h e n de m U n t e r n e h m e n u n d seinen A rb e ite n r e c h t gedeihlichen F o r t ­ schritt. Prof. M. H a b e r l a n d t .

Tirol:

N a t u r , K u n s t , V o l k , L e b e n . Z w e it e Fo lge , H e ft 8, 1930.

D a s v o rlie g en d e , a u c h illustrativ p r ä c h t i g a u s g e s t a t t e t e Heft d ies er Z eitschrift, die d a s reich e N a t u r - u n d K u ltu rk a p ita l T iro ls fü r einen w e i t ­

76 g e z o g e n e n L e s e rk re is in z w a n g l o s e n F o lg e n sich a u s z u s c h ö p f e n b e s t r e b t , b e s c h ä f t ig t sich in einer Reihe geh'altsvoller A b h a n d l u n g e n m it de m T iro le r V o lk ss ch a u sp ie l im W a n d e l d e r Z eiten. D e r b e k a n n t e L ite r a tu r - u n d V olks­ f o r s c h e r Dr. A. D ö r r e r sc h ild e rt in l e b e n d i g e r Art T iro le r S p i e lb r ä u c h e a u s 6 J a h r h u n d e r t e n , d a s ku ltisc h -litu rg isc h e Spiel d e r Kirche, w o b e i b e s o n d e r s die P a s s io n s s p ie le u n d die F ro n le ic h n a m s s p ie le h e r v o rt r e te n , die B ü rg e rsp iele, die Spiele d e r H a n d w e r k e r u n d f a h re n d e n K o m ö d ia n te n , d a s K u n s t- u n d Schu ld r a m a , die F i g u ra lp r o z e s s i o n e n , die B a u e r n s p ie le u n d schließlich die P a s s i o n s ­ spiele. D e r A u t o r b r i n g t ü b e r d ies es b ish e r n o c h r e c h t w e n i g e r fo r s c h te K apitel d e r tirolisehen K u ltu rg e s c h ic h te eine u n g e a h n t e Fülle n e u e n M a te r ia ls a n s Lieht, d a s ü b e rd ie s d u r c h ein e g a n z e Z a h l w e r t v o ll e r Bilder b e re i c h e rt wird. Im A n s c h lu ß a n D ö r r e r s A b h a n d l u n g b e s p r i c h t Pro f. A n to n M ü l l e r ( B r u d e r W illr a m ) d a s „ P a s s i o n s s p ie l v o n B r i x le g g “ , so w ie in gleichen A rn o F r a n z B i n n a d a s „ P a s s i o n s s p ie l v o n T h i e r s e e “ z u m G e g e n s t a n d i n t e r e s s a n t e r M itte ilu n g e n m a c h t, ln ein em reich illustrierten A u fs a tz w ü r d i g t Karl P a u 1 i n d a s k ü n s tle r is c h e W ir k e n d e r E x l-B ü h n e . E in en b e s o n d e r e n S c h m u c k d e s H e ftes bilden im A n s c h lu ß ein er la n d s c h a f tlic h e n S c h ild e r u n g T iro ls p r ä c h t ig e L a n d s c h a f ts b il d e r a u s den s c h ö n s t e n G e g e n d e n d e s L ande s. Prof. M. H a b e r l a n d t . Lutz M ack en sen: A u f r i ß d e r e n g l i s c h e n V o l k s k u n d e . ( H a n d b u c h d e r E n g la n d k u n d e II. Teil, S. 13— 5 4 ) . V e r l a g M oritz D i e s t e rw e g , F ra n k f u r t a. M. 1929. Die v o lk sk u n d lic h e Skizze, die R e fe r e n t 1926 in d e m W e r k e : „Die V ölker E u r o p a s u n d ihre v o lk stü m lic h e K u l t u r “ , S. 223— 232, v o n d e r B evö l­ k e r u n g G r o ß b r i t a n n i e n s auf b e s c h r ä n k t e m R a u m zu . g e b e n sich b e m ü h t h a t, ist im v o rlie g e n d e n „ A u friß d e r en g lisc h en V o l k s k u n d e “ in s e h r w i llk o m m e n e r A rt u n d auf d a s S a c h k u n d i g s t e v o n ein em t ü c h t i g e n K en ner, w ie Lutz M a c k e n s e n e r w e i t e r t w o r d e n . A u s d e r f o l g e n d e n I n h a lt s a n g a b e d ies es Auf­ r isse s sind die ieiten d e n G e s i c h t s p u n k t e d e r D a r ste llu n g , die v o l k s w i r t s c h a f t ­ liche G r u n d l e g u n g u n d d a s A u s e i n a n d e r h a lt e n d e r k e ltisc h en u n d d e r g e r m a ­ n isc hen V o lk sk u ltu ren klar zu e rseh e n . Die vo lk sk u n d lic h e S o n d e r s t e ll u n g E n g l a n d s h ä n g t m it d e m N i e d e r g a n g u n d F e h len e in e s eig e n tlich e n B a u e r n ­ s t a n d e s z u s a m m e n — w o b e i die a n d e r s a r t i g e n V e rh ä ltn is se in S c h o t tl a n d und die L a g e in Irland ihre B e rü c k s ic h ti g u n g finden. N a c h M ög lich k e it e in g e h e n d w ird s o d a n n die keltische V o lk sk u ltu r n a c h S p r a c h e , Festen,- S ie d lu n g s f o r m e n , C l a n w e s e n , T r a c h t , M usik, L ieder u n d T ä n z e n , S itte n u n d B r a u c h t u m g e ­ schild ert. E s folgt d a n n , wie die v o r a n g e h e n d e D a r s t e l l u n g auf g e sc h ic h tlich e r G ru n d l a g e , die v o l k sk u n d lic h e S c h i ld e r u n g d e r g e r m a n i s c h e n B e v ö lk e ru n g , die z ufolge d e s F e h le n s eine s eig e n tlich e n en g lisc h en B a u e r n s t a n d e s die v o lks­ k u ndlic he S o n d e r s t e ll u n g E n g l a n d s (S. 13 b e s o n d e r s b e t o n t ) k la r h e r v o r t r e te n lä ß t. E ine 4 S eiten u m f a s s e n d e L it e r a t u r ü b e r s ic h t b e s c h li e ß t in s e h r er­ w ü n s c h t e r A rt d e n a u s g e z e ic h n e te n A b riß. A u ß e r d ie s e m vo lk sk u n d lic h e n A b s c h n i t t e n th ä l t d e r v o rlie g e n d e B a n d d e r „ E n g l a n d k u n d e “ a u c h eine v o r ­ treffliche D a r s t e l l u n g d e r V or- u n d F r ü h g e s c h i c h t e d e r b ritisc h e n Inseln von Dr. E r n s t W a h l e u n d einen n ich t m in d e r g e h altv o llen B e it r a g z u r R a s s e n ­ k u n d e G r o ß b r i t a n n i e n s v o n Dr. W a l t e r S c h e i d t , die fü r d e n V o lk sk u n d le r b e s o n d e r e s I n te r e sse b e sitz en . E s sei n ich t u n e r w ä h n t , d a ß a b e r a u c h alle

77 ü b r ig e n A b s c h n i t te d e s O e s a m t w e r k e s (die e n g lisc h e W ir t s c h a f t , D r a m a tik , Musik, d a s religiöse L eb en, d a s B i ld u n g s w e s e n u n d d a s m o d e r n e E n g l ä n d e r ttim in d e r en g lisc h en L it e r a t u r d e r K rie gs- u n d N a c h k r i e g s z e i t ) fü r je d e n L es er von h o h e m W e r t u n d In t e r e s s e sind. E s ist s e h r z u b e g r ü ß e n , d a ß d e r V e r la g in seinen „ H a n d b ü c h e r n d e r A u s l a n d s k u n d e “ die g e b ild e te d e u ts c h e Oeffentü e h k eit in so lc h e r Art, wie die v o r lie g e n d e „ E n g l a n d k u n d e “ es so vortrefflich leistet, m it den ü b ri g e n e u r o p ä i s c h e n V ölk e rn u n d d e r e n K ulturen v e r tr a u t m a c h t. A u c h die v e rg le ic h e n d e e u ro p ä is c h e V o lk sk u n d e , die auf d e m W e g e ist, w ir d d a v o n re ic hen G e w in n h a b e n . Prof. M. H a b e r l a n d t . W e r n e r Zirus: A h a s v e r u s , d e r e w i g e j u d e. (S to ff- u n d M otivge sc h ic h fe d e r d e u ts c h e n L ite r a tu r ; H e r a u s g e g e b e n von P a u l M e r k e s und G e r h a r d L iidtke.) W a l t e r de G r u y t e r & Co. 1930. W e n n die E n t s t e h u n g de‘r S a g e vo m E w i g e n Ju d e n a u ch n u r d en e rsten e inleitenden A b s c h n itt d e s v o r lie g e n d e n W e r k e s d arstellt, so d ü rfen w i r auf d a s s e l b e d o c h a u c h im R a h m e n d i e s e r v o lk sk u n d lic h e n Z eitsc h rift a u fm e r k s a m m a c h e n . W i r e rfa h re n h i e ra u s auf G r u n d d e r F o r s c h u n g e n v o n S im rock, G r ä ss e , G a s t o n P a ris, N e u b a u e r u. A., w ie die S a g e von A h a sv e r , d e m e w ig e n W a n d e r e r , d u rc h lite rarisc he T ä t i g k e i t in w e i te s t e m Sinne z u s t a n d e g e k o m m e n ist. Biblische A n r e g u n g e n , E x e g e s e n von kirchlichen Schriftstellern, F lu g b lä tte r, V olksliede r u n d V o l k s b l ä tt e r sind hier als d e r M u t t e r b o d e n u n s e r e r S a g e n a c h g e w i e s e n , die ü b r i g e n s n ich t so alt ist, als m a n g e w ö h n lic h g la u b t u n d e r s t seit de m 13. J a h r h u n d e r t in ihren e r ste n A n d e u t u n g e n u n d S p u r e n n a c h w e i s b a r ersche int. D e r w e i t a u s g r ö ß e r e Teil d e s v o r lie g e n d e n W e r k e s b e s c h ä f t ig t sich in s e h r a u sfü h rlic h e r u n d s e h r a n r e g e n d e r A rt m it d e r A u s ­ g e s t a l t u n g d e r S a g e vo m E w i g e n Ju d e n d u rc h die D i c h tu n g f a s t z w e i e r J a h r ­ h u n d e r te , o h n e d a ß d ieselbe a u ch n u r a n n ä h e r n d zu ein em dich te ris ch e n A b s c h l u ß g e b r a c h t w o r d e n w ä r e , w ie die F a u s t s a g e d u rc h die u n ste rb lic h e D i c h tu n g G o e th e s . ' Prof. M. H a b e r 1 a n d t. Dr. H ans F. K. G ünther: R a s s e ii k u n d e d e s j ü d i s c h e n V o l k e s . Mit 305 A b b ild u n g e n und 6 K a rten . J. F. L e h m a n n s Verlag, M ü n c h e n 1930. P ro f. Dr. S. P a s s a r g e : D a s J u d e n t u m a l s I a n d s c h a f : s k u n d l i c h - e t h n o l o g i s c h e s P r o b l e m . M it 153 Bildern. J. F. L eh­ m a n n s V e rlag, M ü n c h e n 1929. Z w e i s t r e n g sa c h lich e A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n m it d e r vielleicht am m e iste n u n t e r allen v ö lk e r k u n d lic h e n P r o b l e m e n u m s t r it t e n e n „ J u d e n f r a g e “ , die sich auf d a s G lü c k lic h ste ergänze n. G ü n t h e r s u c h t d a s W e s e n des j u d e n t u m s v o m ra s s e n k u n d l ic h e n S t a n d p u n k t in o b je k t i v s t e r Art zu e r g rü n d e n und g e l a n g t zu d e m E rg e b n i s , d a s J u d e n t u m als ein a n s einem R a s s e n g e m i s c h h e r v o r g e g a n g e n e s V o lkstum a u fz u f a sse n . P a s s a r g e g e h t als G e o g r a p h und E th n o l o g an d a s J u d e n p r o b l e m h e r a n lind s u c h t die B e s o n d e r h e i te n de r jüdischen. V o l k s a r t u n g a u s U m w e lt, L e b e n s s c h ic k s a le n u n d G e s c h i c h t e zu e rklä ren. B eid en B ü c h e r n ist im h o h e n G r a d e u n v o r e in g e n o m m e n e B e t r a c h ­ t u n g s w e i s e u n d r u h i g e E r ö r t e r u n g d e s G e g e n s t a n d e s n a c h z u r ü h m e n , bei g rü n d l ic h e r A u fro llu n g ein e s r e ic h en M a te ria ls a n th r o p o l o g i s c h e r , e th n o l o ­ g i s c h e r u n d g e is te s g e s c h ic h t li c h e r Art. M it d e r A n a ly se d e r a lt t e s ta m e n t li c h e n

78 U e b erliefe ru n g auf G r u n d d e r Z w e ig e s c h le c h ts th e s e k a n n sich R e fe r e n t aller­ d i n g s nich t e i n v e r s t a n d e n e rk lä ren . Prof. M. H a b e r l a n d t . Lutz M ack en sen: D i e d e u t s c h e n V o l k s b ü c h e r ( F o r s c h u n g e n z u r d e u ts c h e n G e i s t e s g e s c h i c h t e d e s M itte lalters u n d d e r Neuzeit, h e r a u s ­ g e g e b e n v o n P. M e r k e r und W . S ta m m le r , 2. B a n d ) . V e r la g Q uelle un d M e y e r in Leipzig, 1927. 152 S. D e r V e r fa s s e r stellt sich die A u fg a b e , d a s W e s e n d e r d e u ts c h e n V olks­ b ü c h e r und ihre B e d e u t u n g in d e r d e u ts c h e n L ite ra tu r k larz ustellen , so w ie die g e is te sg e sc h ic h tlic h e n Z u s a m m e n h ä n g e a u f zu z eig e n , die zu ih rer E n t s t e h u n g u n d E n tw ic k l u n g b e itr u g e n . W a s d e r v o r lie g e n d e n Stud ie einen b e s o n d e re n Reiz verleiht, ist d e r U m s t a n d , d a ß sie, von d e r H e e r s t r a ß e lite r a rh isto r is c h e r D a r s t e l l u n g a b s e it s eifrig S e ite n p fa d e su c h e n d , den U r s a c h e n d e r w e c h s e l n d e n B eliebth eit d ies er B ü c h e r n a c h s p ü r t , die E in w ir k u n g v o n A u s s t a t t u n g , A n ­ p r e is u n g und inhaltlicher A n p a s s u n g an d e n G e s c h m a c k d e s P u b l i k u m s auf d e n A b s a tz an H a n d g e n a u e r D a te n v o m W i e g e n a l t e r d e s d e u ts c h e n B u c h ­ d r u c k e s u n d B u c h v e r l a g e s a n zu e r fa s s e n b e s t r e b t ist. D a d u r c h w e r d e n dem L e s e r d e r Schrift tiefe, leb ensvolle E in blicke in D e n k w e is e u n d G e s c h m a c k n a m e n tlic h d e r U n t e r s c h i c h te n u n s e r e s V olkes w ä h r e n d d e r l e t z tv e r g a n g e n e n v ier J a h r h u n d e r t e eröffnet. D e n V o l k s ro m a n e n w e r d e n die n u r ih rer V e r­ b r e it u n g n a c h v o lk stü m lic h e n R itt e r r o m a n g e g e n ü b e r g e s te l lt . D e n Kern d e r V o l k s r o m a n e (z u den b e lie b te ste n g e h ö r t F o r t u n a t, F a u s t , E u le n sp ie g el, die S c h i ld b ü r g e r) bilden a ltü berlieferte, v o lk stü m lic h e S a g e n -, S c h w a n k - u n d M ä r c h e n m o ti v e (S. 112 ff.). D e r V e r f a s s e r v e r fo lg t in seinen w o h l b e le g t e n A u s f ü h r u n g e n nich t n u r die Sc h ick s ale d e r e ige ntliche n V o lk sb ü c h e r, so n d e r n u n t e r r i c h t e t a u c h ü b e r a n d e r e s v o lk s tü m lic h e s S c h rifttu m v e r g a n g e n e r J a h r ­ h u n d e r te , wie L e g e n d e n , K alend er, m e d iz inisc he u n d n a tu r w is s e n s c h a f t li c h e B ü cher, R e is e b e s c h r e i b u n g e n , Los-, Z a u b e r - u n d H isto r ie n b ü c h e r , W e r k e , in d e n e n d e r l eh rh a fte Z u g d e r Z eit n o c h s t ä r k e r a u s g e p r ä g t ersche int. Diese Kapitel m it den d a z u g e h ö r i g e n L it e ra tu rh in w e is e n m ö g e n d e m V o lk sfo rs c h e r in b e s o n d e r e m M a ß e w illk o m m e n sein. Ein ausführlic hes, vierteiliges R e g is te r ( P e r s o n e n , Stoffe u n d B ü c her, Kulturelles, F o r m a le s ) b e s c h li e ß t d a s Buch. Dr. E d u a r d W e i n k o p f. D as D eutsch tum im A usland. M o n o g r a p h i e n s a m m l u n g , h e r a u s g e g e b e n v o n Dr. K. Bell. Südtirol. U n t e r M i t w i r k u n g v o n D. D ietrich , A. D o e r r e r, L. Jutz, H. Kinzi, J. Ringler, J. R u n g g , W . R o h m e d e r, O. Stolz, J. W e i n g a r t n e r , H. W o p f n e r etc. D r e sd e n , W . B e r g e r, 1927, 271 Seiten, 1 Karte. U n t e r d e n d e u ts c h e n G e b ie te n , die d u r c h d e n F r i e d e n s s c h lu ß v o n S a in tG e r m a in v o m g e s c h lo s s e n e n d e u ts c h e n S t a m m e s g e b i e t a b g e t r e n n t w u r d e n , ist S ü dtiro l d a s a m h ä r t e s t e n b e tro f fe n e u n d hier h a b e n sich a u ch a m f r ü h e s t e n die G e le h r te n e rh o b e n , u m d e n N a c h w e i s d e r d u r c h N a t u r u n d G e s c h ic h te g e g e b e n e n Z u s a m m e n g e h ö r i g k e i t v o n N o r d - u n d S ü dtirol z u e rb rin g e n . D a s v o rlie g e n d e B u c h e n th ä l t eine Reih e v o n A b h a n d l u n g e n a u s de r F e d e r d e r b e r u fe n s t e n F a c h g e l e h r t e n ü b e r S ü d tiro ls L an d , Volk, G e sc h ic h te u n d Kultur. F ü r d e n V o lk sk u n d le r v o n b e s o n d e r e m In t e re s s e sind die A b s c h n i t te : D ie v o l k l i c h e E i n h e i t T i r o l s u n d i h r e E n t s t e h u n g a u s d e r F e d e r d e s h e r v o r r a g e n d e n G e l e h r t e n u n d B e g r ü n d e r s d e r tirolischen

79 H a u s - u n d S i e d lu n g s f o r s c h u n g U niv.-Prof. H. W o p f n e r , d e r S i e d lu n g s fo rm und O r t s n a m e n k u n d e a ls Z e u g e n d a fü r h e r a n z ie h t, d a ß e rs t d e u ts c h e A rbe it den B o d e n d e r W ild n is a b g e r u n g e n hat. Dr. iur. e t phil. J. R u n g g b r i n g t eine lehrre ic he A b h a n d l u n g ü b e r die E n tw ic k l u n g d e r V o l k s t r a c h t und ein e h ü b s c h e S c h ild e ru n g d e r B r ä u c h e Südtiro ls, v o n d e n e n b e s o n d e r s die W i n t e r - u n d F rü h l i n g s b r ä u c h e alte F o r m e n b e w a h r t h a b e n u n d t y p is c h e E i g e n a r t zeigen. Die s p r a c h l i c h e n V e r h ä l t n i s s e b e h a n d e lt Univ.-D oz. L. Jutz un d w e is t a u c h hier völlige E in he itlichk e it und Z u s a m m e n g e h ö r i g k e i t d e s tirolischen S t a m m e s nach. Im A b s c h n i t t: S ü d t i r o 1 i m d e u t s c h e n S c h r i f t t u m e n tw ir f t d e r du rc h sein e F o r s c h u n g e n ü b e r die tirolischen P a s s io n s - S p ie le rühm lich b e k a n n t e V e r fa s s e r Dr. A. D ö r r e r ein a n s c h a u l ic h e s Bild d e r reichen S c h ä tz e tiroliseher V o lksp oe sie in allen ihren Spie la rten, ln diesem Land , w o die m o d e r n e Kluft z w is c h e n Volk u n d G e b ild e te n n ic h t b e s t e h t , sin d die G r e n z e n z w i s c h e n V olk sun d K u n s t d i c h t u n g m it u n t e r s c h w e r zu ziehen. Die A b s c h n itte ü b e r M a l e r e i (D r. iheol. et phil. J. W e i n g a r t n e r ) u n d B a u k u n s t u n d P l a s t i k (D r. J. R in g le r) v e r v o lls tä n d ig e n d a s Bild tirolischen K u n s ts c h a f fe n s , d e s s e n E i g e n a r t in allen se inen W e r k e n h e r v o rtr itt, H e r a u s g e b e r u n d V e r l a g sind zu b e g lü c k w ü n s c h e n , d a ß es ih n en g e ­ lu n g e n ist, die b e r u f e n s t e n F a c h g e l e h r t e n als M i t a rb e i te r fü r d ies es W e r k zu g e w i n n e n , d e s s e n g e d ie g e n e r u n d r e ic h e r Inhalt j e d e n L e s e r fesseln m u ß . Dr. A. P e r k m a n n . H ein rich M a rze ll: Bayerische Volksbotanik (L o re n z Spindler, N ü r n b e r g o. J. ) , 252 Seite n m it B u c h s c h m u c k v o n C o n r a d S c h erzer. Die b e m e r k e n s w e r t u m s i c h t i g a n g e l e g t e A rbe it d e s seit la n g e m als f ü h re n d b e k a n n t e n F o r s c h e r s glie d e rt d e n Stoff n a c h V e r w e n d u n g d e r P fla nze n a n F e stz e ite n d e s B a u e r n j a h r s , bei G e b u r t , H o c h ze it u n d T o d , im Kinderspiel, im l a n d w ir tsc h a f tlic h e n A b e r g l a u b e n , in d e r Volksm ed izin , wie in Z a u b e r un d G e g e n z a u b e r u n d V o lk s s a g e , o h n e v om sic h ere n W e g rein in d u k tiv e r E r ­ k l ä r u n g ih rer „ W i r k s a m k e i t “ , die j a d ä m o n i s t i s c h e r o d e r a n im is tis c h e r A n­ s c h a u u n g e n oft g e n u g d u r c h a u s b a r ist, a b zu irren . Ein b e z e ic h n e n d e s Beispiel liefert e t w a die B e t r a c h t u n g d e r „ G e w i t t e r p f l a n z e n “ , z u m e is t F rü h l i n g s b l u m e n o d e r P fla n ze n m it r o t e n Blüten. Die S c h l u ß a b s c h n i t t e ü b e r P f l a n z e n z a u b e r u n d P f l a n z e n s a g e n g e b e n in kritisch b e s o n n e n e r A u s w a h l n o c h g e n u g B elege dafür, w ie m a g i s c h e lind d ä m o n i s t i s c h e V o r s te llu n g e n sich schlie ßlic h zum na iv e n W e l t b il d d e s V olkes z u s a m m e n f ü g e n , ln einem w ä r e vielleicht g e g e n ­ ü b e r d e m sc h o n r e c h t s c h l a g w o r t a r t i g a b g e b r a u c h t e n S a m m e lb e g r if f „ A b e r ­ g l a u b e n “ eine b e ric h ti g e n d e „ r a t i o n a l e r e “ E in s te llu n g g e m e inhin in d e r v olks­ tü m lich e n P f l a n z e n k u n d e a n z u b a h n e n ; w ir m ein e n d e n l a n d w ir ts c h a ftlic h e n „ A b e r g l a u b e n “ , bei de m es sich d o c h i n s g e m e in z u v ö r d e r s t u m „ B a u e r n ­ p r a k t i k a “ , d a s sind beiläufige E r f a h r u n g e n im Ablauf d e s V e g e t a ti o n s j a h r e s u n d vielfach w ie bei den H e i li g e n - N a m e n s t a g e n als M e r k t a g e n fü r P f l a n z - und A n b a u t ä t i g k e i t u m b e a b s ic h ti g t e m n e m o t e c h n is c h e A n h a l ts p u n k te h a n d elt. Die reichlich s p ä t e A nz eig e d e s B u c h e s v e r m a g g leic h w o h l ein u n m it t e l b a r e s G e g e n w a r t s i n t e r e s s e a n ihm h e r v o rz u h e b e n . D e n n es b r i n g t vielfach die E r-

80 g e b n is s e von U m f r a g e n an die L e h r e r s c h a f t und s ic h te t den Stoff a u ch in se in er k u l tu r g e o g r a p h i s c h e n U m g r e n z u n g , b U n e s L e istu n g e n , die d e r nun m it den e rs t e n U m f r a g e n s o e b e n e in s e t z e n d e „ A tla s d e r D e u t s c h e n V o l k s k u n d e “ fü r die g e s a m t e D e u t s c h e V o lk s f o rs c h u n g zu sy s te m is ie re n v e r su c h t. M ö g e ih nen gleich u m sic h tig e g e istige B e w ä l t i g u n g d u r c h die F o r s c h e r p e r s ö n li c h ­ ke iten zuteil w e r d e n , wie h ier die P e r s o n d e s B u c h e s G e s t a lt u n d W e s e n b e ­ d e ute t. A. H a b e r 1 a n d t. Franz H em p ier: P s y c h o l o g i e d e s V o l k s g l a u b e n s i n s b e -

s o n d e r e der v o l k s t ü ml i c h e n Na t u r - und He i l k u n d e des W e i e h s e i l a n d e s. E inz elschritte n d e r H isto risc h e n K om m is sio n für ostund w e s t p r e u B is c h e L a n d e s f o r s c h u n g 4. ( K o m m is s i o n s v e r la g G rä fe u n d Unzer, K ö n i g s b e r g i. Pr., 1930), 112 S. V o r den h e r k ö m m lic h e n B e a r b e it u n g e n d e s V o l k s a b e r g l a u b e n s b e k e n n t d e r R efere nt n a c h oft e n t t ä u s c h t e r A u f n a h m s b e r e i ts c h a f t ö d e s G r a u e n . A b e r die v o rlie g e n d e Schrift h a t ihn d o c h d u r c h a u s a n g e s p r o c h e n d u r c h die auf­ sc h l u ß r e i c h e A rt d e r E in fü h lu n g d e s V e r f a s s e rs in L ebe n u n d E rle b n is d e s . V o lk sm e n sc h e n , die allsogleich a u c h d e r w is s e n s c h a f tlic h e n E r k e n n t n i s für F r a g e k o m p l e x e d e r le b e n d i g e n G e g e n w a r t z u g u t e k o m m t . E ine k u rz e Auf­ z ä h l u n g d e r A b s c h n i t te m a g d a s R ü s t z e u g d e s V e r fa s s e r s d a r tu n , d a s wir j e d e r d e r a r t ig e n A u s w e r t u n g e in s c h lä g ig e n S to ffes w ü n s c h e n . Solch e leb e n d ig e B e o b a c h t u n g e n finden w ir a u f s c h lu ß re ic h e in g e s t r e u t e t w a z u r E r l ä u t e r u n g d e s H e x e n w e s e n s , d e r sinnlo sen A b w e h r h a n d l u n g e n im Affekt, die B e griffs­ b ild u n g e n ü b e r den T o d , Heilm ittel a u s de m G e w ü r m d e r E r d é fü r K r a n k ­ h eiten z ufo lge L ie g en s auf d e r E r d e u n d a n d e r e s m eh r. E s e r w e i s t sich i m m e r w ie der, d a ß in aller V olks- u n d V ö lk e r k u n d e jen e R ic h tu n g , die die E r le b n is ­ g r u n d l a g e n d e r v o lk stü m lic h e n G e istig k e it z u n ä c h s t einm al u n m it t e l b a r zu e rfa ss e n su c h t, b e v o r sie sich a n e k le k tis ch e g e sc h ic h tlich e S p e k u la tio n h e r a n ­ w a g t , n ich t n u r die se l b s t v e r s tä n d l ic h e V o r a u s s e t z u n g j e d e r Q u e lle n k u n d e b e ­ de u te t, so n d e r n im m e r noch a m tie fsten a u c h in d a s V e r s t ä n d n i s d e s e r s t a r r t e n F o r m e n k r e i s e s v o n Kultur un d G e s c h i c h t e e inführt. A. H a b e r l a n d t . Julius L eithaeuser: Volksund H eim atkunde des Wuppe'rlandes. Mit e iner K a r te d e r b e r g i s c h e n S p r a c h ­ g r e n z e n . (A. M a rtini & G rü ttefien , E lbe rfeld 1926), 238 S. W ie die S e l b s t a n z e i g e z u m B u c h e b e s a g t, b e r ü c k s i c h ti g t es in weitem U m f a n g V o lk s s p ra c h e und V o l k s a n s c h a u u n g , s o w e i t sie in de r N a m e n k u n d e , d e r V o lk s d i c h tu n g u n d V o lksw eish e it, in G la u b e n , Sitte u n d B r a u c h z um A u s d r u c k k o m m e n . D e m m ö c h t e n w ir hin zu fü g e n , d a ß es eine v e r s t ä n d n i s ­ volle und e r w ü n s c h t e A u s w e i t u n g d e s B egriffes d e s V o lk stü m lic h en b e d e u te t, d a ß d e n P e rsö n lic h k e ite n im U m k re is d e r b e t r a c h t e t e n L a n d s c h a f t eine W ü r ­ d i g u n g ih res Volk un d H e im a t g e w i d m e t e n S c h a ffe n s zuteil w ird , — V o lk s­ k u nd e , d e r e n sich die F o r s c h e r no ch r e c h t w e n i g b e s o n n e n h a b e n , es sei d e n n in na tio n a l g e m i s c h t e n G e b ie te n w ie B ö h m e n , w o M ä n n e r wie Jo s e f .B lau diese so w ic h tig e B rü c k e z w is c h e n V o l k sk u n d e u n d L ite r a tu r u n d G e i s t e s ­ g e sc h ic h te gleichfalls sc h o n zu s c h la g e n u n t e r n o m m e n h a b e n . A. H a b e r l a n d t . H erau sg eb er, E ig en tü m e r u. V erleg er: V erein für V o lk sk u n d e (P rä s id e n t Prof. Dr. M. H a b erlan d t.) V e ra n tw o rtlic h e r R ed a k te u r: Prof. D r. M ich ael H a b e r l a n d t , W ien, V lii. L a u d o n g a sse 17. B u ch d ru ck e re i P ag o , W ien, H . G roße S ch iffg asse 4.

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Führer durch das Museum für Volkskunde. V on P ro f. Dr. A r t h u r H a b e r l a n d t . .

Das M u s e u m f ü r V o l k s k u n d e in Wien — bis 1918 Museum für ö s t e r r e i c h i s c h e Volkskunde — wurde im Jahre 1895 vom Verein für (österreichische) Volkskunde als ein Institut begründet, das der Darstellung und musealen Pflege der nationalen Volkskulturen im alten Oesterreich in wissenschaft­ lich vergleichender Richtung dienen sollte; lag und liegt doch in dem Zusammentreffen der drei g roßen Volkskreise des Deutschen Volkes, der Slawen und der Romanen auf diesem Boden ein Gutteil der Volks- und Kulturprobleme Mitteleuropas beschlossen. Es hat an die Aufgabe solcher W esensforschung in der Ausgestaltung seiner Sammlungen, wie in seiner wissenschaftlichen Tätigkeit, jahrzehntelang erfolgreiche Bemühung gewendet. An Umfang und Ansehnlichkeit der Schaustellung ist dabei die Deutsche Volks­ kultur in den österreichischen Ländern mehr und mehr in den Vor­ dergrund getreten und mit der staatlichen Neugestaltung Mittel­ europas ist die Veranschaulichung D e u t s c h ö s t e r r e i c h s n aturgem äß zur erziehlichen und voiksbildnerischen Hauptaufgabe des Museums geworden. Dem zeitgem äßen wissenschaftlichen Aus­ bau der vergleichenden Volkskunde folgend, hat es indes sein For­ schungsfeld schon früh auf die Erkundung der charakteristischen Lebenskreise und Rückzugsgebiete alter Kulturformen in Europa überhaupt ausgedehnt. So entstand eine in sich geschlossene Sammlung aus den Karpathenländern, ferner eine letzthin bis Bul­ garien, Rumänien und Griechenland reichende wertvolle Vergleichs­ möglichkeiten bietende Sammlung aus den Balkanländern. Klei­ nere vorzugsweise ergologische Sammlungen wurden aus der deutschen und romanischen Schweiz, Oberitalien und den Adria­ ländern, der römischen Campagna, Sardinien und Sizilien angelegt, das Museum verfügt ferner über eine ansehnliche Sammlung aus den baskischen Provinzen in den Pyrenäen und kleinere Bestände aus der Bretagne, die zusammen mit Vergleichsgruppen aus Deutschland, Schweden Besonderheiten und Gemeinsamkeiten des altartigen e u r o p ä i s c h e n Volksbesitzes überhaupt zu veran­

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schaulichen vermögen. W enn auch ein Teil dieser vergleichenden Studiensammlungen den Besuchern des Museums nur gegen b e­ sondere Anmeldung zugänglich gem acht werden kann, so rundet sich sein Aufbau damit doch zu dem eines f ü h r e n d e n In­ s t i t u t e s für v e r g l e i c h e n d e e u r o p ä i s c h e V o l k s ­ k u n d e a b. Die Aufstellung der Sammlungen folgt im wesentlichen den kulturgeographischen und kulturgeschichtlichen Grundlinien, die in der l a n d s c h a f t l i c h e n Verteilung des Volksbesitzes hervortreten. H ie zu die f o r tla u fe n d e n M u s e u m s b e r i c h t e in d e r Z eitsc h rift für öste rr . V o l k s k u n d e seit 1895. — K a t a l o g d e r S a m m l u n g e n W ie n 1897. — F ü h r e r d u r c h die S a m m l u n g e n 1901 u n d 1908 (ve rgl. die Z eitsc hr. J a h r ­ g a n g XIV, 61 ff.), n e u a u f g e l e g t 1914. — N e u e A u s g a b e 1921 (ve rg l. Z eit­ sch rift J a h r g a n g XXVI, S. 16 ff., 66 ff). — M u s e u m s g e s c h i c h t e in den A u f s ä tz e n in d e r Z eitsc hrift ( J a h r g a n g XX1I1, 1917, S. 1 ff, X X V (1 9 1 9 ), S. 192 ff. — F e r n e r: W i e n e r M u s e e n , „ D e u t s c h e s V a t e r l a n d “ 7 (W ie n , 1925, S. 29 ff). M o u s e i o n 1928, Nr. 5, S. 93 ff. W issen sch a ftlich e V eröffen tlich u n gen : M. H a b e r l a n d t : O e s t e rre i c h i s e h e V o lk sk u n s t, 2 Bde., W ie n 1911. M. H a b e r l a n d t u n d M i t a r b e i t e r : W e r k e d e r V o lk sk u n s t, 3 Bde., W ie n 1913— 17. A. H a b e r l a n d t : V o l k s k u n s t d e r B a lk a n lä n d e r . W ie n 1919. M. ti. A. H a b e r l a n d t : Die V ölker E u r o p a s u n d ihre v o lk stü m lic h e Kultur, S t u t t g a r t 1927. W iener Zeitschrift für . V olkskunde (Z e itsc h rift für öste rr . V o l k s k u n d e ) se it 1895. (M it E r g ä n z u n g s b ä n d e n . ) M. H a b e r l a n d t : E in f ü h r u n g in die V o lk sk u n d e , W ie n 1924. Vergl. a u c h : A u s s t e l l u n g ö s t e r r e i c h i s c h e r H a u s i n d u s t r i e u n d V o lk s ­ k u n s t im ö s te rr e ic h is c h e n M u s e u m fü r K u n s t u n d In d u strie in W ie n , 1905/6. K a t a l o g 1905; ü b e r d ieselb e M. H a b e r l a n d t : K u n s t u n d K u n s t h a n d ­ w e r k IX, W i e n 1906, 24- ff. P e a s a n t a r t i n A u s t r i a . S o n d e r n u m m e r d e s „ S t u d i o “ , 1911,

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A. Deutsche Alpenländer. (Einschließlich romanischer und slawischer Grenzgebiete). Eine streng ethnographische Umgrenzung und länderweise Gliederung der deutschen Volkskultur in den Alpenländern erwies sich angesichts der kulturellen Gemeinsamkeiten und Verkehrs­ beziehungen in weiterem Umkreis, als sie Oesterreich inner­ halb seiner heutigen staatlichen Grenzen umfaßt, als untunlich. Der historisch-politische Begriff der Bundesländer erscheint dem­ gem äß dem der organisch entwickelten Kulturlandschaften unter­ geordnet, von denen die Aufstellung im Umkreis der österreichischen Länder drei bis vier zu charakterisieren versucht. Von den D o n a u ­ l a n d s c h a f t e n , die am stärksten unter dem Einfluß städtisch­ bürgerlichen Handels und W andels und kirchlich barocker Geistes­ bildung stehen, ist Niederösterreich und das angrenzende Burgen­ land am besten vertreten. Ihnen gegenüber stellt I n n e r ö s t e r ­ r e i c h , das ist die Steiermark zusamt den Alpengebieten Ober- und Niederösterreichs, eine Kulturlandschaft von stärkerer naturhafter Bedingtheit dar, die bei karger Gebirgswirtschaft nur örtlich zu­ folge Verkehrslage, Ausstattung mit Naturschätzen, wie Eisen und Salz, und dank der glücklichen Gaben der Bevölkerung zu kul­ tureller und volkskünstlerischer Geltung gelangt ist — wie etw a im Salzkammergut — nach Osten hin jedoch verarmt. Das w e s t ­ l i c h e 0 e s t e r r e i c h, die Hochalpen Salzburgs, Tirols und Vor­ arlberg und Kärnten umfassend, besitzt seinerseits gleichfalls eine wirtschaftlich und verkehrsgeschichtlich bedingte kulturerhaltende Individualität, in die auch das bayrische Alpengebiet und das heute abgetrennte Deutsch-Südtirol mit einzubeziehen sind, ebenso wie die deutschen Gebiete Unterkärntens und Oberkrain in alter kultureller Vergemeinschaftung zu einander stehen. H ausrat und W irtschaftsgüter, zusamt den Erzeugnissen der künstlerischen Hausindustrien und Dorfhandwerke wurden nach diesen Länder­ gruppen aufgeteilt zur Ausstellung gebracht. Eine vergleichende Ueberschau über das ganze Gebiet bieten dem gegenüber die bis auf eine Kärntner Untergruppe einheitlich zusammengeordneten Volkstrachten (II— III), Vermummungen und Larven im Volks­ i*

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gebrauch und Spiel, die Abteilung der Amulette und Votivgaben, wie der religiösen Volkskunst (IV— VI). In die Zusammenstellung der Hausmodelle wurden auch stid- und ostslawische Anlagen ver­ gleichsweise einbezogen (XV). Die Zusam m enordnung der künst­ lerisch hervorragenden Hafnerarbeiten und Majolikaerzeugnisse, einschließlich slawischer und norditalienischer Erzeugnisse, in einem besonderen Keramischen Saal (XXV), ermöglicht eine Ueberschau über die Verarbeitung von M odeströmungen in der Volkskunst über die nationalen Grenzen hinweg und schafft Einblick in die land­ schaftlichen Beziehungen des volkstümlichen Handwerks zu den höheren Fabriksbetrieben. Schließlich offenbart die Gruppe der Herd- und Beleuchtungsgeräte im E rdgeschoß XVII— XVIII in be­ sonderem M aße den Umfang der Reihen- und Typenbildung, dem die alten Volksgüter trotz vielfältiger handwerklicher Besonderung unterworfen waren, wogegen die Bauernstuben im Erdgeschoß I— VI, XIII im Sinne von Charakterbildern des bäuerlichen W oh nwesens in einzelnen Landschaften erfaßt sein wollen. Vergl. h i e z u O e s t e r r e i c h , sein L a n d u n d Volk u n d s e i n e Kultur. H e r a u s g e g e b e n v o n M. H a b e r l a n d t . 2. Aufl., W ien 1929. (A b s c h n itt V o lk s k u n d e .)

I. Stock. Beiderseits vom Stiegenaufgang: Salzburgische Perchten­ läufer aus dem Pongau, „Schönpercht” oder „Tafelpercht” genannt, mit gewaltigen, reich geschmückten Kopfaufsätzen, „Perchten­ kappen.” Sie treten im Fasching, jeder mit einer „Gseliän”, auch in Begleitung der „schiachen” Perchten zu Umzügen vereint auf. Im Vorraum: Christus; auf der Eselin (Palm esel), 18. Jahrh., Kaiser Heinrich II. und Bischof Erasmus, Bayern, um 1760. Vergl. K. A d r ia n : V on S a l z b u r g e r S itt u n d B r a u c h , W ie n 1924, S. 54 ff.

Rechter Rundgang I— XI. R A U M I. Niederösterreich und Burgenland: Die althergebrachte Volks­ kultur offenbart in N.-Oe. zufolge der Nähe der G ro ß sta d t viel­ seitigen kleinbürgerlich-städtischen Einschlag auch im ländlichen Kreis, am stärksten in der Tracht, aber auch im kleineren Hausrat. Im Burgenland tritt ländliches Hauswerk (Hauskunst) und Hand­ werk stärker hervor. Kasten 1. M ädchentracht aus dem W ienerwald

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mit buntem Kattunrock (Alte Kattunfabrikation in Atzgersdorf), Kreuzleibel oder „Brustfleck” und Kopftuch, Hauertracht aus den W eingegenden 1830 bis zur Gegenwart. W iener Strohhaube und „gegupfte” Goldhaube, Badener Drahtlhaube. Haubenkasten 2. Flachland- („W iener-”) Hauben, W a chau er und W aldviertier abge­ flachte Brettlhauben, Spitzhauben aus der Semmeringgegend. Kasten 3. Gutensteiner M ännertracht (Lodenrock) und Puchberger Frauentracht, dazu Hauben, lieb er den Kästen große farbige Bilder der Badener Hauertrachten der 70 erja h re (lediges und verheiratetes P a a r). Kasten 4. Handpuppen aus MariaEnzersdorf. Kleinerer Haus­ rat, die M angelbretter (M innegaben) aus dem Burgenland, Stoober Hafnergeschirr, unglasierte Schnitterkrüge, Füllkrüge für Wein haben auf den Untersätzen 2, 4, 5, 8 ringsum Platz gefunden, auf den Kästen urnenförmige burgenländische Vorratskörbe aus ge­ nähten Strohwülsten, Leuchtröste aus dem W echselgebiet und anderes. B eachtenswert auch die alten Herbergszeichen der Kohlen­ bauern aus dem südlichen Waldgebiet, der Bandelkramer im W a ld ­ viertel, der Donauschiffer in Fischamend, Erntekronen und Ernte­ kranz, Leithagebiet, W einzeiger aus der Kremser Gegend. W a n d 5. Sinnbildlich verzierte Innungskrüge für den Willkommtrunk und Innungstruhe, Burgenland, 18. u. 19. Jahrh., Spenglerkrug und Binderzirkel, Wien, gestickte Besatzstreifen für Bettüberzüge (Vorstecktücher), Burgenland (vergl. auch Kasten 1 und 3 ). Kasten 6. Majolikakrüge, wie sie namentlich im südlichen W iener Becken und Burgenland als Hochzeitsgeschenke üblich waren und von den Eigentümern beim Leutgeben in die Heurigenschenken mitgebracht wurden. In der Fenstertür. Reich geschnitzte Faßbodenteile, Sessel mit Bauer und Bäuerin, Brautspinnrocken, Gegend von Eggenburg, kunstvolle Schlossertruhe, Wien. Rechts. W erkzeuge der Pecher (T erpentinsam m ler), Steinfeld bei W iener-Neustadt. Kasten 7. Modelle von Weinpressen, allerhand kleinerer Hausrat, Hafnerarbeiten, Auslagenstücke von Wachsziehern, W achskripperln vom W iener Christkindlmarkt, Tonreiief mit Flucht nach Aegypten, Hauszeichen aus Sievering. Wand 8. Schmiedeiserne Brunnen­ schlange, Haus- und Wallfahrtsbilder, schön gemalte protestan­ tische Haussegen aus dem Burgenland. Brauch und Kult, sowie religiöse Volkskunst vergl. Raum XII (nebenan) und Raum IV. J o h a n n e s M a y e r h o f e r : Die T r a c h t d e r H a u e r bei B a d en . Z eitschr. f. ö s t e r V olksk. II, 225 ff. H. M o s e s :

Die T r a d l h a u b e n . Z eitsc hr. f. ö ste r r . Volksk. III, 321 ff.

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R A U M II. Aipenländische Trachten. In der Ecke zur Rechten: G ro ß e r Kachelofen vom Jahre 1690,. Salzburg. Wand 1 und 2. Alte Bilder mit volkstümlichen Trachten, Nieder- und Überösterreich. Pult 2. Reich verzierte Steckkämme, Bauernschmuck u. s. w. Die T rächten selbst bieten bemerkenswerte Hinweise auf die Kultur- und Verkehrsgeschichte der einzelnen Landschaften. Im Alpenvorland und den Haupttalzügen sind sie stark von der städtischen Mode beeinflußt (vergl. die bürgerlichen langen Hosen aus modischem Stoff noch in der M ondseer M änner­ tracht, Seiden- und Samtkleider auch bei den Bäuerinnen im Flach­ land), w ogegen tiefer im Gebirge bei aller landschaftlichen Unter­ schiedlichkeit — jedes Tal hat seine Eigenart — zumeist h aus­ gemachte oft naturfarbige dicke Loden- oder Halbwollstoffe in V er­ wendung standen. Bei den Männertrachten beachte man auch im Schnitt die Anpassung an die Landesnatur, z. B. kniefreie Hose und Kurzjoppen der Tiroler in den Hochtälern. Die Frauentrachten zeigen hier hochaltertümliche bis ins 16. Jahrhundert zurück­ reichende Schnittformen. Durchgängig handelt es sich um die Sonntags- und Festtagskleidung, die die Frauen meist länger als die Männer bew ahrt haben. Die W erktagstrachten sind viel ein­ heitlicher und schlichter geartet. Lebendig erhalten sind nur mehr Frauentrachten manchenorts in Vorarlberg und Salzburg und ein­ zelne Tiroler Trachten als Festkleid von Schützenkapellen u. dergl. Selten hat sich die T rach t über die älteren Formen hinaus lebendig fortentwickelt, z. B. im Salzkammergut. Kasten 3 von links nach rechts. Bürgerliche Mode (S onntagstracht) der Frauen in der Um­ gebung Wiens, T rachten aus dem M ondseegebiet und Attergau, Oberösterreich. Wand 4. Gürtel mit Federkielstickerei. Kasten 5. Alte Lodentracht der Männer im T ra g ö ß , Steiermark, Staatskleid einer reichen Gewerkensfrau vom Erzberg (Rock im Stil der R enaissancetrachten). Haubenstöcke mit Linzerhauben und Busentüchlein, Ausseer Holzhauerfrack, Sulmtaler Frauentracht, Mittel­ steiermark. Zurück zu Kasten 3 (G egenseite). Ausseer Frauen­ trachten unter dem Einfluß des Empire und späterer Moden. Man beachte die Ueberschichtung der Frauenhaubung durch modische Hutformen. Bursche mit Joppe, Mann mit Haftelrock, ferner Frack­ joppe (gekürzter Jagdfrack), Obersteier. Kasten 6 von links nach rechts. Reicher Salzburger Bauer aus dem Flachgau; der blaue

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Tuchmantel mit langem Radkragen gehört zum Ehrenstaat des Ver­ heiraten (so auch im Burgenland), Rauriser Altfrauentracht, T racht der Halleiner Schiffergarde, Pinzgauer Hochzeiter mit Langrock aus Loden. G egenseite. F rauentracht aus dem Unterinntal (noch lebendig) und dem Lechtal (ganz verbürgerlicht), Brixentaler M ännertracht und Kitzbiiheler Mädchentracht. Gegenüber Kasten 8. Alpacher Frauen- und M ännertracht von hoher Altertümlichkeit. Beide tragen kragenlos geschnittene Lodenjoppen. Bei den Männern wurde, sie zusamt dem Brustfleck auf dem bloßen Leib getragen und hieß das Hemd. Männer- und M ädchen-Som mertracht aus dem Oetztal. Zurück zu Kasten 5. F ra u e n -(W in te r-)tra c h t aus dem Oetztal. Kasten 7. Montafoner M ädchentracht mit haariger Zylinder­ mütze („M äßle”), neuzeitliche S onntagstracht der Bregenzer W äldlerinnen mit ärmellosem gefälteltem Leibgewand mittelalterlichen Zuschnitts („Jup pa”), Meraner Schafhalter mit Kragenmantel, Wurzelgeflechtmütze und Lodentasche. Kasten 8 (G egenseite). M ännertrachten aus Meran, Jenesien bei Bozen, Sarntal, M ädchen­ tracht aus Sarntal mit schwerem Faitenrock und Ringelstrümpfen. Kasten 9. M ädchen- und M ännertracht aus dem Kalsertal (man be­ achte das breite „Regendach”, den langen schaubenartigen Rock und die winterlichen „Boanhöseln”, Langstrümpfe des M an n e s ). Als B ehang in den Wandkästen 5, 7, 9: Hausw äsche mit ziervoller roter Leinenstickerei. In den Pulten 10: Zierborten- und Bänder, h and­ gezeichnete W ebetücher, 11: Hochzeitsgürtel aus Oberösterreich, Kastelruth und dem Pustertal, Schließen, 12: Stickmustertücher, Taufausstattung, verschiedener zur T racht gehöriger Schmuck. Im Kasten 13. Gürtel mit Zinnstiften und Lederstickerei. Ergänzende Trachtenbilder an Wand 14, davor Oetztaler Stühle mit Namenszug in der Lehne, zur Linken Schnalstaler Stühle. RAUM

III.

Trachten und Faschingsverkleidungen. Wand 1. Tiroler und Vorarlberger Trachtenbilder, davor eine Reihe alter Stöcke, z. T. wehrhafter Art. Pult 2. Hochzeiter-, Brautund Primizschmuck, Pinzgau (Salzburg) und Nordtirol. Kasten 3. Hochzeiterpaar aus dem Hochpustertal. Pult 4. Miederlätze, Busentüchlein, Ampezzo, Kastell Tessin, Perlfibeln, Eisakgebiet. Kasten 5. B rautpaar aus Gröden, man beachte das Amulettbreverl, das die Braut auf der Brust trägt, daneben holzgeschnitzter Schoßknabe,

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seitlich Filigrannadeln, Ampezzo, durchbrochene Hornkämme, alte Sterzinger Hausindustrie, Haarstecher und anderes. Als W a n d ­ behang Nonsberger Wirkdecken. In der W andnische Schilfmantel, W etterschutz der Hirten im Draugebiet. Wand 6. Aeltere Bauernbilder zur Veranschaulichung der Tracht, im Kästchen 7 Gürtel mit Zinnstiftenbeschlag, in der Ecke dazwischen, blauw eißer statt­ licher Majolikaofen, Sfruz im Nonsberg um 1700. Wandkasten 8 von rückwärts nach vorn: Altfrauentracht Buchenstein (Pieve), der Rock über der Brust gegürtet, Mann aus Kastelruth, Frauenund Männertrac'nt Eggental, F rauentracht Enneberg, Altfrauen­ tracht mit hochgegürtetem Rock, Deffereggen. Als W and beh ang W irkdecken aus dem Lungau, Salzburg, St. Sigmund und bei Bruneck, vergl. auch Kasten 12. Wand 9 (rechts vom E ingang). Figuren auf Karton gemalt, ursprünglich in Krippenform aufgestellt, veranschaulichen in Rahmen vereinigt ein Huttlerlaufen mit Schimmelreiter, Brunnentaufe usw., wie es Ende des 18. Jahrh. in der Gegend von Hall sich abgespielt haben mag. Mittlings Kasten 10. Drei „Tresterertänzer” aus dem Pinzgau, Salzburg (die unter wiederholtem Niederknien einen T anz mit hohen Sprüngen aufführen und die Zuschauer mit Lebensruten peitschen), dazu Tiroler Schemenlarven, T ra chtenpuppen aus Gröden, große Tiroler Hüte. Die unterschiedlichen Kopfbedeckungen finden ihre Fortsetzung in Kasten 11. Man beachte die mit ihrer vließartigen Noppung an vorgeschichtliche Typen anknüpfenden Tiroler „Fozzelh aub en ”, oben Hochzeits- und Totenkronen, welch letztere Unver­ heirateten auf den Sarg gestellt wurden, ein letztes Ueberbleibsel der indogermanischen Totenhochzeit. Kasten 12. Zottler oder Hudler, Faschingläufer aus Nordtirol, Habergais, Strohlarve eines wilden Mannes, Krampuslarve. Auf der G egenseite. „Altarduxer” — nach den hohen Köpfaufsätzen der diese Umzüge pflegenden Duxer Burschen benannt — Meraner „Saltner” (W einhüter) mit Lederkoller und Kopfputz von Trophäen des Raubzeugs und Feder­ viehs in den Weinpflanzungen des Etschlandes. Fr. L e n t n e r : U e b e r V o l k s t ra c h t im G e b ir g e . Z eitsc hr. f. österr. Volksk. XI (1 9 0 5 ). Ad. S i k.o r a : Z u r G e s c h i c h t e d e r Z illertaler T r a c h t . Z eitsc h r. f. ö ste rr. Volksk. XII, 1 ff. Vergl. K. M a u t n e r : Die A u s s e e r T r a c h t . Z eitsc hr. f. ö ste rr. Volksk. XVI (1 9 1 0 ). P. T ä c h u r t s c h e n t h a l e r : schr. f. Volksk. X X XIV (1 9 2 9 ).

Die T r a c h t in S a r n t a l . W i e n e r Z eit­

89 A. H a b e r l a n d t : Die V o l k s t ra c h t e n d e r Alpen in: Die ö s t e r r e i ­ c h is c h e n Alpen. W ie n 1927. F. D o n a t : H a n d g e z e ic h n e t e W e b e r e i b ü c h e r a u s T irok W e r k e d e r V o l k s k u n s t 1, 90 ff.

R A U M IV. M asken- und Votiv wesen. Reiche Sammlung von Holzlarven zum Lauf der „schiachen P erchten”, abenteuerliche Tierköpfe, Teufelslarven, Salzburg, ferner Larven für Volksschauspiele, Nikolaus- und Fastnachtsspiele, Lu­ zifermaske und zahlreiche komische und Charaktertypen aus Tirol. In und auf den Pulten 1— 2 sind in großer Zahl W allfahrtsan­ denken, Sympathiemittel und Amulette, Rosenkränze, Breverln, Votive und W eihegaben vereinigt, die im Volksglauben bis auf die Gegenw art eine erhebliche Rolle spielen. Von den niederen Orden im Volke verbreitet wurden die oft zierlich einge­ kapselten Schutzbriefe, „Breverln”, Fraisbriefe, Haussegen und andere Gebete, die mit den Anfangsbuchstaben des Zacharias- oder 'Tobiassegens verzierten W etterkreuze, ferner Ulrichskreuze, Benediktuspfennige und Wallfahrtsmünzen, die bedruckten Fraisen­ häubchen, Papierstreifen mit der Länge Mariä usw. Pult 2. Johannis­ häupter auf Schüsseln oder mit H andhabe (von der hohen Salve, Tirol) von Gläubigen gegen Kopfweh aufgesetzt und umgetragen, ln dem Pult 2 ferner Fraisketten mit zahlreichen bedeutungsvollen Amuletten für das W ohlergehen der Kinder, namentlich Knaben. Pult 3 u. 4. Dreißigstbuschen von Heilkräutern, die in der Zeit von Mariä Himmelfahrt bis Mariä Geburt gepflückt werden müssen, Feuerbohrer zum Erzeugen lebendigen Osterfeuers, Tirol, W eih ­ nachts-Opferbrote, Salzburg, Alraunartige Wurzeln, Eisen- und W achsvotive aller Art. Bemerkenswert die „Bermuttern”, Stachel­ kugeln, die gegen hysterische Frauenleiden nur im Vintschgau auf­ geopfert werden, seltsam die Vergänglichkeit und Verwesung ver­ anschaulichenden „Sargein” au s dem Afertale bei Brixen Pult 4. K. O e s t e r r e i c h e r : B e it r ä g e z u m V o l k s a b e r g l a u b e n u n d z u r V o lks­ m edizin in N ie d e r - O e ste r re ic h . Z eitsc h r. f. ö ste r r . V olksk. XIII, 99 ff. M a r i a n n e K a u t s c h : S y m p a th ie n m itte l, E b d a ., 110 ff. Vergl. a u c h R. A n d r e e : Votiv e u n d W e i h e g a b e n d e s k a th o lisc h e n Volkes in S ü d d e u t s c h la n d . B r a u n s c h w e i g 1904. M. A n d r e e - E y s n : V o lk sk u n d lic h e s a u s d e m b a y r i s c h - ö s t e r ­ re ic h is ch e n A lp e n g eb iet. B r a u n s c h w e i g 1910. B. K r i s s in F e s ts c h r if t f. M. A n d re e - E y s n , 1928.

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R A U M V. Religiöse Volkskunst. Irn Hintergrund ein kapellenartig eingerichteter Raum mit volkstümlich farbigen Altären, Heiligenstatuen, Bildschreinen mit W achsbossierungen u. dgl. An den Längswänden im anschließenden Vorraum Heiligenfiguren und Bildtafeln. Es haben zunächst Heilige Darstellung gefunden, die dem Volk in Nöten des Lebens und der W irtschaft besonders nahe stehen. Als Pestpatrone viel verehrt waren S. Sebastian und S. Rochus (letzterer als Pilger auf seine Pestbeule weisend), SS. Antonius, Silvester, Leonhard gelten als Viehpatrone, der hl. Christof und St. Vitus (in einem Kessel mit siedendem Oel) erscheinen besonders häufig im P ußtertal, der Anblick des ersteren stärkt den W anderer ob seiner Riesenhaftigkeit gegen jähen Tod. In Tiroler Familien viel verehrt wird auch Mutter Anna selbdritt, oder Christus an der Martersäule als „Elendherrl”. Kirchlich längst abgeschafft sind Darstellungen wie die Dreifaltigkeitsplastik an der rechten Wand (gleichartige Bilder am rechten Türpfeiler nebenan), die hl. Kümmernis ist lediglich legendarische Volksheilige. Von Mariendarstellungen verdienen eine schwarze M uttergottes von Altötting, eine Maria in blauem W eltenrnante! mit Maibuschen (in der Nische nächst dem Eingang) und eine Marie aus einem massiven Holzklotz Erwähnung, die der Legende nach stets wieder auf ihren Standort an einem Baum zu­ rückkehrte. Letztere an der rechten Längswand. An künstlerischer Vollendung überragt die an sie gewendete handwerkliche Technik bei weitem der große lebensvolle Kruzifixus des ungelernten Bild­ schnitzers und Salinenarbeiters Johann Kieninger ( f 1899) in Hall­ statt. Die meist hölzernen Votivtafeln veranschaulichen lebendig die Lebensnöte des Alpenvolkes und sind auch trachtengeschichtlich vielfach von Interesse. RAUM

VI.

Weihnachtskrippen. Einzigartig ist die große W eihnachtskrippe in diesem Raum, die aus Vill bei Igls in Tirol herstammt, wo sie ein gewisser Simon jaufenthaler, der Mesner des Ortes, in der Adventzeit, altem Volks­ brauch gem äß durch Jahrzehnte zur Aufstellung brachte. In ihrer lebensvollen, mit barockem Prunk aufgebauten Szenerie ist sie ein Meisterwerk religiöser Volkskunst; die Figuren stammen aus der

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Zeit um 1700. Zum Stall mit der Krippe des Jesuskindes, um die die Hirten verteilt stehen und die ein Gloriabogen mit der Schar der Engel überstrahlt, bew egt sich der figuren­ reiche Zug der heiligen 3 Könige mit ihrem — Reiter­ scharen aus dem Türkenkrieg gleichenden — Gefolge herunter aus der Stadt Bethlehem, in deren Architékturbild die schmucken F assaden tirolischer und italienisierender Stadthäuser auffallen. Rechts die Ausdeutung der W eissag un g durch die Schriftgelehrten vor dem Throne des Herodes und der 12jährige Jesus im Tempel, links in prächtigem barockem Speisesaal (man denke an die Gastm ähler des Paolo Veronese), die Hochzeit zu Kanaa als Prunkmahl der Adeligen, im Freien Tafel der Bürgerlichen und eine dritte der Bauern nebst Küche und Keller. Die W eihnachtskrippe mit dem Schauplatz eines Krippen­ berges stammt aus Italien, w ar im 16. und 17. Jahrhundert eine be­ liebte kirchliche und klösterliche Schaustellung, mit der die Ab­ haltung von W eihnachtsspielen vielfach in Verbindung stand. Im 18. Jahrhundert hörte ihre kirchliche Beliebtheit auf und die Krippe wurde zu Anfang des 19. Jahrhunderts vielfach aus der Kirche ver­ wiesen. Damit verfiel diese schöne Kunstübung höheren Stils, dafür fanden die „Kripperln” umsomehr Eingang in Haus und Familie; bei der ländlichen Bevölkerung der Alpen vertreten sie bis auf den heutigen T a g noch vielerorts den städtischen W eihnachtsbaum. Solche Arbeiten künstlerisch veranlagter Hausväter und Bastler sind wohl die steil aufgebaute Krippe aus Nordtirol (W and 2) mit naiv älplerischer Freude am Leben auf der hohen Alm ausstaffiert und die schlichte Kinderkrippe eines W egeinräum ers vom Radstätter Tauern. D arüber ein älteres Krippenrelief aus Kärnten (W and 3). Mit liebenswürdiger künstlerischer Verspieltheit ist die dazwischen gestellte Hallstätter Krippe des Johann Kieninger aufgebaut, deren Figuren, zur Ablösung aufziehende Palastwache, Holzarbeiter bei verschiedenen Verrichtungen, er beweglich gemacht hat. Man be­ achte die dem Dachsteinplateau entsprechende Hochweide. Die Krippenschnitzerei w ar in verschiedenen Gegenden der Alpen Gegenstand hausindustrielier Betätigung, so in der Viehtau bei Gmunden, in Berchtesgaden, Hallein und beschäftigte in Nordtirol, um Hall und Zirl, ganze Schnitzerschulen. Ein gutes Beispiel der Zirler Schnitzerei an der Wand 4, darunter zwei noch 1919 als neu in Salzburg angefertigte Kripperln. Bemerkenswert weiter in Kasten 3 die bemalten Totenschädel aus dem Salzkammergut,

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ähnlich auch in Salzburg und Nordtirol, die bei ihrer Verwahrung in den Beinhäusern von den Angehörigen mit einer an den primitiven Schädelkult gemahnenden Pietät geschmückt wurden. Ein Schädel mit Lotterienummern — aus M aria-W örth — in Kärnten soll beim Anstarren die Glücksnummern für das Lottospiel offenbaren. Als Deckenbehang erscheint ein Fastentuch aus der Gegend von Lienz, bez. H. A. M. 1640, mit flotter, wenn auch etwas derb hingemalter Bilderreihe von der Erschaffung der Menschen bis zum neuen Bund und dem Erlösertod Christi. Derlei Fastentücher, in Deutschland auch Hungertücher genannt, dienten zur Verhängung des Altars, vornehmlich in der Fastenzeit und Karwoche. (Siehe auch Raum XXX im Erdgeschoß.) Vergl. G. H a g e r : Die W e i h n a c h t s k r i p p e . M ü n c h e n 1902. H. M a n g : U n s e re W e i h n a c h t . I n n s b r u c k 1927 ( T y r o l i a ) . Jos. R i n g l e r : D e u t s c h e W e i h n a c h t s k r i p p e n , I n n s b r u c k 1929. Karl B r u n n e r : D a s H u n g e r t u c h v o n T e l g t e in W e s tf a le n . Z eitsc hr. d e s V e rein e s f. V o lk s k u n d e XXI, (B erlin 1911), 321 ff.

R A U M VII. Haus- und W irtschaftsgerät aus dem Umkreis von Salzburg, Tirol, Vorarlberg. Kasten 1 und 13 enthalten figürliche Kleinplastik in Holz und Ton. Letztere sind zumeist farbig bemalte Preßm odelarbeiten aus dem Inn-Salzachgebiet. Durchwegs sind es beliebte Bauernheilige, wie sie in den kleineren Kirchlein und W egkapellen eine Andachts­ stätte besaßen, — die kleinen Figuren wurden im Haus im Herr­ gottswinkel, wohl auch über der T ür angebracht oder als Andenken an diese oder jene Wallfahrt aufgehoben. Bemerkenswerte Erzeug­ nisse der dörflichen Volkskunst sind auch die Bienenstirnbretter aus dem salzburgischen Tennengau (Abt. 6 ). Der künstlerische Fleiß der ländlichen Schnitzer ist iii den vorzugsweise Viehzucht treibenden Alpengebieten vielfach den G e­ räten zur Viehwirtschaft zugewandt, die geradezu als eine eigene Gruppe, als „Hirtenkunst” zusam m engefaßt werden können. Zu ihr zählen die Melkstiihle, hölzerne Schellenbögen, Sattelaufsätze, auch die W iegenbänder(A bt. 2 und Wand 3 ), ferner Wetzsteinkumpfe, Sensenscheiden, Peitschenstiele (W and 5 und 7 ). Ein Großteil der Musikinstrumente hierselbst und die sehr altertümlichen hölzernen Alphörner gehören gleichfalls in diesen Lebenskreis. Kasten 4.

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Kuhschmuck zum festlichen Abtrieb des Viehs von der Alm — zwei geschmückte Köpfe nebenan (W and 8) — Auffällig ein Stier­ schmuck aus Hirschstangen mit Holzglocke, Pongau. Schön ge­ stickte Schellenriemen, Tirol, Almgerät wie W asserkannen, Schaffe zum Abtragen des Almnutzens auf dem Kopf, hölzerne Schellen­ bögen und verschiedene Schellentypen. In den Pulten 4 Butter­ model, Rahmmesser, künstlerisch verziertes Eßgerät, gravierte Horndosen, Sterzinger Arbeit, primitives Tierspielzeug, Großarltal, und anderes. Urtümlicher Holzkultur entsprungen sind Mohnmörser (Abt. 2 ), Ochsenjoche (bei Kasten 4 ), die umfangreichen und ge­ drehten Schüsseln und Teller (W and 8 ). Vielfach künstlerisch ge­ artet ist auch das von Tiroler Dorfschmieden „Schlangenschmieden” hergestellte altertümliche Herd- und B eleuchtungsgerät (Abt. 7 ). Bemerkenswert die tierköpfigen Wichelsteine (vergl. W ichtelM ännchen), XIV. Jahrh. Kastell Tessin, alte Specksteinlämpchen für Talgbeleuchtung, Rienzgebiet, ferner hölzerne Pfannknechte mit Stielhalter zum Anrichten der Muspfannen auf dem Eßtisch. Kasten 9 und Abteil 11. Küchengeschirr, G efäße und Behältnisse aus Holz und Ton (G la su rw are), ferner Metallgeräte aus Kupfer (vergl. Wand 3 ), Zinn usw. Die hölzernen Krüge, Flaschen, Schüsseln, Schöpfkellen für Milch wurden früher vielerorts in den holzreichen Nebentälern Tirols hausgewerblich angefertigt, als Er­ zeugungsorte für die G lasurware kommen Bruneck im Pustertal, bekannt durch seine flachen Tellerplatten, oft von gew altiger G röße und der Bozener Bereich (aus der nächsten Umgebung die langschnäbeligen Eppaner W einkrüge) in Betracht. Töpfe und Kessel aus Glockenspeise gehören vorzugsweise dem Südtiroler Bereich zu, Zinn- und Kupfergeschirr wurde im Handel in süddeutschem Umkreis oft von weiterher bezogen. Volkskünstlerisch bem erkens­ wert sind die oft reichlich beschnitzten Salzbehälter (W and 14), der W eihe des Salzes entsprechend wurden sie im Eisakgebiet sogar als „Salzkirchln” zurechtgemacht. Eine Sondergruppe bilden das volkstümliche Handwerkszeug und Arbeitsgerät, sowie die Behelfe zur Textilarbeit. Wand 10. Schwingböcke für Flachs aus dem Oetztal, Krempel, Fadensammler, Spulräder, Bandwebstühle mit W ebegatter, W äschepracker, Mangelbretter, beide als Minnegaben zumal in den Alpe'n verbreitet. Die als Minnegaben zierlich ausgeschnitzten Rockenstäbe, die in den Gürtel eingesteckt getragen werden, charakterisieren die altertümlichen Arbeitsgewohnheifen der Frauen im benachbarten romanischen Volksgebiet. (Spinnen im

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Gehen und Stehen.) Auch die langschnabeligen, sogenannten Eppaner Weinkrüge gehören einem südlichen Formenkreise zu. E. G o l d s t e r n : B e it r ä g e z u r V o lk s k u n d e d e s L a m m e rt a l e s . Z eitschr. f. ö ste rr. Volksk. XXIV, S. 1 ff. G. K o t e k : Ein m e r k w ü r d i g e r S t i e r s c h m u c k . W i e n e r Z eitsc hr. f. Volksk. XXX111, 61 ff, V e rg leich e 105 ff. Hiezu f e rn e r : Fritz K n r p f : U e b e r T ie r n i a s k e n . W o r t e n u n d S a c h e n , V. (H e i d e l b e r g 1913).

R A U M VIII. Bildschtiitzerei in Salzburg und Tirol. — Grödener Arbeiten. Seit mehr als zwei Jahrhunderten bestreiten zahlreiche h an d ­ werkliche Herrgottschnitzer und mehr oder minder ungelernte Volkskünstler, sowie in waldreichen wirtschaftlich kargen Alpen­ gegenden talweise aufgekommene Hausindustrien den Bedarf der Alpenbevölkerung an religiösen und weltlichen Holzschnitzwerken. Es waren a u ß e r Altären, Schnitzreliefs, Kruzifixen, Heiligenfiguren für den Herrgottswinkel, W e g - und Wallfahrtsheiligtümer (W and 1) auch figurale Gruppen (Kasten 7), Krippenfiguren, Köpfe, Hände, F üß e (Glaswürfel 2 und 4 ), deren Bemalung (F assung) vielfach in den Händen der weiblichen Familienangehörigen der Schnitzer lag oder von wandernden Faßm alern besorgt wurde. Kirchenbildwerke, Flugblätter und Stiche boten dem vielfach stili­ stische Anleitung. Auch Kirchenbildhauer waren an derlei Kleinarbeit beteiligt, wie das Modell der Kreuzabnahme (nach Rubens) vom Altar der Priesterkapeile in Klagenfurt neben ändern künstlerisch hervorragenden Arbeiten (W andkasten 3) und die aus Vorarlberg stammenden geschnitzten Altarmodelle (Kasten 7) bezeugen. Reliefs aus einer Gipsmasse (W and 12) sollen vielfach auf den blinden Bildhauer F. Nießl aus dem Zillertal zurückleiten (darüb er eine Ladenschlange). Von den volkskünstlerischen Hausindustrien geht die Grödener wohl auf Holzbildhauerfamilien des 17. Jahr­ hunderts zurück. Von ihnen ist ein gewisser Martin Vinazzer mit einem Steinm.edaillon und mit einer M adonnenbüste vertreten. Die Rahmenschnitzerei (W and 12) dürfte um 1700 sich entfaltet haben. A ußer den allmählig zum Kindergut absinkenden religiösen Schnitz­ werken, — für diesen W e rdeg an g verg. Kasten 5 — erzeugte man in Nachfolge und W echselbeziehung zu der mit Holzmodellen zu versorgenden Porzellanindustrie Genrefiguren, Uhrständer und T iergruppen (Kasten 8 und 11); Zielerpärchen, Jäger und Dirndl als Schützenbeste, Karrikaturen und die Figuren von Hausierern und

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W anderhändlern entsprechen dabei durchaus dem Geschmack des Volkes selbst. Zu ihnen treten oft sehr originelle Bildwerke, namentlich Schlittenfiguren örtlich verschiedener Herkunft. Die Grödener Spielwarenerzeugung stand in enger Beziehung zu den von N ürnberger Verlegern auf den Markt gebrachten Erzeugnissen aus Berchtesgaden und wird heute noch fortgesetzt (W andtafel 6 und Kasten 9 ). Die schulmäSige Fortbildung der Figurenschnitzerei zu einem neuzeitlichen Kunstgewerbe, schon seit dem 19. Jahr­ hundert hat ihr indes kein künstlerisches Heil gebracht (Kasten 8). Oertliches und Verkehrsgut aller Art mengen sich in der Gruppe der Pfeifen und Dosen (im Glaskasten 10). Einem originellen, schon in der Neuzeit lebenden Tiroler Bauernkünstler, der allerdings schon a u ß e r von Schreckbildern süddeutscher Meister des 16. Jahrh. auch von außereuropäischen Kuit-Masken beeinflußt sein dürfte, sind die ringsum oberhalb der Kasten verteilten Holzlarven zuzu­ schreiben. Der stattliche blauw eiße Majolika-Ofen, Sfruzer-Erzeugnis um 1700, läß t deutlich Abstammung von den älteren tonnen­ förmig gemauerten Back- und Schlaföfen der Südtiroler B auern­ häuser erkennen. A. H a b e r l a n d t : Die S c h n itz e re i im G r ö d n e r ta l e . W e r k e d e r V o lk s­ k u n s t , Bd. 11, 1914, 1 ff. L. W e i s e r : Die L a d e n s c h la n g e . W r . Z eitsc hr. f. V olksk. XX XV, S. 1.

R A U M IX. Mobiliar aus Salzburg, Tirol und Vorarlberg. In den W andkästen 2 und 4 Haubenständer, Lichtständer aus Holz geschnitzt und bemalt, Nähterstöckel, künstlerisch verzierte Blockschachteln und Schmucktrüherln, den „Hochzeitskästchen” höherer Stände entsprechend, Spanschachteln mit bunter W ism uthmalerei. Fenstertür 3. Rockenständer aus Nordtirol und dem Algäu, Satteldachtruhe (mittelalterliche Form) aus Vorarlberg, oberhalb Zeichen der Salzachschiffer. Im Möbelbau und Zierstil haben die einzelnen Talgaue der Alpen oft durch Geschlechterfolgen hindurch landschaftliche Eigenart behauptet, die meist auf einen in Zeiten des W ohlstandes gewonnenen Zeitstil zurückleiten. Im Montafon haben sich zumeist Zeugnisse eines volkstümlichen späten Barock er­ halten, (W an d 1) Stubenkasten (A nrichtschrank), darüber 1— 5, 7, Deckenmittelstücke von Getäfeln. Im Arlberg und Oberinngebiet erbt sich seit der Hochrenaissance ein bem erkenswert vornehmer Zierstil in Möbeln und Getäfeln fort. Wand 5. Schnitztruhe und

W andkasten, Oberinntal. Wand 8: Bettaufsatz Paznaun. Die nordtiroler Nebentäler Pitztal, Oetztal, Alpach, bew ahren gotisierende Maltechnik und Muster bis in späte T ag e (W and 6 und 7 ). Ein zier­ liches dem Rokoko angeglichenes Barock behauptet der Pinzgau (Abt. 8— 9 ). Ein hervorragend schönes Beispiel der Nordtiroler Hochrenaissance ist der g roße Kasten an Wand 7 (v. J. 1636, Leih­ gabe der Frau Maria L an d e sb erg e r). Das breit aufgeschlossene Ziller­ tal und das Unterinngebiet (vergl. auch Raum X ) machen schon die malerischen Stilwandlungen auch des ausgehenden 18. Jahrhunderts mit (W and 7, Abt. 1 0 ), die etwas handwerklich trocken anmutenden Kästen in der Ofenecke ( 1 1 - 1 2 ) dürften dem Tölzer Kistlerhand­ werk zuzuschreiben sein. Allenthalben machen sogar die B raut­ schaffe diesen Stilwandel mit. Bemerkenswert auch die prächtigen Schlitten aus dem Pustertal und aus Kitzbiihel. In der W andecke 11— 12 schließlich ein g ro ß e r blauw eißer Sfruzer Majolikaofen um 1700. K. v. R a d i n g e r : D e r A l p a c h e r Möbelstil. W e r k e d . V o l k s k u n s t 1,64ff. Vergl. T i r o l : N a t u r , K unst, Volk, L eb en. 2. Folge, 4 (1 9 2 9 ) .

R A U M X. Mobiliar, religiöse Volkskunst. Wand 1. M iesbacher Truhe v. J. 1691 darüber Rosenkranz­ madonna (Brunnenfigur) Pustertal. Wand 2. Unterinntaler reich bemalte bezw. ausgeschnitzte Kästen. Wand 3. Zillertaler Kasten v. J. 1810 mit Landschaftsdarstellungen und Kasten 1833 mit den vier Evangelisten, Bozener Gegend. Wandnische 4. Pustertaler gemalter Giebelschrank v. J. 1806. In der Mitte des Raumes Palm ­ eselfigur, an den W änden ältere Votiv- und W allfahrtsbilder sowie ein kleineres Tiroler Fastentuch. RAUM

XI.

Möbel und kleinerer Hausrat zumeist Südtirol. Wand I. Milchkasten mit Gittertür, Pustertal und Truhe 1722 Enneberg. Bei Wand 2. Blauweißer Sfruzer Ofen mit Stuhl aus dem Nonsberg, daneben Truhe aus dem Vintschgau, wo die Gotik noch lange nachlebt, die auch der stark ergänzte Hängeschrank veran­ schaulicht. Noch altartiger die Münstertaler Steinbocktruhe 1580 nach Graubündener Art (W and 3 ). Die Truhe mit ausgegründetem inter­ essant stilisiertem Renaissancemuster (W and 5) stammt aus dem Enneberg. In Nonsberg fanden sich in Fülle die gediegenen N u ß ­

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holztruhen mit prächtig geschnitzter Vorderwand, von denen das Museum Beispiele vom 16. bis zum 18. Jahrhundert besitzt ( W a n d 6— 8 ). Die Stühle stammen zumeist aus der Gegend des G ardasees (W andkasten4).B locktrüherln,R asierzeugschachteln und andere Holzbehältnisse, künstlerisch gearbeitete Gehstöcke, Spinn­ rocken, Vortragsstange mit Reliefs von der Erschaffung der W elt geschmückt, ferner eine g rößere Sammlung von Korbformen aus Kieferwurzelgeflecht, darunter Saatkörbe, geflochtene und aus­ gepichte Humpen, feine Nähkörbchen, Erzeugnisse der Grödner Hausindustrie. Zurück durch das Stiegenhaus zum linken Rundgang. RAUM

XII.

Volksbrauch und Volkskunst Innerösterreichs. Wand 1. Erntekrone und Hüterstern, Niederösterreich, Habergais, dreibeinig, und Köpfe von ähnlichen Gestalten (M oosgais) aus dem Semmeringgebiet. Ratschen, „Glöckeltruhen”, hölzerne Klappern mit Resonanzkasten zum Heimrufen der Schnitter. W urf­ scheiben, Eisstöcke zum Eisschießen (Schleudern auf einer Eis­ b ah n ). Aushängschilde eines Bauerntheaters und einer Stadtmusik, allerhand Glücksspiele. Gebildbrotformeri für die Kirchtage und Jahresfeste, Kindertragende Nikolaus- und Krampusfiguren, Spin­ nerinnen und Schimmelreiter als W eihnachtsgebäcke, die reich ausgeschnitzten Model hiefür von 1700 bis ins 19. Jahrh. an der W a n d 10 gegenüber und in den Fensternischen. Wandkasten 2. Vielfältiger zum Teil schon städtisch beeinflußter kleiner Hausrat und künstlerische Kleinplastik in Holz, Niederösterreich, ferner Blocktriiherln, M angelbretter und besondere M innegaben an die Almerinnen, Rahmmesser, Buttermodel aus Steiermark und Ober­ österreich (zumeist aus dem Salzkam m ergut). In den Fenster­ pulten 3 und 7. Reiche Sammlung von Pfeifen, zumeist aus Holz, mit Szenen und Sinnbildern aus dem Handwerker-, Jäg er- und Landleben geschmückt, T abaksdosen. Fensterwand 5. Schützen­ scheiben, zierlich ausgeschnittene und gemalte Liebesbriefe, Ober­ österreich und steirisches Salzkammergut. Immerwährender Dreh­ kalender. Mittelkasten 4. Unten unterschiedliche kleinstädtische T ypen und Volksszenen eines Steyrer Kripperls. Szenen aus dem Volksleben wurden bei diesen Schaustellungen vielfach auch scherzhaft dramatisiert vorgetragen. D arüber holzgeschnitzte 2

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Krippenfiguren aus der Gegend von Krems, N.-Oe., ferner in diesem und dem Mittelkasten 6 Heiligen- und Wallfahrtsfiguren aus dem Alpenvorland, zahlreiche M uttergottesstatuen von Mariazell, Dreifaltigkeiisstatuen vom Sonntagsberg bei Waidhofen a. d. Ybbs, M uttergottes von Maria-Taferl, von Dreieichen und andere, dazu eine Anzahl primitiverer Schnitzwerke aus der Steiermark, zuoberst schmuckvolle Hausaltärchen. Wandkasten 8 zeigt vor allem Proben der vielseitig und anmutig entwickelten schnitzerischen Begabung der Bevölkerung des Salzkammergutes. Zuoberst Löffelrechen für die Almerinnen. Man beachte die W andlungen des streng gebun­ denen Stils zur Genremalerei der jüngsten Stücke. Unter den recht charakteristischen Schnitzfiguren nehmen die besonders vielseitigen Arbeiten des Salinenarbeiters Johann Kieninger aus Hallstatt ( f 1899) den Rang wohlgelungener Porträtsdarstellungen und zier­ lichster Kleinkunstwerke ein. (Napoleon als Trommler, Porträt eines W agners, die „Regel”, ein Bauernoriginal, seine Mutter als Baderin, Schnitzaltärchen aus dem Kirchenmodell (in Raum XV) und anderes.) Rechts anschließend unterschiedliche religiöse Schnitzwerke. Eine ganz eigenwüchsige Sondergruppe sind die all­ jährlich zu Ostern erneuten, kunstreich gebastelten Tischkreuze aus dem mittelsteirischen Rauchstubengebiet, die man über den Stuben­ tisch aufhängt. Kasten 9. Zuoberst Kuhschmuck zum Abtrieb von. der Alm, sowie auch Trauerschmuck, ferner Körbe und Zöger mit bunten Lederauflagen, zumeist wohl Hochzeitsgeschenke, ferner Brautschaffe (auch auf dem Kasten), Almkästchen und Span­ schachteln für Putz und Schmuck. Ihre bunte Bemalung ist ein letzter Ableger der Wismuthmalerei, die einige ältere Stücke in den Pulten veranschaulichen. Sie wurden wie in B erchtesgaden so auch in der Viehtau bei Gmunden hausindustriell erzeugt. Von eben daher stammen auch die runden Krisenbüchsen für Patengeschenke, die schwarz lackierten und zierlich bemalten Löffel undSchüsselchen für den H ausgebrauch und die kleine Auswahl hölzernen Spielzeugs in den Pulten. Die mittlings ausgestellte W einbeergais, eine an antiken Kultbrauch gem ahnende Form des Fruchtopfers bei der Weinlese in Niederösterreich, leitet zur Veranschaulichung alter Volksbräuche zurück. V. G e r a m b u n d V. Z a c k : D a s S t e y r e r Kripperl. W i e n e r Z eitschr. f. V olksk. X X V (1 9 1 9 ). M. H a b e r l a n d t : Die A rb e ite n d e s S c h n i tz e rs J o h a n n K ieninger. W e r k e d e r V o l k s k u n s t I, 4 ff.

M. H ö { i e r ü b e r G e b ild b r o te . V o lk s k u n d e III, IV, V, VII.

E rg . Hefte d e r Z eitsc h r.

f.

ö ste rr.

R A U M XIII. Handwerk in Innerösterreich. Kasten 1. Unterschiedliches Handwerksgerät, darunter Sägen mit schön geschmiedetem Bügel, Hobel mit geschnitzten Griffen, Binderschlägel, Drillbohrer, Garnhaspel. Auf dem Kasten. T a b a k ­ schneider, W aage, Honigpresse. An der Wand nebenan. Sack­ druckmodel, Binderzirkel 16. Jahrh., Taschenfeitel, beides Hand­ werkszeichen. Zinngeschirr der verschiedensten Art enthält Kasten 2, Kasten 10 — an der W a n d gegenüber — außerdem auch kleineren Küchenhausrat. Die Pietschen (sechsseitige Milch­ flaschen), Schüsseln und Teller dienten, sinnbildlich geschmückt, vielfach als P aten- oder Hochzeitsgeschenke. Kasten 10 fenster­ seitig auch eine Gruppe von Zunftstücken, Willkomm-Humpen, -Flaschen und -Becher, Pokal einer Töpferinnung, Binderschlägel, Glasstiefel für den Stiefeltrunk bei Hochzeiten. AbendmahlsNotkelch, ferner Eisengußbilder von G u ßw erk bei Mariazell. Kasten 3. Herd- und Beleuchtungsgerät, Feuerböcke und ent­ sprechend geformte kleine Spanrösseln, einfache eiserne Klemmleuchter, kunstvoll geschmiedete Kerzenklemmleuchter mit ranken­ artigen Schnörkeln, Leuchter in Vogelform, Aufste.ckleuchter und Klemmscheren, Leuchtermännchen und die eigenartigen in Niederund Oberösterreich verbreiteten Spanmäuler zum Einstecken eines Spanes. Ferner Schusterkugeln zur Erzeugung eines stärkeren Lichtfleckes bei der Arbeit, die mit W a sser gefüllte Kugel ist dabei als Sammellinse für ein dahinter gestelltes Licht wirksam, Stunden­ gläser mit einem nach dem Stundenverbrauch geeichten Oelbehälter. W and 4. Kienleuchte mit Rost und Hut, Leuchtständer, kupferne Backformen für Festgebäck. Fensterpult 5 enthält Zunft­ briefe und Zunftordnung, Klinge mit Schmiedemarken, Handwerks­ symbole und -bilder. Pultkasten 6. Erzeugnisse der Klingen­ schmiede, hauptsächlich im Umkreis von Steyr. Entsprechend der alten Gepflogenheit, sein Besteck auf Reisen mit sich zu führen, w a r die Besteckindustrie in den Alpenländern reich entwickelt und nahm volkskünstlerisch auf Stand und Beruf des Besitzers Bezug. Typisch sind groß e und kleine Schnappmesserformen („Feitel”), das älteste Stück datiert 1551; man beachte die schön verzierten Hefte (Schalen) der durchwegs für persönlichen Gebrauch be2*

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stimmten Stücke. Aehnlichen Charakter offenbaren auch die sinn­ bildlichen Zierate der Bestecke, — viele für den Gebrauch der Haus­ frau— die Schlächter-, F rächter-und B auern-M esser auf der Gegen­ seite. In die Messerklingen sind nicht selten Kreuze und Halbmonde zur Abwehr von Truden und Hexen eingeschlagen. B eachtenswert auch die Besteckscheiden für Binder, Schlächter mit getriebenem und geschnittenem Eisen oder Messingblech, 17. und 18. Jahr­ hundert, allerhand Schäufelchen und Holzlöffel als Hochzeitsge­ schenke, M uskatreiber mit hübsch beschnitzten Schalen, schön ver­ zierte Schnitzmesser zum Ansetzen an die Schulter. D arüber Hand­ werkszeichen der Gerber und Färber, Willkommlöffel für w andernde Gesellen. W and 7. Bild eines Zinkblechwerkes, Typenreihen von Pferdekämmen in G elbguß, Schirmbeschläge aus gepreßtem Messingblech, davor Spinnradtypen und Rockenständer. Oberhalb Freßglocken zum Heimrufen der Schnitter vom Feld (zumeist W agenscheiben) Ennstal. Kasten 8. Farbige, figurale und schmelz­ verzierte Gläser aus kleineren alpenländischen Glashütten bis ein­ schließlich Tirols und einiger Schweizer Arbeiten. Die wichtigsten Erzeugungsgebiete lagen im Waldviertel Niederösterreichs, ferner der „Buckligen W e lt”, im Hausruckwald in Oberösterreich, in Hall in Tirol usw. Die barocken Tierfiguren dienten hauptsächlich als Branntweinflaschen, ebenso die vielfach mit Sinnbildern der Liebe und darauf bezüglichen Sprüchen gezierten schmelzverzierten Flaschen, dazwischen Tauf-, Firmungs- und Hochzeitsgläser, kunst­ voll von innen bemalte Glaskugeln, gezwickte W eihbrunnkessel. Fensterpult 9. Ausgüsse von künstlerisch bemerkenswerten süd­ deutschen Holz- und Zinnmodeln des 14. bis 16. Jahrhunderts. (Kasten 10 siehe bei 2 ). Kasten 11. Backformen und Küchenhaus­ rat aus Metall, — interessante M örsergruppe — Frankenburger Steinzeug aus Oberösterreich — glasiertes Irdengeschirr für viel­ seitigen Hausgebrauch — z. B. auch als Bügeleisen für Spitzen, Gmundener Majolika mit Szenen aus dem ländlichen Leben. Die Schwarz-Rot-Gold-Bemalung einer Sondergruppe weist auf Be­ ziehungen zur Viehtauer Holzwarenerzeugung. Beachtenswerte Meisterstücke sind die kunstvollen Binderkrüge mit lamellendünnen Einlagen zwischen den wellenförmig profilierten Dauben aus dem nördlichen Oberösterreich. Man beachte die Formbeziehungen zu Zinn- und Kupferkrügen. Dazu in den Pulten Backformen für Festgebäcke, hölzerne Schmalzdosen, Teller usw. Kleine Sondergruppen veranschaulichen M aß e und Gewichte, die Sonnenringe dienten zur

101 Zeitbestimmung. Vom streitbaren W esen der Burschenzechen im Innviertel legen Schlagringe, Reißer, bew ehrte Ochsenziemer Zeugnis ab. Als alte Musikinstrumente verdienen die Schlagzithern, Maultrommeln, Xylophone („hölzerne G lachter”) zum schlagen mit Klöppeln usw. Beachtung. A. W a l c h e r - M o l t h e i n : Die B e s t e c k s a i n m l u n g im S c h lo ß Steyr. K u n s t u n d K u n s th a n d w e r k , XV' ( W ie n 1912), 1 ff. D e r s e lb e : O b e rö s t e r r e i c h i s c h e s H o h l g l a s m it E m a i lfa rb e n b e m a l u n g . W e r k e d e r V o l k s k u n s t 11, 51 ff. AD H a b e r l a n d t : A lp e n lä n d isc h e B e s t e c k e u n d M e s s e r v o n v o lk s­ tü m l i c h e r A r t u n g . W e r k e d e r V o lk s k u n s t 111. 1 ff. D e rs e lb e : U e b e r R a u f w e r k z e u g e . Z eitsc h rift r. ö sterr. Volksk. XI, 81 ff.

R A U M XIV. Möbel, eisernes Beschlagwerk, Aushängeschilder, Innerösterreich und Alpenvorland. In den behäbigen Bauernhöfen auf den getreidereichen Böden südlich der Donau findet man in Oberösterreich bis nahe an Salz­ burg heran ein farbenprächtiges Mobiliar aus der Zeit von etwa 1770 bis 1830 noch vielerorts erhalten. Kästen dieser Art von stattlichen M aaßen in Abt. 1— 2 und 3— 4. Die Malerei des Kastens v. J. 1791 veranschaulicht mit allerhand Sinnbildern (Strich­ kalender, Blumen und Tierkreiszeichen) Jahreszeiten und Jahres­ lauf. Von den Betten dieses Stils an Wand 12 zeigt eines v. J. 1781 eine Hochzeitstafel und den herkömmlichen Tanz. Vergleiche auch die Bemalung der Sessel ebendort. Von dem Zierstil noch orts­ ständiger Kästen und Truhen in der Umgebung von Lambach bieten die von Frau G. Brunner-W im m er in Originalgröße abgenommenen farbigen M usterproben an Wand 5 ein wirklichkeitstreues Bild. Er­ heblich kleiner sind die Kastenmöbel des steirischen Gebirgslandes (W and 5— 8 ), vorzüglich der Kleinhäuser im Salzkammergut mit oft besonders liebevoller Bemalung (an Wand 5 ). Die älteren Truhen v. J. 1844, 1842 und 1801 (W and 10, 11, 13) zeigenBlumenmalerei und das Eindringen des Genrebildes in diesem ländlichen Kreis im 19. Jahrhundert. Kärnten weist unter dem Einfluß des itali­ enischen Kunstgewerbes einen gewissen mehr bürgerlichen Bestand von einfach eingelegten und glatten Harthoizmöbeln auf, wie dies die Truhen (W and 9) zeigen. Auf ihnen eine Anzahl stilgleicher Zunfttruhen aüs dem Burgenland. Eine beachtenswerte Leistung bäuerlichen Handwerks — wohl eines W agn ers — stellt der mit

102 Sprüchen usw. ziervoll eingelegte Tisch v. J. 1706 aus dem Böhmerwald vor, darüber ein Veriobungszeichen, Sinnbild der Handfeste (H andschlag) beim Verlobungsschmaus im W irtshause aus Steyr. Anschließend Gasselschlitten aus Oberösterreich und Prunkschlitten aus Wien. — Ringsum im ganzen Raum Handw erks- und W irts­ hausschilder. Wand 9 und 13. Kunstvoll geschmiedete Tür-, Truhen- und Kastenbeschläge. Man beachte die vielfach mit aber­ gläubischen , (A bw ehr-) Vorstellungen zusamm enhängende tiergestaltige Form gebung der Türklopfer. R A U M XV. Modelle von Bauernhäusern. Beginnend von Links. Niederösterreichisches W einhauerhaus (dreiseitig um bautes fränkisches Gehöft), Oberösterreichischer Vierkant, Einrichtung zur Stärkeerzeugung, Mühlviertel. Salzburger Einheitshaus. Tiroler Hof- und Hausformen. An der Hinterwand. Böhm erwaldhaus (Hakenhof), fränkisch-mitteldeutsches Gehöfte »(Paarhof) aus Nordostböhmen, Modelle russischer Bauerngehöfte, Pfahlbauten aus dem Ueberschwem m ungsgebiet der Save, türkisch-m ohamm e­ danisches Haus, Bosnien . Rechts ferner Sägemühle, Hausmühle und Hammerwerk, sowie Hallstäter Getreidekasten (Speicher) in Blockbau mit Dreschtenne, G osauzw ang mit Sohlenleitung auf hoher Pfeilerbrücke, Schnitzwerke des Hallstäter Salinenarbeiters Joh. Kieninger, ferner Lungauer gem auerter Speicherkasten, Leinenbleiche und Trockenturm aus dem Mühlviertel, W achszieher­ haus mit Zunfttafel, Innungszeichen ( ? ) 1787 aus Oberösterreich. Eine ansehnliche künstlerische Leistung bedeutet das bis ins kleinste ausgeführte Modell einer Dorfkirche von gotischem Form­ charakter des Joh. Kieninger, das er in freier W eiterbildung orts­ ständiger Bauten entworfen hat. (Vergl. auch Raum XII.) Die Bild er a n den W ä n d e n sind z u m T e i l ' d e m W e r k von J. W . D e i n i n g e r : D a s B a u e r n h a u s in T iro l u n d V o r a r l b e r g e n t­ n o m m e n , z um Teil O rig i n a l a u f n a h m e n v o n T ir o le r W a n d f r e s k e n v o n C a s s ia n D a p o z u n d v o n O b e r ö s t e r r e i c h e r B a u e r n h ä u s e r n v o n E. H a b e r l a n d t . V ergl.: D a s B au ern h a u s in O e s t e r r e i c h - U n g a r n . ( H e r a u s g e g e b e n v o m ö ste r r. I n g e n ie u r- u n d A r c h ite k te n -V e r e in ) v o n M. H a b e r l a n d t u n d A. D a c h 1 e r. A. H a b e r l a n d t : Die B a u e r n h a u s f o r m e n im d e u ts c h e n V o lk sg e b iet. W r. Z eitsc h rift f. V o lk s k u n d e XXXI, 9 ff. ( m it K a r t e ) . V. C u r c i c ; R e z e n te P f a h l b a u t e n v o n D o n j a D o l i n a in B o sn ie n , E rg .-H . IX d e r Z eitsc h r. f. ö ste rr . Volksk.

103 RAUM

XVI.

Kärnten und Krain. Ueberwiegt in Kärnten noch durchaus der westlich alpeniändische Kulturcharakter, der auch den oberkrainerischen-slowenischen Grenzgebieten eignet (Krajina bedeutet Grenze), so mengt sich dem in Unterkrain auch schon älteres kulturelles Erbe Südost­ europas zu. W a s in Kasten 1 und 2, Wand 3, 6 und Pult 4 im Raum verteilt ist, gibt einen Ausschnitt aus dem älteren Besitzstand an religiösem Schmuck des Hauses (H ausaltärchen, Heiligenfiguren, Beinkrippe, Kruzifix), an hölzernem Kleingerät, wie solches unter anderem die Hausindustrie in Oberkrain in Massen erzeugte (man vergl. auch die Fäßchen, Zuber und Schaffe auf den Truhen, ebenso Holzlöffel und Pfeifenköpfe in Pult 4 ) sowie altem Herd und Be­ leuchtungsgerät. Neben Kasten 1 an der Wand altertümliche Buckelkraxe (T raggestell) und Ledersäcke für den Bergbau. P orträt des ob seiner ersten Landesbeschreibung von Krain Iandesund volkskundlich rühmlichst bekannten E. Frh. v. Valvasor (17. Jahrh.). Kasten 2. Erzeugnisse der sehr altartigen Töpfereibe­ triebe in Kärnten und Krain, altes Schwarztongeschirr (Gugelhupf­ formen) auch auf der Truhe nebenan. Wand 3. Zuoberst deutsche Handwerkerzeichen der Müller (Z a h n räd e r), Glaser, Ofenhafner, Besteckmacher usw., dann Stirnbretter von Bienenstöcken mit Malereien landschaftlichen wie auch religiösen und scherzhaft sa­ tirischen Charakters, Bauernstreit, Spott auf Handwerker, Verkehrte W elt (Tierfabel), Altweibermühle, nach deutschem Vorbild zumal bei Slowenen verbreitet. Daneben Getreide- und Backmulden alter Form mit Ritzmustern nach älterer nur mehr in Südosteuropa er­ haltener Ueberlieferung. Sie werden hier, wie in antiker Zeit (G e­ treideschwinge der Dem eter), auch als Kinderwiegen verwendet. W eiters als deutsche alpenländische Formen Mangelbretter. Auch Malerei und Einlegearbeit der Truhen entspricht diesem Kultur­ umkreis. Bemerkenswert die altertümlichen Fangeisen und Bilchmausfallen (Untersatz 6 ). Kasten 5. An der Rückwand die durch rei­ che Buntstickerei ausgezeichneten Decken für die österlichen W eih­ körbe aus dem Rosental, Polsterüberzüge mit Bunt- und Schwarz­ stickerei und mR streifigen Mustern durchwebte Handtücher. Davor Kärntner- und Krainer-Trachten. Man beachte den im wesentlichen deutsch-alpinen Charakter der T racht eines slowenischen Bauern mit Kniehose und kurzer Joppe gegenüber der allartigen und darin

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dein Kulturerbe auch ihrer slowenischen Umgebung viel näher stehenden T rach t der deutschen Sprachinsel Gottschee: Langhose und überfallendes Hemd aus grobem Leinen sam t langer W este und Mantelrock aus blaulich-weißem „Aba’-T u ch beim Mann, Hemd­ rock und ärmelloser Ueberrock mit rotem Schnurgürtel sowie Kopf­ tuch bei derFrau. Sehr altertümlich auch die spangeflochtenen Holz­ beschuhungen. Die M ädchentracht aus dem Gailtal zeigt in der Kopfbedeckung (gefälteltes w eißes Kopftuch), wie in einzelnen Zutaten slowenischen Einfluß. Auch die mit Korallen bestickten Brautborten der Slowenen und Kroaten weisen nach Südosteuropa, wogegen die Oberkrainer Reginahauben mit ihren breiten mit er­ habener Goldblumenstickerei verzierten Stirnborten als letzte stil­ volle Ausläufer der süddeutschen bürgerlichen Frauenmode des 16. Jahrhundert zu gelten haben, ebenso wie dies bei den vielgliederigen metallischen, aus Ketten und Reliefplatten zusammen­ gesetzten Hochzeitsgürteln Kärntens der Fall ist (P u lt 4 ) . Er­ läuternde und ergänzende Trachtenbilder (W and 6 ). Vergl. A. H a b e r l a n d t : sch rift f. V o te sk. X X X ii, 73 ff.

D a s K ä r n t n e r H e i m a t m u s e u m . W r . Z eit­

B. Sudetenländer. R A U M XVil. Deutsche in den Sudetenländern. Trotz starker Angleichung der Hauskultur der W estslawen, wie auch des Trachtenw esens in Böhmen an die mitteleuropäischen von Deutschen hergebrachten Kuiturformen und Modeströmungen tritt in der gebotenen Gegenüberstellung der Deutschen und T sch e­ choslowakei! in dem von diesen neu begründeten Staat das nationale Moment im Kulturganzen der beiden Völker sinnfällig in E r­ scheinung. Im Anschluß an die Deutschen Oesterreichs sitzen Baju­ waren im Böhmerwald wie auch in Südmähren in breiter Er­ streckung bis in die P reß b u rg er Gegend. Auch an den Sprachinseln von Iglau, Brünn, W ischau, Olmütz, Deutsch-Brod haben sie den wesentlichsten Anteil, weniger schon an der Bevölkerung des Schönhengstler-Gaus und des mährisch-schlesischen Kuhländchens. Gewisse Abweichungen offenbart auch der Oberpfälzer (n o rd ­ bayrische) Schlag im Egerlande. Nördlich schließen im Erzgebirge Sachsen an, jenseits des jeschken Schlesier, die auch für die deutschen Kolonien in Oberungarn den überwiegenden Teil der

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Kolonisten stellten, ln den Sammlungen des Museums hat dieser letztgenannte A ußenposten des Deutschtums bislang keine Ver­ tretung. Dagegen tritt der Anteil der Deutschen an den Hausindu­ strien der böhmischen Randgebiete, wie am städtischen Handwerk und älteren Industrien (Zinn, Glas, Steinzeug) in Böhmen und Mähren deutlich in Erscheinung. Kasten 1 und Untersatz 5. Der Hausrat der bei kümmerlicher Lebenshaltung vielfach auf Heim­ arbeit und Hausindustrie angewiesenen Bevölkerung ist ein wenig formenreicher und bescheidener. Ansehnlicheres bietet die Holz­ schnitzerei. Bemerkenswerte Krippenfiguren, darunter altdeutsche Heldengestalten usw., ferner Rübezahlfiguren für Kinder in Glas­ kasten 2. Die mechanische Typisierung der Spielwarenerzeugung im Riesengebirge zeigt Wand 5. Im Erzgebirge haben die figuren­ geschmückten sogenannten W eihnachtspyram iden in Abwandlung des Szenariums der W eihnachtskripperln auch als G egenw arts­ erzeugnis noch Geltung (Glaskasten 3 ). Im gleichen Kasten auch andere kleinere Schnitzwerke, Rübezahlpfeifen, eiserne Votivtiere aus dem Böhmerwald und anderes. Egerländer Volkskunst sind die minierten Patenbriefe und die Federbildchen zusamt altertümlichen Schmuckformen im Fensterpult 4. Zinnkrüge, geschliffene Gefäße aus Serpentin, westböhm isches (W ildsteiner) Steinzeug, Bunzlauer und sächsische Krüge, ferner böhmisches Glas, Brisiltabakfläschchen und anderes Ueberfangglas in Kasten 6. Man beachte auch die Hinterglasbilder, vornehmlich aus Nordostböhmen (in den Fensternischen). Wand 8. T otenbretter aus dem Böhmerwald zur Aufbahrung, Andachtsbilder, Schnitzrelief aus einer schlesischen( ?) Bergwerksgegend, kleines W eihnachtskrippen. Hausindustrielle m arktgängige Holzschnitzereien aus dem deutschen Böhmerwald und von deutsch-schlesischen Schnitzern (W eihnachtskrippe), vergl. auch Raum XIX. Wandkasten 7. Hauben aus dem Znaimerund Iglauer-Kreis und dem Schönhengstgau, die in ihrer insel­ artigen Beschlossenheit durch ein üppiges W uchern einzelner Form­ teile auffallen. Demgegenüber stehen kappenförmig anliegende Hauben vom Egerland bis nach Schlesien im Norden. Auf Pergament oder Papierstreifen in alter Miniertechnik gemalte Hochzeitsbilder aus dem Egerland veranschaulichen das Brautgeleite, dem der Kammerwagen mit der hergebrachten Ausstattung folgt. Darunter ein schw arzer gefältelter Brautmantel, dem Stil der nieder­ ländischen Heuken des 17. Jahrhunderts entsprechend. Die M änner­ tracht aus dem Egerland ist ebenso stark verbürgerlicht wie die

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Frauentrachten aus dem Egerland, isergebirge und Schönhengst­ gau. Ganz nach deutscher kleinbürgerlicher Art trägt sich auch der W ischauer Bräutigam, wogegen die Brauttracht hier in Zuschnitt und lebhafterer Farbigkeit den umgebenden slawischen Trachten entspricht. (Vergl. auch Egerländer W ohnstube, Kuhländlerstube, E rdgeschoß, Raum XIV, XXIX b). jo s. B l a u : Z eitsc hr. f. ö ste rr. Volksk. X, 16 ff. ( T o t e n b r e t t e r ) , 129 ff. ( E is e r n e O p f e r ti e r e ), 191 ff. ( S p i t z e n k l ö p p e l n ) , XI, 85 ff. ( B r a s i l t a b a k ) . Jos. H o f m a n n : L änd lich e B a u w e is e . E in r i c h tu n g u n d V o l k s k u n s t in d e r K a r l s b a d e r L a n d s c h a f t ( K a r l s b a d e r H e inia tbiiche r, Bd. 5 ) , 1928. Alois J o h n : Die F e d e rb ild er. W e r k e d e r V o l k s k u n s t III, 7 ff. M. H a b e r l a n u t : E g e r l ä n d e r P a te n b r ie fe . W e r k e d e r V o l k s k u n s t III, 17 ff. E. B r a u n : Sc hlesische W e i h n a c h t s k r i p p e n . W e r k e d e r V o l k s k u n s t III, 23 ff.

RAUM

XVIII.

Slowakisches und W allachisches Hauswerk. Im Inneren des in seinen gebirgigen Randgebieten von den Deutschen aus grüner W urzel besiedelten böhmischen Kessels sitzen die Tschechen, von denen die Choden als G renzw ächter itn mittleren Böhmerwald am längsten ihre Eigenart bew ahrt haben. In Mähren stehen die Bewohner des böhmisch-mährischen Mittel­ gebirges, die Horaken, in merkbarem Gegensatz zu der Bevölkerung der fruchtbaren Marchebene, den Hannaken. Von beiden unter­ scheiden sich in Sprache, Siedlung und älteren Kulturüberliefe­ rungen ganz wesentlich die Bewohner des mährischen Südostens, die Slowaken, deren Hauptm asse in noch primitiveren Lebens­ zuständen sich weithin in den Karpathen bis zum Ungh ausbreitet. Im Nordosten Mährens gesellen sich ihnen die Wallachen, die seit dem 13. Jahrhundert, auf Grund einer Zuwanderung rumänischer Hirtengruppen, in Sprache und Kulturbesitz starke Eigenart be­ wahren. Pult 1. Modelle von altartigen Arbeitsgeräten, wie sie be­ sonders in den wallachischen Gebirgssiedlungen sich erhalten haben. Hoanzel- und Drehbänke, Arbeitsbehelfe und W erkzeuge der Schnappfeitelschmiede, ferner kleinere hausgewerblich erzeugte Gegenstände, Kerbstöcke (R echenstäbe) der wallachischen Hirten, Hackenstöcke und Tabakspfeifen mit Perlmuttereinlagen. Auf den Untersätzen größere Modelle, wie Hausmühlen, Lodenwalken usw. Pult 2. Hirtenbecher aus dem Vollen geschnitzt, daneben böhmische, kunstvoll gefügte und mit Schnitzereien verzierte F aß b in d erk rü g e>

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Butter- und Lebzeltenformen, Spindeln, Bindepflöcke und anderes. Bei den Slowaken haben sich teilweise bis auf die G egenw art noch farbenprächtig mit Stickereien verzierte Trachten erhalten. Die Pultaufsätze zeigen bestickte Hemdblusen, Miederleibchen und Schürzen, die Bilder ringsum gehören zu einer Aufnahme der Landestrachten in Mähren von Karl Horn aus dem Jahre 1837. Wandrahmen 3 und 5. Schön gestickte Kragen für den Sonntags­ s taat der südmährischen Slowakinnen (In den Glaskästen 4 ). Brautkronen und Brautschmuck der Slowaken, Lederweste mit feiner Seidenstickerei aus Böhmen. Frauenhauben der Hannaken und Slowaken, die neueren und reicheren Formen mit Silber- und G oldsprengarbeit stammen aus der Gegend von P re ß b u rg (Bratislaw a ), die altartigen Formen (kokes) des Kopfbundes mit ver­ hüllendem Ziertuch wurden von den kroatischen Bräuten der Gegend von Lundenburg getragen. (Vergl. auch Mährische W o h n ­ stuben, Erdgeschoß Raum XV— XVI.)

RAUM

XIX.

Tscheehoslowaken in den Sudetenländern. W ie ältere Trachtenformen haben sich auch alte bildhafte Zeugnisse des Volksbrauches vornehmlich in Mähren erhalten. Kasten 1. Strohpuppe „Caram ura”, d. h. Hexe zum W interaustragen am Sonntag Laetare (T otensonntag) in der Hannakei. Die Puppe wird unter Absingen von Liëdern von jungen Leuten auf freiem Feld, verbrannt und die Asche verstreut oder in fließendes W asser geworfen. Ebenso verfährt man mancherorts mit einer kleineren Figur („Sm rt” d. i. T o d) mit Halsgehängen aus rotem Stoffrestchen als Krankheitsträgern. Aus Siidmähren stammen Erntepuppen aus Maisblättern, aus Südböhmen die in manchen Familien vererbten W etterhörner (Tritonsm uscheln) zum Gewitter verscheuchen (ein schon in der Zeit Karls des G roßen verpönter Aberglaube). Stark verwittert sind die buntgeschmückten Maien aus Tannensprossen. Den Erntesegen verkörpern die in ihren Ursprüngen den skandi­ navischen Halmkronen vergleichbaren Strohgehänge in Faden­ kreuztechnik, die man in deutschen Gebieten als „Fliegenhimmel”, „Unruh” u. dgl. benannt findet. Unten. Eiserne Hand, Sinnbild des Dorfrechtes, „Pravo”, oberhalb Faschingspuppe und Faschingspravos, hölzerne Axt, Pritschenstock und Zepter als Sinnbilder des im Fasching ausgeübten Burschenrechtes. Man vergleiche die bunte

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Flitterumhüllung eines solchen Burschensäbels in der Mitte des Saales. An der Hinterwand (wie auch in Kasten 3 ) Vorhänge zur Verhüllung des W ochenbettes, mit Figuren besuchender Nachbarin­ nen usw. bestickt, Ostböhmen. An den W änden 2. Hinterglas­ bilder von charakteristischer F arbengebung und Stilprägung. Holz­ figuren beliebter tschechischer Volksheiliger (Johannes v.Nepomuk, hl. Wenzel, Cyrillus). Tafeln mit Stroheinlegarbeit, reich und schön verzierte Ostereier, ln Böhmen zeigt sich bereits fortschrittlichere Musterbildung bei vereinfachter Farbengebung, w ogegen in der Slowakei noch ein mehrfaches W achsdeckverfahren für die altartige vielfarbige Verzierung angewendet wird. Die Eier sind hier zumeist Minnegaben der Mädchen an die Burschen für fleißiges Tanzen im Fasching. Die tschechischen Trächten (Kasten 3 ) entsprechen im W esten, im Pilsener Kreis und bei den Choden älteren von den Deutschen herangebrachten mitteleuropäischen Trachtenm oden. Der Pilsener Bauer und der Chode tragen Langrock, bezw. Joppe, zusammen mit W este und Kurzhose wie im Nordgau oder in Fran­ ken. Aelteren Stil zeigt die Frauenmode mit w eißem „Schalk” (Jo pp e), weitem Faltenrock und Schürze, wobei die rote G rund­ farbe sich noch aus dem 16. Jahrhundert herschreiben mag. Von ganz anderer Artung ist die polnischem Trachtenstil verwandte T racht der Wallachen. (Kasten 4 ) , Die in die Taille geschnittenen halblangen Röcke der Männer, zusamt den engen Langhosen, führen zugleich die Beziehungen vor Augen, die die Volkstracht hier im Osten mit den Uniformen von Truppenkörpern aus diesem Volksbe­ reich verknüpfen. Vollkommen hausgem acht ist die derbe Filzloden­ tracht der karpathenländischen Slowaken, Langhose in gestrickten Stiefeln, Mantel mit viereckigem Kapuzenkragen. Ganz andersartigen Charakter besitzen die Trachten der Hannaken (Kasten 5 ). Die alt­ artige Brauttracht weist nur zart getönte Stickerei an Hemdbluse und Schürze auf. Besonders stilvoll w ar die Stickereiverzierung der alten weißen Schaltücher, mit denen sich die W öchnerinnen beim ersten Kirchgang zum „Hervorsegnen” aus dem W ochenbett bis über den Kopf verhüllten. (Vorsegnetiicher an der Rückwand des Kastens). Der Hochzeiter trägt Kurzhose und W este von mittel­ europäisch-deutschem Zuschnitt, dem gleichen Kulturbereich gehört der mit zahlreichen Kragen geschmückte blaue Mantel des Braut­ führers zu. In der M ännertracht ist namentlich bei den Slowaken (Kasten 6) an der reichlichen Zierstickerei von Brustteil und Aermeln die ursprüngliche Geltung des Hemdes als „Leibrock”, zu

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dem sommerüber nur eine kleine Schmuckweste getragen wird, er­ kennbar. Gegenüber den farbenreicheren Trachten der Ebene, so auch der Kroatin von Lundenburg, stellt die W eißleinentracht einer Tschitschm anenfrau mit gelber Stickereiverzierung eine ältere Stufe dar. An der Hinterwand gestickte Besatzstreifen für die Bett­ w äsche von den mährischen und karpathenländischen Slowaken, in letzterem Gebiet fallen die altartig stilisierten Vogelfiguren auf. In den Glasrahm en 7. Kopftücher mit reicher flächig ver­ breiterter schw arzer Seidenstickerei aus der Pilsener Gegend. W eiters Kopftuch- (S atka-) Enden mit harmonisch abgetönter Sei­ denstickerei von den mährischen Slowaken, die diese an die mittel­ alterlichen Gebende und Stauchen erinnernde Kopfverhüllung bis in die G egenw art beibehalten haben. Fortsetzung der Stickereien auf Gang XX. Satkaenden, Aermeistickereien, deutsche Böhmer­ waldspitzen, reiche Um hängtücher mit Durchbruchsarbeit, Perl­ stickerei aus Südböhmen usw. Glaskasten 8 zeigt volkstümliche Hafnerarbeiten vorwiegend aus Mähren, beginnend mit einer Gruppe von Sturzbechern (d. h. um gestürzt aufbewahrten Bechern) aus dem 15. Jahrh., die besonders in Brünn häufige Bodenfunde vorstellen.. Daneben Loschitzer Steinzeugbecher gleicher Zeit­ stellung. Volkstümliche Majolikaerzeugnisse aus W ischau usw. zeigt Wand 11. Im Kasten 8 ferner farbige Renaissancekachel aus Olmütz als Zeugnis alter deutscher Handwerkskunst, neuere slo­ wakische Kacheln, Kienspanleuchter, eine G ruppe Kinderspielzeug, hausgewerbliches Erzeugnis der Slowaken in der P reßb urger Gegend und anderes. Mittelkasten 9. Votivgaben, religiöse Bild­ werke, zwei Trachtenbilder aus der Pilsener Gegend (Hochzeiter und Hochzeiterin 1847), handgeschriebene Gebetbücher mit alten an romanische Stilgebung gemahnenden metallischen Buchdeckeln und reicher Buchmalerei. Glaskasten 10. Holzschnitzereien aus den Sudetenländern. Die künstlerische Holzschnitzerei zur Versorgung des Volkes mit Kruzifixen, Heiligenfiguren gedieh als Hausindustrie zuvörderst in deutschen Händen, so im Böhmerwald, ebenso wie die Spielwarenerzeugung usw. im Erzgebirge, die Krippen­ schnitzerei hat vornehmlich in Schlesien ganz ansehnliche Schnitzer­ schulen beschäftigt. W a n d 11. Mährische bäuerliche Majolika, zumeist aus dem W ischauer Kreis. W a n d 12. Tschechische Hinter­ glasmalereien. Trägerfigur von einem Bienenstand, der Nabel dient als Flugloch.

110 RAUM

XX.

Klöppelspitzen, Böhmerwald, Stickereien aus Böhmen und Mähren, Perlarbeiten aus den Karpathenländern. Jos. B l a u : Die t s c h e c h is c h e V o l k s t ra c h t d e r T a u s e r G e g e n d . Z eitschr. f. ö ste rr. V o lk sk u n d e XII, 14 ff. Vergl. J. H a n i k a : Die E r f o r s c h u n g d e r w e s t b ö h m i s c h e n V o lk s­ t r a c h te n . (S c h rifte n z u g u n s t e n d e s B ö h n i e r w a l d m u s e u m s . O b e r p l a n 1929). Jos. B l a u : Die S pitze n und die S pitz e n k lö p p e le i d e r S lo w e n e n (k r i ti s c h e s R e f e r a t ) . Z eitsc hr. f. ö ste r r. V olksk. XVI, 160 ff. F. D o m 1 u v i 1 : Die K e r b s t ö c k e d e r S c h a fh ir te n in d e r m ä h r i s c h e n W a la c h e i. Z eitsc hr. f. ö ste rr . V olksk. X, 1906. Vergl. a u c h M o r a v s k e S l o v e n s k o ( N a r o d o p i s L idu C c s k o s l o v e n s k e h o (1), P r a g 1918— 22.

C. Karpathenländer. R A U M XXL Polen in den Beskiden und der Tatra. W ir befinden uns kulturgeographisch durchaus in einem Uebergangsgebiet. Deutlich tritt der Gegensatz zwischen Gebirgsund Flachlandsbevölkerung hervor, das katholische Glaubens­ bekenntnis im Verein mit den handwerklich stark hervortretenden Kulturbeziehungen zum deutschen W esten ordnet die neuere Kultur­ entwicklung dem westlichen europäischen Zivilisationsbereich zu, wogegen im altartigen Hirtendasein in den Gebirgen noch ein Stuck Ost- und Alteuropa verkörpert ist. Im Umkreis von Wand 1 haben dementsprechend religiöse Darstellungen und Bildwerke westlichen C harakters "Platz gefunden, an Wand 2 ein stattliches M arionetten­ theater, bei Kasten 3 ein Hauskripperl, Hinterglasbilder. Auf den Untersätzen 1 und 2 schön geschnitzte Truhe einer Weberzunft, Umgebung von Jablunkau, 18. Jahrh., 2. Hälfte, Innungsladen der Schneider und Schuster, von diesen auch (Rechts bei Kasten 6) Schusterstuhl und -Leuchter; Ladebrett und Zunftssiegel der Schneider im Kasten 4, in dem auch das Zubehör eines Nikolaus­ spiels, kleine Heiligenfiguren, Schnitzereien aus kristallenem Stein­ salz, als Reiseandenken von den Grubenarbeitern in Wieliczka an ­ gefertigt, und schließlich kleine Truhenmodelle mit Bemalung im Stil des westländischen B auernbarock Platz gefunden haben. — Dunkelbraun glasierte Hafnerarbeiten gleicher Zuordnung, Lese­ bretter (Fadensam m ler) der W eber (Kasten 6.) Hier ferner Tunkbretter für die Kerzenerzeugung — die Löcher dienen zum Ein-

111 hängen der Dochte, hausgewerblich erzeugtes Kinderspielzeug, schließlich die von den Goralen in den Beskiden und Karpathen selbst gefertigten Behelfe zur Milchwirtschaft — Milchgefäße (Cerpaks) mit kunstreich geschnitzten Griffen, Butter- und Käse­ formen, Löffelrechen, Teller und Dosen, Kerbstöcke für die Milch­ rechnung. Neben dem Kasten: Goralenstöcke mit beilförmigem mit Bleieinlagen verziertem Griff. Von den T rachten hat eine Frauentracht aus der Um gebung von Teschen ganz westlich-deutschen Charakter an sich, die T räch t eines Jazygen dagegen polnischen Schnitt (Kasten 3 ). Durchaus hausgem acht und altartig im Schnitt stehen daneben die Trachten der Gebirgler (Goralen) in den Beskiden und in der T a tra (Kasten 5), R A U M XXIt. Polen, Ukrainer (Ruthenen), Rumänen im Karpathengebiet. An einem durch die deutsche Kolonisation in Ost- und W e st­ preußen erheblich aufgelockerten, im Süden aber sich verschmälernden Grenzsaum, den man etwa vom Ostrande der Grenzmarken des Deutschen Reiches entlang der oberen Oder zur March ins Karpathenvorland und am Ostrande der Alpen über Agram nach I'riest verfolgen kann, scheiden sich Ost- und W estEuropa, soweit diese Begriffe über die urtümlichen Lebenskreise der Bevölkerung hinaus zu Kulturkreisen von altüberlieferter Eigen­ art sich verdichtet haben. Das Karpathengebiet um faßt dabei im besonderen einen klar umschriebenen in sich gefestigten Lebens­ kreis von alteuropäischem G rundcharakter in Hauswesen, Tracht und Arbeitsfleiß, zumal der Textilarbeit — örtlich auch der Töpferei — der Frauen und der Holzarbeit der Männer. Bilder aus dem Lebenskreise und ländlichen Festbrauch der polnischen Flachlands­ bevölkerung im Umkreis von Wand 1. Im Kasten 2. Ziegenköpfige „Bokkus’-Figuren, die letzten Ausläufer römisch-antiken Karnevals­ brauches aus der Gegend von Krakau, Hochzeitskronen mit Aehrenschmuck der Kleinrussen (Ruthenen oder Ukrainer) in Podolien. Frauentracht aus der Umgebung von Krakau, wo bereits die grell­ farbigen Kattune der westlichen Fabriksindustrie Eingang gefunden haben, zwischen Figuren mit polnischem und rutenischem Mantel alten Schnittes, Krakauer Sammfleibchen mit Korallenperlenver­ zierung, altartige Pelzweste mit farbiger Stickerei und Lederauf­ lagen — schließlich Männer- und Frauentracht der Rumänen in den

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Ostkarpathen. Kasten 4. Zwei M änner- und eine Frauentracht, der in besonderer Altartigkeit verharrenden Bojken in denM ittelkarpathen, daneben Pelz- und Filzmützen, künstliche Zöpfe aus roter Wolle von den Bojkenmädchen, und altertümliche, den alteuropäischen Haarnetzen in Flechterei ohne Knoten entsprechende Hauben der Bojkenfrauen, hiezu Flechtrahmen, rechts im Kasten angefangener Flechtgürtel, links Leisten für die Handschuhwirkerei mittels Flecht­ nadel. Im Hintergrund (im Kasten 2 und 4 ) Strohhüte der Burschen mit Perlbändern (M innegaben der M ädchen) und Pfauenfedern geschmückt. Als W a n dbehan g W irkteppiche mit geometrischen Mustern ( Kilims), die ebenso wie die W irktaschen und gewebten Gürtelbänder Hausarbeit der Frauen in den Ostkarpathen sind (zurück zu Pultkasten 6 ). Kasten 7. Männer- und Frauenhemden mit gewirkten Achselborten und reicher Stickerei von den Ukrainern und Rumänen in den Ostkarpathen. Die M usterung zeigt dörfliche Unterschiede und landschaftliche Unterschiede eher als nationale Besonderheiten. Kasten 9. G ewebte Hand- und Geschenktücher, wie sie vielfach über die Balken der Stubendecke gehängt werden, mit reich gemusterten Enden. Sie sind dörflichem Hausfleiß ent­ sprungen, wogegen die fein gestickten Schmucktücher eher den türkischen Damen- ( Haremsarbeiten) des Ostens entsprechen. Ruthe­ nische Perlbänder weiters in den Wandrahmen 11 und auf Gang XX. Erloschene Gewerbe sind die Erzeugung kunstvoll verzierter Leder­ gürtel in der Umgebung von Krakau und die Gelbgießerei jüdischer Handwerker in Westgalizien, die vornehmlich Lampen für das Lichterfest (Chanukafeier) und Leuchter für rituelle Zwecke her­ stellten (W and 5 ). Sehr urtümlichen Charakter hat die Holzverar­ beitung und Korbflechterei bew ahrt. Vergl. die Untersätze 6 und 10 und Kasten 8. Hier Modelle von altertümlichen W irtschaftsgeräten der Bojken in den mittleren Karpathen: Hausmühle mit Drehstange zum Handantrieb, Graupenstampfe (Anke) mit Tritthebel, Holz­ schlitten, aus dem Vollen gehöhlte G efäße mit zugehörigem Arbeits­ gerät und einfachstes Binderwerkzeug, Behelfe für die Faserver­ arbeitung. An der Rückwand einfache Stoffdruckmuster und Hemd­ stickereien der Bojken, Kräuterbuschen zum Annageln an die Stall­ tür und anderes. Auf der G egenseite: Schöpflöffel mit reicher Schnitzverzierung, Rumänien, ferner gedrehte Holzgefäße, Dosen, Feldflaschen (C uture), Schüsseln. Eine G ruppe von Schüsseln, Bechern, Schöpflöffeln sam t Quirl veranschaulicht die Behelfe zur Milch- und Käsebereitung, daneben Modell einer einfachen Alm-

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hütte aus den Ostkarpathen. Aehnlich altartig sind auch die E r­ zeugnisse der Töpferei, die rings auf den Kästen und in W and­ nische 3 Aufstellung gefunden haben. So hat das Eisentongeschirr frühmittelalterliche Form gebung noch erhalten, auch die glasierten Töpfe bew ahren bis zu einem gewissen Grade Urnenform. In manchen Dörfern ist die Töpferei ausschließlich noch Frauenarbeit. Die über einer Angußschicht bemalten Krüge und Schüsselchen („Bauermajolika”) wurden nur an wenigen Plätzen von gelernten Töpfern erzeugt. Auch die Erzeugnisse des Tischlerhandwerks, Truhen und Truhentische mit Eckpfosten und ritzverzierter Bretter­ w andung in Klinkerfügung zeigen eine in W esteuropa nur im Mittel­ alter landläufige Stilgebung. Sie werden neuerdings durch grell­ bemalte Truhen nach westlicher Art abgelöst (1, 3 und Fenster­ nischen). An Wand 10 Modell eines strohgedeckten Langhauses der Bojken. S. U d z i e 1 a : D e r K r a k a u e r G ü rte l. Z e itsc h r. f. ö ste rr . V olksk. VI, 1 ff. L. M l y n e k : „ K o n i k “ , „ T u r o n “ ( T i e r k u l t u s in G a liz ien ), Z eitsc h r. f. ö ste rr. V olksk. IX, 108 ff. I w a n F r a n k o : E in e e th n o l o g i s c h e E x p e d itio n in d a s B o jk e n la n d . Z eitsc h r. f. ö ste r r . V olksk. XI, 17 ff, 98 ff. L o uise S c h i n n e r e r : T e x t i le V o l k s k u n s t be i den R u th e n e n . Z eitsc hr. f. ö ste rr. V olksk. I, 172.

RAUM

XXIII.

Huzulen in den Ost-Karpathen. Im Türeingang reich verzierte Ostereier, von den Zierformen lassen einige auf übelabwehrende und glückbringende Bedeutsam ­ keit schließen. Die dem kleinen Gebirgsvolk der Huzulen gewidmete Sammlung bekundet die eigenartige volkskünstlerische Betrieb­ samkeit dieser zu den Ukrainern (Kleinrussen) gehörenden Volks­ gruppe. Die T rachten (Kasten 3 ) sind durchwegs hausgemacht, das von den Männern überfallend getragene Hemd wird ebenso wie der Hemdrock der Frauen, zu dem diese sommerüber nur Vorder- und Hiriterschürze tragen, reich bestickt. Die Säume der aus schwerem Loden gefertigten Oberkieider werden reich mit bunten Borten ver­ brämt. Halsketten aus Perlen und Messingkreuzen dienten den Frauen, gravierte Pulverhörner und Schrotbeutel sowie Taschen mit metallischem Knopfbeschlag den Männern zu schmückendem Gebrauch. Pultaufsätze und Rahmen 1, 4, 5. Die Schließen der Hals­ ketten entsprechen im T ypus durchaus den Schließenformen in den illyrischen Ländern in den letzten Jahrhunderten vor Christus. Die 3

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aus Ton über einem W achsmodell hergestellten Formen für den M essingguß wurden nach der Ausformung zerschlagen (G u ß in verlorener Form) Pult 6. Die Männer bedienen sich der w ehr­ haften Hackenstöcke, die Frauen der einfachen Stöcke. Fast nie trifft man Frauen und M ädchen ohne Spinnrocken im Gürtel. Zum Spinnen im Hause steckt man sie in Sitzbretter (W and 7 ). ln Pult 1 hübsch geschnitzte Löffel, Blockschachteln, ferner Kerbhölzer und Rechenbretter, Holzpfeifen und Doppelflöten sowie Leuchter, reli­ giöse Bildschnitzereien, Bilder usw. an Wand 2. Auf dem Untersatz alte Holzschlösser, Packsättel. Pult 4 einfaches H andw erksgerät zur Holzbearbeitung zusamt gehöhlten und gedrehten Fäßchen, Käse­ formen. Auf dem Untersatz größere Fässer und andere Behälter. Kasten 8 enthält die an die Mezzamajolika Oberitaliens gemahnende Keramik des Bachminskischen Betriebes in Kossow, wo sie .diese Handwerksfamilie nach altem Herkommen bis Ende des 19. Jahr­ hunderts erzeugte. Kunstgewerbliche Schulungsversuche haben den überlieferten Ziersfil eher geschädigt. Die Kacheln in den Fenster­ nischen waren für die viereckigen Rauchhüte („komin”) der von der Stube aus zu befeuernden Vorderladeröfen bestimmt, in Fenster­ pult 6 eine Anzahl älterer unglasierte Kacheln, nach deutschen Vor­ bildern, Bodenfunde aus Czernowitz. A. H a b e r l a n d t : P r ä h i s t o r is c h e s in d e r V o lk s k u n s t O s te u r o p a s . W e r k e d e r V o l k s k u n s t I, 33 ff. Vergl. W. S z u c h i e w i c z : H u z u i c z y n a ( P o l n i s c h u n d R u th e n is c h ) . D z i e d u s z y c k i-M u s e u m , L e m b e r g 1902— 1904.

D. Keramische Sammlung. R A U M XXIV. Kacheln aus den Alpenländem. Wand 1. Ein origineller Ofen in Gestalt einer wuchtigen Bäuerin, einen Fruchtkorb auf dem Kopf tragend, um 1800, Um­ gebung von Grein (aus N iederösterreich). Wand 2. Typenreihe zur Entwicklungsgeschichte der älteren Kacheln aus Wölbtöpfen, wie solche noch in den rundbodigen Kacheln der alpenländischen ein­ fachen Kuppelöfen („Ruabnhauien”) fortleben. Daneben Konkav­ kacheln, und schließlich die zumeist durch Abdeckung der viereckig ausgezogenen Töpfe an der Vorderöffnung entstandenen Flach­ kacheln mit Reliefschmuck, die älteren Stücke mittels Ofenruß oder G raphit geschwärzt. Darüber W a n d mit glasierten Fließen aus

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dem P assauer Hof in Spitz in d§r W achau. Im Umkreis an den W änden verschiedene Kachelgruppen, 16.— 18. Jahrhundert, bei denen man mit Vorliebe biblische und allegorische Darstellungs­ reihen (Leben Christi, Christliche Tugenden, Planeten, die 5 Sinne, Kaiser und Feldherren) zur Belebung des künstlerischen Eindrucks der massigen Ofenbauten herangezogen hat. Als Vorbilder dienten Stiche und Flugblätter von Kleinmeistern, die von W erk statt zu W erkstatt weiter verbreiteten Model wurden von eigenen Form­ stechern angefertigt. Wand 3. Links Kacheln aus Niederösterreich (Evangelisten, Kaiser Leopold, Prinz Eugen), anschließend Kacheln au s Oberösterreich mit Hl. Familie usw., steirische Kacheln mit Jesus und Maria, Doppeladler, Salzburger Jäger- und Falknerkacheln. W and 4 zeigt kleinere Tiroler Typen, die an Wand 5 ihre Fort­ setzung finden, vereinzelt laufen auch hier Stücke von schweize­ rischer Herkunft mit. In den obersten Reihen böhmische Kacheln des 16. Jahrhunderts. Die Büsten eines Bauernburschen und einer Bürgersfrau an W an d sind Ofenbekrönungen (Gm undener Herkunft). Die Mittelfigur ist eine getreue Nachbildung der Figur des Hafners vom Ofen der Hohensalzburg. R A U M XXV. Keramische Sammlung. W and 1. Fortsetzung der Kachelreihe, darunter schöne m ehr­ farbig glasierte Kacheln aus Oberösterreich, Salzburg und Tiroi, Kachelplatte mit Hl. Florian, Hauszeichen aus Kitzbühel, usw. Wand 2. W e iß e Majolikakacheln mit Blaumalerei, um 1700, Sfruz im Nonsberg und verwandte Schweizer und Vorarlberger Kacheln. W interthurer Kacheln mit mehrfarbigen Blütenranken, die stark an die Zeichnung der Habaner Keramik (vergl. Kasten 14) erinnern. Wand 3. Farbig glasierte Kacheln aus Schloß Engelstein bei W eitra und verwandte Stücke von steirischen Renaissanceöfen, zuunterst Tiroler W appenkachel und farbige Teilstücke. Auf den Untersätzen verteilt mitteralterliche Krüge und Töpfe, sogenanntes Eisenton­ g e s c h ir r— aus Ton mit Graphitbeisatz, wie es im ländlichen Bereich bis auf die Neuzeit in Gebrauch blieb, in Kärnten (von da eine große Gugelhupfform mit volkstümlichen Ziermotiven im Kasten­ untersatz 11) kamen die Erzeugnisse bis auf die Gegenw art auf den Markt. Hierher gehören auch die großen G etreide-(V orrats-) töpfe aus dem Pustertal, Powidltopf (Mustopf) und Schnapsdestille aus s*

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Mähren auf den Kasten 8 und 14.W eiters bei 7 und 10 allgemeänortstibliche Glasurware, Backmodel für Tauf- und Hochzeitsfeiern, Fastenspeisen usw. W ein-(F lasch en-)kü hler, Zunftkrüge, Schmalz­ topf, eine originelle Gruppe von Schnabelkrügen mit Reliefaüflagen und Kopfmasken nach Art der Bartm annskrüge aus der Lienzer Gegend unter Kasten 11; mit Füllkrügen für die Weinfässer, einem Zunftkrug mit Adam und Eva, reliefierten Töpfen usw., findet die Gruppe auch in den Sudetenländern ihre Fortsetzung (Kastenunter­ satz 14). Glaskasten 4 und 6. Ein- und mehrfarbig glasierte Hafner­ arbeiten, zumeist aus den Alpenländern, für den häuslichen G e­ brauch, wie Tintenzeuge, W asserblasen, W aschbecken, F äßch en für den Johanniswein mit Hauszeichen und Jahreszahl 1729, aller­ hand Flaschen und Krüge, unter diesen bem erkenswert die Vexier­ krüge mit durchbrochenem Halsteii — die Flüssigkeit m uß aus einer unauffälligen Oeffnung em porgesaugt werden — und Schalen mit durchbrochener W andung, in der Zartheit des Aufbaus Meister­ stücke der Hafnerkunst. In Glaskasten 6 außerdem Goden­ schalen, in denen die Nachbarinnen oder Paten der W öchnerin die übliche Hühnersuppe brachten, auf dem Deckel ländliche Szenen usw., ferner figurale Plastik (hl. Josef, Oelberg, hl. Grab, Auf­ erstehung, zuoberst Gruppe raufender Bauern, Gmunden um 1700). Eine vielgestaltige Auswahl von W eihbrunnkesseln in den Fenster­ nischen hier und bei Pult 5, das ebenso wie Wand 13 und Pult 13 weitere Beispiele der reichen und vielseitigen Kunstfertigkeit der dörflichen Hafner darbietet. An Freiheit und Ursprünglichkeit des Zierstils reihen sich ihnen die in verschiedenen W erkstätten der Alpenländer, wie wohl auch in Mähren und der Slowakei gefertigten Zwiebelschüsseln (W and 20— 21) an, (so wegen der vielfach darauf erscheinenden Blüten- und Knospenm uster), die sich um 1700 bis in die Lausitz verbreitet zeigen, figurale Motive treten nur vereinzelt auf. Oberösterreich scheint an der Erzeugung in besonderem M aße beteiligt gewesen zu sein, eine fränkische (eg erländische Sondergruppe bilden die derben, blau gemalten Teller an der Seitenwand 22 rechts, eine sächsische (aus der Mark M eißen), die Teller mit grünem T rauben- und Blattmuster ebenda. Den U ebergang zu den Majolikaarbeiten mit w e iß er Angusschicht über dem Tonkern zur Auftragung der Malerei bilden die zumeist wohl in Salzburg und Oberösterreich (Um gebung von Gmunden) erzeugten Hafnerarbeiten mit opaken und malerisch geflammten Glasuren (Kasten 8 ), von denen manche, wie etw a die grünw eiß

117 geflammten, für die Erzeugung von Küchengeschirr bis fast auf die G egenw art beibehalten wurden, andere, wie die malachitgrüne Gruppe und die kobaltblaue auf ältere Zeiten beschränkt geblieben sind. Die M ajolikaerzeugung dürfte in Gmunden etwa um 1700 eingesetzt haben, die ältesten Stücke finden sich in der mittleren Einheit von Kasten 8. Bis um die Mitte des 18. Jahrhunderts wiegt die Blaumalerei vor. Die auf besondere Bestellung gearbei­ teten Stücke, Hochzeitskrüge, Schützenbeste, Krüge für Hand­ werker, zahlreiche Schüsseln und Krüge mit religiösen D ar­ stellungen (Glaskasten 10) legen von ansehnlicher künstlerischer Höhe einzelner W erkstätten Zeugnis ab. Bis um 1800 nimmt die Buntfarbigkeit der Erzeugnisse zu, das ländliche Leben in der Um­ welt des Traunsees wird — mitunter in derb humoristischer Art mit einbegleitenden Sprüchen — in die bildlichen Darstellungen mit einbezogen, auch an figurale Plastik wagen sich die dörflichen Hafner mit viel Geschick (Glaskasten 9 ). Das Ende der volkstüm­ lichen Erzeugung ist etw a um 1860 anzusetzen, aus späterer Zeit sind nur Erzeugnisse der auf der alten Ueberlieferung fußenden Firma Schleiß bekannt. In Salzburg entstammen die ältesten be­ kannt gewordenen Majolikaerzeugnisse der W erkstatt Th. Obermillner (um 1700), von denen Kasten 11 eine Reihe zeigt; darüber die feiner gezeichneten (Fliederblatt-) Krüge in den oberen Reihen werden im allgemeinen der W erkstatt J. Moser (1736-1777) zuzuschreiben sein, ebenso die mit Rokokoszenen in feinstrichiger Zeichnung bemalten Krüge im Pult. Die W erkstatt wurde von Jakob Pisotti (1777— 1814) und Pisotti d. J. bis 1840 fortgeführt, die Malerei wird in der Spätzeit zunehmend großzügiger und flüchtiger. Im salzburgischen Grenzgebiet findet man zunehmend auch bayrisches Fayencegeschirr in Gebrauch, für Tirol — auf der G egenseite (Kasten 12) — haben a u ß e r den Salzburger Betrieben heimische W erkstätten wohl nur in Bozen und in Sfruz im Nonsberg in älteren Tagen volkstümliche Erzeugnisse hervorgebrachr, unsicher bleibt dabei die Zuschreibung der W einkrüge von italie nischem Typus. Die Mode der Blaurnalerei wiegt allgemein vor. Verhältnism äßig späte Zeitstellung bekunden die Fayencen aus Niederösterreich, dem Burgenland und der Um gebung von P re ß burg (Stampfen) in Kasten 7, im südlichen W iener Becken und im W esten, finden sich zumeist recht volkstümliche Stücke mir Bauernfiguren usw. Der Stampfener Betrieb verwendet die nur in schwächerem Brand (in eigenen Muffen) feuerbeständige Rot-

ns malerei, die in Holitsch als Leitnersche Glasur bezeichnet wurde. Viele Krüge zeigen daher auf dem Boden ein L. Abgewanderte Malergesellen haben diese Technik auch selbständig weitergeübt. In Mähren gründet sich die volkstümliche M ajolikaerzeugung zu­ vörderst und züfriihest auf die Handwerkerfamilien aus dem Kreise der Wiedertäufer und Hutterischen Brüder, die sich in der Gegend von Butschowitz, Austerlitz, W ischau, Buchlau usw. niederließen und als Habaner weit über die Landesgrenzen Ruf als W e iß ­ geschirrmacher genossen. Die älteren, mit zeitgenössischen italie­ nischen, W interthurer und auch Delfter Arbeiten weitgehend über­ einstimmenden Erzeugnisse, haben in der Slowakei die Nachfolge durchaus volkstümlich gearteter Bauernmajolika mit lebhafter F arbengebung gefunden, die nun denZw ecken der kleinbürgerlichen Zünfte und Handwerke mit ihren Willkommbräuchen und Sinn­ bildern ebenso diente, wie dem häuslichen Bedarf der ländlichen Bevölkerung, deren Leben sie gleichfalls in naiver Art abspiegelt (Kästen 14 utiid 1 5 ). An dem W erdeg an g der Erzeugnisse aus dem W ischauer Kreis lä ß t sich der Mode- und Stilwandel, dem alie volkstümlichen Fayencen in ähnlicher Art unterworfen, gleichfalls verfolgen. In der Aufeinanderfolge von Blaumalerei nach Delfter Art, wie sie sich auf Grund des W ettb ew erbes mit ostasiatischem Porzellan eingebürgert hatte (Glaskasten 16) und Rosenmalerei im Stil deutscher Porzellane gegen Ende des 18. Jahrhunderts (G las­ kasten 1 7 ), tritt die Abhängigkeit auch der ländlichen Erzeugung von den Fabriksbetrieben kunstgewerblichen Charakters, wie sie in Holitsch, Nesselsdorf, Karlsbad (Alt-Rohlau) bestanden, (G las­ kasten 18 ütid WäiiÜ l 9 ) deutlicher als anderswo in Erscheinung. Bis nach Oberitalien (Kasten 24) lassen sich solche M ode­ strömungen verfolgen. Sie verebben hier allerdings vor der künst­ lerisch und koloristischen Kraft der bodenständigen Ueberlieferung. A ußer den mit kräftigem Gelb und Ocker bemalten Erzeugnissen aus Pesaro und den zeichnerisch besonders flott behandelten Erzeug­ nissen von Bordenone sind im wesentlichen wenig bekannte W e rk ­ stätten aus dem Umkreis von Istrien, Görz und Udine vertreten, die künstlerisch über nicht unerhebliche Sonderqualitäten verfügten. A u ß e r AL H a b e r 1 a n d t : O e s te rre ic h is c h e V o lk s k u n s t (s. o.). V ergl. A. W a 1 c h e r - M o 1 1 h e i n : B u n t e H a f n e rk e r a m i k d e r R e n a i s s a n c e in d e n L ä n d e r n ob d e r E n n s un d S a lz b u rg , W ie n 1906. D e r s e lb e ; Die ü m u n d e n e r B a u e r n f a y e n c e n . K u n s t u n d K u n s t h a n d w e r k IX, ( W ie n 1906), 407 ff.

119 D e r s e lb e : S a l z b u r g e r M a jo like n a u s d e r W e r k s t ä t t e d e s H a f n e rm e is te rs T h . O berm illner. E b d a . X, 89 ff. Jos. T v r d y : U e b e r die s o g e n a n n t e n B r ü d e r g e f ä ß e in M ä h r e n . Z eit­ sc hr. f. ö ste rr . Volksk. XVII!.. 32 ff. D e r s e lb e : F ig u r a le T o n p l a s t i k a u s M ä h r e n . W e r k e d. V o l k s k u n s t II, 61 ff.

Erdgeschoß. A. Bäuerliche Stuben und Wohnräume aus den Alpenländern. Die Einrichtung der „Stuben” m ußte sich einigermaßen den gegebenen Raumverhältnissen anbequemen. Im Bauernhaus finden Betten, Kästen, Truhen in der Regel nur in den als Schlafräume dienenden Kammern und auf den Gängen davor Platz, w ährend die Ausstattung der W ohnstube im Wesentlichen sich auf den Tisch im Herrgottswinkel, ein paar Stühle und die wandfeste Eckbank be­ schränkt, wie eine solche auch dem schräg gegenüberliegenden, von der Küche zu heizenden Hinterladerofen angelagert ist. Die in einem Raum ausgestellten Gegenstände gehören aber landschaftlich jeweils zusammen. RÂÜM

I.

Möbel für W ohn- und Schlafstube aus dem Traunkreis, Oberösterr. Sie entsprechen in ihrem Stil der Einrichtung, die besseren Bauernhäusern etw a zwischen Linz— St. Florian— Steyr bis in die letzte Zeit des 19. Jahrhunderts erhalten geblieben ist und die sich noch aus dem Ende des 18. Jahrhunderts herschreibt. Eigenartig ist die Bemalung des Tisches, auch auf der Platte, mit Eßbestecken so­ wie die des Kastens v.J. 1792, die Einlegearbeit nachahm t und durch eingeklebte bemalte Kupferstiche Josef H., Friedrich II. von Preußen und Soldat'entypen aus dem 7jährigen Krieg vervollständigt wird, wie dies auch bei dem „zweispännigen” Ehebett der Fall ist. Neben diesem eine selbstgemachte Kindergehschule auf Rädern. Das mit Schubladen versehene Kinderbett entspricht einem städtischen Vorbild. Zu ergänzen bleibt ein viereckiger glatter Kachelofen mit Ofenglanda (Trockengestell) für die Kleider zusamt einer Ofenbank. R A U M II. Steirische Schlafstube aus dem Ennstal. Im Bett eine Bettschere, ferner eine kupferne Glutpfanne. Die . Truhe v. J. 1753 bew ährt noch Renaissancecharakter, daneben

120

zeigt der Kasten v. j. 1821 Blumenmalerei nach Art der Bieder­ meier, der braune Kasten v. ]. 1749 und der G roßvaterstuhl daneben weisen merkbar stärkeren kleinbürgerlichen Einschlag auf. Der bienenkorbförmig aus Topfkacheln mit W ölbboden aufgebaute Hinterladerofen („Ruabnhaufen”) entspricht einem in ganz Ober­ steier mit geringen Abwandlungen bekannten Typus.

R A U M 111. Alpacher Stubenkammer, Nordtirol. Der Zierstil dieses etwas schwer zugänglichen Paralleltales zum Zillertal (bei Brixlegg) bew ahrte nachweislich seit etwa 1620 den gleichen aus gotischer Maltechnik abgeleiteten Charakter. W as ihm besondere Eigenart verleiht, ist die w eiß-rot-grüne Malerei (in Leimfarben) auf dem naturbelassenen Holzgrund, der durch den Firnisüberzug einen warmen braunroten Ton gewinnt. Den der Volkskunst geläufigen Motivenschatz beleben die Maler durch die Anbringung kleinerer Zierfriese mit jagdszenen, fremdländischen und Fabeltieren usw. Der Bau der Kästen im Besondern ist einfach, klar und straff. (Auch Abteil IV enthält einige Alpacher Stücke.) Der stattliche Barockofen stammt aus einem Bergw erkshaus vom Jochberg, zwischen Kitzbühel und Mittersill.

RAUM

IV.

Alpacher und Vorarlberger Möbel, Montafoner Getäfel. Im Vorraum sind durch einen Zillertaler Ofen aus dem 16. Jah r­ hundert, mit graphitierten Tafel- und Halbzylinderkacheln, zwei Tischwinkel abgeteilt. Einerseits ein schlichter eingelegter Tisch aus dem Oberinntal 1806, mit Stühlen aus dem gleichen Umkreis, andererseits reicher furnierter und eingelegter Tisch aus dem Mon­ tafon, Vorarlberg, mit eingelassener Schieferplatte, dazu Nordtiroler Stühle mit Rundlehne. An der Schalwand des Getäfels alpen­ ländische Hinterglasbilder. Das Montafoner Getäfel mit farbiger Schnitzverzierung der gefelderten Decke schließt eine Schlafstube in sich, wie sie für die hohe W ohnkultur dieses Gebietes vielerorts bezeichnend w ar und ist. Es zeigt zusamt den beschnitzten Türen, und dem wenig tiefen W andschrank Einfluß des Zopfstils, wogegen Bett und Truhen bäuerliches Barock darstellen.

121 RAUM

V.

Links: Mobiliar eines kleinbürgerlichen Schlafzimmers der Villacher Gegend, Kärnten. Die ziervolle Verwendung der Einlegearbeit geht wohl auf den hier wie auch in Krain in älterer Zeit stärker wirksamen ita­ lienischen Kunsteinfluß zurück. Die g ro ß e Stehuhr besitzt ein Spiel­ werk für einige ländliche Weisen. Rechts: farbiger Kasten aus dem Pustertal, gegenüber Zillertaler Kasten mit zarter Landschafts­ malerei im Stile des Rokoko, dazu ein flott gemalter Majolikaofen gleicher Zeitstellung. RAUM

VI.

Oberinntaler Stubengetäfel, Gegend von Landeck. Der Zierstil des ganzen Gebietes entspringt einer ländlichen Hochblüte der Spätrenaissance, man beachte die prächtig ge­ schnitzte Mittelrosette der in harmonischen M aßen einfach g e­ felderten Decke, die schöne Türverkleidung mit eingebautem W a s c h ­ kasten und die zierliche Gitterbekrönung des Schlafabteils. Daneben ist ein Schrank wandfest eingelassen, wie dies bei all diesen ur­ sprünglich als Blockwürfel in das Haus eingebauten Stuben die Regel wrar. Die Truhe an der Fensterw and zeigt die gleichen Zier­ formen. Im Oberinntal w aren um 1700 ganze Geschlechterfolgen von namhaften Schnitzern (Holzbildhauern) ansässig, zu denen auch die Familien der Lechleitner und P randauer gehörten, zwischen denen ein Ehebund durch die Inschrift auf dem Türsturz bekundet wird: „Jesus Nazarenus Rex Judeorum, Johannes Lechleitner, Mag­ dalena Prantauerin 1700”. Auch der berühmte Barockarchitekt Jakob P randauer ist aus diesem Kreis hervorgegangen. R A U M VII. Einrichtungsstücke für Küche und Milchgaden (K eller), zumeist aus dem Pustertal, Tirol. So wie die mit luftiger Gittertür versehenen W andkästchen dienten auch die „Almer” (von lat. armarium, „Schrank” für Bücher­ rollen), romanische und frühgotische Form gebung bewahrende Giebelschränke den Bauern im Pustertal letzthin als Milchkasten, w ährend die dem gleichen Formenkreis zugehörigen Satteldach­ truhen als Mehl- und Getreidetruhen in Verwendung blieben. Be­ zeichnend für den Kulturumkreis des Pustertales sind auch die g e­

waltigen Tellerplatten, die auf einer entsprechend geräumigen „Schüsselrem” Platz gefunden haben. Einige in Anreißtechnik, bezw. mit linearem Kerbschnitt verzierte Truhen aus dem Oetztal (den zwei übereinandergestellten Stücken fehlen die Untersatzrahm en), eine v. j. 1545, zeigen ein Nachleben gotischen Ziersiils in diesem verkehrsarmeren Nebental. Hiezu altertümliches W irtschaftsgerät, wie Nudeldrucker, Flachsbrechein. Im Nebengang links hat eine sogenannte Fastenkrippe, Kästchen mit Schnitzgruppen, den Leidensweg Christi darstellend, Platz gefunden. Im Gang gegen den Eingang zu: Einzelstücke der bäuerlichen Hauseinrichtung und Wirtschaft: W andkästchen aus Engadiner und Oberinntaler Ge­ täfeln, Truhen aus Alpach und Oberösterreich, interessant bemaltes Bett aus der Umgebung von Steyr. Bett aus dem Pinzgau mit rei­ cher Schnitzverzierung, geschnitzte F aß böd en und Bodenteile aus dem Burgenland und anderw ärts usw. Die aufgehängten, aus Schwemmhölzern gebastelten Phantasiedrachen und Fabeltiere waren der Giebelschmuck eines Hauses nächst Gastein in Salzburg. (Vergl. auch Raum XIII jenseits des Ganges.)

B. Adria- und Balkanländer. R A U M VIII. Italienisches Küstenland. Einrichtung einer W ohnküche im italienischen Küstenland, Istrien. Im ganzen Umkreis der romanischen Hauskultur ist die Küche mit Kaminherd zum Hauptw ohnraum erhoben worden, wo auch Truhenmöbel Platz fanden. Die ausgestellten dunkel gebeizten Stücke mit flach gekerbtem Anreißmuster sind wahrscheinlich Görzer Erzeugnis. Den karpathenländischen Formen entspricht eine kleine T ruhe der Aromunen vom Cepicsee mit Schindelfügung der W ände. Das Herdgerät besitzt vielfach künstlerischen Charakter, so die reich geschmiedeten Rahmenböcke mit drehbaren Kessel­ schwingen, die getriebenen Kupferkessel; auch die Majolikakrüge, meist am Bord des Kaminmantels aufgestellt, bedeuten künst­ lerischen Schmuck des Raumes. Man beachte die Behelfe für den Fischfang, Harpunendreizack, Austernkratzer, Garnschlauchreuse. Die Schiffsmodelle sind Votive glücklich heimgekehrter Seeleute. Als Istrianer Küche mit tellergeschmücktem Kamin eingerichtet ist Raum XXII, Hier auch Handmühle aus Cherso.

123 RAUM

IX.

Adria- und dinarische Karstländer Jugoslawiens. Die sehr altartige seit dem frühen Mittelalter von der sla­ wischen Völkerwelt aufgenommene Kultur Südosteuropas steht in den Adrialändern seit den Tagen des Altertums unter dem zivi­ lisatorischen Einfluß der italienischen Gegenküste, wobei die Handelsbeziehungen mit der Republik Venedig auf die volkskünst­ lerischen Hausindustrien starken Einfluß übten. In den Binnen­ ländern überwiegt die oströmische, in den städtischen Mittelpunkten von den Türken und Mohammedanern zum Teil weitergeführte, zum Teil überschichtete Kulturüberlieferung in. Haus, Handwerk und Kunst. Kasten 1. T rachten aus Istrien und von den Quarnerischen Inseln: T schitschenpaar in sehr einfacher T racht vom osteuro­ päischen Typus. (Die Tschitschen sind im 16. Jahrhundert als arom unischeW anderhirten zugewandert.) Frauentracht ausDignano nach italienisch-westlicher Art, ebenso P aar aus Cherso (M ann mit halblanger Hose, Jacke, W este und rotem Gürtel sowiè Mütze nach Schifferart) und Frau von der Insel Meleda. Als W a n db ehang bunt gemusterte Wirkschiirzen aus Dalmatien. Kasten 2. Kroatische F ra u e n -( Sommer-) tracht von Brinza, Savegebiet, Frauen- und M ännertracht aus dem Velebit, ein zweites P aar aus der Umgebung von Zara, Frauentracht aus dem Brenotale bei Ragusa-Dubrovnik. Scharlachroter Mantel eines Herzegowzen (an Fe sttag e n getrag en), Mantel eines Hodscha, rote am Rücken bestickte Männerjoppe von Kotor ( C a t t a r o ) ; Bandwebstuhl für Brettchen- und Zettelweberei, Bosnien, gemusterte Strumpfsocken. An der Rückwand bunt ge­ wirkte Schürzen aus den Karstländern, Serbien und dem Banat. An den W änden ringsum lebensvolle Bilder des Malers Melinghello mit Volksszenén und Volkstrachten aus Dalmatien. Wandrahmen bei Kasten 1. Jacken und W esten mit reicher Schnurstickerei, Süddalmâtien, gewirkte Gürtel mit Emailschließen. Pult 3. Breite, mehrfächerige Gürtel, Kniebänder, Viehsalztaschen mit Zinnstiftenbeschlag von den Hirten des Velebit, Frauengürtel mit g roßen Kar­ neolen, zumeist Südmontenegro. Wandrahmen 4. Hemden von der Insel P ag (P a g o ) , mit zierlichen Brusteinsätzen in Nähspitzen­ arbeit (Reticella), dergleichen Schmucktücher mit reichverzierten Enden. Pult 5. W esten (T ok e) mit metallischem Brustschmuck, kleines Metallgerät. Wandrahmen 6. Gestickter Hemdrock der Frauen, Umgebung von Jaice, Frauenkopftücher, Bosnien. Die roten

124

Randstreifen haben ebensowohl wie die mit Sinnbildern durch­ setzten Stickereien, die Klappermünzen, blauen Perlen usw. übel­ abwehrende Bedeutung. Pult 7. Patronentaschen, Fettbüchsen, Amulettkapseln aus Metallguß. Wandrahmen 8. Hauben mit Seidenstickerei (G ranatapfelm uster), Nordbosnien, gewirkte Gürtel, ferner gestickte Besätze von Frauenröcken, Dalmatien. Oberhalb geschnitzte M astbekrönungen (W indfahnen) nach Art der Fischerboote von Chioggia — die. im Quarnero die Fischerei ausiiben. — Sie zeigen auf taubenförmigen Schiffsteil einen Mann mit Steuerrad (W ind ro se), das Marterkreuz und die Schifferheiligen Felix und Fortunatus (man denke an das D ioskurenpaar!). Von den Töpferarbeiten (Aufsatz 9 und Pult 10) bew ahren die un­ glasierten und rotbraun bemalten Vasen, Krüge und Schüsseln aus Bosnien Erinnerungen an vorgriechische Formen und Ziermotive. In den Adrialändern finden sich einfache Altformen und Glasur­ ware volkstümlichen C harakters neben apulischer Einfuhrware, (unglasierte Amphoren u. dgl.) (auf Kasten 1 und Raum IX b, Kasten 3) in deren Form gebung und Technik noch unverkennbar antike Ueberlieferung fortlebt. Die Majolikaerzeugnisse sind durch­ wegs italienischer Herkunft. In den inneren Balkanländern haben, wie vorweggenommen sei, heimische Formen unter orientalischem Stileinfluß mehrfache oft bizarre Umbildungen erfahren. (Raum IXb, Pultaufsatz 2.) Im Gehen und Stehen spinnen die Frauen im ganzen Gebiet die Wolle mit Handgeräten. Die Spinnstöcke ringsum ver­ teilt (bei Kasten 2 und Wand 11 — 12 fortgesetzt in Raum IX b) weisen zierliche Schnitzarbeit bei landschaftlicher, teilweise ethnographisch bedingter Verschiedenheit der G rund­ formen auf. Die kleineren (F ad e n -) und g ro ß e m (G a rn -) Spindeln, ferner Wickelspulen für Stickseide, Strickhölzer, M angelbretter und anderes in den Pulteinheiten 10. Sie sind vielfach Minnegaben der als Hirten tätigen Burschen, die in Nordbosnien auch die aus Vollem geschnitzten Becher, zierliche Spiegelbehälter, W e tz ­ steinkumpfe nach westlicher Art fertigen. Auch Rasierzeug­ schachteln, Hochzeitskästchen sowie die W eihbrotstempel ge­ hören in den Kreis dieser altherkömmlichen Volkskunst, man beachte auch die Dudelsackpfeifen, Doppelflöten und Hirten­ pfeifen auf der Gegenseite, wo sich zu dem allerhand kleineres G ebrauchsgerät für Haus und W irtschaft befindet. Zum persön­ lichen Gebrauch bestimmt sind weiters Pfeifen und Feuerzangen für die Männer zusamt feststehenden Messern, und Einschlag­

125

m esser mit Anhängeketten für die Frauen. In den fensterseitigen Pulteinheiten. So prunkvoll und zierlich Trächten, Schmuck und persönlicher Besitz in Erscheinung treten, so ärmlich mutet allent­ halben die Hauseinrichtung an. Neben den gebräuchlichen halb­ hohen Stühlen mit runder Lehne, sind die hohen Ehrenstühle sichtlich unter zivilisatorischen Einflüssen des W estens entstanden (bei Pult 1 0 ). Teigmulden, Metallgerät, Brotbackschaufel (Lopar) und W etzsteinkumpfe leiten schon zum nächsten Raum über. L. H. F i s c h e r :

Die T r a c h t d e r

T s e h it s c h e n .

Z eitsc h r.

f. ö ste rr.

Volksk. 11, 6 ff.

R A U M IX a. Wand 1— 3 und gegenüber 4. Truhen mit wenig ab gew an­ delter Flachschnitzerei, Bosnien und Dalmatien. Hängewiege, Dal­ matien, Kufen-(zugleich T ra g -)W ie g en , Nordalbanien, Holz-, Korb- und Kürbisbehälter verschiedenen Gebrauchs aus den Karstländern. An der W and rechts eine Folge von „Guslen” (ein­ saitigen Instrumenten mit knopfförmigen Endknauf) zur Begleitung der epischen Heldengesänge der Südslawen. R A U M X. Jugoslawien (F ortsetzung). Wandrahmen 1— 4. Frauenhemden und Kopftücher mit rei­ cher Stickerei aus Dalmatien und der südlichen Herzegowina. Hervorzuheben die prunkvollen Brauthemden (Oberteile) von der Insel Uljan bei Zara. Kasten 3. Frauentracht mit reichem G ehänge­ schmuck aus der Krivoscie und Frauentracht aus dem KonavlijeT al bei Ragusa-Dubrovnik. D arüber gesticktes Hochzeitstuch, Bosnien. In den Pulten 2 ,3 , 5— 8. Frauenschmuck aus Jugoslawien. Die Dalmatiner Schließen usw. weisen vielfach noch frühmittel­ alterlichen Charakter auf, wogegen die innerbalkanischen Formen einen eigenen Mischstil zwischen Barock und altorientalischer Form gebung ausgebildet haben. Der Klapperschmuck bew ahrt noch ganz altmittelländischen Charakter. W eiters Pult 8. Votive, Amulettschnüre, Andachtsbilder u. dgl. Wand 9. Gegossene und ziselierte Kleider- und Gürtelschließen, getriebene Arbeiten, Leder­ arbeiten mit Nietenbesatz. Wand 10. Südslawischer und orienta­ lischer Schmuck. Leihgabe von Baron Milan Turkovic-Kutjevski. Eine Reihe von Trachtenbildern aus Dalmatien und Montenegro.

126

Reich geschnitzte Brauttruhen mit Zypressenmuster, wahrscheinlich in Skutariner W erkstätten erzeugt. L. S c h i n n e r e r : E in ig e s ü b e r ’o o s n i s c h - h e r z e g o w i n is c h e S tric k u n d H ä k e la r b e ite n . Z eitsc hr. f. ö ste rr. Voiksk. Hl, 13 ff. N. B r u c k - A u f f e n b e r g : D a lm a tie n u n d sein e V o lk sk u n s t. W ie n , (v. j. 1912).

RAUM

IXb.

Jugoslawien (F ortsetzung). In Wandrahmen 1. Frauenkopftücher mit farbenprächtiger Wirkstickerei in Seide und ähnlich gearbeitete Frauenhauben aus Kroatien, Umgebung von Agram. Pult 2. Reich gestickte Schmuckund Handtücher sowie Brautieintücher aus Bosnien, Serbien und Albanien, wo. sie von den Frauen hausgewerblich oder als Damen­ arbeiten in den Harems hergestellt werden. Ueber Keramik und Spinrocken' vergl. das in Raum IX Gesagte. Wandkasten 3. Puppenfigur einer serbischen Braut mit reicher Kleidung, ärmel­ lose Ueberkleider (Zubun) der Bäuerinnen im alten Königreich Serbien. Montenegrinische M ännertracht aus dem Gebirge aus w eiß er Schafwolle, mehr modisch bestimmte T racht aus der Ge­ gend von Cetinje. Frauenjacken und Ueberkleider mit reicher Gold­ stickerei, Nordalbanien, scharlachroter Mantel mit prächtiger Seidenstickereien an Kragen und Schultern der Katholikinnen in Skutari, interessante Guslen aus Montenegro und Nordalbanien. Neben dem Kasten. Schwerer Kapuzenmantel aus braunem Loden von den Schiffern in Grado, Hirtenmantel, Montenegro. An der Wand 4. Rahmen mit Aermel und Bruststickereien von Frauen­ hemden vom Amselfeld. Die die F ensterw and in IX und IX b be­ gleitenden äuß erst klaren Zeichnungen des Akad. Malers L e o p. F o r s t n e r veranschaulichen u. a. Backofen, Speicher, Mühlen, W ebstühle verschiedener B auart aus Serbien und Albanien. (F ort­ setzung in Raum X.) R A U M X. Albanien. Altertümliche und primitive Arbeitsbehelfe, wie sie in den Balkanländern mit geringeren Abwandlungen verbreitet sind, auf den Untersätzen an Wand 1— 3. Spinn- und Spulräder, Zupfbogen für Baumwolle, T ischbrett zur Filzbereitung für die Fezerzeugung, Backieller und Backglocken für Maisbrot, niedriges Töpferrad, Bosnien, urtümlicher Schlauchblasebalg für Goldarbeiter, Huf­

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schmiedewerkzeug, Feuerböcke, Drehbank mit F ußbedienung und Röhrchenbohrer für Drechsler, die damit selbst kunstvolle Ziga­ rettenspitze herstellen. (Vergl. Pult 4) Hier ferner allerhand Hand­ arbeiten und Spitzen, häusliches Erzeugnis unter italienischem Einfluß, Käppis der Männer usw., an der Wand Spinnrocken. Fenstertisch 5. Kupfer- und Metallgeschirr, W asserkrüge, großer Taufkrug mit figuralem Fries, Valoxia, die als Eßtische auf niedrige Roste gestellten verzinnten und gravierten Kupferplatten sind unter den Pulten und an den Wänden verteilt. Vergl. auch das hölzerne Eßtischchen. Pult 6, Filigranarbeiten, wie sie die albani­ schen Silberschmiede bis nach Mitrovica und Pristina hin ver­ fertigen, neben dem altartigen Bronzeschmuck der Bergstämme, wie dieser auch auf den W andbrettern (bei 2) Platz gefunden hat. Kasten 7. Frauentracht aus dem Gebirge nördlich von Skutari (Malcija, die Bewohner Malissoren), mit charakteristischem Glocken­ rock und überreicher Schnurbenähung der Jacke. Frauentrachten aus der Zadrima (Drinebene) mit gefälteltem Schurzrock und aus Schkreli. Auf der G egenseite: T racht aus der Mirdita, M änner­ tracht Nordalbanien. Dazwischen schwarze Kurzjacke (Dzurdin) aus Mittelalbanien, auf dem Boden Strukas ' (Ueberwürfe) der Frauen von Nordalbanien. An den Wänden ringsum: Fortsetzung der Zeichnungen von Maler L. F o r s t n e r (interessante Archi­ tekturaufnahm en,Trachtenbilder), ferner Aquarelle von O berbaurat R. T h i e r. R A U M XU. Osteuropäisch vergleichende Gruppe. W enn auch nicht ausgebaut, vermag sie doch einigermaßen der Veranschaulichung der aus W e st und Ost sich durchkreuzenden Kultureinflüsse in Ungarn, den Balkanländern und dem Vergleich dieser mit russischem und finnischem Volksgut im Osten zu dienen. Kasten 1. T racht einer Mordwinenfrau, großrussische Hauben und andere Trachtenstücke. Kasten 3. Mazedonische Frauentrachten von Prilep und Prisren, bulgarische Hemdröcke mit reicherStickereiverzierung usw. Wandrahmen 6. Bulgarische, russische und grie­ chische Wirkstickereien. Pult 2. Graviertes Stierhorn, Stockhacken, kleinere Holzarbeiten aus Ungarn — unter westlichem Einfluß stehend. Wand 4 und 5. Ungarische Bauernkeramik, kleinere rus­ sische hausgewerbliche Arbeiten. Aeltere Truhen in Sarkophagform

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mit Anreißmustern, Truhentisch von gothischem Formcharakter. Bei Wand 6 Faschingslarven deutscher Kolonisten des Banates. Kasten 7. Siebenbürger Fayencekrüge, zum Teil wohl Einfuhrwaren aus dem Westen.

C. Fortsetzung der Stubeneinriehtungen und vergleichende Sammlungen. R A U M XIII. Südtirol. Getäfelte W ohnstube aus dem Plattnerhofe in Kurtatsch bei Bozen. Die Täfelung samt der mit Unterzügen wohl gegliederten Decke ist vollständig erhalten, der grüne Anstrich ist allerdings wohl spätere Zutat. Die Einrichtung beschränkt sich auf einen auf­ klappbaren Tisch. Die Truhen mit großen Kerbschnittrosetten sind für das oberste Etschgebiet charakteristisch, in dem halbtonnen­ förmig gemauerten Ofen sind gotische Kacheln aus der Gegend von Riva eingelassen. R A U M XIV. Egerland. An Schlafgelegenheiten ein Himmelbett und eine der im Eger­ land gebräuchlichen vierfüßigen Stehwiegen. Die Bemalung des Bettes, ferner des Eckkästchens und des einen W and kastens zeigt modische P aare aus der Empirezeit, w ogegen der stark städtisch be­ einflußte Tisch und der mit Säulen versehene Kasten, ebenso wie die Truhe, Blumen- und Vasenmotive in unterschiedlicher Ab­ wandlung aufweisen. Es handelt sich hier wohl um zweierlei W e rk ­ stattbetriebe. Volkskünstlerische Eigenart bekunden vorzüglich die Stühle mit Rundlehne, deren Sprossen aus den Figuren eines Hoch­ zeitsgeleites gebildet werden, wie es auch die alten farbigen Hoch­ zeitsbilder des Egerlandes in ständiger W iederholung zeigen. R A U M XV. Mähren (Flachlandstube aus Markt M ohelno). Der bäuerlicheW ohnstil folgt hier seit Jahrhunderten der westlichen Kulturentwicklung und ist darin dem deutschen W ohnwesen allerstärkstens angenähert, wie dies auch die hier au sge­ stellten Möbel, der im Empirestil bemalte Kasten, Tisch und Eck­ bank samt dem Krug- und Tellerbord veranschaulichen.

129 R A U M XVI. Mähren (Slowakische Stubeneinrichtung aus G roß-Blatnitz). Auch die in diesem Raum gezeigten Stücke zeigen w est­ europäischen Stil, für den besonders auch der grüne Kachelofen charakteristisch ist. Man beachte die Anbringung des Bettaufsatzes am Fußende, um darauf den malerischen Schmuck besser zeigen zu können, an Stelle des Storches erscheint auf der W iege der Rabe als Kinderbringer. Der bunte Bilderschmuck oberhalb der Bank ist eher noch ausgiebiger zu denken. Die über dem Bett hängenden Bilder von dem Ende des 19. Jahrhunderts verstorbenen Dorfmaler Han in Groß-Blatnitz stellen den hl. Antonius mit der W allfahrts­ kirche auf dem Antonsberge bei Groß-Blatnitz, M ariä Krönung und Maria als Himmelskönigin, schließlich den heiligen Florian vor. Eine verwandte Stubeneinrichtung aus dem deutschen Kuhländchen zeigt Raum XXIXb. R A U M XVII— XVIII. Altertümliches Herd- und Beleuchtungsgerät. — Jüdische Sammlung. Raum XVII. Eine überreiche Zahl von Bratrosten, Dreifüßen und vielfach reich geschmiedeten Pfannknechten auf den Unter­ sätzen veranschaulicht die örtliche und stilistische Vielgestaltigkeit dieser einfachen Zweckformen, ebenso wie auf den W andgestellen die Typenreihen von einfachen gedrehten Kellerleuchtern, ge­ schmiedeten Leuchtern, Holzständern, Messingleuchtern von un­ gemein wechselnder Profilierung bei eher einförmigen Aufbau, endlich gewöhnlichen gelöteten Eisenblechleuchtern, die bei aller Geringwertigkeit des Materials, doch eine recht originelle Formsprache bekunden. Auf dem Stufenaufbau Oellampen aus dem Adriagebiet, sogenannte Florentinerlampen, gedrehte M essingguß­ leuchter mit Glockenfuß, Bosnien usw. Raum XVIII. Auf den Unter­ sätzen: Feuerböcke aller Art, an W and gegenüber dreifüßige B rat­ böcke zum Auflegen der Spieße, Bratmaschinen mit Uhrantrieb zum Drehen derselben, in den Fensternischen Rahmenböcke aus den Adrialändern. Auf den W andgestellen 1 kunstvoll geschmiedete Klemmleuchter, Klemmscheren für W achsstöcke, Kerzengußformen und Schusterkugeln, Laternenformen, gegenüber Wand 3 Leucht­ roste, Pretschleuchter für Unschlitt, Lampenformen römischer Art (B erg m an nslam p en). Wand 4. Unterschiedliche Formen von Span­ klemmern — solche auf F ußständern und Gestellen unterschiedlich 4

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verteilt im Raume — nebenan tönerner Leuchthut und Speckhänge mit Hakenkränzen. Ein Großteil der für die Geschichte des Be­ leuchtungswesens grundlegend gewordenen Sammlung ist von weiland Oberstleutnant L. v. B e n e s c h zusamm engebracht und Leihgabe des Kunsthistorischen Museums. Kasten 5 zeigt eine nicht unansehnliche Sammlung Judaica, Leuchter und Zinnschüsseln für die rituellen Feste, Gebetsriemen, Beschneidungsmesser in schnitz­ verziertem Kästchen, Räuchertiirmchen usw. An Wand 2 samt Fenstern. Hobel für die Kienspäne, zu deren Herstellung auch die in der Durchfahrt stehende Drehbank dient, volkstümliche rö­ mische Marktwaagen, Einbaumtruhe aus einem vollen Stamm ge­ holt, aus dem Mühlbachtale bei Bruneck. L. v. B e n e s c h : D a s B e l e u c h t u n g s w e s e n v o m Mitte d e s XIX. J a h r h u n d e r t s . W ie n 1905.

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R A U M XXIII. Schlesische W eberstube mit entsprechendem Zubehör, auf­ rechtem und liegendem Spinnrad ( „Bock” und „G aiß ”), Haspel ver­ schiedenen Typs, Scheerbank, Spul- und Garnrädern, Scheerrahmen zum Aufweifen der Kette, deren Fäden durch Lesebretter auseinandergehalten werden u. a. m. Dazu Trittwebstuhl, kleiner Bandwebstuhl mit Trittgestell und einfache Handsttihlchen. Der Tisch steht auf kastenförmigem Untersatz, die Bank ist eine sogen. „Siedelbank” mit umstellbarer Lehne. R A U M XXIV. Geräte für die Flachsbereitung, Riffelkämme zum Abreißen der Samenköpfe, Brechelbänke und Hecheln. Landwirtschaftliches Gerät, wie Hakenpflug, Montenegro, einfache Sohienpflüge mit Rad­ gestell, Krain, hölzerne Egge, hölzerne Knüppel (Bengel) als Dreschflegel, Schollenklopfer, ferner Teigtrog, groß e urnenförmige Vorratskörbe für Korn (B urgenland), Drehbank zum Abdrehen von Leuchtspänen aus Erlenholz, Mühlviertel, Oberösterreich usw.

In teilw eiser Neuaufstellung begriffen

Europäische Vergteichssammlungen. R A U M XX— XXIX. (Zugänglich gegen vorherige Anm eldung bei der D ire k tio n ; über die derzeitige U n terb n n g u n g unterrichtet Plan 2.) . Schweiz und Deutsches Reich. Sammlung Dr.E. Goldstern aus Savoyen (Haute M aurienne), dem Wallis und Graubünden. Alter-

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tümliche Geräte der Flachsarbeit, der Milch- und Käsewirtschaft, eine reiche Sammlung von Kerb- und Rechenhölzern (T e ß le n ), kleiner Hausrat (Behälter in Vogelform, altertümliche Steinlampen), Spinngeräte, Tongeschirr aus Langnau und Heimberg bei Thun, figürliche Schnitzereien, urtümliches Kinderspielzeug. Ferner Betten, W andkästchen aus Getäfeln, Hauben aus Bayern, Schwaben und Nordwestdeutschland. Sammlungen aus Piemont (Dr.E. Goldstern). Spinnrockentypen, Kopfbänke, hölzerne Willkommbecher, Salz­ behälter mit Tierprotomen, Korbformen u. s.w. Aus der römischen Campagna und Sizilien. Spinnwerkzeuge, Hirtengerät, Ständertruhe u. s. w. Von den Basken (Dr. R. T rebitsch ). Geräte zur Flachs- und W ollbereitung, Hirtenschnitzerei, und Behelfe für die Vieh- und Milchwirtschaft, wie für die Fischerei, Herdgerät, Tongefäße, Stikkereien, Gegenstände für das Ballspiel „Schimmelreiter”, u. s. w. Aus der Bretagne. Schrankbetten, Trachtenfiguren, Herdund Hausgerät, geschnitzte Kapellenbalken. Aus Schweden. Urtümliches hölzernes Gebrauchsgerät. Vergl. Dr. E. G o l d s t e r n : H o c lig e b i rg s v o l k a u s S a v o y e n . E rg .-B d . XIV d e r W i e n e r Z eitsc h r. f. V o lk s k u n d e 1922. A. H a b e r l a n d t : B e it r ä g e z u r B r e to n i s c h e n V o lk sk u n d e . E rg.-H . VIII d e r Z eitsc h r. f. ö ste rr. Volksk. 1912.

R A U M XXX. W eihnachtskrippen. Ausdruck und künstlerische Gestaltung der W eihnachts­ krippen läß t bemerkenswerte seelische Eigenart unterschiedlicher Volksgebiete erkennen. Feinste künstlerische Blüte offenbart die zier­ liche W eihnachtskrippe aus T haur bei Hall in Tirol im Mittelgrund, ähnlich die mit vortrefflicher landschaftlicher Charakteristik aus­ gestattete kleine Krippe aus Italien, sowie die figürlich sehr ausdrucksvolle Nordtiroler Krippe zur Linken, wogegen an den aus Zwittau stammenden beiden Krippen zur Rechten, bei schlechter, eher etwas linkisch anm utender Haltung der Figuren, vornehmlich die Freude am Konstruktiven — die kleinere Krippe im Vordergrund besitzt ein mechanisches Spielwerk — in Aufbau und Szene zum Ausdruck kommt.

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Literatur der Volkskunde. V o lk sk u n d lic h e B i o g r a p h i e fü r die J a h r e 1923— 1924. Im A u f t r ä g e d e s V e r b a n d e s d e u t s c h e r Vereine f ü r V o l k s k u n d e h e r a u s g e g e b e n v o n E. H o f f ­ m a n n - K r a y e r. V e r l a g W a l t e r de G r u y t e r & Co., Berlin u n d L eiozig 1929. Z u folge d e s erfreulichen u n d s e h r m e r k b a r e n A u f s c h w u n g e s d e r v o l k s ­ k un dlichen A rbe ite n in allen V o lk s g e b i e t e n E u r o p a s u n d s e i n e r N a c h b a r ­ g e bie te, ist d e r U m f a n g d e s v o rl ie g e n d e n D o p p e l j a h r g a n g e s d e r V o l k s k u n d ­ lichen B ib lio g ra p h ie m ä c h t i g a n g e w a c h s e n , w a s die zeitliche V e r z ö g e r u n g se in er H e r a u s g a b e v o llk o m m e n begreiflich m a c h t , u m s o m e h r als die H e r­ s te llu n g d e r R e g is te r (S. 389— 492) eine ä u ß e r s t m ü h e v o lle u n d z e i t r a u b e n d e A rbe it da rstellt. E ine R eih e n e u e r M itarb e ite r, für die lettische , italienische, n i e d e r d e u t s c h e un d p olnische V olkskun de , h a b e n sich in s e lb s tlo s e r B e ­ m ü h u n g zu de m ve rd ie n stv o lle n S t a b e d e r M i t a r b e i te r a n d e n f r ü h e r e n J a h r ­ g ä n g e n hinzu ge se llt. Ihre N a m e n sind im V o r w o r t a n g e f ü h rt , u n d j e d e r B e ­ n u t z e r de r B ib lio g ra p h ie w ir d sich d e m d o r t a u s g e s p r o c h e n e n D a n k d e s H e r a u s g e b e r s auf d a s W ä r m s t e a n sc h lie ß e n . Die N o t g e m e i n s c h a f t d e r d e u ts c h e n W is s e n s c h a f t h a t d u r c h ihre f reu n d lich e U n t e r s t ü t z u n g d a s E r­ s c h e in e n d ieses B a n d e s e rm ö g lich t. In B e z u g au f die A n o r d n u n g d e s u n g e ­ h e u r e n , a u ß e r o r d e n tl i c h w e i tv e r z w e i g t e n S toffes ist n u n m e h r w o h l die g r ö ß t ­ m ö g lic h e U e b e r s ic h tlic h k e it u n d leic h te ste A u ffin d b a rk e it e rreicht. W i r sc h lie ß en u n s n a c h d r ü c k li c h d e m b e r e c h ti g t e n W u n s c h e d e s u n e r m ü d lic h au f die V e r v o l lk o m m n u n g d e r B ib lio g ra p h ie b e d a c h t e n H e r a u s g e b e r s an, d a ß kü nftig hin a u c h F ra n k r e i c h , S p a n ie n , R u m ä n ie n , die T s c h e c h o s l o v a k e i , G r ie c h e n la n d , die T ü rk e i u n d M ittel- u n d S ü d a m e r i k a d u r c h sp ezie lle M it7 a r b e i te r v e r tr e te n seien. D e n n die w is s e n s c h a f tlic h e V o l k s k u n d e m u ß sich i m m e r m e h r z u r a llg e m e in e n u n d v e rg le ic h e n d e n V o lk s k u n d e a u s g e s t a l t e n , u n d auf den g e s a m t e u r o p ä i s c h e n H o r iz o n t in h is t o ris c h e r V e rt ie f u n g ein­ stellen. Prof. M. H a b e r l a n d t.

G o t t h a r d N ie m e r : D a s G e l d . Ein B e it r a g z u r V o lk sk u n d e . ( W o r t u n d B ra u c h , V o lk sk u n d lich e A rb e ite n n a m e n s d e r S c h le s is c h e n G e se lls c h a f t fü r V o lk s k u n d e in z w a n g l o s e n H e ften h e r a u s g e g e b e n v o n Prof. Dr. T h e o d o r S i e b s und Prof. Dr. M a x H i p p e . ) 21. Heft, B r e s l a u , V e rl a g v o n M. u n d H. M a r c u s , 1930. D a ß d a s Geld, „ d a s die W e l t r e g ie r t, “ in S p r a c h e , A b e r g l a u b e n u n d V o l k s b ra u c h aller Völker, u n d so a u c h d e r D e u t s c h e n tief v e r s t r ic k t ist, ließ die A b s ic h t u n d d e n G r u n d g e d a n k e n d e s v o rl ie g e n d e n B u c h e s von v o r n ­ herein als r e c h t f r u c h t b a r e r sche inen. D e r V e r f a s s e r h a t d e n n m it g r o ß e m Fleiß u n d trefflic her S a c h k e n n t n i s alle S p u re n a u f g e d e c k t , die d a s G e ld im d e u ts c h e n S p r a c h g e b r a u c h , im G l a u b e n a n die ü b e r n a t ü r li c h e u n d z a u b e r is c h e Kraft d e s G e ld e s h i n te r la s s e n hat. Die G eld s c h a ff e n d e n K o b o ld e u n d G e ister, so w ie d e r S c h a t z g l a u b e w e r d e n d e r R eih e n a c h b e h a n d e lt , u n d in ein em S c hluß te il d e r A rbe it in b e s o n d e r s a u sfü h rlic h e r W e i s e die B e d e u t u n g d e s G e ld e s in G la u b e u n d B ra u c h d e s tä g l i c h e n L e b e n s — bei G e b u r t , T a u f e , Spiel u n d T a n z , V e r l o b u n g u n d H o chzeit, T o d u n d B e g r ä b n i s — d a r g e ste llt.

133 Die oft r e c h t l a n g e n L i t e r a t u r n a c h w e i s e b e z e u g e n die g rü n d lic h e D u r c h ­ a r b e i t u n g d e s g e s a m t e n e in s c h lä g ig e n v o lk sk u n d lic h e n Stoffes. Prof. M. H a b e r l a n d t. Adolf H elbok: S i e d l u n g s g e s c h i c h t e u n d V o l k s k u n d e . (S c h rifte n z u r D e u t s c h e n S i e d lu h g s f o rs c h u n g , 2. Heft, D r e s d e n 1928. V e rlag B u c h d r u c k e re i d e r W ilhe lm u n d B e r ta v. B a e n s c h - S ti f t u n g ) . Die a n g e z e i g t e A b h a n d l u n g ist a u s ein em V o r t r a g , d e n d e r V e r f a s s e r au f d e r T a g u n g d e s G e s a m t v e r e i n e s d e r d e u ts c h e n G e s c h i c h t s - u n d A lter­ tu m s v e r e i n e z u S p e y e r g e h a l t e n h a t in s e h r e r w e i t e r t e r F o r m h e r v o r g e g a n g e n . Sie b a u t a u f d e m G r u n d g e d a n k e n auf, d a ß die n a c h g e sc h ic h tlic h e r E r k lä r u n g s t r e b e n d e V o l k s k u n d e u n d die S i e d lu n g s f o r s c h u n g sich g e g e n s e i ti g vielfach zu fö r d e r n u n d zu b e f ru c h t e n v e r m ö g e n . E s w e r d e n die ein zelnen T e ilg e b ie te d e r V o lk s k u n d e m it D u r c h a r b e i t u n g d e r w i c h ti g s t e n e in s c h lä g ig e n L ite ra tu r d a ra u f h in u n t e r s u c h t , inw iefern ihre F e s t s t e ll u n g e n z u r A u fh e llu n g de r H e rk u n f t d e s Siedlers, d e r S i e d l u n g s a u s b r e i t u n g in d e r L a n d s c h a f t u n d ihrer E i g e n a r t zu v e rh elfen v e r m ö g e n . So w e r d e n d e r H a u s b a u , d a s A r b e i ts g e r ä t, die V o lk sk u n s t, die T r a c h t , B r a u c h t u m u n d V o lk s g la u b e n , d a s R e ch tsle b en , die F o r m e n d e r G e m e in s c h a f t, die H e ilige nk ulte u n d S a g e n e r ö rt e r t, w o d u r c h d e r I nha lt d e r A b h a n d l u n g sich zu einem s e h r a n r e g e n d e n u n d vielseitigen gestaltet. Pro f. M. H a b e r ! a n d t. Eberhard K ranzm ayer: D i e N a m e n d e r W o c h e n t a g e in d e n M u n d a r t e n v o n B a y e r n u n d O e s t e r r e i c h . ( A r b e ite n z u r b a y e r i s c h - ö s t e r r e ic h i s c h e n D ia le k t g e o g ra p h ie , im A u f t r ä g e d e r W ö r t e r b u c h k o m m i s s io n e n d e r A k a d e m i e n d e r W i s s e n s c h a f t e n in M ü n c h e n u n d W ien , h e r a u s g e g e b e n im Verein m it F. L ü e r s u n d W . S t e in h ä u s e r v o n A. Pfalz, 1. H e f t ). W ie n u n d M ü n c h e n 1929. H ö l d e r - P i c h l e r - T e m s k y A. G., W ie n , V e r l a g R. O ld e n b u rg , M ü n c h e n . 100 S. Mit e in er G r u n d k a r t e u n d elf P a u s e n . Die v o rlie g e n d e Schrift ist in d e r H a u p t s a c h e auf G r u n d d e s f ü r d a s g r o ß e M u n d a r t e n w ö r t e r b u c h d e r W i e n e r u n d M ü n c h n e r A k a d e m ie g e ­ s a m m e l t e n M u n d a r t g u t e s v e r f a ß t ; sie b e r ü c k s i c h ti g t a u c h die N a c h b a r m u n d ­ a r te n d e s B a iw a r i s c h e n , in e r s t e r Linie S c h w ä b i s c h u n d F rä n k isc h . Die F o r m e n d e r W o c h e n t a g n a m e n in f r ü h e r e r Z eit h a t d e r V e rf a s s e r a u s einem n i c h t m in d e r re ic hen U r k u n d e n m a t e r i a l z u s a m m e n g e t r a g e n ; d a d u r c h w u r d e n ic h t n u r ein e räu m liche , so n d e r n a u c h eine zeitliche U n t e r s u c h u n g d e r N a m e n e rm ö g lich t, d e r e n E r g e b n i s s e auf d e n b e ig e f ü g te n ü b e rsich tlic h en K a rt e n zu sinnfä lliger D a r s t e l l u n g g e la n g t e n . L e h rre ic h e B e m e r k u n g e n ü b e r die V e r w e r t b a r k e i t d e s m itte ls F r a g e b o g e n e r w o r b e n e n M a te ria ls u n d ü b e r die A r t d e r B e n ü t z u n g d e r U r k u n d e n d a t e n g e h e n v o r a n . Im z w e ite n Teil w e r d e n die N a m e n d e r ein zelnen W o c h e n t a g e d e r R eih e n a c h in ihren g e g e n ­ w ä r t i g e n m u n d a r t i g e n L a u t u n g e n b e s p r o c h e n u n d m it d e n U r k u n d e n f o rm e n v e r g lic h e n . Ein E r g e b n i s als Beispiel: N e b e n d e m w e i tv e r b r e i t e t e n M o n t a g k o m m t im W e s t e n d e s b e h a n d e lt e n G e b i e t e s eine u m g e l a u te te F o r m von M ä n t a g vo r. Die B e t r a c h t u n g d e s ge sc h ic h tlic h e n S p r a c h g u t e s f ü h r t zu de r ü b e r r a s c h e n d e n F e stste llu n g , d a ß e in s t diese U m l a u t f o r m d a s g a n z e b aiw a r i s c h - s c h w ä b i s c h e G e b ie t m it dem südlichen F r a n k e n b e h e r r s c h t hat. Die

134 um la u tlo s e F o r m M o n t a g , die jene v e r d r ä n g t e , w u r d e ve rm u tlic h d u rc h die K aiser un d F ü r s te n a u s den m ittle ren R h e in la n d e n bei u n s e in g e sc h le p p t. D e r dritte Teil d e r A b h a n d l u n g b e h a n d e lt die H e rk u n f t d e r W o c h e n t a g n a m e n . Alle diese N a m e n sind in d e r S p ä t a n t i k e , e t w a im 4. J a h r h u n d e r t , bei u n s auf­ g e k o m m e n . Ein Teil ist d e m V u lg ä rla te in is c h e n n a c h g e b il d e t ( D i e n s t a g , D o n n e r s t a g , die n o r d d e u ts c h e n B e z e ic h n u n g e n W o d a n s - u n d S a t e r t a g ) , ein a n d e r e r Teil ( E r g e t a g , F f i n z ta g ) ist d u r c h g o tis c h e V e r m it t lu n g a u s dem V u l g ä r g rie c h is c h e n zu den B a iw ä r e n g e w a n d e r t . B e zü g lich d e r E ty m o l o g ie von E r c h t a g un d P f in z ta g , die h e u te n o c h als E i g e n a r t d e r b a iw a r i s c h e n M u n d a r t w e ite r le b e n , folgt d e r V e r fa s se r d en u n a n f e c h t b a r e n D e u t u n g e n R. M u c h s. E r s t e r e s ist d a s gr. A re o s h e m e r a , m it de m N a m e n d e s A rius in s Got. ü b e r s e t z t u n d ahd . zu A rio tag , E r g e t a g g e w o r d e n ; l e tz te r e s g in g a u s ein em v o r a h d . P i n t a t a g he rv o r, d a s ü b e r d a s G o tisc h e als ein L e h n w o r t a u s dem G rie c h isc h e n ( p e m p t e „ d e r F ü n f t e “ ) e i n g e w a n d e r t ist. Die A b h a n d l u n g s p r ic h t d u r c h klare, k n a p p e B e w e is f ü h r u n g u n d den G e b r a u c h d e u t s c h e r F a c h a u s d r ü c k e an, w o d u r c h sie — bei aller W i s s e n ­ sc ha ftlichke it — a u c h für w e i te r e Kreise b e n ü t z b a r w ird. Sie gibt ein e in­ d ru c k sv o lle s Bild v on d e r e r sta u n lic h e n F o rm e n fülle u n s e r e r M u n d a r t e n un d g e w ä h r t einen tiefen Blick in d a s in n e rs te L ebe n u n s e r e r S p r a c h e ü b e r ­ h a u p t u n d ih rer E n tw ic k l u n g . Dr. E d u a r d W e i n k o p f. R ic h a r d Schiffahrt.

H ennig: A b h a n d l u n g e n zur Je n a , G u s ta v F isc h e r 1928. 171 S.

Geschichte

der

Die G e s c h i c h t e d e s e u ro p ä i s c h e n V e r k e h r e s w o llte sc h o n V. H ehn von d e r G e s c h i c h t e d e r e u r o p ä i s c h e n K u ltur nicht tre n n e n . O h n e die S te llu n g ­ n a h m e d e s V e r f a s s e rs in allen E in z elfra g en d e r E r s c h l i e ß u n g d e s a n tik e n W e l t b il d e s ü b e r p rü f e n zu w ollen, — in st r i tt i g e n D in g e n l ä ß t er G r ü n d e u n d G e g e n g r ü n d e m it einer in d e r h e u tig e n K u l t u r w i s s e n s c h a f t nich t i m m e r b e ­ fo lgte n S a c h lic h k eit zu W o r t e k o m m e n — m o c h t e n w i r als für die V o lks­ k u n d e b e la n g r e ic h h e r v o r h e b e n A b s c h n i t t IV: Die O s ts e e im V e r k e h r s le b e n d e s A l te rtu m s u n d fr ü h e n M itte la lte r s so w ie VI: S c h i f f s tr a g p lä tz e und S c h l e p p w e g e . Die M e inun g, d a ß die h a n d e l s k u n d i g e n N o r d - u n d S ü d l ä n d e r die K üste von O s ts e e u n d M itte lm e e r in v o r g e s c h ic h tlic h e r Zeit w e c h s e l w e i s e auf keinen Fall n o c h g e s c h a u t h ä tt e n , m ö c h t e n w ir a n g e s ic h ts d e r von O. A lm g re n so s c h l a g e n d n a c h g e w i e s e n e n E n t s p r e c h u n g e n n o r d i s c h e r Fe ls­ z e i c h n u n g e n m it ä g y p ti s c h e n u n d a n d e r e n m itte llä n d isc h e n k u ltisc h e n D a r ­ ste llu n g e n a lle rd in g s nich t teilen. Alles in allem e rfre u t d e r frische auf die tatsächlichen g e o g r a p h i s c h e n u n d p h y s i s c h e n G e g e b e n h e i t e n g e ric h te t e B ü c k , d e r w o n ö t ig p h ilo lo g isc h er I n t e r p r e ta t io n z u r K l ä r u n g verhilft. A. H a b e r l a n d t. Johannes K ü n z ig : S chw arzw aldsagen. • ( A l e m a n n is c h e S t a m m e s k u n d e !). A us d e r S t a m m e s k u n d e d e u t s c h e r L a n d s c h a f te n h e r a u s ­ g e g e b e n v o n Dr. P a u l Z a u n e r t. 383 Se itè n m it 35 T a f e ln u n d 34 A b b i l d u n g e n im T e x t. ( E u g e n D iederichs, J e n a 1930). Ein glü ck lich e r G e d a n k e ist es, d a s S a g e n g u t d e s d e u ts c h e n V o lke s nich t als p s e u d o g e s c h i c h tl i c h e n S c h u lsto ff ein w e d e r sa c h lic h e E r k e n n t n i s no ch P h a n t a s i e a u s r e i c h e n d stille nd es D a se in fo rtfriste n zu las se n , s o n d e r n

135 e s als n a iv e n L e b e n s - u n d L a n d s c h a f ts s p i e g e l a u s z u d e n k e n , d e r seine Bilder a u s d e m V o lk sg e ist se lb e r e m p f ä n g t. Z ug leich f ö r d e r t die S a m m l u n g den z e i t g e m ä ß e n A u s b a u alte r S a m m e l - u n d A u f n a h m s t ä t i g k e i t d e r G rim m s c h e n R i c h t u n g z u r e rfo rd e rlic h en l an d s ch a ftlich e n b e z w . f lä c h e n h a f te n Voll­ s tä n d ig k e it, w o b e i kritische A u s w a h l un d die a n m e r k u n g s w e i s e übersichtlich z u s a m m e n g e f a ß t e n B elege für die ein zelnen M otiv e die w iss e n s c h a f tlic h e B e n ü tz b a r k e i t je d e s B u c h e s b e s t e n s g e w ä h r l e is te n . Ist die B i i d a u s s t a t t u n g z u d e m in j e d e m B a n d eine so g e sc h m a c k v o l l e u n d r e ic h e w ie in den v o r ­ lie g e n d en , d e r z u r B e s p r e c h u n g a n g e z o g e n w u r d e , d a n n w i r d L esen un d L ern e n zum G e n u ß , den w i r b e s o n d e r s d e r n a t u r - u n d w a n d e r f r o h e n J u g e n d a n g e l e g e n t li c h a n e m p f e h le n m ö c h t e n . D e n O e s t e rr e i c h e r w e r d e n die B ö h n ie rw a l d s a g e n u n d die a n g e k ü n d i g t e n B a y ris c h e n , S c h w e i z e r u n d S teirischen S a g e n ( d ie s e von V. G e r a m b ) w o h l zu a ll e r n ä c h s t in te res siere n . A . H a b e r l a n d t. A nton M ailly: D e u t s c h e R e c h t s a l t e r t u m e r in Sage u n d B r a u c h t u m . Kleine h isto ris c h e M o n o g r a p h i e n . H e r a u s g e g e b e n v o n N ik o la u s H o v o rk a , Nr. 19— 20, 251 Seiten m it 26 H o lz sc h n itte n u n d E in b a n d vo n R o se Reinhold. (R e in h o ld - V e r la g , W ie n 1929). D e r s a g e n k u n d i g e V e r fa s s e r b ietet h ier in a n s p r e c h e n d s t e r A u s ­ sta ttu n g d e r k r ä ftig e k lare D r u c k sei b e s o n d e r s h e r v o r g e h o b e n — eine r e ic h e A n z ah l v o n B e ispie len alte r R e c h t s h a n d l u n g e n , die sich im G e w a n d d e r S a g e u n d im V o l k s b ra u c h z u m e i s t k la r ü b e rliefe rt z eigen. Vom U m ­ sc h re ite n d e s L a n d e s und W e is e n se in er G r e n z m a r k e n d u rc h W u r f geleitet d e r V e rf a s s e r klu g zu den G r ü n d u n g s l e g e n d e n v om v e r w e h t e n Schleier u n d b a u t a u ch s o n s t s e l b s t ä n d i g au f dem U n t e r g r ü n d e G r i m m s c h e r F o r s c h u n g w e ite r, w o b e i ihm E in s te llu n g auf d a s b ish e r w e n i g e r b e k a n n t e ö ste rre ic h isc h e S to f fg e b ie t b e m e r k e n s w e r t e n E r t r a g b rin g t. A. H a b e r l a n d t . Dr . St . von G yörffy: D a s B a u w e s e n d e r H i r t e n i m u n g a ­ r i s c h e n T i e f l a n d . ( U e b e r s e t z t vo n ü . v. L a s z l ö ) . M itte ilu n g e n de r K om m is sio n fü r H e i m a t k u n d e d e r w is s e n s c h a f tlic h e n Gr. St. T is z a -G e se lls c h a ft in D e b r e c z e n . Bd. IV. H. 13— 14, 1927, 124 Se ite n m it 157. Abbild. Mit vo rtrefflic h e r G r ü n d lic h k e it w e r d e n h ier die u r w ü c h s i g e n B a u te n fü r Vieh u n d H irten b e h a n d e lt , die u n s als W 'indschirm e, K e g e l d a c h h ü t t e n , S a tte l'd a c h h ü tte n so u n g e m e in prim itiv a n m u t e n , in W a h r h e i t a b e r n a c h A n­ la g e u n d A u s b a u d u r c h a u s sin n re ic h e Z w e c k f o r m e n sind, die — in g e w i s s e r vö lk is c h e r U n te rsc h ie d lic h k e it a n d ies es G e l ä n d e seit alten T a g e n g e b u n d e n sind. D e r -Text s e t z t sich k la r m it den ge sc h ic h tlich e n N o m a d e n b e w e g u n g e n u n d d e r E r s t a r r u n g d ies es L e b e n s k r e is e s mit z u n e h m e n d e r Kultiv atio n d e s G e b i e t e s a u s e in a n d e r , d a s ihm sein erz eit f a s t u n b e g r e n z t offen s t a n d . Die E n t w i c k l u n g d e r S t a ll w o h n u n g e n in den fe ste n S ie d lu n g e n d e s T ie fla n d e s g e w i n n t d a m i t einen o r g a n is c h e n U n t e r b a u . A. H a b e r l a n d t . Dr. Sigm und v. B atk y : H i r t e n s c h ö p f k e l l e n . 24 Se ite n mit 16 T afeln. E tn o g r a p h i s c i i e S a m m l u n g e n d e s u n g a r is c h e n N a t io n a l m u s e u m s VI. B u d a p e s t 1928. V e r f a s s e r u n t e r s c h e id e t z u n ä c h s t die a u s R in d e rh o rn g e sc h n itz te n B e c h e r d e r u n g a r is c h e n H irten, die m it östlich en F o r m e n v e r w a n d t sein

136 m ö g e n au s, d o c h b r i n g t er B e le g e für d e n O s te n nich t bei, e b e n s o v e r h ä lt es sich m it d e r S a c h e „ c s a n a k “ ( G e f ä ß o d e r Schöpflöffel). V ie lm e h r g e h t hier a u s d e r V e r b r e i t u n g in den R a n d g e b i r g e n U n g a r n s u n d in d e n j u g o s l a w i s c h e n W a l d g e b i r g e n z u s a m m e n m it ä lte re n u n d n e u e r e n V o r k o m m n is s e n in G r ie c h e n la n d die Z u g e h ö r i g k e i t z u ein em L e b e n s k re is v o n M e n s c h e n h e rv o r, die m it W a l d u n d N a t u r v e r tr a u t, als H irten, F eld- u n d W a l d h ü t e r o d e r J ä g e r alte ü b e rlieferte F o r m e n m it g e r in g e n A b w a n d l u n g e n in ziem lich k l a r e r l a n d s c h a f t l i c h e r B e s o n d e r u n g b e ib e h a l t e n h a b e n . A u s d e r e th n isc h , w ie k u l t u r g e o g r a p h i s c h u n d t y p o lo g i s c h g le ic h e rw e ise e t w a s m a n g e l h a f t e n A n o r d n u n g d e r E in z e ls tü c k e auf d e n T a fe ln g e h t dies s te lle n w e is e n ic h t m it d e r w ü n s c h e n s w e r t e n Klarheit h e rv o r, d e r F a c h f o r s c h e r m u ß sich die D in g e gle ic h sa m n e u ve rze tte ln , w ird a b e r d a n n u m s o si c h e re re n G e w i n n a u s d e n T e x t b e m e r k u n g e n zie hen. A. H a b e r l a n d t. Franz O elm ann: Hausurnen oder Speicherurnen? B o n n e r J a h r b ü c h e r , Heft 1. 34 Seiten. — 39 Seiten. 46 Abb., 1930. Die H a u s u r n e n d e r e u r o p ä i s c h e n V o r g e s c h ic h t e steilen S p e i c h e r u n d S p e i c h e r h ä u s e r vo r, d ie s e r sic h er rich tig e u n d v o n de m V e r f a s s e r in k n a p p e r g e r u n d e t e r B e w e is f ü h r u n g glücklich b e le g t e G e d a n k e e r h e b t die v o rlie g e n d e kleine Schrift z u e in er b e d e u t s a m e n R ic h tig ste llu n g la n g e f o r t g e e r b t e r w e n n a u c h im m e r n u r be ilä u fige r T h e o r i e n z u r V o r g e s c h ic h t e d e s e u r o p ä i s c h e n H a u s b a u s . H e u te n o c h w e r d e n in S ü d o s ta s i e n die G e b e in e d e r T o t e n in S p e i c h e r h ä u s c h e n a u f g e h o b e n , w a s inhaltlich sich d e n f o r m a le n B e le g e n n o c h e r g ä n z e n d z u r Seite stellt, die L ic ht a u c h auf W esen u nd A rt d e r m y k e n i s c h e n K u p p e l g r ä b e r w e rfen . A. H a b e r 1 a n d t. H andbuch d e r Frankreichkunde. Z w e i t e r Teil. M it B e it r ä g e n v o n O. G ra ee toff, B. G r o e t h n y s e n , K. Hilpert, FL M eerv varth, R. M üller-F reienfels, F. N e u b e r t, W . Sc hä ze l, F. Schiirr, 0 . V ölk er u n d E. W a h l e . 1930. V e r l a g v o n M oriz D i e s t e rw e g , F r a n k f u r t a. M. W ie w o h l die v o r lie g e n d e F ra n k r e i c h k u n d e ke in e n a u s d r ü c k lic h d e r f ra n z ö s is c h e n V o l k s k u n d e g e w i d m e t e n A b s c h n i t t a u fw e ist, w ie d ies in a u s ­ g e z e ic h n e te r W e i s e in d e r „ E n g l a n d k u n d e “ d e r H a n d b ü c h e r d e r A u s la n d s ­ k u n d e d a s K apitel von L u tz M a c k e n s e n fü r E n g l a n d ge le iste t h a t, w i r d d e r V o lk s k u n d le r d o c h a u c h a u s d e r g r o ß e n Z ah l a u s g e z e ic h n e t in s t r u k ti v e r A b ­ h a n d lu n g e n , die den v o rl ie g e n d e n B a n d füllen, m a n n i g f a c h e n G e w i n n zie hen. S o gleich a u s d e m e r s t e n Kapitel, d a s die v o r - u n d f r ü h g e s c h ic h tiic h e n G r u n d ­ l a g e n d e r f ra n z ö s i s c h e n G e s c h i c h t e in d e r D a r s t e l l u n g E. W a h l e ’s b e h a n d e lt , so d e sg le ic h e n in d en A b s c h n i t te n ü b e r die f r a n z ö s i s c h e V o lk sw ir tsc h a ft, d a s f ra n z ö s i s c h e R echt, die f r a n z ö s i s c h e G e s e lls c h a f t u n d die f r a n z ö s i s c h e K unst, a u s d e n e n allen a u c h d e r auf die V o lk s k u n d e e in g e ste llte L e s e r vielerlei B e­ l e h r u n g e m p f ä n g t. Im m e rh in w ä r e s e h r z u w ü n s c h e n , d a ß in d e n w e i te r e n B ä n d e n d e r A u s la n d s k u n d e r e g e l m ä ß i g ein speziell v o l k s k u n d l ic h e r A b s c h n i t t v o n z u s t ä n d i g e r Seite b e ig e s t e u e r t w e r d e . Pro f. A. H a b e r l a n d t.

H erau sg eb er, E ig en tü m e r u. V erleger: V erein fü r V o lk sk u n d e (P rä s id e n t Prof. L)r.|M H a b e rla n d t.) V e ra n tw o rtlic h e r R e d a k te u r: Prof. D r. M ichael H a b e r l a n d t . W ien, V III. L au d o n g ^ sse 17. — B u ch d ru ck erei P ag o , W ien, II. G ro ß e S chiffgasse 4.

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Hofrat Dr. Michael Haberlandt’s 70. Geburtstag. Am 29. September 1930 vollendete unser Vereinspräsident Hofrat Prof. Dr. Michael H a b e r l a n d t , unermüdlich für das Museum für Volkskunde tätig, sein 70. Lebensjahr. Zahlreiche Beglück­ wünschungen sind ihm aus diesem Anlaß zugemittelt worden, die vielfach auch dem Aufbau seines Lebenswerkes, des Museums für Volkskunde, das nun wohl einer gesicherten Zukunft entgegengeht, galten. Ein sehr anerkennendes und freundliches Schreiben hat der Bundesminister für Unterricht Prof. Dr. S r b i k an den Jubilar ge­ richtet. Es lautet: „ Z u Ihrem h e u ti g e n G e b u r t s f e s te s p r e c h e ich Ihnen in eigen en u n d im N a m e n d e r ö ste r re ic h isc h e n U n t e r r i c h t s v e r w a l t u n g die auf­ ric h tig ste n G l ü c k w ü n s c h e aus. Sie d ürfen h e u t e m it Stolz u n d in n ere r B e f r ie d ig u n g a u f J a h r z e h n t e u n e rm ü d l i c h e r A rb e it z u rü ck b lic k e n , in d e n e n Sie G r o ß e s u n d Vorb ildliches a u f de m G e b i e t e d e r ö s t e r r e i ­ c hische n u n d v e r g le ic h e n d e n V o l k s k u n d e g e le istet h a b e n . Ihr L e b e n s ­ w e r k h a b e n Sie d u r c h die S c h a ffu n g des, O e ste rr . M u s e u m s f ü r V o lks­ k u n d e g e k rö n t, w o f ü r Ihnen a u c h k o m m e n d e G e n e r a t io n e n D a n k w issen w e r d e n . M ö g e n Ihnen n o c h viele J a h r e d e s S c h a f fe n s u n d d e r F r e u d e an d e m b i s h e r G e s c h a f fe n e n b e sc h ie d e n se in .“

Der Gemeinderat der Stadt Wien hat ihm in der Sitzung vom 3. Oktober 1930 einstimmig das Bürgerrecht der Stadt verliehen und der Herr Bürgermeister K a r 1 S e i t z hat diesen Akt mit nach­ stehendem Schreiben eingeleitet: „S ie feiern in diesen T a g e n Ihren s ie b z ig s te n G e b u r t s t a g und dü rfen an d iesem G e d e n k t a g e a u f eine re ic h e w is s e n s c h a f tlic h e T ä t i g ­ keit z u rü c k b lic k e n , die Ihnen b e d e u t e n d e E rfo lg e g e b r a c h t hat. Die V e r d ie n ste , die Sie sich als L e h r e r u n d F o r s c h e r auf dem G e b ie te d e r V o lk s k u n d e u n d i n s b e s o n d e r e u m Ihre S c h ö p fu n g , d a s O e s te rr e ic h is c h e M u s e u m für V o lk sk u n d e , e r w o r b e n h a b e n , sichern Ihnen die d a n k b a r e H o c h a c h t u n g d e r S t a d t, in d e r Sie seit Ih rer Ju g e n d w irke n. G e rn b e n ü tz e ich d en A n la ß , Sie n e u e r d i n g s m e in e r p e r s ö n ­ lichen W e r t s c h ä t z u n g ' zu v e r s ic h e r n u n d Ihnen m ein e he rzlic hste n G l ü c k w ü n s c h e z u üb e rm itte ln . M ö g e n sich die vielen W ü n s c h e , die Ihnen an Ihrem G e d e n k t a g e d a r g e b r a c h t w e r d e n , erfüllen u n d Ihnen K ra ft u n d G e s u n d h e i t in Ihrem w e i te r e n L ebe n t r e u e B e g le ite r b leib e n .“

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Ebenso hat die W i e n e r U n i v e r s i t ä t durch den Rektor Prof. Dr. U e b e r s b e r g er die wissenschaftliche Lebensarbeit des Jubilars durch folgendes Schreiben geehrt: „ W i e ich e rs t j e t z t erfa hre , h a b e n Sie, s e h r v e r e h r t e r H e rr Kollege, s o e b e n die 70. W i e d e r k e h r I h res G e b u r t s t a g e s g e feiert u n d d a ist e s m ir H e rz e n s b e d ü r f n is , Ihnen n a m e n s d e r W i e n e r U n i v e rs i tä t so w ie im e ig e n e n N a m e n die w ä r m s t e n G l ü c k w ü n s c h e z u m A u s d r u c k e zu b rin g e n . Mit b e r e c h t i g t e r G e n u g t u u n g m ö g e n Sie als S c h ö p fe r u n d A us­ g e s t a l t e r d e s M u s e u m s fü r V o lk sk u n d e , d i e s e r w e i t ü b e r die G r e n z e n d e s V a t e r l a n d e s r ü h m lic h s t g e w ü r d i g t e n K u ltu r s tä tte , s o w ie als L e h r e r u n d F o r s c h e r a u f . d e m G e b ie te d e s von Ihn en so v e rd ie n stv o ll v e r ­ t r e t e n e n W is s e n s z w e i g e s a uf Ihr L e b e n s w e r k z u rü c k b lic k e n . M ö g e n Ihnen n o c h viele J a h r e e rfolgre ic he n S c h a ffe n s u n d b e s t e r G e su n d h e i t b e s c h ie d e n se in.“

So hat es nicht an öffentlicher hoher Anerkennung gefehlt, die Verein und Museum gleicher W eise wie ihrem Schöpfer und Gründer zur Ehre gereichen. Ueber ausdrücklichen W unsch des Gefeierten ist jede öffentliche Veranstaltung des Vereines gleichwohl unter­ blieben. Es wurde jedoch von Seiten der Ausschuß-M itglieder als der engeren Mitarbeiter Prof. M. H aberlandt’s die am 13. Oktober 1. J. anberaumte Ausschuß-Sitzung zum Anlaß e i n e r f e i e r l i c h e n B e g r ü ß u n g genommen, in der vor allem der lang­ jährige Vize-Präsident des Vereines für Volkskunde Hofrat Prof. Dr. E. O b e r h u m m e r das W o rt ergriff, um im kurzen Abriß der w issen ­ schaftlichen Laufbahn M. H aberlandt’s seine Tätigkeit als Sans­ kritist, alsEthnolog wie als Volksforscher und Schöpfer desMuseums fiirVolkskunde zu würdigen. Auf allen diesen wissenschaftlichen G e­ bieten hat M. Haberlandt wissenschaftliche Arbeit bis in die letzte Zeit geleistet, wfe aus seinen Veröffentlichungen auf indologischem Gebiete, aus der mehrfach aufgelegten und in vier W eltsprachen übersetzten „Allgemeinen Völkerkunde” in ■ der Sammlung „Göschen”, den grundlegenden Veröffentlichungen über „Oesterreichische Volkskunst” und dem großen W erk „Oesterreich, sein Land und Volk und seine Kultur” hervorgeht. W ir bezeichnen es als besonderes Glück, daß sein Lebenswerk, das Museum für Volks­ kunde, nunmehr gefestigt dasteht und daß seine Tätigkeit eine Nachfolge gefunden hat, die auch die weitere Zukunft des Institutes verbürgt. Nach Prof. Oberhummer sprach Dr. G. K o t e k, Vorstand des Deutsches Volksgesangvereines, die Glückwünsche und die An­ erkennung des wissenschaftlichen Wirkens Prof. M. Haberlandt's

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durch den Deutschen Volksgesangverein in W ien aus, wobei er die seelische wie äußerliche Uebereinstimmung in dem W irken und Kampf des Jubilars mit dem des Begründers des Deutschen Volks­ gesangvereines J. Pommer hervorhob. Der Deutsche Volksgesang­ verein hat beschlossen, aus diesem Anlaß Prof. M. Haberlandt zum Ehrenmitglied zu erwählen und ihm gleichzeitig die silberne J. Pommer-Medaille zu verleihen. Es liegt die höchste Anerkennung darin, d aß beide Auszeichnungen zur gleichen Zeit dem Jubilar d ar­ gebracht werden. Herr Kammerrat H. K a n d 1 überbrachte namens der Kammer für Handel und Gewerbe und Industrie die herzlichsten Glückwünsche und betonte, daß es der Kammer nach ihren Sat­ zungen nicht möglich sei, eine äußere Auszeichnung darzubringen, daß aber die Unterstützung, die seit Jahr und T a g von Seiten der Kammer dem Museum für Volkskunde geboten werde, in erster Linie als eine W ürdigung der Selbstlosigkeit des Wirkens der Herren am Museum für Volkskunde bedeute. Einer solchen Be­ tätigung, die in der heutigen Zeit fast wie ein W under wirke, habe die Kammer unter keinen Umständen die Unterstützung versagen wollen und er wünscht auch weiterhin dem Institut Glück und Ge­ deihen durch solche Arbeit. Präsident F. S c h u b e r t - S o l d e m spricht namens des Bundesdenkmalamtes die herzlichsten Glück­ wünsche aus. W enn auch d a s Denkmalamt aus diesem Anlaß keine besonderen Schritte unternehmen konnte, so erinnere er sich doch dankbar und freundlich der Tätigkeit M. H aberlandt’s, die dieser im Rahmen des Denkmalschutzes für die Volkskunst durch Jahre erfolgreich geleistet hat. O berbaurat H a r t w i g F i s c h e 1 sprach im Namen einer Gruppe schaffender Künstler dem Gefeierten den Dank und die Anerkennung besonderer Art dafür aus, d aß aus seinem wissenschaftlich gemeinten W erk Anregung lebendigster Art auf den schöpferischen Gestaltungswillen in Kunst und Kunst­ gew erbe ausströme. Die Bedeutung dessen in Gegenw art und Zukunft sei kaum abzusehen und es sei M. Haberlandt mit sicherem Blick für die Aesthetik seiner Sammlungen eine Auswahl gelungen, um die ihn viele Fachleute des In- und Auslandes beneiden. Dafür danke er ihm und wünsche ihm eine glückliche Zukunft. Sichtbar bew egt dankte Hofrat M. Haberlandt für die ihm dargebrachten W ünsche und freundliche Gesinnung und hob hervor, d aß sein W erk, das er Anfangs fast allein, vielfach angefeindet, be­ gonnen hat, ihm im Rahmen des Vereines und seines Ausschusses mehr und mehr Mitarbeiter geworben habe, die ihn in treuer Ar­

140 beitsgemeinschaft unterstützten. Sein Sohn führe die Aufgabe nun fort und er gedenke dankbar auch der Mithilfe seiner Schwieger­ tochter, die in den schwierigsten T agen der Museumsübersiedlung seine Arbeitsgenossin und Helferin zur Neuordnung des M useums­ betriebes gewesen sei. Allen Herren danke er herzlichst und innigst für die ihm zuteil gewordene Ehrung, namentlich Herrn Dr. K o t e k für die öffentliche Auszeichnung durch den Deutschen Volksgesang­ verein in W ien und seinem langjährigen M itarbeiter und Freunde Prof. O b e r h u m m e r für die gütigen W orte, die er an ihn gerichtet habe. Zur Erinnerung wurde Prof. M. Haberlandt eine künstlerisch ausgestattete, von sämtlichen anwesenden Ausschuß-Mitgliedern gefertigte Adresse überreicht, die nachfolgenden W ortlaut hat: „ M u s e u m u n d Verein fü r V o lk s k u n d e w ollen den b e d e u t s a m e n L e b e n s a b s c h n it t , in d e n Sie, h o c h v e r e h r te r H e r r H ofrat, e in trete n , n ich t v o r ü b e r g e h e n lassen, o h n e 111 D a n k b a r k e i t Ihrer u n v e r g ä n g l ic h e n V er­ d ie n s te u m die B e g r ü n d u n g u n d A u s g e s t a l t u n g d e s M u s e u m s u n d die F ö r d e r u n g de r g e s a m t e n V o lk s k u n d e z u g e d e n k e n . D u r c h die T e i l n a h m e a n d e r M u s e u m s - u n d V e re in sle itu n g z u r M ita rb e it a n Ihrem L e b e n s w e r k b e ru fe n , s p r e c h e n die U n te r z e ic h n e te n Ihnen, H e r r H ofrat, a n lä ß lic h Ih res 70. G e b u r t s t a g e s ihre h erzlichsten u n d a u fric h tig ste n G l ü c k w ü n s c h e fü r eine n o c h l a n g e w ä h r e n d e erfolg ­ reiche T ä t i g k e i t aus. ln g r ö ß t e r V e r e h r u n g : E u g e n O b e r h u m n ie r , A lfons D o p s c h , Ju lius T h ir rin g . L u d w i g R a d e r m a c h e r , H e r m a n n K andl, G e o r g Kotek, A r t h u r H a b e r l a n d t, Mizzi H a b e rl a n d t, F. S c h u b e rt- S o ld e r n , Karl G ia nn oni, A. P e r k niann , G e o r g Kyrie, H. Fischei, K. Klier, K. S p ie ß , G. S chlesin ger, R. Z oder.

Brieflich sandten herzliche Glückwünsche die Mitglieder der Vereinsleitung: Präsident Otto G 1 ö c k e 1, Sektionschef Dr. A. B r e y c h a, Hofrat Paul K r e t s c h m e r , Hofrat J. S t r z i g o w s k i , Prof. J. W e n i n g e r, Direktor E. Z e 11 w e k e r, Ministerialrat L. P e t r i n , Dr. F. O 11 m a n n. Hofrat Prof. Dr. M. Haberlandt sagt Allen, die sich anläßlich seines 70. G eburtstages freundlich seiner erinnerten, herzlichsten und wärmsten Dank.

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Kugelklapper und Hillebille. Von ]. M a n n i n e n, H eisin gfo rs. (M it z w ei Bildertafeln u n d dre i T e x t a b b i l d u n g e n ) .

1. Die Kugeikiapper und die Hiilebiile sind in der deutschen volkskundlichen Literatur ziemlich viel behandelt worden. Ich hätte kaum einen Anlaß gehabt, auf diese Lärmgeräte einzugehen, wenn sie nicht auch in meiner Heimat Finnland bekannt gewesen wären, und wenn ich nicht glaubte, durch Beibringung neuer Angaben aus Osteuropa Licht in die Frage nach der Herkunft dieser Geräte bringen zu können. Zuerst sei die finnische K u g e l k l a p p e r dargestellt (Tafel 1, Abb. 1— 2 ). Sie wurde aus einem parallelogrammförmigen Holzstück hergestellt, das an den Schmalseiten durchbohrt und aus­ gehöhlt wurde. Die Klapperwände waren ziemlich dünn, aber an den beiden Enden der Aushöhlung wurde der Haltbarkeit wegen mehr Holz übriggelassen. Gewöhnlich waren die W ände der Aus­ höhlung gerade, selten ist die Form Fig. 2a, bei der die W än de ge­ wölbt sind. Das eine Ende der Klapper lief in den Griff aus, an dem ändern w ar mittels eines Lederriemens eine hölzerne Kugel be­ festigt, die gewöhnlich rund, bisweilen oval-zitronenförmig, in einem uns bekannten Falle kegelförmig war. Durch Herumschwingen der Klapper ließ man die Kugel abwechselnd gegen die beiden Klapperwände schlagen. In den Sammlungen des Finnischen Nationalmuseums finden sich insgesamt 6 Kugelklappern der eben beschriebenen Form. A ußer einer stammen alle diese aus Ladoga- und Grenz-Karelien. Eine stammt aus Nord-Sawolax, Ksp. Pielavesi, das vorläufig der westlichste Ort des Auftretens dieser Klapper ist. Im Museum des Städtchens Mikkeli (S üd-Saw olax) verwahrt man eine Kugel­ klapper, mit der man daselbst vor ca. 50 Jahren beim Feuerausbruch alarmiert hat. Das nördlichste mir bekannte Exemplar, schließlich das zu den Sammlungen der Staatlichen Landwirtschaftlichen Ver­ suchsanstalt (Jokiniemi) gehörte, stammt aus Ost-Oesterbotten

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(Ksp. Kuhmoniemi). Aus einer Kartenskizze, in die alle dem Verfasser bekannten Museumsstücke eingetragen sind, geht die östliche Verbreitung dieses G egenstandes klar hervor. Die Kugelklapper ist in Finnland zum Zusammenrufen der Arbeiter zum Essen verwendet worden. Es ist nicht bekannt, d aß sie irgendwo zu einem anderen Zweck verwendet worden wäre. Schon das ausgeprägt östliche Verbreitungsgebiet dieser Klapper in Finnland weist darauf hin, d aß ihr Ursprung wohl in dem Kreise der russischen Gegenstandskultur zu suchen ist. Tatsächlich ist die Kugelklapper weithin in Rußland in Gebrauch gewesen, nicht nur bei den Russen, sondern auch in den deutschen Dörfern S üd-R ußlands.1) Die russische Klapper entspricht in ihrem Typus der finnischen. Außerden ist diese Klapper auch bei den Letten bekannt2). In der Sammlung für deutsche Volkskunde in Berlin hat Verfasser die Modelle einer aus Schlesien (H aynau) stammenden Kugelklapper gesehen. In der Literatur wird die Kugelklapper aus Kärnten, Steiermark, Salzburg und Tirol erw ähnt3). Wie in Finnland, wurde sie in diesen Gebirgslandschaften als Eßglocke angew andt; bis­ weilen wird sie auch „Essenklepper” genannt. Sie w a r im Gebirge viele Kilometer weit hörbar. Außerdem lärmte man stellenweise mit ihr auch w ährend der Kar- oder Stillen Woche, soweit sie nicht von der Ratsche verdrängt war. Hinsichtlich ihrer Form ist die Kugel­ klapper auch in diesem ihrem westlichen Gebiet im allgemeinen ebenso wie im Osten. Neben dem Haupttyp gibt es jedoch manche mehr oder weniger abweichende Formen. Im Museum für österreichische Volks­ kunde in Wien befindet sich z. B. eine seltene, aus der Steiermark stammende Variante mit zwei parallelen Griffen. Da die Kugelklapper nur aus slavischen Siedlungsgebieten und au s solchen Gegenden bekannt ist, in denen oder in deren Nähe eine slavische Bevölkerung entweder w ohnt oder gew ohnt hat, kann man sie s eh r w a h r s c h e i n l i c h für eine s l a ­ v i s c h e E r f i n d u n g a n s e h e n. Interessant ist, d aß sfe, wie wir gesehen haben, in den Ost­ alpen (Kärnten, Steiermark, Salzburg und Tirol) auftritt, bis in O 2) 3) d. a n th r . S. 2 1 4 ff;

S. z. B. Z schr. d. Ver. f. Volksk., X ili, S. 436. B i e l e n s t e i n , H o l z b a u t e n , S. 600 M e r i n g e r (Z sc h r. f. öst. Volksk., X, S. 1 8 4 ); B ü n k e r (Mitt. Ges., XXXII, S. 100 u. Abb. 7 7 ) ; Z sc h r. d. V e re in s f. Volksk., XII, XIII, S. 436.

TAFEL I.

A bb. 1. F i n n i s c h e K u g e lk la p p e r n .

A b b . 2. D i e s e l b e n v o n d e r S c h m a l s e i te .

TAFEL II.

143 welche seinerzeit die slavische Siedlung reichte, was u. a. die dort bis jetzt bekannten Rauchstuben mit ihren auf slavischen Vorbildern beruhenden Backöfen bew eisen4).

2. Auch die H i 11 e b i 11 e ist in Ostfinnland bekannt gewesen, obgleich die Nachrichten über sie sehr selten sind und man sich jetzt wohl an wenigen Stellen mehr an sie auch nur erinnert. Ein Schiiderer des südkarelischen Landlebens in den 90ger-Jahren des vorigen Jahrhunderts erzählt: „Im Herbst machten sich die Hirten­ buben aus Espenholz ein l e p e n ä -Brett; in den oberen Rand des Brettes bohrten sie kleine Löcher, durch die eine Schnur, mit dem einen Ende ins eine, mit dem ändern ins andre Loch, gefädelt wurde. Dann hing man die Schnur u m d e n H a 1 s, so d aß das Brett auf die Brust kam. Man schlug mit zwei Knütteln an das Brett, das einen schallenden Ton von sich gab. Damit wollte man die Raub­ tiere von den Viehweiden verscheuchen.” An einer anderen Stelle beschreibt derselbe Verfasser das i e p e n ä -Brett als ein ca 1 f 2 m langes Brett aus Fichten- oder Espenholz, das man mit Knütteln schlug. Auch im Frühjahr, wenn man das Vieh auf die W eide ließ, schlugen die Hirten im W alde an das l e p e n ä -Brett, um die Raubtiere zu verscheuchen5). A ußerdem habe ich soeben durch die freundliche Vermittlung von Mag. Sulo Haltsonen einige Nachrichten über das Schallbrett aus dem Ksp. Kirvu in Stidkarelien erhalten. Das „ l e p e n ä -Brett w ar ein ca. 50 cm langes und ca. 25 cm breites Espenbrett, das die Hirten gebrauchten, um Bären, Wölfe und andere Raubtiere zu ver­ scheuchen. Sie trugen es an einer Schnur um den Hals und schlugen mit Holzknütteln, die sie in beiden Händen hatten, an das Brett, was einen schallenden Ton hervorbrachte.” Eine Heide namens L e p e n ä k a n g a s (l.-Heide) dürfte ihren Namen davon erhalten haben, daß sich dort vor alters Wölfe aufgehalten haben und man deshalb dort öfters als anderwo das Schallbrett anwenden mußte. 4) ln Italien ist eine e in fa ch e re F o rm d e r K u g e l k la p p e r b e k a n n t . Sie b e s t e h t a u s ein em B re tt, a n d e s s e n einem E n d e sich ein Griffloch befin det, und an d e m z w ei ru n d e K ugeln m it k u rz e n Riem en b e f e s tig t sind. D ieses L ä r m g e r ä t w i r d in d e r O s te r w o c h e , w e n n die G io c k en nicht g e lä u t e t w e r d e n , a n g e w a n d t ( K a r u t z , A tlas d. Völkerk., II, S. 109, 9 ) . E ine w e i t t r a g e n d e r e S tim m e als m it d iesem ita lienisch en L ä r m g e r ä t erhielt m a n m it d e r von un s d a r g e s t e ll t e n K lapp er, die einen a u s g e h ö h lt e n K ö r p e r hat. 5) J. H ä y h ä, K e s ä - a s k a r e e t , S. 118; T alv ito im et, S. 128.

144 Das 1 e p e n ä -Brett ist in Finnland vielleicht niemals anders­ wo als in Süd-Karelien bekannt gewesen. Seine Benennung stammt aus dem Russischen (vgl. russ. k l e p â l a , k l e p ä l o (d a s Klopfbrett der W ächter Paw low sky). Das Wortlehn ist diesmal auch ein Sachlehn. Auch in R u ß 1 a n d haben nämlich die Hirten dieses Schallbrett geschlagen. Im „Russischen M useum” in Leningrad sind zwei Schallbretter der Hirten ausgestellt, das eine aus dem Gouvernement Kostroma, das andere von den Großrussen des Gouvernements W ladim ir (Abb. 3). Es sind dünngehobelte Bretter aus Nadelholz, das eine 98 cm, das andere 76 cm lang, die Breite 23— 27 cm. Beide Enden des hier ab­ gebildeten Brettes sind abgeschrägt, sodaß der obere Rand beträchtlich kürzer als der untere geworden ist. Nahe von den beiden Ecken des oberen Randes befindet sich ein Loch. In diese Löcher ist ein T ragband, z. B. ein langes, an seinen Enden besticktes Handtuch geknotet. Nach einer Angabe aus dem Gouvernement W ladimir trugen die Schafhirten ein solches Brett a n i h r e m H a l s e und gebrauchten es zum Signalgeben. Das Brett wurde mit zwei Holzknütteln geschlagen. Diese Angaben über das russische Schallbrett entsprechen dem und vervollständigen die Schilderungen des südkarelischen 1 e p e n ä -Brettes. Außerdem ist das Schallbrett in Rußland zu kirchlichen Zwecken an Stelle einer Glocke angew andt worden, um das Volk zusammenzurufen. Noch zu Olearius Zeiten rief man durch Schlagen einer hölzernen oder eisernen Schallplatte (bllo) zum Gottes­ dienst6). In einem Aufsatz des russischen Forschers J. Nowoselow in der Rigaer Zeitung „Segodnja” habe ich soeben eine Nachricht über die Anwendung des Schallbrettes in einem, auf der Insel Sewang im Goktscha-See in Armenien gelegenen Kloster gefunden; später hat mir der erwähnte Gelehrte freundlicherweise eine um die Wende dieses Jahrhunderts aufgenommene Photographie dieses Gegen­ standes zur Verfügung gestellt (Abb. 5). W ie aus der Abbildung hervorgeht, entspricht die Form dieses Schallbrettes ganz auffallend dem oben dargestellten russischen Hirtenschallbrett. Das Vordere mag auch auf russische Vorbilder zurückgehen. In ihrer Form von den vorigen abweichend ist das im „Russischen Museum” ausgestellte huzulische Kirchenschallbrett “) S u s l o w , T r u d y VI arch . s j e z d a I, S. 261-2.

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(Abb. 4 ), dessen Länge 105 cm beträgt. Das Brett wurde mit höl­ zernen Hämmern geklopft. W ie das p o l n i s c h e Schallbrett beschaffen gewesen ist, das nach Gogol ertönte, wenn die Kosaken ein Dorf angriffen, ist uns nicht bekannt7). Auf d e u t s c h e m Boden ist die H i 11 e b i 11 e an vielen Stellen festgestellt worden: im Harzgebirge, sowie in den nahe­ gelegenen W ald- und Gebirgsgegenden bis an die Weser, im Erz­ gebirge, weiter in Pommern. In S t e i e r m a r k soll die Hillebille auch Gebrauch gewesen sein. Aus U n g a r n wird die Anwendung der Hillebille aus Oedenburg erwähnt«). Der fragliche Typ des Schallbrettes w ar in diesen westlichen Verbreitungsgebieten, soweit nähere Angaben davon existieren, zwischen zwei Pfählen aufgehängt. Das Brett wurde mit zwei Holz­ hämmern in bestimmtem T ak t geschlagen. Der Zweck war, Signale zu geben. In Pommern z. B. rief man mit der Hillebille die Arbeiter mittags und abends zur Arbeit9). Am weitesten entwickelt w a r die A nwendung der Hillebille im Harz, wo die Köhler damit vielerlei Zeichen geben konnten, je nachdem, in welchem T akte man schlug: Bitte um Nothilfe, Essenruf, Nachricht an die W aldhüter über W ild­ bret und über andere Dinge10). Für die besprochenen Schallbretter w ar die Querstellung des Brettes typisch. W ir lassen die Bretter, die in der Längsrichtung herabhängen und die Angaben, aus denen nicht hervorgeht, um welche Art Schallbrett es sich handelt, unberücksichtigt. Da wir so das querhängende Schallbrett sowohl aus Rußland (und Armenien), wie aus dem germanischen Gebiet kennen, bleibt die Frage zu entscheiden, wo der Gegenstand ursprünglich ist. W ir kommen der Entscheidung näher, wenn wir das Schallbrett auch bei den Südslaven finden. Das b o s n i s c h e klepalo erinnert sehr an die deutsche Hillebille. Den Namen K l e p a l o kennen wir schon von den Russen; er scheint also aus der gemeinslavischen Zeit zu stammen. 7) B l ä t t e r fü r p o m m e r s c h e V o lk sk u n d e , III, S te ttin 1895, S. 126. s ) Z sc h r. d. Ver. f. V o lk sk u n d e , V, 1895, S. 327-28. 9) A n d r e e, B r a u n s c h w e i g . V o lk sk u n d e , 1896, S. 185; B l ä t t e r f.pom m . V o lk sk u n d e , III, S. 80. 10) Z sc h r. d. Ver. f. V o lk sk u n d e , V, 1895, S. 104.

2*

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Stellenweise sollen die bosnischen Dorfältesten auch jetzt noch das Schallbrett anwenden, wenn sie die Gemeindemitglieder zu Beratungen oder zu einem anderen Zwecke zusammenrufen wollen. Früher soll jeder Hof ein solches Brett gehabt haben, auf das man schlug, wenn Räuber einen Angriff machten oder wenn Feuer ausbrach11)- Auch die B u l g a r e n , also wieder ein slavisches Volk, kennen das Schallbrett. Das hier abgebildete Brett (Abb. 6), ist in einem Kloster gebraucht worden. Am nächsten

könnte man es mit dem Schallbrett der Huzulen vergleichen (Abb. 5). Es ist unwahrscheinlich anzunehmen, d aß das querhängende Schallbrett auf germanischem Boden ursprünglicher wäre und von dort zu den slavischen Völkern gelangt sei. Leichter ist die Uebertragung in umgekehrter Richtung zu erklären. Es ist zu beachten, daß man die Hillebille in Deutschland aus solchen Gegenden kennt, in denen früher eine slavische Bevölkerung gelebt hat (Pommern, Erzgebirge). Das oben erwähte Oedenburg liegt ja an der Grenze der Steiermark, aus der auch andere volkskundliche Hinterlassen­ schaften der Slaven bekannt sind. W a s schließlich den Harz betrifft, aus dem die ausführlichsten Angaben über das deutsche Schallbrett stammen, so teilt Andree mit, daß die Hillebille seinerzeit von den Neuansiedlern aus dem Erzgebirge dorthin gebracht worden ist12). Die Harzgegend ihrerseits scheint ein Zentrum gewesen zu sein, von dem sich dieser Gegenstand weiter nach verschiedenen Seiten, vor allem nach W esten und Nordwesten verbreitet h at13). n ) C u r c i c, R e z e n te P f a h l b a u t e n v o n D o n j a D olina in Bosnien . E r ­ g ä n z u n g s h e f t IX d. Z sc hr. f. öst. V olkskun de, S. 76 u n d T a f . II, 6. 12) B r a u n s c h w . V o lk sk u n d e , S. 185. 13) Die d e u ts c h e B e z e ic h n u n g d e s S c h a llb f e tte s , H e M e b i 11 e, H i 11 e b i 11 e h a t m a n auf vielerlei W e i s e z u e r k lä re n v e rs u c h t. B e s o n d e r s ü b e r d e n z w e ite n Teil de s W o r t e s s in d v e r s c h i e d e n e A n s ic h te n g e ä u ß e r t , w o r d e n . N a c h M. K a h 1 o, d e r die F r a g e z u le tz t v o m k u ltu r g e sc h ic h tlic h e n und s p ra c h lic h e n S t a n d p u n k t a u s b e h a n d e lt h a t ( W . u. S., XI, 1928), ist die E r k lä r u n g de s N a m e n s n o c h i m m e r „ o f fe n “ . Am w a h r s c h e i n l ic h s t e n e rsc h e in t die A b le itu n g d e s z w e ite n T eiles d e s W o r t e s von d e m m itte l h o c h d e u t s c h e n V e rb u m b i l l e n , s c h la g e n , L ä rm m a c h e n (vgl. russ. b i l o ( S c h a l t b r e t t ) zu b i t ’ ( S c h l a g e n ) ; eng. b e l l G lo c k e ) .

147 In den skandinavischenLändern kennt man die Hillebille nicht. Dagegen ist sie bei den E s t e n und L e t t e n bekannt gewesen. Bielenstein bildet eine lettische Vorrichtung ab (Abb. 7), zu der ein einziger Pfahl gehört, an dessen herausragendem Arm ein 114 bis 2 Fuß langes Brett gehängt ist; außerdem erwähnt er ein Schall­ brett, das von dem gewöhnlichen, uns bisher bekannten Typ ist; das

A b b . 7. L e t t is c h e Hillebille ( s e l t e n e r e F o r m ) .

Brett wird an einer von zwei Pfählen getragenen Stange aufgehängt. Diesen Typ kennen wir auch aus einer anderen lettischen Quelle. Mit dem Schallbrett rief man auch in Lettland die Arbeiter zum Essen. Auf Anordnung der russischen Behörden wurden einst Schallbretfer an den L andstraßen in der Nähe von Höfen aufgestellt, damit die im Schneesturm verirrten durch Schlagen ihre Notlage kundgeben und in menschliche Behausungen gelangen konnten14). In E s t l a n d ist das Schallbrett stellenweise noch jetzt in Gebrauch, besonders als Alarmgerät bei Feuergefahr. Vor einiger Zeit diente es allgemein als Eßglocke. Noch vor ein paar Jahren hat es Verfasser in zwei konservativen Kirchspielen des Bezirkes Pernau (Halbste, Karksi) in dieser Verwendung gesehen. Nach Wiedemann wurde das Schallbrett (est. 1 0 k k, 1 0 k a t ’ s) sowohl als Eßglocke für die Arbeiter, wie als Feueralarm gerät verwendet. Eine alte Quelle erwähnt, den Gebrauch des Schallbrettes auch als Kirchen­ glocke15). Von der Form des estnischen Schallbrettes gibt Abb. 8 eine genügend klare Vorstellung. Das estnische Schallbrett ist nicht, wie man vielleicht glauben könnte, russischen Ursprungs, sondern aus 14) B i e 1 e n s t e i n, Die H o lz b a u te n , S. 163; L atv ija s Säule, Nr. 21— 22, S. 223. 15) P e t r i , E h s t l a n d u. die E h s t e n , 11, 1802, S. 456.

1924,

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Deutschland gekommen und zwar zuerst in die Gutshöfe, aus denen es dann, soweit das Bedürfnis vorhanden war, auch die Bauern übernahmen. Aber hauptsächlich stand es in der Vorstellung des

A b b . 8. E s t n is c h e H ille b ille ( E s t n i s c h e s N a t i o n a l m u s e u m , D o r p a t ) .

Volkes immer mit den Gutshöfen in Verbindung, damit wurden die Fronarbeiter zusammengerufen. W egen seines Zweckes erhielt es vom Volke den bezeichnenden Namen o r j a p i 11, Sklaven-pill’ (p i 1 1 = Musikinstrument). A ußer den oben erwähnten hat das Schallbrett im Estnischen noch andere Namen: l ö k k , l ö k u l a n d , k o l ’ k ( k o l ’ k i l ö ö m a ) , k l o p p - , k l o p a l a u d . Die beiden letzten Namen gehen klar auf das deutsche W ort K l o p f b r e t t zurück.

Weihnachtsbräuche in Knittelfeld und Umgebung. Dr. G ise la M a y e r - P i t s c h . Z u r Z eit d e r W in t e r s o n n e n w e n d e fe ie rte n die G e r m a n e n ein O pfèrfest, bei d e m d e r A h n e n g e d a c h t w u r d e . W e n n a u c h die E r i n n e r u n g a n diesen G e d a n k e n v e r b l a ß t ist, Illing er d o c h n o c h im B r a u c h t u m d u rc h . E s finden sich R e ste v e r s c h i e d e n e r O p f e r g a b e n a n die T o te n . W ie a m A n f a n g ein es n e u e n Z e i t a b s c h n i tt e s leicht erklärlich, s u c h t d e r M e n s c h d a s Sc h ick s al fü r d a s k o m m e n d e J a h r z u e r k u n d e n u n d hofft, dies m it Hilfe d e r G e i s t e r leichter b e w e rk s te l li g e n zu k ö n n e n . A uch F r u c h t b a r k e i t s z a u b e r b e g i n n t sc h o n mit de m P e r c h t e n t a g . B e g reiflic h erw eise erhie lt sich v o n all d iesen a lte n G e ­ b r ä u c h e n g e r a d e in n ä c h s t e r N ä h e einer I n d u s t r i e s ta d t w ie Knittelfeld nicht m e h r g a r viel. E s l ä ß t sich a u c h in d e m w e n i g e n , d a s j e t z t n o c h g e ü b t w ird, die e in stige D e n k w e is e e rk e n n e n , die fo lg e r ic h tig d e n G a n g d e r H a n d l u n g be stim m t.

149 D u r c h W e i h r a u c h u n d W e i h w a s s e r , R a u c h e n u n d S p re n g e n , w i r d a m W e i h n a c h t s a b e n d , zu S ilv este r u n d v o r d e m D r e i k ö n ig s ta g d a s H a u s in de r S t a d t u n d auf d e m L a n d v o r Unheil g e s c h ü tz t. D e r B a u e r b e z i e h t in seinem w e ih n a c h tlic h e n U m g a n g , w e n n er m it de m W e g z u r M e t te v e r b u n d e n ist, a u ch G a r t e n u n d Feld ein. H ü t e t er, w ä h r e n d alle a n d e r e n die C h ri s t m e t te b e s u c h e n , d a s H a u s, b r i n g t er a u c h d e m Vieh seine W e i h e g a b e n , „ N u d e l n “ m it e t w a s G e w e ih t e m , m e i s t P a l m k a t z e r in darin. Am V o r a b e n d v o n D re i­ k ö n i g m a l t er die dre i K r e u ze z w i s c h e n die A n f a n g s b u c h s t a b e n C M B de r heiligen drei Könige. Als O p fe r f ü r F ra u P e rc h ti w ird m a n c h m a l noch Milch­ k o c h aufgeste llt. Die S c h ü ss e l u m g i b t m a n m it Mehl, in d e m m a n frü h die F u ß s p u r e n d e r S e e lc h e n s c h a r sieht, w ä h r e n d F r a u P e r c h ti ü b e r d a s Brot sc h r e i t e t u n d e s s e g n e t. D a s V e r s c h w i n d e n d e r M ilchspeise w i r d freu d ig b eg rü ßt. Die G e ister, die m a n sich im K e h rich t d e n k t, m ü s s e n g e s c h o n t w e r d e n . A m C hrist-, N e u j a h r s - u n d D r e i k ö n ig s ta g d a rf kein K e hrich t a u s d e m H a u s g e t r a g e n w e r d e n , s o n s t w i r d d a s G lück h i n a u s g e k e h r t. U e b e r h a u p t d a r f nie g e g e n die T ü r e zu g e k e h r t w e r d e n . A uch die A b n e i g u n g d e r G e i s t e r g e g en spitze S t a h l g e g e n s t ä n d e h e is c h t B e rü c k s ic h ti g u n g . W e r a m N e u j a h r s t a g e eine N a d el in die H a n d nim m t, o d e r g a r n ä h t, z ie h t sich U n g lü c k zu. W ä s c h e , b e s o n d e r s K in d e rw ä s c h e , soll nich t auf de m g e f ä h r d e te n D a c h b o d e n h ä n g e n bleiben, d a s b r i n g t K ra n k h eit. A ehnlicn h e x e n z u r S o m m e r s o n n e n w e n d e die b ö s e n G e i s t e r den K re b s in W ä s c h e , die ü b e r N a c h t im F re ien h ä n g e n bleibt, s c h la g e n a b e r a u ch j e d e n mit K r e b s — sollte nicht u r s p r ü n g l i c h Kropf g e ­ m e in t g e w e s e n sein ? — d e r n a c h S o n n e n u n t e r g a n g n o c h im Freien a rbeite t. W e r e s v e r s ä u m t in d e r C h r i s t n a c h t G e t r e i d e k ö r n e r in die T a s c h e zu ste ck e n , d a rf sich kein G lü c k erhoffen. D re im a l d e n B od e n s t a m p f e n u n d „ n e i n “ dazu s a g e n , s c h ü t z t v o r d e m T eufel. ( A u s K ä r n t e n ) . Freilich g i b t e s eine N a c h ­ hilfe fü r d a s Glück. W ie a lle ro rts gilt d a s S c h w e in a b e r a u c h d e r R a u c h ­ f a n g k e h r e r als G lü c k b rin g e r . Ein zu S ilv es te r beim S c h w a n z g e z o g e n e s S c h w e in s i c h e rt d a s G lü c k fü r d a s g a n z e Ja h r. Beim Anblick ein e s R a u c h ­ f a n g k e h r e r s h e i ß t es schnell a n einen Kno pf gre ifen u n d ihn ha lte n , bis de r R a u c h f a n g k e h r e r a u ß e r Sich t ist. A n d e re b e h a u p t e n , bis ein H u n d o d e r ein S c h im m e l e rsch e in t, d a n n g e h t d e r g e d a c h t e W u n s c h in E rfüllung. G r u n d ­ b e d i n g u n g b leibt dab ei, d a ß d e r R a u c h f a n g k e h r e r seine L eiter t r ä g t . A uch ist d a s z u e r w a r t e n d e G lü c k g r ö ß e r , w e n n ein w e i ß e r H u n d a u f ta u c h t , als bei ein em s c h w a r z e n . Ein R a u c h f a n g k e h r e r früh beim E inkauf, g e fo lg t von ein em B ä ck e r, g elten als b e s o n d e r e G l ü c k s b o te n . E n t s p r e c h e n d d e m m en s c h lic h e n H a n g , d a s K o m m e n d e e n tr ä ts e l n zu v/ollen, b lü h t die Z u k u n f ts e r f o r s c h u n g , die m e ist u n b e m e r k t u n d u n g e k r ä n k t v o m S p o t t d e r M i t m e n s c h e n zu m i t t e r n ä c h t i g e r S t u n d e g e heim g e ü b t w e r d e n k a n n . N ic h t n u r die z w ölf R a u c h n ä c h t e dienen ihr, a u c h T h o m a s — 21. D e ­ z e m b e r — m u ß sc h o n se in e Hilfe leihen. Auf v e r s c h i e d e n s te W e i s e w ir d er um seinen B e is ta n d a n g e g a n g e n , vielleicht m it e t w a s v e r s t ü m m e lt e n S p rü c h e n , die n o c h d e n u r s p r ü n g l i c h e n Sinn a b e r nich t m e h r d e n W o r t l a u t b e w a h r t h a b e n . So b i tt e t ein M ä d c h e n : „H eiliger T h o m a s , sc hick m ir ein Hu nderl, d a s m ir z e i g t an, w o ich h in k o m m e n k a n n ! “ Die R ic h t u n g d e s Bellens v e rrä t , w o h e r d e r F r e ie r k o m m t . Ein a n d e r e s M ä d c h e n s e t z t sich aufs Bett, s c h l ä g t m it den F ü ß e n g e g e n die „ B e t t l a t t e n “ u n d s a g t d a b e i : „ H eilig er T h o m a s , l a ß

150 mir in d ies er N a c h t d e n M ein en e r s c h e i n e n ! “ w ä h r e n d w i e d e r a n d e r e m it dem Kopfe a m F u ß e n d e d e s B e tt e s einschlafen, n a c h d e m sie v o r h e r g e b e t e n h a b e n : „ L a ß m ir ersche in den A llerliebsten m ein o d e r e in fa che r: „ Z e ig m ir an, w e n i h e ira te n k a n n ! “ H e irat o d e r V e r la s s e n d e s H a u s e s b e s c h ä f t ig t e b e n s o w ie d e r T o d d a s G e m ü t d e r m eisten. Ein P a t s c h e n , in d e r C h rist- o d e r S ilveste r­ n a c h t vo m F u ß ü b e r die S c h u lte r g e s c h le u d e r t, z e i g t z u r T ü r e , w e n n die W e r f e n d e h e ir a te t o d e r w e g k o m m t . D e r P a t s c h e n w i r d a u c h in d e n heiligen drei N ä c h t e n n a c h ein em H a k e n g e w o r f e n . B leib t er nie h ä n g e n , st i r b t de r W e r f e n d e im fo lg e n d e n Ja h r. In d e r S ilv e s te r n a c h t w ir ft m a n als Spie! m it d e m P a t s c h e n n a c h einer T a u b e — H o l z s t ü c k beim E is s c h ie ß e n — w e r ihr am n ä c h s te n k o m m t , h a t g e w o n n e n , d. h. w ohl, h a t d a s g r ö ß t e G lü c k zu e r w a r t e n . A us d e r H o lz h ü tte holt d a s M ä d c h e n einen Arm voll Holz. E r w i s c h t es eine g e r a d e Anzahl, h e ir a te t es. H a b e n d iese O ra k el v e r s a g t , d a n n k a n n d a s M ä d c h e n n o c h in einem Zipfel ih res B e tt p o l s t e r s G eld g e b e n . W e n n sie ihn f.m S c hlaf e r f a ß t , h e ir a te t sie. E in Kind w i r d in d e m H a u s g e b o r e n , bei d e m sich g r ü n e r R a s e n u n te r de m in d e r W e i h n a c h t s z e i t w e g g e k e h r t e n S c h n e e zeigt. S p r e c h e n , d a s in d e r C h r i s t n a c h t bei einer T a n n e g e h ö r t w ird , ve'rrät einen v e r g r a b e n e n S c h a tz . D a s N i e d e r s c h l a g e n d e s R a u c h e s an ein em z u r B e o b a c h t u n g b e s t i m m t e n T a g b e d e u t e t d e n T o d e ine s H a u s b e w o h n e r s — a u s K ä r n te n hier e in g e fü h rt. Zu d e n b ö s e n , U n g l ü c k k ü n d e n d e n V o rz e ic h e n g e h ö r t ein M esser, d a s in d e r C h r i s t n a c h t h e r u n te r fä llt u n d im B o d e n ste c k e n bleibt. S c h lec h te E r n te d ro h t, w e n n ein z u r W e i h n a c h t s z e i t z e r t r e t e n e s S a m e n k o r n i nnen s c h w a r z ist; d e r T o d e ine s F a m ilien m itg lied e s, w e n n die e r ste a m W e i h ­ n a c h t s a b e n d g e ö ffn e te N u ß sc h l e c h t ist. E in en w e i te re n S p ie lr a u m l ä ß t eine a n d e r e w e ih n a c h tlic h e Z u k u n f ts b e f r a g u n g . M a n le g t a u f d e n T is c h Ring, Sack, K erze, P u p p e , F in g e r h u t, R o s e n k r a n z , G e b e t b u c h . D a n n g e h e n alle T e i l n e h m e r bis auf einen h in aus, d e r die G e g e n s t ä n d e m it „ H ä f e n “ z u d e c k t. Die H ereink o m m e n d e n h e b e n die H ä fen auf. j e n a c h den g e tr o ff e n e n G e g e n s t a n d b e ­ d e u t e t es: H eirat, W a n d e r n , T o d , Kind, B e sitz ein es H a u s e s , W a llfa h r t, Kloster. Ein a lte s W e i b , d a s am C h r i s t t a g v o r ein em H a u s s t e h e n bleibt, w e i s t auf einen T o d e s fa ll darin, ein „ s c h ö n e r H e r r “ auf Glück. N ic ht n u r a m e r ste n T a g d e s J a h r e s s a g t ein bei ein em F e n s t e r h e r a u s s c h a u e n d e r s c h w a r z e r K opf K r a n k h e it o d e r T o d v o ra u s. G e g e n d a s U n g lü c k , d a s eine ü b e r d e n W e g lau fe n d e w e i ß e K atze b rin g t, hilft n u r W e g s c h a u e n u n d d a s A b w e h r m i tt e ! d e s A u s s p u c k e n s . W ie F r e i t a g s t r ä u m e g e h e n a u c h die d e r C h r i s t n a c h t im m e r in E rfüllung. Ein T r a u m v o n E n g e l n k ü n d e t T o d , d e r T r a u m v o n Z ä h n e n b r i n g t j e d e r z e it T o d in d e r V e r w a n d s c h a f t — allgem ein , — U n g lü c k d e r v o n w e i ß e r a u f g e ­ h ä n g t e r W ä s c h e u n d S c him m e ln, w ä h r e n d d e r v o n M isth a u f e n u n d L ä u s e n auf G lüc k h inw e ist. S c h o n a m n ä c h s t e n M o r g e n ist e s n a c h d e m T r a u m , „ d a ß ein V oge l h i n te r e in em e t w a s fallen l ä ß t “, z u e r w a r t e n . W i r d m a n a u s einem s c h ö n e n T r a u m g e w e c k t u n d will ihn w e i te r t r ä u m e n , rn u ß m a n die D e c k e ü b e r d e n K opf z ie hen u n d d e n P o l s t e r fe st a n b e id e O h r e n d rü c k e n . Z u r Z eit d e r M e t te s p r e c h e n die T ie re. D e r L a u s c h e r m u ß F a r n s a m e n zu sich ste c k e n , um sie z u v e r s t e h e n . Die F r a u läuft b e im M e t te l ä u t e n z um Z w e t s c h k e n b a u m u n d s c h ü t te l t ihn, o h n e h in a u fz u s c h a u e n . F ä llt S c h n e e h e ru n te r , g ib t es ein g u t e s Z w e t s c h k e n j a h r . D a s S c h ü tte ln d e r B ä u m e e rin n e rt an alten F r u c h t b a r k e it s z a u b e r , d e r hier m it d e r F r a g e n a c h d e m G e d e i h e n d e s O b s t e s v e r b u n d e n ist. V ollm ond z u M i t te r n a c h t b r i n g t ein g u t e s Ja h r. N a c h

151 d e r M e tte g e h t ein H a u s b e w o h n e r d re im al um d a s H a u s. Musik, die er dabei h ört, lä ß t auf H e ir a t sc hlie ßen , d a s G e r ä u s c h ein er S ä g e auf T o d . N a c h a n d e r e r A n s ic h t ist n a c h d r e im a lig e m U m g a n g um d a s H a u s d a s B e tr e t e n d u r c h die H i n t e r t ü r erfo rderlic h, n a c h d e m v o r h e r auf d a s D a c h g e s c h a u t w u rd e . Ein d o r t e r s c h e i n e n d e r B l u m e n s t r a u ß b e d e u t e t H o c h ze it ein es H a u s g e n o s s e n , ein S a r g den T o d . D e r D a c h f ir s t als T u m m e lp l a t z d e r G e i s t e r e ig n e t sich b e s o n d e r s für so lc he B e o b a c h t u n g e n . N a c h dies em n ä c h tlic h e n R u n d g a n g b e t r a c h t e t m a n den S c h a tt e n . F e h lt ihm d e r Kopf, s t i r b t je m a n d , t r ä g t er einen Kopf, g i b t es H ochzeit. D e r P a u s e n d o r f e r b e o b a c h t e t d a s d a h eim n a c h de r M i t te r n a c h t s m e t t e e n tz ü n d e t e Fe u e r. Sein F la ck e rn b r i n g t T o d . A uch bei d e r T r a u u n g v e r ra t e n die K e rze n d urc h ihr F la ck e rn , w e lc h e m d e r b e id e n E h e g a t t e n z u e r s t d e r T o d d roh t. V e rsc h ie d e n s c h ä t z t m a n die K r e u z w e g e ein. D o r t e r s c h e i n t d e m , de r sich hinlegt, z u r M i t te r n a c h t d e r T e u fe l u n d w irft ihm einen B e u te l G eld zu. D o c h m u ß m a n sich v o r j e d e r B e w e g u n g h ü ten , weil m an s o n s t z e rr isse n wird, ln den drei N ä c h t e n auf K r e u z w e g e n g e h ö r te G e s p r ä c h e g e h e n ln E rfü llu n g — a u s d e m W ald v iertel. — In P a u s e n d o r f leb t d e r feste G la u b e , d a ß d a s B e tre te n e in e s K r e u z w e g e s in d e r W e i h n a c h t s z e i t ü b e r h a u p t nich t m ö glic h sei, ohne von den G e i s t e r n g r o ß e n S c h a d e n zu erleiden. F o h n s d o r f k e n n t m ä r c h e n h a f t e n Z a u b e r . Ein in d e r S i l v e s te r n a c h t g e ­ f a n g e n e r K r e b s w ir d in k o c h e n d e s W a s s e r g e w o r fe n . Die V o g e l s p r a c h e ve r­ ste h t, w e r den F i n g e r in d a s W a s s e r s t e c k t und d a m i t die L ippen b e rü h rt. U ra lte r M y t h u s kling t auf: im M ä rc h e n b ri n g t d e r G e n u ß von S c h lan g e n fle isc h K e n n tn is d e r T ie r s p r a c h e , Sigfried t a u c h t den F i n g e r in D r a c h e n b l u t u n d fü h rt den s c h m e r z e n d e n z u m M u n d : da v e r s t e h t er, w a s die V ögei sin g e n . W ie tief v e r w u r z e l t e rs c h e in t d e r G l a u b e an d ieses g e heim nisv olle alte V o lk sg u t, w e n n e s nich t n u r im M ä r c h e n u n d H e l d e n s a n g so n d e r n a u ch n o c h im B r a u c h t u m d e s A l t a g s le b e n s k r ä ft i g w e ite r w ir k t.

Wetterglaube. Dr. G i s e l a M a y e r - P i t s c h . Zu den im J a h r g a n g 1929, Heft 5/6, S. 127 a n g e f ü h r t e n Sc h u tzm itte ln m ö c h t e ich n o c h einige h in z u fü g e n , w ie sie in S t e ie r m a r k u n d K ä rn te n noch a n g e w e n d e t w e r d e n . W ie d e r u m h a n d e l t es sich e n t w e d e r u m ein B e k ä m p fe n ddr G e w i t te r u n h o ld e o d e r u m ihre B e s ä n f ti g u n g d u rc h O p f e r g a b e n ; a u ch A n a l o g ie z a u b e r w ir d g e ü b t. ln K ä r n t e n w e r d e n be i U n w e t t e r Sicheln u n d S e n s e n m it d e r Spitze na ch o b e n au fgeste llt, d e r S te ire r le g t bei H a g e l z w ei K e tte n ü b e r Kreuz auf den W e g , a n d e r e richten eine frisch geschliffene H a c k e m it de'r S c h n e id e n a c h o be n, „ d a m i t sich d e r H a g e l z e rteile “ . So h e i ß t die E r k lä r u n g . W e n n a b e r d e r B a u e r d a s a u s g e z o g e n e H e m d n e b e n einen T r o g m it F u t t e r legt, „ d a m i t sich d e r H a g e l a n f re s s e n k ö n n e “ , m e r k t m a n w o hl, w ie sich d e r L a n d m a n n m it d e m p e r sö n lic h g e d a c h te n H a g e l g u t stellen, o d e r w e n n dies nich t gelingt, ihn wie ein L e b e w e s e n v e rn ic h te n will. So f ü t t e r t m a n in d e r U m g e b u n g v o n

152 K la g e n f u rt die D ä m o n e n , w e n n m a n einen S u p p e n t o p f m it S u p p e z u m F e n s t e r hin au s w irft, uni d a s U n w e t t e r zu v e r tre ib e n . A u c h d a s T u c h , m it d e m zu O s te r n d a s W eihfie isc h z u g e d e c k t w a r, w i rk t b e s ä n ft i g e n d . O p f e r g a b e n , wie sie d a s A im w a b e r l u n d die A lm m a n d e rln — als A h n e n - u n d B e g g e i s t e r — a u c h j e t z t noch v e rla n g e n , h e is c h t a u c h d a s M a n d e rl, d a s in Z e l t w e g bei sc h ö n e m W e t t e r z u d e n Leuten, die be im H e u en sind, k o m m t , v o n d e r B äu rin Milch v e r la n g t u n d ein n a h e n d e s G e w i t te r , u rs p rü n g lic h w o h l als D a n k für die G a b e , a n k ü n d ig t . M a n n i g fa c h e P fla nze n w e r d e n v e r b ra n n t . N ic h t n u r im Z irb itz k o g e lgebiet, a u c h im E n n s ta l, R eif e rsd orf bei Knittelfeld u n d a u f d e r S e k k a u e r H oc halm m u ß d a s P a l m k a t z e r l auf d e r H e r d p l a t te v e r b r a n n t w e r d e n ; im H e rd w ü r d e es d e n Blitz a n zieh e n , wie m a n in R eif e rsdorf s a g t . In Knittelfeld se lbst w ird es ins F e u e r g e w o r fe n . A u c h B r e n n e s s e l n , H a n a f — Hanf, — K ra n e w itt, E ic h en - u n d L in d e n b l ä t te r w e r d e n als G e w i t te r s c h u tz v e r b r a n n t . In K ä rn te n fü g t m a n z u B re n n es sel, H a nf u n d K r a n e w it t n o c h W ic k e n u n d E r b s e n b lä tt e r . Im E n n sta l n i m m t m a n a u c h die B re n n es sel, d a z u a b e r Eicheln u n d L in d e n ­ b l ä t t e r u n d t a u c h t alles v o r h e r ins W e i h w a s s e r . A us Italien E i n g e w a n d e r t e er­ zählen, d a ß d o r t O liv en z w e ig e , die zu Allerheiligen g e w e i h t w o r d e n sind, an r e g e n g e s c h ü t z t e r Stelle im Freien a n g e z ii n d e t w e r d e n . D e r P a l m b u s c h e n b e ­ w a h r t seine S e g e n s w i r k u n g alle rd in g s a u c h , o h n e d a ß er v e r b r a n n t w ird. U n te r s D a c h z w i s c h e n die Z iegeln g e s te c k t, s c h ü t z t e r d a s ste irisc he H a u s v o r de m E in s c h la g e n d e s Blitzes, w ie die P a l m k a t z e r ln , die bei G e w i t t e r u n te r G e b e t e n in d e r F e n s t e r n ä h e a n g e b r a c h t w e r d e n . In Melk w ir d eine K o r n ä h re ge p flü c k t u n d an d a s F e n s t e r d e s W o h n h a u s e s g e s te c k t. W ie m a n m it ein er P f a n n e d e n H a g e l a u ffä n g t, d e n m a n z e r s c h m e l z e n lä ß t , b r i n g t d e r S a c h e n d o rfer bei a ll z u s t a rk e m R e g e n ein F a ß ins F'reie. Ist es gefüllt, so h ö r t du rc h A u s g le i c h u n g d e r R e g e n auf. N a c h italienisch em B r a u c h sc h i e b t m a n sich z w ei H a g e l k ö r n e r ins G e n ick u n d g e h t d a m i t b e te n . In A d m o n t b e w a h r t m a n ein S t ü c k W eih h o lz in d e r K o h le nk iste auf, d a s be i G e w i t t e r ins F e u e r g e w o rf e n , d e n Blitz a b h ält. E r w i s c h t m a n e s z u einer a n d e r e n Zeit, „ k o m m t de r T e u fe l un d z e r r e iß t alles.“ D e r Blitz trifft g e w i ß den T r ä g e r eine s frisch g e w a s c h e n e n H e m d e s o d e r eine m be im F e n s t e r S t e h e n d e n , weil die A u g e n , n a c h a n d e r e n die Z ä h n e den Blitz anziehe n . Im H e rd e d a rf kein F e ile t b re n n e n — ein all­ ge m e in v e r b r e i te t e r G la ub e. Dem K ärntner v e rrä t der G ew itterreg en den Stan d der kom m enden E rn te . E r ba llt v o r d e r A u s s a a t A c k e re r d e zu ein em fe ste n K lu m p en , den er in d en R e g e n legt. F ä llt d e r B r o c k e n d a b e i a u s e in a n d e r , so w ir d d e r H a g e l die S a a t v e r n ic h te n ; s a u g t er sich voll u n d bleibt b e is a m m e n , d a n n d e u te t es auf ein s e g e n s r e i c h e s Jahr.

Ostereier (Pisanice) im Burgenland. Von P f a r r e r P e t e r J a n d r i s e v i t s ,

S c h a n d o rf.

W ie m a n sich Allerheiligen n ich t o h n e Heilige Stritzel, W e i h n a c h t e n nicht o h n e C h r i s t b a u m , e b e n s o k a n n sich d e r B u r g e n l ä n d e r O s te r n n ic h t oh ne „ R o te E ie r “ v orstellen, d a d iese E ie r sc h o n z u r Idylle d e s T a g e s g e h ö r e n .

153 Die Sitte d e r O s te r e i e r ist z w a r k e in e a u ssc h lie ß lic h e b u r g e n lä n d is c h e Spezialität, w ie sich j e d o c h diese S itte u n t e r den K r o a te n d e s südlichen B u r g e n la n d e s , n a m e n tlic h a b e r im G ü s s i n g e r B e zirke e n tw ic k e lt h a t, v e r d ie n t a u s vo lk sk u n d lic h e n R ü c k sic h te n h e r v o rg e h o b e n zu w e rd e n . Die D e u t s c h e n n e n n e n diese f ä rb ig e n E ie r „ r o t e E i e r “ , weil sie u r s p rü n g l i c h a ussc h lie ß lic h n u r r o t (m it r o t e n H o l z s p ä n e n ) g e f ä r b t w u r d e n ; die K r o a te n n e n n e n sie a b e r „ P isa n ic e , d. h. „ b e s c h r i e b e n e E ie r“ , weil m a n sie n ich t n u r r o t f ä rb t, s o n d e r n a u c h v e r z ie r t b e s c h r i e b e n hat. In m e i n e r J u g e n d z e it, (in den 80-e r J a h r e n ) sind sie wirklich b u c h ­ s tä blic h b e s c h r i e b e n w o r d e n , d. h. d a s ro h e Ei w u r d e s o r g fä l ti g g e w a s c h e n , d a n n m it ein em im a u f g e w ä r m t e n , flüssigen W a c h s e in g e t u n k te n H o lz -S ty lu s b e s c h rie b e n , s o d a n n in m it W a s s e r a u f g e g o s s e n e n ro t e n H o lz s p ä n e n g e k o ch t, w o b e i die m it W a c h s b e s c h ri e b e n e n Linien gelblich w e iß blieben, w ä h r e n d d a s Ei se l b s t r o t g e w o r d e n ist. D iese Z e i c h n u n g fiel n a türlich bei solc her T e c h n ik im m e r r e c h t g r o b u n d primitiv aus. S p ä t e r h a t m a n eine k u rz e Zeit s t a t t W a c h s S c h e i d e w a s s e r v e r w e n d e t ( n a tü rlic h sc h o n bei b e r e its g e f ä rb t e n E ie r n ) , diese Sitte h a t sich a b e r w e g e n d e r G e fährlichke it d e s S c h e id e w a s s e r s nich t l a n g e g e h alten . An ihre S t e ll e 'tr a t s p ä t e r d a s B e k r a t z e n d e r Eier. ln d a s sc h o n b e r e i ts g e f ä r b t e Ei w i r d die Z e i c h n u n g m it e iner a b ­ g e b r o c h e n e n Klinge ein es T a s c h e n m e s s e r s e in g e k ra t z t, b e z w . die F a r b e a b ­ g e k r a tz t. D ie se s G e s c h ä f t b e tr e ib e n fa st a u ssc h lie ß lic h n u r F r a u e n u n d M ädel, oft se l b s t s c h rif tu n k u n d ig e . Die M otiv e sin d dieselben religiösen, die m a n bei den K ro a te n bei allen ihren v e r z ie r te n G e g e n s t ä n d e n ( T r u h e n , Stü hlen, B ä n k e n , T o r e n , U m ­ h ä n g t ü c h e r n etc .) findet, n a m e n tlic h H erz, B lu m e n u n d d a s 1 H S ( s e h r oft a b e r v e r k e h r t : S H I). A u c h be i d e n O s te r e ie r n findet m a n diese M otive, o d e r w e n i g s t e n s einen Teil d a v o n , b e s o n d e r s a b e r d a s H e rz m it ein em B lu m e n ­ o d e r Z w e ig g e w i n d e , w e l c h e s e n t w e d e r a u s d e m H e rz selb st, o d e r a u s einem s e p a r a t e n G e f ä ß sich um d a s Ei schlin gt, um d e n Z w e c k d e s E ie s sym b o lis ch d ä rzuste lle n. D e n n d a s v e rlieb te u n d h e ir a ts lu s tig e M ä d c h e n b e s c h e n k t ihren A u s­ e r w ä h l t e n m it ein em O ste rei, w e l c h e s sie g e w ö h n l ic h im B u se n v e rb o r g e n hält, w o h e r d a s s e l b e oft d e r B u r s c h se l b s t — n a tü rlich n ich t o h n e W i d e r s t a n d d e s M ä d e ls — h e r a u sh o lt. D e r W i d e r s t a n d ist n a tü rlich nich t ernst, b e z w e c k t n u r die W a h r u n g d e s g e b ü h r e n d e n A n s ta n d e s . D a s O s te rei h a t in solchen Fällen im m e r d a s H erz a ls M o tiv (oft a u c h z w e i ) , a u s w e l c h e m ein viel v e r ­ z w e i g t e r B a u m h e r a u s w ä c h s t u n d d a s g a n z e Ei s a m t d e m a n d e r e n H e rz u m ­ sc h l in g t un d r e c h t viele Z w e i g e o d e r kleine F rü c h te , K n o s p e n (S y m b o l e des K i n d e r s e g e n s ) a ufw eist. Z u m K i r c h ta g e r e v a n c h ie r t sich d a n n d e r B u r sc h mit einem r e c h t g r o ß e n H erz a u s L ebzelt, o d e r w e n n e r d a s M ä de l e t w a s foppen will, f r a g t er sie früh er, w a s ihr lieber sei, eine h ü b s c h e g r o ß e L eb z e ltp u p p e , o d e r d a s H e r z ? N a tü rlich flü ste rt sie je d e s m a l b e s c h ä m t ( d e n n die ü b rig e n B u rs c h e n b e la c h e n ihre V e rle g e n h e it) zu, d a s H e r z “ . D e r B u r s c h e w ollte ja e b e n n u r d a s w iss en , d e n n im w i d r i g e n Falle w ä h l t d a s M ä d e l L e b z eltk u ch e n o d e r einen Reiter. D a s ist d a n n ein Korb. Ist a b e r d e r B u r s c h nicht d e r E r ­ w ä h l te u n d b e g e h r t d o c h ein O s te rei vo m M ädel, d a g i b t sie ihm e n t w e d e r ein u n b e k r a t z t e s , o d e r eine s o h n e Herz. D e r B u rs c h w e i ß jetz t, w o r a n er ist.

154 D a s Ei w e i s t a b e r aucli fa s t im m e r d a s 1 H S ( Ic h t ü s - N a m e n - J e s u M o n o g r a m m ) auf, w o d u r c h a u c h d e r W u n s c h d e s M ä d e ls a u s g e s p r o c h e n wird, sich n u r m it ein em f r o m m e n B u r s c h e n v e rb in d e n z u w ollen, o d e r w ird dies in F o r m ein es S p r u c h e s a u s d r ü c k lic h in d a s Ei é in g e k ra tz t. A uch Kinder b e k o m m e n im F r ü h j a h r beim e rsten A u s trie b d e s Viehes auf die W eid e, ro te Eier, a b e r u n b e s c h rie b e n . D a s Ei w ird a uf d e r W e i d e v e rze h rt, n u r dü rfen die S c h a le n n ich t v e r s tr e u t, so n d e r n m ü s s e n in einem kleinen Loch auf d e r W e id e v e r g r a b e n w e r d e n , d a m i t d a s Vieh d u r c h s g a n z e J a h r b e is a m m e n bleibt u n d n ich t a u s e i n a n d e r lauft. Leider w ird d a s S y m b o lis c h e bei den O s te re i e rn d u rc h die m o d e r n e A u f f a s s u n g i m m e r m e h r v e r d r ä n g t u n d v e r g e s s e n , w o d u r c h a b e r a u c h ein s c h ö n e s S tü c k d e r R o m a n tik v e r lo r e n geht. S c h on die T e c h n ik d e s F ä r b e n s ( s c h w a r z e S c h u h l a c k - P a s t a ) z eig t einen Verfall d e s G e s c h m a c k e s u n d d e r s c h ö n e n S ym bolik. F'reilich ist d a s K ra tze n bei d ies em L a c k leichter, a b e r die F a r b e d e r L iebe w ir d d u r c h d a s d ü s t e r e S c h w a r z s o z u s a g e n profanisiert. W a s die T e c h n ik se lb st betrifft, w ie diese E ie r v e r z ie r t w e r d e n , so ist hiebei so die F e rtigke it, wie a u ch S y m m e tr ie , G e s c h m a c k u n d K u n s ts in n oft s t a u n e n s w e r t , ja m a n fin d et d a b e i P r a c h t s t ü c k e , die oft ein em K ü n s tle r E h re m a c h e n w ü r d e n . U nd sind d o c h diese V o lk s k ü n s tle r schlichte, oft s o g a r s c h r e i b u n k u n d i g e B a u e r n w e i b e r , die m it ein em a b g e b r o c h e n e n T a s c h e n f e ite l auf d e r so heiklichen, leicht d u r e h b re c h lic h e n M a te rie e in e r E ie rsc h a le a rb eite n . E s lo h n t sich wirklich eine k r a t z e n d e F r a u bei ih rer A rbeit o h n e V or­ lage, o h n e v o r h e rig e E in te ilu n g zu b e o b a c h te n , wie sie an e in e r d e r Spitzen de s E ie s a n f ä n g t u n d mit e iner b e w u n d e r u n g s w ü r d i g e n Sch nelligkeit m it d e r Z e i c h n u n g i m m e r g e n a u d o rt a n k o m m t , w o sie dies e b en in v o r a u s sc h o n h a b e n wollte. Ein E in b ru c h d e r S c h a le k o m m t h ö c h s t selten vor, g e s c h w e i g e d e nn , d a ß d a s Ei z e r k o c h t w o r d e n ist. S ä m tlic h e 16 S t ü c k Eier, w e l c h e a n d a s V o lk s k u n d e m u s e u m a b g e g a n g e n sind, s t a m m e n a u s S t i n n a t z (Bez. G ü s s i n g ) , d a r u n te r , w e n n ich n ich t irre, 2 S tü c k rot, 14 S tü c k s c h w a r z . Ein S t ü c k mit ein er g a n z a n d e r s a r t i g e n Z e i c h n u n g u n d fe in e rer T e c h n ik , s t a m m t a u s S c h a c h e n ­ dorf (Bez. O b e r w a r t ) u n d ist die A rbe it eine s sc h lic h ten B é r e s ( O c h s e n ­ k n e c h t ) m äd e ls. Vielleicht h a t d a s M ä d e l die e b en a n g e b r a c h t e n M o tiv e a u c h d e s h a lb g e w ä h lt, weil sie j a d a s Ei u r s p r ü n g l i c h fü r m ich (e in e n P r i e s t e r ) b e s t im m t hat. D e r u n g a r is c h e E influß ist a b e r so fo r t b e m e r k b a r , n ich t n u r in den g a n z a n d e r e n M otiven, s o n d e r n a u c h in d e r v e rfe in e rte n T ec h n ik . N e u e s t e r Z eit w e r d e n die E ie r a u c h m it F a r b e n in P u lv e rfo rm , o d e r g a r m it fä rb i g e m ( M a r m o r p a p i e r ) P a p i e r o d e r L ac k g e fä r b t, die F a r b e de r E ier ist g b e r a u c h n ich t m e h r so edel, w ie m it den S p ä n e n ( k r o a t i s c h : „ b r o c “ genannt).

155

Dr. Karl Lang: Österreichische Heimatmuseen. D e u t s c h e r V e r l a g fü r J u g e n d u n d Volk, W ie n 1930. B e s p r o c h e n v o n Dr. E u g e n

Frischauf,

E g g en b u 'rg .

Mit d ies em v o r z ü g lic h illustrierten W e r k e , d a s j e d e m H e i m a t fo rs c h e r u n d j e d e m M u s e u m u n e n tb e h r lic h ist, w ir d eine b i s h e r s c h w e r f ü h lb a re L ücke i n - h ö c h s t w ü n s c h e n s w e r t e r W e i s e au sg e fü llt; es g e b ü h r t d e m V e r fa s s e r für seine m it e m s ig e n Fle iß e u n d g r o ß e r S a c h k e n n t n i s z u s a m m e n g e s t e ll t e A rbeit d e r D a n k aller H e im a tfre u n d e . Die A u s f ü h r u n g e n im a llg e m e in e n T eile ü b e r A u f s a m m lu n g , A ufste llu ng, H e i m a t s c h u t z , K u n d m a c h u n g u. dgl. k ö n n e n f a s t d u r c h w e g s als vorbildlich b e z e ic h n e t w e r d e n ; w e n n im N a c h f o l g e n d e n E inz elh e ite n kritisie rt u n d b e ­ m ä n g e l t w e r d e n , soll d a d u r c h d e r W e r t d e s B u c h e s n ic h t h e r a b g e d r ü c k t , s o n d e r n eine R ic h tig ste llu n g in e in e r sicherlich in B ä ld e n o t w e n d i g e n z w e ite n A u fla g e a n g e r e g t w e rd e n . D a ß für H e i m a t m u s e e n — und d e r V e r f a s s e r h a t in e r s t e r Linie die V o l k s k u n d e im A u g e — sich alte G e b ä u d e w e it b e s s e r eig n e n als g e s c h m a c k ­ lose N e u b a u t e n , sei o h n e w e i te r s z u g e g e b e n ; im m e r h in m u ß d a r a u f v e r w ie s e n w e r d e n , d a ß g e w ö l b t e R ä u m e m e i s t sc h l e c h te s L ic ht h a b e n u n d f e u c h t sind, u n g e w ö l b t e alte R ä u m e oft d e r F e u e r s ic h e r h e it e r m a n g e l n u n d a u ch s o n s t nich t un g e fäh rlic h sind ( D e c k e n e in s tu r z im K r e m s e r M u s e u m ) . A u ß e r Z weifel ste h t, d a ß p a rte ip o litis c h e E r w ä g u n g e n u n d Ein flüsse bei H e i m a t m u s e e n , wie d e r V e r fa s s e r v e r la n g t, v o lls tä n d ig a u s g e s c h a l t e t w e r d e n ; a n d e r e r s e it s ist ihm se l b s t d iese E in s te llu n g nich t v o lls tä n d ig g e ­ lu n g e n ; als e inge fle isc hte r Pa z ifist stellt er sich feindlich z u allen K rie g se r in n e ­ r u n g e n und v e r g iß t , d a ß a u c h in diesen, b e s o n d e r s in W affe n in s c h r if te n u. dgl. sich ein w ic h ti g e s G e b i e t d e r V o l k s k u n d e w i e d e rs p ie g e lt. So v e r s c h w e i g t Dr. L an g , d e r ü b e r h a u p t P r i v a t s a m m l u n g e n , o b w o h l sie h ä u fig wie in Krem s, E g g e n b u r g , M iste lb a c h , H o llab ru n n , B a d e n , G m ü n d u. a. . 0 . den G r u n d s to c k de r H e i m a t m u s e e n bilde ten , n ich t s e h r g e w o g e n zu sein sch ein t, v o lls tä n d ig die M ö s ’m e r s c h e K r i e g s s a m m l u n g in R e tz ; d iese e n th ä lt n ich t n u r W a ff e n und Aehnliches, s o n d e r n a u ch in s e lte n e r V o llstän d ig k e it K rie gsaufru fe , W e r b e ­ pla k a te , F e ld z e itu n g e n , Feldbrie fe u n d v o n Fliege rn a b g e w o r f e n e D r u c k s a c h e n u n d g e w ä h r t d a h e r einen tiefen E in blick in die V o lk ss ee le; Dr. L a n g v e rg iß t , d a ß g e r a d e im Falle d e s D u r c h d r i n g e n s d e r pazifistischen Ziele d e r e thische W e r t d ie s e r S a m m l u n g ins U n g e m e s s e n e s te ig e n m ü ß te . Bei A u f z ä h l u n g d e r H e i m a t m u s e e n ist zu tade ln , d a ß kleinere M useen in u n v e r h ä l t n i s m ä ß i g e r W e i s e a u c h d u r c h B ild e rm ateria l h e r v o r g e h o b e n , w ä h r e n d g r ö ß e r e u n d w i c h ti g e re M u s ee n , w ie b e is p ie lsw e ise d a s T irole r V o lk s k u n d e m u s e u m , oft n u r k u rz a b g e f e r ti g t w e r d e n , so w ie , d a ß a lte O r t s ­ a n s ic h te n u n d ein zelne zufällig bei d e r G e m e i n d e a u f b e w a h r t e G e g e n s t ä n d e ( W a f fe n , I n n u n g s t r u h e n u n d F u n d s t ü c k e ) als „ H e i m a t m u s e u m “ b e z e ic h n e t w e r d e n , es sei auf E fferdin g, G a r s , S c h e ib b s , Z iste rsd o rf, W in d i s c h g a r s te n , Stillfried u n d Y b b s ve rw ie se n . Die ü b e r m ä ß i g e B e t o n u n g d e s L e h r z w e c k e s d e r M u s e e n d ü r f te a uch nich t allseitigen Beifall fin d en ; e n ts c h ie d e n a b z u le h n e n ist d e r V o r s c h la g , d a ß je d e s d e r z ahlreic h a u f s c h i e ß e n d e n H e i m a t m u s e e n eine z o o lo g is c h - b o t a n i s c h e

156 S a m m l u n g a n le g e n soll; dies m ü ß t e e n t g e g e n den F o r d e r u n g e n d e s N a t u r ­ s c h u t z e s zu ein er A u s r o t t u n g se l te n e r T ie r - u n d P fl a n z e n fo rm e n füh ren. S e h r zu b e g r ü ß e n sind die A n le itu n g e n ü b e r L a g e u n d B e s u c h s z e it de r M u s ee n , d a j e d e r H e i m a t fr e u n d sc h o n die U n a n n e h m l i c h k e it e m p f u n d e n h a b e n w ird, w e n n er in e inem O rte v o n P o n t i u s zu P i l a t u s laufen m u ß te , bis er endlich eine m itleidige Seele fand, die ihm die P f o r t e n d e s M u s e u m s e rsch lo ß . U n d n u n z ur B e s p r e c h u n g de r e inzelnen M u s e e n : B a d e n : H e r v o r z u h e b e n ist die re ic h e S a m m l u n g d e r „ B a d e n s i a “ , die einen h e r v o r r a g e n d e n E inblick in d a s frü h e r e K u rle b en d e r S t a d t bildet. Ein e n ts c h i e d e n e r M ißg riff w a r die E r w e r b u n g d e r K iesling’sc h e n v o l k sk u n d lic h e n S a m m l u n g , d e r e n B e s ta n d te ile als F r e m d k ö r p e r g e g e n ü b e r d e m ein he im isc hen v o l k sk u n d lic h e n M a te r ia l w irk e n , d a s sich a n die alp ine K ultur a nle hnt, w ä h r e n d die K iesling’sc h e n S a m m e l o b je k t e a u s d e r U m g e b u n g D r o s e n d o r f s den e ig e n a r t i g e n W a l d v i e r t i e r c h a r a k t e r deutlich a u fw eise n . Die a n g e b lic h r e ic h ste S a m m l u n g v o n n ie d e r ö s te rr e ic h is c h e n F a ß b ö d e n w i r d v o n d e r d e s K re m s e r ( u n d v e rm u tlic h a u c h d e s K l o s t e r n e u b u r g e r - ) W e i n m u s e u m s w e i t a u s übe rtroffe n . D r o s e n d o r f : in K r e m s b e fin d e t sich leider w o h l n u r d e r kleinste Teil d e r K ie slin g -S am m lu n g . E g g e n b u r g : H e r v o r h e b u n g v e r d ie n e n die s t r e n g g e tr e u e in g e ­ r ic h te te n B a u e r n s tu b e n , so w ie die S a m m l u n g b ä u e r l ic h e r W e b e r e i e n u n d Stickereien, die n i r g e n d s a u c h n u r in ä h n lic h e r R e ic h h altig k e it b e s t e h t . Irrig w e r d e n die f ä rb ig e n B r a n n tw e i n f lä s c h c h e n als „ A n g s t e r “ b e ze ic h n e t. H e r v o r ­ z u h e b e n w ä r e n o c h die E r w e r b u n g d e r v o l k sk u n d lic h e n K r a h u l e t z - S a m m lu n g du rc h die S ta d tg e m e i n d e , so w ie d e r U m s t a n d , d a ß ein reich illustrierter K a ta lo g b e s t e h t . W e d e r d a s E g g e n b u r g e r , n o c h d a s K r e m s e r M u s e u m w u r d e n einer A b b i l d u n g w ü r d i g b e fu n d en . K r e m s : N ic ht „ W e i n b e r g g a i ß “ , so n d e r n „ W e i n b e e r g a i ß “ . A u c h d a s K r e m s e r M u s e u m h a t in d e r L a n d s t r a ß e ein sc h ö n g e s c h m i e d e t e s Schild, d a s den W e g z u m M u s e u m w e ist. H e r v o r h e b u n g h ä t t e d a s K r e m s e r S c h m id tZ im m e r ve rd ie nt. M i s t e l b a c h : D a s M u s e u m , w e l c h e s in ein em d e r w e n i g e n alten H ä u s e r d e r S t a d t n e u a u f g e ste llt w u r d e , h a t die reiche K u d e r n a t s c h - S a m m l u n g a u s P o y s d o r f e r w o r b e n u n d n i m m t h e u te einen a c h t u n g g e b i e t e n d e n R a n g u n t e r den H e i m a t m u s e e n ein. An d e r S p itze s t e h t R e c h t s a n w a l t Dr. S te in b a u e r. S t . P ö l t e n : B e f re m d e n m u ß , d a ß d a s D i ö z e s a n m u s e u m , w e lc h e s in seinen G l a sm alere ien , g o tis c h e n B ild e rn u n d relig iösen G e g e n s t ä n d e n einen S c h a tz n i e d e r ö s t e r re i c h i s c h e r K u n s t en thä lt, m it ke in e m W o r t e e r w ä h n t w ird ; es teilt in d ies er H in sic ht d a s Sc h ick s al d e s H e r z o g e n b u r g e r u n d Z w e tt l e r S tifts m u s e u m s , die n e b e n kirch lich er K unst, p r ä c h t ig e p rä h is to r i s c h e Fu n d e , so w ie z a h lr e ic h e s v o lk sk u n d lic h e s M a terial e n th a l te n u n d d a h e r u n v e r d ie n t ü b e r g a n g e n w u r d e n . D a s s e l b e gilt a u c h vo n den S c h l o ß m u s e e n in O tte n s te in , R a a b s , S t e y r u n d R o s e n b u rg . R e t z : Die W i n d m ü h l e n s t e h e n u n t e r D e n k m a l s c h u tz . D a s H e i m a t ­ m u s e u m w ü r d e ein en idealen P l a tz im alten R a th a u s e h a b e n , w ä h r e n d d a s K r i e g s m u s e u m a u c h im n e u en H a u s e g ü n s t i g e W i r k u n g hä tte .

157 ln R a a b s w u r d e im H e r b s t ein H e i m a t m u s e u m , in K l o s t e r n e u ­ b u r g d a s W e i n m u s e u m eröffnet. D a s s t ä d ti s c h e M u s e u m in K lo s t e r n e u b u r g w u r d e in e inem n e u e n Heim u n t e r g e b r a c h t . D a s w ä r e n in Kürze die R ic h tig ste llu n g e n u n d E r g ä n z u n g e n , die bei ein er N e u a u f l a g e B e r ü c k s ic h ti g u n g finden sollten; de m V e r fa s s e r b leibt d a s V e rd ie n s t g e w a h r t , als E r s t e r d a s b ish e r fa s t u n b e k a n n t e G e b ie t d e r H e i m a t ­ m u s e e n d e r A llg em e in h e it e rs c h lo s s e n u n d d e n V e r w a l t u n g e n d ies er M u s ee n die ric h tig e n A u f g a b e n u n d Ziele g e w i e s e n zu h a b e n .

Das Volkslied in der tschechoslowakischen Republik. H e r a u s g e g e b e n v o n d e r S t a a t s a n s t a l t für d a s Volkslied in d e r CSR. C. D e u t s c h e Lieder. Dr. G u s t a v J u n g b a u e r, Volkslied er aus d e m B ö h m e rw a ld e . In K om m is sio n bei J. G. Galve in P r a g . 1. Lieferung . Kc 25.— . Im Ja h r e 1905 w u r d e d a s V o l k s l i e d u n t e r n e h m e n im k. k. U n t e r r i c h ts ­ m iniste rium ins L e b e n g erufen, d e s s e n T ä t i g k e i t n a c h d e m U m s t ü r z e in O e s te rre ic h u n d in d e r T s c h e c h o s l o w a k e i , d o r t d u rc h die S t a a t s a n s t a l t für d a s Volkslied, w e i te r g e f ü h r t w ird. V o n d ies er 2 5 jä h rig e n S a m m e l tä t ig k e it b e k a m m a n a b e r w e n i g z u se h e n . W o h l g a b e n die A r b e i ts a u s s c h ü s s e T ä t i g k e i t s ­ b e r ic h te m it v ier- u n d fünfstellig en Ziffern he'raus, d a s M a terial a b e r w u r d e in A rchive g e s p e r r t , w o e s n o c h h e u te ruht, n u r fü r w e n i g A u s e r w ä h l te z u ­ gä n g lic h . S c h o n v o r d e m K rie g e w a r die S a m m l u n g d e r G ottsc h ee 'r L ie der a b ­ g e s c h lo s s e n u n d h a r r t e d e s D r u c k e s 1). Sie g i n g a b e r v o n ein em R e fere n te n z um a n d e re n , vo n eine m U n t e r a u s s c h u ß z u m ä n d e r n ; d a k a m d e r K rieg d a ­ z w i s c h e n u n d j e t z t r u h t die S a m m l u n g w i e d e r in einem Archiv. A u c h P o m m e r s S a m m l u n g ste irisc h e r T a n z w e i s e n liegt seit d e m J a h r e 1913 d ru c k fe r t ig — im Archiv. Bloß v ier kleine B ä n d c h e n , m it je 20 bis 30 Liedern, sie sind ü b ri g e n s so teue r, d a ß sie n i e m a n d k a uft, sind bis je t z t e r s c h i e n e n 2). D a sin d z w e i V e r­ öffen tlich u n g e n w ä r m s t e n s zu b e g r ü ß e n : die im H e r b s t e rs c h e i n e n d e Biblio­ g ra p h ie d e s n i e d e rö s te r r e ic h is c h e n V olksliedes, die d a s M a terial d e s N ie d e r ­ ö ste r r e ic h isc h e n A r b e i ts a u s s c h u s s e s v e r w e r t e t, h e r a u s g e g e b e n v o n Dr. H um m el, und die v o r lie g e n d e S a m m l u n g v o n V olksliedern a u s d e m B ö h m e r w a l d e . Diese A u s g a b e ist die F r u c h t ein er j a h r z e h n t e l a n g e n S a m m e ltä tig k e it. Die p l a n m ä ß i g e A u fs a m m lu n g d e r L ie d er b e g a n n sc h o n in den N e u n z ig e r J a h r e n d e s v o rig e n J a h r h u n d e r t s , a n g e r e g t d u r c h Univ.-Prof. Dr. Adolf H auffen, U Z sch. D a s d e u ts c h e Volkslied, Jg. 1912, S. 74: — D e r B a n d d e u ts c h e r Volkslieder a u s G o t t s c h e e w i r d d e m n a c h den R e ige n d e r V olksliede rv erö ffe ntlic hu nge n d e s U n t e rric h ts m in is te r iu m s eröffnen. Aller W a h rs c h e in l i c h k e it wird er n o c h in d iesem J a h r (1 9 1 2 !) e rsc h e in e n . . . . 2) Kleine Q u e l le n a u s g a b e d e s ö ste rr e ic h isc h e n V o lk slie d e r u n te rn e h m e n s. Ein B a n d g e h e f t e t v o n S 3.50 bis 5.— , geb. v o n S 7.50 bis 9.— !

158 und w a r bis z u m J a h r e 1914 so w e i t g e d ie h e n , d a ß Dr. G u s t a v J u n g b a u e r m it den A rb e ite n z u r H e r a u s g a b e b e t r a u t w e r d e n k o n n te . D e r K rieg m a c h t e a b e r alle P l ä n e zunichte. N a c h de m Kriege se t z t e die S a m m e l tä t ig k e it a b e r m it e r n e u t e m Eifer w i e d e r ein. D u r c h diese m e h r als d r e iß i g j ä h r i g e A r b e it k a m eine solc h e Fülle v o n Lie dern z u s a m m e n , d a ß n u r ein T eil d a v o n in d ies er S a m m l u n g B e r ü c k s ic h ti g u n g finden k o n n te . Die ge istlich e n Lieder, die g e ­ schichtlichen u n d S o ld a te n lie d er, so w ie die K in de rliede r w u r d e n a u s g e s c h i e d e n , d a sie viel G e m e i n s a m e s m it d en L ied ern d e s ü b r ig e n s u d e t e n d e u t s c h e n G e ­ b ie te s h a b e n . Diese L ied er sollen s p ä t e r als e ig e n e B ä n d e d e s g r ö ß a n g e l e g t e n W e r k e s ü b e r d a s d e u ts c h e Volkslied in d e r CSR. e rscheinen. Die L ied er d ies er S a m m l u n g s t a m m e n a u s d e n a n B a y e r n u n d O e s t e r ­ reich g r e n z e n d e n d e u ts c h e n T eilen d e r G a u e Pilsen u n d B u d w e is , so w ie a u s d e r S p r a c h h a lb in s e l N e u h a u s - N e u b is tr i t z . D iese G e b i e t e bild en s o w o h l g e o ­ g ra p h is c h als a u c h h insichtlic h d e r M u n d a r t , Sitte u n d B r a u c h eine Einheit, die schlie ßlic h a u c h im L ie d e r s c h a tz ihren A u s d r u c k findet. D ü r c h d e n leb­ h a fte n V e rk e h r z w i s c h e n d e m B ö h m e r w a l d u n d O e s te rr e ic h k a m e n a u c h viele a lp e n lä n d isc h e Lieder, w ie Alm- u n d W il d s c h ü t z e n li e d e r in den B ö h m e r w a l d u n d e rhie lte n sich d o r t oft in b e s s e r e n F a s s u n g e n als im M u tt e rl a n d e . H e u te ist d ie s e r V e rk e h r d u r c h die ne u e S t a a t s g r e n z e g a n z a u s g e s c h a l te t . Allerd ings w ird d a d u r c h a u c h d e r Z u s t r o m d e s n ich t g e r a d e w e r tv o lle n W i e n e r L iedes u n te rb u n d e n . ln diese A u s g a b e w u r d e n 700 L ie d er u n d ü b e r 30 00 S c h n a d erh iip fe i ' a u f g e n o m m e n . Sie sind in fo l g e n d e r W e i s e a n g e o r d n e t : 1. Alte u n d n e u e M ä r e n

6. S tä n d elied e r,

2. L iebesfreud,

7. S p o t t u n d Scherz,

3. Liebesleid,

8. T r u n k u n d T a n z ,

4. D e r bsinnlic hes, 5. H o c h ze it u n d Ehe,

9. V o lk stü m lic h e Lieder, 10. S c h n a d erh ü p fe l.

D a r a n sc h lie ß e n sich V e rze ich n iss e d e r A n fa n g sz eilen , d e r S in g w e ise n u. a. m. Die e rste Lie ferung, die j e t z t vorlieg t, b ri n g t n a c h e iner E in le itu n g ü b e r G e s c h ic h te u n d E in te ilu n g d e r S a m m l u n g b e re its 32 S a g e n lie d er. J e d e m ein­ zelnen Liede, d a s oft in m e h r e r e n F a s s u n g e n g e b r a c h t w ird , ist eine g e n a u e L it e r a t u r a n g a b e b e ig e f ü g t. Z u e r s t k o m m e n alte B a lla d en v o m N a c h t j ä g e r , vom J ä g e r, d e r im W a l d e ein M ä d c h e n v e rfü h r t, d a n n d a s B ro m b e e rlie d , d a s Lied v o n den drei S chreien, v o m G r a f e n u n d v o n d e r N o n n e , v o m L in d e n b a u m ob e n b r e it u n d un ten sc h m al, d a s Lied v o m T ö c h t e rl e in d e s P f a lz g ra fe n a m Rhein, von d e s M ü llers T o c h t e r , v o m R o t h u s a r, die B a lla d e v o n T a n n h ä u s e r , vo m S c h lo ß in O e ste rre ich , von d e r R a b e n m u t te r , die ihr Kind a u s s e t z t , um in E h ren h e ira te n zu k ö nn e n. A n s c h l i e ß e n d k o m m e n n e u e re e r z ä h le n d e Lieder. Als leh rre ic h e s Beispiel, wie Volkslieder e n ts te h e n , k a n n d a s Lied Nr. 27 dienen, d a s in drei F a s s u n g e n a b g e d r u c k t ist. E s h a n d e l t v o n eine m B a u e r n ­ b u r s c h e n , de r n a c h t s b e im F e n s t e r se in er G e lie b te n v o n feindlich g e s in n te n B u r sc h e n e r s c h l a g e n w u rd e . Die e r s t e F a s s u n g w u r d e v o n einer D i e n s t m a g d g e d ic h te t, die alle E inz elhe ite n g e n a u k a n n te . Als V o rbild dien te n ihr G r a b ­

159 lieder, a u s w e ic h e n sie a u c h g e w i s s e W e n d u n g e n e n tl e h n t h a t. Die z w e ite F a s s u n g ist sc h o n e t w a s g e k ü r z t u n d a bg eschliffen. D ie dritte h i n g e g e n ist sc h o n r e c h t a llgem ein g e h a l t e n ; d e r D ic h te r w u ß t e a u g e n s c h e in lic h die V o r­ g e s c h ic h te d e s L iedes nich t m ehr. E s ist n u r zu w ü n s c h e n , d a ß d a s h e r v o r r a g e n d e W e r k — a u s dem „ J u n g b a u e r “ w ird sic h er ein z w e i t e r „ E r k - B ö h m e “ — r a s c h fo rtsc h re ite t. K a r l H o r a k.

Literatur der Volkskunde. Julius Schäffler: D e r l a c h e n d e V o l k s m u n d . S c h e rz und H u m o r in u n s e r n S p r i c h w ö r t e r n , W ö r t e r n u n d R e d e n s a r t e n . F erd. D ü m m l e r ’s Verlag. Berlin u n d B o n n 1931. Allerlei S p r i c h w ö r t e r h u m o r u n d sc h e rz h a f te W ö r t e r u n d R e d e n s a r te n , die sich m it D u m m h e i t und Faulheit, m it Liebe, E sse n un d T rin k e n , m it B e r u f s­ n e ck e reie n u n d S t a n d e s w i tz e n , m it kö rp e rlich e n E ig e n h e ite n u . d g l . m . m e h r o d e r m in d e r w itz ig a u s e in a n d e r s e t z e n , sind in d iesem Büchle in z u s a m m e n g e t r a g e n . E s ist so eine r e c h t u n t e r h a l t s a m e L e k t ü r e g e w o r d e n , die a b e r d o c h z ugleich von d e r h u m o r is tisc h e n A d e r im V o lk sg e ist einen r e c h t g u t e n Begriff gibt. D e r V o l k s k u n d le r w ird ge rn in d iesem Büchlein b lä tte rn . Prof. M. H a b e r l a n d t . D eu tsch e V olkskunde im auß erd eu tsch en O sten. Vier V o r t r ä g e von G. B r a n d s c h , G. J u n g b a u e r , V. S c h ir m u n s k i u n d E. v o n S c h w a r z . Berlin u n d Leipzig. W a l t e r d e G r u y t e r & Co., 1930. Die w is s e n s c h a f tlic h e E r f o r s c h u n g d e u ts c h e n V o l k s t u m s a u ß e r h a l b d e r d e u ts c h e n R e ic h s g r e n z e n , l ä n g s t a n g e b a h n t u n d v o n vielen tr e u e n S ö h n e n de r d e u ts c h e n D i a s p o r a m it s c h ö n e n E r g e b n i s s e n ge p fle gt, n e u z u b e le b e n u n d zu vertiefen, ist die A u f g a b e u n d die rü h m lic h e A b s ic h t v o r s t e h e n d e r v ie r Auf­ sä tz e , die sich m it d e m D e u t s c h t u m in S i e b e n b ü r g e n , in d e r T s c h e c h o s l o w a k e i , in U n g a r n u n d in den S t a a t e n de r S o w je t u n io n u n d den w e i te r e n N o t w e n d i g ­ keiten se in er vo lk sk u n d lic h e n E r f o r s c h u n g b e s c h ä f tig e n . E s sind d u r c h w e g s b e ru fe n e F a c h m ä n n e r , die hier d a s W o r t ergreifen, n a c h d e m sie ihre A us­ f ü h r u n g e n bei d e r B e rlin er T a g u n g d e s V e r b a n d e s d e u ts c h e r V o lk s k u n d e ­ vereine, im O k t o b e r 1929, u n t e r e in m ü t ig e r Z u s t i m m u n g d e r V e r s a m m e lte n v o r g e t r a g e n h a b e n . M ö g e n diese p r o g r a m m a t i s c h e n A u s f ü h r u n g e n r e c h t viel­ se itig e n u n d e rfo lgreich en W id e rh all in den b r e ite s te n d e u ts c h e n Kreisen des b e tr e f f e n d e n A u s la n d e s finden. Prof. M. H a b e r l a n d t . W alter Kuhn: D i e j u n g e n d e u t s c h e n S p r a c h i n s e l n i n G a l i z i e n . ( D e u t s c h t u m u n d A u sla n d . S tud ien z u m A u s la n d d e u ts c h t u m u n d z u r A u s la n d k u ltu r . H e r a u s g e g e b e n v o n G e o r g S c hre ib e r. Heft 26 /27). A s c h e n d o rf f s c h e V e r l a g s b u c h h a n d l u n g M ü n s t e r i. W ., 1930. 244 S.

160 Die N a c h k r i e g s z e i t h a t eine bis d a h in g a n z u n b e k a n n t e , r e g e B e sc h ä f­ t ig u n g m it S p ra c h in s e l f r a g e n g e b r a c h t. Die G r ü n d e h iefü r h a t W . K u h n zu B e g inn se in e r g r u n d l e g e n d e n , leider viel zu w e n i g b e k a n n t e n A rb e it „ V e r s u c h einer N a t u r g e s c h i c h t e d e r d e u ts c h e n S p r a c h in s e l “ ( D e u t s c h e B l ä t t e r in Pole n, III., P o s e n 1926, S. 65 ff) d a r g e l e g t , auf d e r sein n e u e s W e r k a u f b a u t , d a s er m it R e c h t einen „ B e i t r a g z u r M e t h o d e d e r S p r a c h in s e l f o r s c h u n g “ n e n n t. D e n n die frü here , rein g e sc h ic h tlich e B e t r a c h t u n g s w e i s e h a t sich bei d e n S p r a c h ­ inseln, die g e w ö h n lic h keine b e w e g t e G e s c h ic h te a u f w e ise n , n ic h t b e w ä h r t . Im S p ra c h in s e lle b e n liegt d a s S c h w e r g e w i c h t in d e n b io lo g isc h e n V o r g ä n g e n , in d e n v e g e t a t i v e n K rä fte n, die j e d e m V olke u n d se in en T eilen v o n N a t u r a u s i n n e w o h n e n , die den M e n s c h e n trie b h aft, oft o h n e sein Z u tu n u n d o h n e seinen W illen führen , die u n b e w u ß t u n d n a t u r h a f t in ihm w irk e n . D e m G e le h rte n , d e r die U n t e r s u c h u n g in d ies er R ic h t u n g v o r n im m t, g e n ü g e n die sc hriftlichen Quellen, die A k te n m it ihren t r o c k e n e n A n g a b e n ü b e r d e n H e r g a n g d e r B e ­ sie d lu n g nicht m ehr. E r m u ß sein A u g e n m e r k auf die m ü n d lic h e U e b erliefe ru n g un d a uf den g e g e n w ä r t i g e n B e s t a n d w e n d e n , er m u ß die vo lk sk u n d lic h e und s ta tis tis c h e M e t h o d e in den V o r d e r g r u n d rüc k en. Von dies em G r u n d s ä t z e a u s ­ g e h e n d , h a t K u h n d u rc h w ie d e rh o lte B e r e i s u n g d e r d e u ts c h e n S p ra c h in s e ln G aliziens eine Fülle von Stoff z u s t a n d e g e b r a c h t , d e n er, b e r e i c h e r t d u rc h die g rü n d lic h a u s g e s c h ö p f t e n lite rarisc hen Quellen, in se inem B u c h e a u s w e r te t . E s zerfällt in die A b s c h n i t te : Die U m w e lt. Die B e sied lung . W ir t s c h a f t . B e­ v ö l k e r u n g s b e w e g u n g . Religiöse u n d n a tio n a le V e rh ältn is se . N a tio n a le O r g a n i ­ sa tio n. S c h rifttu m sv e rz e ic h n is. B e ig e g e b e n ist ein O rts v e r z e ic h n is u n d eine S i e d lu n g s k a r te . F e r n e r e n th ä lt d a s Bu ch, z u d e m Dr. E. W i n t e r ein ein­ f ü h r e n d e s V o r w o r t g e s c h rie b e n h a t, 5 T e x t k a r t e n u n d 11 sta ti s t i s c h e T ab e lle n . Den K e r n p u n k t bilden die z w ei für alle S p ra c h in s e ln w i c h ti g s t e n F r a g e n : i. D er U n te rsc h ie d in d e r H e r k u n ft d e r Kolonisten, hier d e r z w i s c h e n den a u s S ü d w e s t d e u t s c h l a n d u n d n a m e n tlic h a u s d e r Rheinpfalz s t a m m e n d e n Pfä lze rn u n d den a u s dem B ö h m e r w a l d u n d d e m E g e r l a n d s t a m m e n d e n D e u t s c h ­ b ö h m e n , zu w e lc h e n n o c h eine kleine G r u p p e v o n Sch lesie rn k o m m t. 2. D er U n te rsc h ie d in de r U m w e l t z w i s c h e n P o le n u n d U kra inern. Z u m e rste n P u n k t e w ird a usführlich d e r a u s S t a m m e s a n la g e , v e r s c h i e d e n e r K u ltu rstufe u n d v e r ­ s c h ie d e n e r A rt d e r A n s ie d lu n g sich e r g e b e n d e G e g e n s a t z z w i s c h e n den Pfä lze rn u nd D e u t s c h b ö h m e n b e h a n d e lt u n d a n sc h a u lic h ge z e ig t, wie sich d e r p rim itiv e r ein g e stellte B ö h m e r w ä l d l e r u n d E g e r l ä n d e r, d e r z u r ü c k h a lt e n d e r , vielleicht a u s m i ß t r a u is c h e r als d e r b e w e g lic h e , a b e r a u c h w e n i g e r w i d e r ­ s t a n d s f ä h ig e u n d u n z u v e rl ä s s i g e P fä lz e r ist, b e s o n d e r s g u t im S p ra c h in s e l­ k a m p f b e w ä h r t h a t u n d a u c h für die Z u k u n f t die b e s s e r e n V o r a u s s e t z u n g e n bietet. Bei d e n D e u t s c h b ö h m e n ist a u c h d e r B e v ö lk e r u n g s z u w a c h s a m g rö ß t e n . Kuhn h a t b e re c h n e t, d a ß von 1846 an die D e u t s c h b ö h m e n auf d a s D re ie in h a lb ­ fache, von 2000 auf 7000, a n g e w a c h s e n sind, w ä h r e n d die e v a n g e lisc h e n P fä lze r n u r w e nig , von 23.600 a uf 24.700 z u g e n o m m e n h a b e n u n d die k a t h o ­ lischen P fä lze r s o g a r vo n r u n d 13.800 auf 11.000 z u r ü c k g e g a n g e n sind. Am s t ä r k s t e n sind die V e rluste d e r Schlesier, vo n w e lc h e n b l o ß e t w a 200 v o n 900 E i n w a n d e r e r n ü b rig g e b l i e b e n sind. Beim z w e i t e n P u n k t spielt d a s v e r ­ s c h ie d e n e K ulturgefälle g e g e n ü b e r P o le n u n d U k r a in e rn eine e n ts c h e id e n d e Rolle. Die d e u ts c h e n Siedle r in m itte n einer u k ra in isc h e n U m g e b u n g b e w a h r e n ihr V o lk stu m b e sse r. G e g e n ü b e r d e n po ln is ch e n D o r f b e w o h n e r n z e ig e n die

161 D e u t s c h e n g r o ß e seelische W id e r s t a n d s k r a f t , a b e r g e g e n ü b e r d e r polnisch en S t a d t k u l t u r w e is e n n u r die D e u t s c h b ö h m e n die gleiche K raft auf, w ä h r e n d sie fü r die P fä lz e r g e fäh rlic h zu w e r d e n b e g in n t. W i e d e r h o l t g e h t K uhn a u ch auf die v o l k sk u n d lic h e n A u s w i r k u n g e n d ie s e r U n te rs c h ie d e ein. L eider m u ß t e a u s R a u m m a n g e l d e r m e is te v o lk sk u n d lic h e Stoff, d e s s e n B e a r b e i t u n g d e r l a n g ­ j ä h r i g e M i t a r b e i te r K uhn s, Alfred K a r a s e k u n d Josef L anz ü b e r n o m m e n h a tte n , z u r ü c k g e s t e l l t w e r d e n . T r o t z d e m ist d a s B u c h in d e r v o rlie g e n d e n G e s t a lt a u c h für d e n V o lk s k u n d le r r i c h t u n g g e b e n d . D e n n die S p r a c h in s e l v o l k s k u n d e k a n n n u r auf ein er S p r a c h in s e l k u n d e a u fb a u e n , w ie sie K u hn v ertritt. G u s ta v J u n g b a u e r . Dr. Erich F a tis el: D a s Z i p s e r D e u t s c h t u m . G e s c h i c h t e und G e s c h ic k e e in e r d e u ts c h e n S p ra c h in s e l im Z eita lte r d e s N a tio n a lis m u s . Schriften d e s I n s titu te s f ü r G r e n z - u n d A u s la n d d e u ts c h t u m an d e r U n iv e rsitä t M a r b u r g , Heft 6, J e n a 1927, V e r l a g Fischer. 126 Seiten, m it 2 Kurven im T e x t und 2 K a rten . P re is b r o s c h i e r t M. 7.— . . D a s B uc h g ib t ein L eb e n sb ild d e s Z ip s er D e u t s c h t u m s im Z e itr ä u m e seit e t w a 1800, d e r Z eit also, w o die s t ä n d is c h e O r d n u n g d e r G e se lls c h a ft un d d e s S p ra c h in s e l l e b e n s im b e s o n d e r e n a b g e l ö s t w u r d e d u r c h die neu auf­ ste ig e n d e n Kräfte d e r D e m o k r a t ie u n d d e s N a tio n a lis m u s . D u rc h die n un b e ­ g in n e n d e A u s e i n a n d e r s e t z u n g m it dem m a g y a r is c h e n N a tio n a l g e d a n k e n ist d e r fo lg e n d e A b s c h n itt d e r G e s c h i c h t e d e r Z ips g e k e n n z e i c h n e t u n d von de r V ergangenheit ab g ehoben. Die g e o g r a p h i s c h - h is to r i s c h e G r u n d l e g u n g gib t in k n a p p e r Z u s a m m e n ­ f a s s u n g die ä lte re G e s c h i c h t e d e r Z ip s e r u n d w e is t n a m e n tlic h auf je n e P u n k t e hin, in d e n en ihre E n t f r e m d u n g v o m d e u ts c h e n S t a a t e u n d M u t t e r v o l k e ein­ se tzte, v o r allem die von den H a b s b u r g e r n d u r c h g e f ü h r t e G e g e n re fo rm a t i o n , w e lc h e die D e u t s c h e n in die B u n d e s g e n o s s e n s c h a f t d e s re fo rm ie rte n m a g y ­ a ris c h e n A dels trieb. Ein z w e i t e r A b s c h n i t t b e h a n d e lt die fre m d v ö lk isc h e U m ­ w e lt, h e r v o rz u h e b e n ist hierbei die S c h ild e r u n g d e r S l o w a k e n , Ju d e n und M a g y a re n . Auf d ies er G r u n d l a g e b a u t sich die D a r s t e l l u n g d e r n e u e n E n t ­ w ic k lu n g d e s Z ip s er D e u t s c h t u m s auf. Im 19. J a h r h u n d e r t vollz ieht sich de r g e is tig e A n s c h lu ß an d a s M a g y a r e n t u m , ein M a r k ste in ist die R evolution von 1848, bei d e r die Z ip s er in d e n v o r d e r s t e n Reihen de s K a m p fe s g e g e n die H a b s b u r g e r s te h e n , d e r H e e r f ü h r e r d e r U n g a r n G ö r g e y, ist Z ip ser, d e r zeit­ w e ise d a s D e u t s c h e z u r offiziellen S p r a c h e d e s H e e r e s m a c h te , da er die m a g y a r i s c h e S p r a c h e n u r s c h le c h t b e h e r r s c h t e . 1876 w ird die rech tlich e S o n d e r s t e ll u n g d e r Z ip s e r S t ä d te b e se itigt, m e h r u n d m e h r m a g y a r i s i e r t sich die Intelligenz freiwillig. N e b e n d e r G e f a h r d e r M a g y a r i s i e r u n g s t e h t die d e r S l o w a k i s i e r u n g , die nich t w ie die e r ste re ein V o r g a n g auf g e is tig e m G e b iete, eine A u s e i n a n d e r s e t z u n g m it d e r s t ä d ti s c h e n S c h ic h t d e s fre m d e n V olke s ist, s o n d e r n ihre U r s a c h e n h a t in d e r w irtsc h a f tlic h e n L age , d e r V e r w e n d u n g s l a w i s c h e r D i e n s t b o te n , d e r g e rin g e r e n G e b u r t e n h ä u f ig k e i t u n d s t ä r k e r e n A b­ w a n d e r u n g d e r D e u t s c h e n u sw . Die S l o w a k i s i e r u n g betrifft n ich t die O b e r ­ sc h i c h t d e r D e u t s c h e n , so n d e r n die b re ite G r u n d l a g e d e s B a u e r n t u m s , und w ird d a d u r c h b e s o n d e r s gefährlich.

162 Als e r h a l te n d e K rä fte w ir k e n einzelne T eile d e s V o l k s g u t e s : T r a c h t, Volkslied u n d v o r allem die Z ip s e r M u n d a r t , d e r e n P fle g e g e r a d e d u r c h die seelische E n tf r e m d u n g von d e r d e u ts c h e n K ultur g e f ö r d e r t w ird. D e r Anfall d e s L a n d e s an die T s c h e c h o s l o w a k e i s c h a lt e t e die m a g y a r i s c h e n K rä fte z u m g r ö ß t e n T eile au s, ein Teil d e r m a g y a r is i e r t e n d e u ts c h e n O b e r s c h ic h t w a n ­ d e l t e n a c h R u m p f u n g a r n ab, bei d e n a n d e r e n b e g in n t die W ie d e r b e s i n n u n g auf die d e u ts c h e A rt u n d d e r A n s c h lu ß an die ü b ri g e n D e u t s c h t u m s g r u p p e n d e s n e u en S t a a t e s , a llm ählich ü b e r w i n d e t d a s Z ip s er D e u t s c h t u m die m a g y ­ a r is c h e Zeit. Die D a r l e g u n g e n sin d reic hlich m it s t a ti s t i s c h e n Z a h le n u n t e r b a u t, d a s B uc h ist d a d u r c h teilw eise m e t h o d i s c h w e g w e i s e n d fü r die S p r a c h in s e l­ fo r sc h u n g . Den S c h lu ß bild en 13 T a b e ll e n u n d 2 g r a p h i s c h e D a rste llu n g e n . B e a c h t e n s w e r t ist auf Seite 5 die H e r a n z i e h u n g v o n T a t s a c h e n de r n e u e re n K o l o n is a tio n s g e s c h ic h te z u r E r k l ä r u n g d e r m ittela lterliche n . A b z u ­ leh nen ist d a g e g e n die V e r m u tu n g , d a ß die Z ip s er keine N eu-, s o n d e r n N a c h ­ siedler g e w e s e n seien, weil in ihrem G e b ie te die O r t s n a m e n a u c h — r e u t u n d - - ro d e fehlen (S. 4 ) . B e denklich e r s c h e i n t a u c h d e r V e r s u c h (S. 16), die Z ahlen d e r d e u ts c h e n , sl o w a k i s c h e n u n d m a g y a r i s c h e n F a m il i e n n a m e n in den Ste u erk o rrsk rip tio n e n vo n 1715 u n d 1720 z u r F e s t s t e ll u n g d e r d a m a l ig e n N a t io n a l it ä t e n v e r h ä lt n i s s e h e r a n z u z ie h e n . An d e m Falle d e r K r e m n it z - P r o b e n e r S p ra c hin sel, be i d e r die n a tio n a le n V e r h ä ltn is s e viel e in fa c h e r u n d e in d e u tig e r sind, l ä ß t sich z eigen, wie w e n i g d ies es V e rfa h re n b r a u c h b a r e E r g e b n i s s e liefern k a n n ( v e rg le ic h e K uhn, d a s D e u t s c h tu m d e r K r e m n itz e r G e g e n d in de r e rste n Hälfte d e s 18. J a h r h u n d e r t s , in ( K a r p a t h e n la n d , J a h r g a n g 3, Heft 3, R e ic h e n b e r g 1930). D a d u r c h w ir d die a n sich u n w a h r s c h e i n l ic h e A n n a h m e de r R ü c k g e r m a n i s i e r u n g e iner Reihe von O r t s c h a f t e n seit 1720 hinfällig. Eine Quelle z w eife lh a ften W e r t e s fü r die h isto ris c h e N a t io n a l it ä t e n s t a t i s t ik sind a u c h d a s „ le xiko n u n iv e r s o r u m re g n i H u n g a r i a e l o c o r u m “ v o n 1773 (v o n F a u se l n a c h ein em M a n u s k r i p t d e s K ä s m e r k e r L y z e u m s v o n 1775 b e n ü tz t, a b e r sc h o n 1920 v o n d e r u n g a r is c h e n F r i e d e n s v e r h a n d lu n g s k o m m i s s io n h e r a u s g e g e b e n ) u n d K o r a b i n s k y s G e o g r a p h i s c h - h i s t o r is c h e s u n d P r o d u k t e n lexikon vo n U n g a r n vo n 1786 (v e rg le ic h e diesbeziigl. . e benfalls die o b e n ­ g e n a n n t e A rbeit.) W alter K u h n . W ü h r e r K arl: R o m a n t i k i m M i t t e l a l t e r . B e it r a g z u r G e ­ sc h ic h te d e s N a tu r g e fü h ls , im b e s o n d e r e n d e s 10. u n d 11. J a h r h u n d e r t s . V e r­ öffentlichun ge n d e s S e m in a rs für W i r t s c h a f t s - u n d K u ltu r g e s c h ic h te a n d e r U n iv e r s itä t W ie n , h e r a u s g e g e b e n v o n Alfons D o p s c h , Nr. 6 ) . V e r la g Rudolf Rolirer, B a d e n — W ie n — L eipzig— B r ü n n 1930. 76 S. Die Schrift b e t r a c h t e t eine Seite d e s frü h m ittelalterlich e n G e istes le b en s , die b e s o n d e r s g e e i g n e t e rsch e in t, d a s E m p fin d e n j e n e r Z eit d e m M e n s c h e n de r G e g e n w a r t n ä h e r zu b r i n g e n : d a s V e rh ä ltn is d e s M itte lalters z u r N a t u r , die L iebe zu ihr u n d der. Sinn für ihre S c h ö n h e ite n . N a c h d e m d e r V e r f a s s e r d a s N a tu rg e fü h l d e r R o m a n tik g e k e n n z e i c h n e t h a t, s u c h t er bei d e n M e n s c h e n d e s 10. u n d 11. J a h r h u n d e r t s die n ä m lic h e n Z ü g e ( S e h n s u c h t n a c h d e r N a tu r, H a n g z u r E in s a m k e it in ihr, G r a u e n v o r d e r N a tu r, Vorliebe fü r M o n d - und N a c h t s t i m m u n g e n ) d u r c h eine Reihe v o n Stellen a u s p r o sa iis c h e n u n d n a m e n t -

163 lieh p o e ti s c h e n Schriften n a c h z u w e is e n . Sollte j e d o c h nicht die s t a r k primitivd ä m o n i s t i s c h e E in s te llu n g d e s m ittelalterlichen M e n s c h e n in se in em V e rh ä ltn is z u r N a t u r, tr o tz d e r in d e r fleißig en u n d d u r c h a u s le s e n s w e r t e n A rb e it h e r v o r ­ g e h o b e n e n U e b e r e i n s t im m u n g e n , einen innerlichen u n d w e se n t li c h e n U n t e r ­ sc hied se in es N a t u r g e f ü h l s v o n d e m d e s R o m a n t i k e r s b e d in g t h a b e n ? Dr. E d u a r d W e i n k o p f. H e r m a n t P. u. 'B o o m a n s D .: L a M é d i z i n e p o p u 1 a i r e (Bulletin du Service d e re c h e r c h e s h i s t o r iq u e s et f olk loriq ue s du B r a b a n t . 8. J a h r g a n g , Nr. 4 3 -4 5 ). Mit ein em V o r w o r t v o n A. M a rinu s. B rü ss el 1928. 16 + 240 S. Die V e r f a s s e r g e h e n in d e n ein zelnen Kapiteln von d en v olk sm ed iz i­ nischen V e r h ä ltn is se n ih rer H e i m a t B r a b a n t a u s u n d stellen d a n n z ahlreich e P a ra llele n v o n a n d e r e n e u r o p ä i s c h e n u n d von N a t u r v ö lk e r n , so w ie v o n den g r o ß e n K u ltu r n a tio n e n d e s A l te r tu m s d a n e b e n , ln d e r E in te ilu n g d e s Stoffes fü h r e n sie die v o lk stü m lic h e n Heilmittel u n d - m e t h o d e n auf dre i Prinzip ien z u r ü c k : d a s A n a lo gie p rinz ip , die m ate rie lle u n d die d ä m o n i s t i s c h e A u f fa s s u n g d e r K ra n k h eiten , ln d e r e rsten G r u p p e w ird , als A e h n lic h k e itsz a u b e r , auch d a s E in k n o te n d e r K r a n k h e it b e h a n d e lt , d e sg leich e n , als E r s a tz d e s K n o te n s g e d e u t e t , die V e r w e n d u n g ein es R in g e s o d e r M e tallreifens o d e r b l o ß ein er u n g e k n ü p f te n S c h n u r. D e r z w e ite H a u p t a b s c h n i t t b e s c h ä f t ig t sich m it de r A u f fa s s u n g d e r K r a n k h e ite n als W ü r m e r o d e r a n d e r e r Kleintiere, als „ G i f t “ , als F o l g e eine s g e is te r h a f t e n P f e ils c h u s se s o d e r Stiches, als eine s F r e m d ­ stoffes, d e r a b g e w a s c h e n , w e g g e b l a s e n o d e r an ein er e n g e n Stelle a b g e s tre ift, mit ein em K le id u n g s s tü c k d e s K ra n k e n a b g e l e g t , au f a n d e r e M e n s c h e n , auf T iere, P fla n ze n o d e r D in g e ü b e r t r a g e n w e r d e n k a n n . D a r a n s c h lie ß t sich ein A b s c h n i t t ü b e r d a s B lut als Heilmittel, d a s als S e e le n t r ä g e r L e b e n u n d G e ­ su n d h e i t b rin g e , u n d ein Kapitel ü b e r die B e r ü h r u n g v o n L e ic h n a m e n , die da h in e rk lä rt w ird , m a n k ö n n e d e n in dem n o c h n ich t v e r w e s t e n L eich n a m e n th a l te n e n L e b e n s r e s t als H e ilfa k to r b e n ü tz e n . U n t e r d e r U e b e r s c h r if t „Anim is tisc h e A u f f a s s u n g “ w ir d v o n den K r a n k h e i f s d ä m o n e n u n d den Mitteln, sie zu v e rtr e ib e n ( A b s c h e u o d e r S c h m e r z e r re g e n d e Ding e, B e s c h w ö r u n g e n , G e ­ bete, K u l t g e g e n s t ä n d e , E isen, K rä u te r, kirchliche D inge, B e o b a c h t u n g m y s ­ t is c h e r Z ah len u n d Z e ite n ) g e h a n d e lt. Ein K apitel ü b e r die v e r s c h ie d e n e n A rte n von V o lks-H eilkü nstle rn und eine a l p h a b e t i s c h e K r a n k h e ite n liste mit den v e r s c h i e d e n s te n in B r a b a n t d a g e g e n a n g e w a n d t e n H a u sm itte ln m a c h e n den B e sc h lu ß . L eid er ist die B e a r b e i t u n g d e s m it g r o ß e m F le iß u n d a u s g e b r e i t e t e r B e le se n h e it z u s a m m e n g e t r a g e n e n S toffes keine s e h r tie f g e h e n d e zu n e nn en. D a s w e i tv e r b r e i t e t e V e r z e h r e n v o n M ä u s e n d u rc h B e t t n ä s s e r w ird n ich t darin b e g r ü n d e t , d a ß die M a u s S e e le ntie r ist, s o n d e r n a u s „ A n a lo g ie d e r B e w e g u n g “ g e d e u t e t : D e r K ra n k e soll die M ä u se , die er v e r z e h r t, se lb st f a n g e n , d a m i t er a u c h den H a r n „ a n h a l t e n “ lerne! (S. 16). Die g e w a l t i g e B e d e u t u n g d e r V e r­ s t o r b e n e n als K ra n k h e i t s u r s a c h e f ü r d en P r im itiv en b leib t v o n d e n V e rfas se rn e b e n s o u n b e a c h t e t w ie die m a g i s c h e H eilkraft d e r m en s c h lic h e n E m a n a t i o n e n u n d A b s o n d e r u n g e n d e r „ ä u ß e r e n S e e le “ ( t h e e x te rn a l s o u l), w ie F r a z e r sie g e n a n n t hat. N ic ht d e r A bsicht, m it ihrer Hilfe d e n K ra n k h e i t s d ä m o n e n d urc h Ekel z u v e r tr e ib e n , s o n d e r n d e r m a g i s c h e n W i r k u n g d e r ih n en a n h a f t e n d e n „ ä u ß e r e n S e e le “ v e r d a n k e n d a s „ g o ld e n e P f l a s t e r “ u n d d e r s c h m u tz i g e S t r u m p f

164 als H a lsw ic kel (S. 137) ihre vo lk sm ed iz in isc h e V e r w e n d u n g . D a ß d e r G ic h t­ leide nd e einen H u n d o d e r eine K a tze be i sich sc hlafe n lä ß t, d a m i t se in e K r a n k ­ heit a uf die T ie r e n ü b e r g e h e (S. 8 9 ), k o m m t e b e n s o w e n i g v o n d e n R ö m e r n he r, w ie d a s A ufle gen ein es h a lb ie rte n H u h n e s v o n D i o s k u r i d e s o d e r C e ls u s ( S 9 3 ) ; die V e r fa s s e r b e le g e n d o c h se l b s t auf d e n f o lg e n d e n Seite n die W e l t ­ v e r b re i t u n g d e s l e t z tg e n a n n t e n H e ilb r a u c h e s B eide P r a k t i k e n sind e b en E le m e n t a r g e d a n k e n e n ts p r u n g e n . Als re ic h e Q uelle von allen E n d e n d e r W e l t h e r z u s a m m e n g e t r a g e n e n lite rarisc hen u n d a u s d e m V o l k s m u n d g e s c h ö p ft e n M a te r ia ls ist die Arbeit, n a m e n tlic h fü r v e rg le ic h e n d e v o lk sm e d iz in isc h e S tudien, r e c h t n ützlich u n d s o m it verdienstlich. Dr. E d u a r d W e i n k o p f. E uropäisch e und v ergleich en d e Völkerkunde. L ouise H agb erg; „ V a s t e m o t “ . F a t a b u r e n . S to c k h o lm Seite 12— 45 ( S c h w e d i s c h m it d e u t s c h e r Z u s a m m e n f a s s u n g .) W arren R. D a w s o n : University P r e s s 1929.

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1929.

M anchester

G rafton E lliot Sm ith: T h e m i g r a t i o n s o f e.a r 1 y c u l t u r e . 2. D ru c k . P u b l i c a t io n s of t h e U nive rsity of M a n c h e s t e r Nr. C1I. E th n o lo g ic a l Se ries Nr. 1, 154 Seiten, 2 K arten. D. Z elenin: D a s W o r t t a b u b e i d e n V o l t s s t ä m m e n e u r o p a s u n d N o r d a s i e n s . E r s t e r Teil. V e r b o t e auf d e r J a g d u n d a n d e r e n E r w e r b s z w e i g e n . Z b o r n ik d e s M u s e u m s für A n th ro p o lo g ie und E th n o g r a p h i e , L e n in g ra d . Bd. VIII, 1929. 15! Seiten. H a n s F i n d e is e n : D i e F i s c h e r e i i m L e b e n d e r „ a l t s i b i ­ r i s c h e n “ V o l k e 'r s t a m m e . Z eitsc h rift fü r E th n o lo g ie , Berlin 1928. 73 Seiten, 49 A b b ild u n g en . M e h r u n d m e h r t r ä g t nu n a u c h die E th n o l o g i e d e r N o t w e n d i g k e i t einer v e rg le ic h e n d e n B e t r a c h t u n g und B e r ü c k s ic h ti g u n g d e r v o n d e r V o lk s k u n d e m it viel fein füh ligeren M e t h o d e n u n d p sy c h o l o g is c h e n E r k u n d i g u n g s m ö g l i c h ­ keiten e r a r b e it e te n E r k e n n t n i s s e in d e r A n la g e ihrer A rb e ite n R e c h n u n g . Je m e h r solc h e F u r t e n v o n d e r V o lk s k u n d e E u r o p a s in d a s w e i te L a n d de r V ö lk e r k u n d e füh ren, u m s o b e s s e r w e r d e n sich k u l tu rg e s c h ic h tlic h e H a l te ­ p u n k te auf d e m n o c h r e c h t u n w e g s a m e n G e l ä n d e d e r „ P r i m i t iv i t ä t “ f e s t­ leg e n lassen. Stoff u n d G r u n d n e t z fü r derlei g e sc h ic htlich v e rtiefte V ö lk e r­ k u n d e k ö n n e n a b e r w o h l n u r die V o lk s fo r s c h e r s e l b s t b e ib r in g e n , wie sich d e ren nun s c h o n eine erh eb lic h e A n z ah l auf die „ e t h n o l o g i s c h e n “ P r o b l e m e E u r o p a s ein g e stellt h a t, so vo r allem die s c h w e d i s c h e F o r s c h u n g , die m utvoll a u c h für die g e istige K u ltur in k l a r e r w i s s e n s c h a f tl i c h e r M e t h o d ik j a h r ­ t a u s e n d e a l t e n M u t t e r b o d e n mit k u n d i g e r H a n d a u f z u g r a b e n w e iß . Die a n g e ­ f ü h rte A rbe it L. H a g b e r g z eigt, wie die m a g i s c h e A b w e h r, die v o n allem S p itzig e n a u s g e h t, ä l t e r ist als d e r Stoff, a u s de m h e u te M e ss e r, sp itzig e und s c h n e id e n d e D in g e g e fe r tig t w e r d e n , als E isen u n d S ta h l u n d z ie h t a u s d e m G e b r a u c h d e s H a g d o r n s fü r p rim itive V e r t e i d ig u n g s a n l a g e n , w ie a u ch

O s t­

165 als B e w a c h s u n g v o n v o r g e s c h ic h tlic h e n G r a b h ü g e l n s e h r b e d e u t u n g s v o l l e S c h lü sse fü r d a s A lter d ie s e s A b e r g l a u b e n s in E u ro p a . E b e n s o se h e n w i r in E n g l a n d diese S a a t a u f w a c h s e n , die d e r v o n de r Alt-Philölogie k o m m e n d e f ü h r e n d e E th n o l o g e J. ü . F r a z e r in se inem M o n u ­ m e n t a l w e r k g e le g t hat. D e n n ü b e r allen S c hul- u n d M e th o d e r istr e it h i n w e g ist e s d e r gleiche W e g d e r E infü hlun g, w e n n die a n g e z o g e n e v e rg le ic h e n d e D a r s t e l l u n g v o n W . R. D a w s o n ü b e r d a s M ä n n e r k i n d b e t t v o n e iner ein­ g e h e n d e n s e h r b e a c h t e n s w e r t e n E r ö r t e r u n g ke ltisc h er U e b e r lie f e r u n g e n ihren A u s g a n g n im m t, w o b e i die V e r b i n d u n g fo lg erich tig z u n ä c h s t m it den m ittel­ lä n d isc h e n Riten g e s u c h t w ird. W i r h a lte n den W e g d e r H isto r isie r u n g e th n o l o g i s c h e r T a t s a c h e n hierin nich t ein- fü r allemal als rich tig a b g e s te c k t , a b e r sc h o n d a s U n t e r n e h m e n v e r h e i ß t einen F o rtsc h r itt. So m a g a u c h d e r V e rsu c h d e r B ild u n g einer W a n d e r s c h i c h t , die M e g a li t h b a u t e n u n d S o n n e n ­ kult, M um ifiz ieru n g u n d a n d e r e Riten u m f a ß t , als d e ren U r s p r u n g s g e b i e t vo n G. E. S m y t h, A e g y p t e n a n g e s e h e n wird, v o r e r s t r e c h t p r o b l e m a t i s c h u n d v o r allem rela tiv o b erflächlich e r sch e inen , m a n w ird da bei a b e r v o n h isto ris c h e n Blickfeld ern h e r im m e r n o c h w e i te r k o m m e n als v o n e iner b lo ß v o r a u s g e s e t z t e n U rkultu r. U m g e k e h r t k a n n die E r f o r s c h u n g d e r u r tüm lich e n L e b e n s k re is e E u r o p a s n u r f o r ts c h re ite n , w e n n hier die B e z i e h u n g zu den w e l ta n s c h a u l i c h n o c h k l a r e r g e f ü g te n L e b e n s k re is e n a u ß e r h a l b E u r o p a s , — n a m e n tlic h in N o r d a s i e n a u s g e b a u t w ird. Die finnische V o lk s k u n d e h a t sich da sc h o n als u n e n tb e h rlic h e B r ü c k e z u r E r k u n d u n g k ultureller G r u n d f u n k ­ tio n e n d e s V ö lk e r le b e n s d ies er G e b ie te e rw iese n , u n d e b e n s o b i e te t n u n m e h r die A rb e it D. Z e 1 e n i n s, d e s b e s t b e k a n n t e n V e r f a s s e rs d e r „ R u ssisc h e n V o l k s k u n d e “ , ü b e r die G e istig k e it d e s sibirischen J ä g e r t u m s , — d e n n m in d e s t e n s soviel u m f a ß t die in ih rem T itel so a n s p r u c h s l o s e A rb e it — p s y c h o l o ­ gisc h e A u fs ch lü ss e w e r t v o ll s t e r A rt a u ch für e u r o p ä i s c h e A n s c h a u u n g e n . D o r t w o J ä g e r t u m L e b e n s g r u n d l a g e ist, h a b e n alle fü r die E r b e u t u n g d e s h ö c h s t g e r u c h se m p f in d lic h e n W il d e s n o t w e n d ig e n T a b u s u n d M e id u n g e n n o c h u n m it t e l b a re n e r le b n is m ä ß i g e n C h a r a k t e r : an ih rer A b l a g e r u n g im A b e r g l a u b e n u n d im L e b e n de r S p r a c h e z e ig t sich d a n n die W ir k s a m k e i t de r W e l t a n s c h a u u n g e n im S in n e ein er In t e r p r e ta t io n a nim istic a, m y th o l o g i c a usw . d u r c h die d e r E rle b n issto ff jew eils in b e s o n d e r e r A rt v e r g e m e i n s c h a f te t und a u s g e b e u t e t wird. W a s die E th n o lo g ie an g u t b e r e i tg e s t e ll t e m Quelle nstoff sc h o n a u f z u w e is e n h a t, ist a lle rd in g s n ich t b e s o n d e r s erheblich u n d g e r a d e e x a k t e F r a g e s t e l l u n g e n e r w e ise n seine L ü ck en. E s ist ein V e r d i e n s t de r A rb e it v o n F i n d e i s e n, d a ß sie so lc h em p o sitiv e n w ie n e g a t i v e n E r k e n n e n im L e b e n s k re is e de s F i s c h f a n g e s R a u m g e w ä h r t , d e r k e i n e s w e g s s e h r ein­ heitlich u n s e n t g e g e n t r i t t , je n a c h d e r F i s c h g a t t u n g , die E r t r a g v e r sp r ic h t, n a c h F a n g m e t h o d e n u n d n a m e n t li c h n a c h d e r g e istige n V e r a r b e i tu n g dieses L e b e n s e r w e r b s in d e r M y th o lo g ie un d im G e m e i n s c h a ft s l e b e n v ielm eh r r e c h t un te r s c h ie d lic h e Z u - un d U m s t ä n d e n e rk e n n e n lä ß t. U e b e rf lü ss ig zu sa g e n , d a ß m a n m it den b ish e r ig e n E r h e b u n g e n sich a u c h w o h l k a u m b e r u h ig e n ka n n, d a ß a b e r n u r F o r t s c h r e it e n in d e r F e l d f o r s c h u n g n ich t a b e r D e d u k tio n , die h e u te in e th n o lo g is c h e n S y s te m e n eine so g r o ß e Rolle spielt, einen F o r ts c h r itt d e r W is s e n s c h a f t b e d e u t e n w ird , d e r a u c h a n d e r e n E r d r ä u m e n au f d e m W e g e v e r g le ic h s w e i s e r B e t r a c h t u n g z u g u te k o m m e n wird. A. H a b e r l a n d t .

166 L. L é v y - B r ü h l: D i e S e e l e d e r P r i m i t i v e n . A u t o r i s i e r t e U e b e r s e t z u n g v o n E. W e r k m a n n . XI u n d 367 S. ( W . B ra u n m ü ller, W ie n 1930.) H a t L év y -B rü h l seine a n d e r w e i ti g e n U n t e r s u c h u n g e n d e m W e r d e n u n d d e r begrifflichen S t r u k t u r d e s D e n k e n s d e s P rim it i v m e n s c h e n im a llg e m e in e n z i,g e w e n d e t, so e rlä u te rt e r in d ies em B u c h e die p rim itive V o rs te l lu n g s w e lt in sb e s o n d e r e im Hinblick auf die m y s t is c h e V erv ielfältig u n g o d e r G leich­ s e t z u n g d e s Individium s m it E r s c h e i n u n g e n u n d W e s e n s e in e r b e le b t e n U m ­ w e lt u n d seine p r i m ä r e S o lid a r itä t m it s e in e r B lu ts - u n d S i p p e n g e m e in s c h a ft. B e m e r k e n s w e r t e E r k e n n t n i s s e fallen hiebei fü r die B e g r ü n d u n g v o n L e v ir a t u n d C o u v a d e wie a u c h d e r B lu tr a c h e ab. W ie sich d a s B e w u ß t s e i n v o n In halt u n d G r e n z e n de r P e r sö n lic h k e it s o l c h e r m a ß e n ve rv ie lfä ltigt u n d a u s w e i te t, in l e tz te r e m Falle bis z u m G efü hl e in er p h y s i o l o g is c h e n , j a f a s t k ö rp e rlich e n Z u s a m m e n g e h ö r i g k e i t de r M itg lie d e r d e r s e lb e n G r u p p e , ist m it b e h u t s a m s t e r v ö lk e rp s y c h o l o g i s c h e r E in fü h lu n g u n d a u c h kritisc h e m B e d a c h t h a u p ts ä c h lic h an a frika n isch e n, a u st r a l i s c h e n u n d m e la n e s is c h e n B eispie len k la r g e le g t. D o c h k o m m e n a u c h a n d e r e E rd g e b i e t e im w e s e n tlic h e n o h n e E k le k tiz is m u s z u ihrem Recht, so wie e b en p s y c h o l o g is c h g e ü b t e B e o b a c h t e r d o r t sc h o n a m W e r k e w a r e n . E u r o p a e r sc h e in t da b ei n ich t b e r ü c k s i c h ti g t . A n g e s i c h ts d e r hier g leic h erw e ise vorfin dlichen P r i m itiv v o r s te llu n g e n m ö c h t e n w i r g leic h w oh l je d e m , de r e t w a d a s m ä c h t i g a u f g e s c h lic h te te W is s e n d e s „ H a n d w ö r t e r b u c h d e s d e u ts c h e n A b e r g l a u b e n s “ v ö l k e rp s y c h o l o g i s c h zu b e w ä l t i g e n su c h t, d a s a n g e le g e n tlic h e S t u d iu m d ies es B u c h e s e m pfehlen. F ü r die B i n d u n g a n die U m w e lt d u r c h m y s tis c h e Kräfte, d e n g r o ß e n U m k re is d e s W e r w o l f e r le b n i s s e s und - G la u b e n s , d a s D o p p e lle b e n n a m e n tlic h vo n Z a u b e r e r und H exe, d a s P r o b le m d e s S t e r b e n s u n d d e s S c h ic k s a ls d e s T o t e n sind hier n o c h so leb e n d ig e E r s c h e i n u n g e n a n s Licht g e r ü c k t, d a ß d e r Kreis d e r e in s c h lä g ig e n e u r o p ä is c h e n U e b erliefe ru n g en u n d s t a r r g e w o r d e n e n U e b erb le ib s el h iera n b e s t e n s g e s i c h t e t und e i n g e o r d n e t w e r d e n k a n n . A. H a b e r 1 a n d t. M isch-O rend: Von siebenbiirgisch-sächsischer B a u e r n a r t . E ine W e s e n s s c h a u . H o n t e r u s - B u c h d r u c k e r e i u n d V e r l a g s ­ a nstalt. H e r m a n n s t a d t , 1929. Es w a r eig entlich kein kleines W a g n i s , n a c h d e r a u s g e z e ic h n e te n s i e b e n b ü r g i s c h - s ä c h s is c h e n V o lk sk u n d e , die u n s Adolf S c h u l le r n s 1929 g e ­ ge b e n , m it ein em U m riß o d e r „ W e s e n s s c h a u “ , w ie die v o r l ie g e n d e S c h ild e r u n g sie d arstellen, h e r v o rz u t r e t e n . Die n ich t g a n z k lare D isp o sitio n d e s W e r k c h e n s , d a s in 15 A b s c h n itte n ( S i e b e n b ü r g e n u n d se ine Völker, d a s V e rh ä ltn is de r S a c h s e n zu den a n d e r e n V ölkern S i e b e n b ü r g e n s , d a s V e rh ä ltn is z u r S ta d t, d a s D orfleben, G r u n d s t i m m u n g , G e m e in s c h a f t, Liebe, E he, V e r w a n d ts c h a f t , G e ­ selligkeit, H u m o r u n d S p o tt, Bildu ng, F o rm e n , R e ch tss in n , W ir t s c h a f t , V olks­ kunst, die letz te n D inge, R a s s e u n d T e m p e r a m e n t , V o lk sp e r sö n lic h k e it) die sa c hliche u n d g e istig e Seite d e r V o lk s k u n d e b e r ü h rt , l ä ß t n ich t r e c h t e rk e n n e n , fü r w e n die Schrift b e s t im m t ist. F ü r S c h u l z w e c k e s c h e in t sie nich t s e h r g e ­ eignet, m e h r für ein s c h ö n g e is ti g e s P u b lik u m , d a s in a n g e n e h m e r F o r m über­ dies tü c h t i g e V o ik sw e s e n , d a s nu n sc h o n d u r c h fa s t 8 J a h r h u n d e r t e seine S p r a c h e u n d V o lk sa rt in vorb ildliche r W e is e m itte n in fr e m d n a ti o n a le r U m ­ g eb un g b ew ah rt, m an nigfachstes zu hören b ek o m m t. Prof. M. H a b e r l a n d t . H erau sg eb er, E ig en tü m e r u. V erleg er; V erein fü r V o lk sk u n d e (P rä s id e n t Prof. D r.M . H a b erlan d t.) V e ra n tw o rtlic h e r R e d a k te u r: Prof. D r. M ichael H a b e r l a n d t , W ien, V III. L a u d o n g a sse 17. — B u ch d ru ck erei P a g o , W ien , II. G ro ß e S chiffgasse 4.

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