2650 moneta 2/2002 dt - Alternative Bank Schweiz

March 27, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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Description

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Lesart

Liest man ein Inserat der Konkurrenz wörtlich, stehen einem rasch einmal die Haare zu Berge. So geschehen auch ABS-Werber Aldo Clerici. Er hat sich davon ein erstes Denkbild gemacht.

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Leitplanken

Antworten der AktionärInnen auf Fragen der Führungsgremien sollen dem Verwaltungsrat der Alternativen Bank als Leitplanken auf dem Weg zu Entscheidungen dienen. Dazu eine erste Auswertung.

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AZB 4601 Olten

Nummer 2 | 17. Juni 2002

Lebewesen

Postcode 1

Milch ist ein Lebewesen. Sagt Gerhard Zürcher mit Leidenschaft. Er kommt eigentlich aus dem Emmental und käst seit Januar 2001 in einer Käserei, die ihm 13 Biobauern im Obergoms gebaut haben.

Der Maler und das Modell Als der Bieler Maler Franz Gertsch sie 1997 erstmals fotografiert und dann auf Riesenleinwand gemalt hat, sei sie zwar kein Mädchen mehr gewesen, aber auch noch keine Frau wie heute. Sagt Sylvia Schmutz nach langem Hinsehen. Für moneta trafen sich der Maler und sein Modell im Berner Atelier von Gertsch, der Ende Oktober in Burgdorf sein eigenes Museum bekommen wird. Darin soll es auch einen ganzen Raum mit verschiedenfarbigen Holzschnitten seines Frauenporträts «Silvia» geben. Sylvia selbst sah das neue Werk an diesem Abend im Mai zum ersten Mal. Seite 3

Foto: Ruedi Steiner

Die Gesichter einer Generation Direktionssekretärin Sylvia Schmutz, SP-Nationalrätin Pascale Bruderer, OL-Weltmeisterin Simone Luder und Freund Matthias Niggli, Soziologe Matthias Herfeldt, Werberin Nadja Schnetzler, Musiker Christian Häni und Fernsehmoderatorin Kathrin Winzenried haben mindestens eines gemeinsam: Sie sind Teil der Generation der 20bis 30-Jährigen. Und: Ihre Gesichter und Geschichten bilden einen fast zufällig gewählten Ausschnitt einer Generation, die den bewusst gewählten Schwerpunkt dieser monetaAusgabe ausmacht. Die Berner Psychologin Pasqualina Perrig-Chiello setzt darin behutsam einen wissenschaftlich fundierten Rahmen, bevor Brainstore-Vater Markus Mettler alles bestechend besser weiss.

Kolumne

Mitten drin im Leben

Inhalt Der Maler und das Modell Franz Gertsch (72) und Sylvia Schmutz (23) suchen die Worte

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Zwischen Fun und bitterem Ernst Pasqualina Perrig-Chiello über die Generation der 20- bis 30-Jährigen

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Mit Ehrgeiz durch die Wälder Europas OL-Weltmeisterin Simone Luder (23) und Freund Matthias Niggli (28) über den Erfolg in ihrem Leben

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Die Empörung des Matthias Herfeldt (29) Vom Frontdienst bei der Erklärung von Bern

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Das Buhlen der Banken Der Entscheid, wo ein Konto eröffnet wird, fällt immer früher

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Mit 25 ist alles gelaufen Bieler Brains sind jung und wissen alles besser

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Häni (22) sucht den coolen Song Der Frontmann von «scream» hat kein Auto

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Die Frau vom Lande und vom Fernsehen Kathrin Winzenried (29) will nie mehr 18 sein

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Das Denkbild Aldo Clerici wundert sich

Foto: zvg

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Die 20- bis 30-Jährigen . . . Mitten drin stehe ich da sozusagen. Eine Spanne von zehn Jahren; die Hälfte hinter, die Hälfte vor mir. Ich gehöre also voll dazu. Dazu? Wozu? Ab 20 ist man definitiv erwachsen; bringt diese Erkenntnis jedoch nicht ohne Schmunzeln über die Lippen. Man fängt an, die offenen von den geschlossenen Türen zu unterscheiden; kann es aber doch nicht lassen, auch an Letzteren herumzuriegeln. Irgendwann weicht die «Grümpelkammer» einem Weinkeller Pascale Bruderer und später der Goron einem Cabernet. Plötzlich siezt einen die Nachbarin, ob man will oder nicht; siezt einen noch dazu mit Vornamen («Wie geht es Ihnen, Pascale?»). Ein feines Restaurant vermag die Disco, die Oper das Kino zu toppen. Und wenn neben dem Weinkeller noch Platz genug ist, kauft man sich . . . Nein, doch kein Cabrio, sondern aus weiser Voraussicht einen Kombi. Der Fernseher wird wieder wichtiger. Man lässt sich nieder und wird – wenn nicht schwanger – so zumindest älter. Sind die Dinge so einfach? Und wir 20- bis 30-Jährigen so simpel (zusammen)fassbar? Zum Glück nicht wirklich. In der Kommode «Alter» befinden wir uns zwar in derselben Schublade. Nicht unbedingt aber im Regal «Interessen», im Schrank «Wertvorstellungen», im Schreibtisch «Probleme». Und auch nicht im Sekretär «Lösungen». Alle sitzen wir während dieser Phase wohl ein bisschen zwischen Stuhl und Bank. Aber dieses Dazwischen bietet Raum genug, um doch ganz unterschiedlich zu sein. Und um vorübergehend alternative Sitzgelegenheiten zu finden. Vielleicht beginnen sich zwischen 20 und 30 Jahren die ganz grossen Fragen zu stellen, das ist möglich. Doch können diese sowohl die Anschaffung eines Autos als auch die eines Zweitrasenmähers betreffen. Oder die private Vorsorge oder die Hochzeit. Familien- oder aber Studienpläne. Traurig, aber wahr. Und höchst unspektakulär noch dazu. Die 20- bis 30-Jährigen scheinen Menschen wie Sie und ich . . . oder besser: wie Sie und Sie zu sein. Und wenn ich sage, ich selbst stehe mittendrin, dann ist das nur die halbe Wahrheit. Mittendrin und voll daneben.

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Der Denkanstoss Die Antworten der AktionärInnen

Pascale Bruderer, 24, SP-Nationalrätin aus dem Aargau, jüngste Bundesparlamentarierin, Studentin der Volkswirtschaft und Politologie

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Emmentaler im Obergoms 13 Bauern bauen eine Biokäserei

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Bücher und Bälle

Impressum

Zeitung für Geld und Geist. Nr. 2, 17. Juni 2002

moneta erscheint mindestens vierteljährlich in deutscher und französischer Sprache. Wiedergabe von Texten und eigenen Illustrationen nur unter Quellenangabe und mit schriftlicher Zustimmung der Redaktion. Herausgeber: HerausgeberInnenverein moneta Redaktion: Ruth Hugi (verantwortlich), Felix Bührer, Aldo Clerici, Afra Sturm und Dominique Roten Redaktionelle Mitarbeit: Pascale Bruderer, Beat Hugi, Pasqualina Perrig-Chiello und Ruedi Steiner (Fotos) Layout und Produktion: Clerici Partner, Zürich Druck: ROPRESS Genossenschaft, Zürich Verlag: moneta, Leberngasse 17, Postfach, 4601 Olten, Telefon 062 206 16 16 Redaktionsadresse: moneta, Feldstrasse 10, Postfach, 4901 Langenthal, Telefon 062 922 91 56, Fax 062 922 04 88, E-Mail: [email protected] Abonnemente: Jahresabonnement Fr. 20.–, Förderabonnement Fr. 50.– Auflage dieser Ausgabe: 16 400 Ex. Beilagen und Inserate: Wir machen darauf aufmerksam, dass Beilagen, die nicht von der ABS selbst oder von moneta beigelegt werden, bezahlt sind und deshalb den ebenfalls bezahlten Inseraten gleichkommen – die Einnahmen daraus helfen uns, die Produktionskosten der Zeitung zu reduzieren.

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Nr. 2 | 17. Juni 2002

Generation 20/30 Franz Gertsch (72) und Sylvia Schmutz (23) suchen die Worte

Das Gesicht und sein Geheimnis Sylvia Schmutz mag solche Termine nicht. Zugesagt hat sie, weil sie unbedingt das neuste Werk von Franz Gertsch sehen wollte. Ein blauer Holzschnitt ihres Gesichts. Die virtuose wie geheimnisvolle Momentaufnahme eines kurzen Augenblicks in ihrem Leben. «Ich war damals kein Mädchen mehr, aber auch noch keine Frau», sagt sie. Auch Franz Gertsch versucht das Unerklärbare

Fotos: Ruedi Steiner

für moneta zu erklären.

S

ie steht wie angewurzelt. Ihr Körper verschwindet fast im riesigen Gesicht. Als wolle sie gleich reinschlüpfen in die schönen Züge, erhellt und entstanden aus hunderttausenden von kleinen Punkten, die Franz Gertsch in den letzten Monaten mit einem Hohleisen in die grosse Lindenholzplatte gekerbt hat. Es ist lange still in seinem hohen Berner Atelier am Altenberg. «Eigentlich kann man darüber gar nicht reden», sagt Gertsch langsam und ruhig im Hintergrund. Er lächelt ein bisschen verlegen. «Denn was ich beim Malen und Arbeiten suche, ist ein Ausdruck, der verbal gar nicht zu definieren ist. Den man nur im Bild darstellen kann.» Das ist seine Kunst. Einmalig. Grossartig. Grossformatig. Das erste «Silvia»-Gemälde ist 1997 entstanden. Damals machte ihn seine Frau Maria auf Sylvia Schmutz aufmerksam, die zu ihr in die Tai-Chi-Stunde kam. Sylvia, die Tochter eines benachbarten Bauern aus Rüschegg im bernischen Schwarzenburger Land, wo Franz und Maria Gertsch seit 26 Jahren leben. Er hat unzählige Fotos von Sylvia gemacht. Auf der Suche nach dem Geheimnis in diesem Gesicht, nach einem Augenblick, den er sich verinnerlichen wollte, um ihn später beim Malen immer wieder und immer tiefer zu spüren. Und daraus zu schöpfen. «Schon beim Fotografieren muss ich das Bild im Sucher sehen, die Möglichkeiten, die mir dabei eröffnet werden, die Tiefe, in die ich abtauchen kann. Das Foto ist nur das Sprungbrett, das Ziel

der intensive Augenblick und die ständige Erinnerung an diesen Augenblick. Ein Fotograf nimmt, will er auf einen Berg, das Bähnli. Ich begebe mich mit dem gleichen Ziel auf eine lange Wanderung, nehme vieles mit, nehme mir Zeit, erlebe in dieser Zeit viel und versuche das so Erlebte zu vermitteln. Mit meinen Modellen übrigens habe ich nach dem Fotografieren keinen Kontakt mehr. Es gibt da keine Geschichten.» Sylvia schaut zu ihm hin. «Ich kann mich noch gut an die Aufnahme erinnern. Und an das, was ich in dem Augenblick gefühlt habe, als das Foto entstand, das zur Vorlage für dein Gemälde wurde.» Gertsch lächelt. Und er wisse noch, wie sehr er Sylvia gefordert habe und wie sie langsam müde wurde. Wie sie geschaut habe, als wolle sie fragen: Was will der eigentlich noch von mir? – «Ich war zuerst sehr unsicher, du wolltest immer, dass ich ernst dreinschaue, ich aber musste immer lachen. Zum Schluss war ich nur noch müde, wollte nicht mehr und hoffte, dass du endlich mit Fotografieren aufhörst. Das ist wohl das Trotzige in diesem Blick.» Sie dreht sich wieder zum neusten «Silvia»-Bild um, einem riesengrossen Holzschnitt, abgezogen auf handgeschöpftes Japanpapier aus der Produktion des japanischen Hoflieferanten. Die gigantische Lindenholzplatte mit den kleinen, feinen Kerben liegt daneben. «Das ging an meine Grenzen», sagt der 72-Jährige fast entschuldigend. Er glaube kaum, eine solche Herausforderung nochmals anzunehmen, so viele Lichtpunkte zu setzen,

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Generation 20/30

«

Ich sehe in diesem Gemälde

nicht mein Spiegelbild. Ich sehe ein wunderschönes, berührendes Porträt einer

»

Frau, in der ich mich spiegle.

«

Was ich beim Malen und

Arbeiten suche, ist ein Ausdruck, der verbal gar nicht zu definieren ist, den man nur

»

im Bild darstellen kann.

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Nr. 2 | 17. Juni 2002

um Sylvia das Gesicht zu geben, das er immer wieder «Silvia» nennt. «Eine Landschaft lässt sich viel freier hinlegen. Schon ein einziger, falsch gesetzter Lichtpunkt im Mundwinkel von ‹Silvia› aber ist verheerend.» Gertsch schreibt sein Werk «Silvia» übrigens mit zwei «i», Sylvia ihren Namen mit einem «y». Sie stört sich nicht daran. «Es ist einfach wunderschön. Es ist so grossartig. Es ist schwer beschreibbar, wenn es ein solches Gemälde von einem selbst gibt. Als ich eben hereingekommen bin, habe ich gleich gespürt, wie mir diese neue ‹Silvia› hier von allen dreien, die ich gesehen habe, am besten gefällt.» Wobei sie die Gemälde wie auch diesen Holzschnitt immer wieder aus einer gewissen Distanz betrachte und betrachtet habe, «ich sehe darin nicht mein Spiegelbild, ich sehe ein wunderschönes, berührendes Porträt einer Frau, in der ich mich spiegle.» Sie habe ihren Vater kaum je weinen gesehen. «Aber als er das erste ‹Silvia›-Gemälde zum ersten Mal sah, füllten sich seine Augen mit Tränen. Und so geht es ihm immer wieder, wenn er das Bild sieht.» Das sage wohl fast alles. Und für sie? «Es ist wie eine Momentaufnahme eines einzigen, winzigen, wichtigen Augenblicks in meinem Leben. Ich war damals 17, 18 Jahre alt. Es gibt so einen Song von Britney Spears, der genau diesen Zustand beschreibt. Sie singt davon, noch keine Frau zu sein, aber auch kein Mädchen mehr. So war ich damals. Noch keine Frau, aber auch kein Mädchen mehr. Ich war in der Pubertät. Ich habe rebelliert. Heute fühle ich mich als Frau.»

Jetzt schaue sie aber genau so wie damals, dieser Ausdruck im Gesicht, murmelt Gertsch. «Obwohl, es ist bei mir nie ein Porträt im eigentlichen Sinn, bei dem das Wesentliche daran die Ähnlichkeit sein kann. Es geht mir mehr um das Wesen an sich, um das Wesen der Frau vielleicht.» Sie habe sich sicher verändert in den letzten Jahren, sagt Sylvia. «Ich habe eine Freundschaft beendet und eine neue begonnen. Ich war auf Reisen. Das sieht man mir heute auch an. Ich schaue anders als damals. Aber ich habe alles von damals noch in mir. Ergänzt und erweitert durch neue Erfahrungen. Meine Grundmauern waren damals aber bestimmt schon gesetzt.» Jetzt gehe es darum, nicht im ersten oder zweiten Stock mit dem Bauen aufzuhören, sondern an sich zu arbeiten, Stock für Stock, Lebensabschnitt um Lebensabschnitt. «Ich glaube nicht, dass wir uns auf unseren Lorbeeren ausruhen dürfen. Wir müssen stetig an uns arbeiten.» Sylvias Gesicht wird im neuen Museum von Franz Gertsch gleich mehrmals und in verschiedenen Räumen zu sehen sein. Diese werden derzeit in Burgdorf gebaut. Sie werden Ende Oktober eröffnet. «Da musst du dann auch kommen», sagt Gertsch zu Sylvia. In einem Raum werden viele dieser grossen «Silvia»-Holzschnitte zu sehen sein, in Regenbogenfarben eingefärbt. In einem andern Raum hängt Gertsch Sylvias Gesicht als Gemälde zum «Gläserzyklus I bis IV», einem gigantischen «Porträt» von der Natur um Rüschegg, gefunden in Grashalmen, wuchtig vergrössert, beglückend in Licht gebündelt.

Generation 20/30 «Ich habe meine Wurzeln in Rüschegg, bin dort daheim, am Schwarzwasser und im Wald. Dort bin ich so viel gesessen, habe geweint und gelacht, dorthin komme ich immer wieder zurück.» Sagt Sylvia Schmutz. Und dass sie heute nur in der Stadt leben könne, dass sie so lebendig sei, Abend für Abend Lust verspüre auszugehen und genau wisse, dass es ihr jetzt in Rüschegg zu langweilig würde. «Aber schon nach 14 Tagen bin ich von der Stadt derart verkrampft, dann muss ich nach Rüschegg. In den Wald und ans Schwarzwasser. Dort kann ich mich gehen lassen. Ich habe das Gefühl, endlich wieder frische Luft zu atmen. Es ist schön, das so haben zu können.» Gertsch: «Vielleicht ist es das, warum das Bild so gut zu den Gräsern passt und alle andern meiner Frauenporträts nicht. Diese Verbundenheit mit der Natur, mit Rüschegg.» Er selbst sei am Bielersee geboren. Der Blick über den See zur Insel sei seine Sehnsuchtslandschaft. Heute sehe er von Rüschegg aus den Chasseral in weiter Ferne. Und halte sich trotzdem ein bisschen an ihm. Die Natur, die Landschaft habe ihn mit den Jahren immer mehr eingenommen, hat sich mit dieser enormen Naturliebe verbunden, an der er sich als Kind gehalten habe. «Wir sind in die Stadt Bern gezogen, als ich fünf Jahre alt war. Aber ich bin immer wieder an den Bielersee zurückgekehrt.» So, wie Sylvia vom Schwarzwasser nicht lassen kann. Oder dann nur mal kurz, aber heftig. Wie kürzlich, als sie für vier Monate nach Frankreich zog. Und sich von dort nie gemeldet hat. «Weil ich genug von allem hatte,

als ich ging. Genug von meinen Eltern. Vom Bruder. Vom Freund. Jedes Wort hat mich genervt. Jedes Wort war eines zu viel.» Zwei Monate ging sie dann in Frankreich zur Schule, zwei Monate reiste sie herum. Alleine. «Ich bin stolz, es selbst geschafft zu haben. Ich habe mich durchgeboxt. Das hat mir Selbstwertgefühl gegeben. Und ich weiss das Leben, die Menschen und die Natur hier heute besser zu schätzen. Ich weiss, was ich daran habe. Viel mehr als vorher.» Und reisen werde sie auch bald wieder. Vermutlich alleine. «Ich bin zwar sehr gesellig. Ich brauche die Gesellschaft der Menschen. Aber plötzlich stellt es mir ab. Dann muss ich für mich allein sein. Dann ertrage ich keinen mehr.» Ob vielleicht gerade das der geheimnisvolle Inhalt ihres Ausdrucks auf dem Bild sei, fragt sie Franz Gertsch in die Stille. «Deine Frage: Was bringt das Leben?» Sylvia schaut sich wieder ins Gesicht. Beat Hugi

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Generation 20/30

Fakten aus der Forschung

Zwischen Fun und bitterem Ernst Verunsicherung und mangelndes Vertrauen prägen die Generation der heute 20- bis 30-Jährigen. Davon ist PD Dr. Pasqualina Perrig-Chiello überzeugt. Sie lehrt und forscht als Psychologin an der Uni Bern. Die markantesten Merkmale auf einen Blick: die Angst, eigene individuelle Bedürfnisse zurückstellen zu müssen, Probleme mit der Verlässlichkeit Foto: zvg

des Partners, der Partnerin, Misstrauen gegenüber der Gesellschaft allgemein, Lust auf Fun und Frust am bitteren Ernst. Die Analyse im Detail: Pasqualina Perrig-Chiello

N

och vor 30 Jahren resümierte der einflussreiche Psychologe Havighurst die Entwicklungsaufgaben des frühen Erwachsenenalters lapidar mit: Partnerwahl/Ehe, Familiengründung/Kinder, Beginn einer Berufskarriere. In der Tat war zu diesem Zeitpunkt der Lebenslauf der 20- bis 30-Jährigen ganz klar festgelegt: Bis spätestens mit 30 musste ein Mann solide im Beruf stehen und eine Familie gegründet haben. Von der Frau wurde ebenfalls erwartet, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt geheiratet und Kinder auf die Welt gestellt hatte – dass sie deshalb ihren Beruf aufgeben sollte, war selbstverständlich. Dieses Bild änderte sich in der Folge ganz erheblich. Im Zuge des gesellschaftlichen Individualisierungsprozesses der letzten Jahrzehnte nahmen in der Schweiz auch Scheidungen, Kinderlosigkeit und nichteheliche Geburten zu, gleichzeitig sanken die Heiratsraten. Lebensläufe und Lebensformen wurden immer mehr destandardisiert, das heisst, die sozial normierten, typischen Erwartungen an die Berufs-, Partner- und Elternrolle wurden weniger starr und konnten zunehmend individuell gestaltet werden. Wann, wie, wer welche Rolle übernimmt, Heiraten und Kinderkriegen wurde zu einer vorwiegend indiviist heute für junge Frauen duellen Angelegenheit. Aus dem einstigen beengenden Rollenzwang keine Selbstverständlichkeit ist eine Rollenfreiheit geworden, mehr – aber für junge Männer eine Freiheit, über die die jungen Leute nicht nur glücklich sein könauch nicht. nen. Denn die Individualisierung und der damit assoziierte Wertepluralismus brachten auch Verunsicherungen, abnehmende soziale Kontrolle und eine schwindende soziale Einbettung mit sich. Auf diesem Hintergrund ist es verständlich, dass immer mehr junge Leute auf ihr persönliches Recht auf Selbstverwirklichung, auf ihr persönliches Recht auf Glück pochen, was nicht selten in krassem Widerspruch zu den Möglichkeiten steht und unweigerlich zu Konflikten führen muss. In der Tat ist die «jeunesse dorée» gar nicht so golden wie vielfach angenommen. So zeigen repräsentative Schweizer Studien ein unmissverständliches Bild: Verglichen mit Personen mittleren und höheren Alters, sind die jungen Erwachsenen weniger zufrieden, berichten über mehr psychische Probleme und über mehr Konflikte mit PartnerInnen, Angehörigen, Behörden sowie am Arbeitsplatz. Realität ist weiter, dass sie nur zögerlich aus dem Elternhaus ausziehen, immer weniger Lust 6 Nr. 2 | 17. Juni 2002

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aufs Heiraten und Kinderkriegen haben – Realität ist aber auch, dass Männer wie Frauen viel in den Aufbau ihrer Berufskarriere wie für die persönliche Freizeitgestaltung investieren – und dass diesen Domänen höchste Priorität zukommt. Kennzeichnend für den Übergangsprozess ins Erwachsenenalter in unserer Gesellschaft ist nicht nur, dass es sich um eine stark individualisierte, sondern auch um eine lange Lebensphase handelt. Auffallend dabei ist die Asynchronizität der Entwicklungsmöglichkeiten: Einerseits haben bereits 18-Jährige alle möglichen formalen Rechte wie Wahlrecht, Ehemündigkeit usw., anderseits sind die meisten jedoch noch weit davon entfernt, ihr Leben autonom führen zu können, dies nicht zuletzt aufgrund ihrer ökonomischen Abhängigkeit von der Familie. Die veränderten ökonomischen Realitäten und die damit verbundene verlängerte Ausbildungsphase sowie der erschwerte Einstieg in den Beruf bringen es in der Tat unweigerlich mit sich, dass die Trennung von der Herkunftsfamilie sowie die Gründung einer eigenen Existenz für viele immer mehr aufgeschoben wird. Von Nesthockersyndrom sowie von Hotel Mama ist dann bezeichnenderweise die Rede, wobei dieses Phänomen nicht zu einem Spezifikum italienischer und spanischer matriarchaler Systeme reduziert werden darf, da es ja zunehmend auch zu einer helvetischen Realität geworden ist. Die veränderte wirtschaftliche Lage bringt es zudem mit sich, dass ganz generell die beruflichen Lebensläufe der jungen Erwachsenen unruhiger geworden sind, gekennzeichnet durch häufige Wechsel und Unterbrechungen. Dabei ist den jungen Leuten – trotz der vielfach beschworenen Freiheiten und Möglichkeiten – klar, dass sie in dieser Phase die Weichen für ihren Lebensweg stellen und dass getroffene Entscheidungen nur beschränkt revidierbar sind. Konsequenterweise investieren sie in der Regel sehr viel Zeit und Energie, um ihren Platz in dieser Gesellschaft definieren zu können – einer Gesellschaft, welche ihnen ohnehin wenig Partizipationsmöglichkeiten gibt. Das gilt für Männer wie für Frauen – und genau hier fängt auch ein weiteres Problem an: Die jungen Frauen übernehmen nicht mehr «automatisch» die ihnen traditionell zugewiesenen Rollen als Hausfrau und Mutter. Wie nie zuvor sehen sich junge Frauen gezwungen, sich auf stabile Art und Weise beruflich zu verankern, und sind auch nicht so schnell bereit, das Aufgebaute ohne weiteres für Mann und Kind zu opfern. Heiraten und Kinderkriegen ist heute für junge Frauen keine Selbstverständlichkeit mehr – aber für junge Männer ebenfalls nicht. Statt der einsti-

1. Angst, eigene individuelle Bedürfnisse zurückstellen zu müssen In der subjektiven Einstellung zur Lebensgestaltung allgemein, insbesondere aber zu Arbeit und Beruf hat sich in den letzten Jahrzehnten ein grundlegender Wandel vollzogen. Werte wie Pflichterfüllung, Disziplin, Anpassung und Fleiss haben an Bedeutung verloren. An ihre Stelle traten Werte wie Selbstbestimmung, Individualität, Selbstentfaltung, Kreativität, Lebensgenuss, Wellness sowie die Erhaltung der eigenen Gesundheit. Aus der Berufung ist der Beruf, der Job, geworden, der es ermöglicht, schnell und effizient zu Geld zu kommen, um diese Werte realisieren zu können. Gerade in dieser Phase zwischen 20 und 30 wollen viele junge Leute das Maximum an «Fun» (Disco, Reisen . . .) sowie an «Challenge» (Sport . . .) für sich herausholen. Dass das mit einer verbindlichen Partnerschaft, insbesondere aber mit elterlichen Pflichten interferiert, ist evident.

2. Nicht-Vertrauen in einen verlässlichen Partner, in eine verlässliche Partnerin Gravierender als das genannte Primat der Befriedigung eigener Bedürfnisse ist die Konfusion von impliziten und expliziten Rollenerwartungen an Partnerinnen und Partner. Wohl werden in unserer Gesellschaft traditionelle Rollenerwartungen an Frauen und Männer als Ehepartner und als Eltern ganz offen in Frage gestellt sowie alternative Modelle propagiert – de facto gelten

schlagartig, sobald Kinder erst mal da sind. Umgekehrt sind Enttäuschungen bei vielen jungen Männern vorprogrammiert, wenn ihre zum Teil nach wie vor traditionellen Rollenvorstellungen mit den Bedürfnissen ihrer Partnerinnen nicht konvergieren. Die mangelnde Transparenz beziehungsweise die Unvereinbarkeit von Rollenvorstellungen und Rollenmöglichkeiten bringen somit eine Verunsicherung und folglich auch eine Unverbindlichkeit mit sich, welche Ehe und Elternschaft als nicht primär erstrebenswerte Ziele taxieren. Die hohen Scheidungsraten sowie die Tatsache, dass Kindererziehen zunehmend auch bedeutet, allein zu erziehen, wirken sich als Motivationsdämpfer, wenn nicht gar als Abschreckungsfaktoren, insbesondere für die Frauen, aus.

Generation 20/30

gen Suche nach der Frau/dem Mann fürs Leben geht es nun allenfalls darum, den/die Lebensabschnittspartner/in zu finden – hierbei wird vor lauter Unsicherheit und Ambivalenz bezüglich Partnerschaft und Berufstätigkeit die «Kinderfrage» je länger, je mehr auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Was sind aber die tieferen Gründe, die zu dieser Ambivalenz bezüglich Partnerschaft und Kindern, zu dieser mehr oder weniger expliziten Verweigerung führen?

3. Nicht-Vertrauen in die Gesellschaft Schliesslich haben oben erwähnte Probleme auch eine gesellschaftliche Dimension. Es ist wohl nicht übertrieben zu sagen, dass in unserer Gesellschaft ein ausgesprochenes Desinteresse, ja gar eine strukturelle Rücksichtslosigkeit der Familie gegenüber exisDie Trennung von der tiert. Kindererziehung ist Privatangelegenheit, insbesondere aber Herkunftsfamilie sowie die eine selbstverständliche FrauenGründung einer eigenen pflicht. Es fehlen in der Schweiz weitgehend grosszügige finanzielle Existenz wird für viele immer Leistungen für Familien (Mutterschaftsversicherung, bezahlter Elmehr aufgeschoben. ternurlaub, Kinderzulagen usw.), und es mangelt vor allem auch an guten, für alle erschwinglichen Angeboten der Kinder-Tagesbetreuung. Es ist somit nicht verwunderlich, dass viele junge Leute in Kindern – neben einer Einschränkung von persönlichen Freiheiten – in erster Linie eine finanzielle Einschränkung sehen.

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Fazit

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Männer wie Frauen investie-

ren viel in den Aufbau ihrer Berufskarriere und in die persönliche Freizeitgestaltung. Diese Domänen haben höchste

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Priorität.

jedoch inoffiziell und stillschweigend in erheblichem Masse noch die alten Vorstellungen und Kontextbedingungen. So wird etwa die Erwartung einer jungen Frau, dass ihr Partner sie im Falle einer Mutterschaft substanziell und verlässlich stützen und entlasten kann, mit grosser Wahrscheinlichkeit enttäuscht werden. Dies einerseits darum, weil die gesellschaftliche Normierung der Rollenkonfiguration von Männern im Erwerbsalter (insbesondere beim Aufbau der «Karriere») nach wie vor sehr rigid ist (strukturelle Unmöglichkeit seitens der Arbeitgeber, aber auch soziale Sanktionierung). Anderseits sind viele junge Männer psychisch auch gar noch nicht bereit, diese Verantwortung zu übernehmen. Wie viele Studien gezeigt haben, verändern sich die anfänglich progressiven Einstellungen vieler junger Männer bezüglich Partnerschaft und Elternschaft

Auch wenn die Zeitspanne zwischen 20 und 30 keine einheitliche Lebensperiode ist, so ist sie doch im subjektiven Erleben der meisten dieser Leute eine entscheidende transitorische Phase. Es ist nicht Zufall, dass Leute mittleren und höheren Alters in ihrer biografischen Retrospektive Ereignisse aus genau dieser Zeitspanne besonders erinnern und erwähnen. Der Hauptgrund hierfür könnte sein, dass die jungen Leute hier erstmals die Selbstverantwortlichkeit über die eigene Biografie ganz bewusst wahrnehmen. Das Bewusstsein auch, aus dem relativen Schonraum der Adoleszenz heraustreten zu müssen, um die Rolle als Erwachsene zu übernehmen. Selbstverantwortlichkeit, Kontrolle über das eigene Handeln und das Gefühl von Machbarkeit sind wichtige Voraussetzungen, damit junge Leute in dieser Gesellschaft ihren Platz finden können. Selbstverantwortlichkeit wird vermittelt, sie ist Resultat der Erziehung, der Sozialisation. Die Familie wie die Gesellschaft haben somit eine Mitverantwortung, ja, einen Auftrag, klare und greifbare Randbedingungen zu setzen und Vorbildfunktion zu übernehmen. Dies im Sinne des Philosophen Teilhard de Chardin, wonach die Zukunft in den Händen derjenigen liegt, die der kommenden Generation triftige Gründe dafür geben, zu leben und zu hoffen. PD Dr. Pasqualina Perrig-Chiello

Pasqualina Perrig-Chiello ist Präsidentin der Leitungsgruppe des Nationalen Forschungsprogrammes «Kindheit, Jugend und Generationenbeziehungen im gesellschaftlichen Wandel» (NFP 52) Institut für Psychologie, Universität Bern, Unitobler, Muesmattstrasse 45, 3000 Bern 9

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heute wirklich sein müsse», sagt er und schaut zu Simone hinüber. Bei der aber ist in solchen Situationen nichts zu machen, und so tauchen die beiden in den Trainingsraum ab. «Es tut mir gut, wenn ich sehe, wie konsequent Simone das macht. Da will ich mich nicht lumpen lassen.» Er stelle natürlich auch hohe Ansprüche an sich, sei ebenso diszipliniert, aber «ich fokussiere es mehr auf bestimmte Ziele zu bestimmten Zeiten. Steht für mich der OL im Vordergrund, kann ich Prüfungen an der Uni oder den Job locker angehen. Ich setze eher Prioritäten als Simone.» – «Und so kannst du es für dich selbst viel lockerer nehmen. Ich lasse mich dann mehr stressen», ist Simone Luder überzeugt, «und dann sorgst du mit deiner Art bei mir für Entspannung. Bei mir ist der Berg manchmal gar hoch. Ich habe es gerne, wenn mein Tagesablauf gut geplant ist. Oft kommt dann aber zu viel rein.» Denn Simone will nicht nur im OL aufs Podest, sondern auch bei Prüfungen an der

Uni unter den Besten sein. Wenn nicht sogar die Beste. Kein Wunder, dass sie schon eine brillante Matura hinter sich hat. Sie sagt es mit einer entwaffnenden Selbstverständlichkeit. Keine Sekunde denkt man an Strebertum und Zwängerei. Der Ehrgeiz wirkt erfrischend natürlich. Fast schüchtern. Und doch so bestimmt.

Mit Ehrgeiz und Eleganz durch die Wälder Europas Im fernen Finnland erspurtete sich Simone Luder (23) letztes Jahr

Generation 20/30

OL-Weltmeisterin Simone Luder (23) und Freund Matthias Niggli (28)

auf der Zielgeraden den Weltmeistertitel im klassischen Einzellauf, der Königsdisziplin im OL-Sport. Freund Matthias Niggli (28) hat es bislang nicht aufs Podest geschafft. Vielleicht, sagt er, weil ihm noch das letzte Quäntchen Ehrgeiz fehlt, das er an seiner Freundin so bewundert. Sei es doch ein

Termine im Gleichgewicht Das Leben der beiden jungen OLCracks ist derzeit ein planerischer Dauerlauf, müssen sie doch Training, Wettkämpfe, Uni und Beruf ständig ins alltägliche Gleichgewicht bringen. Nicht daran zu denken, wenn eines der beiden nicht mitlaufen würde und andere Interessen hätte. «Das wäre vermutlich eine Katastrophe. So aber sind wir ja meist gemeinsam unterwegs. Und jeder von uns hat das nötige Verständnis für den andern, weil er selbst genau weiss, warum der andere so viel für diesen Sport tut», sagt Simone. Ihr sieht man die Zähheit, den sprichwörtlich eiser-

» zieht mich an.

gefallen. Diesen Erfolg nochmals zu

Zeit, und er ist mir eigentlich sehr leicht

«

Fotos: Ruedi Steiner

Ich habe viel Erfolg gehabt in letzter

gutes Gefühl, ganz oben zu stehen.

spüren und zu bekommen, treibt und

O

hne Ehrgeiz geht im Spitzensport gar nichts. Ohne Spass am Sport aber auch nicht. Davon sind beide überzeugt. Simone Luder, OL-Weltmeisterin 2001, und ihr Lebenspartner Matthias Niggli, ebenfalls Spitzenläufer im nationalen Kader für Orientierungslauf. Ein natürlicher Ehrgeiz, der Simone Luder auch dann ins Freie und zum Laufen treibt, wenn es aus Kübeln giesst und kaum einer die Laufschuhe anziehen würde. Simone schon. Diese Konsequenz und Kraft ist etwas, das Matthias Niggli an seiner Freundin immer schon bewundert hat. Und bei ihm möglicherweise als letztes Quäntchen auf dem Weg zum absoluten Spitzenplatz noch fehlt. «Aber ich arbeite daran», meint er grinsend. Auch dann, wenn draussen die Sonne scheint und auf dem minutiösen Wochenplan der beiden Krafttraining angesagt ist. «Das ist ab und zu der Moment, wo ich schon mal nachfrage, ob es denn

nen Willen kaum an. Nicht so wie bei vielen Leichtathletinnen. Diese Verbissenheit dort. Auch wenn Simone genauso verbissen kämpfen kann: «Ich habe viel Erfolg gehabt in letzter Zeit. Und er ist mir eigentlich sehr leicht gefallen. Diesen Erfolg nochmals zu spüren und zu bekommen, treibt und zieht mich an. Es ist ein gutes Gefühl, ganz oben zu stehen. Die Hymne zu hören. Die Anerkennung des Umfelds zu geniessen und vor allem auch die eigene, innere Genugtuung zu spüren. Man weiss in diesem Moment ganz genau, wofür man den ganzen Aufwand betreibt. Man weiss, dass es für etwas ist, das sich lohnt.» So geht es auch Matthias, wenn Simone wieder gewonnen hat. Kein Neid, nur Freude. Und Antrieb. Sagt er. Denn er fühle sich am Erfolg seiner Freundin mitbetei-

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» machen, und es gefällt ihr. der andere so viel für diesen Sport tut.

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den andern, weil er selbst genau weiss, warum

Jeder von uns hat das nötige Verständnis für

Wir sind ja meist gemeinsam unterwegs.

Der studierte Geograf Matthias Niggli arbeitet heute 60 Prozent als Informatiker bei den SBB, Simone studiert Biologie in Bern und forscht derzeit für ihre Diplomarbeit zur biologischen Schädlingsbekämpfung. Sie könnte sich gut vorstellen, sich später einmal in einem Umweltbüro oder beim WWF zu engagieren und daneben eine Familie zu haben. «Denn Werte wie Freundschaft und Familie sind mir von jeher wichtig.» Ebenso der Ausgleich zwischen mindestens zwei Herausforderun-

sein, wo ich etwas anpacken und erreichen kann.» Dabei denkt er nicht an Informatik, kann sich aber gut vorstellen, bei den SBB in einem anderen Bereich aktiv zu werden, der näher bei den Inhalten seines Studiums liegt, das er übrigens mit einer Arbeit über das Risiko Hochwasser und dessen Folgen wie Prognostizierung abgeschlossen hat. «Die SBB finde ich als Institution sehr spannend, und Verkehrsplanung wie öffentlicher Verkehr interessieren mich.»

«

Freundschaft und Familie

gen, genau so wie heute. «Wenn ich den OL-Sport nicht mehr habe, brauche ich neben der Familie sicher noch etwas anderes, wofür ich mich einsetzen kann.» Genauso sieht es Matthias, der sich sehr wohl in der Rolle als Hausmann sieht, wenn sie denn teilzeitlich ist. «Auch ich brauche daneben sicher eine Herausforderung, etwas, wo ich mich reinknien kann, etwas, das mich erfüllt. Heute sind es OL und Beruf. Später können es die Familie und der Beruf

das Gefühl, mit ihr kann man so viel

leicht von der Hand gegangen. Ich hatte

«

Alles, was sie angepackt hat, ist ihr

Generation 20/30 ligt. Und freue sich entsprechend. Gleichzeitig wachse mit jedem Podestplatz von Simone sein Wunsch, es auch noch bis nach ganz oben zu schaffen. «Man braucht solche Erlebnisse, um vorwärts zu kommen.» So sei es in ihren beiden Karrieren immer gewesen. Zuerst mit den Familien mehr aus Spass als aus Sport unterwegs, später im regionalen und im nationalen Juniorenkader, dann unter den besten Schweizerinnen und Schweizern. Dort habe man sich auch besser kennen gelernt. Vor gut acht Jahren. Sie war von Matthias fasziniert, von seiner Ausstrahlung, seiner Art, und die gemeinsamen Interessen haben sie noch ermutigt und bestärkt. Für ihn war Simones Vielseitigkeit verblüffend und anziehend zugleich. «Alles, was sie angepackt hat, ist ihr dank der Intelligenz und Charakterstärke leicht von der Hand gegangen. Ich hatte das Gefühl, mit ihr kann man so viel machen, und es gefällt ihr. Das passt zu mir. Mein erster Eindruck von damals bestätigt sich heute täglich.» Matthias lacht. Sie seien «sambo» zusammen, heisst es auf ihrer gemeinsamen und selbst betreuten Internet-Homepage, «verliebt».

Laufen auf dem Lande Auch wenn OL-SpitzensportlerInnen ihre Karten laufend lesen, sich dabei blitzschnell ein dreidimensionales Bild von der Landschaft, dem Auf und Ab des Parcours machen müssen und stets versuchen, ohne eine Sekunde stehen zu bleiben, alle Posten zu finden und anzulaufen, spielt das Leben und Laufen in der Natur eine wich-

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Europa genau beschreiben.

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Das gefällt mir. Ich kann euch jeden Wald in

«Wäre der VCS eine Partei, wäre es die ideale Partei für mich», sagt Matthias. Und Simone wirbt derzeit sogar auf Plakaten für den grünen Verkehrsclub der Schweiz. Ansonsten trainieren beide täglich. Im Winter etwas mehr als im Sommer, mindestens aber drei Viertel Stunden pro Tag, höchstens zwei Stunden. «Das heisst bei uns, dass wir in dieser Zeit wirklich laufen. Vorbereitungen vor und nach dem Lauftraining kommen dann noch dazu. Das ist nicht so wie bei den Fussballern, die in ihrer Trainingszeit nie ununterbrochen laufen. Wir schon.» Zeit zu laufen heisse übrigens auch, viel Zeit zu haben, um etwas zu verarbeiten, den Kopf frei zu machen, oder, wie Matthias sagt, auf neue Ideen zu kommen. «Laufen regt nicht zuletzt meine Kreativität und Fantasie an. Das gefällt mir.» Und Simone Luder staunt nicht selten darüber, wie sie nach einem anstrengenden Tag an der Uni hundemüde zu laufen beginnt und nach wenigen Metern schon wieder lockerer und kräftiger wird. Ein bis zwei Mal die Woche gehen die beiden zudem zu Krafttrainings, und dann die vielen Reisen und Wettkämpfe während der Saison. «Ich kann euch jeden Wald in Europa genau beschreiben», sagt Matthias und lacht. Er wisse alles über deren Vegetation, seine Artenvielfalt, die Fauna, die Flora, den Geruch.

Laufen regt nicht zuletzt meine Kreativität an.

Werbung für den VCS

«

Das OL- und Lebensduo Luder/Niggli hat denn auch kein Auto, kommt mit den guten Diensten von «Mobility» trotzdem zur nötigen Bequemlichkeit, unterstützt eher linke und grüne Politik, ohne sich nun grad von einer Partei auf eine Liste locken zu lassen. Für Simone ist das noch weniger ein Thema als für Matthias, der sich aber nie als «OL-Läufer Niggli» aufstellen liesse. Zudem würden ihn auch bei den grünen Parteien zu viele Themen nicht genug interessieren.

tige Rolle. An Trainingstagen wie im Wettkampf. Und die Wettkämpfe führen die beiden an Orte, wo sie privat nie hinkommen würden. Aber dennoch wunderschön sind. Meist auf dem Lande. Immer ohne das herkömmliche Touristikprogramm. «Dafür fehlt dann natürlich die Zeit.» Zumal die beiden das, was viele als Familienplausch in Erinnerung haben oder erleben, als Spitzensport betreiben und ihr Leben heute noch strikte darauf ausgerichtet haben. Um dort zu den Weltbesten zu gehören. Simone noch ein kleines Schrittchen mehr als Matthias. «Simone hat mit zehn begonnen, OL zu laufen, ich ein bisschen später, beide mit den Vätern, in der Familie. Zuerst ist es ein Spass rund um die Frage, ob man alle Posten überhaupt findet oder ob man sich in einem finnischen Wald verläuft. Heute geht es darum, jeden Posten auf Anhieb zu finden, ohne je stehen zu bleiben. Früher

war das noch egal. Der Wald war so schön. Heute geht es um jede Sekunde. Und darum, noch schneller, noch besser zu werden. Besser und schneller als die anderen. Das ist es, was den Spitzensport ausmacht.» Ein Spitzensport, bei dem man kaum gross Geld verdienen kann. Aber das ist für Simone und Matthias wirklich kein Thema. Ausser, dass es vielleicht mit ein Grund ist, warum der OL-Sport bis heute sauber geblieben ist. Dopingkontrollen werden zwar laufend gemacht, haben bis heute aber nie positiv geendet. Und Ehrgeiz steht nirgends auf der Liste der verbotenen Mittel. Beat Hugi Wer mehr über Simone Luder und Matthias Niggli wissen möchte, findet ihre selbst betreute Homepage mit Lebensläufen, Ranglisten und Tagebüchern im Internet unter www.simattu.ch.

Foto: zvg

Simone wirbt auf Plakaten für den grünen Verkehrsclub der Schweiz.

«Mit dem VCS bin ich immer auf dem Laufenden – auch in Sachen Verkehrspolitik»

Simone Luder, OL-Weltmeisterin und VCS-Mitglied

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Foto: Christian Lanz

Generation 20/30 Matthias Herfeldt, 29

«Politischer Ausdruck meiner Empörung» Matthias Herfeldt hat Soziologie, Psychologie und Pädagogik studiert, arbeitete nach seinem Studium mit Flüchtlingen, in einem Asylbewerberzentrum, machte Nachtwachen. Seit einem Jahr ist er bei der Erklärung von Bern (EvB) zuständig für das Projekt «Public Eye on Davos», eine Kampagne zum Weltwirtschaftsforum (WEF). Sein Arbeitsgebiet ist die ganze Welt. Er ist 29, politisch engagiert, in festen Händen und hat einen Hang zu Natur und Umwelt.

moneta: Du arbeitest seit einem Jahr bei der entwicklungspolitischen Organisation Erklärung von Bern (EvB) und leitest die Kampagne «Public Eye on Davos» zum Weltwirtschaftsforum. Suchst du das Rampenlicht?

Matthias Herfeldt: Die Erklärung von Bern will das Thema Globalisierung an die Öffentlichkeit bringen und es von einer kritischen Seite beleuchten. Die Veranstaltung des WEF erregt tatsächlich sehr viel Medienaufmerksamkeit. Davon wollen wir profitieren. Es ist wie der Judoeffekt. Man benutzt die Kraft des anderen für sich selbst. Zusammen mit anderen Alternativprojekten und Gegenprojekten ist es uns in den drei Jahren gelungen, in den Medien präsent zu sein. Wie lautet der Forderungskatalog?

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Wir haben keinen Forderungskatalog an das WEF. Wir meinen aber grundsätzlich, die ökonomischen Ressourcen sind ungerecht verteilt und die Wirtschaft

hat für Umverteilungsbestreben kein Gehör. Die Kampagne ist eine Möglichkeit, dies der Öffentlichkeit zu zeigen. Der Schwerpunkt unserer Kampagne ist eine internationale Konferenz, die wir ebenfalls jeweils in Davos abhalten oder wie 2002 in New York, weil auch das Weltwirtschaftsforum (WEF) seine Jahresversammlung dort abgehalten hat. Das war ein Höhepunkt für mich. Wir organisierten die Konferenz zusammen mit einer internationalen Koalition von zehn NGOs. An der viertägigen Konferenz nahmen gegen 2000 Leute teil . . .

. . . Leute aus dem Süden und dem Norden. Und es traten nicht hauptsächlich Europäer oder Amerikaner auf. Wir haben uns auf das, was sich rund um die Globalisierung dreht, spezialisiert. Die Mitglieder des WEF sind die grössten Konzerne. Die Globalisierung wird von diesen Konzernen geprägt. Sie suchen die wirtschaftlich günstigsten Produktionsstandorte, produzie-

Konkrete Entscheide werden aber nicht gefällt. In deinem normalen Alltag siehst du die Erfolge deiner Arbeit kaum. Wie gehst du damit um?

Das beschäftigt mich tatsächlich, und ich vermisse es auch. Früher hatte ich unvermittelter die Wirkung meiner Handlungen gespürt. Heute sehe ich nicht einmal die Menschen, die letztlich eine bessere Lebensgrundlage erkämpfen wollen. Ich sehe die geschulten Vertreter der Gemeinschaften, aber die einfachen Leute sehe ich nicht. Den Erfolg meiner Arbeit kann ich nur sehr indirekt und verzerrt wahrnehmen. Ob die Konferenz ein Erfolg war oder nicht, heisst ja eigentlich noch nichts. Den Schmetterlingsflügelschlag, wie der dann über sieben Ecken zu einer Verbesserung führt, kann man nicht nachvollziehen. Messbares liegt eher im unmittelbaren Erfolg. Etwa, dass wir von den Medien wahrgenommen werden. Das ist gut. Wenn viele Menschen darüber lesen, kommt unser Anliegen ins öffentliche Bewusstsein. Es findet eine Diskussion statt, und die PolitikerInnen müssen reagieren. Auf der emotionalen Seite ist es eine sehr indirekte Art und Weise von Einsatz für Menschen im Süden und in ärmeren Ländern. Warst du einmal am WEF?

Nein. Man kann da auch nicht einfach hingehen. Man wird ad personam eingeladen. Es ist eine ausgewählte Schar von JournalistInnen da. Leute der «Public Eye»-Koalition waren dort. Heute sind jeweils zwischen 50 bis 100 NGOs anwesend. Du betreibst Marketing für die EvB. Könntest du dieselbe Arbeit auch in der so genannt normalen Wirtschaft leisten?

Nein. Ich möchte Dinge auch künftig differenziert angehen, um die Anliegen, die mir wichtig sind, weiterzubringen. Obwohl, ich bin nicht einfach gegen die Wirtschaft. Nehmen wir zum Beispiel die Alternative Bank ABS. Sie ist ein Wirtschaftsfaktor, und es ist ganz wichtig, dass gerade in den typischen Bereichen der Wirtschaft Alternativen bestehen. Ich finde es grossartig, dass sich Leute an solches heranwagen. Das eine ist, zu kritisieren, was nicht gut läuft, und es ist was anderes, Alternativen zu entwerfen und die zum Erfolg zu bringen, gerade in einem System, das widerständig ist gegen alternative Projekte. Welche Rolle spielt das Geld in deinem Leben?

Ich habe ein Konto bei der ABS und eines bei der Post für den täglichen Geldverkehr. Ich hatte immer genug Geld. Ich habe aber bescheiden gelebt. Ich fand ursprünglich keine Anstellung in dem Bereich, den ich wollte, und habe bei Gelegenheitsarbeiten sehr wenig verdient. Vielleicht ist das aber auch im Sinne der Nachhaltigkeit für den ganzen Planeten, sich einzuschränken, statt viel zu verdienen und viel auszugeben. Ich bin 29. Ich habe keine lange Vergangenheit darin, gutes Geld zu verdienen. Ich verdiene recht. Geld ist für mich nicht wichtig, ich hatte nie einen Mangel, und ich habe keine ausgefallenen Wünsche. Ich meine, wir leben gut hier. Das soll reichen.

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ren in Ländern, in denen Regelungen zum Sozial- und Arbeitsrecht kaum bestehen, missachtet werden oder sehr tief angesetzt sind. In den Anfängen suchte die EvB sehr bewusst den Kontakt und die Kontroverse zum WEF als Institution. Doch die Diskussionen waren enttäuschend. Deshalb organisierten wir eine eigene Konferenz, wo Vertreter aus dem Süden und dem Norden kritisch über das WEF und über Alternativen zur Globalisierung diskutieren.

Fühlst du dich «speziell» in deiner Altersgruppe?

Ich fühle mich nicht allein. Wer eine studentische Vergangenheit hat in Sozialwissenschaften, interessiert sich für das politische Umfeld. Auch die Freundschaften ergeben sich aus diesem gemeinsamen Interesse. Ich meine, in meiner Altersgruppe findet eine Repolitisierung statt. Mindestens ein Teil der Jugend tritt wieder an die Öffentlichkeit. Aber ich habe auch viele Bekannte, die nicht politisch sind im engeren Sinne. Das ist vielleicht typisch für diese Altersgruppe, sie denkt politisch, ohne definiert zu sein. Du arbeitest weltumspannend. Bist du als Person ebenso offen für die ganze Welt?

Ich habe gerne eine Heimat. Ich brauche mein Umfeld. Das spüre ich. Ich habe als Student kein Auslandsemester gemacht, und ich habe noch nie im Ausland gewohnt. Mich zieht es nicht fort. Die Schritte, die ich mache, sind zwar noch nicht so gross, wie ich sie mir vielleicht früher vorstellte. Ich sehe mich derzeit als Teil eines Ganzen. Das wird mich in beruflicher Hinsicht die nächsten Jahre prägen. Persönlich möchte ich sicher gerne einmal eine Familie haben. Das ist nicht geplant, aber das kann schon bald oder auch etwas später sein. Der Boden dazu ist gelegt. Ich wohne in einer Wohngemeinschaft und stelle mir eine Familienstruktur in einer alternativen Lebensform vor. Die Arbeit ist also nicht das ganze Leben?

Bei starkem politischem Engagement wie bei der EvB besteht die Gefahr, dass die Arbeit zum totalen Lebensinhalt wird. Das darf es zeitweise sein. Aber sicher nicht mittel- und längerfristig. Der soziale Ausgleich ist wichtig. Wir haben einen Garten. Ich lebte drei Monate in einer Selbstversorgungskommune. Ein Alternativentwurf. Die Natur ist mir wichtig, das Wandern, die Gartenarbeit. Interview: Ruth Hugi

Arbeitstag von Matthias Herfeldt Medienarbeit. Sitzungen. Vernetzungsarbeit und Koordination mit anderen NGOs, mit der Trägerschaft. Bereitstellen von Informationen zu den Veranstaltungen. Koordinationstreffs. «Wir sind die Anlaufstelle für Medien, andere Organisationen, interessierte Leute, Behörden, Polizei, die Regierung in Graubünden. Traditionell arbeiten wir mit anderen Nichtregierungsorganisationen und Bewegungen in der Schweiz und in den Entwicklungsländern zusammen, die auf der Seite der Armen und der Dritten Welt stehen. Die EvB wurde 1968 gegründet und ist kontinuierlich im Aufwind.» Bei der EvB arbeiten zwölf Personen in Zürich und sechs in Lausanne. Erklärung von Bern EvB, Postfach, 8031 Zürich Telefon 01 277 70 00, Fax 01 277 70 01, [email protected], www.evb.ch Déclaration de Berne, Rue de Genève 52, CP 212, 1000 Lausanne 9 téléphone 021 620 03 03, fax 021 620 03 00, [email protected], www.ladb.ch

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Der Kontoentscheid fällt vor 20

Im Marketing-Visier der Banken Die Grossbanken buhlen mit besonderen Konten und Gratisangeboten um die Gunst der 20- bis 30-Jährigen. Die Berner Kantonalbank mag bei diesen Marketinganstrengungen der Grossen nicht mitziehen. Der Entscheid, wo das Konto geführt wird, falle früher, sagt der Marketingleiter der Bank.

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in spezielles, gebührenfreies Konto, bis zu drei Karten zum Nulltarif, Kinogutscheine, Seminare, Zeitschriften oder Universaltragtasche. Das sind die Stichworte, die die beiden Grossbanken Credit Suisse und UBS anführen, wenn es um die Altersgruppe der 20- bis 30-Jährigen geht. Im Wissen darum, dass künftige HochschulabsolventInnen und AbsolventInnen höherer Fachschulen dereinst gute Löhne haben werden, arbeiten die Banken daran, diese KundInnen zu sich zu ziehen. «Studentinnen und Studenten können eine interessante Kundschaft werden», weiss Janine Amacher von der UBS. «Sie werden in guten Jobs arbeiten und gute Löhne haben.» Bei den verschiedenen Spezialangeboten hat die UBS jüngst Korrekturen angebracht. «Wir bemerkten, dass sich Leute dieser Altersgruppe vermehrt fürs direkte Bankgeschäft interessieren und immer weniger an den übrigen Dingen interessiert sind, die wir gratis abgeben. Jene, die solche Gratisprodukte abholten, tätigten ihre Bankgeschäfte trotzdem nicht bei uns.» Die UBS will nun dieser Altersgruppe zeigen, wie gut die Bankdienstleistungen sind. So zum Beispiel ein Fondskonto für Menschen, die noch nicht viel verdienen. Es könne mit wenig Geld ein kleines Vermögen aufgebaut werden. Amacher: «Wir wollen zeigen, dass man mit dem Lohn mehr machen kann, als einfach nur ein Konto zu haben.»

Alle gleich «Grundsätzlich behandeln wir alle Kundinnen und Kunden ab 20 Jahren als Erwachsene», sagt Roland Leuenberger, Marketingleiter bei der Berner Kantonalbank BEKB. «Wir bevorzugen keine Gruppen, keine Senioren, keine Jungen. Jeder Kunde, jede Kundin soll jährlich an einem Anlass teilnehmen können.» Speziell für 20- bis 30-Jährige eigne sich der Anlass zum Wohnen, den die BEKB gemeinsam mit dem Mieterverband und weiteren Teilnehmern organisiert. Eine kleine Marktforschung habe gezeigt, dass im Bereich Wohnen Interesse bestehe. Doch die BEKB gewähre keine speziellen Vergünstigungen. Die BEKB beteiligt sich an der «Studenten-

Stellenbörse» Aiesec. Und für InternetUser bietet die Bank ein Konto über das Internet an, das mit der Haushaltplanung gekoppelt ist. Leuenberger: «Es macht keinen Sinn, dass wir uns auch noch in diesem Segment der 20- bis 30-Jährigen speziell engagieren. Die Credit Suisse ist mit der Ciné Card sehr stark präsent. Deshalb setzen wir eher auf spezielle Beratung.» Die Kontowahl würden Jugendliche vor ihrem 20. Geburtstag treffen, ist Leuenberger überzeugt. «Die Kontobereinigung findet vorher statt. Wenn die Gebühren zu laufen beginnen, setzen die Jugendlichen auf eine Bank und liquidieren die anderen Konten. Wir setzen unseren Schwerpunkt marketingmässig vorher. Bei den Kindern und Jugendlichen.» Der Raiffeisenverband bearbeitet die Altersgruppe gemäss Jeannette Wild nicht speziell. «Trotzdem haben wir sehr viele neue Kundinnen und Kunden zwischen 20 und 30 Jahren.» Für Leute, die eine Familie planen oder ein Wohnheim wollen, seien die Raiffeisenbanken attraktiv, sagt Wild. Diese Attraktivität komme nicht von ungefähr, fügt sie an. «Wir behandeln alle Kundinnen und Kunden gleich, egal über wie viel Geld sie verfügen und welches Einkommen sie haben.» Bei der Freien Gemeinschaftsbank BCL in Basel sind altersspezifische Angebote und Aktionen kein Thema. Nico Dürr zu moneta: «Unsere Zielgruppe sind Leute jeder Altersgruppe, die zum Beispiel im Umweltbereich investieren wollen, in die Alternativmedizin oder in die biologische Landwirtschaft. Die Kundinnen und Kunden können bei uns festlegen, wo ihr Geld angelegt werden soll, und sie wählen den Zinssatz zwischen null Prozent und dem Maximum.» Felix Bührer von der Alternativen Bank ABS definiert die Zielgruppe der Bank so: «Es sind Leute, die bewusst in die Umwelt und in Soziales investieren wollen. Jugendliche haben bei der ABS ein Anlagenkonto.»

fen. Ein Steuerseminar im März und ein Seminar zum Thema Anlagen, Börse und Wertpapiere im Herbst. Zurzeit sei die Basler Kantonalbank am Ausarbeiten eines Neukonzepts, sagt Stöcklin. «Wir stellten uns die Frage, ob sich die Aktivitäten überhaupt noch lohnen. Es gab Angebote, die nicht mehr zeitgemäss sind, so zum Beispiel die Velovignette. Wir gaben sie gratis ab, und kaum jemand wollte sie, oder wir luden gratis zur Kinovorpremiere, und es nahmen vor allem bis 21-Jährige daran teil. Nun überprüfen wir, was von Interesse sein könnte.» Stöcklin behauptet, seine Bank mache für alle etwas. In finanzieller Hinsicht sei die Altersgruppe zwischen 20 und 30 wenig attraktiv. Es sei eine schwer zu fassende Altersgruppe.

Der Anfang ist wichtig Das wissen auch die Manager von Martin Ebners BZ Bank, die weder mit Kundenkonti noch regulärem Bankgeschäft und Filialen am Markt auftritt. Denn auch hier sind die Jungen durchaus ein Thema, will man den jungen KundInnen doch vom schwyzerischen Freienbach aus früh die Möglichkeit verschaffen, Aktien zu erwerben. «Wir ziehen keine Minimalgebühren für Einsteiger ein, sondern nur ein halbes Prozent Courtage», wirbt Kurt Schiltknecht für seine Bankaktivitäten. Damit könne sich jemand, der noch nicht viel Geld hat, aktiv am Aktienmarkt beteiligen. «Wir finden es sehr wichtig, dass Junge und auch kleine Investoren eine Chance haben, Aktien zu erwerben. Es ist für uns kommerziell kurzfristig nicht sehr attraktiv, aber auf der anderen Seite ist jeder Anfang wichtig.» Die Leute müssen sich mit Wirtschaftsfragen beschäftigten, sagt Schiltknecht. Aus Erfahrung eröffnen viele Eltern ihren Kindern oder der Götti seinem Göttibueb ein Konto. Dadurch bekommen die Kinder Interesse an den Gesellschaften und lesen den Geschäftsbericht. Ruth Hugi

Neues Konzept Die Basler Kantonalbank wiederum hat gemäss Markus Stöcklin ein paar wenige Aktivitäten für 18- bis 25-Jährige am Lau-

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BrainStore-Gründer Markus Mettler (35) über Ideen, CEOs, Chaos und die Jungen

«Sie sind mit einer opportunistischen Mündigkeit ausgestattet»

Fotos: Ruedi Steiner

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Markus Mettler (35) produziert mit Nadja Schnetzler (30) in einer Bieler Fabrik industriell Ideen. Dabei macht er sich die Kreativität und Frechheit der Jungen zu Nutze, lässt sie mit abgebrühten Fachleuten, verunsicherten CEOs und professionellen «Brains» reagieren. Letztere sind im Durchschnitt 26 Jahre alt, Erstere um die 15.

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lauben sie ja nicht, von mir etwas über die Faszination der Altersgruppe von 20 bis 30 zu hören zu bekommen», stellt Markus Mettler gleich mal klar, «weil es daran nichts Faszinierendes gibt.» Ausser dass die 25 festangestellten «Brains» in seiner Bieler Ideenfabrik BrainStore, seit 1997 am Netz, ein Durchschnittsalter von 26 haben und ständig ein Jahr älter werden. Sie haben nicht selten mit 14 oder 15 Jahren bei BrainStore zu arbeiten begonnen. Denn Mettler setzt auf das Potenzial der Jungen, wenn er und die Seinen sich auf die Suche nach Ideen machen. «Was heisst denn jung?», fällt er gleich wieder über die nächste Frage her, nicht unfreundlich, eher engagiert und interessiert: «Wir setzen nicht auf die Jungen. Wir setzen nicht auf die Alten. Wir setzen darauf, die beiden Seiten schlau zusammenzubringen. Dann entstehen innerhalb kürzester Zeit brauchbare Resultate und interessante Inputs. Wenn wir hier bei uns von den Jungen reden, dann reden wir primär von der Altersgruppe 14 bis 19. Das ist eine speziell faszinierende Zwischenphase, weil man dann noch über die geballte Ladung Fantasie der Kindheit verfügt und anderseits schon die Auffassungsgabe und das Verständnis, komplexe Zusammenhänge zu verstehen, mitbringt. Mit 20, so hart das tönt, ist das meiste im Leben vorgespurt.» Aus der Optik eines 15-Jährigen sei ein 25-Jähriger doch ein alter Mann. Weil der 25-Jährige all das erreicht habe, was der 15-Jährige als Meilensteine des Lebens sieht: eigene Wohnung, einen Job, eine Beziehung, Velo, Töff oder Auto. «Bei einem 25-Jährigen passiert nicht mehr viel, das zeigen alle Analysen. Ausnahmen bestätigen die Regel. Der Bauer vielleicht, der mit 29 nach Kanada auswandert, der Bäcker, der noch Metzger wird. Aber sonst? 90 Prozent aller Menschen hier nehmen die Möglichkeiten, zu wechseln, doch gar nie mehr wahr.» Anders beim 15-Jährigen. Der reagiere noch spontan. Mettler: «Dem 15-Jährigen hat man eingetrichtert, erst zu denken, dann zu reden. Aber er glaubt es nicht und macht es auch nicht. Dem 25-Jährigen hat man eingetrichtert, zuerst zu denken und dann zu reden. Und er glaubt es. Dann ist mehrheitlich fertig lustig.» Wen wunderts da noch, dass Mettlers Idee von einer Ideenfabrik schon in der Schule zu keimen begann. Angesichts all der vielen Ideen, der kreativen Köpfe, die dort zusammen sind, nie aber mit der ideenlosen Umwelt draussen in Kontakt gebracht werden, nicht mit den

Generation 20/30 UnternehmerInnen, nicht mit den PolitikerInnen, nicht mit den CEOs der Grossbanken beispielsweise, die sich herzhaft wie hilflos um die Gunst der Jungen bemühen, ohne die Jungen auch nur einmal zu fragen, wie es denn sein könnte oder sein müsste. «Das Resultat bei den Grossbanken ist doch einfach schrecklich, wie die sich anbiedern, lieblos.» Markus Mettler ist überzeugt, dass die Jungen sich gewöhnt sind, Lockvogelangebote schnell zu durchschauen, gewohnt sind, schlichte Show und klare Substanz rasch unterscheiden zu können. Mettler setzt die nächste Schlagzeile: «Sie sind ausgestattet mit einer opportunistischen Mündigkeit.» Man könne bei ihnen Neugierde mit Fakten wecken, nicht mit sinnlosem wie seichtem Brimborium. Und etlichen Knallbonbons. Transparente Darstellungen der wahren Sachverhalte und das Zeigen der Kernkompetenz seien wichtig genug und könnten allein schon das Wunder schaffen, beachtet zu werden. «Es ist grotesk, mit welchen Mitteln die Banken und andere Firmen bei den Jungen an den Markt zu kommen versuchen. Das kommt mir manchmal vor, als würde irgendein Tattergreis durch die Welt schlurfen, in der Hoffnung, 500 Hip-Hopper würden deswegen hinter ihm herjubeln.» Für die Ideenfabrik hätten sich halt zu einem frühen Zeitpunkt schon relativ viele Projekte ergeben, die einen Bezug zu jungen Leuten gesucht haben. «Warum? Weil die Hoffnungslosigkeit und die Ratlosigkeit dort am grössten ist. Hier weiss man, dass man wirklich nichts weiss.» Die SBB, Nestlé, Migros oder Coop haben sich in Biel zu Beginn Konzepte für Junge erdenken lassen, heute wird in der Fabrik aber für alle Altersgruppen gehirnt. Immer nach dem gleichen Muster: Jüngste «Inputer» werden mit Fachleuten gepaart, hunderte von Ideen ausgesprudelt, dann industriell ausgewertet und in einem strukturierten Chaos mit dem Kunden weiterverarbeitet. «Das ist seit zehn Jahren unser ureigenster Ansatzpunkt: Ohne Chaos gibt es keine Ideen. Ohne Struktur keine Umsetzung der Ideen. Und das zu einem festen Zeitpunkt und einem festen Preis. Wir liefern die Ideen pünktlich. Und wie abgemacht.» Die Idee sei – bitte sehr – das erste Glied der Wertschöpfungskette. Da lohne es sich doch, intensiver darüber nachzudenken. Eine gute Idee müsse einfach und themenbezogen sein und sofort überraschen. Und sie sollte aus dem Unternehmen selbst herauswachsen.

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Mit 20, so hart das tönt,

ist das meiste im Leben vorgespurt. Bei einem 25-Jährigen passiert nicht mehr so viel, das

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zeigen alle Analysen.

Dabei habe man in der Denkfabrik längst darauf verzichtet, die Ideen allzu persönlich zu nehmen, also nicht mehr «von meiner, deiner, seiner Idee» zu sprechen. Das gelte selbstverständlich auch für die Idee selbst, eine Ideenfabrik zu betreiben. «Denn auch sie entsteht erst dank den Ideen und der ständigen Mitarbeit aller.» Dazu gehört auch Nadja Schnetzler, 30, mit Mettler verheiratet, Mutter eines gemeinsamen Sohnes und Kochefin der gemeinsamen Fabrik. Gemeinsam auch versuchen sie den Unternehmern und CEOs das Selbstbewusstsein zu geben, dass sich die eigene Zukunft gestalten lässt und dass es nichts bringt, immer nach der Konkurrenz zu schielen, statt nach vorne zu schauen. Mettler: «Unser Ansatz ist es, populäre neue Felder zu suchen.» Niemand hier bekunde Mühe, über seine Ideen zu reden und dabei auf eine Reaktion zu hoffen, die alle weiterbringt. Im Gegenteil. «Wir haben keine Geheimnisse, warum auch. Ideen sollen sich ständig gegenseitig befruchten.» Dann würden die Resultate erst richtig gut. Neulich sei er, Mettler, gebürtiger Appenzeller, Ausserrhödler genauer, Vater Schweizer Textiler, Mutter Amerikanerin, beim bernischen Patentinhaber- und Erfinderverband eingeladen gewesen und in einem kleinen Sitzungsraum von 20 grauen Herren mit dünnen Ledermäppchen empfangen worden.

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Generation 20/30

«

Wer heute erfolgreich sein

will, muss in kürzester Zeit die günstigste Lösung finden.

»

Als er sie dann gebeten habe, sich und ihre Erfindungen kurz vorzustellen, hätte er blankes Entsetzen gespürt. Denn noch nie habe man sich in diesem Kreis, der sich monatlich einmal trifft, die eigenen Ideen und Erfindungen gegenseitig vorgestellt. Markus Mettler wird einmal mehr ein bisschen lauter: «Gott bewahre, da hätte ja einer kommen können und mir meine Idee klauen!» Und zur Sache mit dem Alter noch dies: Früher, vor 100 Jahren vielleicht, sei das Wissen ausschliesslich bei den Alten abzuholen gewesen, nur bei den Alten. Beim Dorfpfarrer, beim Lehrer, je älter, desto besser. Später habe man nicht mehr die ganz so Alten, sondern die Mutter und den Vater, die 40- bis 50-Jährigen gefragt, wenn man etwas habe wissen wollen. «Und wenn heute der Ätti oder der Vater den Videorekorder neu programmieren will, fragen sie schon mal den Junior. Das ist eine extrem schnell verlaufende, faszinierende Entwicklung. Warum setzen wir also nicht auch sonst auf die Fähigkeiten der Junioren? Nicht ausschliesslich, aber prinzipiell.» Beat Hugi Mehr über BrainStore erfahren Sie auf www.brainstore.ch.

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«Ds Erläbe chasch nid choufe» Sie nennen ihn Häni, Häni Christian, geboren am 3. Juni 1981. Er kommt aus dem Emmental und Lauterbrunnen, wohnt jetzt in Thun, ist seit zweieinhalb Jahren immer noch in die gleiche Frau verliebt, gibt in der Berner Mundart-Band «scream» Ton und

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Immer auf der Suche nach guten Songs: Christian Häni (22)

Text an, hat Radiohits wie «Aquarium» oder «Bluemefeld» geschrieben, steht mitten im alltäglichen Leben und ist ständig auf der Suche nach wirklich «coolen» Songs. Den coolen Popstar zu mimen, hat er gar nicht nötig.

H

äni hat kein Auto. Häni fährt Zug. Beides aus Überzeugung. Denn erstens würde er mit dem Auto viel zu viel «umechare» und mehr Geld verbrauchen als nötig und vorhanden. Und zweitens lässt es sich beim Zugfahren so schön die Leute beobachten. Und nach neuen Songs suchen. «Da habe ich es besser als Kuno von Züri West. Der ist doch zu bekannt, um unbehelligt Zug fahren zu können. Ich werde nur jedes zehnte Mal erkannt.» Und das soll so bleiben. Auch wenn er heute schon ständig mit diesem Kuno Lauener verglichen wird, den er persönlich gar nicht kennt und höchstens ein-, zweimal mit Züri West auf der Bühne gesehen hat. «Der Vergleich ärgert mich ein bisschen. Ich bin Häni. Wir sind ‹scream›. Zwei Gitarren, ein Bass, ein Schlagzeug. Wir suchen unseren eigenen Sound.» Und er stimmt für ihn und seine drei Kollegen auf der neusten CD «Vinyl» schon viel mehr als auf jenem erstaunlichen Erstling, der die jungen Musiker aus dem Berner Oberland mit Songs wie «Aquarium» oder «Bluemefeld» vor bald zwei Jahren zu Hitparadenruhm, ersten grossen Festivalauftritten und mitsingender Fangemeinde führ-

Aus: Mängisch bruchts ganz weni meh, 2002

te. «Wir sind damals eher unvorbereitet in die Produktion geschlittert. Wir konnten uns beispielsweise nicht vorstellen, gleich Interviews geben zu müssen; oder einen Monat vor Erscheinen der CD keine Zeit mehr zum Üben zu haben. So unbekannt, wie wir waren.» Sie wüssten alle, dass sie nicht zuletzt deshalb schlechte Konzerte gespielt hätten und dass das jetzt nicht mehr vorkommen darf. «Wer hat heute schon einen Plattenvertrag wie wir, wer so viele Leute, die sich um unsere Sache kümmern? Also ist es nur fair, wenn wir auch professionell arbeiten und alles geben.» Für die Leute von der Plattenfirma. Für die Menschen an den Konzerten. Für sich selbst. Häni: «Wir haben mit Peter von Siebenthal, der bei Züri West ausgestiegen ist, einen Produzenten, der noch keine anderen Schweizer Bands produziert hat. Wir suchten uns gemeinsam ein Studio, in dem noch nicht viele Bands aufgenommen haben. Wir suchten Sounds, die es so noch nicht gab.» Und das alles, weil «scream» wie «scream» tönen will. Und nicht so wie der Berner Groove allgemein. So

Fotos: zvg

«U wärsch du morn bi mir Wär’s mir egal we hüt nid Sunne schinnt Mängisch wird us weni meh Weme gseht wie viel dass gar nüt isch»

gut er auch sein mag. Das gelte auch für die Texte seiner Songs. Es könne ruhig Bands mit besseren Musikern geben, als sie seien, bei «scream» müssten die Songs stimmen. Jeder einzelne. «Ich will das, was ich sagen und singen will, auf meine ganz persönliche Art sagen, genau so, wie ich es sehe. Und so, dass ich «Im Zug schrisse alli e Stei viele Leute erreichen u sie wei so schnäu wie müglech hei kann. Ich mache die Songs nicht für mich u jede wär lieber ellei i sire chline Wält alleine.» Diese Songs wome sälber cha regiere» sollten nicht zuletzt Aus: Chlini Wält, 2002 auch eine Message rüberbringen: etwas aussagen von dem, was Häni und seine Leute erleben. «Dafür brauche ich nicht massig Geld. Ds Erläbe chasch nid choufe.» Hänis Lachen ist gewinnend. Seine Stimme fest, sein Gesicht hat feine Züge. Ein sanfter Rebell, der weiss, was er will: «Du kannst es nur erleben.» Zum Beispiel im Zug. Oder Nr. 2 | 17. Juni 2002 19

Generation 20/30

hat Häni «Chlini Wält» geschrieben. «Weil sie auch ständig darüber schimpfen, was nicht gut ist, abends aber nichts ändern und nur vor dem Fernseher hocken.» Das ist der «Dung», auf dem bei Häni gute Songs wachsen. Ebenso wie aus dem Zusammenleben mit seiner Freundin. «Wenn ich zweieinhalb Jahre mit der gleichen Frau zusammen und immer noch verliebt bin, hat das was zu bedeuten. Das wird doch die richtige Frau sein.» Natürlich hätten sie beide über Kinder gesprochen, wenn er sich heute auch noch viel zu jung fühle, um selbst Kinder zu haben. Aber später. Hänis Frau kommt auch aus Lauterbrunnen, wohin Häni und seine Mutter, als er zwölf war, gezügelt sind, aus dem Emmental ins Berner Oberland, an den Rand der Snowboard- und Skipisten, was ihm sehr gepasst hat. Sport und Musik, das war schon damals sein Leben. Heute kommt der Sport oft zu kurz, weiss er, wobei er sich mit täglichen Trainings fit hält, weil er sich nur dann wohl fühlt. «Ich brauche das Gefühl im Körper, ‹zwäg› zu sein. Ich glaube auch, dass, wer auf eine Bühne steigt, dort oben auch körperlich eine gute Figur machen sollte.» In Lauterbrunnen hat Häni («Ich habe mich immer als Stadtmensch gefühlt») jene «Gielen» kennen gelernt, mit denen er heute «scream» ist. Hat vor TouristInnen auf dem Zeltplatz gespielt. Und viel geübt. Im Übungskeller im eigenen Haus, allein im Zimmer mit der Gitarre auf der Suche nach den richtigen Tönen und ersten Texten. «Mein Vater ist 1993 an Krebs gestorben. Ich habe dann,

in der Stifti als Radio- und Fernsehelektriker, die Christian Häni in den nächsten Wochen abschliessen wird. Nach vier Jahren. Der erste Teil ist schon gut geschafft. Im Sommer will er die Tontechnikerschule in Zürich besuchen und vielleicht einen Job beim Radio annehmen. Bei einem, das Songs wie seine noch spielt. Und nicht nur «Aquarium». «Ich mag es, mit der Band zusammen zu sein, tagelang im Proberaum zu hocken, viel zu viel zu rauchen und zu üben.» Nur, das Musikerleben mit Auftritten, Ausschlafen und Probe kann nicht alles sein. «Keiner weiss, ob seine Musik in fünf Jahren noch gefragt ist. Ich geniesse es genauso, morgens um sieben Uhr zur Arbeit zu gehen, Leute im Bus zu beobachten, das Leben als Büezer zu leben und dort jene Erfahrungen zu machen, die viele hundert andere auch ma«Hei, mach doch mal d’Ouge uf chen. Tagtäglich.» Und La mal der Rase la wachse die Message in den Songs? «Wir sind sicher keine Ds Outo la roschte u überhoupt, Politband. Das heisst aber I 100 Jahr fragt di niemer me derna» nicht, dass uns sozialpoliAus: 100 Jahr, 2000 tische Themen nicht wichtig sind. Wir versuchen, die Anliegen kleiner Parteien, linker Gruppen zu unterstützen. Mehr Gleichberechtigung kann ab und zu nichts schaden, oder?» Er habe sich zwar politisch noch nie voll für eine Sache eingesetzt, sei viel zu sehr mit seiner Gitarre beschäftigt gewesen in den letzten Jahren. Man habe höchstens im Kleinen versucht, die vielen Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland behutsam aufzunehmen und ihnen bei der Integration zu helfen. «Für mich hat im Übrigen auch das Livespielen, haben die Konzerte eine politische Dimension. Ich möchte mit der Band Leute dazu bringen, Musik zu hören, zusammenzukommen und einen guten Abend zu haben. Statt ewig saufen und kiffen zu gehen. Ich möchte auch den Mut geben, selbst Musik zu machen. Zu zeigen: Macht doch selbst mal was, es gibt so viele Möglichkeiten!» Das gilt auch für jene NormalverbraucherInnen im morgendlichen Bus. Für die 20 Nr. 2 | 17. Juni 2002 Häni und seine Boys aus den Berner Bergen. Freude herrscht am eigenen Sound.

«Är hets no nie so ganz kapiert Warum är glich viu büglet aber weni kassiert U si Chef het viu meh frei aus är U ds Outo vom Chef het vore e Stärn» Aus: Stärn, 2002

wenn die andern mit ihren Vätern das Töffli repariert haben, auf der Gitarre neue Saiten aufgezogen.» Hat ihn Vaters früher Tod geprägt? «Schon, doch, aber nicht negativ. Er wusste, dass er einen Hirntumor hat. Die Ärzte gaben ihm zwei Jahre. Er hat noch sieben Jahre gelebt. Es gab reichlich Zeit, sich von ihm zu verabschieden, Ich konnte ihm noch all die Fragen stellen, die ich stellen musste. Obwohl ich damals auch noch vieles nicht verstand. Aber ich bin früher selbständiger geworden als andere.» Er habe sich immer wohl gefühlt bei seinen Eltern, sie seien gute KollegInnen gewesen, mehr gute KollegInnen als Mutter und Vater. Von seiner Mutter habe er sicher auch gelernt, offen zu sein, seine Meinung zu sagen, ungelöste Probleme möglichst rasch auf den Tisch zu bringen und zu erledigen. Weil sie sonst nur zu einem Berg anwachsen, den man dann kaum mehr abtragen kann. «Das gilt in der Band genauso wie mit meiner Freundin. Wir sind offen und ehrlich zueinander und scheuen die Auseinandersetzung nicht. Wir wissen, was wir voneinander halten und erwarten können. Und dass wir uns aufeinander verlassen dürfen.» Wann hat er denn zum letzten Mal geweint? Häni lächelt ein bisschen, weicht keinen Millimeter aus, denkt kurz nach, sagt: «Sicher, als mir für einen Moment lang alles ein bisschen über den Kopf gewachsen ist, als ich für einen Moment alles gleichzeitig erledigen wollte und sah, dass das nicht zu schaffen ist. Damals ging es zudem meiner Schwester sehr schlecht, sie hat seit Jahren schwere Depressionen, kann sich oft an ganze Sommer nicht mehr erinnern. Da fragte ich mich, warum ausgerechnet sie, wo doch schon der Vater es schwer hatte.»

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Was bedeutet dir Geld? «Ist mir nicht so wichtig. Vor allem jetzt, da ich nur für mich schauen muss. Es muss reichen, um die Miete monatlich zu bezahlen. Ich habe auch lieber einen Job, bei dem ich nicht viel Geld bekomme, aber es cool habe, so zu arbeiten. Und mich frei fühle. Offen sein kann auch für Erlebnisse und Erfahrungen sorgen. Viel Geld bringt Zwänge und Abhängigkeiten.» So spielen «scream» denn auch nicht für das Geld. Und am liebsten vor vielen Fans. Lieber kleiner und feiner, aber die Leute hören zu. Häni spricht oft von seinem Hobby, wenn er begeistert vom Musikmachen erzählt. Von seinem kleinen Studio daheim, den neuen Melodien, die er sich im Thuner Strandbad ins Ohr träufelt, auf der Suche nach den passenden Worten. Gigs an Bierfesten bringen nichts, weiss Häni. Da wird immer gegrölt, da geht stets eine Party ab, wer auch immer auf der Bühne steht. Und das ist ihm entschieden zu wenig. Was nicht heisst, dass Häni und seine Kollegen nicht davon träumen, bald einmal nicht nur bis zu den Backstageräumen am Berner Gurtenfestival vorzustossen, sondern auf der grossen Gurtenbühne vor Tausenden «in concert» zu stehen: «Klar, das ist der coolste Traum einer jeden Berner Band. Wir haben die Erfüllung noch vor uns.» Diesen Sommer wird es wohl noch nicht klappen, auch wenn Häni lächelnd meint, «dass ‹scream› die Leute da oben auch heuer bestimmt nicht langweilen würde». Beat Hugi

Der ABS-Vogel hat zwei Eier ausgebrütet . . . . . .keine Kuckuckseier, auch wenn sie fremde Eltern haben. Ökoethische Fonds sind Wunschküken, gewünscht von einem Teil der ABS-Kundschaft. Vorausgesetzt, die Fonds passen zur Geschäftspolitik der Alternativen Bank ABS. Die ABS hat sich deshalb für zwei Fonds der Bank Sarasin entschieden: «Sarasin OekoSar Portfolio» und «Sarasin ValueSar Equity».

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Kathrin Winzenried (29), Moderatorin bei «Schweiz aktuell» von SF DRS

«Ich möchte nie mehr 18 sein müssen» N

Mit dem Velo ist sie einst nach Südfrankreich gefahren, um das Meer zu sehen. Sonst sei sie eher faul und habe grosse Mühe mit sportlichem Ehrgeiz und Scheinwelten: Kathrin Winzenried, aufgewachsen auf einem Bauernhof, moderiert seit drei Jahren bei «Schweiz aktuell» von

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Fotos: SF DRS

Fernsehen DRS.

ein, früher habe man in ihrer Familie die Geburtstage nicht speziell gefeiert. «Vielleicht ein Blüemli und ein kleines Päckli vom Mueti zum Zmorge auf dem Tisch. Aber sicher kein Wunschessen am Mittag. Und schon gar kein Fest für Freundinnen und Freunde.» Einmal nur sei sie selbst bei einer Schulkameradin eingeladen gewesen, zu einer Art Glaceparty, und es habe sie ganz komisch gedünkt, damals. Heute achte sie selbst schon mehr darauf. Weil es ja auch schön sein könne. «Ich nehme meinen Geburtstag aber immer noch als ganz normalen Tag, schaue, was kommt, und lade nach Lust und Laune spontan Leute ein.» Ein Fest im Voraus planen könne sie aber nicht, auf keinen Fall, da sei ihre Abneigung vor allem, was nach eventartigem Tun ausschaut, einfach zu gross. «Ich habe lieber, wenn es einfach passiert. Pläne sind oft auch mit Enttäuschungen verbunden, weil es lang gehegte Erwartungen gibt, die dann vielleicht nicht in Erfüllung gehen.» Und über das Leben räsonieren, über Vergangenes und Künftiges nachdenken tue sie eh viel öfter als nur an Geburtstagen. Das gelte erst recht auch für den runden Geburtstag im nächsten Jahr. Dann, wenn Kathrin Winzenried, Frau vom Lande und vom Fernsehen, 30 werden wird. Sie hat in den letzten Jahren nach der Schule und dem Seminar meist im Drei-Jahres-Rhythmus den Beruf gewechselt. Drei Jahre Lehrerin in Bremgarten und im Simmental, drei Jahre Moderatorin und Redaktorin bei Radio Förderband in Bern, drei Jahre jetzt schon bei «Schweiz aktuell» und SF DRS. Dort ist es das erste Mal, dass sie länger bleibt. Und es ihr wohl ist dabei. Dass sie sich regelmässig verändert, hat sicher auch damit zu tun, dass sie sich rasch einmal zurechtfindet. «Ich habe keinen ausgesprochenen Durchhaltewillen, habe den auch nie gehabt. Wenn einem vieles leicht fällt, wie mir, ist man vielleicht auch weniger fähig, sich in etwas zu verbeissen.» Wobei sich Kathrin Winzenried noch nicht ganz sicher ist, ob das nun einfach ihre Art ist, der sie nachleben müsste, oder ob sie das noch ändern und verbessern sollte. Quasi daran zu arbeiten. «Für mich ist das Wort Ehrgeiz eher negativ besetzt, hat es doch immer damit zu tun, jemanden andern auszustechen. Eine sehr natürliche Regung zwar, aber für mich dennoch schwer verständlich.» Diese Abneigung habe sie schon beim Volleyballspielen in Köniz vor Jahren bespürt. Und das habe sie auch blockiert: «Ich bin erst spät dazugekommen, war schon recht gross, habe mich gut durch alle Juniorenkader gespielt. Wir hatten dann einen Trainer, der derart ehrgeizig war, dass ich nicht mehr konnte und wollte. Es schien mir einfach zunehmend lächerlich, so verbissen zu spielen. Der Spass an der Bewegung, am Spiel war weg. Und damit auch meine Lust, das zu tun.» Das Spielerische, das Schöne, das Befreiende sei ihr wichtig. Alles andere enge zu sehr ein. «Es fällt mir schwer, jenen einzigen Weg zu akzeptieren, der stur zum Ziel führt.» Kürzlich hat sie mit einer Freundin auf der Genfer Buchmesse eine Graphologin besucht. Das heisst, sie habe das lächerlich gefunden, bis sie über die klugen

ich gleich gesagt, dass ich nicht Auto fahren kann, aber das war denen egal.» Kathrin Winzenried fühlt sich wohl in der Redaktion von «Schweiz aktuell» und in der journalistischen Arbeit dort. Gut, dass sie nicht die «Tagesschau» moderieren müsse. Für ein Millionenpublikum. «So komisch das vielleicht klingen mag, aber ich arbeite eigentlich lieber irgendwo, wo ich mich nicht so sehr mit meiner eigenen Person zeigen muss.» Sie sei im Sternzeichen Krebs geboren und habe nicht selten das Gefühl, sich verdrücken zu müssen, «vor allem dann, wenn es mal um die Wurst geht». Trotzdem habe sie sich vor drei Jahren für die Moderation bei «Schweiz aktuell» entschieden. Und fühle sich heute gut dabei. Schaut man ihr bei ihren Moderationen ins Gesicht, spürt man viel Fröhlichkeit, Offenheit und Natürlichkeit. Als sitze sie direkt vis-à-vis. Als spreche sie uns alle einzeln an. «Dabei brauche ich für mich das journalistische Korsett, den Rahmen der aktuellen Geschichten.

Bei Auftritten im reinen Unterhaltungsbereich wirke ich rasch hölzern und gehemmt.» Ganz anders in ihren Interviews auf der Suche nach klärenden Informationen und klugen Antworten. Spürt sie dabei leichten Widerstand, wird sie umso besser. Scheinwelten mag sie nicht. Das kann so weit gehen, dass sie auf einen ersten Besuch in Los Angeles, Amerikas Schweinwelt par excellence, mit leichtem Kratzen im Hals, dann mit hohem Fieber und Übelkeit reagiert hat. «Werde ich krank, beginnt das bei mir immer im Hals.» Als würde etwas stecken bleiben. Gut möglich, dass Kathrin Winzenried bald einmal nach Indien reisen wird, «aber sicher nicht als Touristin, vielleicht für ein Hilfswerk, für einen praktischen Einsatz, etwas, das ich mit meinen Fähigkeiten leisten kann.» Nichts Kirchliches sicher, nichts Hierarchisches auch, wie etwa ein Rotkreuzeinsatz. Und eigene Kinder? Sie erzählt von Schwester Meieli, die jetzt schwanger ist, und von den Eltern, die dieses Ereignis fast schon lakonisch zur Kenntnis genommen haben. Vielleicht, weil sich die Mutter schon damit abgefunden hatte, nicht Grossmutter zu werden. «Auch das mit dem Meieli und dem Schwangersein hat etwas mit dem Älterwerden zu tun. Mit Dingen, die in den Jahren zwischen 20 und 30 passieren. Bereinigt werden. Ich glaube, vor ein paar Jahren hätte ich es nicht akzeptieren wollen, dass meine Schwester schwanger ist, dass mir so unsere gemeinsame Kindheit endgültig abhanden kommt. Wir haben doch eben noch gemeinsam im gleichen Bett geschlafen. Heute ist es gut so. Ich freue mich. Und es ist mir noch nie so nahe gegangen, wenn jemand schwanger wurde.» Aber eigene Kinder . . . «Ich weiss nicht, ob ich das wirklich kann.» Beat Hugi

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Kommentare, die die Frau über ihre Freundin abgegeben habe, ins Staunen gekommen sei. Und ihre eigene Schrift dann doch noch habe analysieren lassen: «Sie hat von dieser für mich selbst schon spürbaren Faulheit gesprochen. Und dass ich viel Raum, viel Freiheit beanspruche, dass ich die Sonne mag und dass mein Blick gegen den Himmel gerichtet sei.» Und das stimme auch alles so. Erstaunlicherweise. In Amerika, in der Weite der Wüste von Nevada, habe sie sich auf ihrer ersten grossen Reise mit dem Lebenspartner so wohl gefühlt. Und auch dann gemerkt, dass das Sprichwort «Die Zeit heilt alle Wunden» Sinn mache. Obwohl sie ja solche Zitate und Sprüche überhaupt nicht mag. «Aber das mit der Zeit hat etwas. Ich merke, dass es extrem gut ist, älter zu werden, weil vieles einfach besser wird und man selbst auch viel verbessert. Oder zumindest daran arbeitet. Ich möchte nie, nie mehr 18 sein. Damals war ich in der Pubertät, erst mit 18 oder 20. Ich bin da eher langsam in der Entwicklung. Ich hatte damals solche Mühe mit mir selbst, wusste einfach nicht, wer ich bin.» Sie habe sich auch immer davor gefürchtet, von daheim wegzugehen, jenes Gefühl von Geborgenheit, wie es für sie im Stöckli und beim Grosi am schönsten war, aufgeben zu müssen. «Das hängt sicher mit einer schönen Kindheit zusammen. Mit dem Leben auf dem Bauernhof. Mit der Art, wie man als Bauernfamilie lebt, mit der Art, zu entscheiden, was wichtig ist und was nicht. Geburtstage waren nicht so wichtig.» Dadurch, dass man mit den Jahren Zeit und Raum gewinne, entstehe auch Distanz, kläre sich vieles, das früher ein Problem war, verflögen Ängste und Zweifel, so auch das Gefühl, nur daheim Geborgenheit zu finden. «Da kommen mir heute noch die Tränen der Rührung, wenn ich an diese Momente denke. An Erlebnisse wie Weihnachten, an den Alltag mit Mueti und Vati. Ich hatte mit 20 extrem Mühe, das zu akzeptieren. Heute nicht mehr so stark. Es hat sich in den letzten zwei bis drei Jahren so ergeben: schön, nach Hause zu gehen, schön aber auch, wieder aufzubrechen und loszulassen.» Kathrin Winzenried hat ihre Wurzeln immer noch im Bauerndorf bei Bern. Auch wenn sie manchmal ein bisschen Angst davor hat, vielleicht ein wenig fremd geworden zu sein. «Ich habe das daheim auch mal gefragt. Ob ich langsam zu einer Fremden werde. Aber Mueti und Vati haben zum Glück gesagt, das sei nicht so.» Obwohl das mit der Fremden auf dem Land doch sehr stark sei, eine, die nicht dort geboren ist, ist auch nach 20 Jahren noch eine Fremde. Das Land habe sie sehr gerne, sagt sie, Leben hätte sie aber nie auf dem Land wollen, hätte auch lieber in der Stadt Bern Schule gegeben als in Erlenbach im Simmental. Ab und zu hätten sie und ihre Schwester Meieli einander zwar versprochen, gemeinsam den Bauernhof zu betreiben, wenn Bruder Dänu es nicht machen würde. «Aber ich könnte doch nie bauern, das ist so unheimlich anstrengend.» Bruder Dänu hat es gemacht. Und macht es auch heute noch, zusammen mit dem Vater. Sie betreiben einen mittelgrossen Hof. Kathrin geht oft beim «Härdöpfeln» helfen oder als Ferienaushilfe im Garten zum Rechten zu schauen. «Aber sonst fühle ich mich wohl in der Stadt, geniesse die Unabhängigkeit dank öffentlichen Verkehrsmitteln. Ein Auto habe ich nicht. Auch keinen Führerschein.» Vielleicht könne sie das auch wirklich nicht: Auto fahren. Jedenfalls habe sie beim Traktorfahren oft gepatzert, mal ein Tor umgefahren, mal einen Pfosten gerammt. Und auf dem Velo sei sie einmal fast verunglückt, vor lauter Unbeholfenheit und Zerstreutheit. «Beim Fernsehen habe

Bis Oktober auf der Bieler Arteplage im «SF DRS-Ferienlager»: Kathrin Winzenried.

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Denkbild Inserat: Baloise Bank SoBa

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Zuverlässig begleitet. Bis zum Gehtnichtmehr.

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Kursive Zitate sind E-Mail-Antworten der Werbeagentur Contexta AG.

ie wundere ich mich immer wieder darüber, wer sich alles um mich Sorgen macht. Mich behüten und beschützen will. Mich finanziell beraten will – mit Erfolgsgarantie. Und wenn ich ablehne: «Waaaas???!!! Sie wollen nicht reich werden?!» Andere wollen mich begleiten. Durchs ganze Leben. Bis ans Lebensende. Wenn möglich noch darüber hinaus, bis in alle Ewigkeit. Allen ist gemeinsam: Sie wollen an mein Geld. Dieses Bankeninserat ist mir aufgefallen (da werden sich die Werber aber freuen!): Oben am Rand eine junge Frau. Ihre Spuren im Sand. Dazu der Text: «Bei jedem Schritt, den Sie tun . . . begleiten wir Sie zuverlässig . . .» Ist die zweite Spur die Begleitung? Zuverlässig? Warum bricht sie plötzlich ab? War es ein hinter ihr herpfeifender, schmachtender Papagallo, den sie endlich abschütteln konnte? Der es schliesslich vorgezogen hat, sich in die Wellen zu werfen und sich ein anderes Opfer zu suchen? Oder wurde da jemand von Ausserirdischen vom Strand weggefischt? Der Werber hat sich das ganz anders ausgedacht: «Nun, die Spuren verschwinden nicht, sondern sind in ihrer unterschiedlichen Form immer auf gleicher Höhe mit dem Kunden.» Und: «Die Darstellung dieser sehr diskreten, aber immer präsenten Begleitung ist denn auch der Grundgedanke der Kampagne . . .» Zuverlässige Begleitung? Bei jedem Schritt? Plötzlich hintendreinhinken, die zuverlässige Begleitung hört auf. Bankrott? Fusion? Kassiert und verduftet? Globalisiert? Wenn jemand ständig ein paar Schritte hinter mir hergeht, dann werde ich bald einmal misstrauisch, bekomme ein mulmiges Gefühl. Was will der von mir? (Was für Gefühle hat eine Frau in einem solchen Fall?) Oder werde ich überwacht? Diskret natürlich. Auch in Fichenzeiten wurden wir diskret begleitet. Tun das heute die Finanzinstitute? Warum? Der Inseratetext endet: «. . . damit Sie dem Ruhestand gelassen entgegengehen können.» Die Frau im Inserat ist noch so jung. Jetzt schon den Ruhestand planen? Ein Leben lang blechen und dann zu früh sterben? Oder der Wert des Geldes löst sich in Luft auf? Argentinien? Sind die Banken dermassen sicher, dass schon 30 Jahre im Voraus oder gar noch früher Geld in den Ruhestand investiert werden soll? Warum nicht das Leben geniessen mit dem Geld, statt es abzuliefern an Institute, die damit gut leben und fette Boni auszahlen können? Der Werber liefert eine weitere Erklärung: «Eine unsichtbare Begleitung, die immer dann zur Stelle ist, wenn man sie braucht, was auch im Claim ‹in good company› ausgedrückt wird.» Immer zur Stelle, wenn man sie braucht? Aber bitte während der Schalterstunden. Aldo Clerici

Die ABS nahm per 1. Juni 2002 verschiedene Zinssatzreduktionen für Konten vor. Nachstehend sind die Änderungen im Einzelnen aufgeführt: bisher neu ab 1. 6. 2002 Einlagekonto

1

Lohn-Sparkonto

1

Sparkonto

⁄4 %

1

⁄8 %

⁄2 %

1

⁄4 %

1%

3

⁄4 %

Anlagekonto

1 ⁄2 %

1 1⁄4 %

Mietkautionskonto

1%

3

1

⁄4 %

ABS 3-Vorsorgekonto

2 ⁄2 %

2 1⁄4 %

ABS 2-Freizügigkeitskonto

2 1⁄4 %

2%

1

Interne Weiterbildung im dritten Quartal 2002 Regelmässig organisieren wir interne Weiterbildungshalbtage. Diese dienen der Weiterentwicklung unserer Bank im Sinne der KundInnenorientierung. An folgenden Nachmittagen bleibt deshalb die ABS geschlossen:

Die ABS finanziert auch privates Wohneigentum

ABS

Zinssatzänderungen

Die Alternative Bank ABS finanziert seit einigen Jahren privates Wohneigentum von ABS-KundInnen oder von potenziellen KundInnen, die inskünftig alle ihre Bankgeschäfte über die ABS abwickeln möchten. Dabei dürfen selbstverständlich die Negativkriterien der Anlage- und Kreditpolitik der ABS nicht verletzt werden. Das heisst, es darf sich beispielsweise nicht um sozialfeindliche Grossüberbauungen, Bauten mit Zersiedlungscharakter, Luxuswohnungen, energieverschwendende Gebäude usw. handeln. Die ABS finanziert aus ökologischer Sicht schwergewichtig Siedlungen oder Einzelhäuser mit Modellcharakter bezüglich Baubiologie, Energienutzung, Erschliessung durch den öffentlichen Verkehr usw. Zudem spielt die Erneuerung von ungenügend genutztem Wohnraum sowie die Umnutzung von Industriebrachen eine Rolle. Aus sozialer Sicht geht es um gemeinschaftliches Bauen und Wohnen sowie die Schaffung von günstigem Wohneigentum in kinder-, behinderten- und altersgerechten Bauformen. Hinzu kann die Erhaltung von wertvoller Bausubstanz und von sozialen Siedlungsstrukturen kommen. Bei der Finanzierung von nicht selbst genutztem Wohneigentum wird speziell auf faire und transparente Mietverhältnisse geachtet. Zudem ist die Schaffung von günstigem Wohnraum für finanziell schwächere Gruppen von MieterInnen (StudentInnen, sozial Benachteiligte usw.) ein Anliegen der ABS.

11. Juli, 22. August und 12. September 2002.

Felix Bührer und Thomas Bieri

Wir danken für das Verständnis.

Öffnungszeiten

Aktienkapitalerhöhung

Alternative Bank ABS, Leberngasse 17, 4601 Olten Telefon 062 206 16 16

Schalteröffnungszeiten Montag–Freitag 9.00–12.00 14.00–16.30 Uhr

Bürozeiten Montag–Mittwoch und Freitag 8.30–12.00 13.30–17.00 Uhr Donnerstag 8.30–12.00 14.00–17.00 Uhr

Der erste Schritt zur ABS Bitte schicken Sie mir Informationsmaterial Kontoeröffnungsantrag Zeichnungsschein für Kassenobligationen Antrag zum Erwerb von Aktien Werbematerial moneta-Abonnement (Fr. 20.– im Jahr) Antrag für ec-Karte

Wir bitten alle Leser und Leserinnen von moneta, sich möglichst rege an der laufenden Kapitalerhöhung zu beteiligen, da die Schaffung eines ausreichenden Aktienkapitals unabdingbar ist für die weitere Entwicklung der wachsenden Bank. Die zur Zeichnung erforderlichen Unterlagen sowie auch Werbematerial können mit dem unten stehenden Coupon angefordert werden.

Aktienkapitalsammlung Bitte senden Sie mir Unterlagen für die Zeichnung von Aktien der Alternativen Bank ABS Bitte senden Sie mir die Statuten der Alternativen Bank ABS (in der neusten Fassung vom 21. April 2001) Bitte schicken Sie mir den Geschäftsbericht 2001

Name Adresse

Name Adresse PLZ/Ort

PLZ/Ort Telefon Bitte einsenden an: Alternative Bank ABS, Leberngasse 17, Postfach, 4601 Olten

2 |02

Telefon Bitte einsenden an: Alternative Bank ABS, Leberngasse 17, Postfach, 4601 Olten, oder anrufen: Telefon 062 206 16 16 2 |02

Nr. 2 | 17. Juni 2002 25

ABS

Umfrage an der Generalversammlung

«Grundlage für die Meinungsbildung» Die Mehrheit der versammelten Aktionärinnen

Ergebnisse der Meinungsumfrage an der GV

des Verwaltungsrates teil. Über 150 Fragebogen gingen ein. moneta erörtert die Antworten zu den fünf Fragen in einem Gespräch mit Claudia Nielsen.

Foto: Aldo Clerici

und Aktionäre nahm an der schriftlichen Umfrage

Claudia Nielsen

moneta: Haben sich die Ergebnisse der Umfrage bereits auf Entscheide des Verwaltungsrates (VR) ausgewirkt?

Claudia Nielsen: Nein. Die Umfrage dient uns als Grundlage für unsere Meinungsbildung. Der Input aus den Antworten ist beachtlich. Die Aktionärinnen und Aktionäre haben sich fundiert mit den Fragen auseinander gesetzt. Sehr spannend sind die zahlreichen Bemerkungen. Sie zeigen, dass ein fundiertes Know-how vorhanden ist. Ich schliesse aus den Antworten, dass es gemäss den Aktionärinnen und Aktionären dringendere Probleme zu lösen gibt als jene, die wir vorgelegt haben. Genau acht empfinden die Fragen als sehr dringend. Die grosse Anzahl stuft sie als wenig dringend ein. Die gestellten Fragen haben beim Verwaltungsrat nicht erste Priorität. Das heisst . . .

. . . es sind Fragen, die wir während des Jahres beantworten werden. Trotzdem: Die knappe Mehrheit der Aktionärinnen und Aktionäre befürwortet es, dass die Mitglieder der Geschäftsleitung (GL) bei der Besetzung des Verwaltungsrates mitbestimmen. Besteht da kein Handlungsbedarf?

Das ist fast ein Pattergebnis. Zudem wäre die Formulierung des Mitbestimmungsrechts in juristischer Hinsicht anspruchsvoll, denn es wird weiterhin Pflicht des VR sein, die Oberaufsicht zu wahren. Gleichzeitig muss der VR mit der GL erarbeiten, was in dieser Sache möglich wäre. Die Spannweite von einer blossen Anhörung bis hin zu einem Vetorecht ist relativ gross. Grundsätzlich werte ich die Fragestellung positiv. In einem Betrieb dieser Grösse ist die Zusammenarbeit schwierig, wenn die Chemie zwischen VR und GL überhaupt nicht stimmt.

Gibt es absehbare Vakanzen im Verwaltungsrat?

Nein, meines Wissens nicht. Der Verwaltungsrat wurde an der GV 2001 für drei Jahre gewählt. In der zweiten Frage wollte der VR von den AktionärInnen wissen, ob Lohnbestandteile der GL-Mitglieder in Aktien ausbezahlt werden sollen. Die Mehrheit, nämlich 60 Prozent, befürwortet da eine Regelung auf freiwilliger Basis. Weitere 13 Prozent sind der Meinung, dass Lohnbestandteile in ABS-Aktien ausbezahlt werden sollen.

Bei einer Regelung auf freiwilliger Basis sind die auszuhandelnden Modalitäten von Wichtigkeit, wie dies Karin Oberholzer an der GV ausführte. Denn Aktien kaufen können jetzt schon alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Antwort in dieser Frage hat den VR nicht überrascht?

Nein. Ähnlich klar fielen die Antworten auf die Frage nach Honorarzahlungen in ABS-Aktien für Mitglieder des VR und des Ethischen Rates aus. 49 Prozent befürworten eine Regelung auf freiwilliger Basis. Weitere 27 Prozent beantworten die Frage mit Ja. Freiwillige Basis heisst, ich kann jederzeit eine ABS-Aktie kaufen, und ich kaufe sie zum gleichen Preis wie alle anderen. Die brisanteste Frage war wohl jene zur Abgangsentschädigung an Mitglieder der Geschäftsleitung. Die Hälfte, genau 50 Prozent, sieht da keine Notwendigkeit. Die andere Hälfte befürwortet eine Abgangsentschädigung.

Eine deutliche Mehrheit spricht sich für das Beibehalten des Ist-Zustandes gemäss Personalreglement aus. Nämlich dass der VR eine Unterstützungszulage bei Stellenwechsel ausrichten kann. Es gibt durchaus Fälle, wo dies Sinn macht. Gespräch: Ruth Hugi

26 Nr. 2 | 17. Juni 2002

1. Wie wichtig finden Sie ein Mitbestimmungsrecht der Geschäftsleitung bei der Besetzung des Verwaltungsrates? Sehr wichtig Wichtig Wenig wichtig Unwichtig Total

29 46 36 35 146

20 % 31 % 25 % 24 % 100 %

2. Finden Sie, ein Teil des Lohns von Geschäftsleitungsmitgliedern sollte in ABS-Aktien ausbezahlt werden? Ja Auf freiwilliger Basis Nein Total

20 87 39 146

13 % 60 % 27 % 100 %

3. Finden Sie, ein Teil des Honorars von Mitgliedern des Verwaltungsrates und des Ethischen Rates sollte in ABS-Aktien ausbezahlt werden? Ja Auf freiwilliger Basis Nein Total

40 72 35 147

27 % 49 % 24 % 100 %

4. Finden Sie, dass Geschäftsleitungsmitglieder bei ihrem Weggang eine Abgangsentschädigung erhalten sollen? Ja, in jedem Fall 24 Ja, gemäss Personalreglement 52 Nein 77 Total 153

16 % 34 % 50 % 100 %

5. Wie beurteilen Sie die Dringlichkeit dieser Fragen für die ABS? Sehr dringend Dringend Wenig dringend Nicht dringend Total

8 55 56 21 140

6% 39 % 40 % 15 % 100 %

ABS-Generalversammlung vom 20. April

Erfreuliche Entwicklung der Bank Corin Curschellas schuf mit Christian Rösli den besonderen Rahmen für die Generalversammhumorvollen und vielseitigen Darbietung.

C

laudia Nielsen, Präsidentin des Verwaltungsrates der Alternativen Bank ABS, konnte an der elften Generalversammlung im Stadttheater Olten von einer erfreulichen Entwicklung der gesamtschweizerischen, sozial und ökologisch orientierten Bank berichten. Der Bruttogewinn stieg im abgelaufenen Geschäftsjahr um 13 Prozent auf über 5 Millionen Franken. Dieser Erfolg lasse sich im Vergleich zum Vorjahr und gegenüber anderen Banken sehen, sagte Nielsen. Ganz speziell hob die Präsidentin hervor, dass die Aktionärinnen und Aktionäre, die Shareholder des Finanzinstituts, nicht wie bei anderen Banken «auf tutti» Gewinne machen wollten. «Im Gegensatz zu anderen Banken verzichten wir auf Renditemaximierung», schreibt Nielsen auch im Geschäftsbericht. «Jedoch kämpfen wir hart um die Rendite, die wir brauchen, damit wir unsere ethischen Zielsetzungen umsetzen und den Unternehmenswert sichern können.» Aufgrund der massiven Erhöhung der Rückstellungen verzichtete die Bank für das Jahr 2001 auf die Ausschüttung einer Dividende. Die grossen Rückstellungen seien vor allem als eine Folge des grossen Kreditsprungs vor fünf Jahren zu werten, erklärte Nielsen. Man habe zudem die Eigenmittelbasis erhöht, um das längerfristige Wachstum des Unternehmens zu sichern. Als Farbtupfer in diesem Jahr bezeichnete Nielsen die Aufnahme des Fondsvertriebs mit den beiden SarasinFonds OekoSar Portfolio und ValueSar Equity. Die Gremien der Bank hätten sich eingehend mit dem Entscheid beschäftigt und schliesslich für die Einführung votiert. Nach wie vor bedeutend im Vergleich zu den Mitbewerbern bewertete Nielsen die transparente Geschäftspolitik der ABS. «Das haben wir allen Banken voraus. Transparenz bildet Vertrauen.» Ein Zeichen des wachsenden Vertrauens sei der Zuwachs der KundInnengelder. Mit einem Plus von 13 Prozent überquerte die Bilanzsumme die Marke von einer halben Milliarde Franken; die bewilligten Kredite nahmen um 18 Prozent auf 512 Millionen Franken zu, die KundInnengelder um 13 Prozent auf 449 Millionen Franken. Die Zahl der MitarbeiterInnen blieb bei 42 Vollzeitstellen unverändert. Verwaltungsrätin Christina von Passavant konnte in Olten zudem den Abschluss der Verwaltungsratsreform bekannt geben. So sei der Verwaltungsrat von 13 auf 9 Personen verkleinert worden. Statt einem Verwaltungsratsausschuss verfüge die Bank nun über einen Kreditausschuss sowie Fachgruppen in den Bereichen Personal, Marketing und Finanzen. Die Fachgruppen würden sich insbesondere bei konkreten Projekten bewähren. Im Übrigen werde deren Form noch einmal überprüft.

Foto: Aldo Clerici

lung. Die Bündner Sängerin faszinierte mit ihrer

Die Arbeit der Assistentin des Verwaltungsrates, Agnes Schmid, wurde speziell verdankt. Personalvertreter Gregor Kuhfus führte aus, die Aktualisierung des Personalreglements sei in drei Punkten nicht nach den Wünschen des Personals erfolgt. Christina von Passavant räumte ein, die Einschränkungen fürs Personal seien durchaus schmerzlich gewesen, trotzdem habe der Verwaltungsrat so entschieden. Die höchsten und die tiefsten Löhne unterschieden sich bisher maximal im Verhältnis 1:2,5. Neu wurde das Verhältnis auf 1:5 maximal festgelegt, wobei dieser Spielraum bisher nicht ausgenützt werde, sagte von Passavant. Die Neuregelung war deshalb notwendig geworden, weil die bisherige Regelung die Besetzung von Kaderpositionen einengte. Auch den allgemeinen Anspruch auf mehrmonatigen unbezahlten Urlaub nach fünf Dienstjahren konnte der Verwaltungsrat nicht stehen lassen. Auf ein Gesuch hin kann jedoch weiterhin unbezahlter Urlaub gewährt werden, unabhängig von der Anzahl Dienstjahre. Der dritte Entscheid, der nicht in Einklang mit dem Personal getroffen wurde, betrifft den 8. März (internationaler Frauentag). Dieser Tag ist neu ein Arbeitstag, der für die Fortbildung im Gender-Bereich (soziales Geschlecht) eingesetzt wird. Die Aktionärinnen und Aktionäre stimmten allen Anträgen des Verwaltungsrates an die Generalversammlung zu: Sie genehmigten den Jahresbericht, nahmen Kenntnis vom Bericht des Ethischen Rates und vom Bericht der Revisionsstelle, stimmten der Jahresrechnung und der Verwendung des Bilanzgewinns zu und entlasteten den Verwaltungsrat. Auch die vorgeschlagenen Wahlen in den Ethischen Rat begrüsste die Generalversammlung. Zumeist aus Zeitgründen haben Paola Ghillani, Albert Huguenin, Irène Meier und Rudi Neuberth den Ethischen Rat auf die GV hin verlassen. Neu nehmen Claudia Binder, Rita Schmid Göldin und Arie Hans Veruil im ER Einsitz. Margrit Bühler wurde für eine dritte Amtszeit von drei Jahren wiedergewählt. Zum Schluss legten Marc Seinet (kontra) und Felix Bührer (pro) ihre Sicht für eine Regelung der Abgangsentschädigung für Mitglieder der Geschäftsleitung dar. Wie sich die versammelten Aktionärinnen und Aktionäre dazu und zu den weiteren Fragen gemäss Fragebogen äusserten, lesen Sie im Interview mit Claudia Nielsen. Ruth Hugi

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ABS

Die Leute von der ABS

Rosanna Di Pasquale, Jahrgang 1979: Ich machte nach sechs Primarschuljahren und je zwei Jahren Sekundar- und Bezirksschule eine dreijährige kaufmännische Lehre bei der EinwohnerInnengemeinde in Olten. Dort lernte ich viele Arbeitsgebiete kennen. Ich war sowohl im sozialen Bereich als auch im Finanzwesen tätig. Nach Lehrabschluss arbeitete ich ein halbes Jahr im Sozialversicherungsamt. Seit Januar 2000 bin ich bei der Alternativen Bank ABS in Olten tätig. Im Bereich Privat- und AnlagekundInnen bin ich, zusammen mit zwei Arbeitskollegen, für Wertschriften und Konten (ausser Kontokorrente) verantwortlich. Zusätzlich berate ich KundInnen am Schalter und am Telefon. Ich habe ein Flair für Zahlen und liebe den KundInnenkontakt. In der Freizeit bin ich gern in der Natur. Ich liebe Musik und gehe gern ins Kino. Meine Leidenschaft ist jedoch das Kochen. Ich habe sehr viel Spass daran, wenn ich für meine FreundInnen und Bekannten aussergewöhnliche kulinarische Spezialitäten zubereiten kann. Ich interessiere mich sehr für das Bankwesen. Ich bin froh, dass ich bei der Alternativen Bank ABS die Möglichkeit hatte, ins Bankgeschäft einzusteigen. Ich möchte mich auch in Zukunft bankfachlich weiterbilden.

Andrea Lehner, Jahrgang 1975: Aufgewachsen bin ich im schönen Walliser Bergdorf Bürchen. Bei rund 600 EinwohnerInnen versteht es sich von selbst, dass jeder jeden kennt und der Kontakt zu den Mitmenschen viel Nähe zeigt. Dies hat mich sehr geprägt. So war es denn für mich auch nicht leicht, als ich von zu Hause fortging, um in Interlaken Krankenpflegerin zu lernen. Nachdem ich einige Jahre als Krankenpflegerin gearbeitet hatte, wurde mir bewusst, wie schwierig es war, meine Ideen und Vorstellungen im Alltag als Krankenpflegerin zu verwirklichen. Die Realität einer Krankenpflegerin ist geprägt von Personalmangel und Zeitdruck. So verabschiedete ich mich von diesem Beruf und arbeitete während fast zwei Jahren im Flughafen Kloten. In dieser Zeit besuchte ich abends die Bürofachschule und suchte mir eine neue Stelle, wo ich mein Bürofachwissen anwenden konnte. Zum Glück lernte ich bald darauf die Alternative Bank ABS kennen. Seit zwei Jahren arbeite ich nun in der Telefonzentrale der Alternativen Bank. Mein ABSAlltag gestaltet sich abwechslungsreich, da ich neben der KundInnenbetreuung am Telefon jeweils einen Tag pro Woche im Stammdaten-Center und in der Werbung tätig bin. Heimweh nach dem Wallis habe ich kaum noch. Ich wohne mit meinem Lebenspartner in Gränichen, in einem Bauernhaus, zu dem eine Hektare Landwirtschaftsland gehört. Dies brauche ich für meine grosse Familie, die aus drei Pferden, vier Katzen und ein paar Kaninchen besteht. Hühner und andere Kleintiere werden sicherlich noch dazukommen. In meiner Freizeit kümmere ich mich vor allem mit Leib und Seele um meine Pferde.

Joya Mutti, Jahrgang 1983: Ich bin geboren am 20. Dezember, also im Sternzeichen des Schützen. Sternzeichen und Horoskope sind Dinge, die mich sehr interessieren. Ich absolvierte die Bürofachschule und die Handelsschule. Da ich nur an einem Tag pro Woche Schulunterricht hatte, suchte ich eine Arbeitsstelle, um die restliche Zeit sinnvoll zu nutzen und auch ein wenig Geld zu verdienen. In meiner Freizeit betreibe ich die verschiedensten Sportarten und treffe mich mit meinen Freunden. Auch lese ich gerne Krimis und Romane und lerne zurzeit die Verkehrsregeln für die Autoprüfung. Ebenfalls interessieren mich Autos und ihre technischen Funktionen. In der Alternativen Bank ABS hat mich sehr erstaunt, wie die ABSlerInnen alle offen, freundlich und sozial sind. Als ich in der ABS meinen ersten Arbeitstag hatte, boten mir alle gleich das Du an, was mich in einer Bank sehr überraschte. Bei anderen Banken müsste man sich vermutlich ins Jackett werfen, um überhaupt aufgenommen zu werden. Alles wäre per Sie und das Verhalten so unnatürlich. Diese Natürlichkeit ist genau das, was uns unterscheidet von anderen Banken. Darum fühle ich mich hier sehr wohl und freue mich jeden Tag darauf, in die ABS zur Arbeit zu gehen. Man kann hier so sein, wie man sein will, und man wird so akzeptiert!

Nr. 2 | 17. Juni 2002 29

Kreditprojekt

I

Fotos: Ruedi Steiner

m Winter schiesst im Goms die Milch am heftigsten in die Euter. Und auf den Pisten ist Hochbetrieb. Lange Tage für den Biokäser von Gluringen und seine Crew, verteilt auf rund dreieinhalb Stellen. Die ersten strengen Wintermonate hat er hinter sich und weiss, wovon er spricht. Seit dem 9. Januar 2001 werden in der neuen Bio-Bergkäserei Goms Biokäse, Anken, Ziger, Baschi-Mutschli und kleine Bascheli gemacht. «Den Bascheli haben wir übrigens aus Zufall zu produzieren begonnen», erzählt Käser Gerhard Zürcher lachend. «Der Fussballclub wollte zur Einweihung des neuen Fussballfeldes allen Gastmannschaften und deren Spielern einen kleinen Bio-Gomser von 300 Gramm Gewicht schenken. Wir haben auch ein paar in den Laden gelegt. Dort gingen sie im Nu weg.» Seither gibt es den kleinen Bascheli auch im Fresspäckli, das die Bäckerei den TouristInnen mit Roggenbrot anbietet. Und natürlich im Bioladen der Biokäserei Goms. Der Laden wird von Marianne Zürcher geführt, ohne deren uneingeschränkte Zustimmung der 34-jährige Emmentaler nie ins Obergoms gezogen wäre. «Und schon gar nicht als Leiter eines solchen Betriebs. Das ist ein Familienbetrieb. Da braucht es eine Frau, die mitarbeitet und mithilft.» Gut, dass die beiden vorher

Emmentaler käsen im Obergoms

Ziger mit Gummibärchen im Zeichen der Knospe Natürlich machen Gerhard und Marianne Zürcher in der Walliser Biokäserei nicht mit Gummibärchen-Ziger in Knospen-Qualität das grosse Geschäft. Der flippige Kinderschmaus aber rundet das feine Sortiment an Biokäse ab. 13 Gommer Biobauern haben sich in Gluringen VS eine Käserei gebaut. Die ABS half mit.

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Kreditprojekt

13 Biobäuerinnen und Biobauern aus dem Goms haben sich in Gluringen VS eine Biokäserei gebaut. Die Genossenschaft rechnet mit einem «flotten» Abschluss im ersten Betriebsjahr.

schon einmal zweieinhalb Jahre in Savognin gelebt und gewirtschaftet haben, denn ohne diese Erfahrungen, so Marianne Zürcher, hätte sie es nie gewagt, mit Kind und Kegel ins Goms zu ziehen. Nein, von Heimweh keine Spur, sind sich die beiden Käsersleute heute einig, man sei hier offen und gut aufgenommen worden. Auch für die Kinder kein Problem, im Gegenteil: Das Skifahren nach der Schule bekommt den beiden Mädchen bestens. «Wir haben gewusst, dass wir hier die Fremden sind und dass wir auf die Leute zugehen müssen», meint Gerhard Zürcher, «die Türe rennen sie einem hier sicher nicht von alleine ein.» Aber man habe sich halt arrangiert, über die Kinder die Leute kennen gelernt oder bei der Arbeit Anschluss geknüpft. Auch wenn das ganze «Bio» nicht überall willkommen war im Tal. Ein mancher hatte sich den Käser ganz anders, mit langen Haaren, Schafwollpullover und Sandalen eben, vorgestellt und sich deshalb entsprechend zurückhaltend verhalten. «Heute zählen viele, die einst auf der anderen Strassenseite Ausschau nach unliebsamen Beobachtern hielten, bevor sie in unseren Laden kamen, zu unseren besten Stammkunden. Einheimische wie Touristen oder langjährige Feriengäste.» In solchen Monaten sind Laden-

umsätze von 60 000 Franken keine Seltenheit, meist eine Aushilfe vonnöten und die Käsersfrau schon morgens um sechs am Käseeinpacken.

Die Milch, ein Lebewesen Erst kürzlich musste Zürcher seinen Jungkäser wieder ins Emmental ziehen lassen. Der 19-jährige Bursche, ein flotter Fachmann, den er gerne behalten hätte, fand in der Walliser Bergwelt keinen Anschluss. Das Heimweh war stärker. Jetzt steht ein Kollege aus Deutschland zur Diskussion. Er schnuppert schon seit Wochen, bald will seine Familie herkommen, dann soll entschieden werden. Ein Entscheid von grosser Bedeutung. Nicht nur für Käser Zürcher, sondern auch für das ganze Dorf. Würde der neue Kollege doch mit drei Kindern ins Wallis ziehen. Das kann für den Erhalt einer Schulklasse von entscheidender Bedeutung sein, versichert Genossenschaftskassier Imsand, der auch noch als Gemeinderat amtet. Kinder sind im Tal willkommen. Das haben auch Zürchers erfahren. Und eine Käserfamilie mit Kindern ist fast schon ein Geschenk des Himmels, seit die Pharmaindustrie mehr als ein Auge auf die hygienegewohnten Berufsleute geworfen hat. Gerhard Zürcher arbeitete einst nach der Schliessung der

Der Genossenschaftskassier ist zufrieden Im Jahr 2001 hat Biokäser Zürcher mit seinem angestellten Käser rund 800 000 kg Milch verarbeitet. Das Lädeli hat bis 31. Dezember 2001 einen Barumsatz von 190 000 Franken geschrieben, gesamthaft sind mit Direktverkauf und Käseproduktion im ersten Jahr rund 970 000 Franken Umsatz zusammengekommen, wobei das offizielle Geschäftsjahr der Biokäserei einem Milchjahr entspricht, also vom 1. Mai bis 30. April dauert. Aber auch da sehe es nach ersten Hochrechnungen flott aus, vermeldete Kassier Christian Imsand Mitte Mai nicht ohne Stolz. Er hofft, den 13 Genossenschaftern nach dem definitiven Abschluss noch etwas mehr für ihre Milch ausschütten zu können, habe man bis heute doch jeweils nur 70 statt der üblichen 90 Rappen pro Liter Biomilch ausbezahlt. Auch wenn es oft 60 Tage dauere, bis nach der Herstellung des Käses das Geld im Goms eintreffe, arbeite man ohne Kontokorrentkredit. Christian Imsand liefert gleich noch weitere Fakten, denn Offenheit und Transparenz gehören zum Geschäftsprinzip der Gommer Biobauern: «Für den Bau der neuen Käserei mussten wir netto 2,1 Millionen Franken investieren. 260 000 Franken sind Genossenschaftskapital, 350 000 kamen à fonds perdu von der Berghilfe, 467 000 vom Kanton Wallis, 72 000 von der Gemeinde, 84 000 vom Bund. Und die Alternative Bank ABS ist mit einer Hypothek und einem Förderkredit von gesamthaft 600 000 Franken dabei. Dazu kommen noch 230 000 Franken zinslose Darlehen.»

Emmentalkäserei in Bern beim Roten Kreuz in der sterilen Abfüllabteilung der Medikamentenfabrikation. Bevor er dem Ruf ins Goms gefolgt ist, wo die Biobauern des Tales sich auf Betreiben des Bundes zum Bau einer reinen Biokäserei entschlossen hatten. «Die Milch ist ein Lebewesen», sagt der Käser und ist stolz darauf, daraus qualitativ hoch stehenden Käse zu machen. Auch dann, wenn die Milch je nach Jahreszeit wegen Futterwechsel oder Stress der Tiere schwankende Güte hat.

Käse für die ganze Schweiz Heute rollen 80 Prozent der 4,5 Kilo schweren Halbhartkäse vom «Bio-Gomser 11» über die Käselager der Alpgold Siders in Knospen-Qualität in das Naturaplan-Programm von Coop. Der Rest wird vor Ort verkauft. Im eigenen Laden, nebst weiteren Bioprodukten wie Teigwaren, Sauce, Kräuter und Tees. Auch innovative Wirte, Käseläden und Detaillisten im ganzen Wallis werden beliefert. Vier Franken teurer sei das Kilo Bio-Gomser als der normale Gommer Bergkäse. «Das ist nicht viel. Leute aus Zürich oder Basel sagen, wir würden unseren qualitativ hoch stehenden Käse zu billig hergeben», sagt Zürcher, «aber wir haben eine Mischrechnung gemacht.» Für Zürcher muss ein guter Käse würzig sein. Das «Gläs», die Risse oder Spalten im Gommer Käse, deuten meist auf viel Gout. Solchen Käse isst der Gommer Biokäser täglich und am liebsten. Im August übrigens haben die Zürchers erstmals wieder Ferien. Dann kommt keine Milch in die Käserei. Dann sind die Kühe auf der Alp. Eine der Alpen im Furkagebiet – dort, wo alle Tiere aus den Ställen von Genossenschaftern der Biokäserei Goms stammen – will man von der Bio-Suisse bald zertifizieren lassen. «So können wir mit dieser Milch, die nicht auf der Alp verarbeitet wird, sommerliche Spezialitäten in Knospen-Qualität anbieten, freut sich Zürcher schon heute. Das würde dann auch heissen, dass Kinder, die im August Geburtstag haben, in der Biokäserei Goms – wie sonst auch im Jahr – frischen Bioziger samt Bio-Gummibärchen mit der Knospe kaufen können. Beat Hugi

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Die Letzte

Dokumente zur Frauenbewegung Zwanzig Jahre ist es her, seit Marthe Gosteli die Gosteli-Stiftung gegründet hat. Das dazugehörende «Archiv zur Geschichte der schweizerischen Frauenbewegung» ist inzwischen zu einer wichtigen Anlaufstelle geworden. Zum Jubiläum wird die Geschichte dieses Archivs in einer Ausstellung in der Stadt- und Universitätsbibliothek gewürdigt. Dasselbe Thema wird im Buch «Bewegte Vergangenheit – 20 Jahre Archiv zur Geschichte der schweizerischen Frauenbewegung» von Verena E. Müller behandelt, erschienen im Verlag Stämpfli. — Die Jubiläumsausstellung «20 Jahre GosteliStiftung» ist bis zum 28. September 2002 in der Stadt- und Universitätsbibliothek Bern zu sehen.

Reichtum in der Schweiz

Fair-Pay-Kampagne Fussbälle und Sportbekleidung werden unter miserablen Bedingungen hergestellt. Das belegen neue Berichte aus Indien, Pakistan, China und Indonesien, die der Clean Clothes Campaign (CCC) vorliegen. Mit schweren Vorwürfen konfrontiert wird der WM-Hauptsponsor Adidas. Deshalb fordern zwei internationale Netzwerke die FIFA auf, verbindliche Spielregeln durchzusetzen und überprüfen zu lassen. Die Clean Clothes Campaign, in der Schweiz getragen von Brot für alle, der Erklärung von Bern und Fastenopfer, hat von der FIFA bisher vergeblich verlangt, dass die Arbeitsbedingungen bei ihren Partnern und deren Lieferanten verbessert werden. Gleich erging es dem weltweiten Netzwerk gegen Kinderarbeit, dem Global March against Child Labour. Die FIFA könne für die Arbeitsbedingungen in den Fabriken nicht verantwortlich gemacht werden, beschied sie ihnen.

In der Schweiz verfügen drei Prozent der Steuerpflichtigen über gleich viel Vermögen wie die übrigen 97 Prozent. Die 300 Reichsten besitzen ein Vermögen von 374 Milliarden Franken. Die 100 reichsten Schweizerinnen und Schweizer verzeichneten in den letzten zehn Jahren einen Vermögenszuwachs von 450 Prozent. Ueli Mäder und Elisa Streuli liefern Zahlen und Fakten. Sie haben Gespräche mit 30 Reichen geführt. Diese Gespräche bringen markante Persönlichkeiten zum Vorschein und werfen ein Licht auf das Selbstverständnis von Reichen. Fühlen sich Reiche gesellschaftlich verantwortlich? Wie argumentieren Reiche, die beträchtliche Mittel für soziale Zwecke zur Verfügung stellen? Wie beantworten Reiche die Frage nach der sozialen Verträglichkeit von Reichtum? — Das Buch ist im Rotpunktverlag 2002 erschienen: Mäder/Streuli, Reichtum in der Schweiz.

Literaturwettbewerb

Neues Geld fliesst in Mammutkraftwerke

Die Rote Fabrik, das Literaturhaus Basel und die Literaturzeitschrift «entwürfe» schreiben gemeinsam einen Literaturwettbewerb aus. Die GewinnerInnen dürfen am 26. Oktober 2002 während der zweiten «Langen Nacht der kurzen Geschichten» ihre Texte öffentlich in der Roten Fabrik vortragen. Ausgewählte Texte werden zusätzlich in der Literaturzeitschrift «entwürfe» im Oktober publiziert. Gesucht werden unveröffentlichte Prosatexte im Umfang zwischen mindestens 7000 und maximal 10 000 Zeichen (mit Leerschlägen). Die AutorInnen sollen Wohnsitz in der Schweiz haben und dürfen nicht schon über eine Buchpublikation verfügen. Die Jury besteht aus VertreterInnen der Literaturzeitschrift «entwürfe» und des Literaturhauses Basel und den Literaturveranstalterinnen der Roten Fabrik. Es werden nur Einsendungen auf dem elektronischen Weg akzeptiert, an die Mailadresse: [email protected], Betreff: Literaturwettbewerb. Die Einsendungen sollen als Attachment im RTF-Format beigefügt werden. Ein separates Attachment enthält eine Kurzbiografie und die Anschrift und Telefonnummer der Autorin oder des Autors. Einsendeschluss ist der 10. Juli 2002.

Mammutkraftwerke sind zu Symbolen für die Konflikte um lokale Ressourcen und unterschiedliche Entwicklungsmodelle geworden. In den vergangenen Jahren haben sich internationale Finanzinstitutionen weitgehend von der Finanzierung solcher Projekte zurückgezogen. «We are almost gun-shy if dams now», sagt Preben Nielsen von der Asiatischen Entwicklungsbank. «The risks are great, the visibility is high, and the vulnerability is a constant concern.» Wie die Beispiele von Ilisu (Türkei) und Maheshwar (Indien) zeigen, haben auch staatliche Exportkreditagenturen und Banken wie die UBS begonnen, ihr Engagement in diesem Sektor

www.abs.ch 32 Nr. 2 | 17. Juni 2002

zu überprüfen. Der weitgehende Rückzug internationaler Finanzinstitutionen bedeutet aber noch nicht das Ende von Mammutkraftwerken. Die direkte Finanzierung von Projekten wurde durch ein kompliziertes Geflecht indirekter Finanzflüsse ersetzt. — Peter Bosshard, Power Finance: Financial Institutions in India’s Hydropower Sector, herausgegeben vom International Rivers Network, von Urgewald und dem South Asia Network on Dams, Rivers and People, 35 Euro. Das Buch kann bestellt werden bei der Erklärung von Bern, Zürich, Telefon 01 277 70 00, [email protected]

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