10 Jahre - RWE.com

March 18, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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10 Jahre KOOPERATION MUSEUM FOLKWANG RWE AG

VORWORT Gemeinsam blicken das Museum Folkwang und die RWE AG in diesem Jahr zurück auf zehn Jahre erfolgreiche Kooperation. Kooperationen entstehen, wenn Menschen oder Institutionen ihre unterschiedlichen Kompetenzen in den Dienst einer gemeinsamen Sache stellen. Dass eine solche Zusammenarbeit funktioniert, ist keineswegs selbstverständlich. Kooperation ist ein Wagnis: Es erfordert von beiden Partnern Mut – Mut zur Offenheit, zur Kontroverse, zur gegenseitigen Anerkennung von Kompetenzen und Meinungen. Es erfordert Neugier – die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen, zu experimentieren. Unsere Kooperation funktioniert. Sie hat beiden Partnern Raum gelassen und so neue Räume geschaffen. Räume für neue Kunst. Wenn wir auf die letzten zehn Jahre unseres gemeinsamen Engagements für Gegenwartskunst schauen, blicken wir auf 28 erfolgreiche Ausstellungen zurück. Das Museum Folkwang verwirklichte, gefördert durch die RWE, große Ausstellungen neuer Kunst, etwa die Diane Arbus-Retrospektive 2005. Und die Kuratorinnen und Kuratoren des Museums holten vielversprechende künstlerische Talente in das Foyer des RWE Turms. Einige dieser jungen Künstler haben inzwischen internationales Renommee gewonnen – zum Beispiel Attila Csörgő, der 2008 mit dem Nam June Paik Award ausgezeichnet wurde; oder Irina Korina, die in diesem Jahr Russland auf der Biennale in Venedig vertritt. Auszeichnungen, die auch uns zeigen, dass wir mit unserem Konzept auf dem richtigen Weg sind. Aber beginnen wir im Jahr 1999: Zwei Jahre zuvor war die RWE AG in den Neubau am Opernplatz gezogen. Nach den Entwürfen von Christoph Ingenhoven erbaut, ist der Turm zu einem Wahrzeichen der Stadt Essen geworden, nur wenige Straßen entfernt vom Museum Folkwang. Da saßen also, salopp gesagt, die Museumsleute und die RWE-Leute in direkter Nachbarschaft. Das Museum hätte gern noch mehr Ausstellungsflächen gehabt, um vor allem junge und unbekanntere Künstler zu zeigen. Und die RWE hatte nun ein imposantes, lichtdurchflutetes Foyer, von dem nur klar war, dass man es weder möblieren noch mit den aus Konzernzentralen sattsam bekannten Druckgrafiken schmücken wollte. Die Lösung lag auf der Hand: Wir kooperierten. Das Museum bewies Mut, sich auf das Unternehmen mit seinen Strukturen einzulassen. Es gewann einen weiteren attraktiven Ausstellungsraum, um seinem Bildungsauftrag gerecht zu werden und neue, innovative Kunstformen zu fördern, mit der Planungssicherheit einer langfristig angelegten Partnerschaft. Die Kooperation ermöglicht dem Museum, seine weithin anerkannte Position auf dem Gebiet der zeitgenössischen Kunst zu stärken. Das künstlerische Konzept hat dabei stets in der Verantwortung des Museums gelegen. Und damit bewies auch das Unternehmen Mut: Sicherer wäre es vielleicht gewesen, in große, Publicity verheißende Publikums-Ausstellungen zu investieren. Stattdessen kamen junge, experimentierfreudige Künstler in den Turm und machten ihn zu einem lebendigen Forum aktueller Kunst. Mit allem, was dazugehört: Diskussionen, Überraschung, Begeisterung, II

Kopfschütteln, Lachen – und nochmals Diskussionen. Genau um die geht es uns. Gemeinsam wollen wir den Menschen in dieser Region Kunst nahebringen: das Museum als Ort des Dialogs, der Bildung und Vermittlung zeitgenössischer künstlerischer Arbeit; das Unternehmen als Institution mit gesellschaftlicher und kultureller Verantwortung der Öffentlichkeit und seinen Mitarbeitern gegenüber. Gerade auch sie wollen wir anregen – und manchmal vielleicht ein bisschen aufregen. Die Ausstellungen im RWE Turm waren und sind Impulsgeber, Inspirationsquelle und Identifikationsangebot für die Menschen, die hier arbeiten; und sie bieten Stoff für die Begegnung zwischen Mitarbeitern und Öffentlichkeit. Denn alle Ausstellungen im Turm sind natürlich öffentlich. Bei den Ausstellungseröffnungen treffen Mitarbeiter, Besucher, Künstler und Fachleute zusammen. Von Anfang an haben beide Partner dabei ihren sozialen Auftrag sehr ernst genommen: Museum Folkwang und RWE bieten vor allem Kindern und Jugendlichen Möglichkeiten der direkten Begegnung und Gestaltung mit den Künstlern, Workshops – etwa im Rahmen der Projektreihe „Meet the Artist“ –, Kurse und spezielle Führungen wie „Kinder führen Kinder“. 2006 rückten beide Partner wiederum ein Stück näher aneinander heran. Das Profil der Kooperation wurde geschärft und um ein bedeutendes drittes Standbein erweitert: Die großen Ausstellungen im Museum, die sich auf Künstler der Generation um 1970 konzentrierten, wanderten von nun an auch ins europäische Ausland. Für das Museum Folkwang war dies eine hervorragende Vertiefung seiner weitgespannten internationalen Kooperationen. Für das Unternehmen RWE war es die logische und schöne Konsequenz seiner internationalen Ausrichtung: Rund die Hälfte aller RWE-Mitarbeiter arbeitet im Ausland, in den Niederlanden, England und verschiedenen Ländern Osteuropas. Insbesondere mit diesen Ländern wurde der künstlerische Austausch intensiviert: Junge Künstler aus diesen Nationen stellen im RWE Turm aus, und umgekehrt wandern die Essener Museums-Ausstellungen weiter, zum Beispiel nach Warschau oder Budapest. Kunst macht sichtbar. Wer ihr Raum bietet, dem gibt sie Freiheit zurück, neue Blicke und Zukunft. Sie ist ein Seismograph für Ideen, Utopien, Impulse und Energien, die wir niemals empfingen, wenn wir nur unsere täglichen, zwar bequemen, aber auch festgetretenen Wege gingen, ohne aufzuschauen. Ihre Irritationen reizen zur Auseinandersetzung, sie fordern und fördern Dialoge, sie setzen innovatives Potenzial frei – Prozesse, die nicht nur ins Museum gehören, sondern auch zu einem zukunftsorientierten Unternehmen wie der RWE. Das Experiment ist gelungen! Darum blicken wir mit Stolz auf diese Kooperation zurück – und schauen mit großer Freude und Neugier voraus auf die gemeinsamen Kunst-Abenteuer, die noch folgen. Insbesondere, wenn das Ruhrgebiet im kommenden Jahr zur Kulturhauptstadt wird. Wir laden Sie herzlich ein, dabei zu sein!

Dr. Hartwig Fischer Direktor Museum Folkwang

Alwin Fitting Mitglied des Vorstands der RWE AG 1

FÜR DIE KUNST DER GEGENWART UND DER ZUKUNFT Zehn Jahre Kooperation von Museum Folkwang und RWE: Museumsdirektor Dr. Hartwig Fischer und Dr. Stephan Muschick, RWE, im Gespräch mit Magdalena Kröner

Was ist das Markante der mittlerweile zehnjährigen Kooperation von Museum Folkwang und RWE – und wie gestaltet sich die Zusammenarbeit für beide Seiten? Hartwig Fischer: Die Zusammenarbeit ist vorbildlich, Museum und Unternehmen können ihre spezifischen Fähigkeiten und Möglichkeiten einbringen. Bestimmt wird sie von drei Besonderheiten: dem Bekenntnis zur zeitgenössischen Kunst, der Langfristigkeit des Engagements und dem von RWE formulierten Wunsch, die Ausstellungen, die im Museum Folkwang stattfinden, jeweils in einem anderen Land zu zeigen, vor allem in Osteuropa. So haben wir die Darren Almond-Ausstellung nach Warschau gebracht, Simon Starling nach Budapest, Atelier van Lieshout werden wir dieses Jahr in Moskau zeigen. RWE ist Sponsor auch der zweiten Station. Parallel können jüngere Künstler aus diesen Ländern ihr Werk im Essener RWE Turm zeigen. Wichtig ist, dass RWE ein genuines Interesse an zeitgenössischer Kunst hat. Das ist die Basis unserer Zusammenarbeit. Warum hat sich die RWE für zeitgenössische Kunst als Hauptfeld ihrer Sponsorentätigkeit entschieden? Stephan Muschick: Die Förderung zeitgenössischer bildender Kunst ist für das „Bürgerschaftliche Engagement“ des RWE-Konzerns eine außerordentlich gute Plattform – wir können Verantwortung zeigen und zugleich die Präsenz der Marke RWE fördern. Das Spannendste ist jedoch, dass Kunstförderung eine gute Möglichkeit ist, Gespräche über gesellschaftlich relevante Fragen zu führen. Beide Kooperationspartner nehmen die durch die Kunst ausgelösten Impulse auf und entwickeln diese weiter. 2

Können Sie ein Beispiel für eine derartige, gelungene Weiterführung eines Projektes nennen? S. M.: Sicher ist das Ausstellungsprojekt „Slave City. Stadt der Sklaven“ des niederländischen Künstlerkollektivs Atelier van Lieshout hier vorbildlich. Die Ausstellung wurde von einem interdisziplinären Symposium unter dem Titel „Die Unfreiheit der Zukunft“ begleitet. Kooperationspartner war das Kulturwissenschaftliche Institut Essen. Hochkarätige Wissenschaftler und Publizisten nahmen die Ausstellung zum Anlass, um nicht zuletzt auch über Energieversorgung und Klimaschutz zu diskutieren. So stellen wir uns das vor. Demnächst wird diese Ausstellung dann ihre zweite Station in Moskau haben. Warum das besondere Interesse an einem „Export“ in osteuropäische Länder? H. F.: Eine zweite Station im Ausland zu integrieren ist gängige Praxis für das Museum Folkwang. Wir haben in den letzten Jahren immer wieder mit Institutionen in Europa und den USA kooperiert. Die Kooperation mit Instituten in Osteuropa hat sich aus dem unternehmerischen Interesse von RWE an diesen Orten entwickelt. Aber auch für uns hat die Beziehung nach Osteuropa große Bedeutung, sie geht im Folkwang übrigens bis in die 60er Jahre zurück. Die Kooperation mit den Institutionen dort wird jetzt dadurch möglich, dass RWE auch die zweite Station finanziert.

Wie hat sich die Kooperation zwischen RWE und dem Museum Folkwang, die nun bereits im zehnten Jahr besteht, entwickelt? H. F.: Das Folkwang hat von 1999 bis 2006 verschiedene Ausstellungen mit RWE realisiert, zur zeitgenössischen Kunst, aber auch zu Fotografen wie Robert Frank und Diane Arbus. Diese Kooperation haben wir 2006 neu definiert und verstetigt: Einmal im Jahr zeigen wir im Museum das Werk eines jüngeren Künstlers, der bereits international Beachtung gefunden hat, aber der breiten Öffentlichkeit noch nicht bekannt sein dürfte. Hier sind die Ausstellungen mit Darren Almond, Simon Starling, Atelier van Lieshout und Paul Graham zu nennen. Diese gingen beziehungsweise gehen, wie gesagt, an eine zweite Station. Parallel zeigen wir im RWE Turm in Einzelausstellungen jüngere Künstler aus eben diesen Ländern. Es handelt sich also um ein umfassendes Engagement für zeitgenössische Kunst und europäische Zusammenarbeit. S. M.: Schließlich sind wir ein europaweit agierender Konzern. Dem entspricht unsere Kooperation. Wir bekennen uns zu Europa, und gleichzeitig setzen wir ein Zeichen an unserem gemeinsamen Essener Standort. Was macht eine erfolgreiche Ausstellung aus – abgesehen von Besucherzahlen? S. M.: Sicher sind hohe Besucherzahlen ein Erfolgskriterium – für uns und für das Museum. Aber darüber hinaus ist ein Projekt erfolgreich, wenn ein Dialog in Gang gesetzt wird, wenn man uns als Kooperationspartner wahrnimmt und vielleicht auch darüber reflektiert, was uns als Partner daran interessiert. Auch hier verweise ich ausdrücklich auf unseren Wunsch nach Folgediskussionen – wie es ja bei „Stadt der Sklaven“ von Atelier van Lieshout oder bei Attila Csörgő wunderbar funktioniert hat. Aber

Eröffnung der Ausstellung „Oskar Dawicki – Every mistake has a hidden meaning“ im RWE Turm, 19. April 2007

auch Paul Graham, Simon Starling, Darren Almond waren, was die öffentliche Wahrnehmung und durchaus auch die kontroverse Diskussion anging, alles erfolgreiche Ausstellungen. Wie positionieren sich die Ausstellungen in der Konzernzentrale – dem RWE Turm – unweit des Museums? Hier werden im Foyer kleinere, projekthafte Installationen mit internationalen Künstlern realisiert; darunter bislang Künstler wie Candice Breitz, Surasi Kusolwong, Attila Csörgő oder Beat Streuli. S. M.: Bei den Präsentationen im Turm kommt für uns neben den schon genannten Punkten ein weiteres, wesentliches Kriterium für den Erfolg einer Ausstellung hinzu: die Resonanz innerhalb des Konzerns, bei unseren Mitarbeitern. Eine erfolgreiche Ausstellung funktioniert nur, wenn man sich mit der Meinung derer befasst, die täglich mit der Kunst in „ihrem“ Turm konfrontiert sind. Kunst ist Kommunikation. Das merken wir gerade im Turm jeden Tag.

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Welche Rolle spielen die Turmausstellungen für das Museum Folkwang? H.F.: Die Arbeit mit jungen Künstlern ist schnell nach Eröffnung des Turms ein fester Teil unseres Programms geworden, auch wenn er ganz eigene Anforderungen stellt. Das Museum hat mit dem Foyer des RWE Turms einen weiteren Raum gewonnen, um zeitgenössische Kunst zu zeigen. Alle Künstler, die ihre Arbeit im Turm zeigen, würden wir auch im Museum präsentieren. Was bedeutet das Stichwort „2010“ für Museum und RWE – vor dem Hintergrund der Eröffnung des Neubaus, des Großprojektes „Kulturhauptstadtjahr Ruhr“, aber auch der krisenhaften Veränderung der Weltwirtschaft und in der Folge auch des Kunstmarktes? H. F.: Natürlich ist die Eröffnung unseres Neubaus, den die Krupp-Stiftung unter dem Vorsitz von Berthold Beitz als alleinige Förderin ermöglicht, ein Höhepunkt. Es ist der größte und

großartigste Entwicklungsschritt der letzten sechzig Jahre. Erstmals können wir alle Teile unserer Sammlung umfassend präsentieren und die Besucher mit zeitgemäßen Einrichtungen empfangen. Die Architektur wird den internationalen Rang des Museum Folkwang auch nach außen repräsentieren. David Chipperfield hat ein wunderbares Gebäude entworfen. Und mit der Neubau Museum Folkwang Essen GmbH unter der Leitung von Klaus Wolff haben wir ein hochprofessionelles Team gefunden, das den Bau in kürzester Frist realisiert. Was unsere Zusammenarbeit betrifft, werden wir mit der Unterstützung von RWE im Sommer 2010 ein faszinierendes Projekt verwirklichen: „A Star is Born. Fotografie und Rock seit Elvis Presley“. Kuratiert von Ute Eskildsen, der Leiterin der Fotografischen Sammlung, wird die Ausstellung erstmals die Rolle der Fotografie bei der Etablierung des modernen Starkults erschließen. Daneben läuft während des gesamten Jahres ein großartiges Ausstellungsund Veranstaltungsprogramm. Mit der Krise müssen auch wir umgehen, auch die Stadt Essen, die Trägerin des Folkwang, muss es. Aber das Museum wird diese Krise gemeinsam mit der Stadt und mit seinen Partnern und Förderern, den privaten und staatlichen, meistern. Im Übrigen ist das Akquirieren von Fördergeldern auch vor der Krise keine leichte Aufgabe gewesen. Umso mehr erweist sich die Langfristigkeit und Stetigkeit unserer Kooperation als wertvoll. Nicht nur für das Museum. Denn das Folkwang gibt starke Impulse und bewahrt Kontinuität. Das Museum Folkwang ist von strategischer Bedeutung für die Metropole Ruhr.

Eröffnung der Ausstellung „Simon Starling – Nachbau“ im Museum Folkwang, 19. April 2007

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S. M.: Unternehmerische Kulturförderung ist in Zeiten einer handfesten Finanz- und Wirtschaftskrise nicht leichter geworden. Um uns herum werden manche Engagements zurückgefahren, in Einzelfällen sogar brutal auf Null.

Wir hingegen haben uns entschieden, unsere Kulturförderung nicht solchen kurzfristigen Impulsen folgen zu lassen. Wir sehen die gegenwärtige Situation sogar als Chance: Indem wir uns genau fragen, was wir wollen, stellen wir sicher, dass die durch RWE eingesetzten finanziellen und intellektuellen Ressourcen tatsächlich eine große Wirkung erzielen. H. F.: Die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Museen wird auch in der Zukunft einen wichtige Rolle spielen. Es ist eine Illusion, zu glauben, dass Kunstmuseen von Rang auf die Zusammenarbeit mit Unternehmen verzichten könnten oder plötzlich die öffentlichen Haushalte dieselben Fördergelder generieren würden. Die Annahme, Museen wie das Folkwang mit ihrem anspruchsvollen Programm würden heute noch zu 90 Prozent mit öffentlichen und 10 Prozent privaten Mitteln finanziert, wie gern behauptet wird, entspricht nicht mehr der Realität. S. M.: In unserer Kooperation mit dem Museum Folkwang arbeiten wir übrigens nicht mit einem Refinanzierungsmodell. Die Erträge aus Kartenund Katalogverkäufen fließen nicht an uns zurück. Bei unserer Form der Förderung bleibt die gesamte Unterstützung im Museum und erweitert dessen Handlungsspielraum. Gerade bei den angesprochenen, komplexen zeitgenössischen Ausstellungen ist das nicht ganz unwesentlich. Auch darin sehen wir ein Bekenntnis. Bedeutet dies inhaltlich gesehen, dass das von RWE praktizierte Förderungsmodell für das Museum Folkwang ein wirkungsvolles Instrument darstellen kann, gerade anspruchsvolle, zeitgenössische Projekte zu realisieren? H. F.: Auf jeden Fall. Gäbe es diese Förderung nicht, hätten wir nicht in derselben Weise mit den genannten Künstlern zusammenarbeiten können. Wir haben eine herausragende Samm-

lung, die vom 19. übers 20. bis ins 21. Jahrhundert reicht und die wir in allen Bereichen entwickeln wollen. Und wir zeigen Ausstellungen zur zeitgenössischen Kunst, zur Fotografie, zum Plakat sowie große Publikumsausstellungen zur Kunst des 19. Jahrhunderts und der Klassischen Moderne. Das Museum darf auf keine dieser Aktivitäten verzichten, sie sind integraler Teil unserer Identität. Dass RWE sich dazu bekennt, einen langfristigen Weg mit dem Museum zu gehen, hilft uns, das Profil des Folkwang zu schärfen, auch im Vergleich zu anderen Kunstmuseen, im Inland wie im Ausland. S. M.: An dieser Stelle ist sicher noch einmal der Hinweis auf unser Interesse angebracht, sich für etwas zu engagieren, das über den Punkt der gesellschaftlichen Relevanz hinaus etwas wesentlich Neues bringt, das es so bislang noch nicht gibt: Ausstellungen mit Positionen, die für Diskussionen sorgen. Dabei bildet sicher vor allem die Freude am Experiment „zeitgenössische Kunst“ die Motivation für uns als Sponsor. Wir haben uns mit dem Museum Folkwang als Partner nach intensiven Gesprächen geeinigt, dass wir „harte Schnittkante“ sein wollten. Das heißt: Wir haben uns entschieden, unsere Kooperation bewusst auf komplexe oder auch mal sperrige zeitgenössische Positionen zu konzentrieren. Es wäre ja durchaus möglich gewesen, die Förderung auf konventionellere oder historische Positionen zu konzentrieren, also etwa Kunst der 10er oder 20er Jahre zu zeigen, oder uns in BlockbusterAusstellungen zu engagieren, so wie wir es jetzt gerade aus aktuellem Anlass in Berlin mit der großen Übersichtsschau „60 Jahre – 60 Werke“ machen. Hier engagiert sich RWE einmalig in einem bewusst populär orientierten Projekt – worauf ja auch die Zusammenarbeit mit der „Bild“-Zeitung hinweist. Stets geht es aber um die gesellschaftliche Relevanz dessen, was wir fördern – das verbindet beide Formen des Engagements. 5

AUSSTELLUNGEN IM RWE TURM Jede Ausstellung hat das Foyer des RWE Turms verwandelt. Die Installationen spielen mit seiner Architektur und seinem Licht, die Begegnungen bei den Ausstellungseröffnungen füllen den Raum mit Leben und Energie. Schauen wir zurück, was sich seit dem ersten Projekt, Nam June Paiks und Ronald Bladens Kontrapunkt, im Foyer ereignet hat. Die Installation Six-Pack-Six von Mischa Kuball verwandelte den Raum selbst in einen Projektionskörper. Transparente Fotografien an 13 Fensterflächen zeigten gestapelte Diaprojektoren, deren Linsen Tageslichtstrahlen ins Foyer warfen und nachts das Licht des beleuchteten Raumes nach außen. Sechs silbrige Projektor-„Attrappen“, im Kreis an den Säulen auf Spiegelflächen stehend, projizierten hingegen nichts, vielmehr wurden sie im Spiegel selbst verdoppelt. Ein Spiel mit der Grenze von Innen- und Außenraum. Katalogtitel, oben: „Surasi Kusolwong – Floating Air Market (one Euro)“ 2002 | „Mira Schumann – Einwurf“ 2002 | unten: „Candice Breitz – Alien (Ten Songs from Beyond)“ 2002 | „Mischa Kuball – Six-Pack-Six“ 2000

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Maarten Vanden Abeele machte das Foyer zur Corner of a Broken Glass. Fotografien und Projektionen an den Wänden und Säulen zeigten fragile Splitter der Welt: Menschen, Momente, bewohnte Räume, Tiere und Dinge. Erinnerungsbilder und melancholische Blicke, wie sie auch die Installation White Noise von Andreas von Weizsäcker auf sich zog: Eine Ecke des Foyers wurde zum verlassenen Sommerhaus: „Schlagschatten“. Doch unter den „Leinenüberwürfen“ waren gar keine Möbel. Weizsäckers Skulpturen aus weißem Papiermachée zeigen die Dinge als abwesende. Abdrücke der Welt, Masken alltäglicher Gegenstände, in Faltenwürfen nur Spuren des Menschlichen: ein einsamer „Balkon“ an der Wand, ein wie in Eile verlassenes Büro: „Tabula Rasa“. Die Wirklichkeit versteckt sich wie ein Kind. – Für Kinder können Räume Lebewesen sein. Ulrike Kessl bewahrt ein Stück dieser Perspektive: Sie nimmt Räume wie menschliche Körper wahr. Ihre Arbeiten für ein verstecktes Kind verwandelten Organe in Raumskulpturen: Den Boden eines „Laufstalls“ bildete ein Schnitt durch das menschliche Gehirn, die „Sitzlandschaft“ bestand aus farbigen Verdauungsorganen, von der Decke hingen Hirnteile und im Untergeschoss lag der Darm: als Teppich.

Mira Schumanns Installation Einwurf, kuratiert von Necmi Sönmez, lud zum Spielen ein: ein irritierendes Angebot auf dem Weg zum Fahrstuhl. Das Foyer wurde zum Basketballfeld, vier Körbe hingen an den Säulen, Bälle waren genug vorhanden. Wer durfte mitspielen? Jeder, der sich traute. Bälle zuspielen, Punkten, spontane Querpässe – wie im wirklichen Leben. Vor der Alternative Schauen oder Mitmachen stand auch der Besucher des Floating Air Market (one Euro) des Thailänders Surasi Kusolwong. Mitmachen bedeutete hier, aus der geometrisch inszenierten Fülle eines der bunten Plastikobjekte kaufen. Kunst und Konsum: Auch das Geld wurde ausgestellt. Wirtschaft in klein: knallbunt und radikal. Wir befinden uns immer noch im Foyer des Konzerns RWE: Diesmal hören wir ein Gewirr von Singstimmen. Candice Breitz konfrontierte uns in Alien (Ten Songs from Beyond) mit dem Fremden. Auf zehn Monitoren sahen die Besucher fremdsprachige Einwanderer singen – stumm. Statt ihrer hörte man Muttersprachler deutsche Lieder singen. Die Unstimmigkeit zwischen Bild und Ton zeigte pointiert und mit Witz die Spannung zwischen Heimat und Fremde auf. Eine andere Art, dem Fremden zu begegnen, bietet Katalogtitel, oben: „Oskar Dawicki – Every mistake has a der Urlaub. Thomas Böing baute hidden meaning“ 2007 | „Thomas Böing – Pool“ 2004/2005 | im Foyer einen riesigen Pool aus unten: „Tamás Kaszás mit Intercultural Orientation – Schaumstoff auf. Urlaubsfotos They who know the truth don’t advertise it“ 2007/2008 | von RWE-Mitarbeitern waren in „Attila Csörgő – Wurfbahnen und Raumkurven“ 2008/2009 Projektionen zu sehen, dazu Skizzen und Umrisszeichnungen von Pools in Reiseprospekten – blaue Konturen um leere Räume: Platz für Sehnsucht und Utopie. Auch Fotoarbeiten Beat Streulis setzten sich direkt mit den Menschen im Unternehmen auseinander: Streuli fotografierte einige von ihnen und installierte ihre Portraits im RWE Turm auf transparenter Folie an den Fenstern. Die „faces“ an den Fenstern wurden zum Interface, zur Schnittstelle: Blicke nach innen und außen. Und Blicke in die Ferne: „Nach Europa!“ Seit 2006 präsentieren Künstler aus Osteuropa ihre Kunst im Turm: Karolina Kowalska und Oskar Dawicki aus Polen, Tamás T. Kaszás und Attila Csörgő aus Ungarn; 2009 folgen zwei Künstler aus Russland.

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„Thomas Böing – Pool“ 2004/2005 (links) | „Andreas von Weizsäcker – White Noise“ 2003

„Maarten Vanden Abeele – Corner of a Broken Glass“ 2001

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„Ulrike Kessl – Arbeiten für ein verstecktes Kind“ 2001 (rechts) | „Attila Csörgő – Wurfbahnen und Raumkurven“ 2008/2009

„Tamás Kaszás mit der Gruppe Intercultural Orientation – They who know the truth don’t advertise it“ 2008 (während des Aufbaus)

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AUSSTELLUNGEN IM MUSEUM FOLKWANG Die Kooperation zwischen dem Museum Folkwang und der RWE begann 1999 mit der internationalen Ausstellung Children of Berlin. Der Titel des zweiten gemeinsamen Projekts im Museum kann einem Rückblick als Motto dienen: HOLD STILL – keep going. Die Ausstellung war Robert Frank gewidmet, dem stilbildenden Fotografen der Nachkriegszeit und Avantgarde-Filmer. Sie wies erstmals die Parallelen seiner medial unterschiedlichen Arbeiten auf: Fotografien, Fotobücher, Filme, Videos und Bild-Text-Montagen dokumentierten Franks Widerstand gegen das absolute Einzelbild und lineare Erzählungen. Wir gehen weiter: auf Streifzüge mit rätselhaften Empfindungen. Magische Expeditionen war der Titel einer Gruppenausstellung mit Arbeiten von jungen Künstlerinnen und Künstlern aus drei Erdteilen: Isidro Blasco, Uwe Max Jensen, Markus Keibel, Rosana Palazyan, Maruch Sántiz Gómez, Ekrem Yalcindag. Dabei wurden die Einzelarbeiten nicht in das Korsett eines gemeinsamen Themas gezwungen: Sie boten Einblicke in die Praxis der Nachwuchskünstler, ihre methodisch und medial vielfältigen Ansätze, subversiv mit kunst- und kulturspezifischen Systemen und Strukturen umzugehen. Erstmals nach 30 Jahren stellte 2005 eine Retrospektive im Museum Folkwang das Werk der amerikanischen Fotografin Diane Arbus umfassend vor. Revelations – Enthüllungen ihrer „zeitgenössischen Anthropologie“: Porträts von Paaren, Kindern, Karnevalisten, Nudisten, Mittelschichtfamilien, Transvestiten, Exzentrikern, Berühmtheiten, kurz: Menschen auf den Straßen New Yorks. Arbus’ Fotografien decken das Fremde im Vertrautesten auf – und lenken den Blick mit derselben Macht auf das uns Vertraute im Fremden.

Einladungskarten: „Robert Frank – HOLD STILL – keep going“ 2000/2001 | „Diane Arbus – Revelations“ 2005 | „Atelier van Lieshout – Stadt der Sklaven“ 2008 Rechte Seite: „Magische Expeditionen“ 2002 | „Simon Starling – Nachbau“ 2007

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Das vergangene Licht bleibt gegenwärtig in Darren Almonds „Moonscapes“. Seine Langzeitbelichtungen bei Nacht tauchen die Landschaft in silbriges Mondlicht und machen Farben sichtbar, die sich dem menschlichen – nicht technisch verlängerten – Blick entziehen. Zeit, Landschaft und Technik sind auch zentrale Motive in Almonds für die Ausstellung Day Return komplettierter Film-Trilogie: Der erste Film zeigt eine Fahrt mit der Wuppertaler Schwebebahn – rückwärts, auf dem Kopf und spiegelverkehrt. Ein Schwarz-Weiß-Film entführt in die anrührend veraltete Wiener Geisterbahn. Den dritten Film drehte Almond 2006 auf der neuen Bahnlinie zwischen China und Tibet. Mit der Vergangenheit des Museum Folkwang selbst setzte sich die Ausstellung Nachbau des Turner-Prize-Trägers Simon Starling auseinander. Er rekonstruierte nach Fotografien von Albert Renger-Patzsch ein Sammlungs-Interieur aus der Zeit um 1930 – eine vielschichtige Konfrontation mit der Geschichte. An die leeren Stellen der 1937 von den Nationalsozialisten enteigneten Bilder traten Reproduktionen. Die vollendeten Interieurs fotografierte Starling analog der alten Aufnahmen und hängte die Abzüge an der Stelle im Altbau von 1960 auf, die der im zerstörten Vorgängerbau entsprach. Der Ergänzungsbau, in dem die Ausstellung stattfand, wurde nach der Ausstellung 2007 für den Neubau abgerissen, der 2010 eröffnet wird. Vergangenheit und Zukunft des Museums wurden zum Ereignis dieser Ausstellung, kuratiert von Ute Eskildsen und Hartwig Fischer. Zum Ort einer Utopie wurde das Museum 2008 mit der Stadt der Sklaven des Ateliers van Lieshout. Pläne, Zeichnungen, Skulpturen, Modelle und Installationen zeigten eine utopische Stadt, konsequent auf Profit und Selbstversorgung ausgerichtet. Alles ist perfekt organisiert: Infrastruktur, Dienstleistung, Universitäten, Gesundheitszentren, Bordelle, Museen. Die Nachtseite der Utopie ist jedoch ein radikaler Tabubruch: die totale Verwertung der Einwohner. Sie werden recycelt. Jeder menschliche Körper liefert im Schnitt sechs Liter Blut, 26 Organe zur Transplantation und 35 Kilo Fleisch als Nahrung. Auch der Ausstellungsbesucher konnte sich „verdauen“ lassen: Vor dem Museum lag einladend die „Bar Rectum“, ein riesiger Darm. Die Sprengkraft des von Sabine Maria Schmidt kuratierten Projekts dokumentieren die Beiträge zum begleitenden Symposium „Die Unfreiheit der Zukunft“, die mit in den Katalog eingegangen sind. „End of an Age“ hieß eine der elf Serien in der Ausstellung Fotografien 1981–2006 von Paul Graham, mit deren Präsentation das Programm des Museums im Altbau an der Kahrstraße im April 2009 endete. „End of an Age“ bietet Blicke auf die müden Gesichter junger Clubbesucher. Graham steht in der Tradition der sozialdokumentarischen Fotografie: „Beyond Caring“ zeigt Wartende in englischen Arbeitsämtern, Räumen von erdrückender Tristesse. Er erfasst Landschaften, Himmel, aufschwärmende Fliegen, desolate oder glückliche Augenblicke, Graffitis, Hände und Gesichter. Seine „Television Portraits“ versammeln eigentümlich intime Profilansichten von Menschen beim Fernsehen. „American Night“ zeigt neben klaren Farbaufnahmen überbelichtete Landschaftsbilder. Die einsamen Gestalten darin verschwinden in der bleichen, blinden Landschaft. 13

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Robert Frank: Williams, New York, 1955 (links)

Installationsansicht „Diane Arbus – Revelations“ 2005

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Installationsansicht „Darren Almond – Day Return“ 2006/2007

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Installationsansicht „Simon Starling – Nachbau“ 2007

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Installationsansicht „Atelier van Lieshout – Stadt der Sklaven“ 2008

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Paul Graham, Fotografie aus der Serie „End Of An Age 1996–98“

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NACH EUROPA! 2006 rückte der Austausch mit europäischen Ländern ins Zentrum der Kooperation. Nachwuchskünstler, vor allem aus Osteuropa, wurden in den Turm geholt – und große Ausstellungen wanderten ins Ausland, Polen war die erste Station. Die Serie begann mit Karolina Kowalskas Risk Management im Turm. Die zeitgleich im Museum stattfindende Ausstellung Day Return von Darren Almond reiste anschließend ins Zentrum für Zeitgenössische Kunst Schloss Ujazdowski in Warschau. Kowalskas Ausstellung versetzte das Foyer in Unruhe. Sie zeigte Fotografien von Tieren, die sich bei Gefahr tot stellen. Die Schreie eines fliehenden Pfaus im Video schallten durch den Raum. Aus größerer Entfernung erkannte man das schwarz geschminkte Gesicht eines kleinen Mädchens, das sich in grobe Pixel auflöste, sobald man näher trat. Was tun? Tot stellen, weglaufen – oder das Risiko „managen“? Oskar Dawicki präsentierte danach in seiner ersten Einzelausstellung in Deutschland Installationen aus einer verschobenen Wirklichkeit: Im Aquarium schwamm die Angelrute statt des Fisches, auf dem Tisch standen die Stiele von Weingläsern ohne Kelch. Every mistake has a hidden meaning: Der Titel war Trost und Frage zugleich. Und die Antwort? Kommt vielleicht aus Ungarn: They who know the truth don’t advertise it. Unter diesem Titel zeigte Tamás T. Kaszás mit der Gruppe „Intercultural Orientation“ ein komplexes Ensemble von Skulpturen und Wandarbeiten, die sich mit Ressourcen auseinandersetzten: mit seelischen, geistigen und materiellen Energien. Wiederverwertete Materialien wurden zu Trägern alter Symbole und Gesten der Macht oder des Widerstands. Wo Fahnen und Fäuste in Serie für viele verschiedene Ziele gereckt werden, macht Kunst aus Pathos Ironie. Denn Kunst „spricht“ auch da, wo andere Dis20

„Meet the artist“: Attila Csörgő, 2008

kurse verstummen. In Attila Csörgős Wurfbahnen und Raumkurven dokumentierte eine Konstruktion aus sechs Fotoapparaten die Wurfbahn eines leuchtenden Würfels: ein Moment aus sechs Perspektiven. In Csörgős Tüfteleien gibt uns die Kunst schöne und präzise Antworten auf Fragen, zu denen die Wissenschaft allenfalls murmelt. Im Anschluss an seine Ausstellung Nachbau im Museum Folkwang realisierte Simon Starling ein Projekt in Ungarn: Das Ludwigmuseum der Zeitgenössischen Kunst in Budapest zeigte Three Birds, Seven Stories, Interpolations and Bifurcations. Auch hier brachte Starling Vergangenheit, Gegenwart und Fiktion in einen Dialog. Eine erste Variation des Rechercheprojekts zeigte er Anfang 2008 in Turin in einem von Alessandro Antonelli 1840 erbauten Haus mit außergewöhnlicher, dreieckiger Architektur. Ein rekonstruiertes Geschoss dieses Hauses bildete den Schwerpunkt der Budapester Installation. Der interkulturelle Dialog wurde bis nach Indien weitergesponnen: Originalfotografien, Möbel und Collagen kreisten um die Residenz „Manik Bagh“ in Indien, 1929 von Eckart Muthesius für den Maharadscha von Indore erbaut, um das mehrfach verfilmte Drehbuch „Das indische Grabmal“ von Fritz Lang und Theo von Harbou aus dem Jahr 1921, um die Hochzeit des Maharadschas und drei Vögel: Skulpturen von Constantin Brancusi für den nie gebauten Tempel im Garten der Residenz. Interpolationen und Bifurkationen zwischen Europa und Indien.

VORSCHAU 2009/2010 Russische Kunst 2009 konzentriert sich die Kooperation auf Russland: In Moskau ist die zweite Station der Ausstellung Stadt der Sklaven von Atelier van Lieshout geplant, und zwei russische Künstler zeigen in Einzelausstellungen ihr Werk im RWE Turm. Die Installation Back to the Future ist Teil der Ausstellung, die die junge russische Künstlerin Irina Korina für das Foyer des RWE Turms entwickelt. Am Ende eines braunen Verwaltungskorridors leuchtet ein farbenfrohes Mosaik: Kosmonauten entschweben in den Weltraum und winken dem Betrachter zu. Aber er kann nicht näher treten: Eine Wand versperrt ihm den Weg. Das Mosaik selbst ist ein Fake aus synthetischen und bemalten Musterplatten. Ab Juli 2009 präsentiert Korina ihre erste Einzelausstellung in Deutschland mit Objekten und einer weiteren architekturbezogenen Installation. Korinas Arbeiten setzen sich mit gesellschaftlichen Themen auseinander, verschränken die Verheißungen der Medien- und

Eventkultur mit dem russischen Alltagsrealismus und demontieren die Phänomene einer künstlich erzeugten Natur. In ihren Installationen und Objekten verwendet sie mit Vorliebe industriell gefertigte Oberflächenmaterialien wie Tapeten, Wachsstoffe, Mosaiken, Styroporplatten, PVC und bedruckte Folien. Irina Korina zählt in Moskau zurzeit zu den herausragendsten künstlerischen Talenten. Zusammen mit vier weiteren Künstlern wurde sie im März für den russischen Pavillon auf der diesjährigen Biennale in Venedig ausgewählt. Auch die Herbstausstellung im RWE Turm wird einem russischen Künstler gewidmet sein. Im Herbst zeigen Folkwang und RWE eine spektakuläre Ausstellung des holländischen Künstlerkollektivs Atelier van Lieshout (AVL). Seit 2005 arbeitet AVL an der Stadt der Sklaven. Die stetig anwachsende Werkgruppe experimentiert und operiert mit ethischen und ästhetischen Werten, Plänen zur Ernährung der Weltbevölkerung, Ökologie, Organisation, Management und Markt. Die für Moskau geplante Aus-

Irina Korina: Ohne Titel, 2009

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Mark Seliger: „Chuck Berry“, St. Louis/MO, 2001, from: The Music Book, 2008

A Star is Born

stellung Cradle to Cradle wird eine Weiterentwicklung der Stadt der Sklaven sein, die 2008 im Museum Folkwang gezeigt wurde. „Cradle to Cradle“ ist ein Begriff aus der Welt des ökologischen Designs: Wenn alle Materialien in geschlossenen Stoffkreisläufen zirkulieren, gibt es keinen Abfall mehr; denn im Sinne der Wiederverwertbarkeit ist Abfall dann gleichbedeutend mit Nahrung. Atelier van Lieshout denkt diesen Ansatz weiter – und überschreitet dabei künstlerisch die geltenden ethischen Grenzen. Vom 14. September an soll die monumentale Installation im Kunstzentrum Winzavod in Moskau zu sehen sein, einem der aktivsten Ausstellungsorte für zeitgenössische Kunst in Russland, 2007 auf dem Gelände eines ehemaligen Weinkombinats eröffnet. Die Gesamtinstallation ist für zwei Ausstellungshallen über zwei Etagen des alten Hauptgebäudes konzipiert: Die White Hall zeigt vor allem die Skulpturen, die auch in Essen zu sehen waren. Die darunterliegende Red Hall bietet einer neuen Installation Raum: dem Empfangs- und Selektionsraum der Stadt der Sklaven. Die Ausstellung wird Teil der Moscow Biennale 2009 sein. 22

Das Museum Folkwang zeigt von Juli bis Oktober 2010 unter dem Titel A Star is Born. Fotografie und Rock seit Elvis Presley eine große Sonderausstellung mit rund 250 Objekten, kuratiert von Ute Eskildsen, Leiterin der Fotografischen Sammlung. Sie präsentiert Fotografien, Plattencover, Zeitschriften und Autogrammkarten aus 60 Jahren Rock- und Popgeschichte. Gezeigt werden unter anderem Werke von Ron Galella, Annie Leibovitz, Mark Seliger, Richard Avedon, Anton Corbijn – Fotografen, die kaum weniger bekannt sind als die Stars, an deren Mythos sie entscheidenden Anteil hatten: Elvis Presley, Little Richard, Jimi Hendrix, Janis Joplin, Frank Zappa, David Bowie, Bands wie den Rolling Stones und den Beatles bis hin zu den White Stripes. Stars stehen auf beiden Seiten der Kamera. Die Fotografen schufen Bilder, die sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt haben: provozierend, schrill oder einfach wunderschön. Glamour-Porträts, journalistische Dokumente von Live-Auftritten, PR-Material aus den Studios der Plattenfirmen, aber auch Fotografien, die den Kult um Instrumente und Soundtechniken belegen, vervollständigen die erste große Ausstellung zu diesem Thema in Deutschland. Die RWE fördert diese Ausstellung im Rahmen ihres umfangreichen Engagements für die Kulturhauptstadt 2010. Unter der Überschrift „EnergieKulturRuhr“ unterstützt der Konzern als Hauptsponsor zahlreiche Projekte und initiiert eigene Kunst- und Kulturprojekte.

David Chipperfield Architects, Berlin/London, Entwurf des Neubaus Museum Folkwang

Neubau Museum Folkwang Einen spektakulären Neubeginn erleben die Besucher des Museum Folkwang im Kulturhauptstadtjahr 2010. Das Museum erhält einen Neubau, konzipiert von dem englischen Architekten David Chipperfield. Die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung finanziert auf Vorschlag ihres Vorsitzenden Prof. Dr. h.c. mult. Berthold Beitz das Gebäude, das durch die Neubau Museum Folkwang Essen GmbH, ein Unternehmen der Wolff Group, realisiert wird. Der Neubau ergänzt den denkmalgeschützten Altbau und setzt sein architektonisches Prinzip mit einem Ensemble von sechs Baukörpern, vier Innenhöfen, Gärten und Wandelhallen fort. Eine großzügige Freitreppe führt in den neuen Eingangshof mit Café, Restaurant und Buchhandlung. Das Innere bietet eine abwechslungsreiche Raumfolge mit viel natürlichem Licht für die Ausstellungsbereiche, mit Bibliothek, Medien- und Lesesaal, Multifunktionssaal für Vorträge und Veranstaltungen sowie Depots und Restaurierungswerkstätten.

Erstmals in der Museumsgeschichte ist es möglich, alle Sammlungsteile und großen Sonderausstellungen parallel in angemessenen Räumen zu präsentieren. Eine der großen Sammlungen zur Kunst der Romantik, des Impressionismus, der Klassischen Moderne, Skulptur und zeitgenössischen Kunst findet hier würdige und geeignete Räume neben der weltweit angesehenen Fotografischen Sammlung, der Grafik, dem Deutschen Plakat Museum und der alten und außereuropäischen Kunst. Das Museum besinnt sich auf die Ideen Karl Ernst Osthaus’, des Gründers der Folkwang-Sammlung, und setzt die Tradition der Medienvielfalt und der Kombination von europäischer und außereuropäischer Kunst fort, für die das Museum Folkwang bis 1933 so berühmt war. Das Folkwang war das erste öffentliche Museum für zeitgenössische Kunst in Europa. Auch in Zukunft bildet die Kunst der Gegenwart einen Mittelpunkt seiner Arbeit. 23

Übersicht der Ausstellungen 1999 –2009 Herbst 2009 (in Planung) ATELIER VAN LIESHOUT. CRADLE TO CRADLE Winzavod, Moskau

20.10.06. – 07.01.07 DARREN ALMOND – DAY RETURN Museum Folkwang

01.07.09 – 18.09.09 IRINA KORINA. INSTALLATIONEN RWE Turm

20.10.06 – 07.01.07 KAROLINA KOWALSKA – RISK MANAGEMENT RWE Turm

24.01.09 – 05.04.09 PAUL GRAHAM. FOTOGRAFIEN 1981–2006 Museum Folkwang

18.06.05 – 18.09.05 DIANE ARBUS – REVELATIONS Retrospektive im Museum Folkwang

31.10.08 – 30.01.09 ATTILA CSÖRGŐ – WURFBAHNEN UND RAUMKURVEN RWE Turm

21.04.05 – 21.08.05 BEAT STREULI – PORTRAITS IM RWE TURM ESSEN RWE Turm

13.06.08 – 03.08.08 SIMON STARLING – THREE BIRDS, SEVEN STORIES, INTERPOLATIONS AND BIFURCATIONS Ludwig Múzeum, Budapest 25.04.08 – 06.07.08 ATELIER VAN LIESHOUT – STADT DER SKLAVEN Museum Folkwang 26.10.07 – 25.01.08 TAMÁS KASZÁS MIT INTERCULTURAL ORIENTATION – THEY WHO KNOW THE TRUTH DON’T ADVERTISE IT – WER DIE WAHRHEIT KENNT, SPRICHT NICHT DARÜBER RWE Turm 15.05.07 – 15.07.07 DARREN ALMOND – DAY RETURN Centrum Sztuki Wspólczesnej Zamek Ujazdowski, Warschau 20.04.07 – 01.07.07 SIMON STARLING – NACHBAU Museum Folkwang 20.04.07 – 01.07.07 OSKAR DAWICKI – EVERY MISTAKE HAS A HIDDEN MEANING RWE Turm

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18.11.04 – 11.03.05 THOMAS BÖING – POOL RWE Turm 05.11.03 – 06.02.04 PAUL ETIENNE LINCOLN – DIE BERLINER ZUCKERBÄRIN RWE Turm 28.08.03 – 19.10.03 ENERGY – KÜNSTLERFILME VON 1920 BIS HEUTE RWE Turm 21.05.03 – 01.08.03 ANDREAS VON WEIZSÄCKER – WHITE NOISE RWE Turm 09.10.02 – 12.12.02 CANDICE BREITZ – ALIEN (TEN SONGS FROM BEYOND) RWE Turm 05.07.02 – 06.08.02 CHRISTIAN ROHLFS – SOMMERINTERMEZZO RWE Turm 05.07.02 – 25.08.02 MAGISCHE EXPEDITIONEN – STREIFZÜGE MIT RÄTSELHAFTEN EMPFINDUNGEN Gruppenausstellung mit Isidro Blasco, Uwe Max Jensen, Markus Keibel, Rosana Palazyan, Maruch Sántiz Gómez, Ekrem Yalcindag Museum Folkwang

Impressum 15.05.02 – 13.06.02 SURASI KUSOLWONG – FLOATING AIR MARKET (ONE EURO) RWE Turm 31.01.02 – 19.03.02 MIRA SCHUMANN – EINWURF RWE Turm 21.06.01 – 07.09.01 ULRIKE KESSL – ARBEITEN FÜR EIN VERSTECKTES KIND RWE Turm 13.02.01 – 30.04.01 MAARTEN VANDEN ABEELE – CORNER OF A BROKEN GLASS RWE Turm 10.12.00 – 11.02.01 ROBERT FRANK – HOLD STILL – KEEP GOING Museum Folkwang

Publikation anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der Kooperation des Museum Folkwang und der RWE AG

Herausgeber Museum Folkwang 45128 Essen RWE AG Bürgerschaftliches Engagement / Corporate Citizenship Opernplatz 1 45128 Essen

Redaktion Dr. Regine Anacker, Buchstablerei Hendrik von Boxberg, Museum Folkwang Ingrid Brandhorst, RWE AG

19.09.00 – 12.11.00 MISCHA KUBALL – SIX-PACK-SIX RWE Turm

Design Susanne Wolff, Essen

17.02.00 – 19.03.00 CHILDREN OF BERLIN Museum Folkwang

© 2009 Museum Folkwang, Essen RWE AG, Essen

17.01.00 – 19.03.00 NAM JUNE PAIK UND RONALD BLADEN – KONTRAPUNKT RWE Turm 1999 CHILDREN OF BERLIN P.S.1 Contemporary Art Centre, New York, in Kooperation mit Kunst-Werke, Berlin, Institut für zeitgenössische Kunst (KW)

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für die Texte bei den Autoren für die Abbildungen bei den Künstlern und den Bildautoren: Marcus Dressen Imaging Atelier Achim Kukulies Jens Nober Nic Tenwiggenhorn Frank Vinken

Titelbild oben: Installationsansicht „Atelier van Lieshout. Stadt der Sklaven", 2008 | Titelbild unten: Installationsansicht „Beat Streuli. Portraits im RWE Turm Essen“, 2005

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