21.06.06 - Umwelt baut Brücken

February 12, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
Share Embed


Short Description

Download 21.06.06 - Umwelt baut Brücken...

Description

UMWELT BAUT BRÜCKEN

18

Die Zeit ist gegen die Ureinwohner Borneos

Kleines Korn, große Wirkung Von Friederike Mennicke und Marie Trynogga

In sechs Jahren ist vom Regenwald nichts mehr übrig Von Pola Moitroux und Charlotte Müller BREMEN. Die mandelbraunen Augen des Jungen sind vor Angst geweitet. Bulldozer rollen über die kargen Flächen des ehemaligen Regenwaldes in Borneo. Dieses Bild ist für die Dayak, die Ureinwohner Borneos, leider nichts Neues, sondern trauriger Alltag, wie ein Schaufilm im Überseemuseum zeigt. Er ist gedreht worden für den Schwerpunkt „Natur und Landwirtschaft Asiens" im Rahmen der Ausstellung „Asien – Kontinent der Gegensätze". Die Dayak leben heute zurückgezogen im Landesinneren der drittgrößten Insel der Welt, doch ihr Lebensraum, der Regenwald, wird täglich weiter gerodet. Alle 20 Sekunden verschwinden auf Borneo Waldstücke von der Größe eines Fußballfeldes. „Falls

UMWELT BAUT BRÜCKEN BREMEN·VERDEN (DAM). 5000 Schüler aus sechs europäischen Ländern fühlen der Umwelt auf den Zahn und arbeiten dabei wir richtige Journalisten. „Umwelt baut Brücken" heißt das Projekt bei dem nicht nur Bundespräsident Horst Köhler, sondern auch die Staatspräsidenten Polens, Ungarns, Tschechiens, Sloweniens und der Slowakei die Schirmherrschaft übernommen haben. Für die 34 Schulen haben 20 Zeitungen die Projektbetreuung übernommen, darunter WESER-KURIER und VERDENER NACHRICHTEN (wir berichteten). Aus unserer Region nehmen an DEUTSCHE dem Projekt das Gym- BUNDESSTIFTUNG nasium Bremen-Horn UMWELT und das Domgymnasium Verden teil. Die Schüler recherchieren gemeinsam mit ihrer Partnerschule ein Umweltthema in Deutschland und eines im Partnerland. In den Zeitungen erscheinen dazu Sonderseiten. Unsere heutige und damit dritte Sonderseite haben die Schüler aus Verden gestaltet, die zunächst zu Gast in Breslau waren und nun gemeinsam mit den polnischen Schülern im Überseemuseum Bremen recherchiert haben. Die Schüler des Gymnasiums Horn sind derweil in Danzig gewesen. Sie gestalten die vierte und dann vorerst letzt Sonderseite.

wir es nicht schaffen, diesem Trend ein Ende zu setzen, wird der Regenwald auf der Insel im Jahr 2012 vollständig verschwunden sein", sagte Dagmar Klar, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Überseemuseums. Früher bestimmte die Natur den Lebensrhythmus der Dayak. Fischfang, Trockenreisanbau, Jagd und Sammeln von Waldfrüchten gehörten zum Alltag. Ihre wichtigste Nahrungsgrundlage waren Pflanzen, die sie auf Streifzügen in der Nähe ihrer Langhäuser sammelten. Diese traditionellen Bauten der Dayak bieten Platz für vier bis 50 Familien und haben häufig eine Länge von bis zu 300 Metern. In Pfahlbauweise wird das Haus vier bis fünf Meter über dem Boden errichtet. Jede Familie besitzt einen Bilek, einen großen Wohnraum. Dieser dient als Ess- und Schlafraum. Das Leben auf der Erde ist für sie ein geliehenes Leben, das sie beim Sterben wieder zurückgeben. Insofern bedeutet der Tod nichts tragisches; er ist ein Zugang zum ewigen Leben im Totendorf Lewu Tatau, das in der siebten Himmelsstufe liegt. Dort herrschen paradiesische Zustände, die Bewohner müssen nie wieder arbeiten, für alles ist gesorgt. Damit der Verstorbene gut nach Lewu Tatau gelangen kann, müssen mit großer Sorgfalt zahlreiche Vorbereitungen getroffen werden, so vor allem für die sofortige Primärbestattung sowie für die sekundäre Bestattung Jahre später. Die Menschen in Borneo leben also in einem hohen Einklang mit der Natur, da für sie Pflanzen, Tiere und Menschen unsterbliche Seelen besitzen, die zu pflegen und zu schonen sind. Doch die Zeiten, in denen Borneo eine undurchdringliche Insel war, sind vorbei. Holzeinschlag durch westliche Firmen und Monokulturen tragen dazu bei, dass eine ganze Kultur und ein intaktes Ökosystem täglich weiter zerstört und die Dayak in immer kleiner werdende Reservate gedrängt werden. Deshalb versucht die Regierung Borneos gegenwärtig mit der Bildung von Nationalparks Schutzgebiete für die Dayak zu sichern, damit die Traditionen der Menschen dort und die artenreiche Tier- und Pflanzenwelt des Regenwaldes wenigstens im Kleinen erhalten bleiben. Ob dieser Schritt ausreichend ist? Die Asien-Ausstellung in Bremen jedenfalls stellt den möglichen Ökotouristen mittels eines Fragebogens schon einmal auf die Probe.

NR. 142 · MITTWOCH, 21. JUNI 2006

Hand in Hand mit der Natur Das Überseemuseum hat sich zum Ziel gesetzt, mit speziellen Themenbereichen die „Welt unter einem Dach“ zu repräsentieren. Dazu gehört auch die Asien-Ausstellung „Kontinent der Gegensätze". Sie ist in sechs Bereichen gegliedert und bietet einen faszinierenden Einblick in diesen Kontinent. Einen Schwerpunkt bilden die „Natur und Landwirtschaft Asiens“ mit Beispielen eines komplexen ökologischen Wirkungsgefüges. Es gibt Einblicke in

die Vielfalt der Arten und Lebensräume sowie die Zerbrechlichkeit der Natur. „Den meisten Menschen ist gar nicht bewusst, auf welche Art sie passiv zu der Zerstörung der Natur auf der ganzen Welt beitragen“, sagt Peter-Rene Becker, Leiter der Naturkundeabteilung im Museum. Die Ausstellung zeigt Zusammenhänge und macht viele Probleme bewusst. Es lohnt sich! THEA WESTPHAL, JANA TIEGS, NINA GENEE UND ALEXIA YABAR

BREMEN. Der große, braune Sumpfbüffel, der im Überseemuseum zum thematischen Bereich „Natur und Landwirtschaft" der Asienausstellung gehört, zieht seinen Holzpflug durch das angedeutete Reisfeld. Daneben ist der wuchtige Mahlstein einer Reismühle ausgestellt. Es entsteht der Eindruck von einer längst vergangenen Zeit. Doch die angebrachten Schrifttafeln klären auf! Viele der Kleinbauern können sich auch heute noch keine modernen Pflug- und Saatgeräte leisten. Sie pflügen mit einem Sumpfbüffel und setzen mit der Hand die Reispflanzen in den Boden, so wie man es auch schon immer gemacht hat. Natürlich können so keine großen Felder bestellt werden. Die Erträge reichen meist nur, um die eigene Familie zu ernähren und die Saat für das nächste Jahr zu sichern. In vielen asiatischen Sprachen bedeutet Reis schlicht Leben. Das wird der Bedeutung dieser ältesten Kulturpflanze der Welt gerecht (sie wurde bereits vor mehr als 8000 Jahren in Indien domestiziert). Denn von dem „Korn des Lebens" ernähren sich mehr als drei Milliarden Menschen, vornehmlich in Asien. Anders als Weizen oder Mais wird Reis vor allem von Kleinbauern gesät und geerntet. Jeder sechste Erdbewohner ist auch ein Reisbauer. Die Bedeutung dieser Pflanze als Ernährer und Arbeitgeber vieler Menschen kann also gar nicht hoch genug eingeschätzt werden und sie wächst mit der steigenden Weltbevölkerung an. Der Reis ist aber auch ein wichtiges Wirtschafts- und Handelsgut. Steigende Hektarerträge bewirken, dass mehr Reis produziert wird und dass der Reispreis fällt. Diese Entwicklung wäre für in Armut lebende Menschen ohne eigenes Land vorteilhaft, würde aber auch viele Reisbauern in den Ruin treiben. Einfache Antworten gibt es nicht. Wohl auf keine der vielen Fragen, die durch den Reisanbau berührt sind, seien sie sozialer, ökologischer oder ökonomischer Art. So wirkt sich der Reisanbau auf das Klima ebenso aus wie auf den weltweiten Wasserverbrauch. Durch viele Züchtungen im Laufe der Jahrhunderte gibt es mittlerweile 120 verschiedene Reissorten. Sie werden auf besseren Ertrag, Geschmack und Aussehen spezialisiert. Ein paar exotische Sorten sind im Überseemuseum ausgestellt. Wenn man die zahlreichen Einzelobjekte zum Thema Reis innerhalb des ökologischen Teils der Asienausstellung in Ruhe betrachtet hat, sind wir erstaunt über die Vielfalt der Produkte, die aus der eigentlich sehr schlichten Reispflanze entstehen können.

Immer mehr Arten sterben aus

Der Lebensraum Mangroven

Überseemuseum hat als Beispiel die Stellersche Seekuh ins Licht gerückt / Skelett und Haut zu sehen

Shrimps-Zucht zerstört das ursprüngliche Leben

Von Johannes Beckmann und Philip Kettelhodt BREMEN. „Die Rote Liste verzeichnet gegenüber dem Jahr 2004 insgesamt 530 Neuzugänge, so dass die Zahl der vom Aussterben bedrohten Tier- und Pflanzenarten auf 16 119 gestiegen ist." Diese Tatsache hat im vergangenen Jahr die Welt-NaturschutzUnion (IUCN) mitgeteilt. Das Überseemuseum hat das Problem bei der Neukonzeption der Asien-Abteilung berücksichtigt. Dort wird in dem Bereich „Natur und Landwirtschaft Asiens" das Beispiel der „Stellerschen Seekuh" vorgestellt, um die Gefährdung von Tierarten zu erzählen.

Diese Seekühe sehen wegen ihrer plumpen Gestalt den Robben ähnlich. Sie haben weder Fell noch Haare, sondern nur einzelne Borsten. Mit ihrem bis zu acht Meter langen Körper und bis zu vier Tonnen Gewicht ernähren sie sich in erster Linie von Algen. Im Jahre 1741 entdeckte der deutsche Schiffsarzt und Naturforscher Georg Steller im Rahmen einer Expedition diese Tierart in den Gewässern der Beringinseln. Doch die Jagd auf diese Tiere führte dazu, dass sie knapp 30 Jahre nach ihrer Entdeckung in nördlichen Gewässern nicht mehr anzutreffen waren und es heute nur noch vor der Küste Indonesiens vier Seekühe gibt.

Der IUCN-Generalsekretär Achim Steiner schätzt, dass sich die Aussterberate wegen der Eingriffe der Menschen um das tausend- bis zehntausendfache erhöht. „Bei dem Tempo, das wir in den Lebensräumen der Tiere und Pflanzen vorlegen, kann die Evolution nicht mithalten", sagt er, und unterstreicht damit, dass die Natur sonst schon selber Wege, Formen und Zeiten kennt, um sich den Veränderungen anzupassen. Von der Stellerschen Seekuh hingegen kann man zwei Hautstücke und eine Skelettnachbildung betrachten, um sich so stellvertretend mit dem Aussterben einer Spezies zu beschäftigen.

Das Lebenselixier aus Asien Gewürze sind nicht nur Geschmacksverstärker, sondern kommen auch in der Medizin zum Einsatz Von Fiona Bendul und Alena Wagenknecht BREMEN. Pfeffer, Nelken, Muskat, Ingwer und Zimt sind Gewürze, die aus den wärmeren Gebieten Asiens kommen und am „Jana Shop", einem kleinen, nachgestellten indischen Gewürzstand in der Asienausstellung im Überseemuseum zu betrachten sind. All diese Dinge, die für die schönsten Gerüche und für einen ausgeprägten Geschmack verantwortlich sind, kann man in jedem Supermarkt kaufen. Nur wie kamen sie nach Europa? Die Antwort gibt Heike Schroeter vom Überseemuseum: „Das Ganze ist Pierre Poivre zu verdanken, der im 18. Jahrhundert den Auftrag hatte, Gewürzpflanzen aus Indien zu entwenden und nach Mauritius zu bringen. Sein Ziel war es, das niederländische Gewürzmonopol zusammenbrechen zu lassen, was ihm auch gelang. Seitdem ist er als der Gewürzpirat bekannt." Wie Gewürze gehören auch Tee, Reis und Tabak zu den so genannten Cash Crops. Hierbei handelt es sich um Agrarprodukte, die nur für den Export und nicht für den Verzehr im Herkunftsland bestimmt sind. Das führt dazu, dass die Bevölkerung eines Landes Hunger leidet, obwohl es Tonnen von Agrarprodukten exportiert. Sind die Gewürze aber nun wirklich nur Geschmacks- und Geruchsverstärker? Nein! Die Antwort ist klar, auch wenn es vielen nicht bewusst ist, denn Gewürze zieren nicht nur Gaumen und Riecher, sondern sind zum Beispiel auch in Antibiotika zu finden. Ebenso gibt es einen aufstrebenden Trend, was die Zusammensetzung von Getränken oder Schokoladensorten angeht. Auch dort wird auf Gewürze gesetzt.

Die einst dem Regenwald entsprungenen Pflanzen werden heute hauptsächlich in Monokulturen angebaut mit der Folge, dass die Bodenfruchtbarkeit meist nur durch chemische Düngemittel erhalten werden kann und Schädlinge durch Pestizide bekämpft werden müssen. Damit wird mit der Kultivierung von Cash Crops in das natürliche Ökosystem eingegriffen. Dies führt zu langfristi-

ger Zerstörung des Naturpotentials. Das Bremer Überseemuseum präsentiert im Rahmen der neuen Asien-Ausstellung mehrere Stationen, die die Cash Crops durchlaufen – von der Anpflanzung über die Ernte bis zum Verkauf. Ein Gang durch diesen thematischen Schwerpunkt der Asienausstellung ist durchaus so ergiebig wie eine große Asientour.

Der Shop im Überseemuseum zeigt Herkunft und Nutzung von Gewürzen. Die Möglichkeiten FOTOS: JOCHEN STOSS (2), PRIVAT sind sehr vielfältig, außerdem kommen sie in Mode.

Von Sabrina König und Laura Rolf BREMEN. „Shrimps bekommt man heute schon auf fast jeder Party", erzählt uns lachend Peter-René Becker, Leiter der Naturkundeabteilung im Überseemuseum. Für uns sind Shrimps als Nahrungsmittel zu einer Selbstverständlichkeit geworden, doch wo kommen diese Tiere, vergleichbar mit unseren Krabben, eigentlich her? Heutzutage werden Shrimps in großen Mengen in Intensivzuchtanlagen im asiatischen Raum in den Bereichen der Mangroven, vor allem in Vietnam gezüchtet. Mangroven sind Wald-Ökosysteme im Flachwasserbereich der tropischen Küsten in Flussmündungen und Buchten, die einen vielseitigen Lebensraum für Pflanzen und Tiere schaffen. Ähnlich wie die Wattgebiete im Norden Europas liegen die Mangroven in der Zone zwischen Ebbe und Flut und werden deshalb auch Gezeitenwälder genannt. Entscheidend für sie ist, dass der Wellenschlag des Meeres an ihren Standorten nicht mehr sehr stark ist. Nur dann können Keimlinge in dem weichen Schlammboden Wurzeln austreiben und sich allmählich einen Halt aufbauen. Die Ausstellung zeigt Tiere aus dem Lebensraum der Der Mangrovenwald wird in seiMangroven. Noch ist die Gegend an vielen Stellen urnem strukturellen Aufbau innersprünglich, doch damit ist es bald vorbei. halb der Asienausstellung im Überseemuseum in verschiedenen Vitrinen anschaulich vorgestellt. Man züchten und zu ernten. Wo sich früher Kilosieht die Nachbildung von hohen Bäumen meter lange Mangrovenwaldgürtel erebenso wie auch den Unterwuchs. Erstaun- streckten, reihen sich heute hunderte lich ist neben der Artenvielfalt die hohe An- streng bewachte Zuchtteiche aneinander. passungsfähigkeit der dort lebenden Tiere. Da die Teiche nur wenige Jahre in Betrieb Die Mangrovenwälder sind das Bindeglied gehalten und immer wieder neue Becken zwischen Meer und Land und schützen mit angelegt werden, wird der Mangrovenwald ihrem Wurzelsystem die Küsten vor Ero- über die Jahre unaufhaltsam immer weiter sion. abgeholzt. Jahrhunderte lang haben die Menschen Es hat sich so eine regelrechte Shrimp-Inmit und von den Mangroven gelebt, ohne dustrie gebildet, die sich an den flachen sie zu schädigen. Noch heute gibt es Ge- Küsten tropischer Regionen ansiedelte und meinden, die vom Fischfang leben. Der ohne Rücksicht auf die dortige Bevölkerung Mangrovenwald liefert für sie Honig und und ihre traditionellen Gebiete nur ihren Gerb- und Medizinalstoffe. In den Liedern kurzzeitigen Profit vor Augen hat. Durch ihr und Tänzen der dortigen Bevölkerung wer- skrupelloses Vorgehen wird sowohl dieses den die Mangroven oft als das Leben be- einmalige Ökosystem Stück für Stück zerzeichnet. stört als auch die Nahrungsgrundlage der Jedoch nutzen seit einiger Zeit westliche Menschen vor Ort geschädigt. Shrimpzüchter die Vorteile der MangrovenVielleicht sollten wir bei dem nächsten wälder für sich und bauen in ihnen wirt- Genuss von Shrimps und Muscheln auch schaftlich zu nutzende Anlagen hinein, um einmal den ökologischen Preis dieser Art so Landkrabben, Muscheln und Shrimps zu der Ernährung nachdenken.

View more...

Comments

Copyright © 2020 DOCSPIKE Inc.